Cover

Prolog
Es ist schon wieder nach drei Uhr morgens. Wieder einmal kann ich nicht schlafen und betrachte deinen nackten Rücken, der wie so oft nicht von der Decke bedeckt ist, unzählige Male habe ich dir schon gesagt, dass du dich noch einmal erkälten wirst.
Wie immer nehme ich die Decke in die Hände und ziehe sie dir bis über die Schultern, dass ich selbst in der Kälte liege stört mich nicht. Schon lange habe ich es aufgegeben mich in der Nacht an dich kuscheln zu wollen. Immer hast du dich von mir weggedreht oder mich bis an den anderen Rand des Bettes geschoben.
Meine Nähe wurde dir zu viel und ich akzeptierte das.
Vorsichtig hebe ich meine Hand und streichle über deine weiche Wange, bevor ich dir eine Haarsträhne aus dem Gesicht wische. Dein Körper ist so weich, sanft und vor allem warm, aber du bist es nicht. Schon lange bist du nicht mehr warm und liebevoll zu mir, sondern kalt und abweisend. Ich tue so als würde ich es nicht merken, aber mit jedem Blick und jedem flüchtigen Kuss wird mir wieder bewusst, dass du innen drin kalt bist.
Langsam ziehe ich meine Hand von deiner Wange und deinen Haaren zurück. Du bist alles, was ich will, aber nicht so wie du jetzt bist. Seufzend rutsche ich bis an den anderen Rand des Bettes, greife nach dem Shirt, welches auf dem Boden liegt und ziehe es mir über den nackten Oberkörper. Traurig sehe ich mich noch mal zu dir um, starre deinen Hinterkopf an, und stelle fest, dass du die Decke wieder nach unten gestrampelt hast. Hasst du mich wirklich so sehr?
Kopfschüttelnd erhebe ich mich von dem Bett und gehe auf das Fenster zu, welches nicht weit von unserem Bett entfernt ist. Vorsichtig ziehe ich den dunklen Vorhang beiseite und werfe einen Blick auf den großen Vollmond an dem klaren Nachthimmel. Schon immer habe ich den Mond geliebt. Wie oft habe ich dich gebeten dir dieses Schauspiel einmal mit mir gemeinsam auf einer Wiese anzusehen und wie oft hast du gelacht und mir gesagt, dass ich mich wie ein verträumtes Kind verhalten würde? Du hast noch nie viel Sinn für Romantik gehabt, aber trotzdem liebe ich dich. Dank dir erkannte ich endlich die wahre Bedeutung von Liebe und von Liebe auf den ersten Blick. Vielleicht bin ich nicht hübsch genug, vielleicht bin ich auch nicht intelligent genug, aber ich habe mich bemüht alles zu sein, was du wolltest – dein bester Freund, dein Bruder, dein Vertrauter, dein Geliebter – und ich weiß, dass ich es gut gemacht habe. Du brauchtest nichts weiter tun als nach mir rufen und schon war ich an deiner Seite, habe das getan was du wolltest, ohne nach dem Grund zu fragen.
Seufzend sehe ich mich zu dir um, bemerke erst jetzt, dass dein Schatten, durch das einfallende Mondlicht, die Wand ziert. Du siehst so friedlich aus wenn du schläfst, doch im Grunde habe ich kein Recht dich anzusehen, oder dich gar als meinen Freund zu bezeichnen. Wie dieser Schatten an der Wand, so bist du auch zu mir – dunkel und nicht greifbar.
Kopfschüttelnd wende ich meinen Blick wieder von deinem Schatten ab und betrachte den Mond. Denkst du etwa ich habe es nicht bemerkt, dass du in meiner Gegenwart nicht du selbst bist? Auch wenn ich es nicht wahrhaben will, so merke ich es immer wieder, wenn du mit ihm sprichst.
In meiner Gegenwart bist du nur ein Schatten.


1. Kapitel
Seufzend betrachtete ich die Bühne, auf der wir uns gerade befanden. Eine Frau mit einem Headset und einem großen Klemmbrett ging vor uns und erklärte uns ganz genau zu welchem Zeitpunkt wir wo zu stehen hatten und wann was passieren würde. Ich hätte ihr zuhören sollen, aber meine Augen waren nur auf zwei Personen gerichtet, die sich mal wieder den ganzen Tag nicht voneinander trennen konnten. Das Lachen aus ihren Mündern tat in meinen Ohren weh und bahnte sich gleich einen Weg zu meinem Herzen um dort immer wieder einen stechenden Schmerz zu hinterlassen. Schon seit Wochen ging das so mit den beiden. Kaum war Taemin in seiner Nähe war ich vergessen für ihn, so als wäre ich Luft. Wenn er mich dann aber doch bemerkte schenkte er mir einen Blick, der mir mehr als nur verdeutlichte, dass ich störte.
Schon oft habe ich mich in diesen Momenten gefragt wieso ich den Mund nicht auf bekam – wieso ich nicht einfach sagte, dass es mich störte. Hatte ich Angst ihn zu verlieren, wenn ich aufmüpfig war und ihm auch mal meinen Willen aufdrängen wollen würde?
„Hey? Erde an Kibum!? Jemand Zuhause?“
Eine Hand bewegte sich vor meinen Augen auf und ab, bevor ich ein besorgtes Augenpaar vor mir erblickte. Hatte man gerade versucht mit mir zu reden? War mir irgendwas entgangen? Oder wieso nervte man mich jetzt?
„Was, Onew?“, fragte ich genervt und benutzte extra den Stagenamen des Leaders. Ich mochte ihn nicht wirklich und ich glaube das wusste Jinki aka Onew auch. Er war mir viel zu kindisch und seine Witze verstand ich auch nicht. Ehrlich gesagt war ich schon immer froh gewesen, dass wir bei Auftritten und auf Gruppenfotos nicht nebeneinander stehen mussten, sondern beide an den Außenplätzen – weit weg voneinander.
Dass er dabei aber immer zwischen Minho und Taemin stehen musste passte mir nicht. Nicht, weil Minho neben ihm stand, sondern wegen Taemin. Wie oft hatte ich sie schon während der Fotoshoots miteinander scherzen und kuscheln sehen, so als würde er das extra machen, nur um mir zu zeigen wie unwichtig in seinem Leben doch war.
„Entschuldige!“, murmelte Jinki verunsichert, scheinbar hatte mein barscher Tonfall ihn getroffen. „Du schienst nicht bei der Sache zu sein!“, fügte der Leader hinzu – was für ein Blitzmerker! Ich war schon seit Wochen nicht mehr bei der Sache, das merkte er ja wirklich schnell.
„So hier werdet ihr dann sitzen und man wird euch interviewen!“, unterbrach die Frau mit ihrem Klemmbrett meine Gedanken und auch meine eher spärliche Unterhaltung mit Jinki. Sie deutete auf fünf hockerartige Stühle. Drei etwas höhere standen hinter zwei niedrigeren in einer Reihe. „Wir dachten uns, dass wir die übliche Sitzordnung aufbrechen, da unsere Show dafür bekannt ist, sich von der Kausalität abzuheben!“, sprudelte es weiter aus der kleinen Frau heraus.
Krampfhaft versuchte ich ihr zuzuhören und meinen Blick auf ihren Mund zu heften. Ich wollte nicht mehr zusehen wie Jonghyun seinen Arm um Taemins Schultern legte und ihm immer mal wieder durch die Haare streichelte, ihm einen Kuss auf die Schläfe hauchte oder ihm sagte wie süß er doch wäre. Es tat weh das zu sehen und auch zu hören. Mir hatte er das noch nie gesagt und auch solche kleinen Zärtlichkeiten hatte er mir noch nie entgegen gebracht. Wenn wir uns nah waren, dann nur um wenig später unliebevollen, abgeklärten Sex zu haben. Ja, dafür brauchte er mich, auch wenn ich nicht wusste woher sein plötzliches Verlangen immer kam.
Meistens überkam ihn dieses Verlangen kurz nach dem Tanztraining. Dann zerrte er mich gern zu den Duschräumen – wusste er eigentlich, dass er dann besonders rücksichtslos war?
Schlimmer war es aber, wenn er Taemin kurz nach dem dieser geduscht hatte auf dem Flur begegnete oder Taemin ihm einen kurzen niedlich-unschuldigen Blick zuwarf. Ich wusste, dass dieser Sex nicht mir galt sondern Taemin und dass Jonghyun davon genervt war, dass er mit mir schlafen musste – dass er Taemin nicht haben konnte. Ich spürte es, denn es war keine Liebe, die er mir gab; es war Hass.
„Also … Onew … du setzt dich da hin!“
Wieder riss mich die Stimme dieser komischen Frau aus den Gedanken – was vielleicht nicht mal so schlecht war. Die Frau deutete auf einen Hocker in der zweiten Reihe, der ganz links außen stand – natürlich fast neben dem Hocker des Moderators.
„Setzt du dich mal bitte dahin wir wollen nur sehen wie das dann auf dem Bildschirm wirkt!“, fügte die Frau noch hinzu.
Immer wieder das Gleiche: Das Studio besichtigen, Kameraproben, dann einen Fragekatalog ansehen und sich dann letztendlich filmen lassen und dabei wieder die gleichen stumpfsinnigen Fragen beantworten. Trotzdem liebte ich diesen Job und liebte auch jedes noch so langweilige Interview. Viel zu lange hatten wir alle darum kämpfen müssen und jetzt wo SHINee dabei war berühmt und erfolgreich zu werden mussten wir auch mit diesen langweiligen Auftritten klar kommen.
„Key?“
Erschrocken riss ich meine Augen auf, als jemand meinen Stagenamen sagte und sah mich orientierungslos um. Woher war die Stimme gekommen? Und wer wagte es schon wieder mich aus meinen Gedanken zu reißen? Hoffentlich dachte Jonghyun nichts Falsches von mir. Es war nicht mein Tag, sonst war ich nie so unaufmerksam. Die Frau mit dem Klemmbrett legte ihre Hand auf meine Schulter und deutete auf den Hocker in der zweiten Reihe neben Onew, der schon auf seinem eigenen Hocker saß.
„Du sitzt diesmal neben Onew in der Mitte in der zweiten Reihe!“, erklärte sie noch, scheinbar hatte sie mein verwirrtes Gesicht ganz genau bemerkt und meinte nun mir erklären zu müssen wo ich zu sitzen hatte.
„Ich? WO?“, fragte ich geistreich noch einmal nach. Vielleicht hatte ich mich ja verhört. Sie konnten mich nicht neben Onew setzen. Was sollte ich neben diesem hyperaktiven Affen? Er würde dann wieder unnormal viel Lachen und mich würde man als arroganten Typen abstempeln, da ich nie über Onews Witze lachen konnte, wie die anderen. Vielleicht war das auch ein Grund wieso ich lieber neben Minho stand anstatt neben Onew. Minho ließ einen in Ruhe, nervte einen nicht mit dummem Gerede.
„Neben Onew“, beantwortete die Frau – komischerweise – ruhig meine Frage.
Wenig später spürte ich auch schon ihre Hand auf meinem Rücken, die mich bestimmt in die Richtung der Hocker schob. Es musste ja wirklich mein Glückstag sein. Einen kurzen Moment dachte ich wirklich darüber nach einen Aufstand zu machen, allen zu sagen, dass ich Onew nicht mochte und mir lieber ein Bein ausreißen würde als neben diesem zu sitzen, doch etwas hielt mich davon ab, eher jemand.
„Nun mach schon, Key!“, hörte ich Jonghyuns Stimme, worauf ich mich auch gleich zu dieser umsah – hätte ich das mal nicht getan.
Mein Herz setzte für eine Sekunde aus um mich dann einen kräftigen Stich spüren zu lassen, bevor es doppelt so schnell weiterschlug. Jonghyun hatte seinen Arm um Taemins Hüfte gelegt und streichelte diesem leicht über die Seite. Sie standen dicht aneinander gekuschelt da und ich konnte an Taemins Gesicht ablesen, dass dieser nichts gegen Jonghyuns Berührungen einzuwenden hatte.
„HM!“, gab ich nur von mir; zu etwas anderem war ich in diesem Moment nicht mehr fähig und drehte mich wieder zu den Hockern um. Ob Jonghyun mir mit Absicht so weh tat? Oder wusste er nicht mal, was er mir mit diesen kleinen Gesten antat? Kopfschüttelnd und mit gesenktem Blick ging ich auf Onew zu, bevor ich mich auf den Hocker neben ihn kämpfte. Dass man Minho zu meiner linken schon platziert hatte merkte ich nicht, auch nicht, dass Jonghyun und Taemin die beiden waren, die auf den Hockern vor uns Platz nehmen mussten. Die Scheinwerfer wurden auf uns gerichtet, ich spürte es, da das grelle Licht immer wieder in meinen Augen weh tat, scheinbar hatte die Lichtprobe gerade begonnen, aber das war ja auch egal. Jonghyun umarmte lieber Taemin, er verbrachte seine Freizeit lieber mit Taemin, dabei war ich doch sein Freund und nicht Taemin.
„Kibum?“, hörte ich ein Flüstern an meinem rechten Ohr und kurz darauf spürte ich auch wie mir jemand gegen den Arm stupste.
„Kibum? Hey …“
Ich wollte nicht antworten, ich wollte niemanden mehr hören, deswegen reagierte ich auch nicht auf die Stimme und das Stupsen.
„Kibum, was ist denn?“, ließ die Stimme dann aber nicht locker und das Pieksen wurde zu einem sachten Schütteln. Konnte man mich nicht einmal an diesem Tag in Ruhe in meinem Selbstmitleid versinken lassen? Es gab noch andere hier mit denen man sprechen konnte, wieso musste man immer mich mit irgendeinem unwichtigen Kram belästigen?
„WAS?“, fauchte ich deshalb etwas ungehalten und sah nach rechts, genau in Onews weit geöffnete Augen. So wie es aussah hatte er keine derart unfreundliche Reaktion meinerseits erwartet.
„Wieso gehst du mich immer so an, Kibum?“, fragte Onew mich mit einem vorwurfsvollen Ton in der Stimme und warf mir dabei einen enttäuschten Blick zu. Was auch immer diese Aktion sollte, sie zog bei mir schon lange nicht mehr, vor allem nicht, wenn Onew sie versuchte.
„Nenn mich nicht Kibum!“, antwortete ich deshalb nur ohne weiter auf seine Frage einzugehen. Es gab nur einen, der mich Kibum nennen durfte, doch dieser eine tat es nie. Wie oft hatte ich ihm schon gesagt, dass er mich nicht „Key“ nennen sollte?
Ich wollte, dass es zwischen uns persönlicher und näher wurde, doch mit dem Nennen meines Stagenamens hielt Jonghyun die Distanz zwischen uns weiter aufrecht.
„Entschuldige, KEY!“ Onews Stimme war nun nicht mehr nur vorwurfsvoll, sondern auch trotzig. Was wollte dieser Idiot nur damit erreichen? Dass ich Mitleid mit ihm haben und somit netter zu ihm sein würde? „Du hast meine Frage noch nicht beantwortet!“, erinnerte Onew mich dann wieder – als ob ich das nicht schon vorher gewusst hätte …
„Und?“, fragte ich gleich darauf, noch immer deutlich genervt und verschränkte die Arme vor der Brust. Konnte dieser Idiot nicht mal langsam verstehen, dass ich keine Lust hatte mit ihm zu reden? Natürlich könnte ich Onew auch gleich sagen, dass er mir auf die Nerven ging, egal was er tat oder sagte, aber das Fernsehstudio war nicht wirklich der beste Platz für eine derartige Auseinandersetzung.
„Vergiss es!“, murmelte Onew nach einer kurzen Zeit des Schweigens und sah wie ich auch in eine andere Richtung. Die anderen wussten, dass wir beide nicht miteinander klar kamen, beziehungsweise ich nicht mit Onew, doch sagen taten sie nichts. Vielleicht hätten sie etwas gesagt, wenn das Bandklima darunter gelitten hätte, aber da ich Onew meistens aus dem Weg ging und so kein Streit aufkam hatten sie auch keinen Grund sich weiter einzumischen. Vielleicht wünschte ich mir tief in meinem Inneren auch nur, dass Jonghyun irgendwann mal für mich Partei ergreifen würde, aber ich wusste, dass ich da lange warten konnte.

Ganze zwei Stunden hatten wir nach der Probe noch warten müssen bis es endlich soweit war und unser Interviewauftritt gesendet werden sollte. Man hatte in der Zeit unser Make-Up gerichtet, wir hatten uns umgezogen, man hat einige Stellen unserer Klamotten, meistens die Hose noch abgeändert und den Rest der Zeit hatte jeder das getan, was er wollte.
Minho und ich hatten uns in eine ruhige Ecke verzogen und unsere Bücher gelesen. Eigentlich hatte ich nicht vorgehabt zu lesen, denn lieber hätte ich die freie Zeit mit Jonghyun verbracht, was aber nichts wurde. Schnell hatte er sich mit Taemin verzogen, angeblich um ein wenig das Gebäude zu erkunden und mich mit Onew und Minho allein gelassen. Mir blieb also nichts anderes übrig als mein Buch, was ich immer in meiner Tasche mit mir herumtrug, aus eben dieser zu nehmen und mich auf das unbequeme kleine Sofa zu setzen.
In Sachen Büchern war ich wohl ein hoffnungsloser Fall. Keiner der anderen Bandmember hatte einen ähnlichen Buchgeschmack wie ich. Krimis oder Biographien, vielleicht auch noch Thriller oder Horror waren eher die Genres, die die anderen lasen und bevorzugten. Ich jedoch las schon seitdem ich denken konnte kitschige Liebesromane.
Kein Junge in meinem Alter tat das, das wusste ich, aber ich konnte einfach nicht von diesen „Er liebt sie – sie liebt ihn – Krise – Drama – Happy End“-Büchern lassen.
Hoffnungsloser Fall, wie schon gesagt. Mit diesen Büchern schaffte ich es – auch wenn es nur wenige Minuten waren – aus der Realität zu entkommen und mein, nicht sehr beneidenswertes, Liebesleben zu vergessen.
Wieso konnte es nicht so einfach sein wie in diesen Büchern? Immer wieder stellte ich mir diese Frage und verglich meine Beziehung mit Jonghyun natürlich mit den Beziehungen in diesen Büchern. Ich fand uns sogar öfter in diesen Büchern wieder, nur nahm ich dann die Rolle der Person ein, die dem Held und der weiblichen Hauptfigur im Wege stand. Ob das ein Zeichen war? Bestimmt war es das, aber sehen wollte ich es nicht – immerhin hatte Jonghyun mich noch nicht ganz von sich weggestoßen; ich musste ihm einfach nur weiter beweisen wie wichtig er mir war und was ich alles bereit war für seine Liebe zu tun.
Ganze 30 Minuten schaffte ich es sogar in Ruhe die Liebesgeschichte von X und Y weiterzuverfolgen bis die Frau, die uns auch vor ein paar Stunden das Studio gezeigt hatte, unseren Warteraum betrat und uns bat ihr zu folgen, da wir in den nächsten 10 Minuten dran waren. Schnell legte ich mein Lesezeichen wieder in das Buch bevor ich es zuklappte und in meine Tasche zurücktat. Erst dann verließ ich als letzter den Warteraum. Jonghyun und Taemin standen schon auf dem Flur – lachend und scherzend wie immer – und warteten scheinbar schon auf uns.
„Folgt mir bitte!“, sagte die Frau dann höflich, lächelte uns leicht zu und bedeutete uns noch mal mit einer Handbewegung ihr zu folgen. Erst dann drehte sie uns den Rücken zu, presste ihr Klemmbrett (vielleicht ging sie mit dem Teil sogar ins Bett) an ihren Oberkörper und ging mit schnellen Schritten über den Flur. Ganz genau konnte ich beobachten wie Jonghyun nach Taemins Hand griff und mit ihm der Frau hinterher lief. Onew ging neben Minho her, direkt hinter den beiden und ich bildete allein das Schlusslicht. Eigentlich war ich nicht gern allein, aber in Situationen wie diesen ging es nicht anders.
„Bist du aufgeregt, Minnylein?“, hörte ich Jonghyuns liebevolle, wunderschöne Stimme.
Seit wann gab er Taemin solche Spitznamen und mich konnte er nicht mal mit dem richtigen Namen ansprechen?
„Ein wenig, Hyung! Du auch?“, fragte dann Taemin und lächelte Jonghyun scheinbar wie immer mit seinem kindlichen, süßen Grinsen an.
„Nein, ich hab ja dich an meiner Seite, da brauch ich nicht aufgeregt zu sein!“
Solche Worte waren es immer, die mich dazu brachten an mir selbst zu zweifeln. Was hatte Taemin was ich nicht hatte? Wieso konnte er mir nicht mal so ein nettes Kompliment machen? Wieso war er nur nett zu mir, wenn er Sex wollte (nicht mal dann) oder wenn die Kamera an war? Mein Herz tat wieder so unglaublich weh und die Luft wurde mir mit jedem weiteren Wort, das die beiden miteinander sprachen mehr abgeschnürt. Immer wenn ich die beiden so sah versuchte ich mich abzulenken, dachte darüber nach, was ich kochen könnte, wenn wir wieder Zuhause waren, oder aber ich übersetzte mir irgendwelche koreanischen Lieder auf Englisch – und das alles nur um mich abzulenken. So auch jetzt. Fieberhaft überlegte ich was ich kochen könnte, ob es überhaupt nötig war noch zu kochen, oder ob sie sich an dem nächstbesten Imbiss irgendwas mitnahmen.
„Ihr könnt jetzt auf die Bühne!“, unterbrach die Frau meine Gedanken.
Desinteressiert, ohne auf die Räumlichkeiten zu achten folgte ich den anderen und betrat das hellerleuchtete Studio. Ein Koreaner – ich schätzte ihn Mitte 20 – mit schulterlangen schwarzen Haaren saß auf dem Moderatorhocker und sah uns mit musternden Blicken an. Kaum richtete sich die Kamera auf uns, stellten wir uns in gewohnter Aufstellung in die Mitte der kleinen Bühne; natürlich stellten wir uns vor – wie wir es immer taten. Erst dann gingen wir zu den Hockern und setzten uns, wie man es uns in der Probe gesagt hatte, darauf. Meine Wangen taten jetzt schon von meinem falschen Lächeln weh, dabei lächelte ich bestimmt erst seit einer Minute.
„SHINee, schön, dass ihr es endlich geschafft habt in unsere Show zu kommen!“, sagte der junge Moderator mit dunkler Stimme und einem fröhlichen – bestimmt ehrlichen – Lächeln auf den Lippen.
„Danke für die Einladung!“, antwortete Onew schnell höflich und deutete eine Verbeugung an. Starr richtete ich meinen Blick auf den Moderator, hoffentlich bemerkte niemand, dass ich krampfhaft versuchte weder Onew noch Jonghyun anzusehen.
„Ich hab gehört, dass ihr im Moment sehr beschäftigt seid. Woran arbeitet ihr denn zur Zeit?“, fingen die stumpfsinnigen Fragen an.
Zum Glück würde Onew sie alle beantworten, vielleicht auch noch Jonghyun, aber meistens spielte Onew dieselbe Platte ab um die Fragen brav zu beantworten. Dafür war er wenigstens zu gebrauchen.
„Wir haben gerade unser Repackage Album raus gebracht! Es hat drei neue Songs!“, fing Onew an und wurde, so wie immer, von Jonghyun unterbrochen. „Ja, es heißt Amigo, der Titelsong hat den gleichen Namen!“, warf dieser ein worauf alle – ich eingeschlossen – nickten und Taemin ein „Ja!“ zur Bestätigung herausposaunte.
„Genau, Amigo bedeutet Freundschaft auf Spanisch und das soll dieser Song auch vermitteln“, vollendete Onew seine Erklärungen und lächelte. Verstehend nickte der Moderator und sah kurz auf seine Zettel, die er auf seine Beine gelegt hatte. Konnte der Mensch sich die Standardfragen nicht merken? Vielleicht sollte ich seine Moderation übernehmen, denn ich kannte diese Fragen schon lange alle auswendig.
„Kennt ihr unsere Show schon?“, fragte der junge Mann dann und setzte dabei ein schelmisches Grinsen auf. Das war auch eine Frage, die man uns fast immer stellte und ja, meistens kannten wir die Shows, diese hier sagte mir aber nichts, weswegen ich den Kopf schüttelte. Fragend sah ich zu den anderen, die den Moderator ebenfalls mit ratlosen Gesichtern ansahen. Normalerweise erkundigten wir uns auch immer über die Shows in denen wir auftreten sollten, aber bei dieser hier hatte das wohl keiner von uns getan.
„Ich dachte es mir schon. Gut, unsere Interviews zeichnen sich deswegen aus, da die Fans in unserem Forum ihre Fragen, die sie gern beantwortet haben würden posten. Wir suchen uns dann ein paar von diesen Fragen aus – lasst euch überraschen!“, hörte ich den jungen Mann sagen, der kurz darauf auch noch lachte. Langsam wurde ich nervös. Fragen von Fans waren ja schon mal eine Abwechslung, aber es gab auch komische Fans und deswegen auch merkwürdige Fragen, hoffentlich würde uns das erspart bleiben.
„Seid ihr bereit?“, fragte der Moderator dann worauf wir anderen synchron ein „Ja“ zur Bestätigung gaben.
//Auf in den Kampf//, war mein einziger Gedanke dazu. Je schneller der Mensch seine Fragen beantwortet bekam, desto eher konnten wir gehen und desto eher konnte ich aufhören so gezwungen zu lächeln, langsam strengte das wirklich an.
„Gut unsere erste Frage geht an Minho …“, begann der Moderator worauf wir uns alle zu Minho drehten und ihn amüsiert ansahen, auch wenn wir die Frage noch gar nicht gehört hatten. Es war ungewöhnlich, dass man Minho die erste Frage stellte, da er nicht der Gesprächigste war, aber es freute mich für ihn.
„… Welcher der Bandmember schnarcht am lautesten?“, stellte der Mann dann seine Frage, worauf Onew und Taemin sofort in Gelächter ausbrachen. Ein Fan wollte wirklich wissen wer von ihnen am lautesten schnarchte? Schnarchte überhaupt jemand? Wie gut, dass man mir diese Frage nicht gestellt hatte, denn ich hätte wirklich niemanden nennen können, der laut oder gar schnarchte.
„Eigentlich schnarcht niemand, nur wenn sich eine Erkältung ankündigt. Aber Jonghyun singt öfter mal im Schlaf!“, antwortete Minho und grinste unseren Leadvocal leicht an, der ebenfalls sein bezauberndes Grinsen aufsetzte und bestätigend nickte.
„Ja, und Taemin schmatzt im Schlaf öfter!“, warf Onew dann noch ein. Wieso musste dieser Mensch immer seine Kommentare von sich geben, wenn er gar nicht gefragt wurde? Fest biss ich mir auf die Zunge um ihm nicht den Mund zu verbieten und ihm zu sagen, dass ihn niemand nach seinem Kommentar gefragt hatte.
„Gut, gut, ihr seid also sehr ruhige Schläfer?!“, stellte der Moderator fest worauf wieder alle nickten, ich nicht, denn dieses Synchrongenicke ging mir jetzt schon auf den Keks. „Gut, Taemin, ein Fan möchte gerne von dir wissen ob Onew schwer ist wenn er auf dir drauf liegt …“
Weit riss Taemin die Augen auf als er die Frage hörte und legte im ersten Moment den Kopf nicht verstehend schief. Onew blähte seine Wangen auf, während Jonghyun und Minho leise kicherten. Ich aber fand diese Frage alles andere als gut. Sie hatten natürlich die Fragen von den komischen Fans genommen, wieso sollte Onew auf Taemin liegen? Wieso sollte Onew schwer sein? Ich wollte gar nicht wissen was in den Köpfen der Fans vor sich ging.
„Onew-Hyung lag noch nie auf mir drauf, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er schwer ist, oder Key-Hyung?“, hörte ich Taemin antworten. Erschrocken zuckte ich zusammen als mein Name fiel und Taemin sich zu mir umschaute. Wieso wurde ich jetzt nach Bestätigung gefragt?
„Als wir die Engel-Teufel Bilder gemacht haben in unserer 11. YunHaNam Episode hat Onew-Hyung auf Key-Hyung gelegen also müsste Key-ah das besser beantworten können als ich!“, erklärte Taemin dann. Fassungslos sah ich unseren Jüngsten an.
Diese Episode und auch das damit verknüpfte Erlebnis hatte ich schon so gut ich konnte aus meinem Gedächtnis verdrängt, jetzt aber wo Taemin es aussprach wurde es mir wieder bewusst. Minho hatte ganz unten gelegen, über ihm Jonghyun, dann ich und oben drauf Onew. Lustig gefunden hatte ich diese ganze Aktion nicht und ich glaube, dass man mir das die ganze Folge lang auch angesehen hatte. Vor allem, da Jonghyun und Taemin auch wieder nichts Besseres zu tun gehabt hatten als miteinander zu kuscheln. Fünf Augenpaare hatten sich während ich nachdachte auf mich gerichtet und auch die Kamera fixierte nun mich. Scheinbar erwartete man von mir nun eine Stellungnahme zu dieser dämlichen Frage, bitte, dann sollten sie eine haben.
„Ja, er war schon ziemlich schwer. Ich hab Onew schon oft gesagt er soll etwas abnehmen, unser fettes Trampelchen!“, sagte ich und kniff Onew spielerisch in die Wange, dass ich etwas fest zukniff sah zum Glück keiner, nur Onew spürte es natürlich. „Aber er stopft nun mal gern Schokolade in sich hinein, da ist es kein Wunder, dass man halb zerquetscht wird, wenn man unter ihm liegt!“, beendete ich meinen Vortrag, ließ von Onews Wange ab und grinste dabei.
Dass es ein falsches, gehässiges Grinsen war schien keiner zu bemerken, da alle, außer Onew auflachten und Taemin sogar sehr belustigt in die Hände klatschte. Na, du Idiot? Hatte ich deine nervige gute Laune zerstört?
„Taeminnie isst viel mehr Schokolade als ich!“, warf Onew schmollend ein und rieb sich leicht über die Wange, in die ich kurz zuvor gekniffen hatte. Wieder lachten alle auf, diesmal alle außer mir. Nur aus den Augenwinkeln wagte ich es Onew anzusehen, hatte ich ihn mit meinen Worten ernsthaft verletzt? Denn sonst lachte er doch wirklich über jede Scheiße die man sagte? Wie auch immer, sollte mir auch recht sein.
Lachend schüttelte der Moderator den Kopf und sortierte seine Zettel schnell bevor er Jonghyun ansah. „Wo wir jetzt schon beim Thema „Essen“ sind. Jonghyun, wonach schmeckt Taemin?“
Mein Atem stockte für einen kurzen Moment und mein Herz schmerzte wieder. Sogar die Fans sahen mich nicht an Jonghyuns Seite? Nein, sie wollten von JONGHYUN wissen wie TAEMIN schmeckte und nicht von zum Beispiel Minho. Die Antwort von Jonghyun wollte ich auch nicht hören, denn ich konnte mir schon denken, dass er Taemin als irgendwas Wohlschmeckendes bezeichnen würde. Krampfhaft hielt ich meinen Blick gesenkt um bloß nicht das möglich verzückt grinsende Gesicht Jonghyuns sehen zu müssen. Auch meine Gedanken versuchte ich krampfhaft auf etwas anderes zu richten, denn die Antwort hören wollte ich auch nicht.
„… Gummibärchen …“, hörte ich Jonghyuns Stimme von ganz weit weg. //You got the wrong number! I’m sorry you got the wrong number!//, versuchte ich mich krampfhaft abzulenken. Schon seit Tagen ging mir der Song von DBSK nicht mehr aus dem Kopf, jetzt aber half er mir auch nicht um Jonghyuns Stimme ganz zu verdrängen.
„… süß wie Gummibärchen!“, hörte ich nur noch das Ende von Jonghyuns Erklärung, aber selbst das reichte mir schon um mich wie der letzte Dreck zu fühlen.
„Stimmt etwas nicht mit dir?“, hörte ich eine flüsternde Stimme an meinem linken Ohr. Die Tränen sammelten sich in meinen Augen, während ich für einen Moment vergaß, dass wir uns mitten bei einer Liveübertragung befanden und ganz Korea diese Show jetzt im Fernsehen mitverfolgen konnte.
„Mir geht’s gut!“, flüsterte ich zurück, hob meinen Blick und sah Minho lächelnd in das besorgt verzerrte Gesicht. Schnell blinzelte ich die Tränen weg, sodass nur Minho sie kurz gesehen haben konnte.
„Eine sehr faszinierende Antwort, kommen wir jetzt aber zu einer äußerst interessanten Fanfrage!“, riss der Moderator mich aus meinem Selbstmitleid.
Sofort drehte ich meinen Kopf zu dem Langhaarigen um und legte den Kopf interessiert schief. Bis jetzt hatten Taemin, Jonghyun und Minho Fragen beantworten müssen, also blieben wohl nur noch Onew und ich übrig.
„Oneeew...“, begann er dann worauf ich erleichtert ausatmete. Noch war mir nicht danach diese komischen Fragen zu beantworten. Viel zu sehr hatte ich damit zu tun Jonghyuns Antwort zu verkraften.
„Was macht dich besonders scharf? Key in einer Kochschürze oder Key mit Essen in seinen Händen?“
Absolute Stille herrschte in dem Raum, man hörte nicht mal jemanden atmen. Meine Augen hatten sich mit Sicherheit so sehr geweitet, dass sie drohten herauszufallen. Die Fans sahen MICH mit diesem Trampel zusammen? In welchem Alptraum war ich geraten? Wenige Sekunden später verschluckte ich mich schon an meinem eigenen Speichel und fing an nach Luft ringend zu husten. Fest presste ich mir die Hand auf den Mund, während ich weiter hustete und Minho mir sachte auf den Rücken klopfte. Noch bevor Onew auch nur den Mund öffnen konnte um etwas zu antworten fing ich an mit beiden Armen wild zu gestikulieren und zu fuchteln.
„Ihn macht GAR nichts was mit mir zu tun hat scharf!!!“, krächzte ich und hüpfte von meinem Hocker. Weiterhin fuchtelnd stand ich nun da, die Kameras auf mich und mein rot angelaufenes Gesicht gerichtet. Meine Ohren waren bestimmt besonders rot, da ich mein Blut in den Ohren rauschen hören konnte. Mahnend und gleichzeitig geschockt sah ich in Onews Augen, der mich belustigt musterte. Jetzt würde ich sicher die Retourkutsche bekommen für meine „Trampelaktion“ vor wenigen Minuten.
„Also … wenn Key mit einem Spaghettiteller dasteht finde ich die Spaghetti wirklich attraktiver als ihn!“, sagte Onew dann ganz ruhig und zog dabei nachdenklich die Stirn in Falten.
Wagte es dieser Trampel etwa schon wieder mich im Vergleich mit Nudeln als unsexy zu bezeichnen?
„Deswegen muss ich wohl die Schürze nehmen. Obwohl richtig scharf hat mich das auch noch nie gemacht.“ Mit diesen Worten griff Onew nach meinem Handgelenk und zog mich näher zu sich. Was auch immer das sollte, mir gefiel es nicht, vor allem nicht, da Onew mich so breit angrinste. „Du kannst ja mal nur die rosa Schürze am Körper tragen, dann würde mich das sicher scharf machen~“
Taemin lachte leise, Jonghyun flüsterte Minho irgendwas zu und ich … ich starrte einfach nur fassungslos in Onews dunkle Augen. Mein Gesicht glich bestimmt schon einer überreifen Tomate, hoffentlich interpretierte das nun keiner falsch, aber wie sollte man es denn interpretieren? Wem wäre diese Frage und dann noch diese unqualifizierte Antwort nicht peinlich gewesen?
„Vergiss es, du perverses Arschloch!“, zischelte ich Onew zu. „Eher schneide ich mir die Stimmbänder raus und begehe dann Selbstmord. Dich würde ich sicher niemals scharf machen!“, flüsterte ich deutlich aggressiv und riss mein Handgelenk dann los. Feindselig funkelte ich Onew an, bevor ich mich wieder auf meinen Hocker setzte. „Er hat wohl wieder zu wenig Schokolade gegessen. Wenn er unterzuckert ist redet er immer so viel Schwachsinn!“, kommentierte ich Onews Antwort auf die Frage nur und schlug die Beine übereinander.
Bewusst legte ich wieder meinen arroganten Blick auf und wartete darauf, dass man endlich die nächste Frage stellen würde. Ob man wohl gehört hatte was ich Onew zugeflüstert habe? Irritiert sah ich in die Runde, da mich alle noch einen kurzen Moment musterten, dann aber räusperte sich der junge Moderator.
„Gut, ähm, machen wir mal weiter … Key … dich hab ich noch gar nichts gefragt!“ Mit hochgezogener Augenbraue fixierte ich den Mann, in dessen Stimme man hören konnte, dass er noch nicht ganz bei der Sache war. Wenn ich jetzt auch eine Frage im Bezug auf Onew bekommen würde, dann würde ich laut schreien, sehr laut.
„Wie fühlst du dich, wenn du die Unterwäsche der anderen bügeln musst?“, fragte er mich dann letztendlich. Ein unglaublicher Stein fiel mir vom Herzen, die Frage war ja wirklich noch erträglich. Leicht zuckte ich mit den Schultern, grinste dabei aber.
„Naja, wie fühlt man sich, wenn man Hausarbeit machen muss? Ich bin gern die Umma der Band und da gehört es dazu, dass ich mich um deren Wäsche kümmere“, antwortete ich sachlich, jedoch noch immer freundlich.
„Ist dir dabei nie was Kurioses untergekommen?“, harkte der Moderator nach. Bestimmt war ihm meine Antwort zu langweilig gewesen, aber wie sollte man sich schon beim Bügeln fühlen? Was erwartete dieser Mensch denn? Bestimmt hatte der noch nie gebügelt.
„Eigentlich …“, fing ich nachdenklich an und legte meinen Zeigefinger an meine Unterlippe – eine blöde Angewohnheit, die immer dann auftauchte, wenn ich über etwas nachdachte. „… nichts!“, machte ich dann weiter bevor ich nach links schaute und Minho kurz angrinste. „Das Einzige, das mich amüsiert hat sind Minho-ah’s rosa Boxershorts!“, fing ich wieder an und drehte meinen Kopf zu dem Moderator.
„Er besitzt rosa Boxershorts?“
Schnell nickte ich und strich mir dann die Haarsträhne aus den Augen, die mir bei solchen Aktionen immer die Sicht versperrte. „Ja, das wunderte mich auch sehr. Kleine gelbe Sternchen sind da noch drauf. Richtig putzig“, antwortete ich brav und knuffte Minho freundschaftlich in die Seite. Ich konnte ihm ansehen, dass er diese Offenbarung nicht sehr amüsant fand, auch wenn er lächelte und ein leises „Ja stimmt!“, von sich gab. Dafür kannte ich Minho schon zu lange, die Unterscheidung von richtigem und falschem Lächeln schaffte ich bei ihm am besten.
Sichtlich zufrieden lächelte der Moderator uns an und nickte dann, bevor er in die Richtung der rot aufleuchtenden Kamera sah. Entspannt atmete ich auf, da ich nun sicher war, dass ich nicht mehr im Bild zu sehen war. Diese Fragen hatten mich wirklich zwei Mal, nein, drei Mal richtig aus der Bahn geworfen und bestimmt hatte man das sehen können. Die Gerüchteküche würde wieder brodeln, man würde wieder Theorien über eine mögliche Beziehung zwischen Jonghyun und Taemin aufstellen und ich würde in der weniger glücklichen Lage sein das alles über mich ergehen zu lassen. Auch wenn ich es besser wusste, da ich doch Jonghyuns Freund war, so unsicher war ich mir gleichzeitig. Behandelte man so seinen festen Freund, wie Jonghyun mich im Moment behandelte? Eher nicht, oder? Sollte er mich nicht eigentlich so behandeln, wie er es bei Taemin tat?
„Key, kann ich mal mit dir sprechen?“
Ich zuckte zusammen, als man mich wieder in die Realität und somit aus meinen trüben Gedanken holte. Verwirrt sah ich mich um, bemerkte erst jetzt, dass die Hocker vor mir leer waren und Minho sich mit dem Moderator unterhielt. Scheinbar machte der Sender jetzt Werbepause, oder so was in der Art, es war mir eigentlich auch egal.
„Bitte!“, sagte ich unterkühlt und sah in Onews Augen, da dieser es gewesen war, der mich wie schon so häufig beim Denken unterbrach. Genervt rollte Onew mit den Augen und griff nach meinem Handgelenk. Ungelenk stolperte ich von dem Hocker, hinter Onew hinterher, der mich in eine ruhige Ecke weit weg von den anderen Menschen zog.
„Was ist?“, fragte ich nun wieder nach und riss mein Handgelenk los. Nicht, dass er zu fest angefasst hätte, es störte mich einfach, wenn er mich überhaupt anfasste.
„Was sollte das eben?“, fragte Onew mich und verschränkte die Arme vor der Brust. Ach, so eine Aussprache sollte das etwa werden? Der böse, böse Key hatte sich wohl wieder im Ton vergriffen? Natürlich, ich war es ja immer, wenn etwas nicht zur Zufriedenheit des werten Herren lief.
„Das könnte ich dich auch fragen!“, sagte ich daraufhin und lehnte mich gegen die kalte Wand hinter mir. Abwartend sah ich in Onews Augen. Bestimmt würde ihm dazu nichts mehr einfallen.
„Jetzt hab ich aber dich gefragt. Also? Was sollen diese Beleidigungen? Ich hab dir nichts getan, Key. Und trotzdem behandelst du mich wie den letzten Dreck!“, sprudelte es aus Onew heraus. Die Worte waren nicht wütend, er hatte seine Stimme auch nicht erhoben, es schwang eher Enttäuschung und Verletzung mit. Wollte er mir jetzt Vorwürfe machen?
„Das waren keine Beleidigungen. Du bist nun mal schwer und dein Schürzenkommentar war unangebracht da musst du dich nicht wundern!“, antwortete ich ohne weitere Gefühlsregungen.
Onew würde es nicht schaffen mir ein schlechtes Gewissen zu machen. Er sollte sich damit anfreunden, dass aus uns beiden niemals Freunde werden konnten. Leicht stieß ich mich von der Wand ab um mich wieder zu den Hockern zu begeben. Für mich war dieses Gespräch beendet und zwar endgültig und wenn Onew schlau war, sollte er mich jetzt gehen lassen. Als ich aber wenig später eine Hand um mein rechtes Handgelenk spürte, nachdem ich an Onew vorbei gegangen war, merkte ich, dass der Ältere alles andere als schlau war. Mit einem schnellen und nicht sehr sanften Ruck wurde ich wieder zurückgezogen und prallte mit dem Rücken gegen die Wand. Für einen Moment schnürte es mir die Luft ab, weswegen ich auch nicht bemerkte, dass Onew nun beide Hände neben meinem Kopf abstützte und mir so sehr nahe kam, näher als ich es eigentlich wollte.
„Was willst du mit deiner Gehässigkeit mir gegenüber erreichen?“, fragte Onew mich dann während sein Gesicht meinem eigenen noch ein wenig näher kam. Weit riss ich die Augen auf als ich seinen warmen Atem auf meinem Gesicht und insbesondere an meinen Lippen spüren konnte. Ungewohnt schnell pochte mein Herz nun, so schnell, dass ich für einen Moment Angst hatte keine Luft mehr zu bekommen. Unfähig etwas Schnippisches zu erwidern oder überhaupt etwas zu sagen, sah ich in die funkelnden dunklen Augen des Leaders, die unentwegt in meine eigenen blickten.
„N-Nichts …“, brachte ich dann letztendlich heraus. Nur wieso zitterte meine Stimme so sehr? Onew machte mir keine Angst, nur diese Nähe verunsicherte mich von Sekunde zu Sekunde mehr.
„Dann lass es!“
„Dann hör du auf mir auf den Geist zu gehen!“ Endlich konnte ich ihm wieder mit meiner gewohnten Aggressivität etwas entgegen bringen. Onew konnte mir nicht den Mund verbieten und ändern wollte ich mich auch nicht. Wenn er mich nervte, dann nervte er mich nun mal. Ich war noch nie ein Mensch gewesen, der seine Gefühle verbergen konnte. Ohne noch mal die Antwort des anderen abzuwarten ging ich in die Hocke und schlängelte mich unter seinen Armen hervor. Mit schnellem, fast schon zu schnellem Schritt lief ich zu den Hockern zurück. Umdrehen wollte ich mich nicht und eigentlich wollte ich mich nur noch in ein ruhiges Zimmer verkriechen und nachdenken.


2. Kapitel
12.6 - Sonntag

Liebes Tagebuch,
Es ist endlich passiert. Ich bin so glücklich, dass ich gar nicht weiß wo ich anfangen soll. Du kannst dir gar nicht vorstellen wie es in meinem Bauch kribbelt und wie glücklich ich jetzt bin. Niemals hätte ich es für möglich gehalten, dass mein Herz einmal so pochen könnte. Bis zum Hals schlägt es mir und es will gar nicht aufhören.
Heute Morgen waren Hyung und ich allein zuhause. Die anderen waren bei einer Radioshow eingeladen gewesen. Key war wieder nicht sehr begeistert gewesen. Er ist so mies drauf in der letzten Zeit und gar nicht mehr so lieb zu mir wie am Anfang. Ich weiß gar nicht warum, auch Onew-Hyung weiß nicht was mit ihm los ist. Kannst du dir vorstellen, dass ich Onew-Hyung nach dem Interview habe weinen sehen? Ja, liebes Tagebuch, ich habe ihn gesucht und dann zufällig auf der Toilette gefunden. Er hat mich zwar nicht entdeckt aber er hat geweint. Ob es wohl wegen Key war und deswegen, dass dieser ihn so bloß gestellt hat? Nett war das ja wirklich nicht gewesen. Minho-Hyung meinte, dass Key ein wenig überspannt ist in der letzten Zeit und Jonghyun-Hyung hat gesagt, dass ich das nicht ernst nehmen soll. Er meinte, dass Key eine kleine Zicke wäre und man seine Ausbrüche nicht ernst nehmen sollte. Vielleicht müsste ich das Onew-Hyung noch sagen, dann müsste dieser nicht mehr weinen.
Wie auch immer deswegen wollte ich diesen Eintrag nicht schreiben. Wie schon zuvor erwähnt waren Hyung und ich allein zuhause. Wir haben auf dem Sofa gefrühstückt, nachdem er seine weiche Decke ins Wohnzimmer geholt hatte und wir uns in diese kuscheln konnten. Er war wieder so lieb zu mir und hat mich am Arm und am Rücken gekrault, während wir Star King geguckt haben. Ich hatte die Folge aus dem Internet geladen, weil wir sie durch unsere Auftritte verpasst hatten. Es war so süß von Hyung wie er mich mit dem Müsli fütterte und dafür sorgte, dass ich das Essen nicht durch das Fernsehen vergesse. Mein Herz pochte in seiner Gegenwart wieder so schnell, es war ein unglaubliches Gefühl. Die Zeit blieb stehen und es fühlte sich alles an wie ein Traum, vor allem als Hyung sich vorbeugte und mir dabei so tief in die Augen sah. „Taemin ich muss dir etwas sagen!“, hatte ich seine Stimme hören können. Er war so unglaublich sanft, seine Unterlippe zitterte ein klein wenig während er seine Hand auf meine Wange legte. Was dann geschah ging so unglaublich schnell und ich wünschte ich hätte mir jedes Detail merken können, aber alles überrumpelte meinen Kopf. Ich hörte ihn sagen, dass er mich liebt, schon von beginn an, und dass er nur mich will. Noch bevor ich etwas sagen konnte spürte ich seine unglaublich weichen Lippen auf meinen eignen. Es war ein Kuss wie in einem Film. Seine Lippen bewegten sich erst ganz sachte gegen meine, bevor seine Zunge über meine Unterlippe strich. Ich wusste nicht was ich tat und ich kann es dir auch gar nicht mehr genau berichten, liebes Tagebuch, das was ich noch weiß ist, dass seine Zunge irgendwann mit meiner spielte und seine Hände unter mein Shirt wanderten. Seine Hände waren so schön warm und zärtlich…

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Ich konnte es nicht mehr ertragen. Wieso ich diesen Eintrag überhaupt gelesen hatte wunderte mich ehrlich gesagt. Nein, eigentlich hatte ich noch nie das Tagebuch unseres Jüngsten gelesen und auch dieses Mal hatte ich es nicht lesen wollen.

Es war ein Mittwoch um genau zu sein 3 Tage nach diesem Eintrag. Wie jeden Tag in der Woche war ich allein zuhause. Die anderen waren wie immer in der Schule oder in der Uni. Nur selten hatte einer von ihnen einen Auftritt in einer Radioshow.
Da ich die Schule schon kurz nach dem Debüt geschmissen hatte, war es meine Aufgabe mich um den Haushalt zu kümmern und das Essen auf den Tisch zu bringen, wenn die anderen wieder nach Hause kamen. Nie hatte ich ein Problem mit dieser Rolle, denn im Grunde hatte es mir ja auch so ausgesucht. Dass man dafür aber keine Anerkennung bekam hatte ich nicht erwartet.
Zitternd ließ ich das Tagebuch wieder auf den Schreibtisch fallen und griff nach der auf dem Boden liegenden Wäsche. Eigentlich war ich auch nur aus diesem Grund in das Zimmer von Taemin, Minho und Onew gekommen. Meine Hände zitterten, weswegen ich den Stapel an Dreckwäsche auch immer wieder aus den Armen verlor. Nur sehr langsam verarbeitete mein Kopf das Gelesene. Es war genau das passiert, was ich schon bei dem Interviewtermin eine Woche zuvor befürchtet hatte: Jonghyun betrug mich mit Taemin. Und Taemin war auch noch so dumm alles in sein Tagebuch zu schreiben. Er traute sich wirklich zu schreiben, dass Jonghyun mich als eine Zicke bezeichnete, mich anscheinend nur noch verachtete?! Noch nie hatte Jonghyun zu mir die drei Worte gesagt. Wieso durfte Taemin ein „Ich liebe dich“ von ihm hören und ich nur ein: „Jaja ich dich auch!“? Was hatte dieses Kind was ich nicht hatte? War ich ihm jetzt wirklich nicht mehr genug? Brauchte er mich wirklich die ganze Zeit nur für das Eine?
Diese Erkenntnis traf mich wie ein Schlag und langsam bröckelte auch meine ganze hart aufgebaute Fassade. Und auch mit genau dieser Fassade fiel meine Selbstbeherrschung in sich zusammen. Eine unglaubliche Kälte breitete sich in meinem ganzen Körper aus, eine Kälte die ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nie so stark empfunden hatte. Die Gänsehaut legte sich auf meine Arme, meine Beine, meinen Rücken und mein Gesicht, so dass sich sogar meine Nackenhärchen aufstellten. Mit schnellen Schritten stürzte ich wieder auf den Schreibtisch zu und öffnete das Büchlein, blättere bis zu dem letzten Eintrag, den vom 12.6 und las noch einmal die Stelle:

Ich hörte ihn sagen, dass er mich liebt, schon von Beginn an, und dass er nur mich will.

Immer wieder überflogen meine Augen diesen einen Satz. Die geschriebenen Worte brannten sich wie ein Tattoo in mein Gehirn, welches sich bildlich die Szene vorstellte. Ja, ich sah genau vor mir wie die beiden auf dem Sofa saßen, wie sich Taemins Wangen rot verfärbten und Jonghyun sich mit einem liebevollen Lächeln über ihn beugte, ihm seine Liebe gestand und ihn dann so küsste wie ich immer von ihm geküsst werden wollte: zärtlich. Unbewusst presste ich meine Hand an meine Brust und klammerte mich mit der freien Hand an dem Schreibtisch fest. Mein Herz fühlte sich an, als würde es in Stücke gerissen werden, während meine Beine so gefährlich zitterten, dass ich angst bekam in den nächsten Sekunden unsanft auf den Boden zu fallen. Im Grunde hatte ich doch immer gewusst, dass er etwas für Taemin empfand. Es aber schwarz auf weiß zu lesen zerstörte meine letzte Hoffnung sein Herz doch noch für mich gewinnen zu können.
Die Tränen flossen unkontrolliert über meine Wangen, hinterließen feuchte Spuren und tropften dabei sogar vereinzelt auf die Blätter des Tagebuches. Taemin würde bemerken, dass jemand an seinen Sachen war und seine Privattesten Gedanken gelesen hatte und da nur einer die Chance dazu hatte würde der Verdacht gleich – zurrecht – auf mich fallen. Schnell wischte ich mir über die Wangen und Augen, bevor ich mich ein weiteres Mal nach der Wäsche bückte und diese aufhob. Meine Knie zitterten, während ich den ersten Schritt tat um mich von dem Buch und dessen Inhalt zu entfernen. Mein Verstand sagte mir, dass ich es vergessen und Jonghyun gehen lassen sollte, es wäre das Klügste gewesen, doch mein Herz wollte dies nicht zulassen. Sollte ich Jonghyun wirklich noch durch das Körperliche an mich binden? Oder ihn gehen lassen und damit in vollkommener Einsamkeit versinken? Seufzend verließ ich das Zimmer und ging in das Badezimmer in dem wie Waschmaschine stand. Sorgfältig trennte ich die weiße Wäsche von dem Rest, während ich die weiße Wäsche in die Waschtrommel steckte und die restliche Dreckwäsche in den Wäschekorb warf. Wie jeden morgen machte ich Waschpulver in die Maschine ehe ich die Gradzahl einstellte, alles sorgfältig verschloss und die Maschine anstellte. Erst dann ging ich auf den Balkon, auf dem ich schon am Tag zuvor die am Vortag gewaschene Wäsche zum trocknen auf einen Wäscheständer aufgehängt hatte. Ja, so verlief mein Tag meistens. Waschen, Bügeln, Wegräumen, Putzen und Kochen. Man möchte meinen, dass das Leben eines „Stars“ aufregend ist, doch mein Leben war nur dann aufregend wenn es daran ging mein Herz auf ein Neues zu brechen. War das fair?
Achtlos warf ich die Wäsche, die ich von dem Ständer nahm in den nahe gelegenen Korb, bis dieser voll und der Wäscheständer leer war. Unsere Wohnung lag im zehnten Stock und trotzdem hatten wir noch einen Balkon. Schon beachtlich wie weit es runter ging. Noch nie zuvor war mir das so genau aufgefallen, weswegen ich bis zu dem Balkongeländer ging und mich leicht über dieses beugte. Ob man es wohl merken würde, wenn man dort hinunter sprang und einem bei dem Aufprall auf den Betonboden jeder Knochen im Leib brach? Ob es die anderen wohl überhaupt interessieren würde, wenn ich nicht mehr da sein sollte? Würden sie mich als Person oder aber als ihre Putzfrau vermissen? Würden sie mich überhaupt vermissen, oder sich einen Ersatz für die Band suchen und so weitermachen wie vorher auch? Kopfschüttelnd entfernte ich mich wieder von dem Balkongeländer und ging auf den Korb zu. Seit wann hatte ich denn solche melancholischen Gedanken? Das war doch nicht meine Art. Nicht umsonst bekam ich den Namen „Almighty Key“, zu irgendwas muss ich doch also nutze sein. Nur weil Jonghyun mich nicht will, mich nie wollte, war das doch kein Grund über den Tod nachzudenken, oder?
Wieder musste ich aufseufzen, während ich mit dem Korb wieder in das Wohnzimmer ging und vor dem Bügelbrett, was ich mir schon vorher aufgebaut hatte stehen blieb. Ohne noch einen weiteren Gedanken zu verschwenden fing ich an die ersten Hemden und Hosen zu bügeln, legte sie ordentlich zusammen und ordnete auf dem Couchtisch die Sachen nach ihren jeweiligen Besitzern. Immer wenn ich etwas von Jonghyun in den Händen hielt, fing mein ganzer Körper an zu zittern, während mein Blick immer und immer wieder durch die Tränen verschwamm. Die Frage, wieso ich nur so ein wertloses Stück Fleisch für ihn war, wollte mir nicht aus den Kopf gehen. Es machte mich fertig, zerstörte mich von innen und nahm mir jegliche Luft zum atmen. Zitternd legte ich das Bügeleisen weg, wischte mir wieder über die Augen und legte das letzte Hemd auf einen der Stapel. Wieso konnte ich nicht aufhören zu weinen? Ich wusste es doch schon immer. Es durfte mir doch nicht weh tun, niemals hätte es mir weh tun dürfen. Jonghyun hätte niemals eine solche Macht über mich bekommen dürfen, doch er hatte diese Macht und nutzte sie schamlos aus, vielleicht wusste er es nicht mal. Starr betrachtete ich die Wäschehaufen, war unfähig mich zu rühren. Ich hatte nicht mal mehr die Kraft mich zu bewegen und alles wieder in Ordnung zu bringen. Genau aus diesem Grund drehte ich mich von den Stapeln weg und verließ fast schon fluchtartig das Wohnzimmer. Ich ertrug es nicht, ich ertrug es nicht seine Kleidung zu sehen, neben der Kleidung Taemins. Es war dumm, aber was konnte man schon gegen ein gebrochenes Herz tun, außer in sinnlosen Weinattacken und Selbstmitleid versinken?
Weinend und nun nicht mehr zurückhaltend ließ ich mich auf den Boden im Flur fallen. Mein Schluchzen übertönte den Aufprall meines Körpers auf den harten Parkettboden. Taemins Eintrag hatte mir jegliche Kraft geraubt die ich noch besessen hatte. Jetzt erst, Minuten später merkte ich wie kaputt es mich gemacht hatte. Ganz langsam sank mein Körper zur Seite und fiel geräuschlos auf den Boden. Wie ein Toter lag ich dort auf der Seite, betrachtete meinen ausgestreckten Arm mit Tränen verhangenden Blick.
Was hatte er, was ich nicht hatte? Diese Frage wollte einfach nicht aus meinem Kopf verschwinden und immer wieder sah ich das Pärchen Taemin und Jonghyun vor mir. Ganz genau konnte ich mir vorstellen, wie sie kuschelten, wie Taemin kicherte, wie sie sich berührten und küssten. Es tat weh und eigentlich wollte ich mir das auch nicht mehr vorstellen, aber schon lange machte mein Kopf was er wollte. Wie ein kleines Kind krümmte ich mich zusammen und zog die Beine weiter an, sodass die Knie schon fast die Brust berührten. Die heißen Tränen tropften dabei von meinen Wangen auf den Holzboden, wo sie feuchte, dunkle Stellen hinterließen. War das schon Liebeskummer? Fühlte es sich so an, wenn man keinen Sinn mehr an dem eigenen Leben sah?
Wie lange ich dort auf dem Boden lag, vor mich hinstarrte und lautlos weinte wusste ich nicht mehr. Sowieso hatte ich jegliches Zeit und Raumgefühl verloren. Ich wusste nicht mehr wo ich war, was ich getan hatte und was ich tun wollte. Mein Körper agierte, aber mein Kopf wollte nicht mehr arbeiten. Genau aus diesem Grund bemerkte ich nicht, dass mein Körper sich wieder streckte und ich mich langsam auf meine wankenden und zitternden Beine kämpfte. Wie in Trance ging ich über den Flur, zurück ins Wohnzimmer und an der Wäsche vorbei. Ich brauchte Luft, frische klare Luft, mehr nicht. Luft – mehr ging mir nicht mehr durch den Kopf, weswegen ich schon fast panisch die Balkontür aufriss und auf eben diesen trat. Der Wind blies mir entgegen und verwehte meine sonst so akkurat liegenden Haare in alle möglichen Richtungen. Wie auch schon wenige Momente zuvor trat ich an das Balkongeländer und legte beide Hände um dieses. Wieder sah ich nach unten und stellte abermals fest, dass diese Höhe nicht gut war für meine Höhenangst. Müsste sich diese nicht bald melden? Mir sagen, dass ich mich von dem Geländer entfernen sollte?

Schau nach dem Regenbogen und jedem Stern. Flieg wie ein Engel, den der Himmel mir geschickt hat! Hab keine Angst allein zu fliegen.

Dieses eine Lied, woher kam es nur? Wieso ging es mir nicht mehr aus dem Kopf? Leise fing ich an die ruhige Melodie zu summen, traute mich aber nicht es laut zu singen. Immerhin würde mich sonst jemand hören.

Liebe wird dir jede Tür öffnen. Worauf wartest du? Breite deine Flügel aus und schweb.

Prüfend blickte ich wieder hinunter, während sich ein kleines Lächeln auf meine Lippen schlich. Liebe wird mir jede Tür öffnen? Welche Liebe? „Du weißt, dass es an der Zeit ist sich zu verabschieden!“, hörte ich meine eigene brüchige Stimme leise singen. Warum war mir nie aufgefallen wie viel Aussage hinter dieser kleinen Zeile stecken konnte? Zeit sich zu verabschieden! Diese Zeit war wirklich gekommen. Niemand brauchte mich hier, im Gegenteil ich stand im weg, mir, den anderen und der ganzen Band. Langsam hob ich eines meiner Beine und schwang dieses über das Geländer, während meine Hände sich weiter an das Geländer klammerten. Unschlüssig saß ich für einen Moment breitbeinig auf der schmalen Eisenstange, blickte ins Wohnzimmer, dann wieder hinunter auf die Straße. „Bitte verzeiht mir…“, flüsterte ich zu mir selbst, um mir so einzureden, dass es die anderen vielleicht doch interessieren würde. Seufzend schwang ich auch mein anderes Bein über das Geländer und stellte mich mit dem Rücken zu diesem, sodass ich gar keine andere Wahl mehr hatte als hinunter auf die Straße zu sehen. Jetzt musste ich nur noch loslassen, meine Flügel ausbreiten und schweben, oder? So hatte man es doch in diesem Song formuliert, es würde alles leichter werden wenn man schwebte. Man würde fliegen und die Sorgen vergessen. Glücklich sein für einen kurzen Moment, mehr wollte ich doch gar nicht.
Langsam löste ich eine Hand von dem Geländer und wischte mir über die noch immer tränenden Augen. Wie musste das wohl aussehen? Ich lächelte und weinte gleichzeitig, aber wieso lächelte ich überhaupt?
„Breite deine Flügel aus und schweb…“, sang ich nun etwas lauter und hob meinen freien Arm, als wäre er ein Flügel, der sich ausbreiten wollte. Der Realität war ich schon vollkommen entrückt. Ich wollte fliegen wie ein Vogel, weit weg von meinen Sorgen und meinem Schmerz. Weit weg von Jonghyun und Taemin, mit meinen weißen großen Flügeln, die nicht mal in der Wirklichkeit existierten. Wie es wohl sein würde abzuheben und sich in die Lüfte zu begeben? Ob es wirklich befreiend wirken würde?

„KIBUM!!!!!“

Jemand rief nach mir. Ich hörte eine Stimme, eine männliche Stimme, aber es war nicht Jonghyuns Stimme. Aus tausenden von Stimmen in jeder Lebenslage würde ich sie erkennen, aber diese Stimme gehörte ihm nicht. Das war wohl auch der Grund wieso ich mich nicht umdrehte sondern im Gegenteil auch meine zweite Hand von dem Geländer löste. Zufrieden lächelte ich, während mein Körper den Halt verlor. Es war endlich soweit, ich durfte fliegen, den Wind um meine Nase wehen spüren, das Gefühl der Freiheit genießen zu können. Automatisch schlossen sich meine Augen als meine Füße den haltenden Boden verließen. //Breite deine Flügel aus und schweb//, schoss es mir durch den Kopf bevor ich ganz abschaltete und darauf wartete zu fallen, um wenig später in die Lüfte hinauf zu steigen. Doch genau dies passierte nicht.
Mein Fall wurde abrupt gestoppt, aber nicht von dem Boden auf dem ich hätte aufprallen sollen. Ich spürte wie mein Becken hart gegen die Brüstung stieß und mir ein schmerzhaftes Keuchen entlockte. Erst in diesem Moment spürte ich wie sich Fingernägel in mein Handgelenk bohrten, weswegen ich auch ganz langsam die Augen öffnete und meinen Blick hob. Abwesend betrachtete ich die entsetzt aufgerissenen dunklen Augen des Jungen, der sich über das Geländer gebeugt und nach meinem Handgelenk gegriffen hatte um mir so die Möglichkeit zu nehmen meinen Sorgen zu entfliehen. //Lass mich los//, ging es mir im Kopf herum, doch mein Mund wollte diese Worte nicht aussprechen. Starr betrachtete ich die weit aufgerissenen Augen des anderen, die mich fassungslos ansahen und mir irgendetwas sagen wollten. Desinteressiert legte ich den Kopf schief, bevor ich nach unten sah um den Boden dort zu betrachten. Wenn ich ehrlich war interessierte mich der Beton dort unten mehr als das was mich auf dem Boden des Balkons erwarten würde. Trotzdem merkte ich, wie der für mich rettende Fußweg immer weiter von mir wegrückte und sich eine Hand um mein anderes Handgelenk klammerte. War derjenige gerade dabei mich hochzuziehen?
Mit meinem Bauch berührte ich unsanft die Stange des Balkongeländers, über die ich nur wenige Minuten zuvor gestiegen war, bevor der Junge den halt verlor und mit mir zusammen auf den Balkonboden fiel. Seufzend schloss ich meine Augen und blieb regungslos auf dessen Körper, mehr aber in dessen Armen liegen. Wieso ließ man mich nicht wenigstens machen was ich wollte? Wenn ich fliegen wollte, wieso ließ man mich nicht einfach?
„Bist du bescheuert?“, riss mich eine laute, fast panische Stimme aus meinen Gedanken. Langsam öffnete ich meine Augen wieder und hob meinen Blick. Ohne etwas zu sagen und auch völlig emotionslos zuckte ich mit den Schultern. Das hatte ihn wohl völlig aus der Fassung gebracht, weswegen ich nur aus den Augenwinkeln sah, wie er mit dem Arm ausholte und mir eine kräftige Ohrfeige verpasste. War es normal, dass ich den Schmerz an meiner Wange nicht spürte? Das einzige was ich tat war wieder meine Augen zu schließen und für einen Moment in mich zu gehen. Der Schmerz meines Herzens war das Erste was sich wieder meldete. Die Zeilen, die Taemin in sein Tagebuch geschrieben hatte liefen wieder vor meinem inneren Auge ab, genauso wie die Bilder, die ich mir dazu eingebildet hatte. Schlagartig riss ich wieder die Augen auf und sah in das Gesicht des Jungen, der mich vor dem sicheren Tod „bewahrt“ hatte: Onew.
„Wieso hast du das getan?“, brachte ich endlich mit brüchiger Stimme heraus. Ja, damit hatte er bestimmt nicht gerechnet. Sicher dachte er, dass ich ihm weinend um den Hals fallen würde, aber wieso sollte ich das tun? Was bildete dieser Mensch sich ein sich in mein Leben einzumischen? Machte es ihm spaß mich leiden zu sehen? Machte es ihnen allen Spaß mich kaputt gehen zu sehen?
„Verdammt Kibum…was ist mit dir los?“, hörte ich ihn fragen, spürte auch schon wenig später seine eiskalten Hände auf meinen Wangen ruhen. Leicht drückte er meine Wangen zusammen, während er mich zwang in seine Augen zu sehen. Was ich dort aber sah ließ meinen Magen unsanft verkrampfen. Waren das Tränen in seinen Augen? „Du könntest tot sein!!!“, schrie er mir dann noch lautstark entgegen, bevor er mich mit einem schnellen Ruck an sich zog. Seine Hand ruhte nun an meinem Hinterkopf, auf den er leichten Druck ausübte, weswegen ich meinen Kopf nicht von seiner Brust nehmen konnte. Schlaff hingen meine Arme an meinem Körper hinunter und die Fähigkeit zu sprechen meldete sich in diesem Moment auch nicht bei mir. Das viel zu schnell schlagende Herz des Älteren lenkte mich auch viel zu sehr von allem ab als, dass ich hätte klar denken können.
„Wieso Kibum?“, fragte er mich nun schon verzweifelter als wenige Sekunden zuvor. Was wollte er denn von mir hören? Dass Jonghyun mein Leben zerstört hatte? Dass es keinen Sinn mehr für mich machte? Wollte er hören, dass ich kaputt war und mein ganzes aggressives Verhalten nur eine Fassade war, um mit den seelischen Schmerzen klar zu kommen, ja? Wollte er das? Brauchte er das Gefühl jetzt über mich gesiegt zu haben?
„Das geht dich nichts an!“, brachte ich dann endlich nach gefühlten Stunden der Stille heraus. Mit viel Mühe schaffte ich es meine Arme zu heben und meine Handflächen auf seine Brust zu legen. Er sollte mich loslassen, mich allein weinen lassen, wieso war das so schwer zu verstehen. Kraftlos versuchte ich gegen seine Brust zu drücken und ihm so zu verdeutlichen, dass ich seine Nähe nicht wollte, dass es das Letzte war was ich wirklich gewollt hatte. Doch wie ich es mir schon gedacht hatte, hatte Onew nicht vor gehabt seine Umklammerung auch nur ansatzweise zu lösen, ganz im Gegenteil. Ich spürte wie er sich ein klein wenig aufrichtete, seinen Rücken gegen eine Wand lehnte und mich dann mit einem schnellen Ruck auf seinen Schoß zog. Für einen kleinen Augenblick sahen wir uns wieder in die Augen. Wieder sah ich diese Verzweiflung und das nun aufkommende Unverständnis. Und wieder fragte ich mich wieso es ihn so interessierte, dass ich nicht mehr wollte.
„K-Kibum…“, fing er mit zitternder Stimme an, während er mich unverwandt ansah. Hatte ich ihm nicht immer gesagt, dass er mich nicht so nennen sollte? Lernte dieser Trampel nie? Langsam öffnete ich den Mund, doch Onew war schneller als ich: „Du willst dich umbringen und sagst mir dann, dass es mich nichts angeht? Wir sind eine Band es geht mich sehr wohl etwas an, wenn sich einer der Member umbringen will!“, seine Augen funkelten nun stark wässrig, bevor eine kleine Träne über seine Wange lief.
Weinte ich noch? Einen kurzen Augenblick konzentrierte ich mich auf mich selbst, auf meine Augen und meinen Schmerz, doch es fühlte sich nicht mehr so an als würde ich weinen. Na immerhin zeigte ich diese Schwäche nicht mehr vor dem anderen, auch wenn ich innerlich noch bitterlich weinte, aber in mein Innerstes konnte Onew zum Glück nicht sehen.
„Dann steig ich eben aus!“, hörte ich meine eigene Stimme sagen. Es war ein komisches Gefühl nur noch zu Handeln und nicht mehr zu Denken. Ich redete und wunderte mich selbst über meine Worte, da ich nicht über diese nachgedacht hatte, aber so unrecht hatte ich nicht mal. Zumindest hatte ich damit sein Argument widerlegt und mir vielleicht ein bisschen Freiheit zurückerkämpft.
„K-Kibum…nein…d-das kannst du doch nicht machen…i-ich mein…nein…das geht nicht…“, stammelte Onew und drückte mich gleichzeitig fester an sich. Wie auch schon wenige Minuten zuvor hörte ich wieder sein viel zu schnell pochendes Herz und spürte wie sein Atem unregelmäßig schnell ging. Stirnrunzelnd legte ich meine flache Hand einfach nur auf seine Brust um so das Heben und Senken des Brustkorbs besser spüren zu können. War das Angst, die ihn so atemlos machte?
„Wieso?“, fragte ich nun wieder leise, ohne aufzusehen, da ich seine Tränen wirklich nicht zu sehen brauchte. Verstehen tat ich diese Reaktion nämlich nicht. Wieder herrschte einen Moment Stille und auch die Atmung Onews hatte für einen kleinen Augenblick ausgesetzt, sein Herz aber schlug noch ein klein wenig schneller. Verwirrt hob ich meinen Kopf an und versuchte so von unten her in das Gesicht des Älteren zu sehen.
„Kibum…ich…“, fing er an und sah dann zu mir hinunter. Eine Hand löste sich von meinem Rücken und legte sich unter mein Kinn. Mit sanfter Gewalt zwang er mich so ihm in die Augen zu sehen und meinen Blick auch nicht von diesen abzuwenden. Wieder einmal fixierte ich die dunkelbraunen Augen des anderen mit meinen eigenen. Beobachtete wie seine Pupillen mich fixierten, ehe ich mein eigenes Spiegelbild in ihnen erkennen konnte. Was für einen bedauernswerten Anblick ich doch abgab. Bleiche Haut, rot geweinte Augen und ein abwesender Blick. War es da ein Wunder, dass der Ältere so panisch reagierte? Ja, war es, denn eigentlich hatte ich nicht damit gerechnet, dass es ausgerechnet ihn kümmern würde, nach allem was ich ihm schon an den Kopf geworfen hatte.
„…ich liebe dich!“
Weit riss ich meine Augen auf. Hatte ich mich eben verhört, oder kamen die drei Worte gerade wirklich aus Onews Mund? Es war zumindest seine Stimme gewesen und das ernste Funkeln in seinen Augen bestätigte mir leider auch, dass diese Worte nicht geträumt hatte, sondern, dass Onew diese wirklich zu mir sagte. Wie hatte er sich in mich verlieben können? War ich nicht gemein genug zu ihm gewesen? Oder war das der Grund, wieso er nun wirklich an mir klebte wie ein lästiges Stück Tesafilm, was nicht von dem eigenen Finger wollte.
„Ich liebe dich schon von dem ersten Moment an, an dem ich dich gesehen habe. Ich liebe alles an dir…dein Lächeln, dein Lachen, deine Tränen, deine Stimme, dein Funkeln in den Augen. Ich liebe es, wenn du sauer bist, wenn du traurig bist, wenn du nachdenklich bist oder aber wenn du fröhlich bist. Ich liebe deine Art zu reden und dich zu bewegen. Ich liebe deinen Charakter, dein Aussehen, ich liebe dich!“
Seine Worte brannten sich in mein Gehirn. Jeder einzelne Satz hallte in meinem Kopf wieder und mehr Unverständnis fing an sich auszubreiten. Wann hatte er mich lachen oder lächeln gesehen, wenn ich mich selbst kaum so sah? Wie konnte er mich lieben, wenn er den wahren, den echten, Kibum nicht kannte sondern nur die aggressive Fassade, die auch jetzt einfach nicht fallen wollte? Nur zu deutlich spürte ich wie eine kleine Träne über meine rechte Wange lief und sofort eine neue folgte. Wieso hatte Jonghyun nicht einmal so etwas Schönes zu mir sagen können?
Langsam beugte sich Onew zu mir hinunter und machte kurz vor meiner Wange halt. Ganz sanft spürte ich seine unglaublich weichen Lippen an meiner Wange, wie sie mir die bestimmt salzigen Tränen wegküssten, während seine Hand, die noch an meinem Rücken geruht hatte sanft über diesen streichelte. Wie konnte er nur so lieb und zärtlich zu einem Monster wie mir sein? Die Hand, die zuvor noch mein Kinn festgehalten hatte, legte sich nun an meine linke Wange und streichelte mit dem Daumen zart über diese. Seine Berührungen waren so unglaublich liebevoll und so vorsichtig, als wäre ich eine zerbrechliche Porzellanpuppe, die bei jeder noch zu ruckartigen Bewegung in tausend Teile zerspringen könnte. Schon wenige Momente nachdem Onew meine Tränen weggeküsst hatte, beugte er sich wenige Zentimeter zurück, während er sein Gesicht wieder ganz zu meinem eigenen drehte und mir in die Augen sah. Eigentlich wäre das für mich das Stichpunkt gewesen, etwas Böses zu sagen und ihm so klar zu machen, dass seine Gefühle lächerlich waren, doch es kam einfach kein Wort über meine Lippen. Genau deshalb sah ich auch nur zu, wie er sich wieder zu mir nach unten lehnte, seine Hand in meinen Nacken wandern ließ und mich dort sanft streichelte. Zufrieden seufzte ich bei dieser Berührung auf und schloss ganz automatisch meine Augen. Wieso war Jonghyun nie so zu mir?
Noch bevor ich anfangen konnte zu denken spürte ich wie sich seine Lippen auf meine legten. Einen kurzen Augenblick tat er nichts, dann aber verstärkte er seinen Druck an meinem Nacken ein wenig und fing an seine Lippen gegen meine zu bewegen. Wie auch schon alles zuvor war auch dieser Kuss liebevoll und vorsichtig. Vielleicht war dies auch der Grund wieso mein Kopf sich nicht dazu bequemte zu denken, sondern ich einfach nur seine Lippenbewegungen erwiderte. Ob es auch nur der tiefe Wunsch nach etwas Liebe war, der mich dazu zwang diesen Kuss genauso zu erwidern? Ich wusste es nicht und eigentlich wollte ich es auch gar nicht mehr wissen. Langsam hoben sich meine Arme, die ich wenig später um den Körper des Älteren schlang. Fest klammerte ich mich an das weiche Shirt des anderen, während ich meine Augen weiter zugekniffen hielt. Unbeirrt bewegten sich seine Lippen weiter gegen meine, bevor seine Zunge langsam über meine Unterlippe strich.
Was war das? Eine Bitte? Jonghyun hatte sich nie um meine Gefühle und meine Bedürfnisse so gekümmert, wie Jinki es in diesem Moment tat. Vorsichtig öffnete ich meinen Mund einen Spalt breit und gewährte der fremden Zunge so freien Einlass in meine Mundhöhle. Es dauerte auch nicht lang, bis seine Zunge sich zwischen meinen Lippen hindurch drängte, meine Mundhöhle erkundete und wenig später auch schon meine Zunge anstupste. Unsicherer als ich es sonst bei Jonghyun tun würde, umspielte ich seine Zunge mit meiner eigenen, ließ ihm dabei aber die Oberhand über den Kuss. Wie lange wir dort saßen und uns küssten wusste ich nicht, ich wollte es auch nicht wissen. Zum ersten Mal seit langem fühlte ich etwas, und es war kein Schmerz und keine Trauer. Es war irgendetwas anderes, was ich nicht einordnen konnte. So langsam ich konnte öffnete ich meine Augen, ließ sie einen Spalt breit offen, während Onew sich aus dem Kuss löste. Unsere Gesichter waren wieder nur wenige Zentimeter voneinander entfernt, während unsere Lippen sich noch ein klein wenig berührten.
„Ich hasse dich!“, flüsterte ich leise mit halb geöffneten Augen. Es sollte Onew endlich klar werden, dass meine Liebe nicht ihm gehörte, dass er aufhören sollte mich so anzufassen, mir wieder Hoffnung zu geben.
„Ich weiß!“, hörte ich seine Stimme. Genauso wie ich flüsterte auch Onew und berührte dabei hauchzart meine Lippen mit seinen eigenen. Mein Herz pochte ein wenig schneller, bevor ich meine Augen wieder schloss. Abermahls berührten seine Lippen die meinen, diesmal aber fordernder und verlangender als noch zuvor. Und wieder ging ich darauf ein, auch wenn ich ihm doch gar nicht so nahe hatte kommen wollen. Sein Geruch, die Worte die so ehrlich über seine Lippen gekommen waren und die Tatsache, dass er mich wohl noch immer mochte nach den ganzen Gemeinheiten, die ich ihm an den Kopf geworfen hatte, machte mich einfach nur noch schwach. Ohne mir Gedanken zu machen schlang ich meine Arme um seinen Hals und drückte mich von selbst an den warmen Körper des anderen.
Ganz genau konnte ich noch seine Hand in meinem Nacken spüren, merkte die sanften Streicheleinheiten dort, ehe mir auch die andere Hand endlich auffiel. Seit wann hatte er seine Hand unter mein T-Shirt geschoben? Und seit wann streichelte er meinen Rücken so unglaublich zärtlich?
„Kibum?“
Enttäuscht seufzte ich auf, als Onew sich aus dem Kuss löste und auch noch diese wohltuende Stille unterbrach. Widerwillig öffnete ich meine Augen und lehnte mich mit dem Kopf etwas zurück um den Älteren besser ansehen zu können.
„Hm?“, zu mehr war ich nicht fähig und auch dazu meine Arme runter zunehmen und so die Umarmung zu lösen konnte ich einfach nicht. War er etwa der rettende Engel, ohne den es sich nicht lohnen würde zu fliegen? Hatten sie so etwas mit dem Textteil „Hab keine Angst allein zu fliegen.“ gemeint?
„Du wirst mir deine Gründe für diesen Sprung nicht nennen, oder?“
Mit schief gelegtem Kopf sah ich Jinki an und musste im ersten Moment wirklich überlegen was dieser meinte. Welcher Sprung? Nicht verstehend runzelte ich die Stirn und sah mich um, bemerkte erst in diesem Augenblick, dass wir noch auf dem Balkon saßen und dass ich versucht hatte mir das Leben zu nehmen. Der Schmerz, der mit dem Tagebucheintrag zusammenhing machte sich wieder einmal in meinem Körper breit, weswegen ich meine Arme wieder leblos fallen ließ.
„Ganz recht!“, antwortete ich mit zitternder Stimme und legte meine Hände nun auf die Unterarme des Älteren. Was war nur in mich gefahren Onew so nah an mich heran zu lassen? Bestimmend drückte ich seine Arme nach unten, ehe ich mich ganz aus seiner Umarmung löste. Mit zitternden Beinen richtete ich mich auf und atmete tief durch als ich endlich stand und meine Beine auch nicht drohten nachzugeben.
„Wieso?“, fragte Onew mich sofort und sprang von einem Moment auf den anderen auch auf seine Beine, jedoch traute er sich nicht mich in seine Arme zu nehmen oder auf eine sonstige Art und Weise zu berühren. Bedächtigen Abstand hielt er zu mir, sah mich aber dafür nur nicht verstehend und gleichzeitig traurig an. Verletzte ihn meine Entscheidung mein Leben zu beenden wirklich so sehr?
„Du würdest es nicht verstehen!“, antwortete ich dann endlich und drehte mich von Onew weg. Er hatte mir das Leben gerettet, eigentlich müsste ich ihm doch dankbar sein, oder? Wieso keimte in mir dann noch immer das Verlangen auf zu springen?
„Woher willst du das wissen?“
Da waren sie wieder. Diese lästigen Fragen. Wieso konnte Jinki es nicht einfach akzeptieren, dass ich nicht darüber sprechen wollte? War es so schwer?
„Lass es bitte, Jinki!“, bat ich und sah mich wieder zu dem anderen um. Bewusst nannte ich ihn zum ersten Mal bei seinem richtigen Namen und ich musste zugeben, dass sich das nicht mal schlecht anfühlte. Auch wenn er mich vielleicht nervte und nicht Jonghyun war, so war er in diesem Augenblick doch der Einzige, der sich etwas für mich interessierte. War es richtig von mir das auszunutzen? Nutzte ich es denn aus? Eigentlich hielt ich Jinki doch noch auf abstand und seine Liebesbekenntnisse hatte ich doch nicht erwidert. Wo war also mein Problem?
„Nagut!“
„Danke!“
Mit diesem Wort ging ich wieder in das Wohnzimmer zurück ohne mich noch einmal zu Jinki umzusehen. Was hatte ich da nur getan? Ihm falsche Hoffnungen gemacht? Fest biss ich mir auf die Unterlippe, während ich auf den Couchtisch zuging und nach der Wäsche griff. Meine Pflichten hatte ich völlig vernachlässigt, dabei hätte ich doch schon lange etwas kochen müssen. Wenn Onew mich nicht vorm hinunterstürzen bewahrt hätte, dann müsste ich mich jetzt nicht mehr darum kümmern, aber so musste ich ja wieder so tun als wäre nichts gewesen. Nicht nur damit Jinki nicht nachfragte, sondern eher, damit Jonghyun nichts bemerkte. Wie sollte ich ihm nur gegenüber treten? Ich konnte ihn schlecht auf die Sache mit Taemin ansprechen, immerhin sollte ich gar nichts davon wissen. Wenn es danach ginge müsste ich eigentlich darauf warten bis er mir etwas sagt, er sich von MIR trennt, denn ich wollte nicht derjenige sein, der unsere eh kaum vorhandene Beziehung beendete.
Seufzend räumte ich die Sachen in die Schränke, machte noch die restlichen Betten, bevor ich das Bügelbrett aus dem Wohnzimmer in die Abstellkammer räumte und mich auf den Weg in die Küche machte. Jinki folgte mir zum Glück nicht. Wo er sich befand wusste ich selbst nicht, wollte es auch gar nicht wissen. Ich hasste ihn und auch wenn ich ihn geküsst hatte, so war das nur geistige Verwirrung gewesen, nicht mehr und nicht weniger. Man wollte sich immerhin nicht jeden Tag umbringen, da war es dann doch erlaubt, wenn die Gefühle mit einem durchgingen und man seinen ärgsten Feind küsste, oder etwa nicht?
Ohne zu wissen was ich tat griff ich nach ein paar Töpfen und nahm irgendwas aus dem Kühlschrank. Normalerweise hatte ich einen genauen Speiseplan an den ich mich auch jede Woche penibel hielt, doch an diesem Tag war es mir egal. Hauptsache ich schaffte es noch irgendwas Warmes auf den Tisch zu stellen, bevor die anderen aus der Schule kamen. Das alles war nur Jinkis Schuld. Die billige Haushälterin war wieder aktiv, der dumme, der alles für die Idioten tat. So war es doch!


3. Kapitel
Seit meinem Versuch von dem Balkon unserer Wohnung zu springen waren nun genau 4 Tage vergangen. Es war einen Sonntag, genau eine Woche nachdem Jonghyun Taemin seine Liebe gestanden hatte. In diesen 4 Tagen hatte Jonghyun mich kaum eines Blickes gewürdigt. Nur in der Öffentlichkeit, wenn Kameras auf uns gerichtet waren, war er wieder so lieb zu mir wie früher. Alles eine Fassade, wie ich merkte.
An diesem Sonntag war wieder ein Auftritt geplant, jedoch nicht gemeinsam als eine Band. Man hatte Onew und mich eingeladen für einen Auftritt in einer Radioshow. Wie immer hatte unser Management zugesagt, egal ob wir davon begeistert waren oder nicht und ich war eindeutig nicht begeistert davon gewesen. Seit dem Jinki mir seine Liebe gestanden und wir uns geküsst hatten, gingen wir uns aus dem Weg, besser gesagt ich ging ihm aus dem Weg. Immer wenn ich den Leader zu den gemeinsamen Essen sah, bemerkte ich seine durchdringenden fragenden Blicke, die nur eins wissen wollten: „Wieso wolltest du dich umbringen?“
Es war diese Frage, die mich dazu trieb mich weiter zurückzuziehen und mich keinem der anderen mehr zu öffnen. Man konnte fast schon sagen, dass ich genauso still geworden war wie Minho, nur, dass dieses Image zu dem Größten besser passte als zu mir. Der lebenslustige Kibum, den meine Eltern erzogen hatten, den meine Großmutter so liebte, den meine damaligen Schulfreunde kannten, war schon lange gestorben. Dafür hatte dieser nicht mal vom Balkon springen müssen, Jonghyun reichte dafür schon vollkommen. Dabei hätte zwischen uns alles so schön sein können, wäre dort nicht Taemin gewesen. Es war nicht so, dass ich unseren Jüngsten hasste, im Gegenteil, er war mein ein und alles, aber ohne ihn hätte sich Jonghyun vielleicht doch in mich verliebt.
Seufzend zog ich den Reißverschluss meiner olivgrünen Sweatshirt-Jacke etwas nach oben ehe ich mir eine dunkle Basekap aufsetzte und die Kapuze meiner Jacke darüber zog. Für einen kurzen Moment sah ich in den Spiegel im Badezimmer um noch einmal meine Haare, die unter der Kappe hervorguckten zu richten. Meine Augen brannten jetzt schon, ob ich wohl die Kontaktlinsen rausnehmen und meine Brille aufsetzen sollte? Nachdenklich kaute ich auf meiner Zunge herum, entschied mich dann aber dafür die Kontaktlinsen drinnen zu lassen und verließ so das Badezimmer. Mit gesenktem Blick ging ich über den Flur. Es war noch früh am Morgen, weswegen die anderen drei alle noch schliefen. Wieso wir aber auch schon um 9 Uhr bei dem Sender sein mussten wunderte mich, sonst reichte es immer, wenn wir eine halbe Stunde vor der Aufnahme da waren und da Jinki und ich erst 10:05 unsere Aufnahme beginnen würden hätte 9:35 doch auch gereicht. Wie auch immer, schlimmer war die Tatsache, dass wir eine Stunde fahrt brauchen würden und ich so eine Stunde mit Onew allein in dem Wagen sitzen würde. So viel zum Thema dem anderen aus dem Weg gehen.
Flüchtig sah ich auf meine Armbanduhr, deren digitale Anzeige mir ein 07:50 aufzeigte. Ich war wirklich keine Sekunde zu früh fertig geworden. Um 8 Uhr würde nämlich der Wagen unten stehen um uns abzuholen. Genau aus diesem Grund ging ich etwas schneller über den Flur, blieb dann bei der Haustür stehen und schlüpfte in meine Sneakers.
„Können wir los?“, riss mich eine Stimme aus meinen Gedanken und ließ mich deutlich zusammenfahren. Mein Herz pochte viel zu schnell, da ich nicht damit gerechnet hatte, dass mich wer ansprechen würde und ich auch viel zu sehr wieder in meinen eigenen Gedanken versunken war.
Schnell sah ich auf und entdeckte Jinki, der vor mir stand und mich mit einem besorgtem Blick musterte. Ausgiebig betrachtete ich ihn von oben bis unten und runzelte meine Stirn. Was bitte hatte er da angezogen? Woher hatte er dieses Hemd, das hatte ich doch noch nie in meinem Leben für ihn gebügelt oder ähnliches, oder war mir das entfallen? Mit weit aufgerissenen Augen betrachtete ich das blaue Hemd des Älteren, was ein großes Karomuster in rot, weiß und grün besaß. Die ersten Knöpfe hatte Jinki geöffnet, weswegen man das weiße T-Shirt, was er darunter trug noch erahnen konnte. Genau wie ich auch trug er eine normale Jeanshose dazu, nur war seine deutlich dunkler als die meinige, die eher verwaschen und ausgeblichen aussah (was durchaus gewollt war und meiner Meinung nach auch recht stylisch aussah). Alles in allem fand ich, dass dieses Outfit nicht zu ihm passte, aber so wie ich nun mal war verkniff ich mir jeglichen Kommentar über sein Äußeres und nickte nur auf seine Frage hin. Man musste ja noch keinen Streit vom Zaun brechen, auch wenn es mich langsam wirklich interessierte woher er dieses Verbrechen namens Hemd hatte. Am besten ich ließ es verschwinden, wenn er es mir irgendwann zum Waschen geben würde. Damit konnte man sich doch eigentlich nicht in der Öffentlichkeit sehen lassen. Endpeinlich so was!
Ohne etwas zu sagen nickte er mir zu, bevor er an mir vorbei ging und die Tür öffnete. Ich folgte ihm ohne etwas zu sagen aus der Wohnung und schloss die Tür noch leise hinter mir, immerhin sollten die anderen nicht aufwachen und ihren freien Tag genießen können. Mit wieder mal gesenktem Blick ging ich zu dem Fahrstuhl zu, an dem Jinki schon auf mich wartete und ungeduldig auf die Anzeige blickte. Was sollten wir miteinander reden? Sollte ich irgendwas sagen? Oder lag es an ihm etwas zu sagen? Wieso kümmerte ich mich seit neustem überhaupt um Jinki und unsere zwischenmenschliche Beziehung? Das war doch Lächerlich. Ich mochte diesen Menschen nicht mal.
Unschlüssig schlang ich meine Arme um meinen eigenen Körper. Die Ärmel hatte ich dabei bis zum Daumen hochgezogen, sodass nur noch die Fingerspitzen zu sehen waren. Eine lästige Angewohnheit von mir, wenn ich mich nicht in meiner Haut wohl fühlte.
„Du? On…äh…Jinki?“, fing ich dann letztendlich als sich die Fahrstuhltüren öffneten und wir in eben diesen traten. Seufzend stellte ich mich in die letzte Ecke, während ich weiter meine Arme an den Körper gepresst hielt. Den Blickkontakt wollte ich nicht mit dem anderen aufnehmen, da mir auch schon das Reden schwer fiel. Wieso das aber so war wusste ich selbst nicht.
„Ja?“
Fest biss ich mir auf die Unterlippe und lehnte meinen Hinterkopf an die Wand. Was hatte ich mir nur dabei gedacht den anderen ansprechen zu müssen? Er wollte seine Ruhe und ich wollte meine Ruhe, wieso also machte ich wieder Probleme indem ich ein sinnloses Gespräch suchte? Nur weil ich die Stille nicht ertrug.
„Sag mal…“, begann ich dann und hob langsam meinen Blick. Jinki stand zu meinem Glück am anderen Ende des, doch sehr kleinen Fahrstuhls und wahrte so die Distanz zwischen uns. Machte er das, weil er wusste, dass ich mich so wohler fühlte? Oder weil er eigentlich auch nichts mehr mit mir zu tun haben wollte? „Woher hast du dieses Hemd?“, brachte ich dann letztendlich heraus und bedachte den Älteren mit einem schiefen Lächeln. Dass es absolut potthässlich war ließ ich erst einmal weg.
Jinki, der die Hände vor der Brust verschränkt hatte, ließ diese langsam sinken und fing an mich anzugrinsen. Seit wann sah er so lieb und…süß aus wenn er grinste? Und seit wann überkam mich dieses Gefühl ihm in die Wangen kneifen zu wollen? Ich war eindeutig nicht mehr zurechnungsfähig.
„Keine Ahnung meine Oma hat es mir mal zu Weihnachten geschenkt!“, beantwortete er meine Frage schulterzuckend. Andächtig nickte ich und verkniff mir nun wirklich den Kommentar, dass das Hemd hässlich war. Immerhin war es ein Geschenk seiner Großmutter, da sollte man nichts Falsches sagen. „Es ist hässlich ich weiß!“, fügte Onew noch leise lachend an und lehnte sich nun ebenfalls gegen die Wand, während seine liebevoll glänzenden Augen mich fixierten.
Schnell schüttelte ich den Kopf und hob abwehrend die Arme. Ich wollte ihn nicht beleidigen, auch wenn das bis vor kurzem immer mein Ziel gewesen war, hatte es jetzt nur eine Frage sein sollen um die Stille zu unterbrechen.
„Es…ist ungewöhnlich!“, antwortete ich schnell und versuchte ein überzeugendes Lächeln auf die Lippen zu bringen, was mir aber nur mehr oder weniger gelang. Genau das, so schätze ich, entlockte dem Älteren ein leises Lachen.
„Seit wann bist du so nett zu mir?“
„Was?“, nicht verstehend sah ich den Älteren an, der mich wirklich amüsiert anschaute und mir genau diese Frage stellte, die mir schon die ganze Zeit durch den Kopf schwirrte. Seit wann war ich so nett zu ihm und kümmerte mich um seine Gefühle? Jinki war doch nur ein nerviger Trampel, das durfte mich nicht kümmern. „I-Ich…äh…freu dich doch?“, antwortete ich dann schnell und versuchte dabei noch schnippisch zu klingen, was mir aber nur mäßig gelang. Gehetzt und zugleich erleichtert sah ich zu der Fahrstuhltür als diese sich mit einem leisen „Pling“ öffnete. Schnell stieß ich mich von der Wand ab und verließ nach Jinki den Aufzug. Zusammen gingen wir noch über den kleinen Flur bevor wir das Haus ganz verließen. Unser Wagen stand schon am Straßenrand. Wie immer fuhren wir mit dem schwarzen Van, mit den abgedunkelten Fenstern, der uns auch immer in unseren YunHaNam Episoden zum Ziel gebracht hatte.
Ich war der Erste, der an dem Wagen ankam, weswegen ich es auch war, der die hintere Tür öffnete und in den Van krabbelte. Schnell rutschte ich durch und setzte mich in Fahrtrichtung an das Fenster. Meistens war es Jonghyun, der am Fenster saß und meistens saß ich immer entgegen der Fahrrichtung. Niemand wusste, dass mir dabei immer schlecht wurde, aber das sollte auch niemand erfahren, sonst würden sie mich wieder für eine Memme halten oder ähnliches. Es reichte was sie jetzt schon über mich erzählten, da brauchte ich nicht noch mehr böse Worte.
Einen kurzen Augenblick sah ich aus dem Fenster, bevor ich den Blick wieder hob und mich zu Jinki umsah, der nach mir den Van betrat, die Tür schloss und sich dann direkt neben mich setzte. Wir hatten so viel Platz in diesem Van, aber dieser Kerl wählte doch wirklich den Mittelplatz direkt neben mir? Sodass uns wirklich nicht mehr viel trennte und unsere Schultern sich sogar etwas berührten?! Das musste doch nicht sein…
„Kibum?“, hörte ich seine leise Stimme, weswegen ich ihm nun doch direkt in die Augen schaute.
„Hm?“, antwortete ich wie immer nur und setzte dabei einen fragenden Blick auf. Was wollte er denn jetzt von mir?
„Es war wegen Jonghyun, oder?“
Ernst und gleichzeitig besorgt sah Jinki mir in die Augen und streckt eine Hand aus. Unglaublich sanft legte er diese auf meine Wange und streichelte darüber. Wieder fing mein Herz an schneller zu pochen, was meinen Atem nur noch schneller werden ließ.
„Eh?“ Was meinte er nur? Was war wegen Jonghyun? Hatte mein Gehirn sich wieder ausgeschaltet? Oder schaffte ich es aus einem anderen Grund nicht mehr klar zu denken und seine Frage zu verstehen?
„Das vor vier Tagen…auf dem Balkon!“, harkte er nach und zog mich mit sanfter Gewalt weiter zu sich. Schnell drehte ich den Kopf so weit zur Seite, dass er meinen Kopf wieder an seine Schulter drücken konnte, ohne, dass der Schirm der Kappe störte. Seufzend schloss ich die Augen, spürte wieder die beruhigenden Streicheleinheiten an meinem Rücken, was mich sichtlich entspannen ließ, auch wenn die Frage alles andere als entspannend war. Sollte ich es zugeben und mit ihm darüber reden? Immerhin hatte Jinki mich gerettet und hatte er dann nicht doch irgendwie das Recht zu erfahren, weswegen ich springen wollte? Nein, eigentlich hatte er dieses Recht nicht. Es war mein Leben und meine Entscheidung, er war mir nur in die Quere gekommen, mehr nicht.
„Achso…indirekt…ja…“
Moment, wieso hatte ich jetzt geantwortet? Erde an Kibum du wolltest doch nicht antworten. Bist du denn wieder komplett bescheuert? //Lässt du dich wieder von dieser Nähe schwach machen? Nur weil er dir über deinen Rücken streichelt musst du ihm doch nicht alles erzählen.// Verdammt, ich bin so dumm…
„Ich dachte es mir schon!“
Mit diesen Worten legte er eine Hand unter mein Kinn, schob mich ein kleines bisschen von sich weg und hob mein Gesicht an. Wieder einmal war ich so gezwungen worden ihm in die Augen zu sehen. Ob ihm dass Spaß machte mich wie eine Puppe von Position zu Position zu schieben, wie es ihm gerade passte?
„Wieso?“, fragte ich lediglich leise. Meine Lippen zitterten ein klein wenig, während meine Augen wieder seine fixierten mussten. Ja, es war wie ein zwang in diese dunklen Augen zu sehen und ich schaffte es beim besten Willen nicht wegzuschauen und ihrem Funkeln zu entkommen.
„Ich hab von Taeminnie erfahren, dass er und Jonghyun ein Paar sind…“
„O-Oh…“
Was anderes brachte ich nicht mehr zustande. Jonghyun und Taemin ein Paar? Seit wann das denn? Natürlich ich wusste, dass sie sich liebten, aber dass sie schon ein Paar waren, das hatte ich verdrängt, da Jonghyun doch eigentlich noch mit mir zusammen war. Wie ging das? Hatte ich nicht mitbekommen, dass er sich von mir trennte? Nein, er sagte kein Sterbenswörtchen zu mir und jetzt war er wirklich mit Taemin zusammen? Schob man andere, die man nicht mehr brauchte etwa so ab, wie er mich abschob? Oder brauchte er mich einfach noch für…seinen Spaß, weswegen er mich noch irgendwie an sich binden wollte? Schnell wand ich meinen Kopf aus dem Griff des Älteren und senkte meinen Blick so schnell ich konnte. Die Tränen stiegen wieder in meine Augen und bahnten sich wenig später wieder einen nassen Weg über meine Wangen. Wieder tat mir Jonghyun weh, dabei hatte er nicht mal mit mir gesprochen. Nur leider tat die Tatsache, immer alles direkt oder indirekt von anderen zu erfahren ziemlich weh.
„Seit wann ist zwischen euch Schluss?“, fragte Jinki mich dann. Ja, er hatte von meiner Beziehung zu Jonghyun gewusst, auch wenn Jonghyun darauf bestanden hatte, dass es niemand erfahren sollte. Unserem Leader hatte ich nichts vormachen können, was mich ziemlich sauer auf ihn gemacht hatte.
„Gar nicht…“, brachte ich mit zitternder Stimme heraus und atmete tief durch, damit er es nicht zu schnell bemerken sollte.
„Was?“
Jinki verstand mich nicht. Er verstand die Situation nicht, aber wie sollte er auch. Es war viel zu kompliziert, so kompliziert, dass ich selbst oft das Gefühl hatte es nicht mehr zu verstehen. Wie also sollte Jinki das so von einer Sekunde auf die andere erfasst haben können?
„Ich machte nicht Schluss! Und…und…Jonghyun ignoriert mich nur noch. Wir reden nicht mehr miteinander. Somit…machte er auch nicht Schluss!“, erklärte ich. Die Worte sprudelten nur noch aus mir heraus. Es war mir egal, dass ich eigentlich für mich beschlossen hatte Jinki nicht zu mögen und, dass ihn das alles nicht anging. Aber mein Herz schmerzte viel zu sehr, als dass ich noch hätte klar denken können.
„Mein Gott, Kibum! Er hat dich doch von Anfang an ignoriert!“
Heftig zuckte ich bei den ehrlichen Worten des anderen zusammen und ballte meine Hände, die ich auf meinem Schoß liegen hatte zu Fäusten. Wieso musste er immer den Nagel auf den Kopf treffen und ihn mir dann direkt ins Herz rammen? Gönnte man mir nicht wenigsten die Einbildung, dass ich ihm nicht immer egal gewesen bin?
„Ich weiß…“, flüsterte ich nur erstickt. Die Tränen flossen nun ungehindert über meine Wangen und ich machte auch keine Anstalten mehr sie unterdrücken zu wollen. Sollte Jinki doch sehen wie weh liebe tun konnte. Vielleicht würde er dann Abstand von mir nehmen und mich in ruhe sterben lassen…
„Wieso rennst du ihm dann noch nach?“
„Wieso rennst du MIR noch nach?“
Mit dieser Frage drehte ich meinen Kopf zu Jinki und sah ihm wieder direkt ins Gesicht. Ich wusste nicht wie ich aussehen musste, ob ich blass war, ob meine Augen schon rot unterlaufen waren, eigentlich wusste ich nicht mal wie ich aussah, wenn ich weinte, aber das war mir in diesem Moment mehr als nur egal.
„Weil ich dich liebe!“, antwortete Jinki dann ehrlich und sah mich auch genauso an – ehrlich.
„Ich bin aber nicht besser als Jonghyun.“
Immerhin war ich es, der ihn immer wieder beleidigt oder in der Öffentlichkeit bloß gestellt habe. Ich war es, der ihn zuhause immer ignoriert hat. Niemand der anderen hatte ihn so schlecht behandelt wie ich es getan hatte und trotzdem konnte er mir sagen, dass er mich liebte? Das ergab doch keinen Sinn. War ich etwa genauso fanatisch, wenn es um Jonghyun ging? Waren Jinki und ich uns ähnlicher als ich es hatte zugeben wollen?
„Für mich bist du es!“, unterbrach seine Stimme wieder meine zermarternden Gedanken. Aus den Augenwinkeln konnte ich sehen, wie er beide Hände hob und sie auf meine Wangen legte. Mit dem Daumen versuchte er meine Tränen von ihnen zu streicheln, was aber nicht gelingen konnte, da mir immer wieder neue Tränen aus den Augen liefen. Es war hass auf mich selbst und die Enttäuschung über Jonghyun. Aber komischerweise überwog der Selbsthass in diesem Moment.
„Du bist ein Idiot!“, flüsterte ich mit leiser Stimme und schloss dabei ganz langsam die Augen, da ich sah wie Jinki mir langsam näher kam und den Kopf schief legte.
„Ich weiß!“, flüsterte auch er, bevor sich unsere Lippen wieder zu einem zärtlichen Kuss trafen. Mein Herz setzte für einen kurzen Augenblick aus um wenig später schon doppelt so schnell weiter zuschlagen. Langsam strich Jinkis rechte Hand über meine Wange und blieb in meinem Nacken ruhen. Sanft, aber mit bestimmendem Druck bewegte er seine weichen, verführerischen Lippen gegen meine eigenen. Schon von ganz allein ging ich darauf ein du öffnete wenig später meinen Mund von ganz allein. Sehnsüchtig wartete ich auf die wohlschmeckende Zunge des anderen. Fest klammerte ich mich an das hässliche Hemd des anderen und drückte mich schon aus eigenem Willen an Jinki. Wohlig seufzte ich auf als unsere Zungen sich endlich trafen und ich endlich wieder seinen Geschmack wahrnehmen konnte. Leise keuchte ich in den Kuss, während ich versuchte diesen noch zu vertiefen. Mein Herz pochte so schnell und mein Verlangen nach dem Älteren stieg von Sekunde zu Sekunde mehr. Ich wollte ihn spüren, Jonghyun vollkommen vergessen und nur noch Liebe und Zärtlichkeit zu erfahren. Langsam ließ ich eine Hand nach oben wandern und legte diese in Jinkis Nacken. Sanft kraulte ich ihn dort, während ich spürte, dass seine Hand unter mein T-Shirt glitt. Wie auch schon 4 Tage zuvor spürte ich seine warme, zarte Hand an meiner Haut die mich dort so liebevoll streichelte. Mit einem schnellen Ruck zog Jinki mich auf seinen Schoß und streifte mir mit einer Hand die Kappe vom Kopf. Unachtsam ließ er sie zu Boden fallen und vergrub wenig später eine Hand in meinen Haaren. Dass uns unser Fahrer beobachten konnte, wenn er denn wollte, ignorierte ich gekonnt. Breitbeinig setzte ich mich nun ganz auf seinen Schoß und drehte mich so, dass wir den Kuss nicht unterbrechen mussten und ich ganz zu ihm gedreht saß. Meine Hände ruhten auf den Schultern des Älteren und streichelten auch sanft darüber. Jinkis Hände jedoch glitten immer weiter nach oben, fuhren von meinem Rücken zur Seite, über meine Taille bis zumindest eine an meinem Bauch ruhte. Ich konnte mir ein sanftes und leises Keuche nicht verkneifen, da seine Berührungen viel zu sanft waren, als dass man sie hätte ignorieren können. Ich wusste, dass ich das nicht hätte tun dürfen, doch ich konnte nicht anders, als auf Jinki sitzen zu bleiben und seine Nähe zu genießen. Noch nie hatte ich etwas Derartiges erfahren. Wenn ich auf Jonghyun so gesessen hätte, dann wäre ich spätestens nach 2 Minuten all meine Kleidung los geworden und hätte mich wieder seiner Lust ergeben müssen. Unbewusst rutschte ich ein wenig auf Jinkis Schritt herum, nicht ahnend, was ich ihm damit antun könnte. Ich war es gewohnt so zu reagieren, fast schon wie ein kleiner Hund der auf irgendein Kommando trainiert wurde, so war auch ich. Als sich Jinkis Hand auch noch meinen Bauch hinauf streichelte und hauchzart eine meiner Brustwarzen berührte war es ganz mit meinem klaren Denken vorbei. Stärker bewegte ich mich auf seinem Schritt und spürte schon, dass sich eine kleine Beule anfing zu bilden. Dass wir im Auto waren, dass ich noch Jonghyun liebte vergas ich in diesem Moment vollkommen und gab mich nur diesen Gefühlen hin, die Jinki mir gab.
„Kibum…“, hauchte er gegen meine Lippen, was mich dazu brachte meine Augen wieder zu öffnen und ihn fragend anzusehen. „Bist du dir sicher?“, fragte er mich dann und legte seine Hand, die zuvor noch an meinem Rücken gewesen war auf meinen Hintern. Zuerst streichelte er mit den Fingerspitzen nur flüchtig darüber, dann aber legte er die ganze Handfläche auf meine Pobacke und fing an diese zu massieren. Ich wusste was er mir damit vermitteln wollte, die Frage aber verwirrte mich. Hatte ich in diesem Moment wirklich den freien Willen zu sagen, dass ich es nicht wollte? Würde Jinki dann aufhören, obwohl sich bei ihm ja schon etwas geregt hatte? Wenn ich ehrlich war konnte ich das nicht ganz glauben, weswegen ich auch mit meiner Antwort zögerte.
„Du würdest aufhören, wenn ich es nicht wollen würde?“, fragte ich mit zittriger Stimme und strich mir mit einer Hand schnell eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Natürlich!“, hörte ich ihn sagen, mit ernster Stimme und genauso ernstem Gesichtsausdruck. So ein Blick sagte mir, dass er mich nicht belog, er meinte es genauso wie er es sagte und genau diese Tatsache brachte mein Herz noch ein wenig mehr zum schlagen. Wieder dachte ich einen kurzen Augenblick nach und wog meine Antwort ganz genau ab.
„Jinki?“, fing ich dann an, bewusst seine Frage noch nicht beantwortend.
„Ja?“
Kurz sahen wir uns in die Augen. Ein Moment in dem mir tausend Fragen durch den Kopf gingen und auch die Frage: Was würde ich tun, wenn wir es jetzt wirklich taten? Würde ich Jonghyun dann noch unter die Augen treten können, auch wenn dieser etwas mit Taemin hatte? Würde ich noch in der Lage sein in dieser Band zu bleiben? Eigentlich hatte ich schon lange keine Kraft mehr mich diesem Kampf zu stellen, trotzdem versuchte ich es Tag für Tag aufs Neue, für Jonghyun. Jetzt mit Jinki zu schlafen würde mir die Entscheidung noch bei ihnen zu bleiben wohl abnehmen.
„Ich bin mir sicher…“, flüsterte ich dann als Bestätigung auf seine Frage und küsste ihn leidenschaftlich auf die Lippen.


Epilog
Langsam gehe ich wieder auf das Bett zu in dem du liegst und friedlich schläfst. So wie es aussieht hast du es nicht mal bemerkt, dass ich schon eine ganze Stunde nicht mehr an deiner Seite liege sondern am Fenster stehe und abwechselnd dich und den Mond anschaue. Wieso hast du es nie gemerkt, dass du mir mit den letzten Tagen den letzten Willen geraubt hast? „Was hast du, Jinki liebt dich doch!“, würdest du jetzt sicher sagen und ja, ich bin ihm dankbar, dass er für mich da war, aber meine Gefühle für dich sind einfach noch viel zu tief verankert. Es würde mich wundern, wenn ich überhaupt noch einmal jemanden in mein Herz lassen kann. Und gerade weil es so ist kann ich einfach nicht mehr bei dir bleiben. Du willst Taemin, du hast ihn schon bekommen und ich sehe, dass ihr beide glücklich miteinander seid. Wieso sollte ich euer Glück auch zerstören? Es wäre nur schön gewesen, wenn du dich wenigstens einmal um mich gekümmert hättest. Mir wenigstens gesagt hättest, dass du Taemin liebst, ich hätte es doch akzeptiert. Aber wieso spielst du weiter mit mir?
Ganz vorsichtig streichele ich noch einmal durch deine weichen braunen Haare, ehe ich meine Hand zurückziehe und mich von dem Bett entferne. Es ist Zeit sich zu verabschieden, für immer. Vielleicht wirst du mich für immer hassen, schon allein wegen der Band, aber jetzt ist es Zeit für mich endlich einmal etwas für mich zu tun. Bitte verzeih mir irgendwann, verzeih mir, dass ich zu schwach bin um diesen Schmerz weiter zu ertragen. Ich hoffe wirklich, dass es dir mir Taemin zusammen gut gehen wird und vielleicht, ja vielleicht höre ich mal wieder etwas von dir.
„Pass gut auf dich und unser Baby auf.“, flüstere ich noch ganz leise ehe ich mich umdrehe und auf den Schrank zugehe. So leise ich kann öffne ich die Schranktür von meiner Schrankseite und nehme einen Koffer aus diesem. Schon am Abend zuvor habe ich diesen gepackt und du hattest es wieder nicht bemerkt, aber das spielt jetzt keine Rolle mehr. Jinki hatte recht gehabt, das hatte ich endlich für mich selbst erkannt: Selbstmord ist keine Lösung, aber hier bei dir zu bleiben ist etwas, was ich nicht mehr schaffe.
Schon kurz nachdem ich den Koffer geräuschlos aus dem Schrank genommen habe, greife ich nach dem oben aufliegenden Briefumschlag und lege ihn auf meine Bettseite. Ganz ohne eine Nachricht wollte ich dich nicht verlassen. Vielleicht wird dir in diesem Seitenlangen Brief bewusst was du mir angetan hast und falls nicht, ich werde es sowieso nicht mehr erleben. Die schon im Schrank zurechtgelegten Klamotten, eine Jeans und ein nichts sagendes Hemd, schlinge ich mir schnell über den halbnackten Körper, bevor ich mir auch noch die Socken über die nackten Füße ziehe.
Mit einem letzten Blick auf dich nehme ich den Koffer hoch und verlasse damit das Zimmer. Geräuschlos schließe ich die Tür hinter mir und atme auf dem Flur angekommen tief durch. Einen kurzen Moment schießt mir der Gedanke durch den Kopf, dass ich überstürzt handeln würde, doch so schnell ich kann schieb ich diese Gedanken wieder ganz nach hinten zurück. Immerhin habe ich meine Entscheidung getroffen und ich bin glücklich damit endlich frei sein zu können. Andächtig sehe ich mich noch ein wenig um während ich über den Flur gehe. Jetzt bin ich also dabei meinen Traum Sänger zu werden wegzuwerfen und all den Ruhm, den wir mit der Band haben aufs Spiel zu setzen, dafür, dass ich endlich den goldenen Käfig der einseitigen Liebe zu entkommen. Kopfschüttelnd trete ich auf die Eingangstür zu und setzte den Koffer so leise ich konnte ab. Wie immer schlüpfe ich in meine Lieblingssneakers und greife nach meiner dunkelgrauen Stoffjacke, die jetzt sicherlich viel zu kalt ist, aber ich will sie einfach nicht hier zurück lassen. Noch einmal drehe ich mich um, um in den Flur und auch ins Wohnzimmer zu sehen, während ich mir die Jacke überziehe.
„Ich hab euch trotzdem lieb!“, flüstere ich leise in die dunkle Stille, ehe ich mich wieder zu der Tür umdrehe und nach meiner silbernen Handtasche greife, die ich immer mit mir rumtrage, wenn wir irgendwohin gefahren waren. Jetzt aber hatte ich in diese alle meine kosmetischen Artikel getan – natürlich ohne, dass jemand etwas davon mitbekommen hatte – und auch meine ganzen Papiere sowie Geld, Laptop und weitere persönliche Sachen auf die ich nicht verzichten kann, habe ich in dieser Tasche. Dementsprechend schwer ruht die Tasche nun auf meiner Schulter. Was für ein Bild das wohl abgeben muss? Sicher als würde ich in den Urlaub fahren, aber Urlaub kann man es ja auch fast nennen. Nur, dass ich aus diesem Urlaub nie wieder zurückkehren werde.
Schwach lächelnd bücke ich mich etwas und greife mit der freien Hand nach meinem Koffer. Meinen Haustürschlüssel nehme ich schnell aus einer Seitentasche meiner silbernen Handtasche und lege sie auf das kleine Tischchen neben dem Kleiderharken.
„Kibum?“
Merklich zucke ich zusammen als die dunkle Stimme an mein Ohr drang. Eigentlich habe ich gerade meine Hand nach der Türklinke ausgestreckt um diese zu öffnen und zu gehen, aber durch die Stimme verharrte ich in meiner Position. Ganz langsam lasse ich meinen Arm sinken und drehe mich so weit um, dass ich sehen kann wer dort steht.
„Was tust du da?“
Nicht verstehend betrachte ich den Jungen, der vor mir steht in seinem Pyjama und mich mit weit aufgerissenen Augen ansieht. Ich kann genau seine Fassungslosigkeit erkennen und es schmerzt mich auf eine Art und Weise ihn so zu sehen. Ob ich nicht leise genug über den Flur gegangen bin?
„Ich gehe…“, beantworte ich seine Frage mit leiser Stimme und senke gleichzeitig schuldbewusst den Blick. Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass Jinki mich versteht, aber vielleicht lässt er mich gehen, immerhin weiß er wie viel Schmerz ich hier ertragen musste und noch müssen würde, wenn ich blieb.
„…allein?“
„Sieht so aus…“
Noch immer halte ich meinen Kopf bewusst gesenkt und fixiere so meine eigenen Fußspitzen. Wieso auch immer ich mich so schuldig fühle, ich will ihm einfach nicht in die Augen sehen.
„Wieso?“
Nun bin ich es, der die Augen weitet. Schnell hebe ich deswegen den Blick und zucke zusammen als ich merke, dass Jinki mir näher gekommen ist und seine Hand nach mir ausstreckt. Schon wenig später spüre ich seine weiche, warme Hand an meiner wohl eiskalten Wange. Ganz automatisch lehne ich mich leicht gegen die Hand und schließe meine Augen seufzend. Was soll ich denn auf diese Frage sagen? Was erwartet er von mir?
„D-Du fragst mich wieso? Wieso ich allein gehe?“
Mit diesen Worten öffne ich wieder die Augen und sehe den anderen verständnislos an. Soll nicht eher so etwas wie: „Wie kannst du es wagen die Band im Stich zu lassen!“ kommen? Oder habe ich etwas nicht mitbekommen?
„Ja. Wieso Kibum? Bedeute ich dir so wenig, dass du mich hier allein lassen willst?“, höre ich Jinki flüstern, während er mich mit traurigen großen Augen fixiert. Schwer schlucke ich und lege meine Hand auf seine, die noch immer an meiner Wange ruht.
„Nein, deswegen nicht. Du bist hier auch nicht allein. Du hast die anderen. Aber ich kann nicht mehr. Ich will endlich wieder ein normales Leben haben, ohne Jonghyun, ohne weinen zu müssen!“, erkläre ich mit leiser Stimme und hoffe wirklich, dass er mich nicht mehr so traurig ansehen würde. Nichts tat mir in diesem kleinen Moment mehr weh als ihn so traurig zu sehen. Dass ich das noch mal in meinem Leben erleben würde, hatte ich in der Vergangenheit nie gedacht.
„Kibum…“, wieder hat Jinki das Wort ergriffen, diesmal aber klingt seine Stimme sogar ernster als kurz zuvor. „…ohne dich in meinem Leben bin ich allein. Ich brauche dich, mehr als alles andere auf dieser Welt…“
„Entschuldige, aber ich kann nicht bleiben!“, unterbreche ich ihn, umklammere aber gleichzeitig seine Hand und zwinge sie so von meiner Wange abzulassen. Es würde unseren Abschied nur noch schwerer machen, versteht Jinki das nicht?
„Ich weiß!“
Mit ernstem Blick fixiert Jinki meine Augen mit seinen eigenen. Will er mir irgendwas damit sagen? Vielleicht sollte ich es verstehen, doch ich tue es nicht. Genau deswegen schenke ich dem Älteren auch nur einen verwirrten Blick. Noch verwirrter weite ich meine Augen, als Jinki auch noch nach meiner freien Hand greift und nun beide in seinen hielt.
„Lass mich mitkommen!“
„Was?“
Habe ich mich eben verhört? Ich kann es nicht fassen was Jinki mir da eben gesagt hatte, um was er mich gebeten hatte. Fragend blicke ich dem Älteren in die Augen und drücke seine Hände ein klein wenig.
„Kibum, ich will mit dir gehen. Weit weg von hier. Nur wir beide und vielleicht…vielleicht kann ich dir helfen wieder glücklich zu werden!“
Schon während Jinki sprach spürte ich wie mir die Tränen in die Augen stiegen, die sich nun schon einen weg über meine Wangen bahnen. Ich hab wirklich versucht meine Tränen aufzuhalten, da ich oft genug in der letzten Zeit vor Jinki geweint hatte, aber ich schaffe es einfach nicht sie zu unterdrücken. Die Tatsache, dass er alles aufgeben will, seinen Traum und seine Zukunft macht mich sentimental und zu einer kleinen Heulsuse.
„Du…machst dir alles kaputt. Denk an die Band und die Uni. Du hast eine so gute Zukunft vor dir. Willst du das wegwerfen um für den Rest deines Lebens wegzulaufen?“, diese Frage brannte mir wirklich auf der Seele weswegen ich es auch gleich aussprechen musste. In meiner Brust leben in diesem Moment zwei Seelen. Die eine ist die Vernunft, die mir sagt, dass Jinki eine bessere Zukunft hier hat mit der Band. Und die andere will mit ihm zusammen gehen und mit ihm zusammen glücklich werden, auch wenn in meinem Herzen noch immer Jonghyun seinen Platz hat.
„Ohne dich wird mein Leben aber nicht mehr komplett sein. Egal wie schön meine Zukunft auch sein mag, ohne dich macht alles keinen Sinn mehr. Du bist mein Sinn des Lebens.“
Mit einem schnellen Ruck zieht mich Jinki an sich und schlingt seine Arme um meine Taille. Fest klammert er sich an meine Jacke, so als hätte er angst, dass ich von einer Sekunde auf die andere weglaufen könnte. Meint er seine Worte wirklich so ernst? Wie kann ein Mensch, der nur gemein und fies zu einem war, so wichtig geworden sein?
„Du bist ein Idiot, Jinki!“, flüstere ich leise und schlinge meine Arme ebenfalls um den Körper des anderen.
„Ich weiß!“
Ich fange an ein wenig zu lächeln, während noch immer ein paar Tränen vereinzelnd über meine Wangen laufen und auf Jinki Pyjama tropfen. In diesem Moment, so glaube ich, wissen wir beide, dass es absoluter Wahnsinn ist was wir, nein eigentlich ich, vorhabe. Wenn er auch noch mitkommen würde, wäre der Bandleader weg und wenn die Band nicht zerbrechen würde, würde wohl Jonghyun der neue Leader werden. Will Jinki das wirklich aufs Spiel setzen?
„Lass mich mitkommen…“, höre ich seine leise, erstickte Stimme an meinem Ohr und sehe aus diesem Grund auch sofort wieder auf um in seine Augen zu schauen. Wenn ich dort irgendeine Unsicherheit sehen würde, würde ich nicht zustimmen. Aus diesem Grund schaue ich genau und lange in die dunklen Augen des Leaders, die ich zwar flehend ansehen, ich aber keine Angst oder Unsicherheit in ihnen finden kann. Wenn er es so will, wieso sollte ich dann noch nein sagen? Immerhin ist er Älter als ich und wird wohl wissen was er tut?
„Okay!“ Mit diesem Wort löse ich mich von ihm und sehe ihn mit einem lieben Lächeln an. Sofort legt sich ein bezauberndes Lächeln auf seine Lippen, bevor er mich noch einmal an sich drückt und mir einen Kuss auf die Stirn haucht. Scheinbar freut er sich darüber seine Zukunft in den Mülleimer zu werfen. „Geh ins Bad und mach dich fertig. In dem braunen Wäschekorb liegen noch ein paar deiner Klamotten, sie sind frisch gewaschen…zieh die an und setz dich dann in die Küche und schreib einen Brief an die anderen. Ich hab schon einen geschrieben, aber wenn sie nicht wissen, dass du mit mir gekommen bist machen sich die anderen noch sorgen!“, fange ich an meine Anweisungen zu geben. Jinki ist zwar der Bandleader aber diese Flucht habe ich geplant, deswegen muss er sich jetzt mir anpassen, bis wir weit genug weg sind. „Ich pack in der Zeit deine Sachen zusammen!“ Abwartend sehe ich Jinki an um mich zu vergewissern, dass er nichts dagegen hatte und lächele als ich sehe, dass dies nicht der Fall ist. Schnell ziehe ich mir wieder die Schuhe aus, lasse meine Tasche neben dem Koffer sinken und gehe händchenhaltend mit Jinki über den Flur. Immer wieder lächeln wir uns beide scheu an, bis wir an der Badezimmertür angekommen sind. Tief sehen wir uns in die Augen ehe sich Jinki vorbeugt. Automatisch schließe ich meine Augen bevor seine Lippen die meinen berühren. Fest drücke ich seine Hand, während ich die sanften Lippenbewegungen erwidere und einmal zufrieden in den Kuss seufze. Leider löst Jinki sich schon viel zu schnell, weswegen ich es gar nicht richtig genießen konnte. Aber in der Zukunft werden wir ja mehr Zeit miteinander verbringen können, was waren da die paar Sekunden, die er mich nicht länger küsste? Nichts! Mit einem leichten nicken lösen wir unsere Hände voneinander und gehen in Entgegengesetzte Richtungen. Er in das Badzimmer, ich in das Zimmer, was er sich mit Taemin und Minho teilt. Ganz leise schließe ich die Tür hinter mir und sehe mich in dem abgedunkelten Raum um. Minho schnarcht leise und Taemin schmatzt lautstark vor sich hin. So wie sich das anhört, hatten sie mich nicht bemerkt. Auf Zehenspitzen gehe ich auf den Schrank Jinkis zu und öffne die Tür leise. In diesem Moment bin ich wirklich froh, dass ich die Klamotten aller Member kenne und weiß was jeder gern anzieht oder auch nicht so gern, sonst hätte ich Jinkis Tasche nicht packen können. So leise ich kann greife ich nach dem Koffer, der wie auch in meinem Schrank ganz hinten steht, und lege ihn geöffnet auf den Boden. Sofort fange ich an seine Sachen in den Koffer zu räumen. Dabei versuche ich so platzsparend wie möglich zu packen, da er so viel mitnehmen musste wie es nun mal ging. Sicher können wir uns auch neue Sachen kaufen, aber vieles in diesem Schrank hat eine kleine Geschichte, die man nicht aufgeben sollte.
Immer wieder sehe ich mich zu den Schlafenden um. Die Nervosität steht mir deutlich ins Gesicht geschrieben, weswegen ich auch erleichtert ausatme als der Koffer endlich voll ist und ich ihn wieder schließen kann. Erst dann greife ich nach seiner schwarzen Handtasche, die auch er immer mit sich herumtrug und schaue hinein. Es war schon fast alles drin: MP3-Player, Kopfhörer, Laptop, Handy, Geldbörse, seine Brille, die Pillen, die er immer mit sich rumschleppte, damit keinem Schlecht wird, den magischen Würfel – wieso auch immer er dieses Ding immer mit sich herumtrug - , ein Buch, Handcreme, Stifte und sein Notizbuch. Eigentlich ist wirklich schon fast alles drin was er braucht. Vorsichtig lege ich die Tasche neben den Koffer auf den Boden, ehe ich leise zu dem Schreibtisch gehe. So leise ich kann suche ich seine Papiere, noch ein paar persönliche Sachen, wie Bilder seiner Familie und seine zwei Lieblingsbücher. Erst als ich die Sachen endlich in die Tasche gepackt habe, verlasse ich das Zimmer mit seinem Koffer und seiner Tasche im Schlepptau, ohne mich noch einmal nach den anderen Membern umzusehen. Ich hab viel zu große Angst meinen Plan noch über den Haufen zu werfen, wenn ich mir zu viele Gedanken darüber mache. Leise schleiche ich wieder über den Flur bis zu der Eingangstür. Jinki steht schon dort, mit diversen Sachen aus dem Badezimmer bewaffnet, die er wohl mitnehmen will. Lächelnd, aber wortlos reiche ich ihm seine Tasche, in der er die Sachen sofort verstaut, während ich den Koffer abstellte. Wie auch schon Minuten zuvor schlüpfe ich wieder in meine Schuhe.
„Hast du den Brief geschrieben?“, frage ich Jinki mit leiser Stimme und sehe ihn abwartend an.
„Ja. Ich hab ihn auf dem Küchentisch liegen lassen!“
Ich nicke ein klein wenig und hebe nun meine silberne Tasche von dem Boden auf, um sie an meine Schulter zu hängen.
„Bist du sicher, dass du das tun willst? Noch kannst du hier bleiben und die Vorzüge dieses Lebens genießen!“, frage ich noch einmal mit mehr Nachdruck und funkele Jinki mit großen Augen an. Ich will nicht, dass er mir später einmal Vorwürfe macht, weil ich ihn zu etwas gezwungen habe, was er nicht wollte, auch wenn es seine eigene Bitte gewesen war.
„Ich war mir in meinem Leben noch nie so sicher!“, antwortet er mir mit ebenfalls fester Stimme, die mich nicht an seiner Entschlossenheit zweifeln lassen konnte. Mit diesen Worten greifen wir beide nach unseren Koffern und verlassen leise die Wohnung. Wie jeden Tag gehen wir zu dem Fahrstuhl, drücken auf den Knopf und warten darauf, dass dieser seine Türen endlich öffnen würde. Nur waren wir noch nie um 4 Uhr morgens unterwegs gewesen. Ungewöhnlich schnell öffnet sich die Tür des Aufzugs und auch genauso schnell verschwanden wir schon in diesem. Jinki drückt auf den Knopf mit dem „E“ für „Erdgeschoss“ und lehnt sich anschließend gegen die gegenüberliegende Wand. Erst als sich die Türen schlossen hatten, atmen wir beide tief durch und sehen uns wieder in die Augen. Diesmal bin ich es, der sofort lächelt und seine Hand ausstreckt. Auch Jinki lächelte wenige Momente später und griff nach meiner Hand. Aneinandergekuschelt warten wir nun darauf, dass wir unten ankommen. Keiner von uns sagt auch nur ein Wort, da das Schweigen schon mehr wert war als tausend Worte. Erst als eine 1 auf der Anzeige erscheint löse ich mich sanft von dem Älteren und nehme eine schwarze Kappe aus meiner Tasche. Schnell setze ich diese auf und deute mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf die Seitentasche von Jinkis Koffer. Dieser scheint auch gleich verstanden zu haben, weswegen er sich hinunter beugt, den Reißverschluss öffnet und ebenfalls eine schwarze Basekap herausziehen konnte.
In dem Moment in dem sich die Aufzugtüren öffneten, hatte Jinki die Kappe schon aufgesetzt und wir konnten den Fahrstuhl verlassen. Wenige Meter laufen wir versetzt, er vor mir, ich ein klein wenig dahinter, bevor ich zwei Schritte schneller laufe und mit meiner freien Hand nach seiner greife. Ohne auf unsere Umwelt zu achten verlassen wir das Gebäude, das einzige was man dabei hören konnte war das klackern der Kofferrädchen auf dem Betonboden, Jinki und ich sprechen noch immer nicht miteinander. Stumm laufen wir fast 15 Minuten nebeneinander her, zumindest glaube ich, dass es 15 Minuten sind, bis wir endlich an der Bushaltestelle ankommen. Ich weiß, dass rund um die Uhr hier Busse fahren würden, trotzdem werfe ich noch einmal einen prüfenden Blick auf den Fahrplan. Zufrieden nicke ich, als ich erkannte recht gehabt zu haben und kuschele mich wieder an den warmen, wohlriechenden Körper des Älteren.
„Unser Bus kommt in 20 Minuten!“, erkläre ich mit leiser, fast schon müder Stimme. Wie lange war ich denn schon auf den Beinen? Die Nacht hatte ich überhaupt nicht geschlafen und die Anspannung hatte mir noch meine restlichen Kräfte geraubt. Jetzt erst merke ich wie ausgelaugt mein Körper doch schon ist.
„Fahren wir zum Flughafen?“, mit diesen Worten legt er einen Arm um meine Schultern und drückt mich so weiter an sich. Auf seine Frage hin nicke ich nur und schließe meine schon brennenden Augen. Mein Bewusstsein fing an sich zu verabschieden, sodass die Müdigkeit meinen ganzen Körper in Besitz nehmen konnte.
„Ich liebe dich, Kibum!“
„Ich weiß…“

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Tag der Veröffentlichung: 25.06.2011

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