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1. Kapitel


Es war mal wieder ein ganz gewöhnlicher Tag am Rande von Berlin. Ende Monat, es gab Geld. Alle waren auf dem Weg zum Einkaufen. Nur ich hockte noch in meinem Zimmer, immerhin war es Samstag, morgens um 8! Ich saß am Fenster und beobachtete die Menschen, bei ihren alltäglichen Spaziergängen. Wie öde ist das bitte?! Habe ich so wenig Eigenleben, dass ich mir das von Anderen ansehen musste? Nein, eigentlich war es noch nicht so schlimm. Ich wusste nur absolut nichts mit mir anzufangen. Alle meine Freunde schliefen sicherlich noch. Ich war nur leider keiner von diesen Langschläfern. Ich beschloss erst mal duschen zu gehen und mich fertig zu machen.
Ala ich also, perfekt für den Tag gestylt, aus dem Bad kam, ging ich in die Küche um etwas zu essen. Ich hatte eigentlich keinen Hunger, aber brachte es fertig, 2 Scheiben Toast in mich hinein zu stopfen. Dann ging ich raus.
Bevor ihr euch zu viele falsche Gedanken über mich macht, werde ich mich einmal vorstellen. Ich bin Vicky, 16 Jahre alt und wohne alleine in Berlin. Ja, ALLEINE. Meine Eltern wohnen in Stuttgart. Ich bin nach Berlin gezogen, weil mich diese Stadt schon immer magisch angezogen hat und weil ich hier als Kosmetikerin arbeite, also meine Ausbildung mache. In der Berufsschule und auf Partys habe ich aber schon jede Menge neue Leute kennengelernt, also kein Grund zur Vereinsamung. Ich bin ca. 1,70m groß, habe braune, lange Haare und braune Augen. Ich schätze das reicht erst mal von meiner Seite.
Ich war auf dem Weg in die Stadt, zu meinem Laden. Auch wenn ich heute frei hatte, wusste ich einfach nichts Besseres mit mir anzufangen. Außerdem musste ich noch ein paar Sachen klären, da ich in 2 Wochen zu einem Seminar sollte. Ich freute mich so was von gar nicht darauf. Niemand aus dem Laden oder aus der Schule fuhren zu diesem Seminar, also war ich auf mich allein gestellt und musste wieder mit zig fremden Leuten auskommen. Mittlerweile müsste ich darin ja geübt sein.
Ich war fast da, nur noch um die nächste Ecke biegen und dort ist es. Doch im selben Moment wie ich, kam ein Typ von der anderen Seite herum und wir prallten direkt aufeinander.
„Kannst du nicht aufpassen?“, schrie er mich an. „Sorry, dass ich auch um die Ecke wollte“, maulte ich zurück. Er sah mich an und schien wohl jetzt erst zu bemerken, dass ich kein Penner war. Er hielt mir seine Hand hin: „Verzeihung, ich bin Finn. Tut mir wirklich leid, dass ich dich so angeschrien habe, hast du dir wehgetan?“ „Nee, geht schon, alles gut“, gab ich nur zurück.
Ich war von ihm irgendwie geplättet. Jetzt, wo ich ihm direkt in die Augen sah, fiel mir auf, wie schön er war. Dunkle, mittellange Haare, vielleicht 1,85m und wunderschöne, grüne Augen. Mir fiel auf, dass ich immer noch seine Hand hielt und ließ erschrocken los.
„Sicher, dass alles gut ist …? Du hast mir gar nicht gesagt, wie du heißt!“
„Vicky.“
„Okay, Vicky. Du scheinst nicht so der Typ zu sein, der viel redet“.
„Doch, doch. Nur ich..ähm..ich muss schnell zur Arbeit“, ich konnte nicht mehr klar denken. Oh mein Gott. Ich sollte dringend abhauen, es war ja so mega peinlich.
„Oh achso, dann warte kurz. Ich geb dir schnell meine Nummer, dann kannst du dich bei mir melden, vielleicht hast du dir ja doch irgendwas getan“.
Er schrieb seine Nummer auf einen kleinen Zettel und drückte ihn mir in die Hand, dann ging er, ohne noch etwas zu sagen.
Ich war total baff. Wieso um alles in der Welt, gab er mir seine Handynummer? Er war mindestens 25! Ich konnte darüber erst mal nicht weiter nachdenken, schließlich wollte ich zu meiner Chefin.
Ich öffnete die Tür. Es waren grade keine Kunden da und ich ging ins Büro. Dort saßen Monika, meine Chefin und Sabine, eine Angestellte. Sie sahen mich ganz verwundert an. „Du hast dich heute frei!“, sagten die Beiden, wie aus einem Mund.
„Ja, ich weiß. Ich wollte nur noch mal mit dir reden, wegen dem Seminar“, ich schaute dabei Moni an.
„Achso, alles klar. Ja..ich hab dir alle Unterlagen ausgedruckt, also in welchem Hotel du bist und so. Das Seminar wird von einem Mann und einer Frau geleitet, wie sie heißen, weiß ich jetzt aber nicht. In 2 Wochen geht’s los und den Rest kannst du denn in den Dokumenten nachlesen“, sie reichte mir einen Stapel Blätter. Ich nahm sie entgegen.
„Dankeschön. Steht da auch drin, was ich alles so mitnehmen muss an Kosmetikutensilien?“
„Jap, gucke dir das in Ruhe zuhause an und habe keine Angst. Das Seminar macht echt Spaß, hat bis jetzt jeder gesagt, der da war!“
Das beruhigte mich zwar nicht unbedingt, aber ich nickte und lächelte.
„Sonst noch irgendwelche Fragen? Ich habe nämlich gleich eine Kundin“.
„Nö, ist alles geklärt. Dann bis Montag!“
„Bis dann“, verabschiedeten sie mich.

Ich mochte meine Kollegen. Es war alles so schön locker zwischen uns.
Ich sollte jetzt aber gar nicht vom Thema ablenken, meine Gedanken waren die ganze Zeit nur bei diesem Finn.
War doch nicht normal, dass er mir einfach so diesen verdammten Zettel in die Hand gedrückt hat! Er ist viel zu alt, um mich irgendwie interessant zu finden. Bin ich jedenfalls der Meinung. Sollte ich ihm schreiben? Oder kommt das doof? Wenn ich ihm schreiben würde, hätte er das erreicht, was er wollte. Vielleicht war es ja auch nur ein kleines Spiel, was er mit allen Frauen spielte, um seinen Marktwert zu testen, aber aus so was fiel ich nicht rein.
Ich ging nach Hause und versuchte krampfhaft, ihm nicht zu schreiben. Doch ich hatte das Verlangen danach. Vielleicht auch, um zu testen, ob er überhaupt zurück schreiben würde. Ich war ja total bescheuert! Jetzt machte ich schon den gleichen Mist, wie dieser Möchtegern-Macho. Ich musste unbedingt auf andere Gedanken kommen und rief meine Freundin Sandra an. Die ging aber, wie immer, nicht ran. Wahrscheinlich hatte sie wieder mal Wichtigeres mit ihrem neuen Freund zu tun. Gott, wie mich das doch nervte. Sandra hatte mindestens alle 2 Wochen ´nen anderen Typen am Start. Ich fragte mich immer wieder, wie sie das machte. Immerhin war sie keine Schönheit. Ich will ja jetzt nicht oberflächlich klingen, aber die meisten Jungs achten doch darauf, oder?! Wenn das nicht mehr so sein sollte, dann bin ich einfach nicht genügend informiert!
Ich hatte noch nie einen Freund. Alles waren nur bekloppte Internetbeziehungen oder einfach nur der reinste Kindergarten. Keine Ahnung, woran es liegt, dass mich kein Junge attraktiv findet oder wenigstens mal mit mir ausgeht! Ich habe zwar einige Kumpel, aber bei denen merke ich auch kein besonderes Interesse an mir. Alles einfach nur komisch.
Da Sandra ja mal wieder keine Zeit hatte, beschloss ich Jimmy anzurufen. Er war mein bester Freund und hatte, soweit ich weiß, bisher immer Zeit für mich gehabt.
„Ja?“, meldete sich eine raue Stimme am Telefon.
„Jimmy? Ich bin´s, Vicky“.
„Ja, ich weiß. Schon gehört, von der Technik, dass dein Name auf meinem Handy angezeigt wird, wenn du mich anrufst?“, er lachte.
„Haha, ja, aber du klangst so verwirrt“.
„Bin ich ehrlichgesagt auch, weil ich dachte, dass du arbeiten musst“.
„Nein, ich hab mal frei“, erwiderte ich.
„Okay, cool. Wollen wir denn irgendwas machen heute? Oh sorry, ich laber hier einfach drauf los, anstatt zu fragen, was du eigentlich wolltest!“
„Genau das wollte ich dich fragen, Jim“, ich lächelte.
Wir verstanden uns wirklich blind.
„Wunderbar“, lachte er in den Hörer, „Ich komme dann in ´ner Stunde zu dir und wir überlegen uns was. Bis gleich!“
„Ja, bis gleich“.
Schon war das Gespräch beendet. Eine Stunde kam mir noch unendlich lange vor. Was sollte ich denn in der Zeit noch machen? Aufgeräumt hatte ich bereits gestern, also war in der Wohnung nichts mehr zu tun. Dann sah ich den Zettel mit Finn´s Nummer auf dem Tisch liegen. Wieder kam dieses komische kribbeln in meinem Bauch zum Vorschein. War es etwa Aufregung? Genau dieses Gefühl hatte ich nämlich auch, wenn ich vor vielen Leuten reden musste. Scheiße. Jetzt war es soweit. Ich interessierte mich wirklich für diesen Kerl.

2. Kapitel


Ich nahm mein Handy und tippte die Nummer ein, dann speicherte ich sie. Wie sollte es jetzt weiter gehen? Ich sah auf die Uhr. Es waren gerade mal 2 Minuten vergangen.
Nun war ich der festen Überzeugung ihm einfach zu schreiben. Es konnte ja nicht schlimmer werden. Und beim Schreiben kam ich sicherlich nicht so peinlich rüber, wie vorhin bei dem Zusammenstoß.

>>Hey. Ich wollte dir nur sagen, dass es mir wirklich gut geht & ich mir wirklich nicht wehgetan habe. LG Vicky.<<

Genauso schickte ich den Mist ab. Selbst eine 12-jährige hätte etwas Besseres geschrieben, als ich!
Es dauerte nur ein paar Minuten und schon bekam ich eine Antwort. Mein Herz raste, als ich seinen Namen auf dem Display las und ich zitterte. Dann öffnete ich die SMS.

>>Zum Glück! Das freut mich echt. Mir geht’s auch gut. Vielleicht können wir uns ja mal treffen und vernünftig reden, bei ´nem Kaffee, oder so?<<

Oh mein Gott! Er wollte sich also tatsächlich mit mir treffen! Ich erstarrte fast. Ungläubig las ich mir die SMS noch gefühlte 200Mal durch, bis ich antwortete.

>>Super. Ja, können wir machen. Wann hättest du denn Zeit?<<

>>Heute Abend?<<

>>Okay, geht klar. In welchem Café und um wie viel Uhr?<<

>>Im „Next“, so gegen 7?<<
>>Geht klar.<<

>>Gut, freu mich schon. Bis heute Abend.<<

Darauf schrieb ich nicht mehr zurück. Ich wollte jetzt nicht zeigen, dass ich mich auch freute. Es sollte rüber kommen, als wäre es das normalste der Welt, sich mit einem Fremden in einem Café zu verabreden. Noch dazu wenn er viel älter ist!

Es klingelte. Jimmy war schon etwas früher da. Passte mir jetzt eigentlich gar nicht, da ich immer noch unter Schock stand, aber ich musste so tun, als wäre nichts gewesen. Vor allem musste ich versuchen, ihn rechtzeitig wieder los zu werden, um mich für das Treffen heute Abend fertig machen zu können. Jetzt waren meine Gedanken sowieso bei nichts anderem mehr.

„Na, meine Kleine?!“ Jimmy umarmte mich zur Begrüßung.
„Na, Großer?“

Wir setzten uns erst mal auf die Couch Nach ´nem bisschen Smalltalk konnte ich es nicht mehr für mich behalten und erzählte Jim die ganze Story.
Als ich fertig war, grinste er nur: „Dich hat´s ja voll erwischt!“
„Gar nicht wahr! Ich kenne ihn noch nicht mal richtig!“
„Das wird sich heute Abend ändern. Ich freu mich für dich, immerhin hattest du ja noch nie ´nen Freund.“
„Ähm? Nein, aber ich bin doch auch gar nicht mit ihm zusammen!“
„Was nicht ist, kann ja noch werden. Und das Alter spielt auch nicht immer ´ne Rolle. Außerdem weißt du ja noch gar nicht, wie alt er wirklich ist!“
„Ja, ich weiß. Ich muss mal schauen, was sich da überhaupt entwickelt, weißt du?“
„Ja, na klar. War bei mir und meiner Freundin auch nicht anders. Gut, wenn du denn heute Abend doch keine Zeit für mich hast, kann ich ja doch zu meiner Freundin fahren“, er boxte mir leicht gegen die Schulter und grinste.

Extra für mich hat er das Treffen mit seiner Freundin abgesagt. Ich sagte ja bereits, Jimmy hatte immer Zeit für mich. Genau deswegen war er mein allerbester Freund.

Wir verabschiedeten uns und ich ging ins Bad, um mich erneut aufzutakeln.

Nach 2 Stunden war ich dann endlich fertig. Und ich musste selbst zugeben, dass ich vielleicht etwas übertrieben habe, mit der Wahl meines Outfits. Ich hatte das kürzeste Cocktailkleid an, was mein Kleiderschrank hergab. Es war dezent schwarz. Dazu trug ich eine Strumpfhose und schwarze Hackenschuhe. Geschminkt war ich natürlich auch. Aber ich sah schon ziemlich gut aus. Wieder einer dieser Momente, wo ich fragte, wieso nie ein Kerl auf mich abfuhr?
Egal, ich musste wirklich los, sonst würde ich vermutlich noch zu spät kommen. Und das wollte ich nicht unbedingt.

Auf dem Weg zum Café stieg meine Nervosität ins Unermessliche.
Vor dem Café sah ich ihn stehen, auch er hatte sich echt schick gemacht. Eine dunkelblaue, enge Jeans. Dazu ein knallpinkes Hemd. Da es Sommer war, konnte man sich leichte Bekleidung noch leisten um diese Uhrzeit.
Ich ging ganz locker auf ihn zu, als würde ich ihn schon ewig kennen.
Er musterte mich von Kopf bis Fuß und ein beachtliches Pfeifen kam aus seinem Mund: „Mann, du siehst extrem gut aus, wenn ich das mal so sagen darf.“
„Danke, du aber auch.“
„Vielen Dank. Dann lass uns mal rein gehen.“
Er öffnete die Tür und ließ mich rein. Gute Manieren schien er jedenfalls zu haben.
Wir setzen uns in eine verlassenere Ecke des kleinen Geschäfts. Die Beleuchtung war gedimmt und die Atmosphäre war alles in allem ziemlich romantisch.

Wir bestellten unsere Getränke, einen Kaffee für Finn und eine Heiße Schokolade für mich.
„Wieso wolltest du dich eigentlich mit mir treffen?“, begann ich das Gespräch.
„Weil ich dich vom ersten Moment an interessant und sympathisch fand. Und wieso hast du meine Einladung angenommen?“, er grinste und sah in seine Kaffeetasse.
„Ich schätze mal aus denselben Gründen. Oder vielleicht weil ich einfach gerne irgendwelchen Fremden zum Opfer falle?“
„Jetzt tust du ja so, als wäre ich dein Mörder!“, er sah erschrocken aus.
„Ich meine, man weiß ja nie. Ist ja schon etwas leichtsinnig von mir, sich einfach mit jemandem zu treffen, den ich nicht kenne.“
„Ja, aber wie schätzt du mich denn ein? Ich bin doch nicht irgendein Verbrecher!“
„So war das ja auch gar nicht gemeint. Nur in meinem Alter ist das nun mal alles ein wenig kritisch.“
„Wieso? Wie alt bist du denn?“
„16.“
Er sah mich ungläubig an. Ich merkte, dass er das nicht erwartet hatte. Er schluckte: Also das hätte ich jetzt wirklich nicht geglaubt! Ich dachte du wärst mindestens 18! Dann ist das, was ich hier tue ja schon strafbar, würde ich mal sagen!“, trotzdem musste er lachen.
„So kann man das sehen“, stimmte ich mit ein, „wie alt bist du denn?“

Nun war der interessante Moment des Alters gekommen. Ich war tierisch gespannt und hoffte, dass er nicht älter als 25 wäre.

„Also ich bin 23. Ich hoffe, dass dich das jetzt nicht stört oder so. Ist ja schon n ziemlicher Unterschied zwischen uns.“
„Ach, solange wir uns verstehen, spielt das ja eigentlich keine Rolle, oder?“
„Sehe ich auch so.“

Wir unterhielten uns noch ewig über uns und alles, was uns so einfiel. Es war wundervoll. Schon lange habe ich mich nicht mehr so zu jemandem hingezogen gefühlt, oder vielleicht sogar noch nie. Er versteht mich voll und ganz und lacht auch nicht über meine „lächerlichen“ Probleme, ganz im Gegenteil. Er ist einfach unbeschreiblich. Als hätte ihn der Himmel geschickt. So ein Typ kann doch nicht von dieser Welt sein! Jedenfalls habe ich noch nie zuvor so jemanden getroffen. Scheint wohl eher selten geworden zu sein, diese Art von Mann.

Gegen 22 Uhr verließen wir das Café, wussten nun aber auch nicht weiter.
„Also, wenn es dir nichts ausmacht, könnten wir ja zu mir, weil in ´ne Disco will ich nicht unbedingt.“

Oh mein Gott. Sollte ich es wagen zu ihm nach Hause mitzugehen? Ich bin mir sicher, dass er keiner von den eiskalten Verbrechern ist. Die würden sich nicht mit ihrem vermeidlichen Opfer noch schön öffentlich in ein Café setzen und plaudern, oder? In meinem Kopf ratterte es wie verrückt, immerhin war ich erst 16. Minderjährig. Aber wenn ich jetzt „Nein“ sagen würde, wäre der Abend gelaufen und vielleicht würde er sich dann nie wieder melden.

„Bringst du mich dann später noch nach Hause?“
„Ja, klar. Denkst du ich lass dich nachts alleine durch die Stadt laufen? Mit Sicherheit nicht!“
„Okay, dann komm ich mit.“
„Super!“, er strahlte. Ich auch.

Bei ihm zuhause angekommen, war ich wieder etwas nervöser. Eigentlich gab es keinen Grund aufgeregt zu sein, denn wir kannten uns mittlerweile, aber irgendwie war da ein komisches Kribbeln in meinem Bauch, doch ich überspielte es.

„So, da wären wir“, sagte Finn, als wir den Flur betraten.
Ich zog meine Schuhe aus und er nahm mir meine Jacke ab. Dabei ließ er sich etwas mehr Zeit als nötig, aber es gefiel mir sogar.
Dann gingen wir ins Wohnzimmer uns setzten uns auf die Couch. Er schaltete den Fernseher ein. Es liefen die üblichen Talkshows, also nichts, was man hätte gucken wollen. Also fingen wir angeregt an uns zu unterhalten.
Ich hätte die ganze Nacht mit ihm verbringen können, so wohl fühlte ich mich in seiner Nähe. Ihm schien es auch so zu gehen.
Doch gegen 2 Uhr morgens, merkte ich die Müdigkeit in mir. Ich gähnte ununterbrochen und musste mich zusammenreißen, nicht auf der Stelle einzuschlafen. Finn bemerkte es nach einer Weile aber: „Du hängst grade ziemlich durch, ne?“, witzelte er.
„Ja, kann man so sagen.“, ich gähnte erneut.
„Dann komm mal mit, ich zeig dir was, da wirst du deine Augen gar nicht mehr zumachen wollen!“
Er nahm meine Hand und führte mich aus seiner Wohnung in den Hausflur. Wir stiegen weitere 5 Etagen hoch. Ich fragte mich, was er vorhatte.
Dann stiegen wir auf das Dach des Hauses. Von hier hatte man die perfekte Sicht auf die Skyline von Berlin. Alles leuchtete, es war eine sternenklare Nacht und immer noch nicht kalt draußen, immerhin stand ich nur in meinem Minikleid da.
„Und, wie gefällt´s dir?“
„Es ist echt..wow! Unglaublich!“
„Ja, ich weiß. Ich stehe öfter hier. Man kann davon einfach nicht genug bekommen. Hier oben fühlt man sich frei und unabhängig.“
„Stimmt.“

Wir betrachteten eine ganze Weile die wundervolle Aussicht.
Dann trat er hinter mich und legte seine Arme um mich: „Du bist so anders, als all die anderen Frauen. Ich glaube es gibt keine, die mich so versteht, wie du.“
„Du bist auch anders als der Rest“, gab ich zurück und kuschelte mich in seine Arme.

Es fühlte sich so unbeschreiblich gut an und auch richtig. Wir standen noch eine Ewigkeit so da, bis zum Morgengrauen.

3. Kapitel


Ich riss die Augen auf. Nein, ich lag nicht in meinem Bett. Neben mir lag Finn, eingerollt in seine Decke. Langsam erinnerte ich mich wieder an den gestrigen Abend und die lange Nacht, die wir draußen verbrachten hatten. Ich lächelte zufrieden.
Gleichzeitig hatte ich ein böses Grummeln in meinem Bauch. Was genau tat ich hier? Ich lag in dem Bett eines noch fast unbekannten Mannes, der um einiges älter war, als ich. Trotzdem fühlte sich alles so richtig an. Doch ich wusste genau, dass das nicht jeder so empfinden würde. Was würden meine Freunde sagen, wenn ich ihnen erzähle, dass ich eine Beziehung mit einem 7 Jahre älteren Typen führe? Würden sie mir Glück wünschen oder mich auslachen und sagen, dass ich sie nicht mehr alle habe? Oder würden sie es mir vielleicht gar nicht glauben?
All das und noch viel mehr ging mir gerade durch den Kopf. Finn wurde gerade wach und sah mir in die Augen: „Guten Morgen. Womit habe ich das verdient, dass eine so schöne Frau neben mir liegt?“, er grinste und gab mir einen Kuss.
„Du Spinner!“, gab ich zurück und lachte.

Wir lagen noch eine Weile im Bett und kuschelten miteinander. Finn bemerkte dann, dass etwas nicht mit mir stimmte: „Was hast du? Du bist so still.“
„Ich denke nach..“
„Und worüber, wenn ich mal fragen darf?“
„Ob das alles so richtig ist, was wir hier machen.“
„Wieso? Fühlst du dich nicht wohl in meiner Nähe?“
„Doch! Sogar sehr, aber ich habe einfach Angst, dass es Andere nicht so akzeptieren und sich von mir oder von uns abwenden.“
„Das muss dann wohl jeder für sich entscheiden. Wer das macht, war auch nie dein richtiger Freund.“

Ich dachte über seine Worte nach. Er hatte verdammt nochmal Recht! Wenn meine Freunde sich deswegen von mir entfernten, waren sie auch nie richtige Freunde. Entweder sie würden es so akzeptieren, oder sie können mir gestohlen bleiben.


Wenige Tage später, hatte sich die Neuigkeit schnell verbreitet. Solche Storys gingen ja immer rum wie ein Lauffeuer.
Ich merkte, wer mich schief von der Seite ansah und wer damit nicht zurechtkam. Aber zum Glück gab es auch noch meine wahren Freunde, die sich für mich freuten und Finn unbedingt kennenlernen wollten.

Meinen Eltern hatte ich von meiner Beziehung allerdings noch nichts erzählt, da ich mir sicher war, dass sie es nicht so locker nehmen würden, wie manch anderer.


2 Wochen später ging es los zum Seminar für Kosmetik.
Ich konnte es kaum fassen, aber Finn war einer der Seminarleiter! Es klang wirklich absurd, aber er kannte sich echt gut aus mit dem ganzen Kram. Das Schminken und alles andere weiblichere übernahm natürlich die Seminarleiterin, aber den Aufbau der Haut erklärte Finn uns sehr gut.
Viele Frauen auf diesem Seminar standen auf ihn, das merkte ich sofort. Schon alleine, wie sie ihn ansahen oder ständig versuchten, mit ihm in Kontakt zu treten. Schließlich kam dann von einer Frau die Frage aller Fragen.
„Sagen Sie Finn, haben Sie eigentlich eine Freundin?“
Gekicher war zuhören und alle klebten ganz gespannt an seinen Lippen, auch ich muss ich zugeben. Ich war extrem gespannt, was er antworten würde.
„Ja, habe ich. Eine ganz bezaubernde sogar!“

Ich strahlte, aber versuchte, ihn nicht anzugucken. Immerhin wollten wir unsere Beziehung hier nicht so öffentlich preisgeben.

„Stimmt es, dass Ihre Freundin erst 16 ist?“, fragte dann eine Andere.
„Wer erzählt das denn?“
„Hat man hier so gehört.“
„Ja, es stimmt. Ist das ein Problem für Sie?“

Im Seminarraum war es still. Niemand sagte etwas. Ich fühlte wie ein dicker Kloß in meinem Hals steckte. Am liebsten wäre ich davon gelaufen. Weit weg von diesem blöden Seminar und all den bescheuerten Weibern. Doch ich durfte mir jetzt auf gar keinen Fall etwas anmerken lassen. Die Katze war zwar so gut wie aus dem Sack, aber ich wollte nicht zugeben, dass ich die 16-Jährige bin!

„Sie wissen schon, dass das eigentlich gar nicht erlaubt ist und sie sich damit strafbar machen?“

Da war es wieder. Strafbar. Nicht erlaubt. Verboten.
Diese ganzen Wörter ließen mich in letzter Zeit einfach nicht mehr los. Natürlich wussten Finn und ich nur zu gut, dass es eigentlich nicht gestattet war und es wohl zur „Verführung Minderjähriger“ zählt, wenn der Partner älter ist, als 21 und die Eltern nicht ihr Einverständnis zu dieser Beziehung gegeben haben. Doch warum musste das alles so kompliziert sein? Wieso konnte man nicht einfach glücklich und in Frieden leben? Es muss doch nicht aus allem immer so ein Drama gemacht werden.

„Es ist nur strafbar, wenn ich meine Freundin dazu zwingen würde, mit mir zusammen zu sein! Doch das tue ich nicht. Und ihre Eltern haben auch nichts gegen unsere Beziehung. Außerdem gehört dieses Thema jetzt gar nicht zu unserem Seminar, also machen wir mal weiter mit der Haut!“

Finn hatte gut geantwortet, auch wenn das mit meinen Eltern etwas gelogen war, doch das musste ja nun keiner wissen.
Die Zeit verging für mich überhaupt nicht und ich quälte mich, noch aufmerksam zu folgen. Alles was ich wollte war, von hier weg zu laufen und nie wieder zu kommen.

Auch die restlichen Tage des Seminars wollten einfach nicht vergehen und zogen sich dahin.
Ich war der glücklichste Mensch, als es Freitag war und wir endlich alle abreisen durften.


Als Finn und ich wieder alleine waren lief wieder alles super. Als wären wir schon eine Ewigkeit zusammen. Es war einfach alles perfekt und ich wollte, dass es für immer so blieb.

Bis ich 18 wurde, hielten wir unsere Beziehung so gut es ging vor meinen Eltern und deren Umfeld geheim.
Wie es nicht anders zu erwarten war, hielten sie auch nicht viel davon und machten wieder alles schlecht. Doch nun konnten sie mir nichts mehr verbieten, denn ich war glücklich mit Finn und nichts und niemand sollte uns mehr trennen.

Der Kontakt zu meinen Eltern riss, durch meine Beziehung, immer mehr ab. Ja, meine Eltern wendeten sich von uns ab und dabei war ich ihre einzige Tochter! Selbst, als die freudige Nachricht kam, dass sie Großeltern werden, wollten sie nichts davon wissen und ich sollte sie in Ruhe lassen. Glücklicherweise waren Finn´s Eltern da ganz anders und freuten sich über jeden Besuch von uns.

Ja Leute, so kann es kommen. Ich habe durch meine Liebe vielleicht meine Eltern verloren, aber vielleicht war es auch besser so. Denn wer sein Kind abstößt wegen so was, der hat es wohl nie richtig und von ganzem Herzen geliebt.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 30.09.2012

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