Eine seltsame Geschichte.
Maria ist müde. Der Tag war lange und anstrengend.
Sie ist auf dem Nachhauseweg durch den nahen Wald. Meistens geht sie gerne zu Fuß.
Aber heute hat sie es eilig. Sie trifft heute einen Mann, mit dem sie im Internet ein Date vereinbart hat.
Zu Hause angekommen, lässt sie sich ein Bad ein. In der Wanne entspannt sie sich und in einer halben Stunde ist sie wie neu geboren.
Sorgfältig legt sie ein dezentes Make-up auf und betrachtet sich im Spiegel. Das Ergebnis kann sich sehen lassen, denkt sie sich. Immerhin ist sie 50+.
Die paar Schritte bis zum Treffpunkt legt sie mit zurück.
Angekommen, vor dem Lokal, blickt sie sich um, aber niemand war zu sehen. Na ja, denkt sie sich, ich setze mich auf die Terrasse und beobachte den Abendverkehr.
Die Wirtin, die sie gut kennt, kommt und nimmt ihre Bestellung auf. Noch ist nicht viel Betrieb in dem kleinen Cafe.
Maria bestellt sich ein Glas Bier, das sie so gerne nach Feierabend trinkt. Die Wirtin setzt sich zu ihr an den Tisch und die beiden Frauen unterhalten sich über alltägliches.
Ein Blick auf die Uhr lässt Maria zweifeln. Wahrscheinlich wieder so ein Typ, der im Internet die große Show abzieht und in Wirklichkeit dann gar nicht kommt. Kennt sie alles zur Genüge. Zweimal ist sie schon auf so Möchtegerncasanovas hereingefallen. Aber sie kann es nicht lassen.
Nach einer halben Stunde Überzeit, überlegt Maria, ob sie noch was trinken oder nach Hause gehen soll. Morgen hat sie ihren freien Tag und es deshalb nicht eilig mit dem Nachhauseweg. Also bestellt sie sich noch ein Glas.
So nach und nach kommen die üblichen Arbeiter, die ihr Feierabendbier genießen wollen.
Die Wirtin Uschi hat zu tun und Maria hängt ihren Gedanken nach. Wird wohl nichts aus dem Date.
Plötzlich schießt ein ihr unbekannter Wagen auf den Parkplatz, den Maria von ihrem Platz gut einsehen kann.
So ein Angeber, denkt sie sich. Neugierig geworden, blickt sie gespannt auf den Typ, der aus diesem Auto steigt.
Nicht schlecht, war der erste Eindruck, den sie hatte.
Der Typ in der verblichenen Jean, steuerte geradewegs auf das kleine Cafe zu und direkt an Maria´s Tisch.
Im Schnellverfahren taxierte sie den ganz ansehnlichen Mann, in ihrem Alter, den sie noch nie gesehen hatte.
„Hallo, ich bin Fred“, stellte er sich gleich bei ihr vor.
„Hallo, ich bin Maria“, erwidert sie verblüfft.
Leider hatte sie kein Bild von ihrer Internetbekanntschaft. Er hatte angeblich keines, hatte er ihr jedenfalls geschrieben. Er hatte sich als Alfred Müller ausgegeben.
„ Tut mir leid, dass ich so viel Verspätung habe, aber beim Bahnschranken musste ich so lange warten, weil der Zug Verspätung hatte“.
Vielleicht eine Ausrede? Aber lassen wir es einmal dabei, denkt Maria.
Er bestellte auch ein Glas Bier und plötzlich war Maria irgendwie nervös.
„Was unternehmen wir noch? Hast Du Hunger“, fragt Fred.
„Ja, und wie“, erwidert Maria.
Sie beschlossen in Ruhe ihr Bier zu genießen und dann in die nächste Pizzeria, gleich um die Ecke, etwas essen zu gehen.
Eine Stunde später ließen sie sich die Pizza schmecken. Bei einem Glas Rotwein war die Spannung schon gelöster. Jeder erzählte aus seinem Leben. Er geschieden, sie Single.
Eigentlich ist er ja ganz nett, denkt Maria. Aber sie ist misstrauisch.
Als Fred noch in die nächste Stadt zum Tanzen fahren wollte, sagte sie ab.
„Lass uns lieber hier im Ort noch was trinken gehen“, meinte sie.
Sie wollte nicht am ersten Abend mit einem Fremden in einem Auto unterwegs sein.
Außerdem gibt es in dem Ort noch genügend andere Lokale.
Sie machten sich auf den Weg und bald waren sie im nächsten Pub.
Sie Stimmung war toll und viele andere Gästen schon gut drauf.
Auch Maria spürte den Wein und wurde ausgelassen. Fred schien der ideale Tanzpartner zu sein.
Bis in die frühen Morgenstunden wurde getanzt, getrunken und gelacht.
Maria hatte die Scheu vor Fred verloren.
„Willst du noch auf einen Absacker zu mir kommen?“ fragte sie deshalb.
Gut gelaunt und ein wenig unsicher, verließen sie das Lokal und machten sich auf den Heimweg. In zehn Minuten standen sie vor Maria`s Haustüre.
Fred benahm sich wie ein echter Gentleman, hielt die Türe auf und nahm Maria die Jacke ab.
Den Haustürschlüssel legte er auf das kleine Board neben der Eingangtüre.
Maria ging in die Küche und holte aus dem Kühlschrank noch zwei Flaschen Bier.
„Prost“, sagte Fred.
Maria nickte und trank aus der Flasche.
Langsam dämmerte es ihr, was sie da eigentliche getan hat. Nimmt einen fremden Mann gleich am ersten Abend mit zu ihr nach Hause. Einem zu Hause, in dem sie sich sehr wohl fühlte und auf das sie stolz war.
Fred schaute sich inzwischen interessiert um. Was hat das zu bedeuten, fragt sich Maria.
Plötzlich wollte sie Fred los werden.
„Ich glaub, ich hab genug für heute und möchte ins Bett“, sagt sie deshalb laut.
„Ja, dann werde ich dich alleine lassen und wir können uns morgen treffen. Wenn du willst?“
Maria atmet kaum hörbar über.
„Das ist eine gute Idee“, meint sie deshalb.
„Ja, dann bis morgen. Ich hab deine Nummer und ich ruf dich an!“
Maria begleitet Fred noch bis zur Tür und schließt gleich ab.
Langsam begibt sie sich ins Bad und dann legt sie sich ins Bett. Sie schläft ruhig und traumlos.
Am nächsten Morgen erwacht sie gegen neun Uhr und ist noch ein bisschen benommen von gestern.
Trotzdem möchte sie nicht länger im Bett bleiben. Das Wetter ist schön und vor ihr liegt ein freier Tag. Badewetter.
Sie beschließt deshalb aufzustehen und zu frühstücken.
Ein Aspirin wird mir schon auf die Sprünge helfen. Schade um den schönen Tag, denkt sie.
Da fällt ihr Fred ein. Ob er sich wohl melden wird? Naja, wenn nicht, kann man auch nichts machen. Obwohl er eigentlich ganz nett war. Maria lässt den Abend noch einmal Revue passieren. Wenn Fred noch einmal anrufen sollte, dann würde sie sich mit ihm wieder verabreden.
Gerade als sie die Zeitung ausgelesen hatte, klingelte ihr Handy. Fred.
„ Hallo, bist du ausgeschlafen? Dann bin ich in zehn Minuten da. Wir fahren zum See. Ich hoffe, du bist einverstanden?“
Gut gelaunt gab Maria ihr OK. Sie wollte ohnehin zum See.
Rasch packte Maria ihre Badesachen zusammen und wartete auf Fred.
Es war schon sehr heiß. Nach zwanzig Minuten war Fred noch immer nicht da.
Maria wartete eine Stunde und Fred kam nicht.
Sie rief seine Nummer an, aber er ging nicht an sein Handy.
Nach einer weiteren halben Stunde, beschloss Maria einfach alleine an den See zu fahren.
Gerade als sie zu ihrem Auto ging, war plötzlich die Polizei vor ihrem Haus.
Sie kannte die Beamten von ihrer Arbeit her. Sie waren immer sehr nett.
„Hallo Maria, wir wollen nicht lange stören. Du willst weg fahren?“
„Ja, ich will zum See. Ich habe heute frei und will das schöne Wetter genießen.
Was führt euch denn zu mir?“
„Sag mal, kennst du diesen Mann“, fragt der Beamte und zeigt Maria ein Foto.
„Ja, natürlich. Ich habe ihn gestern kennen gelernt. Wir waren vor einer guten Stunde verabredet. Aber er ist nicht gekommen. Er hat noch vorher angerufen.
Wir waren auch gestern Abend zusammen unterwegs.
Was ist los, stimmt was nicht?“
„Leider ja. Wir haben den Mann gerade neben der Straße gefunden. Sein Handy lag neben ihm. Auf dem Display haben wir deine Nummer gefunden. Er hat dich angerufen. Es war sein letzter Anruf.“
Maria musste sich setzen. Ihr war ganz schlecht.
Die Beamten wollten alles bis ins Detail wissen. Maria antwortete wie in Trance.
Man hatte Fred neben der Straße gefunden. Neben ihm lag sein Handy. Sein letzter Anruf zeigte Maria´s Nummer. Auch er hatte Badesachen in seinem Kofferraum.
Man fand Fred, zirka 200 Meter von Maria´s Haus entfernt.
3 Wochen später:
Maria ging zur Arbeit wie immer. Aber sie konnte den seltsamen Tod von Fred noch immer nicht vergessen.
Endlich hatte sie jemanden kennengelernt, der ihr einsames Leben vielleicht ein bisschen abwechslungsreicher gemacht hätte. Vielleicht wäre auch mehr daraus geworden.
Wie immer saß sie am Abend alleine auf der Terrasse ihres kleinen Häuschens und las in einem Buch, als plötzlich die Polizei vorfuhr.
Wieder die gleichen Beamten wie vor drei Wochen.
„ Wie geht es dir, Maria?“
„ Es geht. Nur der Tod von Fred beschäftigt mich immer noch.“
„ Da haben wir eine Neuigkeit für dich. Wir haben alles überprüft. Fred war geschieden, wie du weißt, aber noch nicht lange. Seine Exfrau ist ihm nachgefahren und wollte eine Aussprache, aber Fred wollte nicht mehr.
Er stieg in sein Cabrio und wollte weg fahren, doch seine Exfrau nahm den Wagenheber aus ihrem Auto und schlug ihm damit auf den Kopf. Er war sofort tot. Tut mir leid“.
Maria senkte den Kopf und dachte an den schönen Abend, den sie mit Fred verbracht hatte.
Die Polizei verabschiedete sich und Maria blieb alleine zurück. Wie immer. Wie immer alleine. Und wieder zog die Traurigkeit in ihr Herz.
Tag der Veröffentlichung: 19.01.2013
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