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O Kurt

O Kurt!

Kurt war der Größte. Er war nicht nur der Größte, er war auch der Schönste und natürlich der Klügste. Alle hier würden das wohl bestätigen, allerdings nur aus der Sicht von Kurt.

Sein Selbstvertrauen war jedenfalls stark und hoch angelegt. Keiner der jugendlichen Anwesenden konnte ihm das Wasser reichen. Das war auch der Grund, weshalb er hier saß. An genau diesem Ort, mit dem totalen Rundumblick . Er hatte sich diesen Platz mit Stärke und Klugheit erkämpft, sozusagen die Poleposition.

Und trotzdem nagten an ihm Zweifel. Auf keinem Fall durfte jemand bemerken, wie er zitterte. Er stemmte alle seine Beine fest auf den Untergrund. Heute war sein großer Tag. Viel zu lange schon hatte er nur geträumt. Und immer wieder musste er sich den Spott und das Gelächter seiner sogenannten Freunde anhören, die ja bloß neidisch waren. Sie hatte eines ihrer Augen auf ihn geworfen, nur auf ihn, Kurt.

Er betete sie an. Natürlich aus sicherer Entfernung, und rein platonisch. Den Mut, ihr seine Liebe zu gestehen, musste er noch wachsen lassen. So vergingen viele Tage, in denen nichts geschah. Er wachte mit Herzklopfen auf und schlief am Abend mit Herzklopfen und mit immer gewagteren Fantasien über sie und ihn in göttlicher Symbiose, ein. Täglich sah er ihre wunderschönen starken Beine und ihr schwarz glänzendes Haar. Immer wieder brachte ihn dieser Anblick zum Träumen. Wenn ihr Geruch seinen Körper umspülte, erzitterte er vor Verlangen.

Aber heute war der Tag. Heute fühlte er sich stark wie nie. Die Älteren sagten zu ihm „Junge, vergiss es, du wirst es bereuen, oder gar zugrunde gehen. Du bist noch zu jung und zu unerfahren. Wirf dein Leben nicht weg!“

„Bla…bla...bla… heute oder nie,“ dachte er trotzig.

Kurt überspielte seine Anspannung mit tänzelnden Bewegungen. Die wenigen Haare auf seinem gestählten Körper waren steil nach oben gerichtet. Da saß sie in der Kellerecke. Schwarz und verführerisch. Ihre acht Augen glänzten im spärlichen Licht des Raumes. Höchstens drei Meter trennten ihn von ihr. Wie sollte er es anfangen? Von welcher Seite sollte er sich ihr nähern? Von vorne, oder von hinten. Beide Varianten bargen ein gewisses Risiko. Kam er von vorne, könnte sie ihn für Beute halten und irrtümlich verspeisen. Würde er sie von hinten überraschen, wäre die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie ihm vor Schreck ihre Giftklauen in den Körper rammte. Wieder fing er an zu träumen. Er sinnierte die süßesten Worte, die er ihr zuflüstern wollte…wenn es denn endlich so weit wäre.

Kurt war nie feige. Wenn das Licht im Keller plötzlich angeschaltet wurde, waren es die Anderen, die sich hurtig hinter den alten Holzregalen verkrochen. Er, Kurt, schaute der Gefahr stets ins Auge und wenn eine Spezies mit nur zwei Augen den Raum betrat und ihn bemerkte, amüsierte er sich über den schrillen Schrei, der dann folgte, je nachdem, ob die Spezies männlich oder weiblich war. Bei den männlichen Besuchern vernahm er meist nur ein tiefes Ein-und ausatmen.

Ja, er war sich seiner Wirkung auf andere Lebewesen durchaus bewusst. Sie hatten Respekt und Achtung vor ihm. Nur ein einziges Mal, als er noch sehr jung war, musste er mit ansehen, wie ein Zweibeiner einen seiner Verwandten, es könnte sein Onkel gewesen sein, mit einem Katalog erschlug. Das hatte ihn sehr traurig gemacht und er nahm sich seit diesem traumatischen Erlebnis stets vor Katalogen in acht. Ein Bein des Onkels hing seither als Mahnmal an der Unglücksstelle.

Jetzt wollte er aber nicht mehr diesen schaurigen Gedanken nachhängen. Jetzt wollte er seine Angebetete verführen. Das war der einzige Grund, weshalb er hier saß, der einzige Grund, für den es sich zu leben lohnte.

Geräuschlos und ganz vorsichtig näherte er sich. Sie war mindestens fünfmal so groß wie er, was ihn sehr entzückte. Mit einem beherzten Sprung landete er auf ihrem weichen Hinterteil. Gerade wollte er ihr seine Liebeserklärung ins Ohr flüstern, als ihn der tödliche Biss traf. Ein leises Raunen ging durch den Raum.

Sie war wirklich eine außerordentliche Schönheit und man würde gewiss eines seiner Beine zu dem Bein des Onkels hängen. Später…wenn sie satt war.

 

 

 

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Tag der Veröffentlichung: 20.10.2013

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