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Angst


Angst


Peng!
Ein Schuss zerriss die Stille der Nacht. Ein Kauz flog direkt an meinem Kopf vorbei.

Ich war auf dem Heimweg. Gerade war es noch eine schöne laue Sommernacht mit vielen Sternen am Himmel. Diese Sterne nahm ich plötzlich nicht mehr wahr.
In meinem Bauch breitete sich das böse Gefühl aus, das ich nur zu gut kannte. Lange hatte ich es nicht mehr gespürt, aber jetzt war es wieder da.

Ich blieb stehen und sah mich vorsichtig um. Niemand schien mir zu folgen. Langsam setzte ich meinen Weg fort. Die Angst in meinem Bauch schien sich auf den ganzen Körper auszubreiten. Wie ein Roboter setzte ich einen Fuß vor den anderen. Ich atmete ganz flach.

Jeden Tag ging ich denselben Weg von der Arbeit nach Hause. Schon lange hatte ich mich nicht mehr so gefürchtet wie heute. Ich ging immer schneller, leider war ich noch weit entfernt von zu Hause.

Plötzlich hörte ich ein Geräusch. Ein leises Knacken im Unterholz. Meine Angst wuchs ins Unermessliche und ich begann zu laufen. Trotzdem konnte ich die Schritte hinter mir hören, die immer näher kamen. Was sollte ich nun tun? Stehen bleiben oder weiter laufen? Ich entschloss mich stehen zu bleiben. Ich drehte mich um aber niemand war zu sehen.

So schnell ich konnte lief ich weiter.
Aus der Ferne konnte man die ersten Häuser sehen. Endlich war ich nur noch wenige Meter von meinem kleinen Häuschen entfernt. Ich kramte in der Tasche nach meinem Haustürschlüssel, den ich in der Aufregung nicht gleich fand. Mit zitternden Fingern schloss ich die Türe auf.

Zu Hause. Langsam ließ ich mich auf einen Stuhl in der Küche sinken. Mein Atem ging schnell und stoßweise. Die Tränen der Erleichterung liefen mir über die Wangen. Nach kurzer Zeit beruhigte ich mich. Ich begann meine Gedanken zu ordnen. Sollte ich bei der Polizei anrufen?
Wenn ich den Polizisten erzähle, dass ich nur Schritte gehört, aber niemanden gesehen habe, dann würde das auch nichts bringen. Vielleicht würden sie mir gar nicht glauben.

Ich beschloss mich in die Badewanne zu legen und dann noch ein bisschen fernzusehen.
Das Badewasser lief in die Wanne und ich legte mich in das warme Wasser. Erst jetzt merkte ich, wie müde und abgespannt ich war. Ich genoss das warme Bad.
Nach einer halben Stunde stieg ich aus der Wanne und hüllte mich in meinen Bademantel.

Ein kleiner Salat würde als Abendessen reichen. Ich hatte keinen großen Hunger. Nach dem Essen machte ich es mir vor dem Fernseher bequem, wo ich auch gleich einschlief.
Eine Stunde später wachte ich wieder auf, ging ins Bad und dann gleich ins Bett.

Ich schlief tief und traumlos. Irgendwann in der Nacht wurde ich wach. Ein Geräusch? Oder hatte ich mich getäuscht. Mein Herz schlug bis zum Hals.

Der Lichtsensor bei der Eingangstüre ging an. Ich lag wie versteinert in meinem Bett und wagte kaum zu atmen.
Mein Handy lag griffbereit auf dem Nachttisch. Sollte ich die Polizei anrufen oder würde ich mich lächerlich machen? Vielleicht war es nur eine Katze.

Ich wagte mich nicht aus dem Bett um nachzusehen. Leise Schritte waren zu hören. Also doch keine Katze. Wer schleicht um das Haus herum, das fragte ich mich angstvoll. Plötzlich ging das Licht wieder aus. Die Schritte entfernten sich. Langsam atmete ich aus und mein Herzschlag beruhigte sich wieder.

Plötzlich hörte ich einen Schuss. Jetzt saß ich kerzengerade im Bett. Was war da los?
Ich schaute aus dem Fenster. Auch bei den Nachbarn ging das Licht an. Ich rief meine Nachbarin an und fragte, ob auch sie den Schuss gehört hatte. Der Schuss hatte auch alle anderen aus dem Schlaf gerissen.

Irgendwer hatte die Polizei gerufen und auf meinem Grundstück war es taghell. Ich zog meinen Trainingsanzug an und ging in den Garten. Mir war ganz übel.

Am Boden lag eine Gestalt. Ich wagte nicht näher zu kommen. Ein Polizist winkte mich heran.
„Wissen Sie, wer das ist?“ fragte er mich. Langsam kam ich näher und sah mir die Gestalt an.
Ich hockte mich hin, damit ich das Gesicht besser erkennen konnte. Im Schein der Taschenlampe des Polizisten sah ich mir das bärtige Antlitz genauer an.

„Nein, den Mann kenne ich nicht“, antwortete ich leise.
„Es sieht nach Selbstmord aus“, meinte der Beamte.
„ Wer schleicht um mein Haus und bringt sich dann in meinem Garten um“, fragte ich.
„Das werden wir schon heraus finden“, behauptete der Polizist.

Die ganze Nacht waren die Beamten da. An Schlaf war da nicht mehr zu denken. Ich kochte Kaffee.

Endlich war es soweit. Die Beamten rückten ab und es wurde wieder still. Und ich blieb alleine mit meinen Gedanken zurück. Viele Fragen drängten sich auf. Keine davon konnte ich beantworten.
Ich kannte den Mann nicht, warum war er bei mir im Garten? Hatte der Selbstmord etwas mit dem Erlebnis zu tun, das ich auf dem Heimweg von der Arbeit erlebte. Ich konnte mir keine Antwort geben.

Am nächsten Morgen war auch die Polizei wieder bei mir.
Argwöhnisch wurde ich befragt. Niemand glaubte mir, dass ich den Mann nicht kannte.

Die Zeit verging, das Rätsel um den Unbekannten wurde niemals gelöst.

Auch heute noch denke ich oft an den Mann, der bei mir im Garten lag.

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Tag der Veröffentlichung: 20.12.2012

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