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Vorwort

 

Das Dunkle wird uns immer begleiten, wird stets ein Teil dieser Welt sein. Im Dunkeln lauert Unbekanntes. Man sieht nicht alles, man kann sich nicht vorstellen, was im Dunkeln alles verborgen ist. Ist es dunkel, könnte man meinen, man sei in einer anderen Welt. Es gibt immer noch so viel Unentdecktes und Unbekanntes. Vieles ist uns fremd. Liegt im Dunkeln. Im Dunkeln unsere Welt. Im Dunklen unserer Seele.

 

Lukas Katzmaier, 30.10.2010

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Prolog: „Entstehung“

Im Dunkeln lauert „ES“. Wartend. Auf den entscheidenden Moment. Auf den Moment, in dem die zweite Phase seiner Welt beginnt. Wartend. Auf den Moment in dem seine Welt, die dunkle Welt wieder die Übermacht gewinnen würde. Wie damals. Doch damals hatte die helle Welt gesiegt. Hatte die Wesen seiner Welt einfach getötet. Verbrannt. Erstochen.

Der Moment war nun gekommen. Die zweite Phase hatte begonnen. Die dunkle Welt begann sich wieder aufzubauen. In einem Wald. In einem Ort, den die Wesen der hellen Welt als „verflucht“ bezeichnen. Den sie nie wagen würden zu betreten.

Bald würde es soweit sein. Bald würde „ES“ die Herrschaft über die dunkle Welt zurückgewinnen. Diesmal würde seine Welt siegen. Die helle Welt würde keinen Neubeginn schaffen, das wusste „ES“. Ihm würde die Welt gehören. Die ganze Welt. Es würde nur noch eine Welt geben, die dunkle Welt und „ES“ würde seinen Namen zurück erhalten. Dunkelkönig. „ES“ würde noch einen besseren Namen kriegen. König der Welt.

 

Montag, nachts, 23 Uhr, K-Town

 

Ein 13 jähriger Junge beäugte ängstlich die leeren, dunklen Straßen. Es war spät geworden, zu spät, das wusste er. Gedankenverloren schlenderte er die Straßen hinunter. Als er in der Nähe eines düsteren Gebäudes kam, zu dem er noch nie gewagt hatte, auch nur einen Blick hinüberzuwerfen, raschelte im riesigen unheimlichen Garten des Hauses etwas im Gebüsch. Schatten schlichen über die kahlen, verfallenen Wände des Hauses. Sie lachten ihn aus.

Das Gebüsch schüttelte sich förmlich.

Wind heulte auf. Eiskalt. So wie es in ihm wurde.

Über die leeren, finsteren Straßen, zog der Wind und wehte sanft alles bei Seite, was noch hell und freundlich schien.

Ängstlich beschleunigte der Junge sein Tempo. Er drehte sich dauernd um, in der Meinung das Ding im Gebüsch, was wahrscheinlich nur der Wind gewesen war, könnte ihn verfolgen, packen und zerfetzen, wie ein Stück Papier, wie in einem schlechten Horrorfilm. Er hatte ja keine Ahnung.

Die hatte man nie.

Als er schließlich an eine unbeleuchtete Straßenkreuzung kam, fühlte er ein merkwürdiges Kribbeln. Es begann ganz langsam in seinen Fingerspitzen und zog sich Richtung Brust. Bis schließlich sein ganzer Körper erbebte - im Rhythmus des hässlichen Lachens der Schatten. Einbildung. Alles Einbildung. Panisch drehte er sich erneut um, meinte etwas gesehen zu haben, etwas Schreckliches. Seine Panik wuchs und wuchs. So setzte er schließlich zum Sprint an und raste wie ein Wahnsinniger zu seinem Haus.

Er klingelte, klopfte ungeduldig gegen die Türe.

Endlich wurde ihm geöffnet.

Wortlos ging er an seiner Mutter vorbei, stürmte nach oben, spürte noch ihren fragenden Blick, der ihm in den Rücken stach, so wie der kalte Wind, der sich in seinen Nacken festgesetzt zu haben schien.

Als er erschöpft sein Zimmer betrat, lag er noch lange wach und dachte nicht mal an Schlaf.

Das Weiß seiner Zimmerwände, schien immer mehr zu verblassen.

Das Licht in seinen Zimmer, stellte er nun um Nichts auf der Welt ab. Als es ihm schließlich doch gelang, bei eingeschaltetem Licht zu schlafen, meinte er der Dunkelheit entkommen zu sein.

Er würde ihr nie entkommen.

Die Dunkelheit verfolgte ihn selbst in seinen Träumen:


Er sah ihn. Seinen besten Freund, durch den Park von K-Town laufen. Es war dunkel, wie immer dort...

Doch Rudolf, so hieß sein Freund, störte dies nicht im geringsten. Cool und lässig schlenderte er durch den Park. Da raschelte es im Gebüsch...

Was sollte dort auch sonst passieren. Man kannte das ja. Nachts. Dunkel. Allein in Park.

Natürlich geschah es.

Ein Wesen, so dunkel und hässlich, dass er es sich nicht einmal vorstellen wollte, geschweige denn von ihm zu träumen, packte Rudolf und zerfetzte ihn in tausend Stücke. Dann wurde alles Schwarz. Schreie ertönten.

 

Schweißgebadet wachte der Junge auf. Er überlegte noch, ob er Rudolf anrufen sollte. Aber der würde ihn wahrscheinlich nur auslachen. Außerdem war es eh noch zu früh am Tag.

Tief atmete er durch. Zitterte. Schwitzte.

Da klingelte zu der Verwunderung des Jungen sein Handy. Es war Rudolfs Vater!

Was wollte der um diese Zeit?

Er ahnte Schlimmes. Das Grauen hatte sich doch schon angekündigt. Es kam. Unaufhaltsam. Ein Teil dieser Welt und doch nicht dazugehörend. Ein Fremdkörper.

Man kann sich die Welt schönreden, aber sieht man ihr ins Auge erkennt man: so etwas wird es immer geben.

Die alarmierende Stimme ließ den Hörer erbeben, das Zittern des Jungen verstärkte dies noch. Die Stimme dröhnte entsetzt und weinerlich in sein Ohr. Stammelnd wurde dem Jungen berichtet: Rudolf war im Park gefunden worden oder eher seine Überreste. Aufs Übelste zugerichtet.

Natürlich hatte der Junge das nicht glauben wollen.

 

 

 

 

 

 

Teil 1: Entwicklung

 

Es begann langsam mit einem leichten Kribbeln.

Ein kühler Windstoß, der alles, was noch hell und freundlich erschien, beiseite fegte.

Ein Beben des Körpers im Rhythmus lachender Schatten.

Bis es sich schließlich festsetzt.

Verändert.

So langsam, das man es nur vage vermuten konnte.

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 1: „Der Artikel“

Dienstag, morgens, Stuttgart

 

In einem zwanzigstöckigen Hochhaus las ein alter Mann die Zeitung. Nichts außergewöhnliches.

Man könnte meinen es sei ein ganz gewöhnlicher Tag. Etwas trüb vielleicht, etwas kalt, aber für diese Jahreszeit nicht weiter ungewöhnlich.

Ihm fiel erst gar nicht der kleine Artikel am unteren Rand der Zeitungsseite auf:

 

Grausamer Fund im K-Town Park

K-Town

Sicher wieder so ein alberner Artikel, der den jungen Leuten Angst einjagen sollte, um sie daran zu hindern nachts allein nicht in den Park zu gehen, dachte der Alte, las aber trotzdem weiter.

Je weiter er las, desto größer wurden seine Augen. Soll das ein schlechter Scherz sein? Was die Zeitungen heutzutage alles zu Papier brachten. Eine Unverschämtheit: Man habe körperliche Überreste eines kleinen Jungens gefunden!

Der Alte wollte gerade empört seine Zeitung weglegen, als sein Telefon klingelte.

Mühsam stand er auf und lief mit trägen Schritten zum Telefonhörer.

Er nahm ab. Zu seiner Überraschung meldete sich die verzweifelt klingende Stimme seines Enkels Max.

Aufgeregt berichtete Max von diesem Artikel. Als er erwähnte, dass der tote Junge Rudolf, Max bester Freund gewesen sei, lief dem Alten ein kalter Schauder über den Rücken. Das konnte und durfte doch einfach nicht wahr sein.

Opa ich habe gesehen, wie er gestorben ist, in meinen Traum. Opa hast du gehört? Opa?“, quäkte die verzweifelte Stimme des Enkels aus dem Hörer. Der Alte antwortete nicht, musste erst die Information verdauen. Setzte sich in seinen großen Sessel und trank seinen morgendlichen Tee, den er sich jeden Morgen seiner Gesundheit zur Liebe machte. Nach einer Weile meldete sich endlich die etwas zittrige Stimme des Alten wieder. „Ja, Max ich habe gehört.Ich will und kann das nicht glauben ...“. Er versuchte so ruhig und gefasst zu klingen wie möglich. Dem Jungen spielte seine Phantasie einen Streich und die Zeitung übertrieb maßlos. Anders konnte es nicht sein.

Du musst aber Opa, bitte! Du bist der Einzige, der mir zuhört.“

Na schön, jetzt beruhigen wir uns erst einmal wieder, ich brauch auf den Schrecken jetzt erst einmal Ruhe, am besten du rufst später nochmal an. In Ordnung?“

Das ist doch alles Unsinn; Nein das kann nicht sein.

Der Alte sank seufzend tiefer in seinen Sessel, die Tasse in der Hand, den starren Blick an die verblichene Wand gerichtet, und schlürfte seinen Tee.

 

Dienstag, morgens, kurze Zeit später, K-Town

 

Max fuhr mit einem nie da gewesenen entsetzten, leeren Blick zum Haus seines alten Freundes Rudolf. Er trauerte seltsamerweise nicht. Klar, er hatte gerade seinen Freund verloren, seinen einzigen, jeder würde verstehen, wenn er nun in Tränen ausbrach, wenn er traurig wäre. Am Boden. Völlig fertig. Nein er hatte Angst; Angst vor dem, was er in seinem Traum erblickt hatte, Angst, dass seine häufig erträumten Vorstellungen einer düsteren Welt Wirklichkeit werden könnten; Angst, dass ihm das Gleiche widerfahren könnte.

„Ganz ruhig Max...Sieh ausnahmsweise das alles mal etwas realistischer: Mathias war´s. Dieser erbärmliche Grobian aus deiner Fußballmannschaft oder irgend so ein Psychopath, der an so etwas Gefallen fand.“

Das konnte doch kein Mensch gewesen sein. Wer tut den so etwas?

Dafür kann es keine logische Erklärung geben. Und jede die es geben würde, wäre einfach zu brutal.

Das musste eins seiner Traumwesen gewesen sein, eins dieser dunklen Monster, die er im Traum gesehen hatte.

Er war so in Gedanken vertieft, dass er nicht merkte, dass sie bereits am Haus angelangt waren. Am Eingang wimmelte es von Polizisten und Presseleuten. Typisch. Hatten die nichts besseres zu tun? Konnten die sie nicht einfach in Ruhe lassen? Gab es nicht so etwas wie einen Seelenfrieden? Zögernd und nun doch mit einer tiefen, leeren Trauer, die seinen Körper in eine seltsame Starre versetzte, folgte er seinen Eltern, an den Leuten vorbei und betrat das Haus. Leerer Blick gerade aus gerichtet. Nicht auf die empörten Rufe der Presseleute achtend, die ständig davon abgehalten wurden, das Haus zu betreten und deren Fragen unbeantwortet blieben und es auch bleiben würden.

 

 

 

 

 

 

Kapitel 2: „leer“

 

Dienstag, später Vormittag, K-Town, Anwesen von Rudolfs Familie

 

Als sie die edle, verchromte Haustür öffneten, gar kein Vergleich zu ihrem Haus- dieser Bruchbude!- empfing sie gleich ein Polizist an der Eingangshalle.

„Sind sie die Freunde des Verstorbenen?“

Wie banal das klang. Zu förmlich. Kalt und sachlich.

„Ja, unser Sohn hier war sein bester Freund.“, ergriff Max Vater das Wort. „Ich kann auch für mich selber sprechen.“, dachte er, den Polizisten anstarrend.

„Mein herrliches Beileid. Leider gibt es hier nichts mehr zu sehen und ich muss sie bitten draußen zu bleiben. Unsere Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen.“

Max runzelte verwundert die Stirn, immer noch nicht recht die Situation begreifend.

„Bitte. Ich will nur ein letztes Mal...“

„Na schön. Aber sie müssen draußen bleiben.“, sagte er an Max' Eltern gewandt, als wären sie lästige Hunde oder dergleichen.

Max´ Vater brummten ein mürrisch und verärgertes „Na schön“, da er wusste eine Diskussion wäre zwecklos. Also verschwanden seine Eltern von den Presseleuten neugierig beäugt, schritten schleunig zu ihren Wagen und schlossen die Autotür.

Max hörte seinen Vater noch über die Polizei von K-Town und die Presse Flüche ausstoßen, so laut, dass es eigentlich alle hören mussten. Das mit dem Fluchen, hatte er eindeutig von ihm. Immerhin sagte er etwas, denn normalerweise sprach er die meiste Zeit über kein einziges Wort und blickte nur mit einer tiefen Leere durch die Gegend.

Max betrat schließlich zögerlich, mit einem mehr als mulmigen Gefühl, das Haus seines verstorbenen Freundes. Es war total blank. Alle Möbel waren entfernt worden und von Rudolfs Eltern war weit und breit nichts zu sehen. Das Haus stand leer. Alles schien wie, als hätte nie jemand darin gewohnt. Auch Max Blick nahm förmlich die Leere des Hauses auf, wich dann aber in Verwunderung.

Der mürrische Polizist bemerkte seinen Blick. „Nun, wie du siehst, gibt es hier leider nichts mehr zu sehen.“ Ach was!

„Warum haben sie dies dann nicht gesagt und vor allem warum lassen sie meine Eltern nicht rein? Was ist überhaupt hier los? Wieso ist hier alles leer?“

Verwirrt blickte er zwischen dem kahlen Haus und dem merkwürdigen Polizisten hin und her. Was stimmte hier nicht?

„Nun, ich soll dir nur dir diesen Brief aushändigen. Den haben wir im Haus gefunden. Er ist an dich. Vielleicht wird das deine Fragen beantworten. Und jetzt sieh zu, dass du wieder hier raus kommst!“, antwortete der Polizist barsch.

Die Polizei von K-Town war doch immer wieder zu neuen Unverschämtheiten gut, dachte Max und verließ teils verärgert, teils verwundert über das merkwürdige Verhalten des Polizisten, das Haus.

Sofort umzingelten ihn die Pressefuzies, wie Max sie nur nannte. „Sind sie ein Verwandter der Familie? Was wissen sie über den Vorfall? Was haben sie da drinnen gesehen? Was wurde ihnen erzählt? Was haben sie da für einen Brief? Zeigen sie mal! Was steht da drin?“ Max antwortete nicht und eilte zum Parkplatz des großen Anwesens. Rudolfs Eltern waren sehr reich. Umso mehr wunderte sich Max, warum alles so leer war. Das Auto war weg, auch der Parkplatz war leer und seine Eltern waren nun ebenfalls verschwunden.

Warum waren sie gegangen? Waren sie ausgezogen?

Er fühlte sich wie ein nicht Eingeweihter in einem schlechtem TV - Streich, von allen verlassen, als hätte alles Gute ein einziger kühler Windstoß aus ihm herausgesaugt.

Auf dem Parkplatz lag ein staubiger Zettel von seinen Eltern. Das war mal wieder typisch. So etwas macht auch niemand anderes. Einfach abhauen.

Sind Mittagessen machen. Wir hielten es hier nicht mehr aus. Sind vor der Presse geflohen, stand darauf.

Max ärgerte sich zwar, dachte sich nichts weiter dabei und lief zügig nach Hause. Seine Eltern waren schon immer etwas merkwürdig. Sie redeten nie besonders viel mit ihm. Sein Vater arbeitete fast den ganzen Tag und seine Mutter war für die meisten ein einziges großes Rätsel.Wenn sie dann doch mal das Gespräch mit ihm suchten, wollte er es gerade nicht. „Ihm konnte man es sowieso nie recht machen“, meinten sie. Er nahm die Abkürzung durch den Park, denn seine Füße, begannen allmählich zu schmerzen. Wenn was größer war, als die Angst und die Leere, die ihm gerade zusetzten, dann war es seine schädliche Neugier. Wie oft hatte er sich schon anhören müssen, er solle doch gefälligst sich da nicht einmischen, oder er solle doch nicht so ein Angsthase sein. Seine Eltern meinten, dass er eben ein typischer früh-pubertierender Junge war. Es gab fast keinen Tag an dem er sich nicht mit ihnen stritt. Für seine Ausdrucksweise schämte er sich selber öfter: Er fluchte immer wieder, wie als würden die dunklen Worte in seinem Inneren darauf warten, ans Tageslicht zu kommen und alles zu verdunkeln. Naja, eigentlich passte er sich nur an, denn hier in K-Town gingen die meisten auf die Hauptschule, eine der größten im gesamten Umkreis. Dies Stadt war besonders für ihr soziales und integratives Engagement bekannt. Leider redeten dort viele so vulgär und immer wieder hörte man auch fremde Sprachen. Eigentlich war das einfach nur peinlich. Von „yo Mann“ bis zu „geh mer Bahnhof.“, war da alles dabei. Aber dem Land gefiel es offenbar, die Stadt für diese Zwecke zu benutzen und bezuschusste das Projekt eifrig.

Sein Magen meldete sich und erinnerte ihn daran, er solle sich doch beeilen.

 

Gegen Mittag, Park von K-Town

 

Er ging aber noch nicht heim. Stadtessen hielt er im Park inne. Am Ort des Geschehens. Am Punkt des Entsetzens. Er konnte hier nicht weg. Wie erstarrt sah er sich neugierig um. Er wollte allein sein, er wollte den Ort des Geschehens untersuchen, koste es, was es wolle. Der Park war großräumig abgesperrt worden. Von der Polizei fehlte jedoch jede Spur. Über Absperrungen kann man schließlich einfach hinüber steigen. Als würden ein paar Plastikbänder irgendjemand Neugieriges abhalten. Die waren alle dabei die Pressefuzies davon abzuhalten, das Haus zu betreten und deren Fragen zu beantworten. Sie waren so hilflos und überfordert. Der eigentliche Tatort war ihnen egal. Hierhin wagten sich nicht mal Sie, die Angsthasen. Wer hatte jetzt Schiss? Keiner wagte sich hierher, das hatte er geahnt, doch er war hier her gegangen. Trotz der Angst. Hier war eben der perfekte Ort, um den Brief zu öffnen, ohne das jemand außer ihm, ihn zu Gesicht bekam. Es war wie etwas Neues, das sich in ihn zu entwickeln begann. Seine Angst war inzwischen gewichen. Er fühlte sich nur noch so leer, so starr, mehr eine Maschine als ein Mensch. Da war es wieder: dieses merkwürdiges Kribbeln. Es gefiel ihm langsam.

Er öffnet eilig den Brief und las:

Lieber Max,

Wundere dich nicht, dass das Haus, wenn du kommst, bereits leer steht.

Wir verbinden mit diesem ganzen Ort nichts Gutes mehr.

Das Helle entweicht aus ihm, wir spüren es.

Alles wird düster werden, alles ist bereits schon so gut wie im Dunkeln und auch die Menschen werden es bald sein.

Wundere dich nicht über diesen Brief.

Du wirst diese Worte irgendwann verstehen.

Jedenfalls haben wir uns dazu entschieden zu fliehen.

Hier ist es zu dunkel und leer.

Wir hoffen dich hat Rudolfs´ Tod nicht so sehr mitgenommen wie uns.

Es wird schon wieder;

Nein, leider nicht ...

Mit freundlichen Grüßen

Die Eltern von Rudolf

 

Nachdem die Verwunderung gewichen war und er den Brief noch einmal las, spürte Max, wie das Kribbeln stärker wurde. Nun gefiel es ihm nicht mehr. Nun machte es ihm Angst. Besonders bei dem Wort „leer“ lief es ihm eiskalt den Rücken runter. Er spürte, wie sich die Leere in ihm verstärkte und als er den Ort sah, diesen Ort, an dem das Übel begann, an den Rudolf gestorben war, fühlte er, dass sich alles entwickeln würde und zwar zum Negativen.

Diese Leere und diese komischen Gedanken und Gefühle wichen Panik, als es wieder einmal im Gebüsch raschelte. Er wollte nur noch weg von hier. Und zwar schnell.

Er steckte den Brief ein und rannte, als sei der leibliche Teufel hinter ihm her, aus dem Park, durch die Absperrung und nach Hause. Es war wie neulich. Wie in der Nacht als ... Nein... „Vergiss` diese Nacht!“, sagte er sich.

Völlig außer Atem erreichte er das Haus. Heftig atmend, nach Luft schnappend, klingelte er und betrat es, den fragenden Blick seiner Eltern nicht antwortend. Natürlich, jetzt, wo es ihm nicht passte, waren sie beide da und wollten ihn ausfragen. Er tat also das, was er sonst auch gerne machte: Sie einfach ignorieren. So wie gestern. So wie sie es auch die meiste Zeit mit ihm handhabten.

 

 

 

 

 

Kapitel 3 „Fragen“

Dienstag, immer noch mittags, Haus von Max

 

Max machte sich während des Essens so seine Gedanken. Irgendwas stimmte ganz und gar nicht. Der Tod von Rudolf, der merkwürdige Polizist und dieser seltsame Brief ganz zu schweigen.

Das Helle entweicht aus ihm wir spüren es.

Alles wird düster werden, alles ist bereits schon so gut wie im Dunkeln und auch die Menschen werden es bald sein.

Was hatte das alles zu bedeuten? Und wieso teilten Rudolfs Eltern, mit denen er noch nie viel zu schaffen hatte, ihn das alles mit. Warum nur ihn? Und warum so etwas? Was sollte das? Sollte ihm das Angst machen? War das alles nicht mehr als ein Scherz? Dann war es aber ein ganz schlechter, denn ihm war definitiv nicht zum Lachen zu Mute.

Wie konnte man einen Jungen so zu richten? Woher wusste man eigentlich, dass der Junge Rudolf war? Klar die Polizei sagt es zwar, aber von den Jungen hat man schließlich nur...Teile gefunden. Als hätte etwas ihn zerfetzt. Wie soll man ihn da noch erkennen?

Das alles war einfach zu abscheulich, um es sich überhaupt vorzustellen. Allein bei dem Gedanken wurde ihm schon schlecht.

Nun, Rudolfs Eltern waren ja offensichtlich auch der Ansicht, das die...Teile im Park von Rudolf stammten. Hatte man etwa den Kopf gefunden? Er fröstelte.

Irgendwas wurde ihm verschwiegen, schon immer. Früher hatte er es nur nicht so sehr bemerkt. Mit diesem Ort stimmt etwas nicht. Allein schon der Name. K-Town. So heißt doch kein Ort. Das alles war ein falsches Spiel und er war die Hauptperson. Das gefiel ihm ganz und gar nicht.

Seine Eltern belagerten ihn nun mit Fragen. Klar. Natürlich gerade jetzt, wo er sich am liebsten in das letzte Loch, oder wie es seine Eltern nannten, Zimmer, verziehen wollte.

Was habe er gesehen? Wo war er so lange gewesen? Was sei das für ein Brief, den er da ständig lese? Er solle ihn gefälligst mal zeigen!

Dabei war es doch er, der hier Fragen stellen sollte. Er spürte ganz genau, das sie ihm irgendetwas verschwiegen, was ja an sich nichts Neues war. Also beschloss er ihnen auch alles zu verschweigen.

Er achtete also nicht auf sie und versuchte verzweifelt Antworten auf seine eigenen Fragen zu finden, natürlich vergeblich.

Auch den Sinn des Briefes konnte er nicht entschlüsseln.

Schließlich las seine Mutter ihn und starrte ihn mit besorgter Miene an. „Was soll das? Der Brief ist an mich!“ beschwerte Max sich.

Wut stieg in ihr auf „Was fällt denen ein, dir so was zu schreiben ... wir haben doch geschworen ...“ Sie endete abrupt. Sein Vater blickte nur mit einer ausdruckslosen Leere in den Raum. Ein Dauerzustand von ihm. Für ihn gab es nur seine ach so tolle Arbeit. Toll! Er hockte die ganze Zeit im Büro. Er arbeitet an der Börse und hatte durch so manch dubiose Geschäfte etliches Geld verloren. Deshalb hatten sie auch nur so ein kleines Häuschen gebaut, als es mal besser lief. Sein Vater hatte gemeint, es dürfte nicht so teuer sein, denn Geld ist vergänglich. Sein persönlicher Lieblingsspruch, den er angeblich selbst erfunden hatte.

Daheim stellte er meisten auf Durchzug.

Schließlich platzte Max der Kragen. Er hasste es, nicht zu wissen was los war, denn daraus bestand sein Leben schon immer. Man spürte einfach, wenn alle etwas verschweigen.

„Was habt ihr geschworen? Was wird hier gespielt? Ihr wisst doch was, oder? Wisst ihr, was dieser Brief zu bedeuten hat?“, schrie er sie an.

„Max, wir können darauf nicht antworten. Es geschieht alles nur zu deinem Schutz! Versteh doch, wir wollen doch nur dein Bestes!“

Na klasse! Die üblichen Floskeln eben. Langsam kam Max sich immer mehr so vor, als wäre er in einen schlechten Film. Sein Freund wird von Irgendjemand oder Irgendetwas in tausend Teile zerfetzt. Dann diese seltsame Nachricht und jetzt auch noch seine Eltern, die anscheinend die Bedeutung des Briefes wussten aber sie ihm nicht sagen wollten. Typisch. Ihn mit Fragen durchlöchern, aber auf seine Fragen nicht antworten. Seine Mutter redete außerdem ständig in der Wir-Form, während sein Vater nur zustimmend nickte. „Was hat das alles zu bedeuten? Ich bin kein kleines Kind mehr! Sagt mir endlich, was hier gespielt wird! Ihr wisst doch was! Raus damit!!!“, versuchte er es erneut.

Seine Mutter stand seufzend auf. Gähnte künstlich. „Ich bin müde. Ich leg mich hin“, meinte sie nur und verschwand mit besorgten Blick.

„Ich geh wieder arbeiten, ich kann mir ja nicht den ganzen Tag freinehmen.“ meldete sich sein Vater mit einer eintönigen, leeren Stimme.

Max war allein. Wieder mal.

Doch heute hatte er darauf gewartet. Er würde alles seinen Opa erzählen. Vielleicht wusste er was los ist. Er würde es zumindest nicht verschweigen, dessen war Max sich sicher.

 

Sein Opa war offensichtlich empört über das Verhalten von Max´Eltern und versprach so gut er kann zu helfen. Aber als Max ihn den Brief vorlas, wusste sein Opa auch nichts. Er meinte nur er sei müde und müsse sich hinlegen.

Also verschwieg er auch etwas. Wie alle anderen. Wütend und enttäuscht knallte er den Hörer auf die Gabel.

Er grübelte weiter nach. Immer mehr Fragen ergaben sich, aber auch immer die selben Fragen kreisten in seinem Kopf umher. Warum verhielten sich alle so merkwürdig? Warum verheimlichten ihn alle was? Und noch eine Frage tat sich genau in diesen Moment auf, als er an das Fenster trat und hinaus schaute. Das gegenüberliegende Haus stand leer. Schon seit einer Ewigkeit. Warum hatte er aber gerade etwas dort drüben am Fenster gesehen oder bildete er sich die Schatten nur ein, die sich hinter den Vorhängen bewegten?

Wie alle andern Schatten auch, die im Dunkeln zu lauern schienen, ihn auslachen wollten, ihn verfolgten.

Plötzlich spürte er wieder so eine Leere. Er fühlte förmlich, wie der Schatten im Haus drüben ihn anstarrte. Mit einem kalten, leeren Blick. Von den vielen Fragen brummte ihn schon der Schädel. Nein, er stellte entsetzt fest, wie er förmlich im Rhythmus der Schattenbewegungen bebte. Er schien nahezu zu explodieren. Stöhnend presste er seine Hand gegen die Stirn. Es klingelte. Er torkelte zu Tür und öffnete sie. Die Schatten waren es. Das war zu viel für ihn. Er erkannte noch das es keine Schatten waren, sondern zwei Polizisten, doch es war zu spät. Er kippte um schlug mit dem Kopf hart auf den Boden und alles wurde schwarz. So, wie die Schatten, wie das Schweigen seiner Eltern und wie das Leben geworden waren.

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 4 „Nacht in Angst“

Dienstag, nachts

 

Max erwachte in einem Bett. Es war dunkel, nein schwarz.

Daran merkte er, dass dies nicht sein Zimmer war. Sein Kopf pochte. Nein! Keine Dunkelheit! Panisch wollte er aufstehen, doch irgendwie gelang es ihn nicht. Es roch nach Klinik oder so was. Schläuche führten zu seiner Nase und seinen Mund. Er riss sie sich ab und versuchte erneut aufzustehen, doch etwas hielt ihn davon ab. Es drückte gegen seine Arme, drückte ihn gegen das Bett. Ein Schatten, dunkler als das Zimmer, schwarzer als schwarz. Er schrie, zappelte doch der Schatten hielt ihn mit seiner dunkler Macht scheinbar mühelos im Griff. Angst erfüllte ihn.

Träumte er noch? Wach auf! Wach auf! Verlor er langsam völlig den Verstand?

Plötzlich ging das Licht an. Eine in weiß gekleidete Frau betrat das Zimmer. Aha! Na toll! So eine ... Krankenschwester, na Klasse! Ich bin also in so ´ner Klinik oder so..., dachte Max.

„Was ist hier los? Warum schreist du so?“, keine Begrüßung, keine Vorstellung.

Er versuchte sich zu beruhigen, tief durchzuatmen.

„Jetzt halten sie mich nicht für verrückt, aber ... hier war so´n ... Schatten.“ sagte er so gelassen wie möglich. Doch sie merkte trotzdem seine Panik. Seine immense Angst.

So dumm. Warum erzählte er ihr das auch noch? Nun würde sie ihn doch erst Recht für verrückt erklären. Er verstand sich selbst nichts mehr, gar nichts mehr. Die Welt war ihn ja schon immer unbegreiflich gewesen, aber das heutige Erwachen toppte einiges. Totaler Blackout.

Er zweifelte wirklich langsam an seinen Verstand.

„Ganz ruhig!“, murmelte die Krankenschwester. Mit entsetztem Blick sah Max, wie sie eine Spritze holte und auf ihn zu kam. Sie bemerkte seinen Blick.

„Ist nur zur Beruhigung.“ meinte sie nur ...

Max wollte was erwidern, doch da spürte er schon, wie sie blitzschnell eine Spritze in seinen Arm stach. Dann wich seine Panik und er wurde müde, sehr müde ...

 

Schatten schlichen auf ihn zu. Grinsten ihn an. Da erkannte er sie zum ersten Mal: Es waren keine Schatten. Schwarze dürre Wesen mit kräftigen, riesigen Zähnen, liefen scheinbar von seiner Panik amüsiert auf ihn zu. Da sah er es:

Sie packten ihn und rissen ihn in tausend Fetzen. Panisch sah er dabei zu. Voller Angst.

Angst.

Konnte nichts machen.

Er wollte hoch schrecken; aufwachen.

Die Wesen verblassten.

Er verblasste.

Doch er wachte nicht auf, wie sonst immer. Nein er schlief immer noch, doch das wurde ihn jetzt erst bewusst. Er war nicht tot. Er musste immer noch träumen. Das alles war einfach nur ein schrecklicher Traum. Doch jetzt war da nur noch leere, tiefe Schwärze.

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 5 „Psycho“

Mittwoch, morgens

 

Als er wieder erwachte, schimmerte Licht durch ein Fenster. Wo war er? Was war passiert?

Langsam dämmerte es ihm wieder. Er war in einem Krankenhaus gelandet. Also nicht alles nur geträumt. Die Realität konnte noch schrecklicher sein, als jeder einzelne Traum. Er schaute sich verwirrt um. Täuschte er sich oder war das ein anderes Zimmer als gestern?

Gut es war dunkel gewesen, jedoch erschien ihm dieser Raum weitaus größer.

Seine Träume waren jedenfalls gleich geblieben. Dunkle Abgründe, die ihn schier zum Durchdrehen brachten. Das ging schon lange so. Nur seit Rudolfs...Tod, bemerkte er dies wirklich. Er vergaß sie nicht mehr. Sie brannten in ihm, hinterließen Wunden der Verzweiflung und der Angst.

Seine innere Verwunderung endete abrupt, als die Tür aufging.

„Na hatte der Herr einen guten Schlaf?“ fragte eine seltsam aussehende Frau.

„Nein. Und ich möchte augenblicklich wissen, wo ich hier bin und was genau passiert ist!“, versuchte er ihr so laut wie möglich ins Gesicht zu schreien. Heraus kam nur ein bemühtes Krächzen.

Eher gesagt, wollte er einfach nur noch weg hier. Oder Antworten. Warum wurde er nicht aufgeklärt? Was stimmte hier nicht, vor allem was stimmte mit ihm nicht?

„Ach, das wird ihnen jemand anderes erklären müssen. Nur so viel: gestern lagen sie noch in einem zentral gelegenen Krankenhaus und heute ... Naja dafür hab ich jetzt keine Zeit, das muss Ihnen der Chef persönlich erklären.“

Max runzelte verwirrt die Stirn, wollte empört etwas erwidern, da war sie auch schon gegangen. Was fällt dieser ... Tussi ein? Das Fluchen hatte er jedenfalls nicht verlernt.

Max schrie innerlich vor Wut. Diesem Chef würde er was erzählen! Was stimmte hier nicht? Immer stimmt etwas nicht. Nur Verwirrung und Abgründe. Warum konnte nichts normal sein? Warum passierte ausgerechnet ihm immer so etwas?

Wie behandelten sie ihn hier? Warum sagte ihm niemand was los ist? Er war doch nicht irgendein Versuchsobjekt. Er war ein Mensch! Ein stinknormaler Mensch! Hier sah ihn aber anscheinend niemand als „normal“ oder als „Mensch“, wie er wenig später feststellen musste.

Als die Tür erneut aufging, wollte er schon wutentbrannt Flüche ausstoßen, aufstehen, verlangen, dass man ihn aufklärte, dass man ihn gehen ließ, da bemerkte er, dass seine Eltern das Zimmer betraten. „Max, wie geht’s dir?“ fragte seine Mutter mit besorgter Miene. Er nahm ihr diese Miene nicht ab. Er glaubte ihr nichts mehr. Wahrscheinlich wusste sie schon Bescheid, was mit ihm nicht stimmte! Wem konnte er schon noch trauen, in dieser Welt aus Lügen.

„Wie soll´s mir schon gehen? Ich will hier sofort raus! Wo bin ich überhaupt? Niemand will meine Fragen beantworten, die Leute hier sind auch unverschämt ...“

„Ach Max, man will dir doch nur helfen!“

„Dann soll mir gefälligst einer mal sagen, was hier los ist und wo ich hier bin!“

„Max..., beruhige dich!“

„Ach stimmt ja, ich vergaß: Ihr wolltet mir ja auch nichts sagen! Ihr verschweigt mir ja auch alles! Ihr wisst womöglich, woran Rudolf gestorben ist und warum und ihr sagt es mir nicht mal! Ihr seid mutig, dass ihr euch überhaupt hier blicken lasst! Und wenn ihr mir jetzt nicht augenblicklich alles erklärt und mir all meine Fragen beantwortet, dann könnt ihr euch gleich wieder verpissen!!!“

„Max, wir verbitten uns diesen Ton!“, meldete sich ausnahmsweise Mal sein Vater zu Wort.

Der hatte gut reden. War doch selbst schuld an „diesem Ton“. Es war schließlich seine schlechte Erziehung gewesen. Er war schließlich das schlechte Vorbild, nach dem er jetzt einfach ging.

„Ach, leckt mich doch …!“ rutschte es ihm raus.

Und das hatte dann auch gesessen.

Max´ Eltern verließen mit wutentbrannten Gesichtern Max´ Zimmer. Was fiel Max ein in diesen Ton mit ihnen zu sprechen? Max´ Vater hätte ihm am liebsten eine saftige Ohrfeige gegeben.

Max wusste selbst nicht was ihn dazu getrieben hatte. Sicherlich, er fluchte gerne, aber er schrie seine Flüche normalerweise nicht in die Gesichter seiner Eltern, so wütend er auch auf sie war.

Anderseits, wenigstens war er sie los geworden!

 

Etwas begann zu zucken in seinen Körper. Wie ein wütendes Tier, das nach draußen wollte. Frei sein. Sein Körper füllte sich mit Wut. Wut auf alles, vor allem auf seine Eltern. Er spürte wie Etwas seinen Mund öffnete, Etwas sprach. Eine tiefe Stimme drang laut aus seinem Mund. Ich werde euch alle vernichten, genüsslich zerfetzen, wie Rudolf. Eure Welt wird untergehen. Eure Welt wird unsre Welt werden. Das Dunkle wird siegen. Alles wird düster werden, alles ist bereits schon so gut wie im Dunkeln und auch die Menschen werden es bald sein.

Max erschrak. Was war das? Und hatte diese Stimme nicht gerade einen Satz aus diesem seltsamen Brief gesagt? Was stimmte mit ihm nicht und was zum Teufel war hier los? Immer wieder dasselbe, es war einfach zum Verzweifeln.

Er zitterte, wollte nur noch, dass es endlich aufhörte. Erneut spürte er dieses Ziehen etwas wollte sich nach draußen pressen, etwas in ihm.

Etwas Schwarzes entwich aus seinem Körper und grinste ihn mit mörderisch langen Zähnen an. Er entdeckte mit Entsetzen etwas Bekanntes in dessen Blick. Eine Leere, eine abgrundtiefe Leere.

Max schrie. Kurz darauf verschwand das Wesen. Bevor er groß überlegen konnte, was gerade passiert war, spürte er einen stechenden Schmerz in der Seite. Er sah noch mal diese Frau von eben und seine Eltern. Dann verschwamm alles.

 

Mittwoch, mittags

 

Er erwachte wieder, als es nach Essen roch. Ein Tablett stand neben ihm. Gierig griff er zu.

Als er fertig war, bemerkte er, dass er nicht allein war. Diese unverschämte „Tussi“ war wieder da.

„Ich wollte dir nur eine Frage beantworten, die dich sicherlich die ganze Zeit beschäftigt: Du bist in einer besonderen psychiatrischen Klinik “, sagte sie grinsend. „Klar ...“

„Nein wirklich. Ich veräppele dich nicht. Diese Klinik ist eine sogenannte „Dunkelklinik“.Du kannst auch gleich all deine Fragen los werden. Unser Chef stattet dir einen Besuch ab. Er ist Psychologe.“ Dann verschwand sie.

Einfach so. In einen Satz alles erklärt und zugleich nichts. Da war sie wieder. Diese Wut.

Diese sch ... f .... Diese verfi.... dumme Tussi, was fällt der ein? Was fällt denen allen ein! Ich bin doch kein Psycho! Ich bin ein normaler Mensch! Naja, etwas stimmt wirklich nicht mit mir, aber das ist kein Grund mich so zu behandeln! Wissen die überhaupt, wie es ist, hier zu sein? Auch wenn ich mir so komische Sachen einbilde: Ich hab doch nur Schiss vorm Dunkeln! Kein Grund mich gleich hier herzubringen! Was ist überhaupt eine „Dunkelklinik?“ Was ist das hier? Will die mich doch „veräppeln“, wie sie es nennt? Wer sagt schon noch „veräppeln“? Und mit diesem Chef, diesem Psychologen, hab ich auch noch ein Hühnchen zu rupfen!, dachte Max und erneut stieg seine immense Wut.

Es klopfte.

Als jedoch diesmal die Tür aufging, betraten ein paar von seinen Fußballkameraden das Zimmer.

Ihr könnt gleich wieder gehen! Ihr wollt euch doch eh nur lustig machen!, dachte er. Wer hatte die denn überhaupt zu ihm gelassen?

„Tag Max. Na Psycho, wie geht’s denn so?“, spottete Mathias, ein gewisser Jemand, den er noch nie hatte leiden können.

„Also, das mit Rudolf und so war ja schon sicher hart für dich, aber du musst doch zugeben, dass, was du hier abziehst, ist doch´n bisschen übertrieben, oder?“

Was fällt dem denn eigentlich ein? Was erlaubte er sich?

„Ach leck´ mich doch Mathias! Du steckst doch sicher dahinter, oder? Du steckst da mit drin, gib es zu! Du hast Rudolf auf dem Gewissen!“

Seine Kameraden, diese Angsthasen verließen bereits sein Zimmer. Offenbar ahnten sie schon, dass gleich das Übliche passieren könnte: Mathias, der die Fäuste schwingt. „Regelt des mal unter euch... wir, kommen nachher vielleicht wieder.“,sagte einer und alle waren verschwunden. „Ihr könnt ruhig weg bleiben.“, rief er ihnen hinterher.

Die würden doch sowieso nicht wieder kommen. Warum waren sie überhaupt hergekommen, wenn sie sowieso gleich wieder verschwinden? Nur um ihn zu sehen? Nein! Sicherlich hat sie Mathias dazu angestiftet. Sicherlich wollte er Unterstützung bei seinen Ärgereien. Dieser Arsch Mathias! Er war es doch, der für alles verantwortlich ist!!!

Er hatte bestimmt auch dafür gesorgt, dass er hier gelandet war. Würde zu ihm passen, schließlich tyrannisiert er mich schon, seit ich denken kann, dachte Max.

„Gut, jetzt sind die kleinen Scheißer weg. Also nun zu deiner Frage... Was fällt dir Hohlkopf ein mich für so was verantwortlich zu machen, du erbärmlicher, kleiner Psycho?!“

Wer hatte den hier hineingelassen!?

Max eh schon angesammelte Wut kochte über. „Na warte Mathias ich mach dich platt!“, schrie er und wollte aufstehen, doch etwas hielt ihn davon ab. Der Schatten. Nein. Diesmal war es kein Schatten, es war Mathias, der ihn im Griff hielt und urplötzlich auf ihn gesprungen war, ohne dass er es bemerkt hatte. „Wolltest mich wohl angreifen Psycho?, hättest doch eh keine Chance!“ Max brüllte und versuchte aus Mathias´ Griff zu entkommen, doch vergeblich.

Da durchzuckte ihn etwas, das Zerren setzte wieder ein und er ahnte Schreckliches. Eine dunkle Stimme drang wieder aus ihm. Eine altbekannte Stimme. Das „Wesen“. Das Etwas in ihm:

Ich werde euch alle vernichten, genüsslich zerfetzen, wie Rudolf. Und mit dir fahr ich fort Mathias. Du bist der Nächste.Eure Welt wird untergehen. Eure Welt wird unsre Welt werden. Das Dunkle wird siegen. Alles wird düster werden, alles ist bereits schon so gut wie im Dunkeln und auch die Menschen werden es bald sein.

Mathias zuckte kurz. Doch er hielt Max weiter im Griff.

Sein Blick wurde eisig, starrte Max fassungslos an und begriff:

„Du warst es also selber Max. Hast deinen eigenen Freund umgebracht. Du bist doch völlig verrückt. Na warte, jetzt bist du dran!“ Mathias packte Max am Hals, doch bevor er zu greifen konnte, entwich wieder etwas Schwarzes aus Max Körper und stieß Mathias weg. Dieser schrie überrascht und entsetzt auf. Das Wesen fuhr in dem nun auf dem Boden liegenden Mathias. Ein entsetzliches Gurgeln ertönte, hallte im Raum, kündigte die Hölle an.

Mathias schrie auf und sein Blick nahm eine abgrundtiefe Leere an.

Dann stürmten gleich mehrere Personen in Max Zimmer, packten Mathias, hievten ihn auf eine Trage und nahmen ihn mit. Das Wesen entwich wieder aus ihm und löste sich auf.

Er wusste nicht, ob es ihm gefallen sollte, aber für einen Moment war da etwas wie Schadenfreude.

Wer ist jetzt hier der Psycho? Wer ist denn hier nun verrückt?, dachte Max.

Aber Mathias war das geringste Problem. Was um alles in der Welt wurde hier gespielt? Sind denn hier alle verrückt geworden, einschließlich mir selbst natürlich? Schließlich sehe ich diese Wesen ja. Das alles konnte nicht wahr sein. Es geschah alles so schnell, zu schnell, alles unrealistisch, verwirrend. Und immer dieselbe Frage:

WAS IST HIER LOS?

Du kannst auch gleich all deine Fragen los werden, hatte die dumme Tussi doch zu ihm gesagt. Dieser „Chef“ hatte ihm einiges zu erklären, aber das alles war eben nicht erklärbar, der konnte ihm erzählen was er wollte!

 

 

 

 

 

Kapitel 6 „ Antworten“

Mittwoch, nachmittags, Dunkelklinik

 

„Hallo Max, ich bin Professor Dr. Horst Georg Schwätzinger.“, sagte ein kleiner, bärtiger Mann, der den Raum betreten hatte.

Max verkniff sich sein Lachen, die Wut verdrängte es sowieso nicht.

„Ja, wirklich sehr passend. Doch ihr Name ist mir scheiß egal! Sagen sie mir jetzt endlich mal, warum ich hier bin und was überhaupt los ist! Die verschweigen mir doch alle was und ihr Personal... Das ist doch einfach eine Unverschämtheit!“, schrie er den Mann an. Er würde hier schon irgendwie raus kommen. Er musste einfach, bevor er vollends durchdrehte.

„Beruhige dich erst einmal, sonst sage ich dir gar nichts. Und diesen vulgären jugendlichen Umgangston, bitte ich schleunigst zu unterlassen!“

Lächerlich, der sollte mal hören, zu was ich im Stande war, denn das war doch ganz normal, dachte Max und funkelte den Professor wütend an. Wie sollte er sich den beruhigen, wenn man ihn immer in Unklaren ließ? Wenn man ihn gegen seinen Willen in eine Klapse steckte?

Dieser Professor war auch nicht besser als alle Erwachsenen, die ihn umgaben.

„Also, jetzt noch einmal von vorne. Ich bin Professor Dr. Horst Georg Schwätzinger. Wir sind hier in einer Dunkelklinik. Eine spezielle, psychiatrische „Klinik“ für Kinder mit ganz besonderen „Problemen“. Du bist hier, weil du ein solches Problem hast. Alles was du gesehen hast, ist keine Einbildung und kommt nicht von irgendwelchen Angstzuständen. Dein Problem ist also, das du gewisse Dinge siehst, nennen wir sie mal Dunkelwesen. Aber anscheinend siehst du sie nicht nur, sondern fühlst sie auch. Wir haben uns hier darauf spezialisiert, diese Probleme zu beseitigen.“

„Klar, logisch... und jetzt? Ihr Gefasel geht mir auf n Sack ...Was wollen sie mir damit sagen? Etwa, dass das was ich sehe, alles wahr ist? Das glauben sie ja wohl selbst nicht! Sie brauchen doch selbst eine Therapie! Sie sind derjenige, der verrückt ist!“

„Was habe ich über deine Ausdrucksweise gesagt? Sich mit mir so zu artikulieren, verbitte ich mir strengstens!“

Ach und deine Ausdrucksweise ist toll? Verbitte ... Einfach lächerlich..., dachte Max. Der hat wohl keine Ahnung, dass das ganz normal ist. Der hat wahrscheinlich keine Kinder in meinem Alter und verstehen wird es die solchen auch kein bisschen.

„Nun zu Sache. Ja, auch wenn du es nicht glaubst, ich erzähle dir jetzt keine Geschichte, auch wenn viele dies als Legende der dunklen Welt bezeichnen. Ich erzähle dir, auch nur das Wichtigste und das, was du mich fragst. Drücken wir es so aus: Ich erzähl dir alles, was ich darüber weiß. Wenn du alles wissen wolltest, müsstest du ein Dunkelwesen persönlich fragen. Jedoch werde ich versuchen, deine Fragen so gut ich kann zu beantworten. Aber jetzt lasse mich erst einmal reden.“

Der redet doch eh die ganze Zeit. Nein, der schwätzt! Wie sein Name schon sagt, dachte Max, und zwar lauter Unfug!

Es gibt mehrere Typen Menschen: Die Normalen, das sind die, die vom Glück gesegnet sind. Sie müssen sich nicht mit diesen Problemen auseinandersetzen und wollen es bestimmt auch nicht. Wie bereits erwähnt. Für sie ist das alles eine alte Legende.“

„Hey, Moment. Sie wollen mir doch nicht etwa sagen, dass ich nicht normal bin. Ich mein, dass ich kein normaler Mensch bin oder so? ... Wollen sie mich verarschen?“

„Nein Max ich will dich nicht veräppeln“

Schon wieder ... veräppeln! Sind denn hier alle so altmodisch? Haben denn alle hier einen Dachschaden?, dachte Max. Dieser Typ kann mir sonst was erzählen und ich glaube trotzdem von seinem Gefasel kein Wort. Nicht ich bin es, der hier nicht richtig tickt!

„Du bist nicht normal Max! Sonst würdest du nicht sehen, was du siehst.“

Der Typ hat doch nicht mehr alle Tassen im Schrank. Was fällt dem ein, mich als „nicht normal“ zu bezeichnen?

„Sie sind aber auch nicht „normal“!“

Der Professor ignorierte die Bemerkung und fuhr unbeeindruckt fort, als würde er nie etwas anderes machen. Gelangweilt, monoton, als hätte er das alles schon tausendmal erzählt. Wie viele Leute er wohl mit seinem Gefasel schon verrückt gemacht hatte?

„Also wie schon gesagt: Es gibt mehrere Typen von Menschen, die „Normalen“, das sind die meisten, dann die „Dunkelhörer“, das sind zum Beispiel deine Eltern. Diese hören diese dunklen Wesen, wie das was du heute gesehen hast, sie können sie aber nicht sehen.“

„Moment, sie wollen mir doch nicht etwa erzählen das meine Eltern nicht normal sind

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 20.03.2014
ISBN: 978-3-7309-9373-6

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