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Kapitel 1



Gebannt starrte ich auf das Schauspiel was mir draußen geboten wurde. Durchs Fenster konnte ich beobachten wie meine Gedanken durch Wind und Nieselregen versuchten zu entfliehen. Ich überlies meinem Gehirn die Kontrolle. Konzentrierte mich nur auf das, was ein menschliches Auge erblicken konnte, ohne meinem Herzen auch nur ein Stück Freiheit gewähren zu lassen. Ich merkte wie es davon galoppieren wollte, mich in einzelne Stücke reißen und zu Boden ziehen wollte. Doch ich war stark. Entzog mich dem allem und versuchte Fuß in der Realität zu fassen.
Ich drehte mich langsam um und fing an in Richtung Tür zu schlendern. Den Flur durchströmte ein helles Licht, was mich blinzeln ließ.
Ich ging in den Aufenthaltsraum, welcher gefüllt war von Leere. Es schien als hielte die Welt einmal die Luft an. Dieser Sog ins Nichts weckte ungeahnte Aggressionen in mir. Ich stampfe, empört von der Realität, zu meinem Zimmer und knallte die Tür hinter mir zu. Sie gab einen lauten unangenehmen Ton von sich, als sie den Rahmen traf. Ich vermochte das Echo zuhören, was im Haus sich zu verbreiten schien. Ich sank auf meinem Bett zusammen und kroch in eine kleine dunkle Ecke meines Kopfes, wo es nichts gab, was mich belasten konnte.

Ein leises Summen wecke mich aus meiner Trance. Ich stieß mich hoch und stürmte zur Tür. Saskia schlenderte gedankenverloren durch den Flur. Mir wurde auf dem ersten Blick bewusst, dass auch mit ihr nichts angefangen werden konnte. Ich warf ihr ein kleines Lächeln zu, was sie mit einem kurzen Nicken beantwortete. Geknickt schloss ich die Tür wieder und ließ mich auf mein Bett fallen. Ich versank in einen traumlosen Schlaf.

Irgendwann realisierte ich eine Person in der Tür, doch als ich aufsah, sah ich nur wie Kim schon aus dem Raum lief. Schlaftrunkend ging ich zu dem großen 8-Mann Esstisch. Das Einzige was man vernahm war das Kratzen von meinem Stuhl, was er von sich gab, wenn man ihn zurückzog. Ich stocherte in meinem Essen rum und mein Blick glitt von einem der leeren Stühle neben mir zur anderen Seite wo Steffan saß. Am Kopfende Frau Kinne, dann zu Saskia, weiter zu Kim und Sarah und mein Blick blieb wieder an einem der leeren Stühle kleben. Schleifend begannen die Gespräche.


Kapitel 2



Saskia und Steffan hatten wohl beschlossen Chaos und Schrecken auf der Welt zu verbreiten, angefangen auf unserer Station. Gebannt wohnte ich dem Schauspiel bei und erwischte mich irgendwann dabei wie ich mich auf Saskias Seite gestellt hatte und zusammen schikanierten wir Steffan bis zu seiner völligen Ergebung.
Ich liebte diese Momente. Völlig abgekapselt von der Gefühlswelt. Liebte das Gefühl los lassen zu können.

Wie jeden Abend saßen wir auf den unbequemen Stühlen im Halbkreis und starrten auf den Fernseher. Frau Kinne verteilte gerade unsere Ration Süßigkeiten. Die Betreuer meinten wir wären in einem Krankenhaus und deshalb der geringe Zuckergehalt. Also entnahmen wir jeweils 2 Schokoladentäffelchen verschiedener Marken. Zuhause hatte ich lange nichts Süßes regelmäßig gegessen. Ich hatte allgemein wenig gegessen. Man konnte sagen, dass ich sogar eigentlich nur von Luft und Liebe lebte.
Ob es mehr an dem wenig gefüllten Kühlschrank lag, der unregelmäßig gefüllt wurde, auf Grund der Diät meiner Eltern, oder einfach nur daran, dass ich es gar vergaß zu essen, kann ich nicht sagen. Ich wusste nur, das mir die Psychatrie wenigstens die Möglichkeit gab ein regelmäßiges Essen zu mir zunehmen.

Ich hörte das Knistern der Plastikverpackungen im Hintergrund, während ich völlig gebannt auf den Fernseher starrte. Er sog mich jedes Mal förmlich ein, gab mir die Chance abschalten zu können, auch wenn Saskia und Steffan wieder einmal gegen jegliche Klinikregeln verstießen. Saskia machte es sich mit ihren Beinen auf Steffans Schoß bequem, obwohl wir uns vom anderen Geschlecht fern halten sollten. Auch durften wir nicht in die Zimmer der Jungs. Selbst bei geöffneter Tür, war dieses verboten. Doch wir hatten eine andere Option gefunden. Wir saßen auf dem Fußboden in dem schmalen Flur, was aber ebenfalls verboten war. Ein triftiger Grund wurde uns noch nicht genannt, alleinig das es nicht gut aussehen würde. Wir taten es trotzdem jeden Tag.
Wir verstießen sowieso gegen jegliche Klinikregel. Wir rauchten außerhalb der Sichtweise der Betreuer, wir besaßen unsere Handys, schmuggelten Nahrungsmittel wie z.B. Cola, Kekse und Cappuccino aus den Kühlregalen in unsere Zimmer und machten eh nur selten was die Betreuer wollten. Nur gegen die Fernsehregel konnten wir uns nicht wehren. Es war vorgeschrieben, dass Patienten unter 14 Jahren um 21 Uhr den Aufenthaltsraum verlassen und dann ihr Zimmer aufsuchen sollten. Für die die schon diese Altersgrenze überschritten hatte, galt es den Fernseher um 21:30 auszuschalten. Ach und noch eine Regel gab es, die insbesondere Saskia und ich nicht beachteten. Man sollte sich nicht allzu offen geben, auf Grund, dass wir uns auf einer gemischten Station befanden. Sobald es aber ’Bett-geh-Zeit‘ schlug, huschten Saskia und ich in unsere jeweiligen Zimmer und verließen dieses wieder nur mit Hotpants und Top bekleidet. Ich muss dazu sagen, dass wir eigentlich nur uns dann noch abschminken und Zähneputzen mussten, aber das war uns egal. Auch die begierigen Blicke unseres Betreuers ignorierten wir die meiste Zeit. Manchmal nutzen wir diese sogar zu unserer Unterhaltung. Und manchmal macht es uns aber auch was aus. Diesen Abend zum Beispiel sprang Saskia hinter Steffan, als der eben genannte Betreuer im Flur auftauchte, doch… zu spät. Er warf einen langen Blick auf ihre nackten Beine und ging dann eilig zurück ins Dienstzimmer.

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Tag der Veröffentlichung: 25.05.2011

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