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1. Rückblick aus einer anderen Sicht

Teraz:

 

„Bitte, Lindsey! Du kannst es doch nicht für immer behalten.“ Ärgerte ich mich über den kleinen Blondschopf, der mich jetzt bereits einen guten Kopf überragte, obwohl sie ein Jahr jünger ist als ich.
„Bloß wenn du sagst, dass du eine kleine lügende doofe Kuh bist.“ Kam es vom Baum aus zurück, wo sie zusammen mit meiner Schularbeit saß.
„Das werde ich nicht sagen!“ Protestierte ich erzürnt.
„Aber du siehst aus wie ein Mädchen und lügst, also bist du eine lügende Kuh.“ Kicherte sie erheitert und ich hörte, wie etwas raschelte. Es waren jedoch nicht die Blätter des Baumes. „Lindsey! Wenn du es kaputt machst, dann sage ich es unserem Lehrer!“ Das konnte doch nicht wahr sein. Ich war gerade auf dem Weg, als Klassensprecher, die eingesammelten Klassenarbeiten einzusammeln. Jeder verließ sich auf mich, dass ich sie zuverlässig dem Lehrer ins Büro brachte, aber dann kam Lindsey. Wir kannten uns bereits, bevor sie in die Schule gekommen ist. Wir lebten einander gegenüber in einem kleinen Dorf und hatten zu allem Überfluss auch noch denselben Schulweg. Wieso mussten mich meine Eltern auch in eine Gemischten-Schule schicken? Das war einfach nicht fair, ich bin reinrassig!
„Dann bist du eine Kleine, lügende, doofe und petzende Kuh.“ Sie lachte noch lauter, als wäre dies der Witz des Tages, doch ich fühlte bereits Tränen aus Frust aufsteigen.
„Dummer Mischling. Ich wünschte, ich wäre nicht hier. Dann müsste ich mich nicht mit Abschaum wie dir herum schlagen!“ Schrie ich so laut über den Schulhof, dass nun auch die anderen Schüler auf mich aufmerksam wurden. Leider alles bloß Mischlinge, da die reinrassigen ihre Kinder wesentlich lieber unter ihresgleichen sehen, oder zuhause unterrichteten.
Knurrend sprang ein kleines Kätzchen mit spitzen Reißzähnen vom Baum. „Wie hast du mich genannt?“ Auch rund herum hörte ich teilweise Knurrende Schüler und welche die ihre Augenfarbe der jeweiligen überwiegenden Art veränderten.
Zornig auf meine Eltern, dass sie mich hier her geschickt haben, obwohl ich ihnen sagte, dass ich wie ein Aussätziger behandelt werde. Zornig auf Lindsey, die ein Menschwesen ist, da sie mich immer ganz offen schikanieren muss, mir auflauert und gemeine Sachen zu mich sagt. Und selbstverständlich zornig auf mich selbst, da ich schwach bin, mich noch nicht durchsetzen kann... griff ich nach meiner Elementarenergie und schleuderte sie alleine durch meinen Willen mit aller Kraft auf Lindsey.
Da Lindsey es noch nicht beherrschte zu dieser Zeit, Magie zu fühlen und zu lernen wie man sie abblockte, traf mein Zauber sie mit aller Kraft. Dornenranken und Efeu schlossen sich um ihren Körper. Schreiend und fauchend versuchte, sie sich durch meine Magie zu winden, ihr zu entkommen, und schnellst möglichst einen sicheren Platz zu finden, doch meine Magie war schneller. Meine Ranken erwischten sie am Bein, zogen sie zurück auf den Boden, wo sie jämmerlich maunzte, während sie unter meiner Macht verloren ging.
„Teraz!“ Erklang die strenge Stimme des Rektors vom Kirchenturm zu uns herab. Mit seinen breiten Schwingen glitt er geschickt durch die Luft und landete direkt neben meinen wütenden Ranken. „Zieh sofort deine Magie zurück!“ Schrie er mich wuterfüllt an.
„Aber sie hat doch...“ Begann ich mich zu verteidigen. „Zieh sie zurück, du tötest sie doch noch!“ Mittlerweile stand Panik in den Augen des Direktors. Die Schüler, welche bisher das Schauspiel erschrocken beobachtet hatten, kamen bedrohlich näher, sammelten ihre Kräfte gegen mich, denn das einzige was die Magie eines, außer Kontrolle geratenen Hexers stoppt, ist diesen zu töten.

Mein Wecker läutete. Ich hatte ihn darauf eingestellt, dass er mich alle zweieinhalb Stunden daran erinnerte, dass ich nach dem Bann der um die, bereits verrückte, Fee im ersten Stock lag, erneuerte. Wie jeden Tag schenkte sie mir nicht einmal einen Blick, sobald ich das Zimmer betrat. Geübt wechselte ich den Einlauf ihres Mannes, säuberte ihn und strich, mittels Magie, die Decke wieder glatt. Unbeweglich schlummerte er in einem tiefen Traum vor sich hin, während seine Frau, in ihren eigenen Gedanken gefangen, auf einem Schaukelstuhl einige Meter entfernt von ihm, über diesen wachte.
„Ich werde jetzt deine Gabe langsam versiegeln, Granny.“ Erklärte ich ihr ruhig, senkte langsam meinen Bann um sie herum und begann eine Formel aufzusagen, die ich bereits auswendig gelernt hatte.
Gestern war ein junges Mädchen hier gewesen, mit ihrem Wächter. Edelle Black.
Den Namen hatte ich bereits murmeln gehört. Zumindest den Namen ihrer Schwester Coria Black, die Erstgeborene. Als nun die Zweitgeborene plötzlich vor meiner Haustüre gestanden hatte, wurde mir klar, dass irgendetwas schief gelaufen sein musste. In der >Unterwelt<, wo der so genannte >Schwarzhandel< betrieben wurde für Hexer wie mich, so wie andere >Abtrünnige<, munkelte man bereits lange darüber, dass sie etwas besonderes sein solle. Wie das jedoch aussah, wusste wiederum niemand.
Bisher hatte ich es immer bloß für ein Gerücht gehalten, doch in ihr schlummerte alles andere als bloß die Macht einer Zweitgeborenen. Deshalb bin ich auch so unglaublich schnell verschwunden und direkt zu Selena, der verstoßenen Fee ihrer Tochter gegangen.

„Was suchst du hier, Ted?“ Fragte sie vollkommen desinteressiert, dabei sah sie nicht einmal von ihrem Buch auf. „Hast du die Prinzessin zu deiner Mutter geschickt?“ Kam ich sofort auf das Thema. „Natürlich.“ Antwortete sie kurz, blätterte weiter und nippte an ihrem Entspannungstee.
„Selena, rede mit mir. Wieso hast du sie zu deiner Mutter geschickt? Du weißt, dass sie zu nichts mehr zu gebrauchen ist.“
Unschuldig hob sie die Schultern, ließ sie seufzend wieder sinken und nahm in einer flüssigen Bewegung ihre Brille ab. „Ich wollte sie hier nicht. Was denkst du wohl?“
„Du weißt, dass sie mächtig ist, oder? Wieso hast du dir nicht helfen lassen?“ So dumm konnte sie wohl kaum sein. Wäre Selena eine vollkommen erwachte Fee, würde ihre Mutter endlich wieder einen Grund zum Leben finden. „Granny hätte es sich für dich gewünscht, Kleines.“
Wütend funkelte sie mich an, wie immer wenn ich sie >klein< nannte. „Mir egal was sie gewollt hätte. Sie hat sich für diesen Nichtsnutz von meinem Vater entschieden.“
Wie es dazu kam, dass Selena und ihr Vater sich zerstritten hatten, habe ich nie erfahren dürfen. Ich konnte mich recht gut daran erinnern, wie nahe sie sich standen, er hat sie vergöttert und auf Händen getragen. Selena ist mit Abstand das beste, was ihm jemals passieren konnte.
Erschöpft atmete ich tief durch, nahm Platz auf einem frei gewordenen Stuhl und detete auf einen Stapel Papiere. „Hast du denn wieder etwas für mich gefunden?“
Selena nickte, schob ein Lesezeichen zwischen zwei Buchseiten und legete es sorgfältig zur Seite, als könne es kaputt gehen. Danach lehnte sie sich vor und reichte mir einen kleinen Notizblock weiter. „Bisher haben wir uns in den letzten Jahren bloß auf Totenmagie und Zeitübergreifende fokussiert. Dieses Mal habe ich etwas andere.“
Genervt stieß ich einen Laut der Ablehnung aus. „Im ernst? Du hast nichts Neues für mich?“ Enttäuscht ließ ich den Block auf meine Beine fallen und rieb mir die Schläfen. Das waren eindeutig zu viele Besuche für einen Tag.
„Ted! Jetzt schau zumindest einmal hinein. Das könnte eine längerfristige Lösung sein.“ Stachelte sie mich an, rutschte vor, bis sie den Block erreichte und schlug ihn für mich bis zur letzten Seite auf.
Irritiert betrachtete ich die kunstvolle Zeichnung, die Selena offenbar abgepaust haben musste und wunderte mich über die wohl bekannten Schriftzeichen. „Das ist ein Vergessenszauber. Was soll ich damit?“ Motzte ich sie an.
Als wäre ich schwer von Begriff deutete sie auf ihren Kopf. „Was Mum nicht kennt, kann sie nicht vermissen.“ Dabei zog sie ein Gesicht, als wäre dies völlig offensichtlich gewesen.
Langsam erhellten sich meine Gedanken und ich verstand, auf was sie hinaus wollte. „Dann könnten wir... eigentlich überhaupt keine schlechte Idee.“

Somit reiste ich wieder zurück, rettete die lebensmüde Prinzessin vor einem fatalen Fehler und erfuhr auch gleich von ihr von den >Schatten
Jetzt, gut einen Tag später, hatte ich zwar die Schatten vertrieben, was diesen Ort gleich wieder etwas heller wirken ließ, doch zweifelte immer noch an dieser Idee. Bisher hatte ich Zeit, um zu überlegen, wie ich es am besten anging. Zuerst würde ich ihr die Erinnerung an die Zeit mit ihrem Mann nehmen, ihr einreden, dass er bereits vor langer Zeit gestorben ist und sie deshalb, aus Trauer, sich zurückgezogen hätte. Sie wird eine Einsiedlerin sein, die bloß mich, so wie Selena kennt. Wir werden ihr die Sachen bringen, welche sie benötigt und dieses Zimmer abgesperrt lassen. Für das was hier drinnen geschah, werden wir selbst verantwortlich sein, immerhin konnten wir Selenas Vater schlecht sterben lassen. Zumindest nicht für dieses Jahr.
Stirbt ein Gefährte, folgt der andere ihm. Vermutlich wäre es, besser sie beide endlich ruhen zu lassen, doch irgendwie scheint Selenas Mutter irgendeine Art Sperre dagegen zu haben. Ob sie sich selbst verhext hat, oder verhexen hat lassen?
Schon wieder waren meine Gedanken abgedriftet. Das passierte mir viel zu oft, was umso öfter dazu führte, dass mir irgendein Ungeschick passierte, ich gegen irgendetwas lief, etwas fallen ließ, oder irgendeine Frage vergaß.
Was wollte ich eigentlich noch einmal?
Oh! Ja, vergessen. Kopfschüttelnd sammelte ich mich, drang in den Kopf der Fee ein und vollführte dabei ein wahres Wunder. Zumindest hatte ich es vor.
Dank meiner Vorbereitungen hatte ich recht viel Zeit verbraucht. Immerhin hatte ich alles, was auf ihren Mann hindeutete und eventuell ihre Erinnerungen wecken könnte wegsperren müssen und überlegen, was ich ihr als Hobby bieten könnte. Immerhin ist sie eine Fee in ihren besten Jahren, welche in Zukunft bloß Selena und mich an sie heranlassen solle.
Abermals zog die Magie, etwas ungeduldiger an mir. „Ja, ja.“ Meckerte ich genervt, zog meinen Bann wieder hoch und gab dem Drängen meines eigenen Zaubers nach.
Innerlich fluchend, dass die Prinzessin ein unglaublich schlechtes Timing hat, ließ ich mich in meine Magie sinken und von ihr weit entfernt von Idaho bringen. Noch im Verbindungstunnel, durch welchen ich immer reise, zog ich einen Umhang mittels Magie über, der nicht bloß meine Statur unkenntlich machen sollte, sondern auch mein Gesicht gezielt verdeckte. Sollte dies doch eine Falle, welcher Art auch immer sein, konnte man wenigstens nicht mich verdächtigen. Immerhin gibt es schwarze Magier wie Sand am Meer. Mehr oder viel eher weniger.
„... eine wesentlich bessere Menschenkenn...“ Hörte ich in einem Moment noch eine mir unbekannte Stimme, bevor ich auch schon genau zwischen zwei Frauen den Boden wieder berührte.
Irritiert betrachtete ich einen Moment die blauhaarige, welche mit offenen Mund da stand und mich anstarrte, als wäre ich ein Geist, dann blickte ich zur anderen Seite, wo Prinzessin Edelle, wesentlich gefasster stand.
Nach einem prüfenden Tasten mittels meiner Magie, erkannte ich, dass die beiden Mädchen sich recht nahe an den Zauber herangewagt hatten. „Ihr solltet wohl besser weiter zurücktreten.“ Mahnte ich die beiden, woraufhin die blauhaarige sofort zu ihrer Prinzessin rannte um sie von mir fortzuzerren. Offenbar hielt sie mich für eine Gefahr, gut so.
Nur am Rande nahm ich wahr, wie die beiden über jemanden namens >Elf< oder so ähnlich sprachen. Da sie sich regelrecht in ein Streitgespräch verloren überlegte ich, was genau nun von mir erwartet wurde. Sollte ich hier nun den Schiedsrichter geben, oder doch den bösen Hexer?
Ich entschied mich innerlich den Kopf schüttelnd, für Letzteres und setzte meine Magie an die Wand an, welche in ihrem Inneren die Zeit verbog. Ich brauchte lediglich leicht dagegen drücken, da fiel sie auch bereits in sich zusammen. Das war alles? Dies soll der Bann gewesen sein, welcher eine Prinzessin mit ihren Mächten davon abhielt hindurch zu spazieren? Ich wurde doch in einen schlechten Scherz hinein gezogen, oder?
Verärgert trat ich auf die beiden, immer noch Streitenden, zu. „Seid ihr sicher, dass hier der Bann ist?“ Fragte ich, während ich nebenbei die geknurrt Drohung der Menschwandlerin >überhörte<.
Offensichtlich verunsichert, nickte die Prinzessin. Hatte sie etwa plötzlich wieder Angst vor mir? Am Schluss unserer letzten Begegnung hatte ich das Gefühl bekommen, dass sie keine Angst mehr hatte. Wer verstand Frauen denn schon?
Vielleicht sollte das hier bloß eine Ablenkung sein. Am besten ich führte die beiden zu dem Ort, an welchen sie wollte, nicht das sie noch in eine andere Falle stolperten. „Kommt mit.“ Mit rauschenden Mantel wandte ich den beiden den Rücken zu, im Wissen, dass sie mir folgen würden.

 

- - - - -

 

Nach gut einem Kilometer hörte ich den Menschwandler hinter mir bedrohlich knurren. Bisher war sie ständig zwischen der Prinzessin und mir gegangen, auch ließen sich die beiden immer mehr zurückfallen, was ich jedoch schweigend hinnahm. Sollen sie doch hier im Wald verloren gehen. Es geht mich ja doch nichts an. „Willst du unbedingt in den Zauber hinein laufen?“ Ein Menschwandler der noch nicht gelernt hatte, wie man Zauber aufspürte? So etwas gab es selten. Im Kindesalter verständlich, doch die blauhaarige wirkte durchaus erwachsen genug auf mich, um diese Fähigkeit ausgebildet zu haben. „Wir sind bereits mittendrin, falls du es nicht bemerkt haben solltest.“ Ich konnte mir einen gewissen Unterton einfach nicht verwehren.
Sie fauchte verärgert und begann mich zu beschimpfen, wie man es bloß selten gerne hörte, daher beruhigte ich sie eilig wieder. Immerhin wollte ich, was auch immer sie für ein Menschwesen ist, nicht unbedingt zu einem Kampf heraus fordern. Bei meinen letzten, als Kind, hatte ich bereits genug Narben davon getragen. „Beruhige dich, Menschwesen.“ Dafür dass sie eine Wächterin ist, ist sie relativ leicht reizbar. Nicht unbedingt eine gute Voraussetzung. „Der Zauber ist so schwach gewesen, dass er alleine schon unter meinem Tasten zusammen gebrochen ist. Offensichtlich hat es euer geschätzter Freund vernachlässigt den Schutz zu erneuern.“
Augenwinkel erkennen, dass sich ihre Augen wieder >normalisierten<, insofern man diese menschliche Fassade >normal< nennen konnte.
„Wie lange hält so ein Zauber?“ Fragte Edelle Black offensichtlich interessiert nach.
„Kommt auf die Fee an. Auf ihr Talent, welche Hilfsmittel sie benutzt hat. Besonders bei Mischlingen kann man bloß von Stunden bis hin zu Wochen ausgehen.“ Diese Antwort schien sie nicht wirklich hören zu wollen.
„Bestimmt ist er bloß unterwegs. Wir warten einfach auf ihn in seinem Haus.“ Hörte ich hinten Edelle ihrer blauhaarigen Wächterin vorschlagen. Jedoch schien die Wächterin überhaupt nicht mehr zuzuhören. Sie rauschte einfach unvermittelt an mir vorbei, was mir einen Schauder über den Rücken jagte. Diese Geschwindigkeit von Menschwandler konnte ich bis heute noch nicht leiden. An ihr Geschick, so wie ihre Kraft hätte ich damals beinahe mein Leben verloren.
Edelle Black holte zu mir auf, bis sie mit mir gleichauf war und rief nach der Wächterin. „Lissy? Wo läufst du denn hin?“ Zwar kam keine Antwort, doch fanden wir bloß einige Schritte weiter den Rucksack, welchen die Menschwandlerin bis eben noch getragen hatte, so wie deren Jacke.
Sie muss sich verwandelt haben und wenn sich eine Menschwandlerin verwandelt, dann bloß weil man sie geärgert hat und wütend wurde, oder wenn Gefahr in Verzug war. Ich tippte einfach einmal auf Letzteres. „Bleibt lieber zurück, Prinzessin. Offenbar hat Eure Wächterin etwas gewittert.“ Warnte ich diese, als sie sich zu den Liegengelassenen Sachen hinab beugen wollte und hielt sie auf, den Rucksack mit zu nehmen, indem ich meine Hand auf ihre Schulter legte.
Sichtlich verwirrt blickte sie zu mir zurück, doch ich hatte jetzt keine Zeit sie aufzuklären. Ich wurde erzogen eine Prinzessin, meiner Art zu beschützen, wenn es die Situation erfordert. Selbst als Schwarzmagier folgte ich dieser Regel noch immer strickt, obwohl man nicht unbedingt sagen konnte, dass die Zweitgeborene bereits meiner Art angehörte. Ich wollte jedoch nicht der Grund sein, weshalb es eventuell niemals dazu kommen würde. Außerdem, wenn ich die Prinzessin beschützte und sie meine Königin wird, dann könnte sich das eines Tages für mich auszahlen. Immerhin hatte ich nicht vor für immer ein Schwarzmagier zu werden. Meine Kräfte bezogen sich viel mehr auf die Natur, das Erdreich, als auf den Tod.
„Was denkst du, hat sie gerochen?“ Fragte sie nach einem Moment nach.
Anstatt zu antworten, zog ich mein Magierschwert hervor. Ich trug es immer am Gürtel und für normale Augen sah es aus wie ein Schlagstock, höchstens als etwas, dass man einfach nur zur Zierde an seinem Gürtel trug um gefährlich zu wirken. Als ich jedoch leise die Worte sprach, welche das wahre Aussehen meiner Waffe offenbarte, wurde es zu einer Tetoanea. Nicht unbedingt eine typische Magierwaffe, denn sie war gut neunzig Zentimeter lang, wobei Magier sich eher auf Stichwaffen mit höchstens fünfzig Zentimeter verließen. Zudem besaß sie keine glatte Klinge, sondern so genannte Reißzähne, die dem Gegner üble Stellen heraus reißen konnten. Die Klinge selbst bestand aus einem dunklen Metall, war verzaubert, sodass es niemals brechen, rosten, oder stumpf werden konnte. Der Knauf wies einen braunen Stein auf, welcher auf meine natürliche Begabung hinwies.
„Das werden wir gleich herausfinden.“ Beantwortete ich die Frage der Prinzessin und trat mit ihr zusammen aus dem Wald. Das sah nicht wirklich gut aus. Stellte ich innerlich fest.
Auch wenn ich bei den Engeln von der Vorliebe alter Dinge durchaus wusste, konnte ich mir kaum vorstellen, das sie seit neuesten auch begannen alte, tief gefrorene Leichen im Vorgarten zu sammeln. Selbst wenn, würden sie diese bestimmt eher zur Abschreckung gut sichtbar aufstellen und nicht als Leichenspur auf dem Boden liegen lassen.
Ich ging einfach einmal davon aus, dass es hier einen großen Kampf gegeben haben musste. Jedoch wer hatte hier angegriffen und noch wichtiger. War die von uns gesuchte Person dabei?
Überrascht stellte ich fest, dass es sogar das Haus des gesuchten Halbengels getroffen hatte. Es war bis zu den Grundfesten abgebrannt worden, bloß noch schwarze Ruinen schienen übrig geblieben zu sein und demonstrierten vage dessen früheren imposanten Anblick. Irgendwie schade, denn ich mochte diese Art von Häusern.
Mein Blick wurde irritiert vom Haus fortgezogen, als mir herumliegende Kleidung auffiel. Unterwäsche einer Frau, ein Pullover, Shirt so wie eine Hose. Ich erkannte, zumindest die Hose, wieder, denn sie gehörte zu der blauhaarigen, welche im Moment, alles andere als blau war. Ihr geschmeidiges Fell blitzte zwischen einzelnen Leichen golden auf und schuf damit einen extremen Kontrast zu ihrer Umgebung.
Nun nahm ich auch wahr, dass sie ein Gepard sein musste, wobei die fehlenden Tränenspuren unter den Augen, so wie die rotbraune Schwanzspitze verriet, dass sie ein Mischling ist.
Schluckend stand ich einen Moment da und hielt inne, während die Prinzessin auf ihre Wächterin zu ging. Nachdem sich bei mir der erste Schreck gelegt hatte, war ich noch einmal froh den magischen Umhang über gezogen zu haben. Er schützt nicht bloß vor physischen Angriffen, sondern auch davor, dass ich mich lächerlich machte. Niemand mochte ängstliche Männer oder gar ängstliche Hexer.
„Sie sind bereits seit Tagen tot.“ Sagte Edelles Wächterin gerade, als ich die die beiden wieder auf geholt hatte und neben ihnen zum stehen kam.
„Was ist hier passiert?“ Fragte die Prinzessin verängstigt.
Da Lissy, die Wächterin, versuchte, die Wahrheit etwas abzuschwächen. „Gael scheint sich ausgetobt zu haben.
So wie die Leichen aussahen, waren sie tatsächlich von einem langen Schwert aufgespießt oder zerteilt worden zu sein. Eine typische Waffe für Engel.
„Gael!“ Schrie Edelle aus heiterem Himmel so laut, dass ich sogar sichtbar zusammen zuckte. Verdammt diese Prinzessin hatte ein Organ, auf welches ich keinesfalls neidisch war. Vorwurfsvoll warf ich ihr einen Blick zu, den sie bestimmt gespürt haben muss, doch sie ignorierte mich einfach und begann sich einen Weg durch die Leichen zu bahnen, in dem sie elegant darüber hüpfte.
Sofort folgte ich ihr, weniger elegant, während unter meinen dicken Springerstiefel gefrorene Teil gefährlich knirschten. Sie lief auf den Rest einer Eingangstüre zu, welche dem Brand zum Opfer gefallen war, vielleicht auch so etwas wie einer Bombe denn ich konnte selbst aus einiger Entfernung noch Teile davon sehen.
„Gael! Ich bin es Dell!“ Schrie sie in die Ruine hinweg, doch bloß ihr Echo antwortete ihr und wurde über den Platz hinweg getragen.
Jetzt musste es aber wirklich jeder gehört haben! Hoffentlich war kein Feind mehr in der Nähe, sonst würde uns diese selbstmordgefährdete Prinzessin, die auch noch auf den Hals jagen.
Auch die Wächterin war Edelle Black gefolgt, kein Wunder. Jedoch reckte sie nun ihre Nase in die Luft und witterte etwas. „Hier riecht es nach verbrennenden Fleisch.“ Flüsterte sie mahnend zu mir, um ihre Prinzessin nicht zu verängstigen. „Wir sollten auf einen Kampf vorbereitet sein, jedoch kann ich nichts Magisches in der Nähe fühlen. Euer Engel dürfte wohl nicht hier sein.“ Mahnte ich sie. Nickend stimmte diese zu und deutete mir Edelle auf den Fuß zu folgen.
„Dell! Warte doch.“ Rief Lissy der bereits wieder eilig verschwindenden Prinzessin hinterher. Mittlerweile hatte ich ein ganz übles Gefühl, was diesen Ort hier anging.
„Dell, es könnten noch Feinde in der Nähe sein!“ Warnte das Menschwesen noch einmal dringlicher, während wir unsere Schritte beschleunigten. Sofort wurde die Prinzessin langsamer, obwohl sie regelrecht ungeduldig wirkte. Ob sie etwas fühlte, was wir übersahen?
Im nächsten Moment verschwand die Prinzessin übermütig hinter der hintersten Hauswand, zumindest hinter dem Teil, welcher noch einigermaßen sicher stand, woraufhin die Wächterin und ich einen besorgten Blick wechselten. Hoffentlich verstand sie mich auch, ohne meine Augen genau sehen zu können.
Offenbar schon, denn gleichzeitig liefen wir los, da Panik in uns ausbrach. Derzeit war es unser beider Pflicht die Prinzessin zu beschützen. Was die Beweggründe der Wächterin waren, konnte ich nicht sagen, doch meine Erziehung verlangte es, mein Gewissen ebenso.
Als wir bloß einen Moment nach der Prinzessin um die Ecke bogen, stockte nicht bloß mir der Atem. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Ein riesiger Scheiterhaufen vollgestopft mit Leichen ragte bis zu zwei Meter vor uns auf, wobei die Flammen doppelt so hoch loderten. Neben diesem Scheiterhaufen offenbarte sich jedoch der eigentliche Schrecken. Es war der Engel selbst. Durch seinen Bauchraum war ein, zwei Meter lange Lanze gestochen worden, der einzige Grund weshalb er noch so etwas wie aufrecht stand. Der Brustkorb war vollkommen geöffnet worden, als wolle man sicher gehen, dass der Engel auch wirklich tot war und sich niemals wieder würde regenerieren können.
Neben mir schrie Lissy ihre Prinzessin an, wollte zu ihr laufen um sie vor dem Anblick zu schützen, doch ich hielt sie am Arm fest. Fauchend tötete sie mich regelrecht mit ihren Blicken, aber dies war mir in diesem Moment egal. „Lass mich sofort los. Ich muss...“
Sie verstummte, denn jetzt bemerkte sie die Angreifer auch selbst. Zwischen den Baumreihen standen sie und schienen auf irgendetwas zu warten. Nun verstand ich auch, weshalb ich nichts in der Umgebung gefühlt hatte. „Wir müssen dringend hier weg.“ Befahl ich streng. „Edelle! Edelle, wir müssen sofort hier weg!“ Schrie Lissy abermals, doch die Prinzessin ging kraftlos auf die Knie. Ihr schien jeglicher Lebenswille genommen worden zu sein.
Im nächsten Moment brach ein heller Schrei aus Edelles Mund hervor. Stach in meine Ohren, so wie in die des Menschwesens und wurde über den Platz hinweg getragen, wie der Todesschrei eines Kreischers. Vor schmerzen ging ich zu Boden, wurde für einen Moment orientierungslos und konnte schwören etwas warmes an meinen Ohren zu fühlen.
Genauso plötzlich wie der Schrei begonnen hatte, endete er auch wieder. Dies war der Moment, in dem die bisher getarnte Armee aus den Wäldern hervor brach, als würde es danach keinen Morgen mehr geben.

2. Elths Gefährtin

Lissy: 

 

Nein! Alles umsonst. Wie hatte das bloß passieren können? So lange waren Elth und Dell überhaupt nicht fort gewesen. Oder sollte man lieber: Zum Glück sind sie nicht hier gewesen? Immerhin lagen auf dem ganzen Anwesen verteilt gut über hundert Tote. Um sie herum war der ganze Boden voller Patronen, der Geruch von Verwesung, Blut so wie Feuer lag in der Luft. Es gab keinen einzige Körper, der nicht vollkommen in rot getränkt war und blau erstarrt. Sie alle hatten es nicht geschafft, aber darüber war ich auch ganz froh, besonders da sie offensichtlich zu den Feinden zählten.
Keiner von ihnen trug Ausweise, niemand kam mir bekannt vor, auch konnte ich keine Anzeichen auf ihre Art erkennen. Niemand von ihnen trug eine Magierwaffe, lag nackt herum, oder war in seiner Verwandlung stecken geblieben. Damit konnte ich alles von Magier, über Menschwesen und Werwandler ausschließen. Feen würden niemals mit menschlichen Waffen kämpfen, Gargoyles wären nicht so zahlreich, geschweige denn menschlich erscheinen. Vielleicht Vampire? Aber dann müssten sie blutleer da liegen. Oder zumindest stärker verwest.
Das ergab überhaupt keinen Sinn.
Klar war jedoch, dass sie es auf Dell abgesehen haben müssen, niemand wäre so dumm bloß einen Halbengel zu töten, oder ihn vielleicht sogar wegen seiner Flügel zu jagen. Da hätte man ihm viel eher eine Falle gestellt, und niemals so frontal angegriffen. Nein, das Ziel war definitiv Edelle gewesen. Doch weshalb wollte jemand seine zukünftige Königin loswerden?
Besorgt wollte ich zu Dell laufen, ihr den Anblick ersparen, ihren ehemaligen Mentor und noch dazu eine geliebte Person derart verstümmelt zu sehen, doch der schwarze Hexer hielt mich am Arm fest. Fauchend wandte ich mich ihm zu. Hatten ihn nun endgültig alle guten Geister verlassen? Wieso hielt er mich am Arm fest? Gleich würde ich ihm die Hand abreißen. „Lass mich sofort los. Ich muss...“
Ein knacken im Unterholz hinter mir, brach meinen Redefluss. Nun verstand ich auch, weshalb er mich aufhielt. Entsetzt stellte ich mehrere Herzschläge fest, welche sie eilig näher bewegten. „Wir müssen dringend hier weg.“ Befahl der Schwarzmagier mit strenger Stimme und entließ meinen Arm aus seinem festen Griff.
Er hatte recht. Edelles Leben war das einzige, was zählte. „Edelle!“ Schrie ich sie heiser werdend an. „Edelle, wir müssen sofort hier weg!“ Jedoch reagierte sie auf mein panisches Geschrei überhaupt nicht, sondern sank am Boden zerstört auf ihre Knie. Erschrocken unterdrückte ich einen Schmerzensschrei, als Dell einen unbändigen Schrei ausstieß, welcher meine Verwandlung ins Schwanken brachte. Einen Moment kämpfte ich mit meinem empfindlichen Gehör gegen den Schrei eines Kreischers an, denn offensichtlich hatten ihre Instinkte wieder einmal die Kontrolle über sie genommen. Aus der Entfernung konnte ich fühlen, dass einigen Angreifern, welche zu nahe an uns herangetreten waren, das Gehirn platzte. Zum Glück lenkte Dell ihre Stimme nicht auch auf uns, ansonsten könnte dies wirklich unschön für mich ausgehen, obwohl mir bereits jetzt der Schädel brummte.
Genauso schnell wie Dell begonnen hatte zu schreien, hörte sie auch schon wieder auf und blieb bewegungslos im Gras knien. Meinen Gehörsinn hatte ich auf die Angreifer ausgerichtet, die alle lediglich bloß noch auf einen Befehl über Headset gewartet hatten. „Angriff. Tötet alles, was euch im Weg steht, aber die Prinzessin brauchen wir lebend.“
Das war auch der Moment, in dem sie losstürmten. Aus den Gebüschen und von den Bäumen kamen sie gestürmt, begannen mit Kugeln auf uns zu schießen, doch bewegten sich trotz ihrer Menge beinahe lautlos über das Feld. Gleichzeitig mit den Schüssen, zog der Schwarzmagier einen Bann um Edelle herum auf, welcher braun schimmerte, dann wurde ich auch bereits herum gerissen und etwas schwarz wie die Nacht umfing meinen ganzen Körper.
Als wäre ich in einem schwarzen Loch gefangen, spürte ich einen warmen Atem auf meinem Haar und ein knochiger Körper, presste sich unsanft an meinen. Sofort verstand ich, was passiert ist. „Nein... Nein, nein, nein, nein! Wir können Edelle nicht alleine lassen.“ Stieß ich hervor und wollte mich gegen den >Abtransport< wehren, doch konnte ich mich keinen Millimeter bewegen. Generell konnte ich nichts bewegen, außer meinen Mund.
„Ich habe einen Schutzwall errichtet. Er wird halten gegen die Fernwaffen.“
„Aber...“ Wollte ich protestieren, doch im nächsten Moment stand ich, umgeben von Büchern in einem mir völlig fremden Zimmer. „Wo sind wir?“ Fragte ich den Hexer, der mich bereits wieder aus seinem Griff entließ, wobei er jedoch darauf achtete, dass ich auch wirklich stehen blieb. Verdammte Reisezauber!
„Stell nichts Dummes an.“ Hörte ich bloß noch des Hexers Stimme, dann verschwand er auch bereits wieder in einem Loch.
„Lissy? Was tust du denn hier?“ Irritiert starrten Selena und ich uns an. Keine von uns beiden konnte die Situation richtig einschätzen, immerhin stand ich kampfbereit in ihrem Haus. Uneingeladen.
„Ich... Dieser Hexer hat mich... Und da waren so viele Menschen....“ Stammelte ich zusammen, doch wusste, dass es überhaupt keinen Sinn für sie ergab.
Abschätzig schüttelte sie den Kopf. „Wo habt ihr Ted denn da schon wieder hinein gezogen?“ Tadelte sie mich. Wer ist Ted?
Die unausgesprochene Frage wurde jedoch beantwortete, als der Magier in einem Schwarzen Loch, mit Edelle im Arm wieder vor mir erschien. Ohne auf den Protest von Selena zu achten, warf er einen der viel zu hohen Bücherstapel einfach um, sodass eine geeignete Liegefläche für Dell entstand auf der Bank und bettete sie bequem.
Das war auch der Moment, in dem ich mein Verstand wieder fand. Schnell lief ich an Edelles Seite und umfasste ihr kalkweißes Gesicht. Schock! Sie stand unter Schock. Ihr Atem ging hektisch, ihre Pupillen waren erweitert und sie reagierte auf nichts. „Dell! Süße ich bin es.“ Versuchte ich sie zu erreichen. „Komm zurück, Elth braucht dich doch noch.“ Ich konnte nichts gegen den leicht vorwurfsvollen Unterton machen, doch selbst diesen schien sie nicht wahrzunehmen.
„Ich...“ Der schwarze Hexer neben mir stöhnte schmerzhaft. Verunsichert sah ich zu ihm und erkannte, dass sich sein Magierumhang langsam auflöste. Von unten her verlor er seine Energie und legte nach und nach den Blick auf zwei dürre Beine frei, welche in engen Hosen saßen. Immer höher konnte ich sehen, auch die blutrote Stelle welche sich gut sichtbar unterhalb seines rechten Rippenbogens immer weiter ausbreitete.
Erschrocken sog nicht bloß ich die Luft ein, als der Magier plötzlich vornüber kippte und das Bewusstsein verlor. Eilig fing ich seinen magern Körper auf, damit er nicht auf die Prinzessin fiel und legte ihn vorsichtig auf dem Boden, vor der Bank ab. Seinen Kopf bettete ich nach hinten geschoben, sodass seine Atemwege frei lagen. „Halt ihn fest.“ Befahl ich Selena, die noch unter Schock stand. Offenbar bekam sie die Situation noch weniger auf die Reihe als ich.
„Selena!“ Brüllte ich den Feenmischling an. Erschrocken zuckte sie zusammen, schüttelte ihre Starre ab und löste mich ab. Sofort sprang ich über dem Körper vom Schwarzmagier hinweg und schob sein völlig durchtränktes, ehemals, graues Shirt hoch. Darunter fand ich jedoch etwas, was mich schaudern ließ.
Nicht bloß sein Körper war mager, als hätte er über Jahre hinweg eine Diät gehalten, auch waren Narben auf seinem gesamten Oberkörper, zumindest so weit wie ich sehen konnte, verteilt. Rosa schimmerten diese, als wären sie noch frisch, doch wirkten ebenso bereits verjährt. Diese Wunden mussten tief gewesen sein, auf welchen Kampf hatte er sich da bloß eingelassen?
„Jetzt hilf ihm doch!“ Brüllte mich Selena an. Sie schien bereits öfters etwas gesagt zu haben, doch der Anblick von seinem heruntergekommene Körper hatte mich ein wenig schockiert. Ab diesem Zeitpunkt empfand ich Mitleid mit ihm.
„Ja, schon gut.“ Murrte ich und konzentrierte mich völlig auf die neu entstanden Wunde. Es war eine Schusswunde, doch wieso? Magierumhänge sollten so etwas eigentlich blocken. Vielleicht hat einer der Menschen ein Schlupfloch gefunden? Eilig zog ich die Wunde auseinander und entlockte dem Hexer damit einen schmerzerfüllten Laut. „Das wird jetzt richtig weh tun.“ Warnte ich ihn vor, doch er schien es überhaupt nicht zu bemerken. Einzig Selena reagiert schniefend, indem sie seine Arme auf den Boden drückte und mir selbstsicher zunickte.
Aus dieser Frau würde ich niemals schlau werden. „Verzeih mir.“ Flüsterte ich leise und drang mit zwei Finger in die Schusswunde ein. Wie zu erwarten schrie er fürchterlich auf. Von den Schmerzen angetrieben wölbte er seinen Körper, kämpfte sogar mit seinen Beinen gegen meine Behandlung an, aber was sollte ich denn auch anderes tun? Ich konnte die Kugel schlecht drinnen lassen und wegen einer Vergiftung musste ich mir schon gar keine Sorgen machen, da mein Speichel so etwas ganz einfach heilte.
„Da!“ Triumphierte ich begeistert und zog den kleinen Übeltäter heraus. Sobald die Kugel den Körper des Magiers verlassen hatte, stöhnte er erleichtert auf.
„D... ke...“ Kam es erschöpft von ihm. Lächelnd sah ich dem Magier nun zum ersten Mal in die dunkelblauen Augen. Auch seine Wangen schienen eingefallen zu sein, unter seinen Augen trug er dunkle Ringe, vermutlich von Schlafmangel und seine fülligen Lippen waren völlig zerbissen.
Erschrocken zuckte ich vor dem Hexer zurück. Schwarze Haare, dunkelblaue Augen, viele Narben am Körper und diese... Lippen. „Teraz?“ Stieß ich ungläubig hervor. Für einen Bruchteil einer Sekunde musterte mich der Hexer aus meiner Kindheit verwirrt, dann glitt er auch schon erschöpft in Ohnmacht.
Das konnte doch nicht wahr sein, oder? Nein, ich irre mich. Der Teraz den ich kannte, würde niemals zu einem Schwarzmagier werden... obwohl, wer sagt denn, dass sich bloß Menschen ändern, wenn sie älter werden?
Kopfschüttelnd verdrängte ich meine aufkeimenden Erinnerungen, denn im Moment waren sie völlig fehl am Platz, wenn sie damit riskierten, dass Edelles Retter wegen mir Verblutete. Eilig beugte ich mich über seine offene Wunde und steckte meine Zunge hinein.
Da er bewusstlos war, dieses Mal endgültig, bekam er zu seinem Glück nichts mit und ich konnte die Wunde von innen nach außen heilen, auch wenn ich danach aussah wie ein unkontrollierter Vampir nach einem kleinen Snack.
Angewidert wischte ich mir das metallisch schmeckende Blut aus dem Gesicht und betrachtete verwirrt die Szenerie. Edelle lag immer noch völlig regungslos neben uns auf der Couch und blickte mit geweiteten Augen hoch zur Decke.
Selena sprach beruhigend, auf den bereits erwachenden Hexer ein, streichelte seinen Kopf und versuchte dabei ständig ihre Tränen fortzuwischen, bevor sie ihm auf die Stirn fallen konnten.
Armes Mädchen. Sie musste sich wirklich sorgen um ihn gemacht haben. Ob die beiden zusammen waren? Zumindest ließ das Verhalten der Halbfee mich darauf schließen.
„Scheiße...“ Stöhnte der Schwarzmagier, als er sich langsam wieder aufsetzte und seinen Kopf hielt, als wäre dort die Hölle losgebrochen. Verstehen konnte ich es ja, mir ging es ähnlich nach dem Schreiangriff von Dell. Nun verstand ich wenigstens, weshalb Dell so dringend einen Mentor brauchte.
„Oh, Ted! Dir geht es gut! Ich hatte ja so Angst um dich.“ Weinte die Halbfee völlig aufgelöst und viel dem immer noch geschwächten Hexer um den Hals. Sichtlich irritiert von deren Zuwendung, klopfte er ihr ungeübt auf den Rücken, als würde er diese tröstende Geste zum aller ersten Mal probieren. „Tu mir so etwas nie wieder an. Hast du das gehört?“ Vorsichtig schob sie den Magier weg von sich, umfasste seine ungesund wirkenden Wangen und musterten ihn voller Sorge.
„Halt die Klappe, kleine. Mein Kopf explodiert gleich.“ Schimpfte er mit ihr und wandt sich aus ihrem Griff.
Okay, also doch kein Paar. Merkte ich und kam zu dem Entschluss, dass mich diese Szene überhaupt nicht zu interessieren hatte. Langsam ließ ich meine Hände über Edelle gleiten und redete sanft auf sie ein.
„Komm schon, Süße. Du musst aus dem Schock erwachen.“ Genauso sanft wie ich die Worte sagte, rüttelte ich sie.
„Was ist denn passiert? Wieso wurdest du angeschossen? Und von wem?“ Selena klang zwar nicht mehr panisch, doch Sorge lag immer noch in ihrer Stimme.
Ungelenk zog sich der Magier auf die Beine, bis er unsicher stand und einen Stuhl in der Nähe anvisierte, auf den er sich seufzend fallen ließ.
„Es waren Menschen.“ Erklärte ich dem besorgten Mischling. Der Schwarzmagier hatte wohl noch mit den Nachwirkungen der Schmerzen zu kämpfen. Etwas was ich ihm schlecht nehmen konnte.
„Was?“ Stieß diese erschrocken hervor. Hätte ich es nicht mit eigenen Augen gesehen, würde ich es auch nicht glauben. „So ein Blödsinn. Wieso sollten Menschen euch angreifen?“
War das nicht offensichtlich? „Sie wollten Edelle?“ Schlug ich ihr sarkastisch vor.
Sofort wurde Selena wieder die alte zynische Zicke, die ich kennen gelernt hatte. Nichts ließ mehr auf das panische Mädchen von eben schließen.
„Ach, was? Als könnten die irgendetwas mit ihr anfangen.“ Zickte sie mich an.
Fauchend wandte ich ihr meinen Blick zu und hoffte, dass sie sofort in Flammen aufgehen würde. „Woher soll ich bitte wissen, für was sie die Prinzessin wollen? Ich war viel mehr, damit beschäftigt dem Idioten da den Arsch zu retten.“
Wütend sprang sie auf. „Ja, nachdem er dich so wie deine, ach so geliebte, Prinzessin gerettet hat.“ Fauchte sie, etwas Menschlicher als ich, zurück.
Knurrend sprang nun auch ich auf. „Hätte er sie etwa sterben lassen sollen? Damit wäre niemandem etwas geholfen gewesen, unbegabter Abschaum!“ Okay, das war wirklich unfair von mir, aber ich habe noch nie gehört, dass eine Frau jemals fair gespielt hätte. Zumindest keine Zickige.
„Bastard!“ Schimpfte sie mich zurück und schien schon auf mich losgehen zu wollen, als der Magier auch schon seinen Arm nach ihr ausstreckte. Mit einem Ruck, der sie sichtlich überraschte, stolperte Selena auf dessen Schoß und wurde ganz rot im Gesicht. Ihre Starre ausnutzend, legte der Magier ihr eine Hand auf die Stirn, woraufhin sie schlafend zusammen sackte.
Ich machte ein abfälliges Geräusch. „Wenn sie sich verletzt, heile ich sie nicht.“ Das meinte ich völlig ernst. Dieser überheblichen Schlampe würde nicht einmal den kleinen Finger reichen, wenn sie in Lava fallen würde.
Sanft legte der Magier seine Freundin auf dem Boden ab und kam auf das Sofa zu. Offenbar hatte er sich einigermaßen erholt. „Macht was ihr wollt, aber macht es leise. Euer Geschrei hält doch selbst der Tod nicht aus.“
Empört wollte ich schon darauf kontern, als er mich einfach zur Seite schob und neben Dell auf die Knie ging. Sanft legte er auch ihr die Finger auf die Stirn. Bloß einen Moment später, sank Dells, bisher angespannter, Körper in sich zusammen und sie schlief ein, wie Selena. Sofort verrauchte mein Zorn und ich kam mir unglaublich dumm vor. Edelle war es doch, die eben ihren Mentor verloren hatte und ich führte hier meinen kindischen Kleinkrieg gegen Selena, bloß weil wir uns nicht leiden konnten.
„Danke.“ Das meinte ich vollkommen aufrichtig.
„Für was denn?“ Fragte er sichtlich irritiert nach, während er genervt das blutige Loch in seinem Shirt betrachtete.
„Natürlich für alles. Du hast uns mehr geholfen, als das es deine Pflicht gewesen wäre. Du hast Dell gerettet und sogar mich. Ich schulde dir in Zukunft etwas.“ Versprach ich ebenso aufrichtig.
Seufzend wandte er mir seinen meerblauen Blick zu, welcher von dunklen Schatten umgeben war und nickte entschlossen. „Es war meine Pflicht, als reinrassiger, dass ich die Prinzessin beschütze. Für das schuldet mir niemand etwas, dies hat etwas mit Ehre zu tun.“ So konnte man es natürlich ebenso sehen. „Was deine Rettung angeht, hast du recht. Du schuldest mir etwas.“
Plötzlich musste ich lächeln. Es war so absurd, wie diese ganze Situation im großen und ganzen. Ich stand hier neben einem Schwarzmagier, anstatt ihn auszuliefern und mir einen Haufen Geld zu verdienen. Neben uns lagen zwei schlafende Freundinnen von uns, während eine davon gerade den zweitwichtigsten Menschen in ihrem Leben verloren hatte.
Wie konnte ich das alles bloß Elth erklären? „Verdammt, das habe ich vergessen!“ Stieß ich erschrocken hervor. Bestimmt verfällt er gerade in Panik, wegen seiner Liebe.
Schnell knöpfte ich Dells Hose auf. „Was tust du denn da?“ Der Magier wollte mich schon von meinem, für ihn vermutlich, seltsames Verhalten, abbringen, doch als er das große Wundpflaster sah, hielt er irritiert inne.
„Eine Verbindung kontrollieren.“ Erklärte ich lediglich und entfernte es vorsichtig. Darunter fand ich jedoch nichts als glatte Haut vor, wobei man noch einen leicht erhellten Abdruck sehen konnte. „Sie ist verheilt, nach der Verwandlung. Ich muss sofort jemanden Anrufen.
„Was? Was ist verheilt?“ Während ich Selena nach einem Handy absuchte, versuchte ich den Magier auf den neuesten Stand zu bringen.
„Mein Bruder, Elth, war bis vor zwölf Stunden noch Dells Wächter. Sie haben sich aber verliebt und er ist ein Menschwesen, was ihm im Februar ziemlich zu schaffen gemacht hat, bisher.“ Verstehend nickte der Magier. „Er hat sie gebissen, vor einiger Zeit bereits, damit er weiterhin über sie wachen konnten, als er sich für einige Tage von ihr trennen musste. Jetzt jedoch hat sie sich wieder verwandelt, in ein Wesen, dass sich recht schnell regeneriert...“
„Und jetzt ist die Verbindung fort, er in Panik. Ich verstehe.“ Er schien es wirklich zu verstehen, denn schon hielt er mir ein Handy auffordernd hin.
„Danke.“ Schnell wählte ich Elths Nummer, die ich immer auswendig kannte. Nach dem fünften Klingeln hob er knurrend ab. „Elth, ich bin es.“ Erklärte ich, bevor er schimpfen konnte keine Zeit zu haben.
„Lissy! Verdammt noch einmal, was ist bei euch los? Was ist mit Dell los? Ihr geht es schrecklich, es fühlt sich an, als hätte ihr jemand das Herz aus der Brust gerissen.“ Redete er hektisch.
„Schon gut, Elth! Sie hat keinen...“ Moment, hatte er eben gesagt, dass es sich immer noch so anfühlte? Die Verbindung sollte bereits seit gut zehn Minuten getrennt sein. „Elth, kannst du Dell spüren?“
„Was ist das für eine Frage? Sag mir lieber...“
„Elth! Zum Teufel noch mal du kleiner Egomane! Kannst du Dell im Moment spüren?“ Schrie ich wütend ins Telefon.“ Das konnte doch nicht wahr sein. Männer!
„Ja, wieso fragst du? Ihr geht es schlecht, aber sie scheint entspannter als noch vor einigen Minuten sein. Wieso fragst du? Was ist los zum Teufel?“
Er fühlte sie noch. Ohne den Biss! „Du bist so ein Idiot.“ Schimpfte ich und konnte nicht glauben, dass >so etwas< ausgerechnet ihm passieren musste.
„Lissy, ich ticke hier gleich aus. Wenn du nicht willst, dass ich noch etwas in deiner Wohnung kaputt mache, dann antworte mir endlich!“ Noch etwas? Meine Wohnung!
Schnell verwarf ich den Gedanken, als ich sah, dass sich der Magier mit steifen Schritten aus dem Raum bewegte. „Elth, hör genau zu. Dells Biss ist seit gut zehn Minuten fort.“
Am anderen Ende herrschte Schweigen. Abwartend blieb auch ich stumm, denn offenbar ordnete er gerade seine Gedanken, oder versuchte eine Antwort auf das alles zu finden. „Ich wusste es.“ Flüsterte er plötzlich ins Telefon.
„Was wusstest du?“ Natürlich kannte ich die Antwort, bereits seit die beiden zu mir in die Wohnung gekommen sind. Dachte Dell ich hätte ihre anfängliche, vollkommen unbegründete Eifersucht nicht bemerkt?
Elth bestimmt nicht, besonders hell war er in solchen Dingen nicht. Aber mit dieser Notwendigkeit auf Körperkontakt mit Elth, so wie diese Selbstverständlichkeit, mit der sie sich nahe, kamen, war es schwer zu übersehen gewesen.
„Dass sie meine Gefährtin sein wird. Aber ich habe nicht damit gerechnet, dass unsere Verbindung so schnell so intensiv werden würde. Immerhin ist sie noch kein Wesen wie wir. Sie ist ein Mensch, Lissy.“
Seufzend nickte ich, obwohl ich wusste, dass er es nicht sehen konnte, doch er kannte mich bereits seit gut hundert Jahren. Mehr oder weniger. „Vermutlich ist das auch der Grund, wieso eure Verbindung noch in eine Richtung funktioniert. Sobald sie ihre Endverwandlung annimmt, wird es in beide Richtungen funktionieren.“
„Ich weiß.“ Stimmte er mir zu.
Kurz schwiegen wir, da es nicht wirklich etwas zu sagen gab. Ich blickte unsicher an mir hinab, noch war ich in meiner Verwandlungsform, mein goldenes Fell wärmte mich hier drinnen etwas zu sehr, da jemand viel zu stark einheizte. Auf was hatte Selena bloß den Thermostat eingestellt?
Während ich Dell von ihrer Kleidung befreite, damit sie nicht noch ein unnötiger Hitzeschlag traf, stellte ich das Handy auf Lautsprecher und erzählte meinem Bruder schnell was passiert ist.
Währenddessen fuhr er zur Schule meiner Kinder und in den Kindergarten, um sie alle drei abzuholen. Er würde hier her kommen. Wen wunderte das denn schon? Seiner Gefährtin ging es nicht gut, ihm wird es ohne sie ebenfalls nicht gut gehen.

3. Wiedersehen

 Teraz:

 

Fluchend besah ich mir die ehemalige Wunde, doch fand an dieser Stelle nichts weiter als glatte Haut. Edelles Wächterin hatte wahrlich gute Arbeit geleistet, das rechnete ich ihr an. Seufzend ließ ich das Shirt auf den Boden fallen, öffnete den Gürtel meiner Hose und stellte mich nackt unter die Dusche. Schnell wusch ich meinen Körper vom frischen Blut frei, danach wickelte ich mich in einen großen Bademantel ein, woher Selena den hatte, wusste ich nicht, und ging hinaus in ihr Wohnzimmer, welches viel mehr einer unordentlichen Bibliothek ähnelte.
Lissy, die Wächterin fand ich dort nicht vor, bloß die noch schlafende Selena, welche eben mit einem Buch kuschelte und die völlig regungslose Prinzessin. Kurz ergriff mich Mitgefühl für sie, doch verwarf ich dieses Gefühl eilig wieder. „Uh, nicht besonders Sexy.“ Hörte ich eine neckische Stimme aus dem Flur kommen und funkelte die Menschwandlerin wütend an.
„Das hatte ich auch nicht vor. Ich muss für ein paar Stunden verschwinden. Das war alles, was ich sagen wollte.“
Schnell wandte ich mich wieder ab, da ich mir, trotz Bademantel recht nackt vor kam und holte nach meiner Magie aus um einen Reisezauber zu gestalten. „Warte... Du...“ Begann Lissy. Kurz stockte sie, als ich ihr einen genervten Blick zuwarf. Was wollte sie denn jetzt schon wieder? „Dein Name ist doch Teraz, oder?“
Erschrocken zuckte ich zusammen. Niemand, außer meine Eltern, bevor sie starben, nannte mich so, seid ich erwachsen bin.
Plötzlich winkte die Wächterin ab, bevor ich Antworten konnte. „Weißt du was. Vergiss was ich gesagt habe, das ist Unsinn. Ich... Das war jemand aus meiner Kindheit. Er ist aber ein Magier, wie du.“ fügte sie hastig hinzu. „Ihr seht euch einfach unglaublich ähnlich. Verzeih, er muss schon lange tot sein.“
Ich bekam das ungute Gefühl, als würde sie diese Tatsache doch tatsächlich traurig stimmen. Konnte das sein? Nein, das musste ich mir einbilden.
„Bis später.“ Sagte Lissy plötzlich, wollte eilig an mir vorbei gehen, doch ohne ersichtlichen Grund fasste ich nach ihr. Meine Finger glitten in ihr weiches, goldenes Fell, umfassten ihr Handgelenk und hielten sie auf.
Verwirrt blickte sie mir in die Augen, da wir ziemlich gleichgroß waren. Typisch Menschwandler, sie wuchsen in ihrer Zwischenform um gut zehn bis zwanzig Zentimeter. Zähneknirschend stieß ich den Namen hervor, welchen ich, bereits seit ich die Schule verlassen hatte, aus meinem Wortschatz versucht haben zu verbannen. „Lindsey?“
Ein zögerliches Lächeln breitete sich auf ihren schmalen Lippen aus. „Heute nicht mehr.“ Gab sie zu, doch wirkte keinesfalls enttäuscht, eher erleichtert, dass sie nicht mehr das Mädchen von damals war.
Ungläubig konnte ich nichts tun, außer sie wie vom Blitz getroffen anzustarren. Konnte das sein? Ein Geist aus meiner Vergangenheit, hatte mich einfach so eingeholt? „Woher wusstest du es?“ Wollte ich wissen. Für alle aus dieser Vergangenheit sollte ich bereits tot sein.
Sanft löste sie meine Finger, welche bestimmt bereits viel zu fest um ihr Handgelenk lagen und schob meinen Ärmel hoch. Darunter zeichneten sich Narben aus meiner Vergangenheit ab. „Deshalb.“ Beinahe ehrfürchtig zog sie eine Klauenspur nach. „Was damals passiert ist... Ich wünschte, ich hätte es ungeschehen machen können.“
Ungeschehen? Sie hatte es mir zwar eingebrockt, doch ohne ihre Hilfe wäre ich längst tot.
„Vergiss es einfach. Ich habe bereits seit einem Jahrhundert nicht mehr an diesen kindischen Unsinn gedacht.“ Bloße Abscheu triefte aus meiner Stimme, obwohl mir zum Heulen zumute war. Verdammt! Wer hatte jemals einen bösen Hexer getroffen, der nahe am Wasser gebaut ist? Das passt überhaupt nicht zusammen!
Lissy stoppte ihre Berührung und zog sich wieder zurück. „Du hast recht. Aber wie kommt es, dass du noch lebst? Oder generell so jung aussiehst?“
Ein Geheimnis welches ich ins Grab mitnehmen musste. „Ich bin ein Schwarzmagier. Was denkst du, wie ich einer geworden bin?“ Hochmütig hob ich mein Kinn, auch wenn ich wusste, dass ich für sie nicht unbedingt >kräftig< oder >imposant< wirke. Mit den Jahren, wo ich mich bloß auf den Erhalt zweier Körper so wie den gebrauch von Magie vierundzwanzig Stunden am Tag konzentrierte, hatte ich an der Ernährung vielleicht ein kleines wenig eingebüßt.
Nickend deutete sie mir, dass sie verstanden hatte. Ich hatte keine Ahnung, was nun in ihrem Kopf vor sich ging. Welche grausamen Vorstellungen sie nun von mir haben musste? Aber es konnte mir egal sein. Lissy ist nicht mehr als das Monster Lindsey, welches ich vor Jahrzehnten aus meinen Gedanken verbannt hatte. Sie ging mich nichts mehr an. Egal welche Persönlichkeit sie heute mit sich herum trug.
Ich erwischte mich, wie ich ihr eventuell ein wenig zu lange in die grünen, wohl bekannten, Augen starrte und löste eilig meine Hände von ihren. Das alles ist Vergangenheit. Sie zählt heute nichts mehr.
Mit diesem letzten Gedanken reiste ich zurück nach Idaho, wo mich eine sichtlich verärgerte Fee erwartete. Mist, die hatte ich völlig vergessen, genauso wie ihren Bann.

 

- - - - -

 

Es kostete mich gut drei Stunden, bis ich es endlich schaffte die Fee wieder in ihren Bannkreis zu schicken und ihr Gedächtnis so manipuliert hatte, dass sie wie eine normale Person agierte. Bloß noch ein paar Tage an denen ich sie bearbeiten musste, dann konnte ich sie endlich in einen geregelten Alltag entlassen.
Erschöpfter als zuvor, schaffte ich es endlich, meine Kleidung zu wechseln und warf mir den Morgenmantel über den Unterarm, bevor ich mich auf den Rückweg machte. „Du hast mich einfach ausgeschaltet!“ Schrie mich Selena an, noch in dem Moment, in dem ich im Flur erschien. Etwas verwirrt ging ich einen Schritt zurück, da mich ihre geballte Wut etwas unerwartet traf.
„Aus gutem Grund. Wir brauchten in diesem heiklen Moment keine Störungen.“ Erklärte ich ihr meine, womöglich übertriebene, Maßnahme um sie zu beruhigen. Sichtlich funktionierte es nicht so wie erwünscht.
„Störung? Ich bin eine Störung, willst du das damit sagen?“ Brüllte mich die wütende Halbfee weiter lautstark an.
„Zu diesem Zeitpunkt? Ja. Ich konnte keinen Kampf zwischen dir und der Menschwandlerin zulassen, das hätte dich lediglich unnötig verletzt.“
Von einem Moment auf den anderen wurde Selena wieder ruhig, doch unerwartet rot im Gesicht. „Ich verstehe. Danke... denke ich.“ Murmelte sie verlegen, wandte sich ab und ging einfach weg. Frauen versteh noch einmal einer!
Kopfschüttelnd verdrängte ich eine aufkeimende, emotional bedingte, Migräne und wollte mich auf den Weg in das Badezimmer machen, als mir ein halbwüchsiger Junge entgegenkam. „Wer bist du denn?“ Stieß ich erschrocken hervor. Vermutlich war mein Tonfall etwas abschätziger als beabsichtigt, doch als ich den völlig verschlafenen Menschwandler aus der Türe kommen, sah, überrumpelte mich die Frage einfach.
Kurz musterte mich der zwölf, oder Dreizehnjährige verwirrt. „Ah, du musst der komische >Magier-Dings< sein.“ Stellte er fest und ging einfach an mir vorbei.
>Magier-Dings< So hatte mich auch noch nie jemand genannt.
Erschrocken stellte ich fest, dass der Junge in Selenas Schlafzimmer verstand, welche derzeit im Wohnzimmer saß und sich hinter einem Buchstapel versteckte. Konnte es sein, dass sie etwa jüngere Burschen bevorzugte? So etwas ist doch strafbar. Nein, es musste eine logische Erklärung geben.
„Teraz!“ Bei meinem Namen versteifte ich mich. Wie ich es hasste ihn zu hören. Fluchend blickte ich zu Lissy, die eben aus demselben Zimmer kam, in welches der Halbwüchsige verschwunden ist. Würde die Wächterin etwa... „Nenn mich nicht so!“
„Wie soll ich dich denn dann nennen?“ Flüsterte sie und schlich auf Zehenspitzen aus dem Zimmer. Langsam kam sie näher, um nicht zu laut sprechen zu müssen, jedoch war mir das viel zu nahe und ich wich etwas vor ihr zurück.
„Du hast immer noch Angst vor solchen wie mir, oder?“ Es war zwar mehr eine Feststellung, doch sie erlaubte mir wenigstens es abzustreiten.
„Ich hatte nie Angst vor Kreaturen wie dir. Eine gesunde Abneigung kann nicht sonderlich schaden, oder?“ Zähneknirschend hob ich das Kinn, während ich hoffte, dass irgendjemand einmal einen Zauber erfinden würde, der es ermöglicht mit Blicken zu töten.
„Ich verstehe.“ Gab sie schlicht zurück, doch kam zu meinem Glück nicht mehr näher.
„Wer ist der Junge?“ Wechselte ich das Thema.
„Mein ältester Sohn, Jacob.“ Lissy sagte es so, als würde das alles erklären.
„Aha.“ Gab ich darauf. Es kümmerte mich ja eigentlich auch nicht. „Wie geht es der Prinzessin? Konnte sie Ruhe finden?“
Lissy schmunzelte. „Ja, ihr Gefährte ist da. Sie hat sich zwei Stunden in seinen Armen die Augen aus geheult, danach ist sie mit ihm zusammen eingeschlafen. Wir haben die beiden im Arbeitszimmer liegen gelassen.“ Offenbar verstand ich den Witz nicht, denn sie kicherte amüsiert.
„Was ist daran witzig?“ Nein, es interessierte mich überhaupt nicht. Wieso frage ich überhaupt?
„Komm mit.“ Überrascht, da Lissy an meinem dürren Körper einfach vorbei lief und ganz sichtlich vergaß, dass ich ihre Nähe nicht mochte, stolperte ich zurück gegen die Wand. Während ich um mein Gleichgewicht kämpfte, stieß ich mit dem Ellenbogen die Lampe des Flurs um, doch noch bevor sie am Boden zerschellen konnte, hatte Lissy sie gefangen. „Sei nicht so schreckhaft, du Hase.“
Mit einem frechen Grinsen zwinkerte sie mir zu, was mein Blut hochsteigen ließ. Lindsey hatte schon immer gewusst, wie sie mich am einfachsten fertig machte. Scheinbar wusste dies die heutige Lissy noch genauso wie früher. Dummes Stück.
„Weißt du, eigentlich bin ich bloß hier, um etwas zurückzubringen. Ich brauche dringend Schlaf, sonst...“
„Ja, ja. Schlafen kannst du, wenn du tot bist. Das musst du einfach sehen.“ Unterbrach sie mich unhöflich, nahm meine Hand in ihre und zog mich einfach hinter sich her. Als Menschwesen konnte sie dies natürlich auch. Ein einfacher Magier, mehr Mensch als übernatürlich, hatte keine Chance, wenn es um körperliche Stärke ging. „Sei ja leise.“ Mahnte Lissy mich noch einmal, bevor sie die hinterste Türe des Hauses öffnete und sie genauso leise aufschob.
Nun, ja... Wenn ich schon einmal hier war, konnte ich ja auch einen Blick riskieren. In dem vollgestopften Raum, in dem es bloß einen Schreibtischstuhl gab, welcher leer wirkte, sah man großteils nichts außer Bücher. Es gab jedoch eine Matratze, welche über gleichmäßig verteilte Bücher gelegt worden war und darauf saß ein hoch gewachsener Mann. Auf den ersten Blick, auch wenn es sehr dunkel im Raum war, hätte ich ihn nicht älter als zwanzig, vielleicht zweiundzwanzig geschätzt. Er hatte seine langen Arme um eine zierliche Gestalt geschlungen, die auf seinem Schoß saß und ihr Gesicht an seinem Hals versteckte.
Lächelnd stellte ich fest, dass es Edelle Black war, die wie eine kleine Puppe, völlig regungslos dort lag, in den Armen einer, für mich, grässlichen Bestie. Liebevoll hatte er seine eine Hand in ihren Haaren verfangen, die andere lag sanft auf ihrem Rücken und streichelte sie selbst im Schlaf. „Ich hätte niemals gedacht, dass ausgerechnet mein Bruder eine Gefährtin findet.“ Flüsterte Lissy in mein Ohr, was mir beinahe die Augen heraus fallen ließ. Sie war viel zu nahe, viel näher, las dass ich es in einer normalen Situation jemals gewähren lassen würde, doch in diesem Moment bekam ich ein flaues Gefühl im Magen. Einen Gefährten zu finden, war etwas das so gut, wie niemals geschah. Nun ausgerechnet ein Mischling und die Zweitgeborene.
Kopfschüttelnd zog ich Lissy aus dem Türrahmen und zurück auf den Flur, wo ich leise, doch streng mit ihr schimpfte. „Du weißt, dass es ihm nicht erlaubt ist. Sie ist eine Zweitgeborene, er würde sie auslöschen, wenn er sie anfasst. Und muss ich hinzufügen, dass Februar nicht gerade ein sicherer Monat in der Nähe von Monster wie euch ist?“ Keine Ahnung weshalb ich ausgerechnet Lissy dafür anging. Vielleicht weil ich selbst einmal auf sie hereingefallen bin?
„Er würde ihr niemals etwas antun.“ Verteidigte sie ihren Bruder.
Ich fasste es nicht. Wie konnte sie so etwas bloß verteidigen? „Die Prinzessin ist nicht sicher bei ihm. Ich werde bestimmt kein Risiko eingehen und sie in seiner Obhut lassen. Morgen ist er fort, oder ich verbanne ihn.“ Drohte ich, wobei mir ihr verärgertes Knurren durchaus bewusst war.
„Elth ist nicht die Art Mann, die du ihm zuschreibst zu sein.“ Fauchte sie wütend und ihre Augen glühten verärgert.
„Das seid ihr alle doch nie.“ Gab ich trotzig zurück und traf sie unterhalb der Gürtellinie. „Was? Bloß deshalb? Du wirst mir wohl jetzt nicht erklären, dass du all deine Vorbehalte bloß wegen meinen Fehlern, als kleines Kind, hast?“
Betroffen zuckte ich vor ihr zurück. Ich wollte weg von ihr. Das ging sie überhaupt nichts an, doch wie es üblich für Lissy war, hielt sie mich auf. „Antworte mir, Hexer.“
„Ich mag nichts und niemanden. Akzeptiere das!“ Damit riss ich mich endgültig los. Soll sie doch denken, was sie möchte. Sie interessiert mich nicht, oder gar ihre Gedanken. Besser sie hasst mich, so wie alle anderen, denn ich war eine der letzten Personen, die Freunde benötigte.

4. Abgewiesen

 Lissy:

 

Es war nun einige Jahre her, seit dem Vorfall im Schulhof. Ich war schon lange keine acht Jahre mehr alt, noch die Person, die ich davor gewesen bin. Abgesehen von dem Vorfall, hatte ich nun auch endlich damit aufgehört, darüber nachzudenken, was hätte sein Können, oder wie hätte ich etwas besser machen können.
Irgendwie fehlte er mir sogar. Teraz war so leicht zu erschrecken gewesen, dass ich es oft und gerne herausforderte. Zwar bekam ich dafür meist die eine oder andere Verwünschung ab, doch das machte doch den Reiz aus.
Heute jedoch dachte ich nicht einen einzigen Moment an diese Zeit. Ich hatte mich in ein eng sitzendes Kostüm, als nuttige Hexe gezwängt und genoss die lüsternen Blicke der Jungs in meinem alter, als ich zu Halloween auf eine Party ging. Selbst ältere, gut über die ersten zwanzig Jahre hinaus, interessierten sich für mich, doch hatte ich nicht vor mich auch nur einem von ihnen hinzugeben. Stattdessen genoss ich den Bass auf meiner Haut und die Musik in meinem Ohr. Rekelte meinen schlanken Körper im Takt, mit meinen Freundinnen, welche genauso betrunken waren, wie ich.
Um eine kleine Pause einzulegen, torkelte ich mit verschwommenen Blick zur Toilette, doch als ich wieder hinaus kam, wartete bereits ein Menschwesen auf mich. Ein Mischling von einem Jaguar, wie ich mit meiner Nase feststellte und er lächelte mich verführerisch an. „Na, da hatte aber jemand ein wenig zu viel.“ Kicherte er.
Torkelnd fand ich mich an seiner Brust wieder und grinste verlegen. „Vielleicht ein bisschen.“ Gab ich betrunken zu und genoss sein knurrendes Vibrieren auf der Haut.
„Komm, du könntest etwas frische Luft vertragen.“
So betrunken wie ich war, stimmte ich natürlich zu. Nach zwanzig Minuten, verstand ich auch was er wollte, doch das beruhte keinesfalls auf Gegenseitigkeit. Ich hatte vor mich für jemanden Besonderen aufzusparen. Ich wollte nicht mein erstes Mal, in einem verrauchten Auto, mit einem Typen, von dem ich noch nicht einmal den Namen wusste.
Dieser verstand es jedoch ganz offensichtlich nicht. Er drängte mich weiter, bis ich wütend austrat und ihm die Nase brach. Hektisch sprang ich aus dem Auto, rutschte aus und schlug unsanft auf dem Kies auf.
Weinend kämpfte ich mich hoch, doch dann waren da schon wieder Arme, welche sich um mich schlangen, Reifen, die durchdrehten und quietschend fortfuhren. Erst einen Moment später, wurde mir bewusst, dass sich meine Handtasche und damit meine Geldbörse noch darin befanden.
Schniefend ließ ich mich von den Armen trösten, die ungelenk versuchten, mich zu trösten. Offenbar hatte die Person, wer immer sie auch ist, dies noch nie zuvorgetan, denn er hatte überhaupt keine Erfahrung im Trösten.
„Lindsey?“ So wie die Person meinen Namen aussprach, wusste ich sofort, um wen es sich handelte. Verblüfft blickte ich hoch in die dunkelblauen Augen, die ich damals so gerne verärgert gesehen hatte und musste plötzlich wieder lächeln.
„Danke...“ Nuschelte ich. Bedanke mich immer wieder, während Teraz mich heimbrachte und sogar noch dafür sorgte, dass ich etwas trank.
„Schon gut. Ich werde bleiben, bis du dich beruhigt hast.“ Erklärte er sanftmütig, wie er mir gegenüber noch niemals gewesen ist. Auch kümmerte er sich darum, dass ich mich vorher noch umzog und genug Trank, um morgen früh keinen Kater zu haben.
Februar und Mai, waren die Monate an denen Wesen wie wir, kaum Kontrolle über unseren Paarungstrieb haben. Zwar bin ich erst fünfzehn, doch in diesem Jahr, fühlte ich zum aller ersten Mal denselben Sog, wie ich ihn eigentlich erst nach meinem zwanzigsten Lebensjahr empfinden sollte. Zwar war es bereits Ende Mai, doch das Bedürfnis, loderte so plötzlich in mir auf, dass ich mich hinreißen ließ. Ich konnte überhaupt nichts dagegen tun.
Genüsslich sog ich Teraz Geruch ein, kuschelte mich enger an seinen jugendlichen Körper, der bloß ein, oder vielleicht auch zwei Jahre älter war als meiner und dennoch machte es keinen Unterschied bei uns.
„Ist dir kalt?“ Fragte er noch, während ich meine linke Hand unter seine geöffnete Jacke gleiten ließ und meine Beine höher zog.
„Nein, ich will so etwas bloß niemals wieder erleben.“
Liebevoll streichelte er meinen Kopf, der auf seinem Brustkorb gebettet lag. „Du bist stark, Lindsey. Ich kenne dich und weiß, dass du dich nicht einmal durch so eine Begegnung unterkriegen lässt.“ Versicherte er mir.
„Wieso bist du überhaupt noch hier?“ Fragte ich nach und wollte es wirklich wissen. „Du hasst mich doch.“
Seine Wange senkte sich auf mein Haupt und ich fühlte, wie er verneinte. „Ich hätte niemals dermaßen übertreiben sollen. Du hast mich gerettet, bevor man mich getötet hat, dafür bin ich dir sogar etwas schuldig.“
Kichernd hob ich meinen Kopf an, um ihm in die Augen zu sehen. „Ach, das bist du? Das ist etwas Neues. Ich dachte Wesen, wie ich eines bin, sind Hexer, wie dir niemals etwas schuldig. Immerhin bist du reinrassig.“ Erinnerte ich ihn und entlockte ihm damit ein verlegenes Lächeln.
„Wir waren Kinder, Lindsey. Nimm nicht immer alles so wörtlich.“ Teraz rutschte auf meinem Bett etwas umher, da ihm die Wand im Rücken langsam weh tat. Schnell reichte ich ihm ein Polster, an den er sich lehnen konnte, wobei ich unauffällig mein Bein über seines hinauf gleiten ließ. Schnurrend kuschelte ich mich dieses Mal auf seine Schulter und zog mit meinen Fingerspitzen ein undeutbares Muster über seinen Bauch.
„Bist du nicht schon müde? Auf der Party bist du ziemlich viel herum gehüpft.“ Irgendwie klang seine Stimme leicht angespannt, als hätte er plötzlich Mühe sich auf seine Worte zu konzentrieren.
Mein Körper lag direkt an seinem an, meine Fingerspitzen wanderten neckend seinen Brustkorb auf und ab und mein Atem strich warm über seinen Hals. Natürlich erregte ihn das, dass roch ich nicht bloß, sondern konnte ich auch langsam an meinem Bein fühlen.
„Nein, eigentlich überhaupt nicht. Aber ich mag es, wie du riechst. Schon im Unterricht ist es mir aufgefallen.“
Sichtlich nervös werdend, erhöhte sich sein Puls. „Du meinst also, dass ich stinke. Sehr nett, Lis.“ Versuchte er sich auf andere Gedanken zu bringen.
Kopfschüttelnd verneinte ich diesen absurden Gedanken. „Du verdrehst mir immer die Worte im Mund, das macht mich wahnsinnig. Wärst du nicht so süß, würde ich dich verprügeln.“ Schnurrte ich an seinem Hals und hauchte ihm einen Kuss dorthin.
Steif versuchte er von mir abzurücken, doch seine Hände lagen immer noch um meinen Körper. „Süß ist vermutlich kein Wort, das mich beschreibt.“ Wehrte er ab und wollte mich von sich schieben.
„Stimmt, aber sexy trifft es recht gut.“ Säuselte ich Millimeter von seinen Lippen entfernt.
„Lin... Lindsey. Ich kann das wirklich nicht.“ Versuchte er mich loszuwerden, doch ohne mich zu Verletzten. „Ich bin verlobt, das weißt du. Außerdem bist du betrunken, verletzt und...“ Seine letzten Worte erstarben unter meinem Kuss.
Seufzend ließ ich meinen Körper auf ihn gleiten und zog meinen Rock höher, um besser auf ihm sitzen zu können. Lockend öffnete ich seine Lippen und drang mit der Zunge in ihn, was ihn um den Verstand brachte. Für einen Moment gab er sich dem Spiel unserer Lippen hin, doch dann erinnerte er mich wieder, dass er dies nicht mit mir tun konnte.
Ohne seine Einwilligung verschwand meine Hand in seiner Hose. Auch wenn er mir deutlich sagte, dass er so etwas nicht mit mir, >einem Mischling< tun wolle, dass >er verlobt ist< und >ich völlig betrunken bin<, ließ ich nicht von ihm ab.
Mein Körper verführte seinen, ohne auf seine Abweisungen zu reagieren und ich nahm mir, dass was ich benötigte in diesem Moment.
Zärtlich wanderten, meine Finger sein Gemächt entlang, lockten es größer und bereiter zu werden, während ich mich selbst an ihm bereit, machte. „Nein... bitte hör auf, bevor wir noch etwas dummes...“ Zu spät.
Leidenschaftlich nahm ich meinen Ersten in mir auf und stöhnte genüsslich mit ihm zusammen. Es war für uns beide das aller erste Mal, doch beide konnten wir nicht glauben, wie gut es sich anfühlt. Für einen Moment erlaubte Teraz sich gehen zu lassen, küsste mich nun endlich seinerseits und vergrub sich noch tiefer in mir, was mich um den Verstand brachte.
Als ich einige Minuten später vollkommen erschöpft, doch ausgeglichen wie nie zuvor, von Teraz abließ, bebte er genauso zufrieden wie ich. Um das unvergleichbare Gefühl noch etwas hinauszuzögern, bewegte er sich langsam in mir und dämpfte meinen freudigen Aufschrei mit seinen Lippen, solange bis wir beide wieder klarer denken konnte.
Was danach folgte, war bloß die Hölle. Er schrie mich an, dass ich ihn niemals für so etwas hätte ausnutzen dürfen. Ich hatte ihn gegen seinen ausdrücklichen Wunsch benutzt und so fühlte ich mich auch. Wütend auf mich selbst, sah ich ihm hinterher, wie er erbost davon stürmte und ließ mich in meinem Gefühlschaos zurück, das ich selbst angerichtet hatte.
Nun, ja, wenigstens konnte ich im Nachhinein sagen, dass ich mein erste Mal an eine Person gegeben hatte, die mir wirklich viel bedeutete. Zumindest damals.

 

Frustriert schlug ich mein Gesicht in den Kopfpolster, als diese Erinnerung mich überrollte. Natürlich konnte ich mich jetzt rechtfertigen, dass es mein erster Frühjahrssog gewesen ist, doch wieso nicht bereits davor, auf der Party?
„Ich war so eine Bitch.“ Schimpfte ich mich ganz leise und fühlte wie sich Logan, mein zweiter Sohn an meine Hand kuschelte.
Liebevoll streichelte ich seinen Kopf und gab ihm einen Kuss ins Haar. Wenigstens ist damals nichts Gröberes passiert. Immerhin waren wir Menschwandler zu dieser Zeit höchst fruchtbar, so sind auch meine drei Söhne entstanden. Nun, ja bis auf Matty, mein jüngster. In seinen Vater war ich sehr verliebt. Er konnte einem auch perfekt Honig ums Maul schmieren, bis er erfuhr, was er getan hatte. Dann haute er einfach ab, ließ mich alleine mit meinen beiden Söhnen und dem, welchen ich bereits erwartete.
Elth hatte ja recht, ich verliebte mich immer viel zu schnell und stark, so konnte mir bloß das Herz gebrochen werden.
Jedoch änderte es etwas, wenn ich sage, dass ich nach Teraz über zwölf Jahre keinen einzigen Mann mehr in meinem Bett gehabt habe? Ob es für ihn etwas geändert hätte, damals? Wir hatten ja danach nie wieder Kontakt, auch dieses Treffen, nach der Feier, war reiner Zufall gewesen. Oder vielleicht sogar Schicksal? Bis heute fragte ich mich, wie er mich gefunden hatte. Trotzdem machte mich alleine der Gedanke daran, glücklich.
Lächelnd schlief ich wieder ein.

 

- - - - -

 

Am nächsten Morgen, wurde ich vom Geruch nach Kaffee geweckt. Freudig schälte ich mich unter meinen drei Söhnen hervor, von denen zwei noch genüsslich schnarchten. Matty streckte sofort seine Arme nach mir aus, wollte mit hinaus genommen werden. Auch wenn er bereits vier war, ist er trotzdem noch wie ein Baby. „Mein kleines Mamikind.“ Zog ich ihn auf, woraufhin er raunzig murrte an meiner Schulter, doch nichts dagegen sagte.
Lächelnd verließen wir das Zimmer und mein erster Weg führte mich in das vollgestopfte Arbeitszimmer von Selena. Elth, lag mittlerweile, auf der Matratze, mit der schniefenden Dell im Arm. „Brauchst du etwas?“ Fragte ich Elth, da ich wusste, dass Dell nicht reagieren würde.
„Ja, einen Kaffee bitte und etwas zu essen.“ Bat er, ohne seinen Blick von seiner Geliebten zu nehmen. „Klar, kommt sofort. Was ist mit Dell? Wie geht es ihr?“
Unwissend hob er die Schultern und ließ sie erschöpft wieder sinken. „Sie ist gerade erst wieder eingeschlafen.“ Gab er zurück und küsste ihr verschwitztes Haar.
„Lass ihr noch Zeit.“ Mahnte ich meinen Bruder, der nun doch seinen Blick zu mir hob und erschöpft lächelte. Ich fragte mich, ob er überhaupt ein Auge zu getan hatte?
Leise schloss ich die Türe wieder hinter mir und ging in das Wohnzimmer, wo ich ihn absetzte. Sofort stürzte er sich auf eines der Bücher.
„He, he! Lass ja deine schleimigen Finger davon!“ Schimpfte Selena aus der hintersten Ecke, umzingelt von Büchern, völlig verschlafen. Grinsend eilte ich in die Küche, wo bereits eine Kanne mit Kaffee stand und eine andere, fröhlich auf dem Herd pfiff.
Sofort nahm ich Letztere von der Platte und schnupperte am Inhalt. „Kräutertee?“
„Er hat eine beruhigende Wirkung. Für Edelle Black.“ Hinter mir trat Teraz in den Raum, als wäre gestern überhaupt nichts gewesen, und wusch einige Tassen ab. Selena hatte es ganz offensichtlich nicht sonderlich mit Ordentlichkeit. Nicht weiter überraschend, wenn man die restlichen Zimmer bedachte.
„Guten Morgen.“ Begrüßte ich den Schwarzmagier höflich.
„Ja.“ Bekam ich zurück.
Als wäre mir sein abweisender Unterton nicht aufgefallen, richtete ich Zucker, Milch und ein Tablett her um die ganzen Sachen zu transportieren. „Ich werde ein paar Brötchen schmieren. Irgendwelche Vorlieben?“ Versuchte ich, ihn in ein Gespräch zu verwickeln. Auch wenn es recht spät kam, wollte ich mich unbedingt für das vor hundert Jahren entschuldigen.
„Ja, am besten still und unsichtbar.“ Fluchend wollte er aus dem Zimmer verschwinden, doch ich fing ihn ab. „Bitte warte, Teraz...“
„Nenn mich bitte nicht so. Diesen Namen trage ich nicht mehr, ich bin ein Schwarzmagier. Wir besitzen keine Namen. Wir existieren nicht. Wir haben keine Familie, keine Freunde und am aller wenigsten brauchen wir irgendwelche seltsame Wesen, die Mitleid mit uns haben.“ Fauchte er mich wütend an, als hätte ich ihn beleidigt.
„Das... Darauf wollte ich überhaupt nicht hinaus. Ich will mich entschuldigen.“ Teraz versuchte weiterhin, ohne mich zu berühren, an mir vorbei zu kommen, doch ich stellte mich vor die Türe und schloss sie demonstrativ.
„Bitte...“ Seufzte er und rieb sich das Nasenbein, als würde ihm das alles große Überwindung kosten. „...lass es einfach, Lissy. Ich habe wirklich Besseres zu tun...“
„Für die Nacht in der ich dich verführt habe.“ Warf ich zwischen seine Abweisungen, woraufhin er verstummte und rot im Gesicht wurde.
Mit knirschenden Zähnen, ließ er sich gegen die Arbeitsplatte der Küche sinken. „Müssen wir denn unbedingt darüber sprechen?“
„Ja, müssen wir.“ Beharrte ich, doch kam, gegen mein Bedürfnis, nicht näher auf ihn zu. „Ich meine es wirklich ernst. Es war mein aller erster Frühjahrssog. Es tut mir wirklich, von ganzem Herzen leid. Ich konnte mich nicht dagegen wehren.“
Irritiert hob er die Augenbrauen. „Du warst vier... nein, fünfzehn.“ Erinnerte er mich.
„Selten kommt so etwas früher.“
„Du warst einfach stockbesoffen.“ Warf er wieder dagegen.
„Nein, zuhause war ich bereits nüchtern, doch erst als es vorbei war, habe ich verstanden, was ich getan habe.“ Verstand er nicht, oder wollte er es einfach nicht?
„Ich habe dir mehrfach gesagt, dass ich es nicht wollte. Aber offensichtlich hat es dich damals einen Scheiß interessiert. Genauso wenig interessiert es dich, was ich jetzt möchte.“
Mein Herz zog sich krampfhaft zusammen. „Du möchtest meine Entschuldigung also nicht hören.“ Stellte ich fest.
„Nein! Natürlich nicht!“ Schrie er frustriert auf, kam auf mich zu und zwang mich ihm in die Augen zu sehen, indem er mein Kinn packte. „Damals war ich fürchterlich wütend auf dich. Doch Lissy... Verdammt noch einmal, das ist über hundertzwanzig Jahre her. Ich habe mich bereits seit Jahrzehnten damit abgefunden. Es interessiert mich nicht mehr, was du damals getan hast, denn es ändert absolut nichts daran, wer ich heute bin. Du interessierst mich heute nicht mehr. Verstehst du das? Weder deine Entschuldigungen, noch deine Gedanken darüber was gewesen ist.“
Trotzig schlug ich seine Hand weg. „Ja, verstanden.“ Fauchte ich verletzt. Wie konnte er bloß so etwas sagen?
Kopfschüttelnd verließ er den Raum, ohne dass ich ihn noch einmal aufhielt. So viel zu meiner Entschuldigung. Jetzt konnte er sie sich an den Hut stecken, von mir würde er keine Einzige mehr hören. Und mit dieser Kleinigkeit habe ich mich die letzten Jahre von Zeit zur Zeit fertig machen lassen? Nie wieder!
„Mummy, darf ich einen Kakao haben?“ Erschrocken machte ich einen Satz zur Seite, doch es war bloß Matty.
„Natürlich, mein Baby. Kommt sofort.“ Eilig machte ich mich daran Milch zu wärmen und fand sogar eine alte Packung Kakao. Den Tee brachte ich danach Edelle, welche sich mit verquollenen Augen unter Elth regte. Ihm selbst brachte ich starken Kaffee, den würde er jetzt brauchen und vier belegte Brötchen. Wollte er mehr, konnte er mich jederzeit rufen. Seine Gefährtin benötigte ihn jetzt wesentlich dringender und er war auch der Einzige, der sie wieder aufbauen konnte.
Zurück im vollen Wohnzimmer setzte ich mich neben Logan, meinem Siebenjährigen auf den Boden um genüsslich an meinem Kaffee zu nippen. Matty saß auf meinem Schoß und mein ältester schlief anscheinend noch immer.
Mein Blick glitt für einen Moment zu Teraz, der mit geschlossenen Augen auf dem Sofa saß, an seine Füße gelehnt saß Selena und warf mir einen trotzigen Blick zu. „Was ist?“ Fragte ich sie genervt.
„Wieso sind deine Kinder überhaupt hier?“
War das nicht offensichtlich? „Weil ich sie nicht alleine lassen kann.“ Gab ich angespannt zurück, doch als sich Logan an meine Schulter lehnte, verblasste diese sofort.
„Dann schieb sie doch zu einem Nachbar ab. Sie brauchen nicht hier zu sein. Oder nein! Besser noch.“ Anscheinend traf sie eine Erleuchtung, ich konnte nur hoffen, dass ihr dabei nicht noch mehr Leitungen durchschmoren. „Du könntest dich zusammen mit ihnen aus meinem Haus verpissen.“
Die Augen verdrehend tätschelte ich meinem jüngsten den Kopf, da er mich verängstigt ansah. „Das kannst du vergessen. Ich werde dort sein, wo Edelle und Elth sind. Sie brauchen mich.“
Selena lachte arrogant. „Als ob. Aber wenn du schon dabei bist, dann nimm die Heulsuse gleich mit. Ihr stört meine Ordnung.“ Damit deutete sie auf die Bücher.
Rein zufällig streckte ich mein Bein aus und warf dabei einen Stapel Bücher um, welche knapp ihre ausgestreckten Beine verfehlten. „Ups. Verfehlt.“ Stellte ich provozierend fest.
Wütend sprang Selena auf die Beine, doch Teraz zog sie unsanft wieder auf den Boden. „Hör jetzt auf. Die Prinzessin stört dich doch dort drinnen überhaupt nicht, du hast seit über einem Jahr dein Arbeitszimmer nicht mehr betreten.“ Tadelte er sie. „Und um die anderen Gäste werde ich mich kümmern. Ich bringe sie später in das sichere Haus.“
„Was? Wieso? Sie haben doch überhaupt nichts mit der ganzen Sache zu tun.“
Ich verstand nicht, worum es ging. „Natürlich haben sie das. Lissy ist die zweite Wächterin der Prinzessin und die Kinder der Wächterin kann man nicht einfach alleine lassen.“ Bemerkte der Hexer klug. „Lass mich noch mein Frühstück beenden, dann verschwinde ich mit ihnen, damit du mehr Ruhe im Haus hast.“
Was? Mit uns? „Wohin gehen wir denn?“ Fragte ich irritiert.
„Natürlich in ein sicheres Haus, wo die Menschen Edelle Black nicht finden werden. Danach machen wir uns im Untergrund auf die Suche nach Antworten. Außer du ziehst es vor deine Kinder mit dorthin zu nehmen?“
Sofort schüttelte ich den Kopf. „Natürlich nicht. Aber wo genau gehen wir hin?“ Hakte ich noch einmal nach. Ich wollte mich doch nicht ans Ende der Welt mitnehmen lassen, oder in die tiefste Provinz.
„In ein sicheres Haus.“ Wiederholte er nichtssagend.
Genervt knurrte ich. „Gib mir eine ordentliche Antwort, oder ich treibe Selena in den Wahnsinn.“
Dafür kassierte ich einen, beinahe, tödlichen Blick von beiden, während Logan neben mir belustigt kicherte. „Ich denke wir brechen besser sofort auf. Wecke deinen Sohn.“ Mürrisch stapfte er aus dem Zimmer, in die Küche. Was er dort tat, wusste ich nicht, doch konnte ahnen, dass er seine Nerven beruhigte.
„Idiot.“ Murmelte ich, doch tat wie geheißen.
Fünfzehn Minuten später, hatte ich meinen ältesten Sohn Jacob soweit wach, dass er, mit dem Rücken gelehnt an Teraz, mittels Magie zu diesem so genannten >sicheren Haus< reiste.
Es dauerte bis Teraz wieder zurückkam, doch entschuldigte er sich, da er noch etwas erledigen hatte müssen im Haus. Kopfschüttelnd drückte ich ihm Matty in die Hand, den er hielt, als wäre er eine explodierende Windel und Logan schlang seine Arme um Teraz Körper. Sichtlich irritiert von den kindlichen Reaktionen, beförderte er auch diese beiden fort, während ich mich zu Elth ins Zimmer schlich.
„Wie geht es dir?“ Fragte ich Dell, als sie mich hinein kommen hörte und sogar ihren Blick zuwandte. Ihre Augen waren rot und verquollen, überall lagen rotzige Taschentücher, da der Mistkübel bereits über gegangen war.
Ein gebrochenes Lächeln zwang sich auf ihre Lippen. „Es geht mir gut.“ Die Standartlüge, die so gut wie jeder beherrschte.
„Liebling, du brauchst Lissy nicht belügen.“ Liebevoll küsste er ihre Schläfe. „Ich gehe nur schnell ins Bad.“
Sie nickte mit gesenkten Kopf, während Elth mit einem müden Blick an mir vorbei ging. Aufmunternd legte ich meinem Bruder eine Hand auf die Schulter. Er nickte und passierte mich. „Also. Jetzt sind es bloß noch wir zwei, hm.“ Langsam ließ ich mich neben Dell auf den Boden gleiten und strich ihre Haare zurecht, welche wieder einmal in ihr Gesicht fielen.
Sie besaß ein Schönes haselnussbraun und mit der Einwirkung der Sonne erstrahlten sie in einem dunklen Rot, was man mit keiner Farbe der Welt erwirken konnte. „Sehe ich sehr beschissen aus?“
Lachend nickte ich. „Fürchterlich, Liebes.“ Stimmte ich zu, woraufhin sie dankbar mit mir mit lachte.
„Ich bekomme einfach dieses Bild nicht aus dem Kopf.“ Flüsterte sie nach einem kurzen Moment des Schweigens.
„Du meinst Gael? Ich verstehe, was du meinst. Dafür werden wir diese Schweine hängen.“ Schwor ich aufrichtig und mit einem bedrohlichen Knurren in meiner Stimme.
„Weißt du, wer diese Leute gewesen sind? Elth konnte es mir nicht sagen.“
Irgendwo logisch. Als Elth letzten Abend ankam, ist er direkt zu Edelle ins Zimmer und seitdem nicht mehr hinaus gekommen. Er wusste vermutlich bloß das, was sie ihm hatte sagen können. Leider war das nicht viel.
„Es sind Menschen gewesen.“ Gab ich nach kurzem Zögern zu.
Regelrecht entsetzt blickte sie mich an. „WAS?“ Schrie sie auf.
„Scht... Schon gut, Dell. Ich... Ich schwöre dir, dass ich herausfinden werde, was sie wollten, wieso sie... das... Gael angetan haben und sie werden dafür leiden.“
Edelle nahm mir das Versprechen ab, indem sie zustimmend nickte und mich mit einem solch flehenden Blick ansah, dass ich das Gefühl hatte, ab jetzt würde ich sogar die Welt für sie verschieben, damit sie wieder glücklich wurde.
„Ich bin ja da.“ Plötzlich brach die Prinzessin, beinahe erleichtert, wieder in Tränen aus. Hatte ich etwa etwas Falsches gesagt? Oder getan?
Nach wenigen Minuten, die mein Shirt beinahe durchweicht hatten, kam Elth ins Zimmer, sah gehetzt aus und hatte sogar noch Schokokrümmel an der Wange, die ihm Edelle liebevoll wegwischte, als sie es bemerkte.
Schmunzelnd darüber, dass ich Edelle neue Lebensenergie hatte geben können, verließ ich das Zimmer und prallte beim Umdrehen direkt in Teraz hinein. „Entschuldige...“ Setzte ich an, doch dann legte er einen Arm um mich und wir verschwanden im Nichts.

5. Vergebung?

 Lissy:

 

Bloß einen Augenblick später stand ich in einem hell gehaltenen Haus, mit einem beinahe sterilen Geruch. Da ich den Geruch von Krankenhäusern, egal welcher Art überhaupt nicht leiden konnte, nieste ich lautstark los. „Entschuldige. Das passiert mir immer...“ Hatschi! „...immer wenn ich Des... Desin...fektschons“ Hatschi! „...mittel rieche.“
„Desinfektionsmittel?“ Fragte Teraz nach, da er mich nicht richtig verstanden hatte.
„Jatschi.“ Nieste ich abermals und sah mich währenddessen in der geräumigen und hell bemalten Küche um. Fließen am Boden, so wie bis zur Hälfte der Wände besaßen ein feines Muster, die Arbeitsplatte war in einem cremigen weiß und die Holzverkleidung der Regale besaßen ebenfalls eine hellere Farbe.
„Dann solltest du vielleicht lieber die Küche meiden.“ Gab er mir den Rat und verließ mit mir zusammen die Küche.
„Und wie stell... stellst du dir das vor?“ Im Wohnzimmer verging mein Niesen, es kitzelte mich bloß noch ein wenig. „Ich bin Mutter, ich muss zwangsläufig in die Küche gehen.“
„Dann werde ich eben gegebenenfalls das Kochen übernehmen“
Überrascht warf ich ihm einen ungläubigen Blick zu. „Du?“ Vermutlich klang das nicht gerade nett, wie ich in seinen Augen bloß einen Moment später die Bestätigung sah, daher sprach ich schnell weiter. „Du musst dann für drei gefräßige Menschwesen kochen, die sich noch immer im Wachstum befinden!“
Das schien ihn einen Moment stutzen zu lassen. „Bloß wegen deiner leicht reizbaren Nase werde ich bestimmt nicht die Hygiene in der Küche vernachlässigen. So etwas ist wichtig.“
Leicht verlegen dachte ich an meine Wohnung. „Das weiß ich doch. Aber zuhause habe ich ein Mittel, auf das ich nicht so reagiere.“ Eine glatte Lüge. Aber das konnte er ja schlecht wissen.
Seufzend rieb er sich das Nasenbein. „Möchtest du es holen?“
Sofort schüttelte ich den Kopf. Vermutlich etwas zu hektisch, denn ich bekam einen seltsamen Blick. „Schon gut, schon gut. Du wirst das schon hinbekommen. Kinder essen beinahe alles.“ Winkte ich ab und wandte mich dem Wohnzimmer zu. Meine drei Jungs hatten sich sich bereits vor dem großen Plasmafernseher, der an der Wand hing, gemütlich gemacht. „Was tut ihr denn? Damit ruiniert ihr euch die Augen.“ Tadelte ich die Jungs, woraufhin sie gehörig, doch sichtlich genervt, zurück zur Bank wichen. Ich weiß ja, dass sie es gewohnt waren direkt vor dem Fernseher zu hocken, da unserer gerne und oft flimmerte. Aber dieser hier funktionierte einwandfrei. Beinahe schon zu gut.
„Der Hexer hat gesagt, wir können uns ein Zimmer oben aussuchen, Mama.“ Begann Logan, als ich mich zu ihm setzte.
„Ach, hat er das?“ Mein Blick fiel einen Moment auf Teraz, der gerade die Treppen hoch gehen wollte, welche sich auf einem Flur befanden, doch durch die breite Wohnzimmertüre gut zu sehen war.
„Du kannst dir ruhig auch eines aussuchen. Hier gibt es genug.“ Teraz blieb am Ansatz stehen. „Das im Erdgeschoss gehört mir, bleibt weg von dort. Auch oben im ersten Stock, gibt es gleich links eine zweiflügelige Türe. Ihr bleibt ihr auch fern. Es liegt ein Bann herum, daher merke ich, wenn ihr jemand zu nahe kommt.“ Mahnte er, dann verschwand er in den ersten Stock.
Neugierig blickte ich mich im hellen Wohnzimmer um. So etwas war ich überhaupt nicht gewohnt. War das etwa ein Haus? Und wem gehört es? Als ich zum Fenster ging und hinaus blickte, konnte ich einen blühenden Garten erkennen, doch durchwuchert von Unkraut, wirkte er nicht besonders beeindruckend.
„Mum?“ Jacob, mein Ältester trat an meine Seite. „Was ist mit diesem Hexer? Ihr kennt euch doch, oder?“
Ich nickte zögerlich. „Wir kannten uns.“ Wich ich der Frage aus.
„Das ist doch dasselbe.“ Gab er besserwisserisch zurück.
Lächelnd beugte ich mich zu dem jungen Teenager hinab um ihm einen Kuss auf die Wange zu drücken. Angewidert schob er mich weg.
„Das ist nicht dasselbe, Schatz. Das wirst du vielleicht später einmal verstehen, immerhin leben wir recht lange, da verändert man sich zwangsläufig immer wieder einmal.“
Missmutig wischte er sich meinen Kuss von der Wange. „So ein Unsinn. So drastisch ändert sich niemand, dass man ihn nicht wieder erkennt.“ Ich mochte seine jugendliche Naivität. Selbst wünschte ich mich irgendwie wieder dorthin zurück.
„Keine Sorge, du wirst auch noch groß werden, mein Spatz.“ Neckte ich ihn, woraufhin er beleidigt davon stapfte. Grinsend ließ ich die drei mit ihrem neuen Spielzeug alleine und ging hinauf, um Teraz zu suchen.
„Ter... Schwarzmagier?“ Er mochte es ja nicht, wenn ich ihn bei seinem Namen nannte. Vermutlich war ich eine der letzten Personen welche sich noch an seinen wahren Namen erinnerten.
„Was?“ Die Doppelflüglige Türe, welche sich tatsächlich gleich neben der rutschigen Holztreppe befand, öffnete sich und schloss sich direkt hinter dem Hexer, sodass ich nicht einmal einen Blick auf das Innenleben erhaschen konnte.
„Ich müsste dich um einen Gefallen bitten. Da ich bezweifle, dass meine Jungs die nächsten Tage, bis zu Edelles Geburtstag in ein und den selben Klamotten herum rennen wollen, wollte ich dich bitten mich für einen Moment nach Haus zu... was auch immer.“
Für einen Moment schien er darüber nachzudenken, doch nickte schlussendlich. „Na gut, aber es sollte nicht zulange dauern.“ Er trat auf mich zu, um meine Hand zu nehmen, doch ich wandte mich einfach, ohne ein Wort zu verlieren, von ihm ab und lief die Treppen hinunter. „Wa... Wo gehst du denn hin?“ Offenbar wollte er die Reise einfach schnell hinter sich bringen
Er folgte mir wesentlich langsamer, da ich die Anmut einer Raubkatze besaß, so wie dessen Geschwindigkeit und tapste zurück in das gemütliche Wohnzimmer, wo glatt eine Großfamilie Platz finden würde. „Kinder, ich werde schnell einmal in die Wohnung gehen. Braucht ihr irgendetwas?“
„Kleidung!“
„Meine Playstation!“
„Nimm mir Spiele mit!“ Auch wenn Logan am Anfang etwas Sinnvolles von sich gab, verrauchte der Hauch von Intelligenz, sobald etwas von einer Console hörte.
Seufzend verdrehte ich die Augen. „Schon klar.“
Der Schwarzmagier wartete am Fuß der Treppe auf mich, mit einem beinahe ungläubigen Blick. Einen guten Meter blieb ich vor ihm stehen und wartete. „Kann losgehen.“ Forderte ich ihn auf, als er mich beinahe eine geschlagene Minute einfach anstarrte.
Kopfschüttelnd murmelte er irgendetwas, dass ich nicht verstehen konnte, da meine Sprachkenntnisse sich alleine auf Englisch beschränkten und trat so nahe auf mich zu, dass meine Nase beinahe sein Kinn berührte. Etwas unsicher legte er seine Handflächen auf meine Schultern. „Du musst mir schon sagen, wo du wohnst.“ Erinnerte er mich.
„Oh... Ähm... Okay.“ Eilig nannte ich ihm meine Adresse in Royal Oaks und er... >schickte< uns an den gewünschten Ort.
Direkt vor dem Gebäude wo sich meine eigene Wohnung befand, kamen wir wieder aus dem Erdreich, oder woher auch immer. Sofort ging ich auf den wohl bekannten Eingang zu, Teraz folgte mir, was ich jedoch eilig unterband. „Vergiss es, du kommst nicht in meine Wohnung.“ Mit einem Arm hinderte ich am Weitergehen.
„Aber...“ Begann er und riss seinen Arm los. „Ich werde bestimmt nicht hier unten stehen und blöd Löcher in die Luft starren, während du dort oben trödelst.“
„Es geht ganz schnell.“ Seufzte ich.
„Du bist eine Frau, natürlich geht es nicht >ganz schnell<.“
Knurrend baute ich mich vor ihm auf, was in meiner menschlichen Gestalt nicht so einfach war. „Ich packe für meine drei Söhne, meinen Bruder und mich. Ob es schnell geht, oder nicht, liegt einzig und alleine daran, wie nervig du jetzt noch bist.“
„Aber es ginge viel schneller, wenn ich direkt die Koffer...“ Begann er wieder, dieses Mal bereits verärgert.
„Nein!“ Widersprach ich.
„Du bist... störrisch, eigensinnig und überheblich. Weißt du das?“ Wäre er kein Mensch, hätte er bestimmt bereits gefaucht. Ehrlich gesagt würde mir das sogar Gefallen.
„Und so etwas aus deinem Mund. Weichei.“ Fauchte ich, und zwar richtig.
„Ich bin kein Weichei. Falls es dir entgangen sein sollte, ich bin ein gefährlicher Schwarzmagier, ohne Name und Herkunft.“ Damit deutete er seinen schmächtigen, beinahe schwachen und abgemagerten Körper hinab.
„Das einzige was ich sehe, ist ein aufsässiges kleine Kind mit Vorurteilen.“ Okay, der Hieb war gemein, aber es stimmte doch.
„Was hat das... Hol verdammt noch einmal deine Koffer, oder du kannst alleine durch halb Amerika gehen.“ Bockig verschränkte er seine Oberarme vor dem Brustkorb und setzte sich, vermutlich schmollend, auch wenn er es niemals zugeben würde, auf den Rand des Gartenzauns, der den Gehweg vom Privatgrund trennte.
Kurz atmete ich tief durch, besann mich besseren und lief zu meiner Wohnung hoch. Oben angekommen besah ich mir für einen Moment das Chaos. Peinlich wurde mir bewusst, wie sehr und vor allem wie lange ich die Ordnung im Haus vernachlässigt hatte. Da wir niemals Besuch erwarteten, bis auf Elth, doch er lebte mit uns hier, kümmerte es mich auch nicht, wie es bei uns aussah. Verärgert lief ich ins Schlafzimmer, kramte drei alte Koffer, von unserem letzten Umzug hervor und packte Kleidung für die nächste Woche. Insgesamt packte ich ja nicht bloß für mich, sondern auch für meine Söhne, Elth so wie Edelle, da mir bewusst war, dass sie keine eigne Kleidung mehr besaß. Keine zumindest die sie in Nächster zeit erreichen konnte.
Als ich gerade die letzten Schuhe noch in den Koffern verstaute, öffnete ich die Türe und blickte mit einem erschrockenen Aufschrei in zwei dunkelblaue Augen. „Was tust du denn hier?“ Schrie ich mein Transportmittel an.
„Du bist schon seit einer halben Stunde hier oben!“ Gab er bissig zurück, doch wirkte wesentlich gefasster als ich.
Schnell drückte ich ihm zwei Koffer in die Hand, damit er ja keinen Blick in den Innenbereich meiner Wohnung werfen konnte und schickte ihn mit einer Handbewegung fort.
Erleichtert schloss ich meine Wohnung hinter mir ab, nahm den letzten Koffer in meine Hände. Drei Minuten später stand Teraz wie aus dem Nichts hinter mir, legte seine Arme einfach, ohne ein Wort zu verlieren, um mich und zog mich hinab in die Dunkelheit.
Es fühlte sich an wie ein Wimpernschlag, schon stand ich im Flur des >sicheren Hauses< und schnappte mir einen zweiten Koffer. Teraz nahm galant den dritten, leichtesten, und folgte mir die Treppe hoch. Als meine Söhne mich sahen, liefen sie sofort hinter uns her. „Wo sind eure Zimmer?“ Fragte ich meine Söhne. Da ich nicht mehr wusste, wo sich welches Kleidungsstück befand, musste ich einfach alles ausräumen.
„Wo sind meine Spiele?“
„Hast du die Playstation nicht...“
Knurrend brachte ich meine Jungen zum Schweigen. „Noch ein Wort und Ter... der Schwarzmagier bringt euch in die Wüste wo es keinen Strom und kein laufendes Warmwasser gibt.“ Dabei verwandelte ich mich fast in meine Zwischenform, wodurch meine Söhne respektvoll den Kopf neigten. Gehörig sammelten sie ihre Sachen heraus, sodass bloß noch zweieinhalb Koffer voll waren, die ich auch sofort in ein anderes Zimmer brachte.
„Wieso hast du eigentlich drei Söhne?“ Erschrocken stellte ich fest, dass Teraz mir in das Zimmer gefolgt ist und nun am Bettende saß, während ich gedankenverloren auspackte. „Sag bloß, ich muss dir nach hundertfünfzig Jahren noch erklären wie das mit den Bienchen und Blümchen funktioniert.“
Für einen Moment konnte ich schwören, einen belustigten Funken zu erkennen, doch Teraz wandte einfach den Blick ab, bevor er sprach. „Du weißt wie ich das meine.“
„Und du kennst die Antwort.“ Gab ich ihm zu bedenken. „Weibliche Menschwesen haben es in den ersten hundert Frühjahren nicht so einfach, wie männliche.“
Hörte ich da etwa jemanden hüsteln? „Du kannst mir schlecht erzählen, dass eines deiner Kinder über fünfzig Jahre alt ist.“
Leise knurrend wandte ich ihm kurz wieder meinen Blick zu, bevor ich weiter einräumte. Sofort fühlte ich mich wieder danach, ihm eine Entschuldigung zu Schulden. „Das nicht. Aber in den letzten Jahren... hatte ich wohl so etwas wie eine Midlifecrisis. Ich habe mich viel zu schnell und viel zu sehr verliebt. Danach wurde ich fallen gelassen und blieb mit... meinen Jungs zurück.“
Aus dem Augenwinkel sah ich ihn stumm nicken. „Also kamst du an die falschen Männer.“ Stellte er monoton fest.
„Das bin ich doch schon immer, nicht wahr.“ Für einen Moment schaffte ich es Blickkontakt zu Teraz herzustellen und konnte schwören, sogar etwas zu fühlen. Es lag unausgesprochen zwischen uns, dieser Schmerz und das Gefühl des Verrates, der bereits etliche Jahrzehnte zurücklag. „Teraz ich...“
„Nenn mich nicht so. Ich habe keinen Namen mehr.“ Fluchend kam ich auf den Schwarzmagier zu, der drauf und dran war aufzustehen. Jedoch bevor er dies tun konnte, hockte ich mich zu seinen Füßen hin und stützte mich an seinen Oberschenkel ab.
„Ich bin nicht mehr die, Lindsey von damals. Du hast nicht einmal den kleinsten Funken Ahnung, wie sehr ich mich für das schäme, was ich dir angetan habe, doch ich weiß auch, dass ich es niemals wieder gutmachen kann. Wegen mir hast du Narben am ganzen Körper, weil ich mein vorlautes Maul nicht halten konnte. Und zu allem Überfluss habe ich deine jugendlichen Triebe ausgenutzt, obwohl ich dazu sagen muss, dass es mein erster Frühjahrssog war. Daher bitte ich dich, Teraz... den Teraz von früher...“ Korrigierte ich mich „...verzeih mir, denn es tut mir unendlich leid.“
Sein Blick, anfänglich voller Abscheu, wurde weicher, bis hin sogar ein wenig Traurig. Plötzlich fühlte sich die Luft um uns herum viel entspannter an und er wagte es sogar, seine Hand nach meinem Haar auszustrecken. Sanft nahm er eine meiner blauen Strähnen zwischen die Finger, betrachtete sie, als wäre ihm die hellblaue Farbe eben zum allerersten Mal aufgefallen und schmunzelte sogar ein wenig.
„Ich werde lieber einmal nach der Prinzessin und ihren Wächter sehen. Vielleicht sind sie bereit uns hierher zu folgen.“
Irritiert kam ich auf die Beine, genauso wie Teraz. Er sagte nichts mehr zu meiner Entschuldigung. Nahm sie weder an, noch lehnte sie ab, sondern ging einfach auf den geräumigen Flur und verschwand in einem schwarzen Loch. „Aus Männer soll man einmal schlau werden.“ Murmelte ich vor mich hin.

6. Mein Traummann

Edelle:

 

Mein Körper fühlte sich schwach an. Als hätte man mich zu lange an einer Batterie angeschlossen gehabt und mein Körper hätte, vergessen wie man sich selbst mit Energie versorgt. Vielleicht lag es auch daran, dass ich beinahe zwei Tage nichts gegessen hatte? 

Zumindest mein Rücken fühlte sich gestärkt an. Jedoch bloß dort, wo ein lang gebauter Körper direkt an ihm lag und mir seine unvergleichliche Wärme spendete. Murrend rekelte ich mich, damit wieder etwas mehr Blut in meine vernachlässigte Gliedmaßen kam, woraufhin mein Freund aus dem Schlaf hochschreckte.
Ja, mittlerweile konnte ich Elth als nichts anderes mehr sehen, als >meinen festen Freund<. Mein einziger Lichtblick in dieser trostlosen Situation. „Wie viele Tage habe ich noch?“
Elth verstand, was ich wissen wollte, ohne dass ich es näher ausführen musste. „Sechs Tage. Wie fühlst du dich?“
Immer dieselbe Frage, doch Elth wusste es doch selbst. Er war mir keine Sekunde von der Seite gewichen, außer um die Toilette aufzusuchen. „Scheiße.“ Gab ich ehrlich zu.
Sofort fühlte ich das wohl bekannte und vor allem beruhigende Vibrieren in meinem Rücken, das mich sofort entspannte. „Hör nie wieder auf zu schnurren.“ Bat ich, drehte mich Elth zu und betrachtete sein Gesicht.
Es wirkte etwas verbissen, übermüdet und angestrengt. Irgendwie hatte ich sogar das Gefühl, alleine mit einem Blick mehr in seinen Gefühlen zu lesen, als es Worte mir jemals beschreiben könnten. „Das ist ein Wunsch, den ich dir leider nicht erfüllen kann, meine Liebe.“ Gab er ehrlich bedrückt zurück, streckte seinen Kopf etwas und küsste zärtlich meine Stirn.
Abermals traten mir Tränen in die Augen. Dabei hatte ich in den letzten zwei Tagen für glatt mehrere Monate, oder gar Jahre geweint. Jede einzelne Träne hatte Elth dabei aufgefangen. „Ich liebe dich.“ Hauchte ich bloß Zentimeter von seinen Lippen entfernt, dann küsste ich ihn. Der Kuss dauerte lange, und als ich meine Lippen wieder von Elths nahm, wirkte er etwas enttäuscht.
„Ich liebe dich noch viel mehr.“ Sanft schmiegte er seine Stirn an meine und fiel zurück in einen unruhigen Schlaf. Ich wusste, er brauchte den Schlaf, wesentlich dringender sogar als ich, daher vermied ich es an das zu denken, was vor achtundvierzig Stunden passiert ist.
Das meiste hatte ich zu meinem Glück nicht wirklich wahrgenommen. Bloß die plötzliche Erkenntnis, von Feinden umstellt zu sein, nagte an mir bis heute. Nicht einen Moment konnte ich diese Tatsache vergessen, dass Menschen etwas derart Grausames getan hatten.
Da mir schon wieder Tränen aufkamen, lenkte ich meine Gedanken auf etwas anderes. Ich dachte an den schwarzen Hexer, der mir einfach geholfen hatte, ohne etwas dafür zu verlangen. Von... meinem ehemaligen Mentor wusste ich ja, dass ausgestoßene Hexer keinen Namen mehr besaßen, keine Familie, kein Recht auf Leben und daher immer auf der Flucht sind, mit einem Steckbrief im Rücken, doch trotzdem... Trotz allem ist er da gewesen, sogar jetzt, zwei Tage später. Er kümmert sich um Lissy und ihre Kinder. Pendelt zwischen dem sicheren Haus, das wie ich nun wusste, dem Anwesen der namenlosen Fee war, und uns hin und her. Vor einigen Stunden ist er hier gewesen. Er hatte mit Elth besprochen, dass wir morgen früh nachkommen würden, insofern ich bereit sei den Unterricht wieder aufzunehmen. Immer noch hatte ich Unmengen zu lernen. Über die Wesen, ihre Gesetze, meine Zukunft.
Wie sollte ich das alles bloß ohne meinen Engel schaffen?
Sofort glitt mein Blick wie von selbst zu Elth zurück und ein kleines Lächeln entrang sich meinen Lippen. Mit ihm, ja. Zärtlich streichelte ich seine Wange, woraufhin er sofort wieder zu schnurren begann und selig lächelte. Mit Elth an meiner Seite würde ich bestimmt alles schaffen, selbst mich zu überwinden das vergangene Ruhen zu lassen. Jetzt hatte ich einfach keine Zeit mehr, ich musste herausfinden, wieso zum Teufel ich mich nicht verwandeln kann. Weshalb kann ich keine Reinrassigen mehr stärker machen? Oder was zur Hölle wollte ich einmal sein, wenn ich volljährig bin? Und ja, selbst in meinem Kopf klang der letzte Satz dämlich. Aber es entsprang doch der Wahrheit.
„Du bist immer noch wach, oder schon wieder?“ Fragend wandte ich Elth mein Gesicht zu. „Du hast ja überhaupt nicht geweint, mein Schatz. Ist alles in Ordnung?“
Dass er so überrascht klang, beleidigte mich ein wenig, doch wusste ich, dass er es nicht böse meinte.
„Nein, schon seit einer Weile sind meine Tränen getrocknet. Ich habe vermutlich einfach keine Kraft mehr um wieder zu weinen.“
Elth bewegte sich neben mir und setzte sich auf. Ein Blick aus dem Fenster sagte uns beiden, dass es tief in der Nacht sein musste. „Ich hole uns beiden etwas zum Essen. Meinst du, dass du endlich etwas hinunter bekommst?“
Zögerlich nickte ich, da mein Magen bereits in Mitleidenschaft gezogen worden war. „Bloß ein Bissen.“ Gestand ich mir ein. Würde ich zu viel essen, wusste ich jetzt schon, dass ich es bereue.
Nach fünf Minuten stand Elth mit Tee, einer Flasche Wasser und einigen beschmierten Brötchen wieder vor mir. Unerwartet nahm er mir einen Kuss ab, bevor er mir die Tasse reichte. „Sei vorsichtig, er ist heiß.“
Dankend versuchte ich zu lächeln, doch versagte auf voller Länge. Elth kümmerte sich so gut um mich, das war ich überhaupt nicht gewohnt. „Du solltest wieder gemein zu mir sein.“ Murmelte ich, während ich versuchte herauszufinden, welche Teesorte das war. Kirsche?
„Was? Wie kommst du denn auf so einen Unsinn?“ Kicherte er.
„Einfach, weil ich es nicht gewohnt bin, dass du mich so umsorgst.“
Elth nahm mir den Tee ab, drückte mich grob auf die Matratze und knurrte mich herausfordernd an. „Noch ein so ein dummes Kommentar und ich werde es dich schon wieder bereuen lassen, dass du überhaupt auf diesen Gedanken gekommen bist.“
Nun schaffte ich doch, wieder ein aufrichtiges Lächeln zu bekommen. „Ohne dich hätte ich schon aufgegeben, Elth.“
Zärtlich hauchte er mir einen Kuss auf die Lippen. „Natürlich hättest du schon lange aufgegeben. Du bist faul und desinteressiert. Außerdem eine Niete wenn es um Geschichte geht.“
Meine Hände glitten um seine Taille und ich zog ihn zu mir herab, um von seiner Wärme vollkommen eingenommen zu werden. „Okay, jetzt habe ich wieder genug von deiner Arroganz.“
Stolz auf sich selbst, senkte er seine Lippen auf meine und raubte mir für, gefühlte, unzählige Minuten den Atem, bevor er neben mich glitt, meinen Körper an sich zog und ich wieder einschlief.
„Lange verschone ich dich aber nicht mehr damit.“ Hörte ich ihn in meinem Traum sagen, doch konnte schwören, dass es auch wirklich passiert ist.

 

- - - - -

 

Der nächste Morgen kam rasch. Mein Tee war kalt, die Brötchen von einer kleinen Ameisenarmee eingenommen. Bloß sehr unwillig trennte ich mich von Elth und ließ mich vom Schwarzmagier mit in die Dunkelheit ziehen. Zusammen kamen wir im Eingangsbereich des Hauses an, wo Lissy sofort ihre Arme fest um mich schlang.
„Gute morgen, meine Süße. Wie fühlst du dich? Komm, du musst dringend etwas essen.“ Mütterlich zog mich meine Freundin in den Wohnzimmerbereich, wo ihre drei Jungs, wieder einmal vor dem Fernseher saßen, während sie eine Runde Karten spielten.
„Mir geht es besser. Danke.“ Erwiderte ich wortkarg und ließ mir einen Keks in den Mund schieben.
„Kannst du es fassen? Den hat >der da< gebacken. Unglaublich, oder?“
Etwas irritiert, biss ich den Keks. Er war mit Cremefüllung und schmeckte einfach himmlisch. Beinahe, als würde ich in eine Schokowolke beißen. Zumindest stellte ich es mir so vor, dass eine Schokowolke schmecken würde.
„>Der da<?“ Fragte der Schwarzmagier empört und kam mit meinem Freund in das Wohnzimmer. „Ich habe einen Namen, Dummkopf.“
Jetzt war es Lissy, die empört nach Luft schnappte, nur um ihn daraufhin böse anzuknurren. „Wie hast du mich genannt?“
Überrascht hob ich eine Augenbraue. Kannte ich dieses Szenario nicht irgendwo her?
„Ich sagte, dass du ein Dummkopf bist.“ Wiederholte der Schwarzmagier provokant. Wie konnte er sich bloß mit einer leicht reizbaren Raubkatze anlegen? Obwohl, ich brauchte nicht großartig darüber reden. Wie oft hatte ich wohl Elth provoziert.
„Sind wir jetzt plötzlich wieder im Kindergarten?“ Fauchte sie ihn an.
„So wir du dich immer benimmst.“ Murmelte er kaum hörbar, doch die Raubkatzen hier, hatten deutlich besseres Gehör als ich, daher konnte ich mich auch irren.
Abweisend verschwand er aus dem Zimmer, Lissy ließ sich beleidigt auf den Boden fallen und kam mir mehr vor, wie ein kleines Kind, als ihre drei Söhne zusammen.
Elth zog mich in eine Umarmung, während ich nach einem zweiten Keks Griff. „Ich werde mich frisch machen gehen.“ Verkündete ich, nachdem ich den Keks regelrecht verschlungen hatte.
„Ich habe dir Kleidung mit genommen. Oben die dritte Türe rechts.“ Hand in Hand mit Elth ging ich hoch um mir frische Kleidung, abermals zu leihen. Langsam wurde das lästig.
„Brauchst du noch Hilfe?“
Irritiert warf ich Elth einen Blick zu. „Bei was denn?“
„Ich kann dir die Haare waschen, oder dir den Rücken schrubben.“ Bot er an, wobei es keinerlei Anspielung sein sollte Er wollte mir bloß behilflich sein, in meiner Nähe bleiben.
„Mir hat noch nie jemand den Rücken geschrubbt.“ Murmelte ich, etwas angetan von der Idee. Noch nicht einmal mit Coria hatte ich jemals zusammen gebadet.
„Dann komm, ich lasse dir ein Bad ein... Insofern ich es finde.“ Den letzten Teil konnte ich kaum noch verstehen, doch nachdem Elth einige Türen durchgesehen hatte, fand er schlussendlich eines.
„Dreh dich weg.“ Bat ich, während das Wasser lief und ich jede Menge Schaum in das Wasser gab.
Sobald ich drinnen saß, stand Elth bereits hinter mir und machte mein Haar nass, ohne meine Augen dabei zu erwischen. „Du bist wirklich gut darin.“ Gab ich zu.
„Ich habe auch drei Neffen.“ Erinnerte er mich.
Lächelnd nickte ich. „Stimmt. Du hast dich viel um sie gekümmert, oder? Findest du es nicht seltsam, dass ich bloß fünf Jahre älter bin, als Jacob?“ Lissys ältester Sohn.
Elth stoppte mit seiner Arbeit. „Was willst du damit sagen?“
Unwissend hob ich die Schultern. „Nun, ja... Ist es für dich... >das alles< nicht seltsam?“
Sanft zog Elth meinen Kopf zurück, bis er von oben herab auf mein Gesicht sehen konnte. Sofort verschränkte ich meine Arme vor dem Brustkorb. Nicht dass er nicht schon beinahe alles von mir gesehen, oder gespürt hätte. Trotzdem war ich noch lange nicht bereit nackt vor ihm herum zu tänzeln.
Plötzlich presste er seine Lippen auf meine, während er meine Kopfhaut weiter massierte. Als er sich zurückzog, lag ein begeisterter Funke in seinen Augen. „Willst du etwa, dass ich dich ablehne?“
Da mein Kopf noch von dem Kuss ganz benebelt war, entrang sich mit ein stöhnendes „Nein.“
Sichtlich stolz auf sich selbst, kniete er sich zurück auf den Boden und ich konnte mich ganz meiner Scham hingeben. Wieso hatte er bloß diese Wirkung auf mich? „Sei ehrlich Elth. Stört es dich denn nicht, dass ich noch nicht einmal volljährig bin?“ Immerhin hat er bereits ein ganzes Jahrhundert hinter sich!
Von meinen Zweifel völlig ein beeindruckt antwortete er wie immer sehr... galant... „Als ob fünf Tage irgendetwas ändern würden. Nur weil du plötzlich ein Jahr älter bist, heißt das nicht, dass du ganz plötzlich eine erwachsene Person bist und nicht mehr kindisch.“
Beleidigt spritzte ich Wasser nach hinten. „Was soll das denn heißen? Findest du mich etwa kindisch?“
Lachend kam er wieder näher, wodurch er sich Haarschaum auf das Shirt schmierte und nass wurde, doch das schien ihn kein bisschen zu stören. Liebevoll knabberte er an meinem Hals. „Nicht sonderlich kindischer als mich selbst und ich bin hundert Jahre älter als du.“
Schaudernd genoss ich das Gefühl seiner Zähne und der Zunge auf meiner nassen Haut und ließ mich gegen ihn sinken. „Du bist unverbesserlich.“ Seufzte ich, während ich durchaus bemerkte, dass seine Hände von meinen Schultern aus tiefer rutschten, während er den Schaum fleißig verteilte. Überrascht von der ungewollten Reaktion meines Körpers, presste ich meine Beine aneinander.
„Selbst wenn mich dein Alter stören würde, was es durchaus nicht tut, hätte ich so wie so keine Chance mehr von dir fortzukommen. Ohne ein Herz kann nicht einmal ein Menschwesen überleben.“
Berührt von seinen leise geflüsterten Worten, ließ ich zu dass seine Hände tiefer, bis auf meine Brüste sanken, sie massierten und mir jeglichen Verstand raubten. Stöhnend ließ ich mich in Elths Hände fallen, ließ zu, dass er mich für einige Zeit alles vergessen ließ, so lange bis das Wasser kalt war, ich bloß noch als ein Häufchen Glück im Wasser trieb und es überhaupt nicht mehr schaffte, mein dämliches Grinsen zu verbergen.
Damit mir nicht zu kalt wurde, nahm Elth mich vorsichtig aus dem Wasser, trocknete mich ab und trug mich in seinen Armen in ein freies Zimmer. Dort setzte er mich auf dem Bett ab und holte noch schnell frische Kleidung für mich. „Zieh dich an, sonst verkühlst du dich.“ Bat er und wandte sich ab.
Als ich fertig war, wobei ich recht lange dafür brauchte, mein Gehirn fühlte sich immer noch wie betäubt an, kuschelte ich mich unter die dicke Decke. „Komm auch her, bitte. Du bist immer so schön warm.“
Mit einem selbstgefälligen Grinsen, das mir wirklich gefiel, beugte er sich über mich, um mich zu küssen. „Schlaf jetzt, Schatz. Du brauchst das wirklich.“
Aber ihn brauchte ich viel mehr. Seine Nähe, nicht falsch verstehen. „Bleibst du nicht hier?“
„Das wäre jetzt bestimmt nicht sicher für dich.“ Meinte er etwas verunsichert.
„Wieso?“ Noch während ich fragte, konnte ich es mir denken. „Oh, verstehe schon.“
„Nimm es nicht persönlich... oder nein, doch. Nimm es persönlich.“ Scherzte er, woraufhin ich wieder dämlich zu grinsen begann, als ich an die letzte halbe Stunde dachte. Natürlich hatte ihn das genauso angemacht wie mich. „Aber wenn ich jetzt hierbleibe, dann versuche ich ganz bestimmt was und dann hasse ich mich.“ Sofort verging mir das Lächeln und ich nickte verstehend.
„Schlaf dich ordentlich aus, ich liebe dich.“ Für einen weiteren langen Kuss zog ich ihn zu mir hinab.
„Ich dich auch, schlaf gut.“ Beim Hinausgehen konnte ich schwören, dass er irgendetwas davon murmete, dass er jetzt eine sehr lange und vor allem kalte Dusche brauchen würde, um überhaupt kein Auge zu zutun. Irgendwie ein kleines bisschen Stolz, schloss ich die Augen und konnte Wasserrauschen bloß eine Minute später in meiner Nähe hören.
Im nächsten Moment überkamen mich Schuldgefühle. Elth tat immer so viel für mich. Er beschützt mich mit seinem Leben, reist mit mir durch das halbe Land, verschafft mir große Lust, damit meine dunklen Gedanken für einige Minuten verschwanden und was tat ich? Ich lag hier und nahm das alles für selbstverständlich. Natürlich reagierte Elth auch darauf, wenn er mich berührt, er ist auch bloß ein Mann. Wenn auch der Großartigste den ich kannte.
Fluchend kam ich aus dem Bett hoch. Auf leisen Sohlen stahl ich mich aus meinem Zimmer und konnte deutlich unten Teraz mit Lissy streiten hören. Schon wieder? Wurde ihnen das nicht langsam langweilig? Was ich hören konnte, ging es um irgendeine Untergrund-Sache. Ich verstand bloß Bahnhof.
Eine Türe weiter, klopfte ich nicht, oder machte irgendwie auf mich aufmerksam. Ich folgte einfach der Kleiderspur zu einer Duschkabine, das Wasser aus der Badewanne war bereits ab geronnen.
Elth hörte mich nicht, als ich näher trat, da sein Kopf direkt unter dem Strahl war, während seine rechte Hand in der Mitte seines Körpers arbeitete. Alleine an der Bewegung verstand ich, was er tat, doch konnte ihm ansehen, dass es ihm große Mühe kostete.
Hinter ihm zog ich mein Shirt aus, damit es nicht zu nass wurde, trat von hinten an ihn heran und legte meine Handflächen zärtlich auf seinen Rücken.
Erschrocken fuhr er herum. „Dell!“ Stellte er schockiert fest und versuchte das zu verdecken, was sich unmöglich verdecken ließ. „Verschwinde sofort aus der Dusch... kab... bine...“ Meine Hände glitten vor zu seinem Bauch und zogen durch den Wasserstrahl feine Spuren über seine Haut. „Bitte, Dell. Ich will wirklich nicht dass du...“
„Soll ich etwa aufhören?“ Ich kannte die Antwort bereits, da er seine Hüfte meiner Hand entgegen bewegte.
„Das wollte ich damit nicht sagen.“ Zischte der Menschwandler zwischen zusammen gebissenen Zähnen. Stöhnend ließ er seinen Kopf gegen die Duschwand fallen, während ich meinen Oberkörper an seinen Rücken presste und eine Hand zärtlich um sein pochendes Stück schloss.
„Ich will mich bloß revanchieren, also dreh dich nicht um, sonst lasse ich dich wieder alleine.“ Für einen Moment schien er zwischen seinem Gewissen und dem zu ringen, was sein Körper dringend wollte. Schlussendlich gab er auf und stieß auffordernd in meine Hand, damit ich endlich begann, oder eher zu Ende brachte, was er alleine nicht konnte.
Zärtlich küsste ich seinen Rücken, während Elths Beine zu zittern begannen und die Fliesen unter seinen ausgefahren Klauen zu leiden hatten. Nach einiger Zeit brachte ich meine zweite Hand, die bisher auf seinem muskulösen Bauch geruht hatte, mit ins Spiel, woraufhin er geschlagen auf die Knie sank. Knurrend schlug er seine Faust gegen die Fliesenwand, was einen ungeheuerlichen Krach machte, gleichzeitig spannte er sich in meinen Händen so stark an, was für mich das Zeichen war, dass er, soweit war.
Da ich mittlerweile ebenfalls hinter ihm kniete um seine Hüfte zu erreichen, ließ ich meine Brüste über seinen Rücken gleiten, während ich meine Lippen an sein Ohr senkte. Zärtlich biss ich hinein, was ihm schlussendlich den Rest gab. Mit einem lauten, erlösenden Schrei, kam er zwischen meinen Händen und sank gleichzeitig in sich zusammen, als hätte ihn jegliche Kraft verlassen. „Scheiße...“ Murmelte Elth, während er sich sammelte.
Stolz küsste ich sein Ohr und leckte mit der Zunge darüber, bis auch sein letzter Stoß verklungen war. „Das wir immer Intensiver zwischen uns.“ Hörte ich ihn sagen, während ich feststellte, dass er mit seinem vollen Gewicht an mir lehnte.
„Das ist doch gut, oder?“ Zumindest konnte ich nichts Schlechtes daran finden.
Immer noch außer Atem, strich er seine Haare zurück und schien zu bemerken, dass er halb auf mir lag. „Nicht wenn du deinen Geburtstag überleben willst.“ Fauchte er mich verärgert an.
„Ich will niemals Geburtstag haben.“ Flüsterte ich leise. Elth lehnte seinen Rücken an die Duschfliesen, während der Duschstrahl die letzten Reste von ihm fortspülten. Auch ich wusch mir unauffällig etwas von den Fingern.
„Es ist bloß eine Nacht, Dell. Danach werde ich jedem den Arm ausreißen, wenn er auch bloß daran denkt dich zu berühren.“ Müde, doch glücklich über seine Worte, beugte ich mich vor, um ihn zu küssen.
Gierig schob Elth meine Lippen auseinander, küsste mich so leidenschaftlich, dass es einem Abdruck glich, um sich zu vergewissern, dass mich niemals jemand so anfassen würde, wie er. „Jetzt verschwinde ins Bett, bevor du unter meiner Dusche einschläfst.“ Befahl Elth, wobei mir durchaus auffiel, dass sein Blick schon wieder von meinen Brüsten abgelenkt wurde.
Nickend griff ich nach meinem Schlafshirt, schlüpfte aus dem Bad und konnte es nicht glauben, dass Elth schon wieder scharf auf mich war. Schaudernd schloss ich die Türe, während ich mich fragte, was bloß aus mir geworden ist.
Niemals hätte ich gedacht, dass ich meinen Freund jemals unter der Dusche überraschen würde, nur um ihm... nun, ja glücklich zu machen. So bin ich doch gar nicht. Obwohl ich zugeben musste, dass ich ja bisher noch keinen gehabt hatte. Mit Elth machte ich meine aller ersten Erfahrungen, sehr schöne Erfahrungen!
Unter der Bettdecke bemerkte ich, dass meine Schlafhose patschnass war, daher zog ich sie aus und warf sie über einen Sessel, damit die Matratze nicht nass wurde. Nicht noch nasser. Unruhig warf ich mich gut eine Stunde herum. Dachte darüber nach, was wohl Gael sagen würde. Vermutlich wäre er wütend, dass ich hier herum lag, anstatt etwas zu lernen. Meine Bildung hatte er schon vorher immer sehr ernst genommen.
Eigentlich bin ich, schulisch gesehen, auch nicht schlecht, bloß was das auswendig lernen von zu vielen Informationen anging, konnte ich schnell einmal überlasten. Oder bockig werden. Fügte ich traurig lächelnd hinzu.
Gut eine Stunde später, hörte ich, wie die Türe geöffnet wurde, Elth schob mich zur Seite, sodass er hinter mir Platz hatte und zog meinen Körper an sich. „Schlaf jetzt endlich, du Grüblerin.“ Schnurrte er in meinem Nacken.
Obwohl es erst Mittag war, schlief ich dass erste Mal seit knapp drei Tagen richtig ein.

7. Was ist ein Gefährte?

Edelle:

 

Elth weckte mich, als es Abendessen gab, irgendwann gegen Sechs. Gähnend folgte ich ihm aus dem Zimmer, während ich gegen das Gestrüpp, das ich irgendwann einmal >meine Haare< genannt hatte, versuchte zu zähmen. Bevor ich mich so wild im Bett herum gewälzt habe, hätte ich sie trocknen sollen. Das hatte ich nun davon.
Liebevoll legte er einen Arm um meine Schulter und hauchte mir einen Kuss auf meinen Wischmob, damit ich aufhörte daran herum zu pfuschen.
Im Erdgeschoss führte mich Elth durch den Gang in das geräumige Wohnzimmer. Mittlerweile galten wir bereits als eine Großfamilie, daher war so gut wie jeder Platz besetzt.
Jacob und Logan saßen auf der breiten, braunen Lederbank, neben ihnen ihre Mutter Lissy, auf deren Schoß der vierjährige Matty saß. Auf dem großen Ohrensessel hatte es sich der Schwarzmagier bequem gemacht. Er hatte Lissy demonstrativ die Seite zugewandt, als würde er sie dadurch ausblenden können. Langsam bekam ich das Gefühl, dass die beiden sich nicht sonderlich mochten. Welch Überraschung?
Als Lissy mich bemerkte, stopfte sie gerade ihrem Sohn ein dickes Stück Cordon bleu in den Mund, setzte ihn zur Seite und kam auf mich zu.
„Oh, Dell. Du siehst ja aus, als hättest du in eine Steckdose gegriffen.“ Tadelte sie mein Auftreten, doch kicherte dabei. Eilig löste sie ihren seitlich geflochtenen Zopf und reichte mir ihr Haar band. „Im Badezimmer oben habe ich noch welche. Bedien dich ruhig, die hat >der da< besorgt.“
>Der da< fühlte sich sofort angesprochen und warf Lissy mit seinen dunkelblauen Augen einen beinahe vernichtenden Blick zu. Hoffentlich trieben es die beiden nicht irgendwann einmal zu weit. „Danke.“ Erwiderte ich und bezog dabei auch den Schwarzmagier mit ein.
Mit einem zustimmenden Nicken wandte er sich seinem Abendessen zu, wobei er bei weitem das kleinste Stück erwischt hatte. Elth hatte sich in den zweiten Ohrensessel fallen lassen, der am anderen Ende des Zimmer stand und belud seinen Teller großzügig, wobei er absichtlich nicht sonderlich zum Gemüse griff. Generell schien der Salat bloß vom Schwarzmagier gegessen zu werden.
Neben Elth, auf der Armlehne des Ohrensessels, zog ich meine Beine hoch und nahm einen Teller von Lissy entgegen. „Dankeschön.“
„Ihr fühlt Euch wieder bereit zum Lernen, Prinzessin?“
Verdutzt blickte ich den Schwarzmagier an. Seine eingefallenen Augen, das kantige Gesicht und der grimmige Ausdruck in seinen Augen, ließen ihn irgendwie abstoßend und furchteinflößend wirken. Lissy jedoch schien von seiner negativen Aura nicht einmal ansatzweise etwas mitzubekommen, denn im Vorübergehen, lud sie ihm ein zweites Stück Cordon bleu auf den Teller, welches er missmutig musterte. „Du brauchst etwas auf die Rippen, iss!“ Befahl sie in einem strengen Ton, den sie auch bei ihren Kindern anwendete, damit sie hörten.
Grummelnd wandte er mir seine Aufmerksamkeit wieder zu, doch schnitt gehörig ein Stück herunter. „J... Ja.“ Begann ich unsicher, was noch mal die Frage gewesen ist.
„Wann wollt Ihr mit dem Unterricht beginnen?“
Oh, darum ging es. „Wenn es für dich akzeptabel ist, dann heute noch? Ich habe den ganzen Tag geschlafen und wenn ich nicht bald beginne etwas Sinnvolles zu tun, liege ich wieder im Bett und heule mir die Augen aus.“ Jetzt verging mir der Appetit wieder, doch Elth legte seine Hand auf meinen Schenkel und deutete mir etwas in den Mund zu stecken. Genervt verdrehte ich die Augen, er hatte ja recht. Zumindest ein bisschen etwas sollte ich essen, auch wenn so etwas fettiges im Moment nicht gerade Ideal für meinen leeren Magen war.
„Natürlich. Ich schlage vor um acht, kommt Ihr in mein Zimmer, dort werde ich überprüfen, wie weit Ihr bereits seid.“
Gedankenverloren nickte ich, während Elth neben mir knurrend seinen Missmut von sich gab. „Wieso in >deinem< Zimmer?“ Fauchte er den Hexer an.
Dieser ließ sich kein bisschen davon beeindrucken. „Weil es das einzige ruhige Zimmer im Haus ist.“ Daraufhin steckte er sich noch etwas Gemüse in den Mund und stellte seinen Teller zur Seite um aufstehen zu können.
Knurrend hielt Lissy in davon ab. „Zusammen essen!“ Drohte sie mit leuchtenden Augen.
„Ich bin kein kleines Kind mehr.“ Gab der Angesprochene beleidigt zurück.
„Dann verhalte dich auch so und iss das zusammen. Sei ein Vorbild, sonst können wir gleich alles wieder wegschmeißen, was du gekocht hast.“
Mit stark aufeinandergepressten Lippen, konnte ich schwören Zähne knirschen zu hören, während ich dem Starrkampf gespannt folgt. „Es sind deine Kinder, mir ist es egal, was sie tun, oder nicht.“
Ein gehässiges Lächeln rekelte sich über Lissys Lippen. „Dann wird es dich wohl kaum stören, wenn sie nicht zusammen räumen, ihren Schmutz überall verteilen und den Teppich vollkommen versauen.“
Als könne er nicht glauben, dass ihm die Gepardin mit dem Haushalt drohte, öffnete er den Mund um etwas zu sagen. Einen Moment später schloss er ihn geschlagen wieder, ergriff seinen Teller, so wie seinen Salat und stürmte murrend die Treppe in den ersten Stock hoch.
Hustend versuchte ich, ein Kichern zu verbergen, doch hatte genauso wenig Erfolg wie Lissys Jungs, oder gar Elth. Nun, ja Elth gab sich nicht einmal die Mühe, sondern lachte laut und ausgiebig. Alleine dieses Geräusch brachte mein Herz zum rasen, während meine Ohren vor Glück schmolzen.
Sofort zuckte sein Blick leicht verlegen zu mir, bevor er rot wurde und mir zu strafe einen Kuss aufdrückte. „Du bist furchtbar.“ Flüsterte er leise, was mich bloß noch breiter Lächeln ließ. Dass er meine Gefühle lesen konnte, störte mich nicht einmal eine Sekunde. Im Gegenteil, ich beneidete ihn um diese Fähigkeit.
„Arg, hört bloß auf zu turteln. Sonst vergeht mir der Appetit.“ Motzte mich Lissy plötzlich an. Irgendetwas hatte ich wohl verpasst.
„Was ist denn eigentlich zwischen dir und dem Hexer? Anscheinend habe ich da etwas verpasst.“ Bohrte ich nach. Nicht weil ich sie weiter reizen wollte, doch ich war neugierig. So wie sich die beiden verhielten, schienen sie eine Vergangenheit zu haben.
„Nichts.“ Knurrte meine Freundin und Wächterin.
„Die beiden sind zusammen aufgewachsen.“ Plapperte Logan drauf los.
„Halt die Klappe!“ Fauchte Lissy nun auch ihren siebenjährigen an, der es überhaupt nicht zu bereuen schien den Mund geöffnet zu haben.
Sogar Jacob, der Dreizehnjährige, welcher seiner Mutter am aller wenigsten glich, bis auf die lange Statur, mischte sich ein. Im Gegensatz zu Matty und Logan hatte er rotbraunes Haar und dunkle Augen. „Ich habe sie letztens in einem Zimmer miteinander reden gehört.“
„Jacob!“ Drohte Lissy.
„Mum scheint ihm wirklich etwas Schlimmes angetan haben. Er hat auch die Narben von ihr.“
Überrascht hob ich eine Augenbraue. Der Schwarzmagier besaß Narben? So genau hatte ich ihn noch nie angesehen. Welch Wunder?
„Was hast du denn getan?“ Fragte nun Elth, ehrlich interessiert.
„Nichts was dich angeht. Das war noch vor deiner Geburt.“ Versuchte sich seine Schwester herauszureden. „Außerdem habe ich mich längst dafür entschuldigt.“
Jacob lehnte sich vor, um seine Mutter eingehend zu mustern. „Aber er hat sie nicht angenommen und das wurmt dich.“ Bemerkte er klug.
„Halt dich aus meinem Kopf raus, Sohn.“ Die Bezeichnung >Sohn< klang beinahe wie eine Mahnung. Vermutlich sollte sie das auch sein, doch der Älteste dachte nicht einmal daran.
„Wieso trifft dich das überhaupt so? Sonst ist es dir doch auch egal, was andere von dir denken.“
Von einem Moment auf den anderen, verlor Lissy ihre Beherrschung. Ihre Haut fiel von ihrem Körper ab, als wäre sie nichts anderes als ein Trugbild und goldenes, geflecktes Fell zierte ihren grazilen Körper unter der zu eng gewordenen Kleidung. „Verdammt noch mal, das waren andere Zeiten, ich habe zum aller ersten Mal einen Frühjahrssog gespürt und das obwohl ich noch viel zu jung dafür war. Ich kann es nicht rückgängig machen, ich hasse mich dafür, ihm so etwas angetan zu haben, doch... ich bin froh, dass er es gewesen ist. Es hat mich sogar über die Jahre hinweg getröstet, dass ich an jemanden geraten bin, den ich geliebt habe und dass es nicht einfach irgendein x-beliebiger Typ in einem stinkenden Auto im Vollsuff war. Zufrieden jetzt?“
Ihr Teller lag zersplittert am Boden, das Essen verteilt und bei ihrem Sprung hatte sie einige Gläser umgeworfen. Keiner sagte etwas, niemand wagte sie darauf aufmerksam zu machen, was sie gesagt hat, oder... dass der Schwarzmagier hinter ihr die Treppe hinunter gekommen ist, da er den Lärm vernommen hatte.
Da niemand etwa sagte, drehte sie sich verletzt um, doch stockte nach drei Schritten, als sie den Hexer ungläubig an der Treppe stehen, sah. Plötzlich verlor sie vollkommen die Kontrolle über ihre Verwandlung und glitt in den sicheren Schutz einer zweieinhalb Meter langen Raubkatze, die sich fauchend vor dem Hexer aufbaute. Jedoch war dieser noch immer so starr vor Schreck, dass er gar nicht erst daran dachte, sich vor der Raubkatze in Sicherheit zu bringen. Er starrte sie einfach bloß an, als hätte sie ihm gerade eben erklärt, dass er überhaupt kein menschliches Wesen ist, sondern ein Außerirdischer.
Immer noch bewegte sich niemand, bloß Lissy schrie ihren Schmerz hinaus und sprintete, ohne ihrer Umgebung große Beachtung zu schenken, einfach los. Mit einem Wink öffnete der Hexer dem Gepard die Eingangstüre, wo sie hindurch preschte und bloß tiefe Kratzer im Boden hinterließ.
Nach einem beinahe unendlichen Moment, wandte der Magier sein Gesicht unsere kleinen Gruppe zu und wurde dunkelrot im Gesicht. „Lasst es liegen, ich räume es später weg.“ Damit verschwand er, mit zitternden Beinen, die Treppe hoch.
„Das war romantisch.“ Entfuhr es mir ganz leise, doch die vier Menschwesen hörten es natürlich.
„Wird er jetzt unser neuer Papa?“ Fragte Matty, der nach seinem Becher mit Wasser griff.
„Nein, natürlich nicht. Die beiden können sich doch überhaupt nicht leiden.“ Warf Logan ein, wobei seine Augen gelb aufleuchteten, so wie die von Jacob.
„Das heißt noch lange nichts.“ Gab Elth dazwischen, der einzige der jetzt noch etwas essen konnte, da er schon wieder nach einem Stück marinierten Fleisch gefüllt mit Schinken und Käse griff.
„Was meinst du?“ Fragte ich nach.
„Was ich mitbekommen habe, verhält sich Lissy bei dem Hexer genauso wie ich bei dir.“
Verstehend entkam mir ein ungläubiges „Oh!“
Die drei Jungs konnten uns wohl nicht folgen. „Was heißt das?“ Fragte Jacob nach und fand offenbar auch wieder seinen Appetit.
„Das bedeutet, dass wir Menschwesen, nicht immer logisch reagieren, das liegt an unseren gemischten Genen zwischen Mensch und Tier.“
„Weil wir genauso sehr Tier sind, wie Mensch.“ Wiederholte Logan einen Satz, als hätte er diesen eben erst in der Schule auswendig gelernt und sei stolz drauf sein Wissen mit uns teilen zu können.
„Genau, sehr gut, Logan.“ Lobte Elth. „Geparden wie wir, reagieren sehr abweisend auf Menschen, die uns sehr viel bedeuten. Aber nicht im Sinne von Freundschaft, oder Familie, da sind wir wesentlich offener.“
Ja, das war mir bei Lissy bereits aufgefallen.
„Du meinst, wenn wir auf jemanden stehen, dann mögen wir ihn nicht?“ Fasste Jacob vollkommen unlogisch zusammen, obwohl es doch Sinn machte. Zumindest für mich, da ich dasselbe mit Elth ein gutes Jahr lang durch gemacht habe.
„Genau, so in etwa.“ Grinste Elth, zog mich auf seine, nun wieder freie Schoß und küsste meine Schulter.
„Wieso sind wir so dämlich? Es wäre doch einfach, wenn wir einfach sagen würden, dass uns diese Person gefällt.“ Jacob stellte ebenfalls seinen Teller weg und half seinem kleinen Bruder, der gerade seine Hand in der Salatschüssel versenkt hatte, aus Neugierde.
„Das musst du wohl oder übel selbst herausfinden. Wenn dir ein Mädchen gefällt und du mit ihr flirtest, dann magst du sie einfach nur.“ Ich interpretierte es einfach einmal als eine Kindergerechte Fassung von >dann willst du sie einfach bloß flachlegen<. Jedoch sprach ich es nicht laut aus. „Weist du das Mädchen aber ab, läufst ihr hinterher um sie zu ärgern, weil du so gerne ihre Gefühle deutest oder weil dir ihr Geruch so gut gefällt, dann ist es schon etwas ernsteres.“
Logan wirkte angewidert, während es für Jacob plötzlich Sinn machte. „Deswegen finden so wenige von uns ihren Gefährten.“ Es war bloß so in den Raum geworfen worden, da Jacob ein Licht aufging, doch Elth versteifte sich unmerklich unter mir. Sofort regte es meine Neugierde.
„Was sind Gefährten? So etwas wie Liebende für die Ewigkeit und dieses ganze Gesülze?“ Von solchen Quatsch war ich noch nie ein großer Fan. Klar man verliebte sich, lernt die Person kennen und heiratet, gründet eine Familie. Aber sein restliches Leben mit ein und derselben Person verbringen? Das war doch etwas... krank. Na, gut es gibt vermutlich ein paar ausnahmen, aber Ausnahmen machten nicht die Regel aus.
„So ziemlich. Aber es geht tiefer, man beginnt die Gefühle des anderen wahrzunehmen, als wären es die Eigenen. Man reagiert etwas übertrieben eifersüchtig, doch das legt sich in den Jahren und der... also nachts findet man nicht viel Ruhe.“ Über seinen plötzlichen Fall der Tonlage musste ich kichern. „Außerdem kann man seinen Partner zu jeder Zeit überall finden.“ Fügte er noch hinzu, als es ihm einfiel.
„Das ist wirklich krank.“ Meinte ich ehrlich. „Nichts für ungut, aber du bist mein erster fester Freund und wir haben vermutlich einige hundert Jahre vor uns. Ich bezweifle, dass wir so lange zusammen bleiben werden. Siebzig Prozent der Ehen gehen in die Brüche, auch wenn sich nicht alle scheiden lassen, führen sie doch Eigenleben.“ Erinnerte ich ihn.
Knurrend funkelte mich Elth an, als hätte ich gerade sein >Teil< als kurz bezeichnet. „Das wird niemals passieren. Wenn du nach deiner Volljährigkeit auch nur ansatzweise an jemand anderen denkst, werde ich ihn hängen und bei lebendigen Leib die Haut abziehen!“ Das Grollen seines Knurrens vibrierte durch meinen ganzen Körper, als würde er mich damit für immer an sich binden wollen. Im nächsten Moment zog er mich grob auf seinen Mund herab und presste seine Lippen so stark auf meine, dass mein Denken bedrohlich ins Schwanken geriet. Wie macht er das immer? Außerdem gefiel mir seine Eifersucht sehr. Langsam bekam ich das Gefühl hier die Kranke zu sein. Wieso gefiel mir so etwas? 

8. Lehrstunde in Magie

Lissy:

 

Mit festen Stößen setzten meine schlanken und langen Beine über die unebene, Erde der Felder. Vor mir konnte ich den Sonnenuntergang sehen, lief darauf zu, wie eine Motte auf das Licht zuflog, während sich die Anstrengung langsam bemerkbar machte. Meine Muskeln begannen sich unangenehm zusammen zu ziehen. Meine Krallen gruben sich tief in das Erdreich, während der kühle Abendwind durch mein goldenes Fell streichelte.
Als ich auf einen Feldweg traf, blieb ich schlitternd auf dem Kiesweg stehen, während mein plötzlicher Stillstand, dicke Wolken aufweckten. Keuchend ließ ich meinen völlig erschöpften Körper zur Seite fallen, und rekelte mich unter den letzten verbleibenden Sonnenstrahlen.
Nach einer knappen Stunde Pause entschied ich, dass es wohl Zeit wäre wieder nach Hause zu gehen. Ich musste meine Kinder ins Bett bringen, mich duschen und anziehen. Vielleicht konnte ich Edelle ja noch einmal erwischen, bevor sie mit dem Lernen begann?
Wenn nicht, würde sie ohnehin nicht lange in Teraz Zimmer bleiben. Eigentlich hatte ich ja vor gehabt, heute um Mitternacht in den Untergrund zu gehen, doch mittlerweile war ich mir dessen nicht mehr so sicher. Nicht dass ich angst vor dem Untergrund hätte, aber ein großer Fan war ich von dem Abschaum, der sich dort herum trieb, nicht unbedingt. Außerdem müsste mich Teraz begleiten. Derzeit war ich alle andere als bereit mit ihm auch nur ansatzweise Zeit zu verbringen.
Als ich wieder vor dem roten Haus stand, dessen Auffahrt leicht vernachlässigt wirkte, glitt ich zurück in meine aufrechte Zwischenform, bevor ich die Türe öffnete. Im ganzen Haus war es still, doch durch mein gutes Gehör, fand ich meine Kinder oben in einem Zimmer, welches sich Logan mit Jacob teilte. Mein Jüngster, Matthew schlief immer noch bei mir. Er ist sehr anhänglich, das liegt wohl oder übel in seinen Genen.
Zuerst brachte ich Matty in die Badewanne, wo ich mich einige Zeit mit ihm und einem Haufen Schaum vergnügte. Als wir beide wieder hinaus kamen, frischer als jemals zuvor, stellte sich Jacob unter die Dusche, während Logan sich die Zähne putzte.
„Du musst heute bei deinen Brüdern schlafen, ja?“ Wies ich Matty an, als ich ihn in deren Zimmer brachte.
„Aber ich will bei dir schlafen.“ Beklagte er sich laut gähnend.
„Und ich will dich in Sicherheit wissen. Ich werde heute Nacht unterwegs sein und möchte, nicht dass du alleine bleibst. Wir wissen beide wieso.“ Tapfer nickte er und ließ sich unter die Bettdecke stecken.
„Ach... Mama! Wieso?“ Murrte Jacob, als er hinein kam. Logan schien es egal zu sein, er hüpfte direkt zu seinem kleinen Bruder ins Bett und zog ihn an sich.
„Weil ich heute Nacht in den Untergrund gehen werde. Wir müssen herausfinden, was mit den Menschen los ist.“
Für einen Moment schien er rebellisch werden zu wollen, doch dann verzog er ergeben das Gesicht. „Na, gut.“
„Ich liebe euch.“ Schwor ich meinen drei Jungs. Jedem von ihnen stahl ich noch einen Kuss, wobei Jacob einen angewiderten Laut von sich gab. Kichernd lief ich wieder in mein Zimmer und suchte mir passende Kleidung heraus. Mit meinem bereits ausgewaschenen Haar sollte man meinen, dass ich rebellisch wirkte, doch während ich meine Kleidung durch sah, kam ich mir wie eine typische >Mutti< vor.
Grummelnd packte ich eine schwarze Strumpfhose, die in diesem warmen Klima unnötig geworden war, einen grauen Rock, der mit eigentlich bis zu den Knien reichte und eine blaue Bluse. Eilig sprintete ich mit angehaltenen Atem durch die Küche, bearbeitete meine Kleidung, bis aus meiner Strumpfhose eine löchrige Shorts entstand, den Rock kürzte ich bis er bloß noch knapp meinen entzückenden Hintern verdeckte und zog darunter einen hellen String an. Ich wusste, so etwas konnte Männer verrückt machen, wenn ich den richtigen Hüftschwung benutzte. Meiner, für meinen Geschmack, zu mütterlichen Bluse, verpasste ich am Rücken einige Löcher, wodurch man schnell erkennen konnte, dass ich keinen BH trug, schnitt auf beiden Seiten die Ärmel ab, damit sie wie Träger wirkten, und vertiefte den Ausschnitt.
Im Badezimmer bearbeitete ich mein Gesicht, bis es dunkel geschminkt war und meine Haare band ich zu einem nicht sonderlich säuberlichen Hochzopf, während ich mit einigen schwarzen Spangen, ein >x< bildete. Da meine Lippen nicht fein geschwungen waren, oder füllig, konnte ich auf hellen Lippenstift verzichten und passte sie lieber meinem Hautton an, während ich ihnen mit Lippgloss etwas Glanz verlieh.
Zufrieden betrachtete ich mein punkiges Aussehen. Als es kurz vor Mitternacht war und ich keine losen Fäden mehr fand, ging ich hinunter in das Erdgeschoss, folgte dem Ende der Treppe nach hinten in einen etwas dunkler gehaltenen Gang, wo ich an die einzige vorhandene Türe klopfte.
Es dauerte etwas, doch ich hörte Teraz hinter der Türe rascheln. Kurz darauf klimperte ein Gürtel und ich verzog fragend das Gesicht. Hatte er sich etwa ausgezogen? Wieso?
Als die Türe aufging, verstand ich es. Er hatte geschlafen. „Es ist in einer viertel Stunde Mitternacht, beweg deinen faulen Hintern hoch!“ Schimpfte ich, woraufhin er bloß verschlafen seinen Kopf gegen die Türe lehnte.
„Willst du heute wirklich mit mir irgendwo hingehen? Ich dachte eher, du würdest mich ab jetzt meiden.“ Murrte er mit einer rauen Stimme.
Etwas verlegen, da er mich erinnerte, weshalb ich seine Nähe eventuell meiden wollen könnte, betrachtete ich meine hochhackigen Schuhe. „Würde es bloß um mich gehen, würde ich sofort mit den Kindern abreisen und einfach das geschehene Vergessen.“ Entschlossen schob ich mein Kinn vor und ließ meine Augen aufleuchten. „Aber hier geht es um Edelle, unsere Prinzessin. Besser wir finden schnell antworten, bevor ihr etwas Gröberes zustößt. Du hast gesehen, wie sie auf uns los gegagen sind. Wärst du nicht dabei gewesen, hätten sie mich oder Elth einfach überrannt. Das passiert kein zweites Mal.“ Mit einem entschlossenen Knurren unterstrich ich meine Aussage.
„Gib mir fünf Minuten. Ich muss erst wach werden.“
„Soll ich dir einen Kaffee machen?“
Irritiert musterte er mein Gesicht. „Die Kaffeemaschine ist in der Küche.“ Erinnerte er mich.
Als wäre es egal hob ich die Schultern. „Beeil dich, sonst wird er kalt.“ Sagte ich, als wäre er bereits fertig, aber ich bekam ebenfalls Lust auf eine Tasse mit starken Koffein. Heute würde keine kurze Nacht werden.

 

- - - - -

 

Edelle 2 Stunden davor:

 

Nach Lissys kleinen Ausbruch, machte ich mich zusammen mit Elth daran die ganzen Sachen wieder aufzuräumen und abzuspülen. Die Jungs gingen derweilen in den Garten, während der Schwarzmagier sich oben eingesperrt ließ. Nachdem ich alles abgespült hatte und weggeräumt war, desinfizierte ich die Arbeitsfläche, da es hier drinnen recht steril roch. Vermutlich war der Hexer ziemlich ordentlich, auch wenn ich es niemals bei ihm vermutet hätte.
Um Punkt acht, ging ich um die Treppe herum, wo sich bloß ein kurzer, recht dunkler Gang befand mit einer ebenso dunklen Türe. Zweimal klopfte ich dagegen.
Einen Moment später öffnete der Schwarzmagier, völlig in schwarz gekleidet die Türe und ließ mich ein. Etwas verblüfft besah ich mir den Raum. Ein dunkelbrauner Teppich verdeckte den hellen Boden, er wirkte sogar frisch gesaugt. Das Bett stand ganz hinten im Raum, als wäre es bloß ein notwendiges Übel, mit einem abgegriffen Polster und einer ordentlich gemachten, dunklen Decke darauf. Auf dem einzigen Regal, mit fünf Fächern, das ebenfalls aus dunklem Holz bestand wie die Türe, standen verstaubte Bilder, welche umgelegt worden waren. Vermutlich damit ich sie nicht ansehen konnte. In dem Regal, welche sich rechts neben der Türe befand, standen einige Mappen und Bücher, ebenfalls ordentlich sortiert, nach Größe oder Gebrauch geordnet.
Ansonsten war eine große Fläche frei geräumt worden und ein Schreibtisch, der offensichtlich mitten im Raum gestanden hatte, war nun bis nach hinten an das Bett zurückgeschoben worden. Der unbequem wirkende Holzstuhl, stand darauf.
„Hier.“ Der Schwarzmagier hielt mir einen recht neu aussehenden Stapel Polster hin.
„Was soll ich damit?“ Fragte ich, während ich beobachtete, dass er exakt denselben Stapel besaß und es sich, damit auf dem Boden bequem machte.
„Setzt dich mit ihnen auf den Boden, verschränke deine Beine und versuche eine entspannende Position zu finden.“ Befahl er, in einem nicht gerade drängenden Tonfall. Es klang eher so, als würde er mir die Wahl lassen.
Na, dann... Mal sehen was er vor hat. Ich ließ die Polster auf den Boden fallen, steckte mir den größten davon unter den Hintern. Den kleinsten legte ich unter meine Knöchel, damit sie mir nicht weh taten, und bildete mit meinen Beinen ein >O<. Jeweils unter ein Knie legte ich ebenfalls einen Polster, wobei noch zwei nun übrig blieben. Sie ließ ich auf der Seite, neben mir liegen. „Und jetzt?“
Der Schwarzmagier saß mit verschränkten Beinen und benutzte bloß drei der Polster. Offenbar ging dieser Hexer gerne auf Nummer sicher. Das gefiel mir, er dachte wirklich ausgiebig mit. „Jetzt drück deinen Rücken durch.“ Mir fiel auf dass er mich endlich nicht mehr >siezte<.
„Du duzt mich endlich.“ Grinste ich frech und streckte meinen Rücken ganz gerade durch.
„Nur während der Unterrichtsstunden.“ Versprach er.
„Das muss nicht sein. Du kannst mich ruhig Dell nennen.“ Bot ich ihm an, doch er verwarf mein Angebot mit einer neuen Aufgabe.
„Prinzessin, nehmt jetzt die Schultern zurück und schließt dabei die Augen.“
Ich tat wie geheißen und unterdrückte ein genervtes Seufzen. Er ist genauso stur, wie es meine Wölfe gewesen sind. Sofort befiel mich wieder die Trauer.
„Ruhig atmen, Prinzessin. Lasst euch von der Trauer leiten, sie ist nichts Schlechtes.“ Woher wusste er denn das nun wieder?
„Ich bin nicht traurig.“ Murrte ich, doch es war sinnlos noch irgendetwas abzustreiten.
„Schließ die Augen!“ Mahnte er mich, woraufhin ich sie zusammen presste. „Ganz ruhig. Lass dich von meinen Worten einfach anleiten. Hier sind bloß du und ich. Niemand anderes. Niemand kann dir hier irgendetwas antun, wir sind durch einen starken Bann geschützt.“ Tief atmete ich durch und versuchte die Worte auf mich sinken zu lassen.
Vermutlich wäre ich zusammen mit Elth wesentlich ruhiger, doch das hier ist meine Stunde. Er konnte gut einmal eine Pause von mir gebrauchen. „Entspann dich, denk nicht viel nach.“
Nicht viel nachdenken? Wie sollte das denn nun wieder funktionieren? Mein Kopf war ein einziges Atomkraftwerk, dass sich ständig im Kreis drehte.
„Lass los, denk an Gael.“ Kurz holte mich die unendlich tiefe Trauer um meinen Freund ein. Wie kaltes Stahl bohrte sich der Schmerz in meine Brust und zerriss mein Herz in tausend Stücke. „Stelle ihn dir vor.“ Das Bild seines heraus hängenden Herzens drängte sich an die Oberfläche, woraufhin ich unmerklich schluckte.
„Denk an einen schönen Moment mit ihm. Wo wart ihr?“
Einen schönen Moment? Bislang konnte ich nichts anderes sehen, als sein tief gefrorenes Herz, die hellen, leeren Augen, der blutrote Körper. „Dell, denk an einen schönen Moment mit deinem Mentor. Was habt ihr getan?
Ich wischte einige Tränen fort und tat wie geheißen. „Ich war... dreizehn.“ Begann ich.
„Gut, sehr gut. Was habt ihr getan? Etwas Lustiges?“ Unweigerlich begann ich zu grinsen, als ich an unseren Nachmittag dachte.
„Ich kam frisch in eine neue Familie. Sie bestand aus einem Paar, dessen Kinder schon ausgezogen waren.“ Ich verstummte, da ich den Tag revew passieren ließ, doch der Schwarzmagier unterbrach mich nicht in meiner Erinnerung. „Ich hatte etwas Angst vor meinem Adoptivvater, er war streng, so wie es sich gehört, hatte buschige Augenbrauen und sah aus wie ein grummeliger Bär.“ Jetzt musste ich über den Vergleich lachen, damals hatte er mir Angst gemacht. „Gael holte mich nach dem Mittagessen ab. Er ging mit mir... in eine Eislaufhalle.“ Mein Schniefen verging nun vollends.
„Er lieh mir Eislaufschuhe, dabei war ich noch nie auf dem Eis. Er brachte es mir an diesem Tag bei. Es dauerte zwei Stunden, da ich ein sehr ungeschicktes Kind gewesen bin, meine Knie waren voller Flecken und meine Waden schmerzten vor Anstrengung, doch Gael blieb bei mir, bis ich endlich selbst stehen konnte. Er hat immer meine Hände gehalten, mich gedreht, oder mir aufgeholfen.“
„Er war ein geduldiger Lehrer?“ Hakte der Hexer nach.
„Ja, das war er. Unglaublich geduldig, manchmal schon richtig nervig, doch er brachte es mir bei. Nach vier Stunden machten wir eine Pause, da ich bereits >8ter< fahren konnte und mit viel Gewackel rückwärts.“ Kicherte ich und wieder traten Tränen in meine Augen, doch nicht aus Trauer. „Dafür habe ich später ein Eis bekommen und ein Haarband, das mir wenig später in der Umkleide geklaut worden ist.“ Ich gab einen enttäuschten Laut von mir. Zwar war das Haarband kindisch und bunt gewesen, doch mir hatte es etwas bedeutet. Es war von Gael.
„Gut, jetzt erzähl mir etwas darüber, was dich wütend macht, Edelle. Wovon wirst du zornig?“
Zornig? Ohne weitere Überlegung flogen meine Gedanken zu Elth. Nicht zu dem Elth von heute, sondern den nervigen, aufdringlichen Sam, der sich als mein Bruder ausgegeben hatte. „Du musst richtig zornig sein, Edelle.“ Wiederholte der Hexer.
Und das wurde ich auch. Ich dachte an all seine Gehässigkeiten, seine dummen Sprüche und wie er immer jede Freundschaft versucht hatte zu verhindern.
„Nein, Dell das ist Bitterkeit. Du musst an etwas denken, dass dich zornig gemacht hat.“
Seufzend schüttelte ich meine Beine auf. Ich fühlte mich bereits, als würde ich seit Tagen so dämlich herum sitzen. „Dell, lass dich in deine Vergangenheit gleiten. Denk an etwas, das dich fürchterlich zornig gemacht hat. Was bringt dich zum Schreien, zum Toben?
Na, gut dann eben nicht Elth. In dem Wirrwarr an Gedanken versuchte ich einen Moment zu finden, an dem ich geschrien hatte. Wann hatte ich das letzte Mal meine Geduld verloren und bin einfach in die Luft gegangen?
Wie ein Stich fuhr es abermals in mein Herz. Mein ganzer Körper erbebte an diesem einzigen Wort >Vater<. Frustriert dass ich nach all den Jahren wieder daran denken musste, wallte pure Wut in mir auf.
„An was denkst du, Edelle Black?“
„An meinen Vater!“ Keine Ahnung wieso ich es laut aussprach, oder weshalb ich mich ausgerechnet ihm anvertraute, doch es fühlte sich einfach so gut an. Zorn, wie Feuer wallte es in mir.
„Was hat er getan. Wie hat er es erreicht, dass du ihn so sehr hasst?“
Die Hitze in mir wurde immer stärker, drückte aus meinem Zwerchfell hervor und presste meine Lungen zusammen. „Wegen ihm habe ich meine Mutter getötet!“ Der Druck breitete sich noch weiter aus, er wanderte höher, streckte seine gierigen Finger nach meinem Hals aus und wollte durch meine Stimme seine unendliche Kraft verkünden.
„Das ist es...“ Hörte ich bloß vom Schwarzmagier. „Weiter Dell, gleich hast du es.“ Spornte er mich weiter an, bloß was genau tat ich? „Sprich mit mir Edelle. Was hat er getan? Wieso ist er Schuld daran, dass deine Mutter tot ist?“
„Seine falschen Versprechen!“ Da war es. Mein Zorn, mein Hass, all das negative, was sich unter meiner Kehle angestaut hatte, brach einfach hervor. Es fuhr durch meine Adern, meine Haut, nahm selbst meine feinsten Härchen ein. Doch es war nicht der Druck, der mich nun erschreckte, sondern meine Stimme. Sie klang plötzlich so fremd... Mächtig. „Er hat versprochen wieder zu kommen. Für seine Familie würde er immer da sein! Das hat er geschworen, bevor er sich abwandte und nie wieder zurückkam!“ Entsetzt riss ich die Augen auf und fand mich im Zentrum eines Sturmes wieder.
Vor Schreck kam ich auf die Beine, doch wurde stolpernd wieder zu Boden geworfen, als ein Stuhl mir die Füße fort zog.
„Nicht aufhören, Edelle, du hast es gefunden!“ Mein Zorn verrauchte und stattdessen schnürte Angst meine Kehle zu. Das verursachte ich? Diesen Wirbelsturm, den der Schwarzmagier bloß mit Mühe auf sein Zimmer beschränkte, verursachte tatsächlich ich?
Tapetenstücke zirkulierten wie wild um uns herum, unbenutzte Polster waren fortgerissen worden, die Decke des Bettes, die Matratze, der Schreibtischstuhl und sämtliches Papier hatte seinen ursprünglichen Platz verlassen, wirbelte wie eine Schutzmauer um den, stark beeindruckten Hexer und mich herum, als hätte ich einen Wirbelsturm mitten im Zimmer erschaffen.
Und dann war es aus. Einfach von einem Moment auf den anderen, sanken alle Gegenstände auf den Boden, kein einziger Windzug zog an meinen Haaren und selbst der Hexer, welcher bisher angestrengt seine Hände zur Seite gestreckt gehabt hatte, fiel vor Erschöpfung auf den Boden. Keuchend stützten ihn seine schwachen Arme auf dem Teppich, das Einzige, was noch wirklich heil geblieben war. Ansonsten lag alles in einem Kreis, wirr um uns herum. „Das war... Das war doch nicht...“ Stotterte ich zusammen, doch kannte die Antwort, als der Hexer zu mir aufsah und mich begeistert anlächelte.
„Das war das Element Luft. Eine Gabe der Hexer, meine verehrte Prinzessin.“
Als er sich hinkniete, um eine Verbeugung zu machen, starrte er etwas überrascht auf meine Beine. „Herrin, tretet sofort einen Schritt zurück.“ Flink, wie man es ihm nicht ansah, sprang er auf seine wackeligen dürren Beine, schnappte sich die Decke, die irgendwie auf das Regal neben der Türe gekommen war und breitete sie um meine Beine aus. Erst als ich die erstickenden Flammen roch, konnte ich meine Starre loslösen und sprang vor Schreck fort.
„Das war doch nicht auch... ich?“ Fragte ich skeptisch.
„Das Element des Feuers, Prinzessin. Würdet Ihr eine Hexenkönigin sein, könntet Ihr auf alle Elemente zugreifen und selbst die kompliziertesten Tränke wären ein einfacher Saft für Euch.“
So wie er es sagte, klang er regelrecht ehrfürchtig. „Was bist du? Also bevor du ein Schwarzmagier wurdest?“
„Ein Hexer über das Element der Erde.“
Erde? „Was kann... man da?“
„Ich kann spontan Pflanzen nach meinem Willen wachsen lassen, sie kontrollieren, oder Erde nach meinem Willen verformen.“
Überrascht zog ich eine Augenbraue hoch. „Du kannst das immer noch?“
Als wäre dies selbstverständlich, hob er seine Schultern und ließ sie wieder sinken. „Nur weil ich verstoßen wurde, offiziell keinen Namen mehr besitze und meine Eltern als kinderlos gelten, heißt das nicht, dass meine Magie ganz plötzlich verschwunden ist. Ich habe mich bloß mit >alternativer< Magie beschäftigt. In meinem Fall gilt sie als >schwarze Magie<, oder >verbotene<.“
„Wieso wurde sie verboten?“ Hakte ich interessiert nach, während ich erschöpft auf den Boden sank. Irgendwie hatte mein kleiner Ausbruch meine sämtlichen Energievorräte erschöpft. Obwohl ich zugeben musste, dass nicht besonders viele vorhanden gewesen sein durften.
„Das liegt ganz daran um, was es sich handelt. Tote sollte man generell ruhen lassen, die Weltherrschaft sollte man wen möglich auch nicht unbedingt anstreben, oder sich den Menschen offenbaren.“ Er wich meiner Frage wohl absichtlich aus.
„Willst du es mir nicht erklären?“ Willkürlich begann ich zu gähnen und fühlte mich etwas müde. Das kam nun ganz bestimmt von meinem Ausbruch!
„Das ist etwas, das wir morgen besprechen. Ihr seit erschöpft, außerdem befindet Ihr Euch bei weitem nicht am Gipfel Eurer Gesundheit. Ihr müsst Schlafen und Euch regenerieren.“
Zustimmend kam ich auf die Beine. Er hatte ja recht, trotzdem blieb meine Neugierde bestehen. „Was war das eigentlich gerade? Wie habe ich >das< gemacht?“ Ich deutete auf das entstandene Chaos.
„Es war ehrlich gesagt bloß ein Schuss ins Blaue.“ Kicherte er. Moment, kicherte er gerade wirklich? Der Schwarzmagier musste eben wirklich stolz auf sich selbst sein.
„Das bedeutet?“ Mein Gehirn fühlte sich an wie in Watte gehüllt.
„Das bedeutet, dass ich einfach eine Technik aus meiner Ausbildung benutzt habe. In Euch steckt ein Teil mächtiger Hexer, genauso wie Menschwesen jeglicher Art, eine Kreischerin, Ihr seid genauso eine Fee, ein Engel oder ein Werwesen. Ihr seid alles, doch gehört noch niemandem an. Ich weiß immer noch nicht wie ich mit Euch arbeiten werde, aber heute haben wir wirklich große Fortschritte gemacht.“
Der Schwarzmagier kam auf mich zu und stützte mich an den Schultern, als ich beinahe wieder zusammen brach. „Kommt, ich bringe Euch zu Eurem Gefährten.“ Der Hexer öffnete die Türe, wo bereits Elth ungeduldig auf das Ende der Stunde wartete.
„Da seid ihr ja! Was war das für ein Lärm?“ Der Hexer antwortete nicht, sondern schickte uns in unser Zimmer. Selbst schloss er sich wieder ein, vermutlich um mein Chaos zu bereinigen, das sich zu unserem Glück bloß auf ein einziges Zimmer beschränkt hatte. Was konnte ich wohl sonst noch?
Mit diesem letzten Gedanken schlief ich lächelnd in Elths Armen ein, während seine wohltuende Wärme mich friedlich einschloss.

9. Die Unterwelt

 Lissy:

 

„Fertig.“ Gähnte der schwarze Hexer, ich reichte ihm eine Tasse mit schwarzen Kaffee, welchen er ohne zusätzliche Mittel hinunter stürzte. „Bringen wir es hinter uns.“
„Nein.“ Ich hatte gerade einmal an meinem Kaffee genippt. Was war los mit ihm? „Sag mir, erst was los ist. Sonst schicke ich dich ins Bett wie ein kleines Kind.“ Drohte ich und wusste, dass dies bei ihm anschlagen würde.
Seufzend ließ er sich auf die Bank sinken. „Ich habe mich bei der ersten Sitzung mit der Prinzessin verausgabt. Sie ist stärker, als ich erwartet hatte, dabei war sie noch nicht ansatzweise bei ihrer Höchstleistung.“
„Wie geht es ihr? Was hat sie getan?“
„Sie war die mächtigste Hexe, die ich jemals gefühlt habe. Sogar mächtiger als meine Eltern und die beiden galten als eine Legende. Sie waren so zu sagen die Könige der Hexer, solange sie gelebt haben.“
Stolz so wie Trauer konnte ich ganz deutlich um ihn herum fühlen. Er tat mir irgendwie leid. „Das macht dich dann wohl zu einer Art dunkler Prinz.“ Scherzte ich, was auch ihm ein kleines Lächeln entlockte.
„Du bist albern.“ Murrte er kaum hörbar, doch wusste, dass ich ihn aufgeheitert hatte. Das gefiel mir.
„Kann ich dir irgendwie helfen deine Energie aufzuladen?“
Wie vom Blitz getroffen stand der dunkle Hexer auf und verbarg, dass er etwas rot wurde. Hatte ich ihn verlegen gemacht? Es war doch bloß eine Frage, nicht mehr. „Wir sollten gehen. Der Haupthandel sollte längst begonnen haben.“
Mit einer Handbewegung, die einem >Z< glich und einigen Worten, schien eine Art Nebel um ihn herum dichter zu werden und langsam seinen Körper hinauf wandern. Einen Augenblick später, trug er seinen schwarzen Mantel, welcher auch sein Gesicht verhüllte. „Beweg dich.“ Befahl er.
Räuspernd, da mich der Anblick von dieser Magie irgendwie mit gerissen hatte, richtete ich meine Kleidung, ging noch einmal meine Rolle durch, dann erst trat ich auf den Hexer zu. Ohne weitere Umschweife legte ich meine Arme um seinen Nacken, was ihn sichtlich verstörte, da er sich fürchterlich versteifte. „Nur damit das klar ist, ein Schwarzmagier würde sich niemals mit einem Mischling, noch dazu einem Menschwesen wie mir sehen lassen. Also brauchen wir eine sehr gute Ausrede.“
Ich fühlte seinen hektischen Atem auf meinem Gesicht und grinste stolz. „Was... meinst du?“
„Los zapp uns schon durch die Gegend.“ Befahl ich, später würden wir einfach improvisieren. Die Gesichtszüge des Hexers konnte man ohnehin nicht erkennen und ich konnte lügen, ohne rot zu werden. Das sollte reichen.
„Was soll ich machen?“ Jetzt hatte ich ihn definitiv beleidigt.
„Beam uns, Scottie, oder grab uns mit deinen Superkräften durch das Erdreich. Eben das was du sonst immer machst.“
Empört pustete er mir ins Gesicht. „Das ist ein Reisezauber!“ Damit fielen wir in das knapp zwei Meter große Loch im Boden und unsere Reise durch die Dunkelheit begann. „Wenn du mir noch einmal ins Gesicht pustet, beiß ich dich in die Nase.“ Drohte ich, während wie unter der Erde, oder wo auch immer, waren.
„Ich >beame< trotzdem nicht. Das ist ein einfacher und praktischer Reisezauber, der es mir ermöglicht, auch eine Last mit mir zu tragen.“ Murrte er beleidigt. Dadurch dass es stockdunkel um uns herum war, konnte Teraz mein begeistertes Lachen nicht sehen.
Es dauerte mehrere nervenzehrende Minuten, da der Untergrund, nicht wirklich einfach zu erreichen war. Währenddessen nahm ich Teraz Nähe umso deutlich wahr, da es sonst nichts gab, auf das ich mich konzentrieren könnte. Keine Gerüche, keine Geräusche, nicht einmal etwas, auf das ich meinen Blick wenden konnte. Bloß das Heben und Senken seines Brustkorbes gegen meinen, so wie umgekehrt und der Atem der zwischen uns hin und her geschoben wurde.
Unbehaglich versuchte ich, irgendwie etwas Abstand zu ihm zu bekommen, doch es war beinahe so, als besäße ich keinen Körper.
„Sind wir bald da?“ Meine Stimme klang nervös in meinen Ohren, trotzdem tat es gut etwas anderes zu hören.
„Es dauert noch etwas. Ich werde noch überprüft. Sie... sind sich nicht sicher.“
Nicht sicher? Was dauerte denn da so lange? „Ich will hier hinaus, Te... Entschuldige. Ich will hier einfach nur hinaus. Dieses... Gefühl, ohne Körper zu sein, macht mich richtig fertig.“ Langsam bahnten sich Tränen der Panik meine Augen hinauf, obwohl ich wusste, dass ich nicht würde weinen können, bevor ich nicht wieder sicheren Boden unter den Füßen habe.
„Schon gut, dir passiert hier nichts. Ich bin da.“ Das war wie ein Schlag ins Gesicht. Genau dasselbe hatte er damals schon zu mir gesagt. Über eine Stunde hatte er sich liebevoll um mich gekümmert, ist sicher gegangen, dass ich genug trank und trotzdem... ich hatte ihn schmutzig missbraucht.
Einen Moment später, fühlte ich, wie sich zwei Arme tröstend um mich schlossen, geübter als früher. Zitternd ließ ich mich in diese aufbauende Geste fallen und vergrub mein Gesicht an dem kalten, gefühllosen Mantel. Nicht das ich dachte, der Mantel hätte Gefühle, er fühlte sich einfach nach nichts an. Nicht warm, nicht kalt, hart, oder weiche. Trotzdem konnte ich den Körper darunter fühlen, seine Wärme, das stetige Klopfen seines Herzens.
Erschrocken ging ich einen Schritt zurück. „Wir sind da?“ Wieso ist mir das nicht früher aufgefallen?
Räuspernd wandte sich Teraz ab. „Beeil dich, ich will keine Informationen verpassen.“ Knurrend folgte ich meinem Transportmittel, während ich ausblendete, was eben geschehen ist. Dieser Flashbag hatte mich so hart getroffen und vor allem unvorbereitet, dass ich ihm einfach nachgegeben hatte. So etwas würde mir nicht noch einmal passieren.
Da ich in dieser Gegend kaum meine Herkunft verbergen musste und sogar seltsam angesehen werden würde, wenn ich es täte, beließ ich es bei meinen goldgelben Katzenaugen und knurrte bedrohlich ein Werwesen an, dass mir einen wütenden Blick zuwarf. Vielleicht ein Bär? Bei dieser Gestalt konnte ich es mir gut vorstellen.
„Komm!“ Hörte ich Teraz Stimme die Gasse hinunter. Fauchend wandte ich mich von dem provokanten Starrkampf ab und folgte meinem Hexer tiefer in die >Gassen< des Untergrundes.
Der Untergrund war eigentlich genau das, was man sich dabei vorstellte. Eine menge zwielichtige Gestalten, hatten unauffällige, meist aus Karton oder anderen gebrauchten Sachen, Diebesgut, oder verbotene Substanzen und Gegenstände ausgestellt. Tageslicht, oder in diesem Fall, Mondlicht konnte hier unter keinen Umständen eindringen, da wir uns noch tiefer, als die das U-Bahnsysthem von New York befanden.
Nichtmagier erreichten diese Gegend bloß über zwei Eingänge. Entweder die Untergrundverbindungen welche sich durch ganz New York zogen und durch spezielle Gerüche, oder einem magischen Bann gut gekennzeichnet waren, oder eben mittels einem Transpormittel magischer Natur. Jedoch wurde man dabei recht weit abseits abgesetzt, was eine so genannte >Versicherung< war.
Schnell holte ich Teraz auf. „Der Werbär hat mich blöd angemacht.“ Verteidigte ich mich.
„Das ist mir egal, aber wir müssen zusammen bleiben, verstanden?“ Entschlossen nickte ich ihm, während er mich durch die alten, feuchten Gänge führte. Beinahe alle Gänge hier, waren von Magiern erschaffen worden, um das System ausweiten zu können und als ein Labyrinth zu verwenden. Sollten tatsächlich hier einmal Soldaten, oder Ähnliches herumschnüffeln, gab es tausende von Verstecke, spontan entstehende Gänge und Fluchrouten.
Nein, mit paranoid hat das alles nichts zu tun. „Wo gehen wir hin?“ Fragte ich den Hexer, da er sich recht gut auszukennen schien.
„Ich suche einen Anhaltspunkt. Die meisten Rassen trennen sich auf bestimmte Areale, wir brauchen jedoch eines von den Mischlingsregionen, dort haben wir eine bessere Chance etwas zu erfahren.“
Irgendwie logisch, in einem Menschwesen-Gebiet, würde niemand mir etwas anvertrauen, wegen dem Magier. Umgekehrt dasselbe. Zu alldem flossen im Zentrum sämtliche Informationen zusammen. Klatsch und Tratsch wurde hier ungeniert mit einem Megafon verteilt.
Schmunzelnd, holte ich auf, während ich einen weinen Kreischer in einer Ecke sitzen sah, welcher sich den Kopf hielt. Augenscheinlich war er immer hier unten, da seine Haut ein ungesundes Grau aufwies und er noch magerer als Teraz war.
„Wenn ich schon hier unten bin, werde ich einen Markt aufsuchen. Ich könnte noch ein paar Mittelchen gebrauchen, die ich oben nicht bekomme. Du klapper die Bars ab, ich finde dich dann schon.“
Etwas irritiert, dass wir uns so plötzlich trennen sollten, blieb ich an einer fünffachen Kreuzung stehen. „Aber wie finden wir uns wieder?“
„Ich finde dich schon.“ Beschwor Teraz mich, doch ich mochte den Gedanken nicht hier unten alleine zu sein. Andererseits, wenn ich alleine bin, kann ich mich wenigstens als Flittchen ausgeben.
„Gut dann noch eine Frage.“ Ich fühlte den genervten Blick gerade zu. „So?“ Ich deutete meinen Körper hinab. „Oder ist es so nuttiger?“ Ich knöpfte den unteren Teil meiner Bluse auf, band ihn knapp unter meiner Brust zusammen und richtete meine beiden Freundinnen etwas.
Für einen Moment fühlte ich mich einfach bloß angestarrt von dem Hexer und bekam überhaupt nicht mit, als mir jemand im Hintergrund zu pfiff. Erst als der angeregte Pfiff erklang, rührte sich Teraz, überbrückte unsere drei Meter Trennung und legte beide Arme um mich. Für einen Moment war ich überrascht, doch als er nach meinem Zopf griff um ihn zu öffnen, entspannte ich mich lachend wieder. Kurz ordnete er mein Haar, damit sie wilder wirkten, bevor er zufrieden nickte. „Solltest du auf das spontane Bedürfnis treffen, dich dem Februarsog hinzugeben, belaß es wenigstens auf einer kurzen Nummer. Ich will nicht bis zum Morgengrauen hier herum hängen.“
Rauschend wandte sich der Hexer ab und ließ mich mit offenen Mund einfach stehen. Wie konnte er es wagen? Als ob ich mich mit hundertfünfzig Jahren noch irgendeinem Sog hingeben würde!
Knurrend fluchte ich ihm hinterher, bevor ich mich an die spärliche Lagenübersicht her machte. Sie zeigte bloß an wo man Waffen, magische Artefakte, Bars, oder Schlafplätze finden konnte und dabei stand nicht einmal, ein einziges Wort. Das Zeichen für die Bar, war ein typischer Bierkrug, Artefakte waren mit einem Diamanten gekennzeichnet, Waffen mit einem Schwert und Schlafplätze mit einem Stuhl.
Kopfschüttelnd folgte ich dem Schild mit dem Bierkrug, während ich mich fragte, ob es nicht vielleicht noch ein wenig >wortreicher hätte beschriftet werden können. Generell schienen die Gänge nicht besonders eingerichtet worden zu sein, man sollte sich hier unten nicht wohl fühlen, der Gestank biss in der Nase und überall befanden sich auf dem Weg ekelhafte Pfützen, von denen man nicht wusste ob sie aus Pisse, Kotze oder Regenwasser, das bis hier unten durch gedrungen ist, bestand. Vielleicht ein bisschen von allem?
Sogar die Beleuchtung war gerade einmal so gut, dass alle paar Meter ein schwaches Licht an der Decke brannte. Nein, heimelig sollte man sich zwischen dem ganzen liegen gelassenen Dreck, den röhrenartigen Gängen, die höchstens für drei Personen gleichzeitig Platz boten so wie den Kakerlaken ganz bestimmt nicht fühlen. Nicht einmal Ratten wagten sich so tief hier hinunter, weil sie es ekelhaft fanden. Trotzdem war dieses Gebiet die Anlaufstelle für die ganze Welt. Zumindest die magische Welt.
Eine Biegung weiter, stand ich plötzlich vor eine gänzlich, anderen Welt. Laute Musik dröhnte durch die Höhle, an dessen Oberseite sich spitze Steine nach unten richteten. Hütten aus alten Metall, spröden Holz und dreckigen Plastik, teilweise halb verbrannt, standen überall herum, boten etwas Sichtschutz vor den anderen Hütten und verbargen deren Innenleben. Insgesamt spielte sich dieses Spektakel auf drei Ebenen ab. Die erste, direkt vor meinen Füßen, doch hatte sich hier bereits Ekel erregendes Sumpfwasser gesammelt, über welches manche Hexer glitten um schneller von >A< nach >B< zu kommen. Die zweite Ebene befand sich gut drei Meter in der Höhe, vermutlich da die erste dem Dreck zum Opfer gefallen war, und zog sich über die gesamte kreisrunde Höhle hin. Ein Steg war vor den wackeligen Konstruktionen gebaut worden, so konnte man von jedem Eingang aus hinauf klettern, oder hatte genug Fluchtmöglichkeiten. Die dritte und höchste Ebene, spielte sich gut hundert Meter weiter oben ab. Dort konnte ich, dank der stärkeren, bunten Beleuchtung einige Flugwerwesen und Hexer erkennen die sich gemütlich, etwas zivilisierter unterhielten, oder verhandelten. Dieser >Raum< war bloß durch Fliegen zu erreichen.
„Uh, ein Neuling.“
Offenbar hatte ich etwas zu lange gestarrt, denn ein Feenmischling lächelte mit einem verschmitzten Lächeln zu mir herab. Er wirkte recht betrunken und roch etwas nach Mageninhalt. Okay, mit dem wollte ich dann lieber doch nicht reden. „Ich war bloß noch nie in diesem Bezirk.“ Erklärte ich, zwinkerte anzüglich und sprang geschickter als eine Gazelle, die ungleichmäßige, aus Röhren, Holz und Plastik bestehenden Treppen zur zweiten Ebene hoch. Hinter mir konnte ich wieder Würgegeräusche vernehmen, doch ignorierte diese gekonnt.
Mein Weg führte mich eher in eine Hütte, welche rappelvoll war und angeschmiert mit verschiedensten Gangzeichen oder anderem Graffiti. Als ich die leicht aus der Angel hängende Schwingtüre öffnete, erfüllte mich der Geruch nach Rauch und Alkohol so stark, dass ich nieste. Sofort stand ein Williger Menschwesen vor mir. „Du scheinst das erste Mal in meinem bescheidenen Anwesen zu sein. Soll ich dich herum führen?“
Der grauäugige wirkte nicht allzu betrunken und vermutlich gehörte ihm der Laden nicht einmal, doch einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. Eine alte Weisheit.
Grinsend zog ich den Pumawandler näher an mich heran. „Es wäre mir eine Ehre.“ Hauchte ich verführerisch, woraufhin seine Augen sich in die einer Raubkatze verwandelten.
„Ich liebe das Frühjahr.“ Grinste er, packte mich am Po und führte mich zur Bar. „Ein Bier und das was sich meine neue Freundin wünscht.“ Bestellte er beim Barkeeper, der selbst recht belustigt dreinblickte.
„Tequila natürlich.“ Wenn ich das hier durchzog, müsste ich schon einigermaßen betrunken sein.
Lachend stimmten einige leicht zu habende Frauen, neben mir zu und wollten ebenfalls eine Runde. Begeistert musterten sie meinen >Fang<. Offenbar hatten sie ihn bereits vor mir im Visier gehabt, doch schien es sich nicht zu stören, wenn noch eine Person mehr dabei war. Grinsend zog ich die rot haarig gefärbte Frau zu mir und meiner Begleitung. „Du bist jetzt meine neue beste Freundin.“ Verkündete ich, wir nahmen beide einen doppelten entgegen, stießen an und schluckten das scharfe Zeug hinunter.
„Wuhuuu!“ Schrien wir beide begeistert. Wir brauchten weder Salz, noch irgendein Obst dazu, hier ging es bloß darum, betrunken zu werden und sich mit irgendwem zu paaren. Zumindest für die restlichen Anwesenden. Ich brauchte bloß etwas... Antrieb, um das durchzuziehen, was ich wollte.
„Gleich noch einen!“ Bat die Rothaarige.
Ich wendete mich meinem Aufriss zu, der an dem bitteren Bier nuckelte. Lächelnd ließ ich meine Hand unter seinem Shirt verschwinden und neckte ihm am Rande seines Hosenbundes. „Komm schon, trink etwas Ordentliches mit uns.“ Bettelte ich und drückte meine Brüste an seinen Oberarm. Begeistert leuchteten seine Augen schelmisch auf.
„Na wenn die Mädels darauf bestehen.“ Bestätigte er und bestellte noch eine Runde. Zwei weitere Frauen, zwei Werwesen, stellten sich nun ebenfalls zu dem Puma, der bereits die Kontrolle über seine Verwandlung verloren hatte. Die eine kam mir zuvor und versenkte ihre Hand in seiner Hose. „Aber dann sollten wir einen Abstecher auf das Dach machen. Sonst bekomme ich nicht einmal mehr meine Hose auf.“ Kicherte das eine Mädchen.
Der Puma presste seine Lippen auf ihre Lippen, während er seine Hand knetend über meinen Hintern wandern ließ. „Dafür hast du ja mich und ich bin sehr geübt darin.“
Genervt versuchte ich meinen Missmut zu verbergen. Ich bin nicht für eine Orgie hier, ich wollte Informationen.
Als meine >neuen Freunde< nach der nächsten Runde einen Abstecher machen wollten, verschwand ich heimlich still und leise, zwei Hütten weiter. Sollten sie doch meine Rechnungen übernehmen. Grinsend stellte ich fest, dass in dieser Hütte noch nicht alle so stark betrunken waren, oder auf dasselbe aus wie meine Artverwandten zuvor.
Erleichtert glitt ich an die dunkle Bar. Dahinter stand ein grauhaariger Mann mit Rasterzöpfen und einem ziemlich aufwendige geschnittenen Bart. „Netter Bart.“ Das meinte ich ehrlich.
Grinsend zwinkerte er mir zu. „Danke, süße. Nette Brüste.“ Selbst lächelnd sah ich nach unten, wo meine Mädels richtig gut zur Geltung kamen unter der Bluse.
„Das hoffe ich doch, sonst wäre mir dieses Outfit peinlich.“
Er lachte und fragte mich nach meinen Wünschen. Da ich ein paar Millionen von ihm nicht bekommen würde, beschränkte ich mich auf ein einfaches Bier. Nebenbei naschte ich von einigen zähen Nüssen, die bereits seit der Steinzeit hier liegen musste. Trotzdem beruhigte das Salz meine Nerven.
Während ich trank und ein wenig naschte, lauschte ich den Gesprächen. Wie immer ging es um Aufriss, Beschwerden über die Arbeit, Hehlerei, die hier ohne Scheu ganz offen betrieben wurde und Drohungen. Nach einer Stunde bezahlte ich und ging weiter zu einer anderen Bar. Hier lagen bereits einige unter dem Tisch, oder ganz frei im Weg herum. Ich nahm auf einem Stuhl abseits Platz, wo mich niemand bemerkte, und lauschte wieder.
Nach wenigen Minuten, in denen ich in meiner Ecke saß, ging die Türe auf, woraufhin mein Herz einen Sprung vor Freude machte. Teraz! Ich bin nicht mehr alleine.
Der Schwarzmagier, ging einfach an jedem vorbei, nickte bloß einem Halbengel zu und bestellte sich ein braunes Getränk. Danach nahm er neben dem Engel platz und begann sich still mit ihm zu unterhalten.
Auch wenn eigentlich alle Schwarzmagier gleich aussahen, in ihren dunklen Mänteln, konnte ich Teraz bereits beim hereinkommen von allen anderen unterscheiden. Zwei andere saßen bereits lange vor ihm an der Bar, jetzt wo sie ihn sahen, wirkten sie sehr interessiert. Vielleicht kannten sie sich ja?
Nach einer viertel Stunde war mir bereits langweilig, da ich natürlich den vertraulichen Gesprächen der Hexer nicht folgen konnte. Dumme Magie! Auch Teraz schien einen Bann über sich und den Engel gelegt zu haben, während sie unbemerkt von den beiden anderen Schwarzmagier beobachtet wurden. Vermutlich wollten sie irgendetwas von Teraz, doch dieser war so sehr im Gespräch vertieft, dass er vermutlich nicht einmal seine Traumfrau bemerkt hätte, wenn sie direkt vor ihm einen stripp hingelegt hätte.
Kopfschüttelnd, torkelte ich >schein-betrunken< auf meinen Schwarzmagier zu. Als meine Hände sich auf seine Schultern legten, zuckte dieser sichtlich erschrocken zusammen, während der Engel frech grinste. „Na, hallo mein Süßer.“ Säuselte ich, woraufhin er sich sofort wieder entspannte. „Du hast nicht zufällig ein wenig Zeit für mich?“ Mit einer verführerischen Stimme hauchte ich ihm diese Worte ins Ohr.
„Ich bin gerade in einem Gespräch.“ Erinnerte er mich, doch so ließ ich mich bestimmt nicht abwimmeln. Demonstrativ ließ ich mich auf seinem Schoß nieder, sodass ich die anderen beiden Schwarzmagier an der Bar noch beobachten konnte. Sie waren eindeutig an meinem Hexer interessiert.
„Dann warte ich eben, ich bin ausdauernd, keine Sorge.“ Mit Absicht formulierte ich es zweideutig, da es ja so aussehen sollte, als würde ich ihn anbaggern. „Außerdem könntest du ja deine beiden Freunde dort hinten dazu holen. Ich hatte noch nie Schwarzmagier.“
Da Teraz offensichtlich nicht wusste, was er tun sollte, nahm ich einfach seine Hand und legte sie auf meinem Schenkel ab. Währenddessen ging sein Blick zu den Schwarzmagiern an der Bar, kurz nickte er ihnen zu, als würde er ihnen irgendetwas mitteilen.
Schnell tranken sie aus, dann kamen sie auf unseren Tisch zu. Begeistert, um in der Rolle zu bleiben, zwinkerte ich den beiden zu.
„Hallo, Ted.“ Begrüßte eine weibliche Stimme Teraz.
„Em. Sev. Schön euch zu sehen.“ Begrüßte er die Neuzugänge. Wer wer war, konnte ich unmöglich sagen. Wobei ich jetzt, da die beiden Nebeneinader standen, ich wenigstens beurteilen konnte, dass die linke eine Frau war und der rechte, große ein Mann.
„Du warst lange nicht mehr hier.“ Bemerkte der Mann und ließ seinen stattlichen Körper auf den schmalen Stuhl neben Teraz und mich sinken, während die Frau neben dem Engel platz nahm. Sie alle schienen sich zu kennen.
„Ich brauchte auch in letzter Zeit nicht wirklich irgendetwas.“
„Wie geht es deiner Granny?“
Neben mir schnaufte Teraz genervt. „Frag bloß nicht. Verrückte Feen sind der reinste Horror.“
Die drei lachten, als verstünden sie, wie er sich fühlte. „Em, hör auf ihn abzulenken, wir sind wegen einem anderen Thema hier.“ Begann die Frau, die offensichtlich Sev war. Langsam verstand ich, dass es sich dabei um Spitznamen handelte.
Räuspernd lehnte sich Em vor. „Sev hat recht, wir brauchen deine Hilfe.“
Teraz schüttelte den Kopf. „Ich habe keine Zeit, das wisst ihr.“ Lehnte dieser endgültig ab.
„Du brauchst bloß jemanden etwas ausrichten.“ Versuchte ihn Em, zu überreden.
Teraz wandte sich vollkommen desinteressiert ab. „Angus, zurück zu unserem Thema. Bist du dir sicher, dass...“
„Teraz!“ Stieß Sev betont genervt hervor.
„Was ist denn?“ Fauchte dieser zurück.
„Ich meine es ernst, es geht um die...“ Unsicher blickte sie sich um, bevor sie mit einer Handbewegung einen Bann um unsere Gruppe zog, „...die Reinrassigen.“
„Dorthin habe ich keine Kontakte mehr, falls dir mein Outfit in den letzten Jahren entfallen sein sollte.“
„Aber du hast Kontakte, die Kontakte haben, da bin ich mir sicher. Du bist der einzige reinrassige Hexer, den wir kennen. Dir wird man glauben.“ Die Schwarzmagierin schien ihn regelrecht anzubetteln.
„Was sollten die anderen schon von einem verstoßenen glauben? Mach dich nicht lächerlich.“
Bisher hatte ich mich unauffällig verhalten, doch die Gesichtslose Maske, welche der stämmige Hexer trug, wandte sich mir zu. „Könntest du uns einen Moment alleine lassen? Deine Dienste sind hier nicht nötig.“
Verärgert knurrte ich den Hexer an und wollte mich schon aufregen, doch Teraz erledigte das für mich. „Sie wird hierbleiben.“ Demonstrativ ließ er seine Hand zwischen meine Schenkel gleiten, doch ohne meinen Intimbereich zu berühren, wofür ich wirklich dankbar war. Seine andere Hand zog mich fester an seinen Brustkorb. „Ich hab keinen Bock eine von den völlig betrunkenen in den Nebenbars zu nehmen.“ War das jetzt ein Kompliment?
„Sie kann auch an der Bar auf dich warten.“ Schlug der andere Hexer wieder vor.
„>Sie<...“ Begann ich. „...kann euch hören und hat ebenfalls keine Lust sich jemanden anderen zu suchen. Ich will eine anständige und lange Vögelei, keinen Quickie.“ Log ich so überzeugend, dass ich es mir sogar selbst geglaubt hätte. Gut sichtbar ließ ich meine Hand unter den Mantel von Teraz wandern, sodass es aussah, als würde ich ihn befummeln.
„Also, rück jetzt raus mit der Sprache.“ Forderte Teraz, bevor Em noch irgendetwas erwidern konnte.
„Es geht um... du weißt schon... >die letzte<.“ Ich verstand kein Wort, doch ließ es mir nicht anmerken. Offiziell war ich ja bloß zum baggern hier.
„Du meinst um die Zweitgeborene?“ Sofort wurde ich Ohr. Zum Glück befand ich mich nicht in meiner Zwischenform, sonst würden meine Ohren verdächtig zucken. Es ging um Edelle, aber wieso?
„Soviel wir mitbekommen haben, verschwört sich eine menschliche Einheit gegen uns.“
Da Teraz nicht zu antworten wusste, begann ich begeistert zu lachen. „Wieso lachst du denn so dämlich?“
„Weil es lächerlich ist.“ Antwortete ich halb ehrlich. „Ausgerechnet die Menschen? Wenn mein Schwarzmagier so etwas dämliches verbreitet, machen sich doch alle lustig über ihn.“ Demonstrativ schloss ich meine Arme um seinen Hals, als wäre er mein Eigentum. „Außerdem hat er etwas Besseres zu tun, als euren Unsinn zu verbreiten.“
Wie erwartet stiegen die beiden sofort darauf ein. „Mach dich nicht lustig über uns, wir sprechen die Wahrheit!“ Schrie mich Sev an.
„Die Wahrheit, ja klar. Und als Nächstes erzählst du mir, dass ich eine Werkatze bin.“ Fauchte ich.
Auch Em ließ sich nun die Worte heraus locken, auf die ich abzielte. „Sev spricht die Wahrheit, ich habe es genauso gehört. Die Menschen bemerken uns langsam, bloß gehen sie nicht mehr wie im Mittelalter auf uns los, verbrennen uns oder versuchen uns zu exorzieren. Sie haben neue Wege gefunden, uns zu schaden. Sie wollen jede weiteren Reinrassigen verhindern. Die Menschen wollen uns ausrotten!“
Okay, das jagte mir nun doch einen Schauder über den Rücken.
„Selbst wenn sie so einen lächerlichen Kleinkrieg führen, auch ohne die Zwillingsgeborene werden es immer noch irgendwo Reinrassige geben.“ Mischte sich Teraz wieder ein.
„Ich glaube Em und Sev. Einer meiner Halbbrüder ist von ihnen nieder gemetzelt worden. Sie griffen ihn ohne Gnade an, doch er nahm mehrere hundert mit in den Tod.“ Er musste offensichtlich Gael meinen, was mein Herz sofort zusammen ziehen ließ.
„Einen Engel?“ Fragte ich ungläubig nach.
„Nein, er ist ein Halbengel, doch angeblich war er der Lehrer von der Zweitgeborenen. Seitdem ist sie verschwunden. Mein Vater sagte, dass er bisher keinen Kontakt zu ihr aufnehmen konnte. Es ist, als wäre sie vom Erdboden verschluckt worden.“
Innerlich grinste ich. Nicht einmal die Reinrassigen glaubten noch, dass sie lebte. Dann würde sie eine herrliche Überraschung erwarten.
„Aber was sollten die Menschen mit ihr? Sie haben keine Verwendung, wenn sie Mensch bleibt.“ Hakte Teraz weiter nach.
Der Halbengel ließ unwissend seine nicht verborgenen Flügel sinken. „Ich denke sie wollen sie als Köder benutzen, oder hinrichten so wie den Halbengel. Vielleicht wollen sie Krieg? Unsere Ausrottung jedoch ganz bestimmt.“
„Feige Hasen.“ Murrte ich. „Sie könnten uns doch offen den Krieg erklären und nicht wie feige Mäusschen aus ihren Löchern kriechen und mit ihrer Scheiße unsere Welt verpesten.“
Die Schwarzmagier und der Halbengel lachten zustimmend. „Sie wissen, dass sie keine Chancen gegen uns haben. Es bräuchte bloß die Vampirkönigin und in weniger als eine Minute, hätte ein ganzer Kontinent seine Armeen verloren.“ Protzte Sev.
„Oder einen Engel und es gäbe bloß noch Reinrassige so wie Mischlinge auf der Welt.“ Gab der Halbengel dazu.
Alle kicherten wir verschwörerisch, doch vergaß niemand den Ernst der Sache. Massenhysterie, unnötige Tote, Krieg. Die Apokalypse würde wegen ein paar Fanatikern ausbrechen, bloß weil sie uns nicht verstehen. „Menschen sind solche Babys.“ Schnurrend kuschelte ich mich an Teraz Brust, während ich meine Beine gegen Ems Oberschenkel stemmte. „Gegen eure Kräfte haben sie doch überhaupt keine Chance.“ Auffordernd ließ ich meine Zehen seinen Schenkel hoch wandern.
„Das ganz bestimmt nicht.“ Ein flirtender Unterton entstand, als der Schwarzmagier seine Hand an meine Wade legte und sie sinnlich streichelte.
„Also, mein Süßer.“ Säuselte ich, noch vollkommen in meiner Rolle, zu Teraz. „Wie wäre es, wenn du dieses lächerliche Gespräch auf morgen verschiebst und wir...“ Meine Hand glitt sein Brustbein unter dem Mantel entlang zu seinem Bauch. „...unsere kleine Party in mein Zimmer verschieben?“ Das sollte ein >subtiler< Hinweis sein, dass ich ganz dringend nach Hause wollte. Wir mussten unbedingt Edelle davon erzählen.
„Nein, Ted du kannst noch nicht gehen.“ Sev war schon wieder aufgesprungen, während ich mich fühlte, als würde ihr Blick versuchen mich zu töten. „Du musst es weiter sagen.“
„Was soll ich weiter sagen? Und an wen? Denkst du ernsthaft, dass einem nicht existierenden Schwerverbrecher auch nur irgendjemand glauben wird? Die Menschen könnten, selbst wenn es wahr ist, nichts mit ihr anfangen. In hundert Jahren würden neue Zwillinge geboren werden, genauso wie in hundert Jahren darauf und danach wieder. Sieh es ein Sev, diesen Kleinkrieg, sollten sie ihn jemals führen, werden sie niemals gewinnen.“
Da konnte ich ihm bloß zustimmen. „Und jetzt willst du einfach mit dieser Nutte abziehen und das einfach vergessen? Ich hätte niemals gedacht, dass du jemals so ignorant wärst. Es steht auch dein Leben auf dem Spiel.“ Schrie sie ihn an. Sie nahm das alles ziemlich ernst. Wenn sie wüsste, dass Dell in Sicherheit ist, würde sie sich bestimmt beruhigen lassen.
„Ich habe kein Leben, Sev. Genauso wenig wie du, oder Em.“ Teraz klang regelrecht abfällig. „Sollen sie doch alles auslöschen, mir egal. Die Engel und Feen werden schon in den Krieg ziehen, sie sind ja schon ganz wild darauf. Ich habe meine eigene Verantwortung, die ich nicht zu lange alleine lassen sollte.“
„Dann töte sie einfach, Ted. Es ist eine Fee, sie ist bereits namenlos erklärt worden. Niemand kümmert sich mehr um sie.“ Zwar war Sevs Geschrei nur für uns zu hören, doch das sie aufsprang und den Stuhl umgeworfen hatte, zog doch allmählich die Aufmerksamkeit auf uns.
„Dich interessiert es vielleicht nicht. Mich schon, jetzt lasst mich mit dem Unsinn in Ruhe.“
„Du wirst es also nicht weiter sagen.“ Stellte Em fest, während er kleine Spuren über mein Bein zog. Teraz bemerkte das nun auch, klopfte seinem Freund auf die Finger und schob mich von seinem Schoß um mich umzudrehen.
„Nein und wenn du sie weiter anfasst, werde ich etwas anderes herum erzählen.“
Ergeben hob Em seine Hände um seien Freund zu beschwichtigen, während ich nun rittlings über meinem Hexer saß.
„Lass doch die Nutte einmal in Ruhe, wir haben hier ein ernstes Thema zu besprechen.“ Sev schien beinahe eifersüchtig zu sein, da sie nicht die nötige Aufmerksamkeit bekam.
„Sev, halt deine Klappe. Ich will von deinem Unsinn nichts mehr hören. Entweder entspannst du dich jetzt wieder, oder verschwindest.“ Drohte er.
Zudem nervte es mich langsam eine Nutte genannt zu werden. Ich mochte Sev eindeutig nicht, obwohl sie keinen Hehl daraus zu machen schien, dass es definitiv auf Gegenseitigkeit beruhte.
„Was ist los mit dir? Sonst bist du doch auch nicht so. Du würdest niemals ein Menschwesen an dich heranlassen!“ Schimpfte sie aufgebracht.
„Was ich tue, oder nicht, hat dich nicht zu interessieren, genauso wenig wie du mich interessierst. Jetzt lass mich mit deinem kindischen Verhalten in Ruhe.“ Irgendwie war ich sogar etwas stolz auf ihn. Obwohl er fürchterlich müde war, stritt er sich trotzdem mit einer Schwarzmagierin, akzeptierte mich in seiner Nähe und ließ sich nicht anmerken, dass er über Edelle bescheid wusste.
„Hey.“ Durch den dunklen Schleier um sein Gesicht nahm ich seine Wangen zwischen meine Hände, die ich zwar nicht sehen, doch ertasten konnte, sodass er mir in die Augen sehen musste. „Ganz ruhig, lass uns einfach von hier verschwinden. Du reagierst dich einfach ein bisschen mit mir ab und dann...“
„Lass ihn endlich in Ruhe. Siehst du nicht, dass er überhaupt kein Interesse an so etwas wie dir hat?“ Sev wäre schon fast über den Tisch gesprungen, hätte Em sie nicht aufgehalten.
„Was ich möchte oder nicht, geht dich genauso wenig an, Sev. Lass uns verschwinden.“ Sofort sprang ich auf die Beine und nahm seine Hand in meine. Mühsam ließ er sich von mir mitziehen, bis wir ohne ein weiteres Wort die Hütte verlassen hatten.
Kaum dass wir uns zurück in den stillen Verbindungsgängen befanden, brach Teraz einfach zusammen. „Teraz! Verdammt was hast du?“ Zitternd lag er auf dem Boden und wirkte fiebrig. „Bist du krank?“
Langsam bewegte er seinen Kopf nach links und rechts. „Magie... verbraucht.“ Stöhnte er unter erschöpft.
„Wie? Was heißt >Magie verbraucht<? Was kann ich tun?“ Hätte er eine offene Verletzung, wäre es ganz klar was ich, täte, selbst bei einer Panikattacke, oder einem Überfall, würde ich gelassen reagieren. Aber ein schwarzer Hexer mit Magiemangel? Was tat man da? Das hatte bei meinem Ersthilfekurs offensichtlich gefehlt. „Ter, lass mich jetzt ja nicht alleine.“ Grob tätschelte ich seine Wange, damit er bei mir blieb. Sein Mantel verblasste dabei vor meinen Augen. „Teraz... bitte, bitte. Bleib wach.“
Stöhnend sank er nach vorne, da er seinen Körper nicht einmal mehr im Sitzen aufrecht halten konnte, doch ich stützte ihn, da er so leicht wie ein Kind war. „Nenn... nicht... so.“ Murmelte er mir ins Ohr, woraufhin ich panisch begann zu lachen. Dieser Idiot! Wie konnte er mich ausschimpfen, wenn es ihm doch so schlecht ging?
„Idiot.“ Fluchte ich, nahm sein Gesicht zwischen meine Hände, während er gegen den ständigen Sog des Schlafes ankämpfte. „Du bist so schwach... ich werde... ich werde dich hier hinaus bringen.“
Ungelenk kam ich auf die Beine, da ich ihn stützen musste, doch erkannte aus dem Augenwinkel, dass er verneinte. „Was soll ich denn sonst machen? Dich sterben lassen?“
Mit einem schmunzeln wurde sein Blick weicher. „Komm...“ Ich verstand bloß den Anfang, daher kniete ich mich wieder auf den Boden.
„Was hast du gesagt?“
„...näher.“ Gähnte er, als würde er jeden Moment einschlafen. Der Gebrauch der Magie musste ihm die letzten Kräfte gekostet haben.
„Was? Ich verstehe dich so schlecht, Ter.“ Nun war mein Ohr bloß noch Millimeter von seinen Lippen entfernt, doch als er wieder den Mund öffnete, schreckte ich zurück.
Was? Okay, jetzt bin ich definitiv taub. So etwas... Das konnte er doch nicht wirklich verlangen. „Bist du... dir sicher?“ Fragte ich ungläubig nach.
„Liss...“ Trotz seiner Müdigkeit bekam seine Stimme einen drohenden Unterton. Okay, ich hatte mich wirklich nicht verhört. Kopfschüttelnd lehnte ich Teraz gegen die schmutzige Wand und kniete mich über ihn.
„Wehe du trickst mich aus, weil ich heute so heiß aussehe.“ Der Scherz ließ ihn schmunzeln, doch als ich mich vor beugte und seinem Wunsch nachgab, verging uns beiden das lachen. Kaum das meine Lippen seine, wie gewünscht, berührten, konnte ich ein knistern, auf meiner Haut fühlen. Zuerst bloß kurz, als würden sie einfach warm werden. Aber ganz schnell veränderte sich dieses Knistern zu einem stetigen Sog.
Als hätte mein Körper einzig und alleine auf diesen Moment gewartet, fühlte er sich an, als würde er in Flammen aufgehen. Heiße Wellen zogen sich bis in meine Zehenspitzen, während meine Lippen gegen seine gezogen wurden. Nach bereits wenigen Küssen, verebbte der starke Sog ein wenig und Teraz konnte seine Hände um mich legen. Sanft zog er mich an sich, bis meine Brust an seiner anlag und ich genüsslich seufzte, da der Sog ganz plötzlich wieder stärker wurde. Aus einem Impuls heraus öffnete ich meinen Mund und stieß meine Zunge gegen seine Lippen. Sofort kam er mir entgegen, ließ seine Hand über meinen überempfindlichen Rücken gleiten, seine zweite umfasste sanft meinen Nacken. Während er seine Lippen auf meine presste und seine Zunge ein leidenschaftliches Spielchen mit meiner anfachte, sank seine Hand von meinem Rücken tiefer, umfasste meinen Hintern und seufzte zufrieden.
Gleichzeitig gab ich einen wohligen Laut von mir, da mir seine grobe Art gefiel. Es gefiel mich auch, als er mich zärtlich in die Lippe biss, kurz darüber leckte und meinen Mund dann wieder fester gegen seinen drückte. Alles daran gefiel mir. Das bewegen seiner Arme, der feste Druck gegen meine Brüste, die empfindlich auf ihn reagierten und vor allem die Art und weise wie in meinem Becken die Hölle losbrach. Mehr hatte ich mir noch nie gewünscht. Jemandem so nahe sein, von jemanden so sehr gebraucht zu werden und es mir gefallen zu lassen, welche Lust mir dieses kleine Spiel bereitete.

10. Köpfe gegen Wände, was hier wohl gewinnt?

Teraz:

 

Mist! Mist! Mist!
Was habe ich denn da getan? Ich Idiot! Vorsichtig legte ich Lissy in ihrem Bett ab, zog ihr die hochhackigen Schuhe aus und deckte sie zu. Sofort kuschelte sie sich, völlig beraubt ihrer Energie, an den Polster und gähnte ausgiebig.
Nach meinem Zusammenbruch hatte ich ihr zwangsweise bloß ein wenig Energie abnehmen wollen, doch schon nachdem ich begonnen hatte einen winzigen Teil zu nehmen, konnte ich nicht mehr aufhören. Es war wie ein Blutrausch bei einem Vampir. Nichts anderes zählte mehr, außer das was ich haben wollte. Dabei ist sie leider ohnmächtig geworden, gerade als es für uns beide interessant geworden ist. Morgen würde ich bitter darunter leiden.
Ich wollte sie überhaupt nicht so ausnutzen, ihr gegen ihren Willen die Kraft nehmen und sie dabei ihrem Frühjahrssog aussetzen, aber nachdem ich wieder einmal den berauschenden Geschmack ihrer Lippen auf meinen...
Nein! Nein! Nein! Ich musste damit aufhören, bevor ich noch irgendetwas Dummes tat, was wir beide bereuten.
Sanft löste ich meine Finger von ihren und verließ das Zimmer. Lissy bemerkte es überhaupt nicht, sie schlief so tief, dass nicht einmal eine Bombe sie geweckt hätte.
An der Türe blickte ich noch einmal zurück. Ich hätte das einfach nicht tun dürfen. Klar, ich hatte ihre Energie abziehen müssen um uns beide zurück nach Hause zu bringen, oder einfach ein paar Stunden schlafen, doch für Zweiteres blieb einfach keine Zeit.
In meinem halbwegs wieder aufgeräumten Zimmer, schlug ich frustriert den Kopf gegen die Wand. „Verdammter Idiot.“ Fluchte ich über mich selbst. Wieso hatte ich mich bloß so gehen lassen? Nicht einmal als kleines Kind ist es mir passiert, dass ich bei den Übungen zu viel Energie genommen habe. Noch nie! Und jetzt mit hundertsechsundfünfzig Jahren verlor ich die Kontrolle darüber. Bedeutete dies etwa, dass ich langsam zu alt wurde?
Eigentlich dürfte ich ja kaum über eine menschliche Lebensspanne hinaus existieren, doch als Schwarzmagier hatte man so seine Tricks, wie man das Leben ohne Probleme verlängern konnte. Dazu war es nicht einmal aufwendig, oder forderte irgendwelche Opfer so wie Rituale. Trotzdem sahen es die Hexer als >unmenschlich< an, >verdorben< und als >schwarze Magie<. Das war auch der Grund, weshalb ich meine Eltern bei weitem überlebt hatte. 

 

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 Nach einem langen Bad begann ich mit dem Frühstück. Es ist zwar erst sechs, doch Edelle und ihr Gefährte würden bestimmt bald aufwachen, oder zumindest die Kinder. Außerdem brauchte ich dringend irgendetwas zu tun um Lissy aus meinen Kopf zu bekommen.
Wie viele Tage hatte die Prinzessin überhaupt noch? Drei? Das waren nicht unbedingt viele und wenn es der Wahrheit entsprach, dass die Menschen hinter ihr her sind, steckten wir ziemlich tief in Exkrementen. Jedoch konnten diese Menschen kaum wissen, wo man sie suchen musste. Bisher war sie bloß mit Lissy und Elth gesichtet worden, logisch das sie, da sämtliche Wohnsitze der beiden durch gingen. Solange sie nichts mit Karte zahlten und ihr Auto unter meinen Zauber stand, konnte man sie nicht zurückverfolgen.
Obwohl, vielleicht wenn jemand behauptet, eine Raubkatze über die Felder laufen gesehen zu haben, konnte das auch etwas verdächtig sein, oder nicht? In Idaho traf man immerhin nicht unbedingt jeden Tag auf stattliche Raubkatzen mit einer Mindestlänge von zwei Metern.
Menschwesen sind immer größer als ihre richtigen verwandten, dessen Abbild sie waren. Mischlinge wiesen immer wieder Abweichungen in ihrer vollen Verwandlung auf, dass sie von den Reinrassigen ganz deutlich unterschied. Außerdem hatten sie es mit dem Erhalt ihrer menschlichen Version manchmal schwer. Das kam jedoch immer darauf an, wie stark, welches Gen, ausgeprägt ist.
Eine Stunde später hatte ich das Frühstück fertig angerichtet, während meine Gedanken starr auf Theorie und bewiesene Fakten gerichtet geblieben war. Gerade stellte ich drei Kannen mit Tee, Kakao und Kaffee hinaus, als Logan mit seinem jüngsten Bruder in das Wohnzimmer kam.
„Guten Morgen, Hexer.“ Begrüßte mich Logan verschlafen, während Matty auf mich zu lief.
Überrascht starrte ich auf den kleinen Junge, der seine Arme um meine dürren Beine geschlungen hatte und darum bettelte, hinauf genommen zu werden. Ungelenk stellte ich die Kannen ab und langte nach dem Vierjährigen. Gähnend streckte er sich auf mir auf und vertraute vollkommen darauf, dass ich ihn nicht fallen ließ.
„Hast du Pfannkuchen gemacht?“ Fragte Logan sichtlich beeindruckt.
„Ja, du kannst dir eine Sauce in der Küche aussuchen.“
„Cool!“ Stieß der Zweitgeborene hervor und lief begeistert in die Küche. Zurück kam er mit Zucker und Kirschsirup.
„Wir haben auch etwas anderes, wenn du magst, schlug ich vor, während ich mit Matty den Stuhl in Besitz nahm, dessen Rücken zum Eingang zeigte.
„Passt schon.“ Jubelte der Knirps und verschüttete beinahe die Hälfte von der Sauce. „Mama kocht niemals so gut, bleibst du jetzt für immer bei uns? Zumindest als Koch?“
Grinsend schenkte ich Matty Kakao ein, den er gierig trank. „Als Koch kann ich euch bestimmt hin und wieder aushelfen.“ Schlug ich vor, wofür ich ein begeistertes, kindliches Lächeln erhielt. „Was möchtest du darauf, Matty?“
„Das da!“ Rief er begeistert und deutete auf eine Tube mit flüssiger Schokolade, die ich bereits auf den Tisch bereit gestellt hatte.
„Dann bekommst du auch >das da<.“ Erlaubte ich und öffnete die Tube für ihn. Begeistert nahm er sie entgegen und drückte etwas darauf. Es kam nichts. „Warte, ich schüttle es etwas herunter.“ Bot ich an, schloss die Tube wieder, schlug auf die Oberseite, dann bekam er es wieder. Als er es nun wieder versuchte, machte er einen großen Fleck mit Schokolade auf seinen einzelnen Pfannkuchen, sodass es gut für drei gereicht hätte.
Lachend nahm ich ihm etwas ab. „Warte, ich will auch ein bisschen etwas davon, sonst hast du später Bauchweh.“ In mundgerechten Stücken aß der kleine seine Portion und erst, als er fertig war, konnte ich meinen Anteil essen. Für ein Menschwesen hatte er einen recht guten Appetit. Er aß gleich drei Stück der Pfannkuchen, während ich mich auf ein einziges beschränkte. Geplant war dies doch andersrum, oder nicht?
„So, jetzt hast du aber sicher Bauchweh, oder?“ Fragte ich nach seiner zweiten Tasse Kakao.
Logan hatte bloß zwei Pfannkuchen gegessen und eine Tasse Kakao getrunken, doch wirkte, als hätte er ein ganzes Pferd verschlungen. Genüsslich streckte er sich auf der Couch aus, um sich etwas auszuruhen.
„Nein, gar nicht.“ Grinste der Kleine begeistert. „Ich muss aber Lulu.“ Gut, dieses Bedürfnis überstieg meine Fähigkeiten, doch wollte ich Lissy wegen so etwas banalen nicht unbedingt aufwecken. Sie brauchte ihren erholsamen Schlaf, jetzt mehr als vermutlich jemals zuvor, dank meines Fehlers. Deshalb sah ich es auch als meine Pflicht an, mich um ihre Söhne zu kümmern, während sie es nicht konnte.
„Nun... kannst du das denn etwa noch nicht allein?“ Vierjährige sollten so etwas doch beherrschen, oder? Obwohl Menschwandler meist in den ersten Jahren schneller wuchsen, als sich geistig entwickelten.
„Mama geht immer mit mir.“ Beschwerte sich Matty.
„Dann... werde ich wohl auch mit dir gehen.“ Matty streckte seine Arme nach meinem Hals aus, sodass ich mit ihm zusammen aufstehen musste. Geduldig trug ich ihn auf die Toilette im Erdgeschoss. „Kannst du es von hier aus allein?“
Da er sich bereits die Schlafhose hinunter zog, nahm ich es einmal an. „Ich bin zu klein!“ Beschwerte der Vierjährige sich plötzlich mit Tränen in den Augen.
„Nicht weinen, Matty. Ich helfe dir ja!“ Beschwor ich ihn, nicht dass mir später noch jemand vorwarf, ich würde ein kleines Kind zum weinen bringen. „Sieh her.“ Da ein Blumentopf auf dem Hängeregal der Toilette stand, benutzte ich ein wenig Magie, um die Pflanzen unnatürlich wachsen zu lassen. Begeistert griff der Kleine nach einer Blüte als, dass ehemalige Gänseblümchen, seine Höhe erreichte und roch daran.
„Das duftet!“ Stieß der Kleine begeistert aus, während ich ihn auf die Toilette setzte und darauf wartete, dass er sein Geschäft verrichtete.
„Kann ich so etwas auch einmal?“
Unwissend hob ich die Schultern und ließ sie wieder sinken. „Du bist ein Gepard, ich denke also eher nicht. Was ist denn deine andere Art?“
Plötzlich blickte mich der Junge so eindringlich an, dass ich etwas Angst vor ihm bekam. Und ja, ich weiß! Ich bin hier der hundertfünfzig jährige erschreckende Schwarzmagier und fürchte mich vor einem vierjährigen. Hoffentlich würde mir diese Peinlichkeit niemals jemand endlocken.
„Mama sagt, dass es ein Geheimnis ist, weil ich besonders bin.“ Da ich mir nicht vorstellen konnte, was der Junge damit meinte, nickte ich bloß und versuchte mein Lächeln wieder zu finden.
„Das ist in Ordnung. Es ist immer gut, seine Geheimnisse zu haben, damit bleibt man interessant.“ Scherzte ich, was ihn zum Kichern brachte, und er daraufhin begann sich zu erleichtern.
„Mein Papa hätte mich geschumpfen, wenn ich ihm nicht die Wahrheit sage.“ Vorsichtig stellte ich meine kleine Mission wieder auf dem Boden zurück.
„Keine Sorge, ich bin bestimmt nicht böse auf dich, wenn du mir so etwas Wichtiges wie deine Herkunft... dein zweites Gesicht, meine ich, nicht sagen möchtest. Es spielt auch überhaupt keine Rolle, als was du geboren wurdest. Wichtig ist, bloß was du dir vor nimmst und für was dein Herz schlägt.“
„Für meine Mama und meine Brüder.“ Meinte Matty stolz, während wir seine Hände wuschen.
„Sie sind auch die Wichtigsten in deinem Leben.“ Bestätigte ich, da ich nicht wusste, was ich sonst sagen sollte.
„Mama sagt, dass mein Papa auch wichtig ist. Aber wenn ich nicht da bin, dann schimpft sie.“
„Über dich oder deinen Papa?“ Okay, die Antwort war klar, aber trotzdem wollte ich das Gespräch ein wenig hinziehen.
„Über Papa, sie mag ihn nicht. Er war gemein, sagt auch Pa.“
„Pa? Damit meinst du deinen Onkel Elth, richtig?“ Soweit ich informiert war, nannten Enkelkinder ihre Großeltern >Ma<, oder >Pa< unter den Menschwesen, jedoch kam das auch völlig darauf an, wer ihnen, neben den Eltern, am nächsten steht. In diesem Fall ist das ihr Onkel.
„Ja, er ist total lustig. Er war auch da, als ich zur Welt gekommen bin. Er passt... Mama!“ Der Kleine wandt sich so schnell aus meinen Händen, dass ich mühe hatte, ihn sicher auf den Beinen abzustellen, während Lissy, sichtlich angeschlagen, doch in frischer Kleidung, die Treppe hinunter ging.
Für einen Moment starrte sie mich ungläubig an, bevor sie dem Drängen ihres Sohnes nachgab. „Guten Morgen, Schatz. Wie siehst du denn aus? Dein Pyjama ist ja voller … Ist das Schokolade?“ Fragend wandte sie wieder mir den Blick zu, als ihre Nase auch schon verriet, was hier los war. „Ihr habt schon gefrühstückt?“
Ich nickte etwas verunsichert. Was würde sie wohl jetzt über mich denken? Wird sie mich so sehr hassen, wie ich sie damals? „Ja, es tut mir leid wegen dem Pyjama, aber die Flecken sind bis heute Abend wieder draußen.“ Versprach ich. „Ich bin nicht wirklich gut darin... Kinder zu füttern.“
Immer noch blickte sie zwischen ihrem Sohn und mir ungläubig hin und her. Hatte ich etwa etwas Seltsames getan? Abgesehen davon ihre Energie zu stehlen, meine ich.
„Ich... ähm... Entschuldige, aber ich bin bloß so irritiert. Wieso hast du mich denn nicht geweckt? Matty muss dich doch unglaublich genervt haben.“
Was? Sie entschuldigt sich bei mir? Das war der Moment, wo ich einfach aus allen Wolken fiel. Wie sollte man aus so einer Frau schlau werden? „Du bist nicht böse?“ Fragte ich ungläubig.
„Weshalb denn? Ich habe verschlafen und wegen mir hattest du neben dem Kochen noch so unnötige Mühen. Es tut mir so leid... Hexer.“ Immer noch kostete es sie Überwindung, mich nicht bei meinem Namen zu nennen. Das würde sie sich vermutlich niemals abgewöhnen können, doch mittlerweile störte es mich sogar überhaupt nicht mehr. Langsam wurde es wirklich seltsam zwischen uns.
„Nein, Matty hat überhaupt keine Mühen gemacht...“
„Ach, sag mir nichts, ich kenne ihn ja, wie er fressen kann. Danach liegt überall zerquetschtes Muß herum und man muss um ihn herum aufwischen.“ Kicherte sie völlig überzeugt davon, dass sie die Schuldige war.
Da mein inneres Gefühlsleben kein weiteres Chaos mehr ertrug, schickte ich sie weg. „Dann tu mir einen Gefallen und iss etwas. Du siehst furchtbar aus.“
Sofort bekam ich einen giftigen Blick, während ich an ihr vorbei ging, um in mein Zimmer zu gehen. Jedoch bevor ich sie passiert hatte, hielt sie mich mit einer Hand auf. „Wegen gestern...“ Begann sie und ich ahnte schon Schlimmes. Hoffentlich würde sie mir jetzt nicht den Hals aufreißen. „...ich habe dir schon wieder nichts außer Mühe gemacht. Es tut mir leid.“
Was? Aber ich war es doch.... und... Wo ist eine Wand, wenn man seinen Kopf dagegen schlagen möchte? „Geh jetzt essen, um zu reden, haben wir später mehr als genug Zeit.“ Ich fühlte, wie ich bloß widerwillig meine Hand von ihrer trennte. Aber eines war mir jetzt sicher. Irgendetwas hatte sich zwischen uns verändert, denn ich konnte meine Magie nun ebenfalls aus ihrem Körper kommen fühlen. Jedoch bloß wenn ich sie berühre. Was habe ich gestern bloß falsch gemacht?

 

- - - - - 

 

„So ist es gut. Tief einatmen. Spüre den Wind um dich herum. Lass ihn auf dich wirken, ihn durch deine Adern...“ Und schon hatte sie es wieder. Da Edelle letzten Abend hervorragend eine Übung für Hexer gemeistert hatte, doch sie etwas außer Kontrolle geriet, nahm ich mir zur Aufgabe, sie in den letzten Tagen, welche ihr noch blieben, alles durchzugehen, was ich wusste.
Edelle war ganz heiß darauf ihre neuen Fähigkeiten auszuprobieren. Die Herrschaft über den Wind, meisterte sie innerhalb von fünf Minuten und ein tosender Wirbel entstand über ihrem Kopf.
„Jetzt die Kerze. Nimm sie zwischen deine Hände.“ Artig nahm Edelle die Kerze in die Hand und ich zündete sie mit einem Feuerzeug an. „Betrachte die Flamme. Spüre ihre Hitze auf deinen Wangen.“ Edelle bekam einen konzentrierten Ausdruck, während ihr Gefährte hinter ihr saß uns ihr mit einem stechenden Blick versuchte, zu verstehen zu geben, dass er unbedingt wieder hinein in das Haus gehen wollte. Für meine Übungen und vor allem um mein Zimmer, oder andere Räume zu schonen, hatte ich einen neuen Übungsplatz erwählt. Dieser war mein Garten. Eigentlich der Garten der namenlosen Fee, doch solange sie in ihrem Zimmer oben lag, gehörte er offiziell mir.
„Siehst du, wie sich im sanften Windzug wiegt, wie ihre Flammen größer und kleiner werden können? Siehst du, wie sie größer wird, Edelle. Kannst du es dir vorstellen?“ Es sollte eine unaufdringliche Aufforderung sein, instinktiv ihre Magie einzusetzen. „Siehst du es, wie sie immer größer, heller und heißer wird?“
Tatsächlich tat sie es. So überraschend und hoch, dass Edelle es gerade noch schaffte, ihre Augenbrauen aus der Gefahrenzone zu bringen, doch für einen Moment brannte ihre Flamme lichterloh, bevor die Prinzessin ihre Konzentration verlor und die Flamme erlisch.
„Hab... hab... War ich das?“ Stieß sie ungläubig, doch gleichzeitig stolz hervor.
„Natürlich, Prinzessin. Ihr seid eine hervorragende Schülerin, wenn auch etwas schreckhaft, was jedoch angesichts der Umstände verständlich ist.“ Lobte ich sie.
Begeistert wandte sie sich ihrem Gefährten zu, der trotzig in eine Ecke verbannt worden war, nachdem er sie zu viel genervt hatte. Wie schaffte es ein kleiner Mensch wie Edelle bloß, eine so tyrannische Raubkatze zu zähmen?
„Gut, jetzt probieren wir die Erde.“ Erklärte ich. „Lass deine Hand dafür einfach auf den Bode sinken.“ Gierig darauf noch mehr zu lernen, ließ sie ihre Handfläche voller Vorfreude auf den Boden fallen und vergrub ihre Fingerspitzen in dem grünen Meer. „Du kannst es jetzt bereits spüren, oder?“ Fragte ich nach, doch bloß einen Moment später entstand ein ganzer Rosenbusch um ihre Hand herum.
„Ups.“ Lächelnd betrachtete ich ihr Missgeschick. Mir ist als Kind dasselbe passiert, doch war mein gesamter Arm in Efeu gefangen.
„Den Fehler machen wir alle einmal.“ Kicherte ich, während Elth angestürmt kam, um seiner Liebe des Lebens den Arm zu retten. Keine einziger Dorn stach sie, während er mit seinen groben Krallen >das verdammte Unkraut< wie er es so schön formulierte, entfernte.
„Tut dir irgendetwas weh?“ Fürsorglich drehte er Edelles Hand zwischen seinen Fingern. Lachend tat sie es ab.
„Aber nein, sie hatten ja noch nicht einmal Dornen. Daran sollte ich wohl noch arbeiten.“ Scherzte sie, als sie völlig in ihrem Element aufging.
Ja, Zaubern, sich verwandeln und eine Königin sein, das war es, was ihre Zunft bereits hielt, was in ihren Genen eingraviert stand. Mit ihrer Güte und ihrer aufmunternden Art, könnte ich sie glatt als die neue Königin akzeptieren. Ehrlich gesagt wünschte ich es mir sogar ein bisschen, immerhin, stände ich später in der Gunst einer Königin. Wer würde so etwas ausschlagen?
„So jetzt reicht es aber. Wir gehen hinein, Dell. Am besten bevor du noch irgendetwas verlierst.“ Das war das gefühlte zwanzigste Mal, dass Elth dies für sie bestimmte, doch Edelle ignorierte ihn einfach, was ihm sichtlich nicht gefiel.
„Geduld, sonst seid Ihr wieder so ausgelaugt wie gestern Abend. Wir machen jetzt eine Stunde Pause, danach üben wir weiter.“ Entschied ich, vor allem um Elth endlich zu beschwichtigen. Mit seiner nervösen Art provozierte er es bloß, dass sich Edelle ablenken lassen könnte. Oder das ich einen Nervenzusammenbruch bekam.
Während ich die Wasserschüssel an ihrem Platz liegen ließ, räumte ich die Kerze weg und kümmerte mich um den neuen Strauch Rosen, ohne Dornen, der sich recht gut unter den Fenstern machte.
„Noch einmal!“ Applaudierte Matty, als Jacob und er aus dem Haus kamen.
„Netter Trick. Kannst du das auch mit einem Baum?“ Fragte der älteste Junge provokant.
Lächelnd zog ich meine Hausschuhe aus und stand barfuß auf der Wiese. Geübt ließ ich meinen Geist nach dem nächstbesten Baum ausfahren und schickte ihm den Willen sich zu erheben.
Knirschend hob die alte Trauerweide ihre Wurzeln aus dem Erdreich hervor, kramte Würmer hervor und schüttelte Erde ganz nach meinem Willen ab, während Jacob der Mund aufklappte. Auch Matty quiekte vergnügt. „Was soll er noch machen?“ Forderte ich den erstaunten Teenager auf.
„Lass ihn tanzen.“
Elegant verbeugte ich mich, zusammen mit dem Baum und tat einen tastenden Schritt mit meinen Beinen, welche ich mit einer Seite seiner Wurzeln imitieren ließ. „Warte, ich brauche erst ein Gefühl dafür.“ Bat ich, bewegte einzeln meine Beine, die Wurzeln und meine Arme, die starken Äste.
Als ich langsam ein Gefühl dafür bekam, setzte ich zu einem langsamen Walzer an. Machte einen Schritt nach dem anderen, wiegt meinen Körper, so wie den Stamm in einem stummen Lied in meinem Kopf, bewegte meine Arme, obwohl es bei mir unglaublich dämlich wirkte, während es bei dem Baum prächtig aussah.
Matty machte im selben Takt wie ich mit, versuchte mich zu imitieren, doch war nicht so gut im Tanzen. Na, gut ich auch nicht, im Grunde besaß ich zwei linke Füße, doch während ich nebenbei den Baum steuerte, schien dies niemanden großartig aufzufallen.
„Das ist ja der Hammer. Mum hätte statt mit einem Vampirmischling, mit dir vögeln sollen, dann hätte ich auch so eine krasse Gabe!“ Vor Schreck stolperte ich und verlor die Kontrolle über den Baum.
Da der Baum völlig aus dem Erdboden gerissen war, fiel er beinahe um, doch ich griff schnell mit meiner Magie nach ihm. Vorsichtig ließ ich ihn an seinen alten Platz zurück und versuchte mein Ungeschick ein wenig zu überspielen. „Ich bin froh, keine Kinder zu haben.“ Erklärte ich sachlich. „Als Schwarzmagier kann man nicht als Vater anerkannt werden, außerdem würde man jeden verurteilen, der mich gesichtet, aber nicht ausgeliefert hat, beim Hexenrat. So etwas würde ich meinen Kindern niemals antun.“ Zwar widersprachen sich meine Worte ein wenig, aber das schien dem Teenager überhaupt nicht aufzufallen.
Im Grunde setzte ich alle anwesenden dem Risiko aus, vor dem Hexenrat bestraft zu werden, mit einer hohen Geldstrafe, oder sogar bis zu einigen Monaten Gefängnis, da mich keiner von ihnen auslieferte. Täten sie es, würden sie einiges an Geld kassieren.
„Also willst du keine Kinder mehr haben? Selbst wenn du kein Schwarzmagier mehr währst?“
Diese kindliche Naivität. In Logans alter hatte ich bereits meine Schwierigkeiten mit Lissy und als ich etwas älter war als Jacob, meine nächsten. Trotzdem stand ich nun hier, mit ihren Söhnen und schloss sie irgendwie langsam ins Herz. Freundschaft. Ob ich mir jemals so etwas erlauben durfte? Aus Erfahrung wusste ich doch, wie schnell einem selbst der engste Vertraute für ein kleines Entgelt einen Dolch in den Rücken sticht. „Ich werde immer Schwarzmagier bleiben, oder sterben, wenn mir das Leben zu lange wird. Mal sehen.“
Über das was nach meiner Aufgabe mit der namenlosen Fee kam, hatte ich mir irgendwie noch niemals Gedanken gemacht. „Jacob! Hast du zufällig...“ Lissy lehnte sich aus dem Fenster, welches am anderen Ende des Hauses war. Da Jacob sich nach seiner Mutter umdrehte, konnte sie mich nun ebenfalls sehen. „Vergiss es. Du da, hast du zufällig mit Edelle über gestern Nacht gesprochen.“
Mit einem kurzen Blick auf die beiden Jungs, vergewisserte ich mich, dass ihnen bei dem, noch locker sitzenden Baum nichts passieren konnte, doch ebnete die Erde zu Mattys Sicherheit noch ein wenig. Flott ging ich auf Lissy zu. „Nein, ich würde dich bitten es auch noch für dich zu behalten, zumindest für eine Weile.“ Bat ich sie. „Sie macht gerade eben so große Fortschritte und wenn Elth das wüsste, würde er bloß noch wie eine Glucke über ihr hocken.“ Der Vergleich hinkte ein wenig, aber ich schätzte die tyrannische Raubkatze als recht... über fürsorglich ein.
Geschickter als ich es jemals gekonnt hätte, kletterte Lissy aus dem Fenster und setzte sich gemütlich in Bewegung, damit man unser Gespräch nicht zufällig belauschen konnte. „Elth ist ihr Wächter, wir sollten ihn zumindest einweihen, dass unsere Vermutungen richtig waren.“
Vehement lehnte ich ab. „Nein, du solltest deinen Bruder besser kennen, Lissy. Er liebt die Prinzessin mehr als sein eigenes Leben. Sollten wir seine Befürchtungen auch noch bestätigen, könnte er... weiß was ich was tun.“ So gut kannte ich ihn nun auch wieder nicht.
„Ich will bloß nicht, dass meine Kinder in das Visier der Menschen geraten.“ Lissy klang so erschöpft. Ob sie überhaupt nach dem Frühstück noch etwas Schlaf gefunden hat?
„Keine Sorge, solange sie in meiner Nähe sind, kann ich sie zu jeder Zeit wegbringen.“ Schwor ich Lissy, da ich nicht wollte, dass sie sich auch noch über das Gedanken machte.
Dankbar nickte sie. „Ich weiß, es steht mir nicht zu, meine Kinder, der Prinzessin vor zu ziehen.... aber...“ Sanft ließ ich meine Hand in ihre sinken.
„Bloß noch drei Tage, Lissy. Edelle macht hervorragende Fortschritte. Bestimmt liegt es daran, dass ihr Geburtstag so nahe ist, aber trotzdem sollte sie bald wissen, was sie will, damit wir besorgen können, was sie dazu braucht.“
Für einen Moment schloss Lissy ihre Finger ihrerseits um meine, drückte sie, doch ließ sie viel zu schnell wieder los. Ich wollte mehr von dieser Berührung. Der Energiefluss, der so plötzlich ausbrach, machte mich regelrecht süchtig. „Das was sie will und das, was sie braucht, ist leider nicht einmal ansatzweise dasselbe, Ter.“ Seufzend wandte sie den Blick ihren Kindern zu. „Ich wünschte, ich könnte ihr irgendetwas abnehmen. Es bräuchte doch bloß diese eine Geburtstagsnacht sein, oder der Scheiß, dass sie keinen Mischling bevorzugen kann in dieser einen Nacht...“ Kopfschüttelnd beendete sie das Thema. „Ich werde mich einmal lieber wieder hinlegen. Der Kater macht mich völlig fertig. Vermutlich war das letzte Bier zu viel.“ Scherzte sie.
„Warte, Liss.“ Sie wollte eben zurück, durch die Hintertüre, in das Haus gehen, doch ich stoppte sie mit meinen Worten. „Kannst du dich noch an die Rückreise erinnern?“
Für einen Moment bekam sie einen seltsamen Gesichtsausdruck, doch winkte dann lachend ab. „Ich glaube, das will ich überhaupt nicht wissen. Hoffentlich habe ich nur nicht zu viel gelallt.“ Ihr Lächeln schien etwas aufgesetzt zu sein und durch einen unerfindlichen Grund, fühlte es sich so an für mich, als wäre sie traurig, doch konnte ich das auch ihrer Müdigkeit zuschreiben.
„Nein du warst... recht still.“ Gab ich zurück, während sie sich entfernte und bloß noch winkte. Um ehrlich zu sein, wusste ich nun wirklich nicht mehr weiter. Konnte sich Lissy wirklich nicht mehr erinnern? Oder tat sie bloß so, weil es ihr peinlich war?
Wieso denke ich das überhaupt? Natürlich war es ihr peinlich und unangenehm. Wer würde sich schon freiwillig einem Schwarzmagier hingeben? Vermutlich lag es einzig und alleine bloß am Frühjahrssog. Ja, mehr war es nicht. Bloß eine Illusion.

11. Angriff

 Lissy:

 

Puh, noch einmal gerettet. Ich dachte schon, er würde das Thema ansprechen, das ich tunlichst aus meinem Kopf verbannte. Aber zu Lügen war das beste, was ich machen konnte. Zumindest was diese Situation anging.
„...vielleicht ja doch.“ Hörte ich Edelles Stimme aus dem Wohnzimmer, daraufhin kicherte sie.
„Ach, und danach? Dann muss ich wieder hinter dir her räumen. Ich weiß ja wie unordentlich du bist.“ Knurrte Elth, doch klang keinesfalls verärgert. Es war ein verspieltes Knurren.
„Ich?“ Stieß Edelle lachend hervor. „Du bist, doch derjenige, der seine Sachen überall herum liegen lässt. Ihr Menschwandler seid nichts anderes als... Lass das! Elth...“ Ihr Protest wurde durch einen Kuss erstickt, den sie sichtbar gerne hinnahm.
Sehnsüchtig beobachtete ich die beiden für einen Moment an der Treppe. Dell lag auf dem Sofa und Elth hatte bis gerade eben noch neben ihrem Kopf auf dem Boden über sie gewacht, doch jetzt lag er über ihr und ließ seine Hand verführerisch über ihren Bauch gleiten.
Kichernd schob sie diese fort und biss ihn zur Strafe in das Kinn. „Du bist unverbesserlich.“ Dells Augen leuchteten geradezu vor Glück, während sie doch eigentlich mit ihm schimpfte.
War es das? Ist es das was andere als Liebe sehen? Dieses Vertrauen und Verständnis, ein Band das niemand trennen konnte.
Während Teraz mit Dell trainiert, achtet Elth darauf, dass sie seelisch stabil blieb. Für uns. Für sie beide. Für eine Zukunft, die sich die beiden gemeinsam wünschten.
Ich beneidete Edelle nicht darum, dass sie eine solch außergewöhnliche Macht besitzt. Eigentlich bemitleide ich sie viel mehr, da es so viel um sie herum zerstört hat bisweilen. Und ich bewundere sie, dass sie immer noch ein Lächeln für jeden auf den Lippen tragen kann. Das hatte sie einzig und alleine Elth zu verdanken, auch wenn er schwierig ist.
Immerhin ist er ein Menschwesen. Wir sind niemals einfach. Wesen wie wir sind Kraft, Chaos und Perfektion in einem. Die Natur. Das sind wir. Etwas einzigartiges, das in einem Körper zwei verschiedene Wesen widerspiegelt. Vielleicht macht es uns deshalb so wechselhaft? Unberechenbar.
Seufzend ließ ich mich in das Bett fallen und atmete noch mehrfach tief durch, bis meine Tränen versiegelt waren. Jetzt konnte ich sie wirklich nicht gebrauchen. Das letzte Mal hatte ich geweint, weil ich in den Wehen lag. Seitdem nie mehr. Weshalb auch? Das wird völlig überbewertet und verausgabt einen, obwohl man nichts tut.
Dabei fühlte ich mich jetzt noch ausgelaugt von dem Energieaustausch zwischen Teraz und mir.
Davon hatte ich sogar schon einmal gehört. Obwohl ich Magie, aus welchen Gründen auch immer, nicht wahrnehmen kann, wusste ich einiges darüber. Das musste ich in der Mischlingsschule lernen. Reinrassige wurden im Gegensatz zu uns meistens zuhause, von ihren Eltern, oder größere Verbände in eigenen Schulen, unterrichtet. Magiebegabte werden jedoch beinahe immer eigens trainiert, sobald sie alt genug waren. Meist geschah das mit neun Jahren, wenn sie ihre Magie das erste Mal verwenden. Ihnen wird gelernt, wie sie ihre Gabe kontrollieren, wie man Tränke mischt und wie man gefahrlos, also ohne zu töten, Kraft aus anderen Lebewesen zieht. Hexen und Hexer können voneinander nichts beziehen, doch aus allen Lebewesen mit Lunge und Herzschlag, klappte so etwas ganz einfach. Sie ziehen Lebensenergie, welche sich jedoch regeneriert, von uns ab und wandeln sie in ihren Körper automatisch, wie Atmen, oder der Bluttransfer, in Magie um. Je nachdem wie viel der Hexer, wie in meinem Fall, nimmt, muss man danach lange schlafen um sich zu erholen. Außerdem wäre ein Zuckerschock nicht allzu schlecht. Aber diesen würde ich mir unbemerkt zu einem anderen Zeitpunkt besorgen.
Zuerst musste ich einfach schlafen. Bloß meine Augen schließen und... meinem Körper sich selbst überlassen.

 

- - - - - 

 

„Mama! Mama!“ Erschrocken kam ich hoch. Verwirrt blickte ich mich um, doch konnte keines meiner Kinder ausmachen. Wie lange hatte ich geschlafen? Ein paar Minuten? Stunden? Ich fühlte mich noch immer wie gerädert.
„Mamiii...“ Jetzt war ich vollkommen wach. Ohne mir darüber bewusst zu sein, wechselte mein Körper in die Kampfform. Innerhalb von Sekunden stand ich am Fenster und riss es hektisch auf, da ich die angsterfüllte Stimme meines jüngsten hörte. Als ich sah, was sich vor mir abspielte, war ich auch bereits aus dem ersten Stock, hinab in die rot bedeckte Wiese gesprungen.
„Fass ihn an und ich ziehe dir die Haut vom Gesicht!“ Mein jüngster saß, wie meine beiden anderen auf einem Baum, umzingelt von bewaffneten Menschen. Irgendwo im Hintergrund konnte ich Teraz Beschwörungen murmeln hören. Elth sah ich am Hügel, hinter dem Haus, gerade eine kleine Gruppe umwerfen als wäre er eine Bowlingkugel und sie die Kegel dazu.
Matty saß in seiner Katzenform, am untersten Ast und wäre beinahe am Schwanz hinunter geholt worden, hätte ich nicht die allgemeine Aufmerksamkeit auf mich gezogen. „Besser ihr zieht ab, bevor ihr es alle leid sein werdet.“ In meiner Stimme herrschte nichts weiter als eisige Ruhe.
„Ihr habt gehört. Niemand darf am Leben bleiben.“ Weckte nun der Soldat, aus der Ferne seine Kollegen, was definitiv ein Fehler gewesen ist. Mein Körper regierte auf die mich gerichteten Elektroschocker so instinktiv, als wäre ich auf der jagt. Obwohl eigentlich Elth als Kämpfer erzogen wurde, den unser gemeinsamer Vater so gerne hatte, war ich es, welche die Kaltherzigkeit dazu besaß.
„Schließt eure Augen, Kinder. Das ist nichts für euch.“ Ich flüsterte diese Worte leise, doch ich wusste, sie hörten es. Während Jacob Matthew zu sich hochholte und an seine Brust presste, damit er nichts sah, trennten meine Krallen den ersten, mit einem Helm gesicherten Kopf ab.
Der zweite ging zu Boden, indem ich ihm die Oberschenkel, alleine mit einem gezielten Tritt brach. Auf den dritten stürzte ich mich, stieß meine Hand durch seine Lungenflügel und warf sein Herz hinter mich.
Der vierte, der am weitesten entfernt stand, ließ seinen Elektroschocker zwar auf mich nieder prallen und schickte unzählige Volt durch meinen Körper, aber in meinem derzeitigen Zustand war dies egal. In mir herrschte nichts weiter als blanke Wut. Wut auf diese abscheulichen Wesen, die es auf meine harmlosen, kleinen Kinder abgesehen hatten.
Ich wusste, was Leute wie diese mit ihnen machten. Und sie verdienten es nicht anders als zu bluten. Mit einer eleganten Drehung, entwand ich ihm den Stab, durch den immer noch zitternd etliche Volt liefen und steckte ihn ihm tief in die Kehle. „Niemand fasst meine Babys an.“ Fauchte ich dem Sterbenden hinterher, bevor mich auch schon die nächste Gruppe entdeckte.
Mit einem provozierenden Knurren kam ich ihnen entgegen, verbiss mich in Arterien, trennte Körperteile ab und zerteilte Knochen. Das alles geschah mit einer kalten Leichtigkeit, die mein Vater bisher niemals hatte kennen lernen dürfen. Er verachtet mich, weil ich ein Mädchen bin. Er denkt ich, sei schwach, weil ich nicht so viel von einem Vampir in mir habe, wie Elth, oder er selbst.
Aber mir ist es egal, damit habe ich mich vor Jahrzehnten abgewandt. Trotzdem konnte ich dieser Genugtuung nicht entsagen, als ich jetzt einen Schädel splittern hörte, da er hart gegen die Hauswand von mir geschleudert wurde. Mein Geheimnis, das Vater niemals erfahren hatte.
„Lind... Lissy!“ Teraz stand, in seinem Mantel gehüllt, unter dem Baum auf dem meine Kinder ängstlich saßen und sich nun zu ihm hinunter bewegten. Um den Baum herum lagen zerteilte Körperteile, Blut und Eingeweide. Derjenige dem ich die Oberschenkel gebrochen hatte, winselte noch jämmerlich, während er qualvoll verblutete.
Mit erhobenen Haupt wandte ich mich von dieser Made ab, ging auf den Magier zu, der eben seine Kapuze abzog und schlug ihm frontal ins Gesicht.
Mit einem Schmerzenslaut ging er zu Boden.
Natürlich hatte ich nicht so stark zugeschlagen, um ihm etwas zu brechen. Ich hasste Teraz nicht, ich war bloß stinksauer auf ihn. Und das sah er auch in meinem Blick. „Für was war das denn?“ Fluchend kam er wieder auf die Beine, wobei sich ein Veilichen auf seinem linken Auge bildete.
„Sie sind sicher? War es nicht das, was du gesagt hast!“ Meine Stimme überschlug sich regelrecht vor Wut, während Erkenntnis in Teraz Augen aufging, doch durch Bedauern schnell überschattet wurde.
„Ich weiß, es tut mir leid, aber sie kamen einfach...“
„Davon will ich nichts hören. Kümmere dich lieber um das wesentlich Wichtigere. Kümmere dich um die... Prinzessin.“ Ich spuckte das letzte Wort geradezu aus, wobei ich nicht Edelle damit beleidigen wollte. Auch war mir bewusst, dass seine erste Pflicht darin bestand sie zu beschützen. So wurden Reinrassige nun Mal erzogen. Die Prinzessin, so wie Könige gingen einfach vor. Für die adeligen lebten sie. Für diese starben sie auch, wenn es sein musste.
Bullschit!
„Liss, las es mich einfach...“
Gerade half ich Logan vom Baum und gab ihm einen beruhigenden Kuss auf die Stirn, als Teraz gefährlich nahe in meine Reichweite kam. „Noch einen Schritt näher und ich werde dich spüren lassen, was richtige Narben sind.“
Der Schmerz der sich in seinen Augen ausbreitete, war nichts im Vergleich, welchen ich verspürte, noch während ich diese Worte aussprach. Gerade ich hatte kein Recht über seine Narben zu sprechen. Immerhin bin ich schuld daran. Aber im diesem Moment war ich noch so frustriert, dass es einfach herausrutschte.
Meine Kinder sind mein Leben. Sie sind das Einzige, was mich aufrecht erhält. Sie sind die Liebe meines Lebens, zumindest solange, bis sie ihre eigene Erfüllung finden würden. Trotzdem werde ich sie dann immer noch weiter lieben, bemuttern, arbeiten... einfach ich sein.
Aber die Angst gerade eben, als diese ekelhafte Hand sich nach dem leicht brechbaren Körper meines Sohnes ausgestreckt hatte. Die Panik in den Augen der drei, da sie wussten, dass es böse Leute gab, die ihnen nichts Gutes wollten. Diese Gefahren waren es, die ich für sie auslöschen musste.
„Geht nach oben. Badet, dann zieht ihr euch etwas Ordentliches an. Ich bringe euch heute noch zu Oma.“ Keine Ahnung wie ich auf die Idee gekommen bin, die Kinder hier zu lassen. Ich dachte umgeben von zwei furchtlosen Menschwesen und einem mächtigen Hexer, könnte ihnen schon nichts passieren, doch ich war zu egoistisch. Im Grunde wollte ich sie bloß bei mir haben, da ich ihre Mutter bin. Sie gehören zu mir, wie meine Gliedmaßen, meine Zähne und meine Verwandlung. An erster Stelle steht für mich, dass ich sie vor jeder Gefahr beschütze. Sei es Alkohol, sei es ein Mädchen das bloß mit ihren Herzen spielt, oder sei es so etwas wirklich Bedrohliches wie der Tod.
„Aber Mama, wir...“ Begann Jacob, nachdem er mir Matty in die Hand gegeben hatte, welchen ich fest an mich drückte, da er weinte. Ich unterbrach meinen Sohn, in dem ich ihm einen Kuss auf die Wange gab und ihm fest in die Augen sah.
„Jacob, du bist mein Sohn. Auch du, Logan.“ Ich sah auch ihn an. „Und du Matthew.“ Liebevoll strich ich Letzterem einige Tränen in mein Fell. „Ihr habt bisher, und werdet immer an erster Stelle bei mir stehen. Eure Sicherheit geht, für mich über alles hinaus. Jacob, kümmere dich gut um deine Brüder, wenn ihr bei Oma seid, habt ihr das verstanden?“
Mit einem Ausdruck, der mir wieder einmal zeigte, wie alt er bereits ist, nickte er und nahm Logan an die Hand. „Komm, wir gehen einmal wieder zusammen baden. Was sagt ihr dazu?“
Ich achtete pingelig darauf, dass Matty nicht zu viel von den Toten sah und reichte ihn an Jacob weiter, nachdem sie das Haus betreten hatten. „Lasst euch Zeit oben, ich rufe Oma an.“
Ich holte mir eilig das Haustelefon aus der Küche und setzte mich, mit einem kurzen Niesen, in das Wohnzimmer. Dass ich dabei eine Blutspur hinter mir herzog, war mir völlig gleich. „Hallo, Mum?“ Sie meldete sich wie üblich nach dem dritten Klingeln.
„Lindsey! Du kleine verzogene Göre! Was fällt dir ein? Denkst du, dass du dich immer melden kannst, wenn du willst...“
Alleine mit ihrem tadelnden Tonfall schaffte sie es, dass wieder ein Lächeln auf meinen Lippen erschien. Ich vermisste sie. „Hör mir doch erst einmal zu. Es ist etwas passiert und ich muss die Jungs zu dir bringen. Ist das in Ordnung?“
Natürlich wurde sie sofort hellhörig. „Bist du etwa schon wieder schwanger?“
Mit einem nervösen Lachen, musste ich eine Träne aus meinem Augenwinkel entfernen. „Nein, nein. Keine Sorge. Elth und ich haben hier bloß ein kleines Problem. Die Jungs sind heute in ein ziemlich ungutes Visier gekommen. Es wäre gut, wenn ihr vier euch tarnen würdet.“
Meine Mutter ist zu dreiviertel Tiger und zu einem viertel Hexe. Trotzdem konnte ich noch nie in meinem Leben Magie wahrnehmen. Sehr zu meinem Bedauern. „Was für eine Frage, Spätzchen. Wann sind sie denn da?“
„In einer Stunde?“ Fragte ich sie.
„Gut, ich werde ihnen etwas ordentliches Kochen. Wenn alles erledigt ist, wirst du mir erzählen müssen, was los ist.“
Schniefend unterdrückte ich einen jämmerlichen Laut, der sich aus meiner Stimme stehlen wollte. „Ja... ja... Ähm... ja, das werde ich.“ Sobald ich selbst einmal wusste, was überhaupt passiert ist.
„Gut, jetzt beruhige dich erst einmal. Wie oft noch, man weint nicht vor seinen Kindern. Sei stark. Sie sind es auch.“
Auch wenn sie überhaupt nicht da waren, schluckte ich meinen Schmerz hinunter. „Danke, Mum. Ich liebe dich.“
„Das ist doch selbstverständlich, mein Mäusschen. Pass auf dich auf, ja?“ Das tat ich doch immer, oder? Ich regelte immer alles.
Mit einem stummen Nicken, legte ich auf und ließ das Handy einfach auf den Boden fallen. Es war voller Blut. Blut, das nicht mir gehört. Blut, das von Menschen stammt, die ich nicht verstehen konnte. Aber wollte ich es denn auch?
Wieso sollte man kleine Kinder töten wollen? Weshalb sind sie dermaßen... Erschrocken stieß ich so etwas wie ein Schluckauf aus. Ein dürrer Körper, kaum zu erkennen ob männlich, oder weiblich, nahm neben mir Platz und zog mich schweigend in eine Umarmung.
Sofort fühlte ich einen Sog in mir aufsteigen, wie er von mir zu dem mageren Körper und wieder zurück wechselte, als wäre es der Blutkreislauf, den wir uns teilten. Ein starker Herzschlag, pulsierte direkt neben meinem Ohr, pochte so laut und nervös, wie meines stockte und sich überschlug. „Es tut mir wirklich leid.“ Hörte ich eine Stimme in meinem Haar, die ich selbst im schlimmsten Alkoholrausch, den ich jemals gehabt habe, wiedererkannt hatte. Eine Person, die ich immer wiedererkenne, egal wie sehr sie sich verändert.
„Du hättest... du hast es versprochen...“ Meine zitternde Stimme wurde zu einem gebrochenen Schniefen, während ich, erfolglos, versuchte, wieder zornig zu werden.
„Ich weiß. Das habe ich versprochen. Aber ich war zu langsam.“ Ein tiefer Atemzug, kitzelte über meine am Haupt sitzenden Ohren hinweg, woraufhin sie zuckten.
„Sie saßen dort... sie... beinahe hätten diese Schweine Matty gehabt. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen was sie...“
„Scht... Nicht daran denken. Liss, es ist alles gut.“ Ja jetzt. Jetzt, wo ich meine kleinen Babys gerettet habe.
„Beinahe wäre ich zu spät gewesen. Sie hätten ihm alles gebrochen... sein Kleiner... Körper...“
„Lissy!“ Schimpfte Teraz, schob mich etwas von sich fort und nahm mein Gesicht zwischen seine Hände. „Wehe du sagst so einen Scheiß noch einmal. Sieh dich doch einmal an.“
Verwirrt folgte ich meinen blutigen Händen, zu meinem dreckigen, fellüberzogenen, Körper. „Ich bin... voller Blut.“ Stellte ich fest. Obwohl es mich eigentlich überhaupt nicht wundern sollte.
„Genau, du bist voller Blut. Nicht Matthew, oder Logan, oder Jacob. Sie sind gesund. Zwar etwas verängstigt, aber sie sitzen oben in der Badewanne und beruhigen sich gerade wieder. Du hast sie gerettet, Liss.“
Mein Blick glitt zurück zu Teraz. „Aber... wieso waren sie überhaupt da? Du hast gesagt, dass du sie in Sicherheit bringst, solange sie bei dir sind.“
Sanft streichelte er meine Wange, zog mich zu sich und hauchte mir einen Kuss auf die Stirn, bevor ich mich wieder zurück auf seinen Brustkorb legen durfte. „Das wollte ich, wirklich Liss. Ich habe es wirklich versucht, sie zu erreichen, doch jetzt da die Menschen wissen, dass ein Schwarzmagier hier ist, haben sie ihre Waffen angepasst.“ Beruhigend streichelte Teraz über meinen Rücken, während ich ihn direkt an meinem Gesicht, seufzen hörte. „Aber als die drei am Baum waren, konnte ich überhaupt nichts mehr tun. Meiner Reisemagie sind Grenzen gesetzt. Ich kann mich bloß durch Erdreich bewegen, nicht aber von Bäumen. Das verstehst du doch, oder?“
Schweigend nickte ich. Ja, das verstand ich natürlich. Mittlerweile hatte ich mich ebenfalls soweit beruhigt, sodass ich nicht mehr das Bedürfnis verspürte, ihn schlagen zu wollen. Okay, ich gebe zu, das war etwas zu viel des Guten.
„Dein... Auge?“ Fragte ich vorsichtig nach. Für mich hatte es eigentlich bereits verheilt ausgesehen.
„Ich habe es geheilt. Hättest du etwa lieber gehabt, dass ich mit einem Veilchen von einer Frau herum laufe?“
Lachend verneinte ich. „Du bist so ein Idiot.“ Schimpfte ich halbherzig, als ich mir eine Träne wegwischte und meine Arme um Teraz schloss.
„Erzähl mir lieber etwas neues.“ Flüsterte er ebenfalls lachend, in mein Haar.
„Was hältst du denn davon, meine Mutter kennen zu lernen?“ Dieser Gedanke ließ ihn für einen Moment stocken.
„Solange sie mich nicht wieder mit Schokoladenkekse vollstopft.“

12. Wenn sich die Vergangenheit mit der Gegenwart vereint

Teraz:

 

Ich konnte es nicht glauben! Nicht schon wieder. Sie wusste doch, wie sehr ich dieses Versteckspiel hasse. Zwar ist es Sommer und nicht besonders kalt, trotzdem würde ich es vorziehen, nicht unbedingt barfuß nach Hause zu kommen. Alleine, um nicht wieder ausgeschimpft zu werden. 

Als sie es das letzte Mal getan hat, fand ich meine Schuhe am nächsten Tag in meinem Fach zwar wieder, doch am Vortag waren sie nicht dort gewesen. Das einzige Logische war, zu ihr nach Hause zu gehen. Bestimmt wird sie, sobald es ihre Eltern erfuhren, mächtig ärger bekommen.
Mit diesem gehässigen Hintergedanken, schlüpfte ich in meine Schulhausschuhe, da heute ohnehin Freitag war, und ich einfach zuhause vorlügen würde, dass mir diese bereits zu klein waren.
Nach einer guten Stunde kam ich, abgehetzt, bei Lindseys Haus an. Es lag in der Nähe von dem Haus meiner Eltern, doch etwas tiefer in den Wäldern vergraben, sodass ihr Haus, beinahe schon nicht mehr zur Ortschaft gehörte.
Zögerlich klopfte ich an die sperrige alte Türe, woraufhin eine erwachsene Frau erschien. Sie schien gerade mit Obst hantiert zu haben, da sie nach Früchten roch. „Hallo, junger Mann. Kann ich dir helfen?“ Begrüßte mich Lindseys Mutter ganz freundlich.
„Wohnt Lindsey hier?“ Eigentlich wusste ich es ja, doch ihre Mutter sah kein bisschen aus wie das Mädchen, das ich kannte.
„Natürlich, sie ist im Garten. Willst du zu ihr?“
Vehement lehnte ich ab und schüttelte trotzig meinen Kopf. „Nein. Ich will bitte bloß meine Schuhe zurück. Sie hat sie geklaut und wenn ich ohne die heimkomme, schimpfen meine Eltern wieder mit mir.“
Verstehend ließ mich Lindseys Mutter ein. Ihre Augen waren viel dunkler als die von Lindsey, so wie ihre Haarfarbe eher einem matschigen Braun glich und ihre Haut einem zarten Mokka. „Du bist Teraz, oder? Der Sohn der Hexenvorständen.“
Ich nickte und reckte mein Kinn arrogant an. „Ja, ich bin ein Reinrassiger.“ Protzte ich in meinem kindlichen Übermut.
Lachend schob mich Lindseys Mutter an ihren heimeligen Esstisch und reichte mir eine Schüssel mit geschnittenen Obst. Dazu legte sie eine Gabel. „Ich gehe Lindsey schnell suchen. Bedien dich. Wenn du noch etwas trinken willst, im Kühlschrank ist Milch und hier sind frisch gespülte Gläser. Nimm dir, was du magst.“ Damit war sie auch schon aus der Hintertüre und ließ mich in dem dunklen Raum alleine zurück.
Verwirrt blickte ich zwischen dem Fruchtsalat und den Gläsern auf der Spüle hin und her. Was sollte das denn? Wieso ist ihre Mutter so nett?
So viel ich hatte fühlen können, ist sie eine Hexe, doch ihre Macht ist nicht besonders stark ausgebildet. Üblich bei Mischlingen.
Versuchshalber angelte ich mir eine Erdbeere heraus und seufzte selig. Sie schmeckte noch warm, nach Sonne und wie frisch aus dem Garten. „Herrlich.“
Kichern ertönte über meinem Kopf, als ich auch schon die kleine Raubkatze auf einem Balken, von der Treppe hinunterklettern, sah und sie geschickt auf der Bank landete, auf welcher ich saß.
„Meine Mum baut alles selbst an.“ Gekonnt glitt sie in ihre menschliche Gestalt zurück, wobei ich eilig den Blick abwandte. Die meisten Menschwesen kannten, was Verwandlungen anging, kaum so etwas wie Schamgefühl. Na gut bei Jungs ist es mir auch egal, aber Mädchen wollte ich nicht unbedingt nackt sehen. Das gehört sich nicht, sagt mein Vater zumindest immer.
„Hier koste die Kirsche einmal.“ Mir zuliebe hatte sie sich eine Decke von der Bank genommen und um ihren Körper geschlungen. Auffordernd hielt sie mir nun die Kirsche hin und wirkte ungewöhnlich begeistert, während sie auf eine Brombeere biss.
„Ich bin... nicht deshalb hier.“ Damit meinte ich das Essen, doch wie immer war es Lindsey egal. Sie steckte mir einfach die Kirsche in den Mund, als ich sie nicht annahm, wofür ich auch noch ein fröhliches Lächeln bekam.
Hustend spuckte ich den Kern wieder aus. „Die sind ja mit Kernen!“ Beschwerte ich mich, woraufhin sie laut lachte.
„Natürlich, was dachtest du denn?“
„Ich bekomme immer nur Ausgelöste.“ Motzte ich beleidigt.
Lindsey griff nach einer weiteren Kirsche, löste den Kern, mit einem Wurm heraus und reichte ihn mir.
„Da war ein Wurm drinnen, Lindsey!“ Rief ich empört aus. Seufzend steckte sie sich die Kirsche selbst in den Mund.
„Du bist ein Idiot. Das sind bloß ein paar Proteine, darin ist nichts Schlechtes.“
„Nenn mich nicht Idiot.“ Wie konnte sie bloß Würmer essen? Das ist ja ekelhaft.
„Du bist doch der Erdhexer. Und da findest du Tiere ekelhaft?“ Zog sie mich auf, wobei ich auch merkte, dass sie näher zu mir rutschte.
„Ich finde nicht >Tiere< ekelhaft, sondern sie zu essen. Zumindest Würmer.“
„Aber du isst auch Wild, Huhn, oder Schwein.“ Erinnerte sie mich.
„Das ist etwas ganz anderes.“ Gab ich kindisch zurück. „Außerdem bin ich wegen meinen Schuhen hier. Wo hast du sie versteckt?“ Jetzt war ich beleidigt.
„Das erfährst du, wenn du ein Spiel mit mir spielst.“ Bettelte Lindsey und nahm mir die Früchte weg.
„Ich spiele ganz bestimmt kein Spiel mit dir. Mir tun die Füße weh und ich bin müde.“ Quengelte ich abweisend weiter.
„Bitte, ich spiele es immer mit meiner Mama, aber das ist langweilig. Es heißt Früchteraten.“
Das Spiel war einfach, zu verstehen, trotzdem, wieso sollte ich so etwas mit ihr spielen? „Lindsey, meine Schuhe!“ Forderte ich.
„Bloß zwei Runden. Bitte, bitte. Wenn du gewinnst, bekommst du deine Schuhe. Beide!“ Lockte sie mich.
Da ich ja bereits wusste, was sich in der Schale befand, war das Spiel recht einfach zu gewinnen. „Zwei Runden, danach bekomme ich beide Schuhe, wenn ich gewinne.“
Begeistert klatschte Lindsey in die Hände. „Aber keine Kirschen!“ Forderte ich. Vor denen würde ich mich in Zukunft in acht nehmen.
Artig schloss ich meine Augen, drehte mich, sodass ich Lindsey meinen Körper zuwandte, und öffnete einen Spalt meinen Mund.
„Hier kommt das erste.“
Der saftige Geschmack einer Traube breitete sich in meinem Mund aus. „Eine Traube.“
„Gut, das war ja auch einfach.“ Kicherte sie. Das ganze Spiel jedoch war einfach. So viel Auswahl gab es ja überhaupt nicht. „Jetzt ist es schwieriger.“
Verbissen kniff ich meine Augen zusammen. „Wehe es ist eine Kirsche.“
Lachend legte Lindsey ihre Hand auf meine, als wäre es etwas Selbstverständliches. „Das habe ich ja versprochen.“
Innerlich seufzte ich, doch wartete auf die nächste Frucht. Als Lindsey sie mir an die leicht geöffneten Lippen hielt, wusste ich alleine am Geruch, dass es sich um eine Erdbeere handelte, daher öffnete ich den Mund ein Stück weiter. Jedoch wurde der Geschmack der Erdbeere von einem ungewohnten Druck auf meinen Lippen verfolgt.
Erschrocken öffnete ich meine Augen, bloß um festzustellen, dass ich nicht mehr wirklich weit sehen konnte. Lindsey hatte mir die Erdbeere mit ihrem Mund gegeben und küsste mich. Vor Schreck, erstarrte ich und wartete, dass sie wenige Sekunden später, verlegen ihren Kopf zurückzog. Selbst kaute sie auf dem Rest der Erdbeere. „Und, war doch ein leckeres Spiel, oder?“
Entsetzt tat ich nichts anderes, als sie anzustarren. Das war doch nicht ihr ernst, oder? Sie hat mich geküsst. Einfach... so...
„Ach, da bist du ja. Das hätte ich mir auch denken können.“ Die tadelnde Stimme von Lindseys Mutter erklang an der Türe. Damit war auch der Moment zerstört, dieses seltsame Mädchen, das es schon immer geschaffte hatte seltsame Reaktionen in mir hervorzurufen, nach der Bedeutung dieses Kusses zu fragen. Ich verstand sie nicht. Noch dazu konnte ich niemals jemanden danach direkt fragen.
Meine Schuhe bekam ich selbstverständlich zurück, genauso wie drei Kekse, die mir aufgezwungen wurden von ihrer Mutter, als Entschuldigung. Entschädigung genug war es mir damals gewesen, dass Lindsey mich geküsst hat. Das hübscheste, doch seltsamste Mädchen, das ich kannte.

 

„Weilst du noch unter uns?“ Erschrocken fuhr ich aus dem Stuhl hoch, als Lissy mit einem Glas Milch aus der Küche kam und kräftig nach Luft schnappte.
„J... Ja?“ Fragte ich irritiert.
„Du wirkst so... abwesend.“ Dadurch, dass ich im Dunkeln im Wohnzimmer saß, konnte sie zum Glück nicht sehen, wie ich rot wurde. Meinen Herzschlag jedoch hörte sie umso besser. „Was ist denn los?“ Natürlich war ihre Neugierde geweckt, sodass sich Lissy in den dunklen Raum, zu mir setzte, ihre Beine unter den Po zog und mich erwartend musterte.
Ihre Kinder hatte ich vor drei Stunden zu Lissys Mutter gebracht. Sofort hat sie mich, an meinem Geruch, wieder erkannt. Sogar für einen Moment hatte sie ihre Stimme tadelnd erhoben, weshalb ich mein Leben als Schwarzmagier wegwarf. In diesem Moment war ich mir wieder wie ein kleines Kind vor gekommen und habe eilig die Flucht ergriffen. Die Leichen der Menschen, hatte ich in einem Fluss, wenige Kilometer von hier entsorgt. Sollte ruhig die Presse darauf aufmerksam werden. Selbst schuld diese selbstgefälligen Menschen.
„Teraz?“
„Nenn mich, bitte nicht immer so.“ Müde rieb ich meine Nasenwurzel um Entspannung in meinen Kopf zu bekommen.
„Dann rede mit mir.“
„Ich will aber nicht.“ Seufzend ließ ich mich im bequemen Ohrensessel zurücksinken und streckte meine Beine von mir.
„Du bist nervös, aber ich bin dir doch überhaupt nicht mehr böse...“
„Darum geht es doch überhaupt nicht.“ Verwarf ich ihre Selbstvorwürfe. Ich wusste, wie leid es ihr tat, dass sie mich geschlagen und angeschrien hat. Auch verstand ich ihre Beweggründe zu gut. Sie war wütend, auf sich selbst, frustriert und ängstlich ebenfalls. „Es war bloß... In meiner alten Heimat, sitzen so viele Erinnerungen.“
Ich hörte, wie Lissy seufzte. „Du meinst, wie ich dich behandelt habe?“ Aufrichte Reue lag in der Frage, die eigentlich mehr einer Aussage glich.
„Einfach alles, Liss.“ Gab ich zu. Erschöpft schloss ich meine Augen und rollte mit dem Nacken, da ich einfach keine Entspannung finden konnte.
„Du weißt, dass es mir leidtut. Ich war ein kleines Kind, was natürlich nichts entschuldigt. Aber trotzdem...“
„Ich weiß.“ Mir kam die Zeit dorthin so unendlich lang vor. Als wären es tausende von Jahre und Leben, die uns von damals trennten. „Es ist bloß so viel passiert.“ Nicht bloß die Menschen, die heute einfach über dem Hügel, auf das Haus zu gestürmt sind, während des Trainings mit Edelle Black. Generell ist mein ganzes Leben vollkommen in eine falsche Richtung verlaufen.
„Weißt du... Komm her.“
Fragend blickte ich zu dem Schatten, der Lissy für mich im Moment war. „Was?“
„Setzt dich zu mir.“ Bloß widerwillig kam ich hoch und ließ mich, einen Meter weiter, wieder auf die Bank sinken. Dabei ließ ich großzügigen Abstand zwischen Lissy und mir.
„Sei nicht immer so distanziert.“ Schimpfte Lissy lachend, stellte ihr Glas weg und rutschte auf mich zu.
„Ich mag zufällig meine Privatsphäre.“ Beharrte ich, doch konnte nichts dagegen tun, als sie mich einfach zur Seite drehte. „He! Hörst du überhaupt... das ist herrlich...“ Seufzend gab ich meine ungehörten Proteste auf, als Lissy begann mir die Schultern zu massieren.
„Ich weiß. Du bist immer angespannt oder nervös. Da ist es schön dich auch einmal entspannt zu sehen. Besonders nach so viel Magie wie du immer für uns verwendest.“ Da hatte sie schon recht. Seit diese drei seltsamen Wesen hier sind, habe ich keine einzige Minute Pause. Zwischen meiner Behandlung der namenlosen Fee und meinem Bett, hatte ich noch nie viel unternommen. Eigentlich hatte ich mein Zimmer bloß deshalb im kleinsten Raum des Hauses eingenommen, da es am weitesten von der Fee entfernt ist. So konnte ich zumindest eine kleine Strecke zufuß zurücklegen. Ansonsten benutzte ich einen Reisezauber zu Selena, was bloß einmal im Monat vorkommt, oder in die Unterwelt, was auch nicht mehr so häufig wie früher ist.
„Schläfst du hier jetzt ein?“
Ein Schauder glitt über meine Haut, als ihr Atem auf meinen Nacken traf. „Bald.“ Gab ich schmunzelnd zu, doch Lissy hörte nicht auf. Sie massierte meinen sehr verspannten Rücken, doch benutzte dabei nicht zu viel Druck. Vermutlich würde mir bei ihren angeborenen Kräften, mit jeder Bewegung die Knochen brechen, so dünn wie ich war.
„Sehe ich eigentlich sehr schlimm aus?“ Diese Frage schlüpfte aus meinem Mund, noch bevor ich darüber nachdenken konnte.
Irritiert hielt Lissy inne. „Was meinst du?“
„Mein... Körper. Ich habe mich in den letzten zwanzig Jahren stark vernachlässigt und... Nun, ja... Es hat mich eigentlich noch nie interessiert.“
Sanft umfasste sie meinen Oberarm, als würde sie ihn abmessen wollen, doch fand dort nichts, außer einem Knochen so wie dünne Haut vor. Würde es Lissy darauf anlegen, würde es ihr kaum Mühe machen diesen zu brechen. „Ja, du hast dich wirklich stark vernachlässigt. Deine Haare sind beinahe immer strähnig, dein Körper dürr und kraftlos. Außerdem ist deine Haut sehr ausgetrocknet, du trinkst auch nicht genug. Deshalb habe ich auch an dem Tag, wo du angeschossen wurdest, so lange gebraucht um dich zu erkennen. Du hast außerdem deine süßen Wangen eingebüßt.“ Damit zwickte sie mich liebevoll in die Wange und zog daran.
Kichernd schlug ich ihre Hand weg. „Also süß ist nicht unbedingt ein Wort, das mich beschreibt.“
Unser Lachen verging schlagartig, als uns beiden bewusst wurde, welche Worte ich gerade, unbewusst, wiederholt hatte. Ich fühlte in meinem Rücken, wie sich Lissy wieder von mir entfernte und stattdessen nach ihrem Glas griff.
So viele Jahre ist das alles her. Mein erster Kuss mit Lindsey, mein erstes mal genau mit derselben Person, obwohl ich es nicht wollte. Und jetzt saß ich, trotz allem, was passiert ist, neben ihr. Wie oft hat sie mich gehänselt? Wie oft musste ich wegen ihr ärger von meinen Eltern ertragen? Doch trotzdem zog ich sie, nachdem sie ihr Glas geleert und zurückgestellt hatte, an meine Schulter, wo sie sich schniefend nieder ließ. „War es eigentlich dein ernst? Das du damals in mich verliebt warst?“
„Jetzt willst du das wissen?“ Ihre Stimme klang irgendwie bitter.
„Ja, schon.“ Gab ich ehrlich zu. Bevor Lissy damit vor den anderen heraus geplatzt ist, dachte ich eigentlich immer, sie würde mich hassen, dafür das ich reinrassig bin, Magie praktizieren kann und generell eine hoch angesehene Person gewesen bin, dank meinen Eltern. Ich dachte schon immer, dass sie mich deshalb bloß runter machen wollte. Um mir zu zeigen, dass nicht die ganze Welt so gut lebt wie ich. Dass sie mich verspottet, auf ihre Art und Weise.
„Ich wusste es erst, nachdem ich... meinen ersten Sog verspürt hatte. Nach der Party, wo ich so eine Schlampe gewesen bin.“ Bitter lachte sie, doch strich ich bloß tröstend über ihre Schulter und kommentierte ihre Worte nicht. „Als du weggegangen bist, dachte ich, mein Herz zerbricht in tausend Splitter. Ich bin drei Tage nicht aus meinem Zimmer gekommen, erst da hat es meiner Mutter gereicht und sie meinte, ich benehme mich kindisch. Als sie mich jedoch verweint und noch immer in denselben Klamotten von vor drei Tagen fand, wusste sie, das etwas passiert sein musste. Als ich ihr es erzählte und auch nicht verstand, wieso es sich anfühlt, als hätte man mir den Lebenswillen genommen, hat sie es mir erklärt. Bis dahin war ich noch nie verliebt. Ich habe auch nie Interesse an irgendwelchen Jungs gezeigt. Natürlich mochte ich die bewundernden Blicke, habe geflirtet, oder mir Komplimente machen lassen. Doch das hat alles nie etwas bedeutet.“
Und dann kam alles anders. Unsere Wege hatten sich danach über hundertdreißig Jahre getrennt. Wir sind vollkommen verschiedene Wesen geworden. Mit vollkommen verschiedenen Leben.
„Ich bezweifle, dass jemals etwas aus uns geworden wäre. Du weißt, der Unterschied. Meine Eltern... wir hätten uns vermutlich bloß kaputt gemacht.“
Lachend legte Lissy ihren Arm um meinen Bauch. „Das haben wir auch ohne >uns< geschafft.“
Dabei konnte ich bloß zustimmen und musste ebenfalls lachen, während meine Finger wie von selbst duchr ihr bunets Haar strichen. Auch wenn unser Lachen eine recht bittere Note besaß. „Das haben wir beide grandios hinbekommen.“ Stimmte ich nach einem langen Seufzen zu.
„Kann ich dich etwas Fragen?“ Ich nickte stumm, da meine Wange an ihrem Haupt lag. „Was ist das?“ Sie streckte ihre Hand nach meiner aus, wo sofort wieder ein Austausch von Magie stattfand.
„Das fühlst du?“ Fragte ich überrascht. „Du bist doch überhaupt nicht Magieempfindlich.“ Genauso wie Menschen und die meisten Werwesen.
„Natürlich. Es fühlt sich an... als würde mich etwas zu dir ziehen, oder so. Es ist aber nicht unangenehm, nur... seltsam.“
„Ich weiß nicht genau, wieso es ständig ist, aber nachdem du mir im Untergrund etwas von deiner Energie abgegeben hast,...“ das >wie< ließ ich getrost aus „damit wir von dort unten fortkommen, hat sich offenbar irgendetwas geöffnet. Ein Kanal. Jetzt ist es so, dass meine Magie ständig in dich läuft, als würden wir uns einen Kreislauf teilen, der wieder zu mir zurückkommt.“
„Das heißt, ich kann deine Magie verwenden?“ Fragte sie ungläubig.
„Nein, natürlich nicht. Du bist nicht Magiebegabt.“ Stellte ich richtig. Zumindest so viel ich wusste. Lissys Mutter ist zu einem viertel Hexe und kann somit auf eine gewisse Kraft zurückgreifen. Jedoch Lissy selbst hat diese Fähigkeit nie entwickelt, konnte Magie noch nicht einmal wahrnehmen. Dass sie jetzt diese Verbindung spürte, überraschte mich sehr.
„Schade, ich hätte dir gerne einmal mit deiner eigenen Magie in den Hintern getreten.“ Scherzte sie, worauf ich mit einem weiteren Lachen einstieg. Keine Ahnung, wann ich das letzte Mal so viel gelacht hatte, aber es fühlte sich herrlich befreiend an. Oder lag es einfach an der Person in meinem Arm?
"Dafür müsstest du mir aber viel Magie stehlen. Immerhin kenne ich den einen oder anderen Trick."
"Ach, das lerne ich schon noch." Witzelte sie, während meine Finger von selbst ihre Spuren über Lissys Oberarm zogen. Jetzt war sie wieder voll Mensch und ihre Haut fühlte sich zart unter meiner eigenen an.
"Du solltest dich lieber noch etwas ausruhen, Liss. Du bist bestimmt erschöpft." Es sollte eigentlich eine Aufforderung sein dass sie ins Bett ging, doch stattdessen umarmte sie mich bloß fester.
"Gibst du mir noch ein paar Minuten? Ich bin es nicht gewohnt, ohne meine Jungs zu sein." Diese >paar Minuten< gab ich ihr. Nicht aus Mitleid, sondern weil ich es selbst begrüßte. Ihre Nähe fühlte sich genauso an wie früher.

Perfekt.

13. 24 Stunden : Alles was bleibt...

Edelle:

 

Immer noch zitternd saß ich in meinem Bett und nippte am Tee, den mir Elth gemacht hatte. Er selbst, war gegangen um sich das restliche Blut aus dem Fell zu waschen. Aber wie war das alles passiert? Nach dem Mittagessen hatten der Schwarzmagier und ich im Garten wieder trainiert. Elth saß derweilen auf dem Dach, ließ sich die Sonne auf den nackten Oberkörper scheinen, welcher mich ständig ablenkte, da er wirklich, richtig, richtig gut aussah.
Selbst jetzt lief mir bei dem Gedanken ein sinnlicher Schauder über den Rücken.
Jedoch hatte sich ganz plötzlich alles verändert, als von irgendwo eine magische Kette, direkt auf den Magier zu geschossen worden ist. Im nächsten Moment stürmten gut fünfzig Menschen den Abhang hinter, dem Haus entgegen. Sie schossen mit Pfeilen auf uns, doch keine wie man sie aus alten Filmen kannte. Es waren gläserne Spritzen, mit kleinen orangen Puschel am Ende. Vermutlich voller Betäubungsmittel. Diese konnten wiederum uns allen etwas antun. Genauso wie die Schlagstöcke und Elektroschocker, welche sie benutzten. So schnell ich konnte, befreite ich den Hexer aus den Ketten, die Kinder, welche bisher an einem alten Baum gespielt hatten, versuchten hinauf zu klettern, auf Elth Befehl hinaus, während ich selbst in das Haus eilte. Zumindest befahl es der Hexer mir, bevor er einen Bann um das Haus legte. Nichts konnte ab diesen Zeitpunkt hinein kommen, außer er ließ es zu.
Die Schlacht dauerte jedoch keine fünf Minuten. Durch ein Fenster konnte ich sehen, wie vier Soldaten den fauchenden Kindern nach setzten, auch wollte ich eben wieder aus der Türe stürmen, als einer von ihnen, den beinahe herabfallenden, Matty erwischte. Doch dann stand auch schon seine mehr als wütende Mutter vor den Angreifern. Mit einer Präzession und Kälte, wie ich sie noch nie zuvor gesehen hatte, mähte sie alles nieder, was ihren Kindern zu nahe kam. Solch einen Zorn hatte ich noch nie beobachtet. Oder sollte man eher von >solch einer Kälte< sprechen?
Während ich, nachdem alles vorbei war, zurück zu Elth rannte, um zu sehen ob er verletzt war, konnte ich beobachten wie Lissy, ohne ersichtlichen Grund, den Schwarzmagier nieder schlug. Für einen Moment war ich überrascht, doch aus ihrem Gespräch entnahm ich, dass es sich um etwas persönliches handeln musste.
Elth zog mich ohne weiteres in eine Umarmung, tastete mich nach Verletzungen ab und küsste mich so lange, bis er sich selbst beruhigt hatte.
Eine Stunde später reisten Jacob, Logan und Matthew zu ihrer Großmutter ab. Jetzt, Stunden später, saß ich in meinem Bett und bibberte vor mich hin. Erst als Elth wieder zurückkam, sich unter die Bettdecke zu mir kuschelte, und mich in eine Arme nahm, hörte mein Zittern auf. Wohlige Wärme glitt über meinen Körper dahin und hüllte mich in einen schützenden Kokon ein. Seufzend vergrub ich meine Finger in seinem goldenen, noch feuchten Fell. „Du machst ja alles nass.“ Beschwerte ich mich halblaut.
„Dann sollte ich wohl besser noch einmal aufstehen und dich alleine lassen.“ Bot Elth grinsend an.
„Halt die Klappe.“ Murrte ich in sein weiches Fell und gähnte laut. „Geht es Lissy gut?“
Liebevoll begann er meinen Nacken zu massieren. „Langsam glaube ich sogar, dass es ihr zu gut geht.“
„Wieso das?“ Fragte ich mit halben Interesse nach.
„Weil sie unten mit dem Schwarzmagier eingeschlafen ist.“
Jetzt war mein Interesse voll geweckt und meine bisherige Angst beinahe bis in die hinterste Ecke meiner Probleme verbannt. „Wie bitte? Wie meinst du das?“
Elth wusste natürlich, das mich das brennend interessieren würde und grinste hinterhältig. „So wie ich es sage. Lissy schläft mit dem Kopf auf seinen Beinen und er liegt ziemlich unbequem.“
Neugierig geworden, schob ich meine Beine aus dem Bett. „Sind sie etwa jetzt zusammen?“ Elth eilte mir hinterher, vermutlich, da er dachte, ich würde irgendeinen Unsinn machen.
„Also würde sich meine Schwester auf so jemanden herablassen.« Elths Stimme klang regelrecht abfällig bei seiner Äußerung. »Außerdem würde ich es dem Hexer nicht raten, er würde uns allen bloß Probleme bereiten.“ Fragend zog ich eine Augenbraue hoch und schlich die Treppe hinab, daher konnte ich nicht fragen, was er damit meinte.
Als ich in das Wohnzimmer blickte, welches zum Teil vom Mondlicht beleuchtet wurde, konnte ich zwei Schemen auf der Bank entdecken. Der Schwarzmagier saß aufrecht, scheinbar recht unbequem auf der Bank und schnarchte leise, während Lissy ausgestreckt auf der Bank lag, und ihr Kopf auf seinem Schoß ruhte.
„Wie süß.“ Flüsterte ich. Im Moment konnte Lissy auf den Schreck von heute hinauf, bestimmt eine solche Nähe vertragen. Und das meinte ich wirklich rein freundschaftlich. Was ich so mit bekommen hatte, kannten sich beide aus der Vergangenheit. Auch das Lissy offenbar in ihn verliebt gewesen ist, doch er es nicht erwidert hat, stand noch deutlich zwischen den beiden. Ob sie sich bereits ausgesprochen hatten?
„Komm wieder hoch, Liebling.“ Bat Elth und schob mich nachdrücklich ein wenig.
Wieder zurück im Zimmer, kuschelte ich mich an meinen Lieblingsplatz. Der war nun einmal Elth. „Denkst du, ihr geht es gut?“
„Natürlich, sie ist ein Raubtier. Nichts bekommt sie unter.“ Gab Elth an, wofür er einen harmlosen Klaps bekam.
„Ich meine das ernst Elth. Sie hätte heute ihren Sohn, oder gar alle drei verlieren können.“ Drängte ich ihn mit einem ernsten Unterton.
„Na, gut. Ich gebe zu, dass Lissy recht sensibel ist. Sie verliebt sich schnell und sehr intensiv. Deshalb hat sie auch bereits drei Söhne von verschiedenen Männern, die sie alle kaum länger als ein halbes Jahr gekannt hat.“
Überrascht rutschte mir ein ungläubiger Laut heraus. Das war doch nicht sein ernst! „Du übertreibst.“ Warf ich meinem Freund vor.
„Nicht einmal ansatzweise. Mit Mattys Vater war sie gerade einmal zwei Monate zusammen.“
Das konnte ich kaum glauben. Von einem Mann schwanger werden, den man nicht einmal richtig kennt? Na, gut, wenn es ein Versehen war, oder die beiden sich aufrichtig lieben, so wie meine beiden besten Freunde, kann ich es ja noch verstehen. Aber wenn man bereits zwei Kinder hat und Elth wirkte nicht wirklich so, als würde er Mattys Vater besonders schätzen. „Lissy ist aber so...“
„Erwachsen? Das trügt. Ich dachte, das wäre dir spätestens nach der Hinrichtung klar geworden.“
Fragend blickte ich zu ihm auf. „Welche Hinrichtung?“
„Die Männer, die Soldaten. Sie hat sie nicht einfach getötet, sie hat sie hingerichtet, Dell. Lissy liebt zu stark, hasst zu schnell, tötet gnadenlos und trägt rund um die Uhr ein Lächeln auf ihren Lippen. Sobald sie es jedoch bloß für eine Sekunde ablegt, kannst du sehen, wie zerbrochen sie bereits ist.“
Arme Lissy. Jetzt würde ich sie liebend gerne in den Arm nehmen und trösten. „Lissys Anker sind ihre Kinder. Wenn sie anfangen ihre eigenen Wege zu gehen, wird sie wieder am Boden sein, Dell. Ich weiß aber nicht, wie ich ihr helfen kann.“
Zärtlich streichelte ich über Elths harten Brustkorb, bis er wieder schnurrte, ohne es selbst zu bemerken. „Du bist ihr Bruder, Schatz. Ich glaube, sie braucht eher so etwas wie einen Gefährten. Du weißt schon... das was du erwähnt hast.“
Lächelnd schloss er seine Arme fester um mich, sodass er seine Lippen auf meine legen konnte. „Das was du so ekelhaft und kitschig findest?“
Grinsend kniff ich ihn in die Unterlippe. „Mein genauer Wortlaut war >krank<.“ Erinnerte ich ihn spöttisch.
„So krank wie du nach mir bist?“ Gab er an und zog mich über sich.
Empört lachte ich laut auf. „Als ob! Wenn hier jemand nach jemanden krank ist, dann bist das wohl du, nach mir.“ Mit einem überheblichen Grinsen platzierte ich mich über Elth und stütze meine Hände neben seinem Gesicht ab, sodass meine Haare wie ein Vorhang um uns lag.
Liebevoll zog er an einer Strähne, die unter dem Licht der Lampe rot schimmerte. „Seltsam, aber das könnte ich nicht einmal abstreiten, wenn mein Leben davon abhinge.“
Sein ernster Blick und die Wahrheit in seinen Worten nahmen mir den Atem. Elth gab wirklich vor mir zu, dass er dermaßen verrückt nach mir ist? Dass er sich vorstellen könnte, dass ich seine Gefährtin bin? „Was sagst du denn da, Elth?“
Rot werdend, wollte ich mich zurückziehen, doch Elth hielt mich davon ab. Mit einer Hand in meinem Nacken stahl er sich einen langen Kuss, während er mich mit der zweiten dazu brachte, mich flach auf ihn zu legen. Als er sich einen Moment später von mir löste, konnte ich nichts anderes tun, außer ihn atemlos anzuhimmeln. „Wer ist hier krank nach wen?“
Nun, ja wo er recht hatte... „Überheblicher Mistkerl.“
„Verwöhnte Göre.“ Hauchte er an meinen Lippen.  

 

 - - - - - 

 

Teraz:

 

Nein! Nein! Nein! Nicht schon wieder! Frustriert unterdrückte ich einen wütenden Aufschrei.
So langsam wie es mir möglich war, hob ich Lissys Kopf an und schob ihn langsam von meinen Bauch hinunter. Ungeschickt angelte ich dabei nach einem Polster hinter meinem steifen Rücken hervor und legte ihn, statt meiner unter Lissys Kopf. Als Nächstes löste ich meine Beine aus ihrem Griff und reichte ihr einen weiteren, welchen sie stattdessen zum kuscheln nehmen konnte.
Als das erledigt war, konnte ich erst einmal durchatmen. Sie schlief noch tief und fest.
Wie spät ist es denn überhaupt? Irgendwann nach Mitternacht, doch die Sonne schien noch nicht aufgegangen zu sein. Besonders lange hatte ich also nicht geschlafen, obwohl ich todmüde sein müsste. Nach dem zweiten gescheiterten Angriff der Menschen, hatte ich wieder einmal viel zu viel Energie verbraucht. Die Mittel, die es benötigt um den halbtoten Körper im ersten Stock aufrecht zu erhalten, forderte ebenfalls seinen Profit.
Langsam fragte ich mich ernsthaft, woher ich diese ganze Energie nahm?
„Komm wieder her.“ Hörte ich Lissy vom Sofa aus nuscheln, bevor sie sich auf die Ellenbogen abstützte, um mich ansehen zu können.
„Tut mir leid, aber ich sollte langsam einmal ins Bett gehen.“ Lehnte ich ihre Aufforderung ab und machte mich auf den Weg in mein Zimmer. Zwar fühlte ich mich ein wenig schuldig, sie alleine auf der Bank liegen zu lassen, doch kuscheln war nicht unbedingt mein Ding. Generell war eine solche Nähe zu einem Menschwesen unter keinen Umständen mein Ding. Trotzdem gefiel es mir. Vermutlich sogar etwas zu viel, musste ich eingestehen.
„Arch!“ Stöhnte ich, ließ mich in mein Bett fallen und starrte hoch zur schwarzen Decke. Wieso bloß schon wieder Liss? Das wollte einfach nicht in meinen Kopf hinein. Egal wie ich es drehte und wendete, jeder meiner Wege führte mich früher oder später zu ihr zurück.
Zuerst die Schulzeit mit Lissy. Sie war irgendwie immer, zumindest in den Pausen, an meiner Seite. Irgendwie, eben. Danach folgt der erste Kuss, den ich jemals von einem Mädchen bekommen hatte, ebenfalls von Lissy. Als ich meine Magie zum ersten Mal als Angriff benutzte, war es auch sie diejenige welche mich dazu brachte. Mein erstes Mal, obwohl ich verlobt gewesen bin, hatte ich ebenfalls mit dieser aufdringlichen Menschwandlerin.
Bis heute wusste ich nicht recht, wie ich über den letzten Punkt denken sollte? Einerseits hatte ich es mehr als genossen, ihre wonnigen Laute, wie sich ihre Haut, so wie ihr Fell unter meinen rauen Fingern angefühlt hatte, ihr verführerischer Duft. Wenn ich so zurückdachte, hasste ich mich selbst vermutlich mehr, als sie. Sobald ich wieder klar denken hatte können, bin ich einfach gelaufen. Habe sie angeschrien, obwohl ich keine Reue empfunden habe, was das geschehene anging. Auch nicht Reue meiner Verlobten gegenüber, denn bis dahin hatte ich sie lediglich auf Bildern gesehen.
Meine Eltern fanden es eine gute Idee, mich mit einer ebenso starken Hexe zu verheiraten, wie es bei ihnen gewesen ist. Für mich war es in Ordnung. Bis dahin hatte ich niemals viel über Mädchen nach gedacht. Nun, ja. Bis auf Lissy natürlich. Sie spukte ohne Pause in meinem Kopf umher. Die andere Sache, die sich ebenso penetrant in meinem Kopf abgespielt hatte, war mein Wunsch, meine Eltern stolz zu machen, ihre Bestätigung zu erlangen, indem ich schnell, mächtig wurde.
Nach meiner Hochzeit die drei Jahre nach meinem ersten Mal mit Lissy kam, konnte ich mich nicht dazu überwinden meine >Frau< anzufassen. Sie hatte derweilen mit anderen Männern etwas, doch mehr als Freundschaft hatte sich niemals zwischen uns entwickelt. Somit war ich niemals eifersüchtig, wir gaben auf Veranstaltungen das glückliche Paar und logen, so gut wir bloß konnten.
Ob das meine Eltern auch anfänglich getan haben? Ich bezweifelte es bis heute. Auch wenn Perfektion die beiden niemals beschrieb, so gaben sie sich so, ohne dass jemals jemand an ihnen zweifelte. Für alle, außer für mich, waren sie das perfekte und vorbildhafte Hexenehepaar. Jeder sah zu ihnen auf. Jeder sollte wenn möglich so mächtig, so familiär engagiert und gut gekleidet sein.
Mein Blick verschwamm und etwas nasses lief meine Wangen hinab, sammelte sich in meiner Bettdecke, doch ich ignorierte es. Bis heute konnte ich mich nicht daran erinnern, wann jemals jemand gefragt hat, wie ich mich bei alldem fühle. Niemals wurde ich gefragt, ob ich in die Fußstapfen meiner Eltern treten möchte, ob ich dieses Erbe weiter tragen werde. Das alles wurde einfach erwartet.
Jedoch irgendwann reichte es. Mir reichte es. Als ich dann hörte, dass die beste Freundin meiner Eltern, meine Tante, auch wenn sie niemals durch Blut mit mir verwand gewesen ist, sich an einen Menschen gebunden hat, blieb ich mit ihr in Kontakt.
Auch konnte ich beobachten wie Selena aufwuchs, kurz nachdem die Fee verbannt wurde. Weder wollte sie sich ihrem Menschen, noch ihren gemeinsamen Mischlingskind entsagen. Ich stand hinter ihr, half ihr das Leben ihres Mannes, der zu dieser Zeit bereits älter gewesen ist, zu verlängern, und wurde mit zweiunddreißig jungen Jahren ein Verbannter Hexer. Meine Frau lief, ohne zu zögern, zu meinen Eltern, ohne es mich erklären zu lassen.
Seit diesem Tag bin ich auf der Flucht, lernte Zauber, die weit, über deren Vorstellungskraft hinaus ging und widmete mich der Lebensverlängerung. Mein Körper nahm es gut an, da ich von Magie bloß so durchströmt wurde. Der menschliche, nichtmagische Körper, jedoch weniger. Bereits nach zwanzig Jahren, war der Mann der namenlosen Fee an das Bett gefesselt, sie kümmerte sich herzzerreißend um ihn, liebte ihn weiter, trotz der Komplikationen.
Schnaufend rollte ich mich unter die Decke, presste mein Gesicht in den Polster und hielt die Luft an, bis der Schmerz, der sich in meinen Lungen ausbreitete, den Schmerz in meinem Herzen überdeckte. Mit brennenden Augen schlief ich wieder ein, dieses Mal jedoch nicht einmal ansatzweise so entspannt wie vor noch einigen Minuten.

 

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Edelle:

 

Die Sonne hatte gerade einmal den Horizont erreicht, doch mein Herz raste nervös in meiner Brust, als würde es jeden Moment durchbrechen. Vierundzwanzig Stunden. Das war alles, was mir von meinem >menschlichen< Leben blieb. Drei Tage und zwei Nächte. Dann würde sich alles ändern. Schon wieder.
Tief atmete ich ein und stieß die Luft hörbar durch meinen Mund wieder aus. Langsam und zäh beruhigte ich mich wieder. Kam auf den Boden der Tatsachen zurück und ließ dabei das Handtuch fallen. Das um meine Haare ließ ich noch an seinem Platz.
Während ich in meine Unterwäsche schlüpfte, achtete ich penibel darauf, meinem Verband an der Hüfte nicht zu nahe zu kommen. Zwar verstand ich nicht, weshalb Elth nicht wollte, dass ich ihn abnahm, doch hatte ich versprochen, darauf acht zu geben.
Jetzt jedoch, nach einem langen Bad, hatte sich der hautverträgliche Klebstoff gelöst und das Klebeband seinen Nützen verloren. Kopfschüttelnd betrachtete ich die glatte Haut, auf der nichts weiter, als ein silberner Abdruck eines Zahnpaares zu sehen war. Mein Herz wusste überhaupt nicht mehr, was es tun sollte. Vor Glück, wie ein Flummi durch die Luft springen, oder Elth eine Kopfnuss verpassen. „Du Idiot.“ Sagte ich zu mir selbst.
Ja, die Wunde hatte kein bisschen mehr weh getan. Doch das hatte mich in den letzten fünf Tagen kein bisschen interessiert. Weder, dass bloß Elth ihn wechselte und mit irgendeiner Creme einschmierte, die angeblich dafür da war, dass die Wunde nicht weh tat, oder die Tatsache, dass er versucht hatte, die Heilung von mir fernzuhalten, schockierten mich.
So ist er nun einmal. Ein sturer Holzkopf.
Ob es die anderen wussten? Lissy? Der Schwarzmagier? Als ob Elth mit ihnen darüber sprechen würden. Aber was verbarg er dann wohl noch alles vor mir?
Seufzend ließ ich meinen Hintern auf den kalten Klodeckel sinken und lehnte meinen Kopf rechts an die geflieste Wand. Elth seine Geheimnisse zu entlocken, war ungefähr so einfach, wie einem Singvogel das Grunzen bei zu bringen. Dachte er etwa, ich würde es nicht wollen? Hatte er Angst, ich wäre wütend? Oder würde ihn gar verlassen?
Klar, ich hielt von dieser >Gefährten-Sache< nicht wirklich etwas, genauso wenig wie vom Heiraten. Aber hier geht es nicht bloß um mich. Es geht um >uns<, Elth und mich! Auch wenn ich, bloß um ihn zu ärgern, gesagt habe, dass ich bestimmt nicht für immer mit ihm zusammen bleiben werde, da ich mich gerne mit anderen Männern ausprobieren würde, hatte ich bisher nicht einen einzigen Gedanken an so einen Unsinn verschwendet. Wie könnte ich denn auch? Elth ist schwierig, verschwiegen und ja, er hat seine Geheimnisse, doch ich weiß, dass er mich bloß beschützen will. Zumindest so lange, bis ich ihn beschützen werde, müssen.
„Liebling? Warst du duschen?“ Alleine Elths Stimme zu hören, verursachte Unruhe in meinem Herzen so wie Schmetterlinge in meinem Bauch.
Schnell klebte ich meinen, noch feuchten Verband auf meine Hüfte zurück und fixierte ihn mit frischem Klebeband. „Dell? Alles in Ordnung?“
„Gleich, ich rasiere gerade meine Beine. Gib mir noch eine Minute.“ Log ich, doch tatsächlich hatte ich dies gerade erst getan, daher war es nicht direkt eine >richtige< Lüge.
Nachdem ich mir ein Longshirt so wie eine kurze Hose über gezogen hatte, band ich meine Haare hoch und zwinkerte mir selbst im Spiegel zu. „Guten Morgen, Schatz.“ Säuselte ich bloß eine Sekunde später an Elths Lippen, als ich ihn zu mir hinab zog und leidenschaftlich küsste. Begeistert schlang er seine Arme um mich und erwiderte diesen. Innig
Als ich mich wieder von ihm löste, bekam ich für einen Moment den Blick, welchen ich ihm entlocken wollte. Einen besonderen Blick, den er ausschließlich für mich übrig hatte und seine tiefen Gefühle für mich widerspiegelten. „Wofür war der denn?“ Fragte er mit einem leicht dümmlichen, doch stolzen Grinsen, bevor er frech in meine Unterlippe biss.
„Einfach... weil ich dich liebe.“ Dafür bekam ich noch einen weiteren Kuss.
„Ich liebe dich auch. Warst du baden?“
Ich nickte. „Aber bloß kurz, ich habe Hunger und möchte nicht, dass der schwarze Hexer schon wieder vor mir in die Küche kommt.“
„Aber dein Verband hält doch noch, oder soll ich ihn wider wechseln?“ Klar, dass ihn dies interessierte.
Mittlerweile wusste ich ja, wie ich ihn ablenken konnte. Jedoch verunsicherte es mich mittlerweile kein bisschen mehr, dass Elth so stark auf meine Annäherungsversuche ansprach, oder gar ich auf seine. Meine Hände wanderten seinem, für mich perfekten Oberkörper hinab, bis zum Hosenbund, wo ich, wie zufällig darüber strich. „Dafür müsste ich mich ja wieder ausziehen.“ Lockte ich ihn.
So wie ich es geahnt hatte, stieg er darauf ein und vergaß seine Frage komplett. Elth legte seine Hände auf meinen Hintern und zog mich an seinen stattlichen Körper, wo ich in den Genuss seiner Begierde kam. „Als ob ich jemals >nein< dazu sagen würde, wenn das Angebot aufkommt, dich auszuziehen. Ich tue beinahe nichts Lieber, als dich auszuziehen.“ Seine Augen glänzten vor Vorfreude, während mein Körper wieder heiß auf ihn wurde.
„Ah! Also gibt es, da etwas das du noch lieber tust, als mich auszuziehen?“ Fragte ich schelmisch, während ich seinen Hals küsste. Ja, er hatte die Frage definitiv vergessen, doch ich genauso. Wovon hatte ich ihn noch einmal ablenken wollen?
„Ja.“ Hauchte er an meinem Ohr und flüsterte mir leise hinein, was er noch viel lieber mit mir machte.
Rot werden, gab ich ihm einen Klaps. „Nicht jetzt, ich habe Hunger, Elth.“ Beschwerte ich mich und schob ihn von mir.
„Schade, ich würde deine Gelüste ganz bestimmt stillen, mein Herz.“ Mit einem Ruck zog er mich an seinen Körper zurück, von dem ich mich gut zwei Schritte entfernt hatte, packte mich am Hintern und zog mich hoch. Lachend schlang ich meine Arme und Beine um seinen stattlichen Körper, damit ich nicht wieder hinunter rutschte.
„Das kann ich mir gut vorstellen.“ Hauchte ich nach einem langen Kuss, der mein Hirn wieder einmal matschig werden ließ. Ich liebte dieses Gefühl.
„Also...“ Schnurrte Elth. „Gehen wir ins Bett zurück? Ich hätte da auch den einen, oder an deren Geschmack an so manchen... Dingen gefunden.“ Wollte er mich locken, doch ich blieb stur. Zwar konnten wir keinen Sex haben, ohne dass ich Schaden davon tragen würde, doch dafür gab es viele andere Dinge welche wir taten.
„Nein, zuerst wird etwas Ordentliches gegessen.“ Schimpfte ich und deutete zur Türe hinaus. „Außerdem möchte ich mit den anderen etwas besprechen.“ Meine Stimme wurde wieder ernster, da ich es kaum wagte, dieses Thema anzusprechen. „Außerdem haben wir heute den Neunzehnten, Elth. Ich habe bloß noch zwei ganze Tage.“
„Drei.“ Korrigierte er mich. „Der heutige Tag, der morgige, und der danach. Außerdem haben wir bloß noch zwei Nächte in denen wir herummachen können.“ Fügte er hinzu, um meine vorherige Leidenschaft wieder zu wecken.
Erfolglos dieses Mal. „Nein, danach haben wir noch tausend weitere Nächte, auch Tage, an denen wir weit mehr, als >bloß herummachen< können.“ Erinnerte ich ihn, doch fühlte dabei, wie sich mein Herz zusammen zog.
„Stimmt, dann wird es noch viel besser und... heißer zwischen uns werden.“ Grinste er frech mit einem rauen Unterton. Lächelnd legte ich meine Stirn gegen seine und genoss einen Moment einfach seine Nähe.
Unsere erste große Krise stand bevor, doch keiner von uns beiden konnte sie aufhalten. Wie würden andere Paare dies bloß lösen? „Es ist bloß eine Nacht, Dell. Ein paar Minuten, dann liegst du in meinen Armen und ich lasse dich das alles vergessen, verstanden?“
Auch seine Stimme war wieder ernst geworden. „Kannst du seit neuersten auch schon meine Gedanken lesen?“ Liebevoll lächelnd, streichelte ich seine Wange.
„Das brauch ich überhaupt nicht. Ich weiß auch so, dass du mich für den heißesten Kerl der Welt hältst.“
Ich lachte laut. Um ehrlich zu sein, konnte ich das nicht einmal abstreiten. „Ja, ja. Dann bist du aufgewacht und dein Bett war nass, mein Lieber.“ Zog ich ihn frech auf. „Jetzt tu etwas für dein Geld und bring mich hinunter in die Küche. Sonst fresse ich noch dich auf.“
Anzüglich zuckte er mit seinen Augenbrauen. „Da hätte ich bereits das passende Teil, an dem du dich...“ Gespielt angewidert hielt ich ihm den Mund zu.
„Halt die Klappe, so etwas Ekelhaftes will ich überhaupt nicht hören.“ Lachend gab er auf und trug mich tatsächlich hinunter in die Küche. Sie war leer und ausnahmsweise, stand kein Hexer darin, der leidenschaftlich für eine Großfamilie kochte. Irgendwie hatte mich dieser Anblick bisher behaglich fühlen lassen.
Jetzt wirkte die Küche einfach bloß kalt und steril. Beinahe wie ein Operationssaal, bloß in einem Mehrfamilienhaus und viel kleiner. „Alles in Ordnung?“ Elth setzte mich auf der Arbeitsfläche ab und strich einige meiner losen Strähnen zurück.
„Ja, klar. Es ist bloß so still und irgendwie einsam, wenn keiner hier ist. Wie hat er das bloß all die Jahre ausgehalten?“ Die Frage galt nicht speziell Elth, doch er schien sie beantworten zu wollen.
„Ich denke, an manche Dinge gewöhnt man sich einfach, nach einiger Zeit. Und als Schwarzmagier, setzt du dich, wenn du mit anderen Menschen zusammen bist, immer dem Risiko aus, verraten und ausgeliefert zu werden. Es würde seinen tot bedeuten, wenn ihn der Hexenrat in die Finger bekäme.“
So hatte ich es noch überhaupt nicht betrachtet. Aber Elth hatte recht. Wie konnte man jemandem sein Leben in die Hände legen, den man überhaupt nicht kannte? „Aber was ist mit uns beiden? Wieso hat er uns vertraut, oder gar Lissy?“ Soweit ich sehen konnte, hielt er nicht viel auf sie, auch wenn er in schwachen Momenten, geradezu erleichtert, nachgab.
„Bei uns beiden, erhoffte er sich vermutlich bloß einen Vorteil. Ich würde nichts Tun, was dir schadet, das bedeutet, ich würde ihn nicht verraten, solange du in der Nähe bist. Dir vertraut er sich an, weil er vielleicht hofft, später einmal einen Gefallen bei dir gut zu haben. In der Gunst einer Königin zu stehen, ist immer etwas Gutes. Aber was Lissy angeht, weiß ich es selbst nicht so genau. Vielleicht denkt er ähnlich wie bei mir, dass sie nichts tut, solange du in der Nähe bist.“
Nickend gab ich ihm zu verstehen, dass ich seinen Worten folgen konnte. Auch wenn es etwas weit hergeholt war. „Ich wusste überhaupt nicht, dass du so klug bist, Elth.“ Scherzte ich, halb belustigt.
„Tja, ich stecke immerhin voller Überraschungen.“ Protze die Raubkatze.
„Es sind aber mehr deine Geheimnisse, die mich interessieren.“ Dabei pikste ich ihn sanft an das Brustbein.
„Ohne Geheimnisse wäre ich doch bloß noch langweilig für dich.“
Lächelnd legte ich den Kopf schräg. „Gut, dann werde ich meine Geheimnisse ebenfalls für mich behalten.“
Ich merkte, wie sein überhebliches Grinsen etwas ins schwanken kam. „Hast du schon vergessen, dass ich dein Wächter bin und du deshalb kein einziges Geheimnis vor mir haben kannst.“
Frech stupste ich ihn gegen seine erhobene Nase. „Schon vergessen, dass ich eine Frau bin? Wir sind voller Geheimnisse, selbst wenn du denkst, du kennst bereits alle. Die Zeit bleibt nicht stehen, mein Lieber.“ Mein Grinsen wurde immer größer, während ich Elth bloß noch mehr verwirrte. „Und es gibt Momente in denen du mich nicht beobachten oder aushorchen kannst. Daher, überschätz dich lieber einmal nicht, sonst läufst du noch gegen irgendetwas.“
Knurrend baute er sich vor mir auf, während seine Augen ein bedrohliches Gelb annahmen. „Ach, das behauptest du also? Dann rück einmal raus mit der Sprache. Was denkst du, dass du vor mir verheimlichen konntest?“
Jetzt wo ich Elth kannte, hörte ich ganz deutlich seine Unsicherheit heraus, während er vermutlich auf alle anderen bedrohlich wirken musste. Zärtlich küsste ich sein Kinn und reizte ihn weiter. „Ein Geheimnis, das noch überhaupt nicht so alt ist, mein Schatz.“ Sein knurren wurde noch bösartiger und ich konnte sehen, wie schnell es in seinem Kopf arbeitete. „Aber jetzt lass mich erst einmal aufstehen. Sonst verhungere ich noch.“ Demonstrativ schob ich Elth fort, was er lediglich widerwillig zu ließ, während er wie verrückt nach einer Antwort zu suchen schien.
Stolz auf mich, suchte ich mir ein altes Müsli heraus, fischte mir die meisten Schokoflocken heraus und goss mehr Milch als nötig darüber.
Schweigend, doch sichtlich verunsichert, folgte Elth mir in die Küche. Während ich den Fernseher einstellte um mir eine Folge anzusehen, die ich bereits kannte, knirschte zwischen meinen Zähnen das Müsli. Mein Herz raste vor überschwänglicher Freude, Elth dermaßen aus seiner Sicherheit gerissen zu haben und warf ihm zwischendurch forschende Blicke zu.
Oh, ja. Elth hasste es, etwas nicht über mich zu wissen. Sollte er einmal sehen, wie es mir immer geht!
„Guten Morgen.“ Begrüßte Lissy uns etwas später, noch recht verschlafen, drückte sich einen Kaffe hinunter und knabberte währenddessen an einem Stück Brot herum, das der Schwarzmagier angeblich selbst gemacht hatte. „Was ist denn mit Elth los?“
Fragte Lissy nach einiger Zeit, da ihr Bruder keinen Mucks von sich gab, seine Oberarme vor dem Oberkörper verschränkt hatte und zornig vor sich hin starrte.
„Ich habe ihn wohl etwas provoziert. Das nagt jetzt an ihm.“
Nachdenklich legte Lissy ihren Kopf schräg. „So sieht er normalerweise drein, wenn er auf die Lösung eines Problems nicht kommt. Was hast du angestellt?“
Mit einem frechen Grinsen, deutete ich an, meinen Mund zu versperren. „Eine Frau braucht eben das eine oder andere Geheimnis.“
Lissy erwiderte mein Grinsen ebenso begeistert. „Sieh nur zu, dass du ihn bis heute Abend wieder repariert hast.“ Scherzte sie.
„Haben wir etwa, etwas vor?“ Fragte ich neugierig nach.
Sie hob die Schultern und ließ sie unwissend wieder sinken. „Nicht das ich wüsste, aber du willst bestimmt nicht, dass er die ganze Nacht neben dir, genervte Laute von sich gibt und dir damit den Schlaf raubt, oder?“
Dem konnte ich nicht widersprechen. Aber ob ich ihm dieses >Geheimnis< wirklich sagen wollte? Bestimmt hatte es einen Grund, weshalb Elth nicht mit mir über die Sache zwischen uns sprechen wollte.
Seufzend legte ich meinen Kopf auf Lissys Schulter. „Wie geht es dir überhaupt? Der Angriff muss dich mehr, als uns alle erschreckt haben.“
Lissy legte ihre Wange auf meinen Kopf und schnurrte leise. „Nun, ja ich kann nicht sagen, dass ich begeistert gewesen bin.“
„Du bist eine gute Kämpferin.“ Auch wenn es mehr einem Gemetzel geglichen hat.
„Zum Glück.“ Stimmte sie weniger begeistert zu.
„Du magst den Kampf nicht wirklich, oder?
Lissy schüttelte den Kopf. „Nicht einmal ansatzweise.“ Ich streckte meine Hand, nach ihrer leeren aus und drückte sie sanft. Lissy erwiderte den Druck dankbar. „Jetzt wo die Kinder weg sind, ist mir langweilig.“ Murrte sie plötzlich und ein verschlagenes Grinsen breitete sich auf ihren Lippen aus.
„Du hast etwas geplant, oder?“ Grinste ich frech zurück.
„Nein! Ehrlich nicht.“ Beteuerte sie. „Es ist bloß seltsam. In den letzten zehn Jahren war ich so gut wie nie alleine. Entweder war ich mit irgendeinem Typen zusammen, oder meine Jungs waren bei mir. Aber im Moment trifft nichts von diesen beiden Sachen zu. Das ist... ungewohnt.“
„Morgen.“ Erklang die vierte und letzte Stimme des Hauses. Zu dritt wandten wir dem Schwarzmagier den Blick zu, Elth nickte bloß, ich winkte kurz, doch bei Lissy legte sich etwas in den Blick, was ich nicht richtig einordnen konnte. Sie plante tatsächlich irgendetwas.
„Na, Schlafmütze.“ Neckte sie ihn, wofür sie einen halbherzig, bösen Blick kassierte.
„Nicht vor dem ersten Kaffee, Liss.“ Bat der Schwarzmagier, als wüsste er bereits das sie ihn nerven wollte.
„Ich wollte dir bloß einen guten Morgen wünschen.“ Beteuerte sie.
„Wenn ich für diesen Satz jedes Mal Geld verlangen würde, wäre ich bereits reich.“ Murrte er verärgert und warf, die ansonst immer offen stehende, Küchentüre demonstrativ hinter sich zu.
Mit hochgezogenen Augenbrauen betrachtete ich Lissy, als sie seufzend die geschlossene Türe anstarrte. „Was, angelst du dir etwa jetzt schon bösartige Hexer?“ Scherzte ich, woraufhin sie etwas rot wurde.
„Nein, natürlich nicht. Wie kommst du den auf diesen absurden Gedanken.“ Als wäre es unwichtig, wandte ich mich wieder dem Fernseher zu. „Ach, jetzt tu nicht so, darauf fällt vielleicht Elth rein, ich nicht.“ Mit einem verlegenen Lächeln verschwand Lissy mit ihrer leeren Tasse und angehaltener Luft in der Küche.
„Wenn sie ihn jetzt anbaggert, bloß weil du es ihr eingeredet hast, muss ich ihn töten, das weißt du doch, oder?“ Drohte Elth, sichtlich immer noch beleidigt.
Mit hochgezogener Augenbraue warf ich ihm einen abschätzigen Blick zu. „Tötest du meinen Mentor, werde ich zum Werwolf.“ Drohte ich zurück, was ihm nun doch ein Zucken der Mundwinkel entlockte, während im Hintergrund ein Niesanfall begann.

14. Ein Name fällt

Lange schaffte ich es nicht, den Atem anzuhalten, alleine deshalb, da Teraz eben sein Shirt ausgezogen hatte um es unter den Wasserstrahl zu halten. Für einen Moment stockte ich hinter der geschlossenen Türe und tat nichts anderes, als ihn anzustarren.
Etwas verlegen wich Teraz meinem Blick aus und konzentrierte sich auf den Marmeladenfleck in seinem grauen Shirt. Erst jetzt fiel mir auf, dass er, außer grau und schwarz eigentlich nichts anderes trug. Hatte er überhaupt andere, hellere Kleidung? „Was starrst du denn so?“
Selbst verlegen, riss ich mich aus der Starre und stellte die schmutzige Tasse neben ihm auf die Spüle. „Ich starre nicht, du stehst mir ledigli...tschi!“ Und es begann schon wieder. „Verdammte... Hallergi...“ Noch einmal nieste ich, doch ging schnell zum Fenster, um es zu öffnen.
„Ich habe dir doch gesagt, du solltest die Küche meiden.“ Warf mir Teraz vor, trat an meine Seite und reichte mir ein Taschentuch.
„Danke.“ Das bezog sich lediglich auf das Tuch, da dessen Geruch das Desinfektionsmittel überdeckte. Erleichtert atmete ich durch. „Woher sollte ich denn sonst meinen Kaffee bekommen?“ Beiläufig glitt mein Blick über Teraz Körper, schon wieder. Er war hager und unter seiner Haut konnte man die Rippen zählen, was mich innerlich schaudern ließ. Da sein Kopf, zu seinem Glück, viereckig war, sah man dort die Abmagerung nicht zu stark. Bloß die dunkel, unterlaufenen Augen und seine spröden Lippen deutete darauf hin, dass es seinem Körper nicht gut ging.
„Ich kann dir eine Kanne hinaus stellen, mit fertigen Kaffee, dann musst du nicht immer hier hinein kommen.“ Schlug er vor und kramte bereits im nächsten Moment eine dieser Kannen hervor, auf die man oben darauf drücken musste, damit Kaffee hinauf gepumpt wurde.
Kopfschüttelnd nahm ich noch einen tiefen Atemzug von der Frischluft, dann schloss ich das Fenster wieder.
„Danke, das wäre wirklich nett von dir. Und wie sieht es mit dem Essen aus? Zimmerservice, oder kaltes Buffet?“ Scherzte ich, trat an Teraz heran, bis meine Schulter an seiner lehnte und er, wie erwartet, einen großzügigen Schritt zur Seite ging. Das wurmte mich. Wieso jetzt auf einmal wieder? Seit unserem Abgang in die Unterwelt schien er seine Abneigung endlich überwunden zu haben. Er hat sogar meine Hand, von sich aus gehalten, auch wenn es mir leidgetan hatte, sie so schnell wieder abzuweisen.
„Ich lege dir einfach draußen Wild in den Garten, bedien dich selbst.“ Oh! Sollte das etwa ein Witz werden?
Grinsend schloss ich den Abstand wieder, indem ich mein Kopf auf seiner Schulter ruhen ließ. „Versuchst du etwa, witzig zu sein?“ Knurrte ich grinsend in sein Ohr.
Sofort erstarrte er, wie er es schon immer getan hatte. Ich mochte das nicht, doch hatte es ihm niemals abgewöhnen können.
„Eigentlich wollte ich dich beleidigen, weil du schon wieder frech wirst.“ Gab Teraz offen zu.
„Um mich zu beleidigen, musst du schon mehr bieten.“ Drängte ich ihn weiter, während ihm aus seinen ungeschickten Händen, der Deckel der Kanne in die Spüle fiel.
„Mist... Lissy, lass mich das bitte einfach erledigen. Geh... irgendetwas tun und beschäftige dich selbst. Ich habe noch einen Haufen Arbeit heute.“ Wimmelte der Schwarzmagier mich plötzlich ab und lief schon wieder von mir weg, zum Kühlschrank auf der anderen Seite des Zimmers. Ratlos stand er davor und starrte einfach in den Vollgefüllten Behälter.
„Okay, ich verstehe. Aber was ich nicht verstehe, ist, weshalb du gestern so... einfach so anders warst und heute tust du wieder, als würdest du mich hassen.“
Ich hörte ihn frustriert seufzen. „Nicht dieses Thema schon wieder. Lissy...“ Teraz wandte sich mir zu und verschränkte seine Arme vor dem Oberkörper. „Wie oft noch? Es liegen über hundert Jahre, zwischen damals und heute. Es stimmt, Zeit heilt alle Wunden, auch wenn manche einfach nicht verschwinden.“ Damit deutete er seinen Körper hinab, an dem sich silberne, bis rosa Narben von Krallen, Zähnen und teilweise auch von Feuer zogen.
„Aber das was zwischen uns gewesen ist. Diese... verdrehte Situation, ist einfach heute nicht mehr. Wir sind beide älter geworden und ich denke, dass wir es beide hinter uns lassen können, was passiert ist.“ Zustimmend nickte ich. „Trotzdem macht uns das nicht zu Freunden. Ich bin ein Schwarzmagier, daran wird sich niemals etwas ändern, Liss. Wir können keine Freunde oder Verwandtschaft haben. Das ist unmöglich. Ich bin bloß ein Risiko für dich und deine Kin...“
Auffordernd nahm ich seine Hände in meine und blickte ihm ernst entgegen. „Ich schwöre dir, dass ich dich niemals dem Rat ausliefern würde, Ter! Nicht einmal eine Sekunde lang würde ich daran denken dir so etwas anzutun. Nicht einmal für alles Geld der Welt.“
Teraz erwiderte den Druck meiner Finger. „Es geht nicht nur darum, ob du mich ausliefern würdest, oder nicht. Hier geht es mir mehr darum, was sie dir, oder deinen Kindern antun würden. Denkst du, du würdest ungestraft davon kommen? Der Hexennrat würde dich, je nachdem wie lange du mich bereits deckst, streng bestrafen. Vermutlich mit einer Freiheitsstrafe von Wochen bis hin zu Monaten, oder Jahren.“ Plötzlich wirkte Teraz abgelenkt und sein Blick, glitt von meinem Gesicht, hinab zu unseren Händen, welche einander hielten. Vermutlich sollte es mir peinlich sein, doch dieser seltsame Sog, den ich jedes Mal empfand, ließ mich jede Berührung genießen. „Lissy, du niest nicht.“
Überrascht blickte nun ich ebenfalls hinab zu unseren Händen. Tatsächlich fühlte ich nicht einmal einen Reiz in der Nase. „Aber... ich rieche doch das Mittel.“ Bemerkte ich und ließ meinerseits seine Hände los.
„Vielleicht... bist du ja geheilt.“ Schlug Teraz, wenig überzeugend vor.
„So ein Unsinn. Bereits seit meiner Kindheit habe ich diese dumm... umme... Hatschi!“ Und es ging von vorne los. Eilig presste ich das Taschentuch, welches zerknüllt in zwischen meine Fingern gesteckt hatte, an mein Gesicht und atmete tief ein. Vergeblich. Abermals nieste ich und wandte mich vom Hexer ab, um ihn nicht aus Versehen zu erwischen.
„Warte, gib mir noch einmal deine Hände, Liss.“ Ohne darauf zu warten, dass ich sie ihm von mir aus hinhielt, nahm er sie zwischen seine und langsam legte sich, im selben Moment, als der Sog zwischen uns stärker wurde, mein Niesreiz.
„Toll, muss ich jetzt jedes Mal mit dir Händchen halten, wenn ich in die Küche will?“ Die Worte kamen rüder als gewünscht aus meinem Mund. Ich bereute sie, doch Teraz ignorierte es einfach.
„Davon habe ich bereits gehört.“ Stellte er plötzlich fest.
„Wovon?“ Fragte ich irritiert, doch Teraz zog mich an einer Hand einfach hinter sich her, was er jedoch bloß schaffte, da ich mich nicht wehrte und öffnete die Türe zur Küche.
„Prinzessin, Eure Wächt...“ Grinsend bemerkte ich wie Teraz hellrot im Gesicht wurde und das Gesicht abwandte.
Elth begann zornig zu knurren und verdeckte Edelles bloßen Oberkörper, über den er eben noch sinnliche Spuren mit seiner Zunge gezogen hatte, indem er sie umwarf. Die Rückenlehne tat den Rest. „Wie kannst du es wagen meine Gef... Freundin zu betrachten, wenn sie nackt ist?“ Fauchte mein halb verwandelter Bruder und fuhr bereits die Krallen aus.
„Elth, hör auf!“ Mahnte Edelle, die sich ihr Shirt von der Stuhllehne angelte.
„Ich hätte überhaupt nichts sehen müssen, wenn du die Prinzessin nicht mit deinen ekelhaften Schleimspuren überziehen müsstest!“ Gab Teraz zornig zurück, wobei ich ihm zum Teil tatsächlich zustimmen musste. Hier war definitiv nicht der Ort, an dem sie herum machen sollten.
„Ich küsse, meine Freundin, wann und wo es mir passt.“ Gab Elth zornig zurück.
„Elth, bitte. Lass den Unsinn. Er hat doch recht.“ Versuchte Edelle, ihren Freund zu beschwichtigen.
„Was!?“ Stieß dieser ungläubig hervor. „Er braucht sich nicht an dir sattsehen. Du gehörst ganz alleine mir!“ Fauchte er, während seine gefährlichen Zähne, bloß Zentimeter von Edelles Gesicht entfernt waren. Wie konnte sie da keine Panik bekommen? War ihr denn nicht klar, welche Kraft wir Menschwesen besaßen? Dass ein einziger Dreh ihr den gesamten Kopf kosten konnte?
Jetzt wurde auch ich verärgert. „Teraz hat nicht mit absicht gespannt!“ Verteidigte ich ihn.
„Ich habe überhaupt nicht gespannt, meine Prinzessin.“ Dabei machte er eine demütige Verbeugung.
„Das weiß ich doch... du heißt Teraz?“ Die Frage stellte Edelle so unvermittelt, dass wir restlichen drei für einen Moment irritiert innehielten.
Ups.
„Liss! Machst du so etwas etwa mit Absicht?“ Nun funkelte Teraz mich wütend an.
„Es ist... mir einfach so heraus gerutscht!“ Verteidigte ich nun mich selbst.
„Heraus...“ Frustriert griff er sich an die Stirn. „Herausgerutscht, sagst du?“ Kopfschüttelnd wandte er seinen Blick wieder an mich. Er war verletzt, das sah ich nicht bloß in seinen Augen, sondern fühlte es tief in meiner Brust, genauso wie er enttäuscht von mir war. Okay, ich gebe zu, dass ich es in diesem Moment ebenfalls war.
„Bitte... Ich habe es wirklich nicht mit Absicht getan. Glaube mir das. Es ist mir einfach... herausgerutscht.“ Ich weiß, ich wiederhole mich, aber es ist die Wahrheit. Ich habe einfach nicht darüber nachgedacht. Im Grunde spielte es doch überhaupt keine Rolle, oder?
Teraz stieß einen frustrierten Laut aus, um seinen Ärger Luft zu machen. „Ich kann es nicht glauben. Langsam glaube ich wirklich, dass du mein personifiziertes Chaos bist. Immer wenn wir aufeinandertreffen, geht in deinem Kopf nichts anderes als Unsinn vor sich. Du tust Sachen, welche mich auf die Palme bringen und ich handle mir schlussendlich immer bloß ärger ein. Nein, >Pech<! Du bist mein personifiziertes Pech und willst mich auch noch damit in den Wahnsinn treiben, oder?“
Oh! Jetzt ging er aber zu weit. So hatte niemand mit mir zu sprechen „Du kleiner Nichtsnutz, brauchst dich überhaupt nicht aufzuspielen. Als >reinrassiger< hast du deine Nase immer so hochgetragen, dass man schon denken musste, dass du gegen den nächsten Baum läufst. Du wunderst dich, dass ich dir bloß auf die Nerven gefallen bin? Dann hättest du dir bloß selbst zuhören müssen. So hochnäsig und selbstgefällig ist nicht einmal mein Bruder! Und das heißt etwas!“
„He!“ Kam es aus dem Hintergrund, doch dieser wurde gekonnt ausgeblendet.
„Selbstgefällig? Das ist doch dein zweiter Vorname. Du denkst immer, das du die perfekte Frau bist und du bloß mit deinem Hintern zu wackeln brauchst, damit jeder das tut, was >du< willst.“
„Wenigstens habe ich einen geilen Hintern, den ich herzeigen kann.“ Damit deutete ich auf meinen Hintern. „Deiner erschreckt einem bloß, wenn man dir, egal zu, welcher Tageszeit begegnet!“ Nun deutete ich auf sein Gesicht, was ihn blutrot vor Zorn werden ließ.
„Ach, du sagst, dass ich hässlich bin? Dann benutz einmal einen Spiegel, deine lächerlichen Haare! Damit siehst du aus wie ein Clown, außerdem ruiniert deine dämliche Farbe meine weißen Handtücher!“
Knurrend verlor ich beinahe die Kontrolle über meine menschliche Seite, doch ich hatte sie normalerweise wesentlich besser unter Kontrolle, als mein Bruder. „Wenn ich ein Clown bin, bist du ein Spuckgespenst. Mit deinem Gesicht Körper kannst du gleich im Anatomiekurs aushelfen.“
„Und dich treffe ich wohl dann im Wanderzirkus wieder! Du Witzfigur.“
Fauchend kam mir die Hand aus. Zwar konnte ich mich einbremsen, doch trotz allem traf sie ihr Ziel und hinterließ ein gut hörbares Geräusch. „Wage es nicht noch einmal, mich dermaßen zu beleidigen.“
Teraz hielt seine pochende Wange und funkelte mich wuterfüllt an. „Was ist sonst?“ Mit seiner freien Hand stieß er mich provokant gegen die Schulter. Während ich knurrte, funkelten meine Augen gelb. „Wie willst du mich denn noch demütigen?“ Wieder traf mich ein Stoß, an derselben Schulter, während ich noch einen Schritt zurück wich, um ihm nicht noch einmal, oder gar größeren Schaden zuzufügen.
„Willst du mir etwa ein Körperteil abschneiden, damit ich noch grotesker wirke?“ Der nächste Stoß traf mich und mein Rücken stieß gegen die Wand hinter mir. „Oder wirst du mir Narben im Gesicht verpassen, damit neunzig Prozent meiner Haut abgedeckt sind?“
Unwillendlich rutschte mein Blick tiefer, zu den vielen Narben, welche wegen mir entstanden sind. Nicht weil ich sie ihm zugefügt hatte, sondern weil ich ihn überhaupt erst so weit provoziert hatte, dass er die Kontrolle über seine Magie verlor. Und einen Magier der seine Kontrolle verlor, konnte man bloß auf eine Weise aufhalten. Indem man ihn tötete. Selbst für kleine Kinder galt dieses Gesetz.
Ohne mir große Mühe geben zu müssen, rief ich meine alten Erinnerungen hoch. Meine Fingerspitzen trafen von selbst auf die Narbe, knapp über seiner rechten Niere, wo sich ein Jaguar verbissen hatte. Höher zu der Krallenspur, die sich über seinen Bauch zog und am tiefsten gewesen ist. Diese hatte ihm ein Bärenmenschwandlermischling zugefügt.
Unwirklich nahm ich wahr, wie Tränen meine Augenwinkel hochstiegen, doch ich unterdrückte sie. An seinen Schultern und Armen befanden sich noch weitere Bisspuren, während sein Rücken am übelsten erwischt worden war. Blut hatte man schon überhaupt nicht mehr von Blutergüssen unterscheiden können, während ich mich durch die dornenlosen Büsche hervor gearbeitet hatte zu dieser Zeit.
Mit Geschrei und tränenverschmiert, rief ich, dass sie ihn in Ruhe lassen sollen. Sie dürften ihm nicht weh tun. „Sie hätten aufhören sollen. Ich habe es ihnen doch gesagt. Ich habe sie angeschrien!“ Frustrierst, schlug ich mit der Faust auf seinen Brustkorb, doch nicht stark genug, dass es ihm weh tun konnte, während mich der Schmerz und die Angst von damals überwältigten.
Es war das erste Mal, dass ich getötet hatte. Drei meiner Klassenkameraden hatten ihr elendes Ende, durch meine kalten Krallen finden müssen, bevor mich fünf Lehrer überwältigen konnten. Drei Kinder in meinem alter! Ich hatte sie ohne Gewissensbisse einfach ausgelöscht. Bloß weil ich Teraz dazu getrieben hatte seine Kontrolle zu verlieren. Um ihn zu retten.
„Komm her.“ Mir reichte die Aufforderung und ich verlor mich in Teraz Armen.
„Es tut mir so leid. Du hast so recht. Ich mache immer alles noch schlimmer.“ Nicht bloß für ihn. Auch für mich selbst und meine Mum. Danach hatten wir umziehen müssen, einige Städte weiter, da wir die feindseligen Blicke nicht mehr ertrugen.
„Nein, so habe ich es nicht gemeint, Liss. Ich war bloß... wütend und frustriert. Das hätte ich niemals sagen dürfen.« Sanft strich er über meinen Rücken und drückte mich so fest er konnte, damit ich den Halt nicht verlor.
Bitter weinte ich meinen Schmerz in seine Brust, während in sanften Wellen seine beruhigende Aura über meinen zitternden Körper glitt. „Ich bin schlecht, Teraz. Aber ich habe es niemals wahrhaben wollen. Ich ziehe nicht mehr, als das böse hinter mir her.“ Dabei musste ich an die Soldaten denken, die ich regelrecht hingerichtet hatte. Sie taten mir kein bisschen leid. So etwas konnte ich nicht empfinden, nicht denen gegenüber, die es meiner Meinung nach verdienten.
„Nein, jetzt rede dir doch nicht so viel Unsinn ein.“ Sanft nahm er mein Gesicht zwischen seine Hände, damit ich ihm verweint in die Augen sehen musste. Bloß durch mehrfaches Zwinkern konnte ich ihn weniger verschwommen sehen. „Ich finde kein bisschen, dass du >böse, oder >schlecht bist. Du hast eben deinen Willen und den setzt du durch, egal ob es den anderen passt.« Er bemerkte selbst, dass dies nicht wirklich ein Kompliment war, und besserte sich rasch aus. »Außerdem bist du stark. Ich habe noch niemanden getroffen, der so stark ist wie du und das meine ich nicht bloß körperlich.“ Beruhigte er mich, woraufhin ich leicht schmunzeln musste. Ja, stark bin ich. Das konnte ich nicht abstreiten und mein Sturkopf musste selbst durch die dicksten Wände.
„Na sieh an. Du lächelst ja schon wieder. Genau das will ich sehen.“ Lobte er, woraufhin ich seine Hände verlegen wegschob.
„Sag so etwas nicht. Man sagt nicht zu einer Frau, wenn sie weint, dass einem ihr Lächeln besser gefällt. Das ist unhöflich und wenig charmant.“ Ich wandte mich von Teraz ab und bemerkte, dass Edelle und Elth bereits verschwunden waren. Wie nett, dass sie mich hier alleine ließen.
„Sei doch nicht so. Ich meine es ernst.“ Beteuerte der Schwarzmagier und legte einen Arm um meine Taille, während er mir mit der anderen ein Taschentuch vor die Nase hielt.
„Danke.“ Murmelte ich, auf das Taschentuch bezogen und bließ kräftig hinein. „Aber ich sage doch die Wahrheit. Ich konnte es noch nie leiden, wenn du geweint hast. Das waren die wenigen Momente, in denen ich Sympathien für dich entwickelt habe.“
Fauchend boxte ich ihn. „Du bist wirklich das Letzte. Ich weiß doch selbst dass ich...“
Lachend schob Teraz meinen Arm fort, welchen ich immer noch drohen gegen sein Gesicht hielt und nahm mich wieder in den Arm. „Okay, okay. Es tut mir doch leid. Ist jetzt wieder alles gut?“
Schniefend ließ ich meinen Kopf an seinen Hals sinken und sog genüsslich seinen Geruch ein. Davon konnte und würde ich niemals genug bekommen. Genauso wenig wie von dieser magischen Anziehung zwischen uns. „Und zu mir sagen, dass ich furchtbar bin.“ Murrte ich, bereits wieder beschwichtigt, doch ich wollte nicht, dass er das wusste.
„Liss, wie kommt es eigentlich, dass ich mich jetzt entschuldige? Hast du dich nicht vorhin verplappert?“ Bemerkte der kluge Schwarzmagier vorwurfsvoll.
„Und mich entschuldigt.“ Wehrte ich mich lachend und rückte wieder ein Stück ab, um meinem Hexer in die Augen sehen zu können. Ich mochte dieses unendlich tiefe Blau, das beinahe einem Ozean glich.
„Bist du sicher? Daran erinnere ich mich überhaupt nicht mehr.“ Grinste er überheblich und legte seine Stirn an meine.
„Soll ich mich etwa noch einmal entschuldigen?“ Fragte ich, gespielt ungläubig.
„Also, dagegen hätte ich nichts einzuwenden.“ Mir gefiel dieses Grinsen auf seinen Lippen. Es ließ ihn wieder viel lebendiger wirken. Und weniger gruselig.
„Ein Wunder, dass du nicht einmal daran denkst, mir etwas vorzuhalten.“ Gab ich süffisant zurück.
„Wie kommst du bloß auf diesen absurden Gedanken? Ich würde dir niemals irgendetwas vorhalten, das du getan, oder gesagt hast.“ Meinte er ebenso sarkastisch.
Obwohl, wenn ich ehrlich war, hatte er mir bisher nichts vorgehalten. Im Gegenteil, er hat es einfach akzeptiert und hinter sich gelassen, während ich mich über Jahrzehnte damit quälte. Zwar nicht tagein und tagaus, doch richtig über meine Taten hinweg, bin ich bisher niemals gekommen.
„Du bekommst schon wieder diesen Gesichtsausdruck. Du denkst schon wieder daran, was passiert ist, oder?“
Lächelnd legte ich den Kopf schräg und konnte kaum fassen, wie sehr sich mein Herz in seiner Nähe überschlug. Nein, ich bereute keineswegs, was passiert ist. Eher das, was niemals zwischen uns gewesen ist.
„Was ist?“ Langsam konnte ich beobachten, wie ihm mein Blick unangenehm wurde. Genauso wie früher und eine verlegene Röte in seinen Wangen hochkroch.
„Nichts.“ Gab ich noch breiter grinsend zurück, was ihn definitiv nicht überzeugte.
„Okay... Was hältst du von einem kleinen Absacker? Ich kann jetzt wirklich etwas gebrauchen.“
Etwas zu eilig hatte er es um wieder von mir wegzukommen, was mich irgendwie verletzte. Ich weiß doch, dass er es nicht böse meint und besonders durch gerade eben, konnte ich ahnen, dass er nicht gemein zu mir sein wollte. Trotzdem fühlte ich mich etwas zurückgewiesen, während er so abgelenkt zwischen einigen Weinflaschen wühlte.
„Du willst dich mit Wein betrinken? Am frühen Vormittag?“ Fragte ich verwirrt.
„Nein, natürlich nicht. Aber hin und wieder ein Glas schadet doch nicht.“ Ungeschickt angelte er zwei Weingläser aus den verglasten Hängeregalen und suchte danach nach einem Korkenöffner.
Während er, wie wild geworden, in der Lade kramte und ihm sogar ein Kochlöffel hinunter fiel, ging ich ihm hinterher. Genau in dem Moment, wo mein Niesreiz wieder begann, legte ich meine Hand auf seine, woraufhin dieser wieder verging. „Was hast du denn, Teraz? Habe ich irgendetwas falsches... gesagt? Oder etwa getan?“ Ich konnte mich nicht daran erinnern ihm schon wieder zu nahe getreten zu sein.
„Nein, du hast nichts gemacht. Es war bloß... Arch...“ Genervt ließ er sein Tun, sein und lehnte seinen Kopf gegen das Hängeregal. „Du machst mich fertig.“
Ich verstand nun bloß nicht weshalb?

C-01 und C-02

 An einem anderen Ort, zu einer anderen Zeit, die Gedanken einer fremden Person:

 

Stöhnend schwang ich meine Beine aus dem ungemütlichen Bett und versuchte dabei den Lattenrost nicht zum Quietschen zu bringen. Ich wusste, das würde ihn wieder wecken. Trotz meiner Mühe, nicht allzu laut zu sein, fühlte ich eine warme Hand in meinem Federkleid, als es sanft hindurch strich. „Wir haben noch eine Stunde.“ Hörte ich ihn leise murren.
„Ich muss aber noch duschen.“ Außerdem brauchte ich mal wieder Zeit für mich. Nicht dass ich ihn nicht liebe, doch wenn man zweihundert Jahre lang, ständig bloß zusammen ist und niemandem vertrauen kann, außer sich selbst, dann benötigt man einfach ein wenig Abstand. Nicht das ich mehr als eine Stunde für mich sein könnte.
„Mach aber schnell.“ Damit schlief mein Bruder wieder ein, während ich ihm, sein etwas zu lang gewordenes Haar, aus der Stirn schob.
„Mach dir nicht ins Höschen.“ Sagte ich leise vor mich hin, da ich wusste, dass er mich nicht mehr hören konnte, und ging in unser Küchen-Badezimmer. Viel Geld hatten wir nicht. Bloß das was noch übrig war, nachdem wir aus unserer >Geburtsstätte< geflohen sind. Jetzt ist es über dreißig Jahre her, seit wir auf freiem Fuß Leben, auf uns selbst gestellt und trotzdem sehen wir beide, kaum älter als sechzehn, siebzehn aus.
Kaltes Wasser spritzte ich mir großzügig ins Gesicht, um zumindest einmal wach zu werden, dann breitete ich meine langen Flügel aus und schüttelte sie einmal kräftig. Unsere Küchen-Badezimmer ist der einzige Ort, an dem ich mich zu meiner vollen Größe aufrichten kann. Ständig meine schneeweisen Flügel zu verstecken, ist auf Dauer auch anstrengen. Und mein Bruder hasst es, wenn ich sie zeige. Seit wir auf der Flucht sind, ist er ein wenig paranoid geworden.
Was wir sind, wissen wir nicht, selbst die Wissenschaftler, die unsere Mutter gefunden hat, da sie bereits seit zwanzig Jahren schwanger gewesen ist, konnten nicht erklären, was mit uns nicht stimmt. Nach weiteren vierzig Jahren, verstarb unsere Mutter, da sie unsere Last nicht weiter tragen konnte, wir kamen hinter eine sterile Scheibe und blieben dort, bis wir beinahe hundert Jahre Föten gewesen sind.
Groß wurden wir in einer gesicherten Einrichtung. Jeden Tag wurden wir gestochen, unsere Temperaturen gemessen, die Hirnströme, einfach alles, was wir hatten. Sogar unsere weißen Flügel mussten tägliche Tests leisten.
Nach hundertsiebzig Jahren schafften wir es einfach nicht mehr. Wir wollten hinaus, die Welt sehen, über die wir so viel gelesen haben und dem grässlichen Inneren der Forschungsanstalt entkommen. Leider wurde es uns niemals erlaubt.
„Was habe ich über deine Flügel gesagt? Versteck sie sofort wieder!“ Erschrocken wandte ich mich meinem Zwillingsbruder zu, der sichtlich verärgert in der Türe stand und seine Hände in die Hüften gestemmt hatte.
C-01 So hatte man ihn damals in der Forschungsanstalt genannt. Mich C-02. Heute hatten wir uns natürlich >menschliche< Namen zugelegt, auch wenn sie nicht sonderlich originell waren.
Bloß noch zwei, höchstens drei Jahre, dann mussten wir uns ohnehin eine neue Identität zulegen. „Es tut mir leid. Aber wir sind doch Zuhause. Wir haben dicke Vorhänge, wer soll uns da schon sehen?“ Ich konnte überhaupt nicht mehr zählen, wie oft wir dieses Thema bereits durch hatten.
Sofort wurde sein Blick wieder weicher und ich bekam von ihm einen verschlafenen Kuss auf die Stirn. „Versteck sie jetzt. Ich habe keinen Platz herinnen.“
Seufzend zog ich meine Flügel zurück in den Körper und zog meinen BH aus und meine Hose hinunter, um in die Dusche zu steigen. Um diese Uhrzeit hatten wir bloß kaltes Wasser, doch das war uns beiden gleich. Die ersten fünf Jahre, hatten wir viel schlimmer gelebt. Bevor wir es schafften uns anzupassen. Lange bevor wir diese Stadt gefunden hatten, in der man unbemerkt lebte. Wo niemand Fragen stellte und wir sogar normal in eine Schule gehen durften.
„Lange ist es nicht mehr hin. Dann kommt sie wieder zurück.“ Mein Herz sprang vor Freude, als mein Bruder seine Gedanken laut aussprach. Ich schäumte gerade meine Haare ein, als er sich ein Glas Wasser eingoss.
„Ja, ich glaube in einer Woche, oder so. Denkst du, sie kommt wirklich noch einmal zurück?“
Weniger sah ich es, als dass ich wusste, als mein Bruder seine Schultern unwissend hob und wieder senkte. „Ich würde mich freuen.“
„Ja, weil du auf sie stehst.“ Grinste ich frech.
„Halt die Klappe und beeil dich. Ich will auch noch.“ Murrte er verlegen und ging aus dem Zimmer. Während ich ihn auslachte, spülte ich meine Haare aus und wusch meinen restlichen Körper.
Zweihundert Jahre, an der Seite meines Zwillingsbruders. Wir kannten uns, wie sich niemand anderes kannte, wir hassten uns und liebten uns zugleich. Natürlich hatten wir uns bereits satt. Außerdem sehnten wir uns danach, unser Geheimnis mit jemandem zu Teilen. Die Vergangenheit jedoch hatte uns gelehrt, dass man niemandem trauen darf. Wir die einzigen widernatürlichen Lebewesen auf der Welt, hatten bloß einander. Nun, ja wenigstens hatten wir einander. In guten wie in schlechten Zeiten, hatte bei uns beiden eine vollkommen andere Bedeutung, als bei den Menschen. Leider mussten unsere guten Tage noch kommen.

15. Das Symbol der unendlichen Liebe

Als ich meine Augen öffnete, war das Erste, was ich sah, dunkle Haare, welche mich an der Stirn kitzelten. Lächelnd kuschelte ich mich enger an den knochigen Körper, vor mir und sog genüsslich seinen angenehmen, wenn auch etwas alkoholisierten Geruch ein.
Als ich meinen Arm über seinen Brustkorb schob, nahm er diesen sofort in Empfang und schob seine Finger zwischen meine. Lächelnd kuschelte ich, meinen Kopf in seinen Nacken, was ihm einen deutlichen Schauder entlockte.
Wie ich mit Teraz im Bett gelandet bin? Bestimmt nicht so, wie ich es viel lieber hätte. Nachdem er drei Gläser Wein geleert hatte, musste ich ihn in sein Bett hieven, da er so betrunken geworden ist. Offenbar gönnte er sich gerne von Zeit zur Zeit ein Glas, aber das war es dann wohl auch. Mehr als ein Einziges vertrug er einfach nicht.
Teraz drehte sich plötzlich um und ich schloss eilig meine Augen wieder, damit er mein freudiges Strahlen nicht sehen konnte. Nicht dass ich es mochte mit ihm im Bett zu liegen, doch abgeneigt war ich dem auch nicht unbedingt.
Sanft ließ er seinen Arm über meinen Bauch, nach hinten zu meinem Rücken gleiten und zog mich enger an sich. Als ich bereits einmal probiert hatte, mich heimlich davon zu stehlen, besonders um dem so genannten >morgendlichen<, peinlichen, Moment zu entfliehen, hatte ich keine Chance bekommen. Teraz war offensichtlich kuschel bedürftig, wenn er betrunken war. Noch etwas das mir sehr gut an ihm gefiel.
„Oh, verdammt.“ Hörte ich Teraz leise murmeln, so leise, dass ich es vermutlich überhaupt nicht hören sollte. Langsam wurde die Bettdecke angehoben und ich hörte ihn erleichtert seufzen, was mir ein Kichern entlockte.
„Du wolltest mich erschrecken, oder?“ Fragte er nun etwas lauter und ich öffnete meine Augen wieder.
„Nein, ich bin selbst gerade erst aufgewacht.“
Fragend wanderte sein Blick zwischen uns hinab und unbehaglich zog er seine Hand wieder zurück. Sofort vermisste ich diese Berührung. „Wieso bist du überhaupt in meinem Bett?“
Ich drehte mich auf die Seite, sodass wir beinahe Nase an Nase lagen. Teraz wich, überraschend, überhaupt nicht zurück. Vermutlich lag es auch einfach daran, dass es nichts mehr gab, wohin er zurückweichen konnte. Hinter ihm war nichts weiter als die Wand. „Ich wollte eben nicht alleine sein.“ Log ich. Die andere Wahrheit würde er mir vermutlich ohnehin nicht glauben.
„Dann geh zu Elth und der Prinzessin. Nicht zu mir.“
Also ob ich mich zu einem Pärchen dazu kuscheln würde! „Ja, klar. Elth hätte bestimmt seine Freude, wenn ich mit seiner Gefährtin kuschle und er zu kurz kommt.“
Kopfschüttelnd wandte sich Teraz wieder ab, sodass er auf dem Rücken lag und zur immer noch dunklen Decke starrte. Bevor ich mich zu ihm ins Bett gekuschelt hatte, hatte ich die Fensterläden geschlossen, wodurch es nun vollkommen Dunkel im Raum war. Vermutlich war es erst kurz nach Mittag, oder vielleicht doch bereits später Nachmittag? Ich konnte dies überhaupt nicht mehr einschätzen „Du kannst aber nicht einfach in mein Bett kommen. Geh jetzt bitte.“
Etwas enttäuscht schob ich die Bettdecke zur Seite, doch stand nicht auf. „Wie geht es deinem Kopf?“ Fragte ich stattdessen.
„Besser, danke.“
Ich mochte diese ausweichende und vor allem abweisende Art von ihm überhaupt nicht. Ehrlich gesagt, machte es mich wahnsinnig, wenn er sich so aufführte, als wäre er eine beleidigte Diva. „Jetzt stell dich nicht so an. Vor ein paar Stunden warst du noch ganz wild darauf, dass du mir nahe bist. Jetzt auf einmal bin ich dir lästig?“ Ich wollte bloß sticheln, doch als ich hörte, dass sich sein Herzschlag beschleunigte, konnte ich ein breites Grinsen nicht länger verbergen. Zum Glück sah er nicht zu mir, sondern zur Decke.
„Das war bloß der Alkohol, der aus mir gesprochen hat. Interpretiere da bitte nicht zu viel hinein.“
Ja, ja. Immer der gute alte Alkohol. „Der Alkohol sagt bloß die Wahrheit, mein Lieber.“ Ich pikste ihn in die Schulter, was seinen Herzrhythmus gehörig aus dem Takt brachte. Ja, ich liebte es, solche Kleinigkeiten wahrnehmen zu können, wenn ich es darauf anlegte.
„Liss, bitte lass mich jetzt einfach alleine mit meinem Kater.“ Von mir genervt, wandte er mir den Rücken zu, doch ich hatte immer noch keine Lust aus seinem Zimmer zu verschwinden. Dafür fühlte ich mich viel zu Wohl bei ihm.
„Dann trink eben nicht zu viel.“
„Das mache ich ja sonst auch nie!“ Teraz Stimme überschlug sich beinahe, als er sich so aufregte. Tja, ich hatte eben den Bogen heraußen, wie ich ihn ganz einfach auf die Palme brachte.
„Wieso hast du des dann heute getan?“ Fragte ich weiter, woraufhin er sich doch wieder zu mir umwandte.
Überrascht davon wie nahe sein Gesicht dem meinen war, konnte ich fühlen, dass meine Kontrolle ein wenig verschwand und meine Augenfarbe ihr wahres Aussehen enthüllte. „Was willst du denn hören? Ich hatte eben Lust darauf, etwas zu trinken. Mehr nicht. Darf ich jetzt, bitte endlich etwas Privatsphäre haben?“
Okay, selbst eine Nervensäge wie ich wusste, wann man am besten aufhörte. Aber alleine zu sein, hatte ich noch nie gemocht. „Ich verstehe zwar nicht, was in deinem Kopf vor sich geht, aber na gut. Dann schmeiß mich eben hinaus.“ Beleidigt sprang ich elegant, wie eine Katze aus dem Bett und verließ mit anmutig wippenden Hüften Teraz Zimmer.
Zurück im Wohnzimmer traf ich bloß Dell an. „Wo ist denn dein Schatten?“ Fragte ich sie, um mich auf andere Gedanken zu bringen. Teraz war einfach unmöglich! Ich konnte nicht verstehen, was er von mir dachte, oder wollte. Einmal durfte ich in seinen Armen liegen, danach war ich ihm ganz plötzlich so lästig wie Flöhe! Das soll noch einmal jemand verstehen.
„Er ist jagen gegangen. Elth meinte, dass er sich schon so lange nicht mehr verwandelt hat, oder durch die Wälder gestreift ist, dass er bereits Komplexe bekommt.“ Ein belustigtes Lächeln, welches ich im Moment nicht nachempfinden konnte, zauberte sich auf die Lippen der Prinzessin.
Wenn sich sie so ansah, konnte ich überhaupt keine Prinzessin, oder gar eine zukünftige Königin in ihr entdecken. Edelle Black, war einfach ein ganz normales, siebzehnjähriges Mädchen, dass sich hilflos in eine hundertjährige Wildkatze verliebt hatte. „Wie schaffst du das bloß?“ Ich bemerkte überhaupt nicht, dass ich diesen Satz laut ausgesprochen hatte, bis Edelle mich darauf hinwies.
„Was schaffe ich denn?“
Beschämt ließ ich mich auf Teraz Ohrensessel fallen, zog meine Beine unter den Po und fand plötzlich meine Zehennägel recht interessant. „Nun ja. Du und Elth. Er ist nicht gerade ein einfaches Wesen. Geschweige denn leicht zu verstehen und offenherzig.“
Lachend stimmte mir Dell dabei zu. „Das ist wohl wahr. Es hat auch sehr lang gedauert, bis ich mich dazu durchringen konnte, hinter seine Fassade zu sehen.“ Ein sehnsüchtiger Blick lag in ihren Augen, während sie scheinbar an vergangene Tage dachte.
Interessiert schob ich mich etwas näher an meine Schwägerin heran. „Was für eine Fassade? Was meinst du?“
Unwissend zuckte sie mit den Schultern und nippte an ihrem heißen Tee, um sich eine kleine Denkpause zu gönnen. Als sie die Teetasse wieder abgestellt hatte, rang sie sich zu einer Antwort. „Anfänglich... dachte ich, dass Elth mich hasst. Ich wollte bloß das sehen, was er mir zeigen wollte. Aber das bedeutet auch, dass ich niemals genau hingesehen hatte.“ Verwirrt warf ich ihr einen dementsprechenden Blick zu. Rot werdend winkte sie ab. „Ach, vergiss es.“
Was? „Nein! Erklär es mir bitte!“ Bettelte ich. Sie konnte doch nicht einfach so aufhören!
Seufzend gab Dell auf. „Als Elth mich mit genommen hat, und ich auf dem Motorrad beinahe gestorben wäre, hat er mich nicht einfach sterben lassen, was all seine Probleme gelöst hätte. Er hat sich mit mir einen Abhang hinab gestürzt. Danach hat er mich Kilometer durch einen Eiswald getragen, mich an seiner Brust gewärmt, sich Sorgen um mich gemacht, als er mich alleine in den Markt schicken musste, wo wir uns schlussendlich trafen.“ Daran konnte ich mich noch zu gut erinnern. An diesen Tag hatte ich geglaubt, irgendjemand hätte meinen Bruder ausgetauscht. „Als ich kurz vor einer Panikattacke gestanden hatte... Er war einfach so liebevoll, nahm mich in den Arm und hat mich einfach getröstet.“ Seufzend schüttelte sie den Kopf. „Auch wenn er mich wahnsinnig gemacht hat, mich beleidigt und vor allem von sich gestoßen, so war er trotz allem bloß um meine Sicherheit besorgt.“
Elth hatte so seine Macken, das stimmte. Er ist leicht überheblich, voreingenommen, eigensinnig und vor allem sturköpfig, doch irgendwie hatte es dieses übernatürliche, fünfzig Kilo Mädchen geschafft die Bestie zu zähmen. „Die Schöne und das Biest.“ Scherzte ich.
Edelle stimmte auf meinen Scherz herzhaft mit ein. „Ja, ich kann schon mal zur Furie werden, nimm dich also in acht.“ Lachend sank ich auf Teraz Platz zurück und atmete nach kurzer Zeit tief durch. „Aber es wundert mich, dass du bei mir Rat suchst. Denkst du wirklich, dass Tera... Der Schwarzmagier der richtige Umgang für dich und die Kinder wäre?“
Auch wenn Edelles Worte etwas barsch rüber kamen, so trafen sie ins Schwarze. Ich hatte tatsächlich wegen Teraz nachgefragt. Immerhin stieß er mich auch unentwegt von sich, sendete mir widersprüchliche Signale oder schien mich schlicht aus seinem Leben verbannen zu wollen. Einen Moment später suchte er meine Nähe, zog mich freundschaftlich auf, oder wollte selbst im Schlaf, dass ich bei ihm blieb. „Mein ganzes Leben ist kein Umgang für meine Kinder.“ Flüsterte ich leise, doch Dell hörte es trotzdem.
„Lass dir Zeit, Lissy. Du brauchst dich nicht Hals über Kopf zu verlieren. Sieh Elth und mich an. Wir haben über ein Jahr gebraucht, bis wir endlich zusammen fanden.“
Traurig stieß ich ein ungläubiges Lachen aus. „Die meiste Zeit davon wusstest du ja noch nicht einmal, wer er ist, oder wer ihr beide seid.“ Für einen Moment herrschte Stille im Raum. „Es wäre viel einfacher, wenn ich endlich meinen Gefährten finden könnte.“ Insofern er überhaupt endlich existierte. Dadurch dass wir Menschwesen eine übermenschliche Zeitspanne lebten, konnte man oft Jahrhunderte auf seinen Gefährten warten, oder er kam zur Welt, wenn man bereits im sterben lag. Keine guten Aussichten, besonders für Mischlinge. „Ich werde immerhin auch nicht mehr jünger.“
Dells Lachen klang nicht gerade aufrichtig. Meines mindestens genauso wenig. „Versprichst du mir, etwas für dich zu behalten?“
Neugierig blickte ich aus meinem trüben Selbstmitleid auf. „Natürlich. Alles was du wünscht.“ Außer es ging um einen Selbstmordversuch, dann würde ich sie höchstpersönlich irgendwo festbinden.
„Ich weiß über das zwischen Elth und mir bescheid.“
Oje. Elth wollte es doch vor ihr geheimhalten. Er würde am Boden zerstört sein... Nein nicht bloß am Boden. Sein Herz würde zerbrechen wie ein Stück Glas, wenn sie ihn nun aus Angst verließ. Ich stellte mich dumm. „Was ist denn zwischen euch?“
Dell konnte mir wohl ansehen, dass ich bloß dumm tat, denn sie schenkte mir einen vorwurfsvollen Blick. „Ich weiß, dass du es bereits wusstest. Du bist Elths Schwester, vermutlich wusstest du es noch vor ihm selbst.“
Okay... wir sprachen also doch über dieselbe Sache, auch wenn ich damals gehofft hatte, mir einfach etwas einzubilden. „Dell, du musst es aber verstehen. Es ist keine Entscheidung, die man einfach von sich aus treffen kann. Diese Gefährten-Sache passiert einfach...“
Dell blickte mich fragend an. „Wieso redest du jetzt von der Gefährten-Sache?“
Ertappt schnappte ich nach Luft und würde mich jetzt am liebsten Ohrfeigen. Ich Großmaul! Wie konnte ich bloß... Plötzlich unterbrach Dell meine Selbstvorwürfe, indem sie laut lachte. Sie hatte mich also auf den Arm genommen. „Du bist eine grausame Prinzessin!“ Schimpfte ich und musste nun ebenfalls grinsen.
„Entschuldige. Aber ich wollte bloß die Stimmung etwas heben.“ Kicherte sie frech, woraufhin ich das Zierkissen nach ihr warf, auf den ich bisher gesessen hatte.
„Jetzt hasse ich dich. Ich dachte schon, ich hätte mich verplappert, dabei bin ich doch so vorsichtig.“ Schimpfte ich halbherzig mit ihr.
„Es tut mir doch leid, Lissy. Aber du hast so ernst gewirkt und so bedrückt, dass ich mir dachte, dass du jetzt bestimmt bessere Laune haben wirst.“ Und die hatte ich tatsächlich.
„Trotzdem mag ich dich nicht mehr.“ Gespielt beleidigt wandte ich mich von der Gefährtin meines Bruders ab und schmollte. Nach einem kurzen Moment erinnerte ich mich an Dells erstes Gesicht vorhin. Vielleicht wollte sie eigentlich überhaupt nicht mich aufmuntern, zumindest nicht bloß, sondern auch etwas sich selbst. „Na, gut.“ Gab ich nach weniger als zehn Sekunden nach. „Also, was gibt es denn so Wichtiges, außer dass du herausgefunden hast, was zwischen dir und dem größten Dummkopf der Welt, welchen ich leider als meinen Bruder bezeichnen muss?“
Dells Grinsen verging. „Weißt du noch, als wir darüber sprachen, dass ich Elth eigentlich sagen wollte, dass zwischen uns nichts sein könnte. Dass ich ihn schützen wollte, vor dem was uns in weniger als vierundzwanzig Stunden bevorsteht?“
Stumm nickte ich. Es würde etwas in den beiden zerstören, das war klar. Aber ich bezweifelte, dass einer der beiden einfach deshalb aufgeben würde. Dell jedoch hatte das Glück, noch menschlich zu sein. Menschen konnten so ein Gefährtenband nicht eingehen. Sie sind immun dagegen, für sie war es >bloß< ihre große Liebe, höchstens, doch für uns Anderwesen, ist es die Liebe unseres Lebens. Ein Leben, das wir ohne diese Person unmöglich weiter führen können. Deshalb kämpfen wir, wenn nötig mit allen Mitteln um diese eine besondere Person. Auch wenn wir diese Person hassen würden, weil sie uns benutzt, betrügt und belügt. Wir würden bei dieser Person bleiben, bis wir heillos daran zerbrechen.
„Ja, das weiß ich noch. Du warst nicht bloß überrascht, sondern beinahe verstört darüber, dass du Elth geküsst hast.“
Beschämt lächelte Dell. „Wenn ich ehrlich bin, dann war das das Beste, was mir jemals passieren konnte. Vermutlich würde ich es wieder tun, egal was es für uns bedeutet.“
Arme Dell, dachte ich. Noch nicht einmal eine Königin und schon musste sie Entscheidungen treffen, welche nicht bloß ihr Leben veränderte. „Aber denk daran, dass es nicht bloß dir so geht. Elth liebt dich. Ehe würde er sterben, als dich aufzugeben. Außerdem weiß er, dass du keine Wahl hast.“
Dell schüttelte den Kopf. „Aber die habe ich doch. Ich kann menschlich bleiben. Keine Gefahr für irgendeine Art und ich würde in Ruhe gelassen werden... aber...“
Tränen stiegen in ihre großen runden Augen auf, doch sie drängte sie erbittert zurück.
„Ein menschliches Leben ist nichts für dich.“ Erkannte ich.
Sie nickte. „Ich könnte niemals menschlich und schwach bleiben. Ich will Elth beschützen, so wie er mich jeden Tag beschützt. Ich will für ihn da sein, ihn unterstützten können und ihn jeden Tag aufs neue Überraschen. Ich will dieses Band, Lissy. Ich will fühlen, was er fühlt. Wissen, was er weiß. Eins mit ihm sein.“ Der Schmerz von Tausend von Gefühlen spiegelten sich gleichzeitig in ihren Augen ab.
Wahre Liebe, realisierte ich.
Ein unheilvolles Knurren erklang so plötzlich und unerwartet hinter mir, sodass ich aus meinem Stuhl hoch fuhr und feindlich fauchte.
Elth stand da. Auf allen vieren, eine wunderschöne, teils gestreifte, teils mit Flecken verziert, goldbraune Raubkatze, in einer unheimlichen Größe. So waren wir alle. Größer als unsere Artverwandten, doch unverwechselbar nach ihrem Abbild geschaffen.
Ich war viel mehr ein Gepard, als Elth, da sich über seinen Kopf, zurück über seinen Rücken, schwarze Streifen zogen, doch dafür hatte ich nicht die unverkennbare weiße Marke an meiner Schwanzspitze. Ohnehin hatte ich nicht sonderlich viele Punkte, wie richtige Geparde, außer natürlich den charakteristischen Tränenstreifen. Diese sah man, im Gegensatz zu Elth, sogar in meiner Zwischenform.
„Ach verdammt. Elth!“ Stieß Dell hervor und sprang nach kurzem Zögern ebenfalls auf die Beine. Verunsichert wie sie reagieren, oder gar was sie sagen sollte, trat sie unbehaglich auf der Stelle herum.
Nachdem Elth sie, mit seinen stechenden, gelbbraunen Raubkatzenaugen angestarrt hatte, bewegte sich die Wildkatze langsam auf seine Beute zu. Langsam, zumindest langsam genug, sodass man die Verwandlung beobachten konnte, kam Elth in seine Zwischenform und legte die kleine Hüfttasche ab, welche er unbemerkt um den Hals getragen hatte. Er zog irgendetwas daraus hervor, es sah aus wie eine kleine schwarze Box und erhob sich auf die Knie vor Dell.
Ungläubig hielt ich die Luft an. Das konnte doch nicht wahr sein!
„Eigentlich wollte ich damit warten, bis nach deinem Geburtstag. Es sollte ein nachträgliches Geschenk werden. Ein perfektes Geschenk.“ Nun schien auch Dell zu realisieren, was eben passierte und sog erschrocken die Luft ein, während sie sich beide Hände davor hielt um sich zum Schweigen zu bringen. „Aber ich denke einen besseren Moment als diesen werden wir niemals haben. Ich habe deine Worte gehört, meine Liebste. Niemals hätte ich mir zu träumen gewagt, dass du so etwas sagen würdest. Ehrlich gesagt, hatte ich sogar angst davor, dass du die Wahrheit erfährst und aus Angst mich verlässt.“ Begeistert, versuchte ich, einen Aufschrei zu unterdrücken, und hielt mir nun ebenfalls den Mund zu. Ich konnte es einfach nicht glauben! Mein Bruder! Ja, er hatte seine Gefährtin gefunden... aber...
„Jetzt oder nie.“ Elth nahm, sichtlich, all seinen Mut zusammen, öffnete die kleine samtene Box und enthüllte mit einem erwartungsvollem Blick, dessen Inhalt. „Edelle, Black, zukünftige Königin, egal über welche Rasse. Würdest du mir die Ehre erweisen und mich heiraten?“
Dicke Tränen sammelten sich in den Augen von Dell. All ihre Anspannung, die Erwartung welche zwischen ihnen lag und vor allem sämtliche Ängste, die das junge Paar erfüllte, schienen auf einen Schlag wie weggeweht zu sein. Alles was blieb war Hoffschwort Edelle ihren Freund... Verlobten, nach einer gefühlten Stunde. „Ja! JA!“ Quietschnung und Glück. Beides konnten wir dringend gebrauchen.
„Ja!“ Beend vor Glück, warf sie sich dem halb verwandelten Menschwesen in die Arme, drückte ihn so fest, wie sie konnte, und bedeckte ihn mit Küssen.
„Ich liebe dich!“ Schwor Elth, nachdem er es endlich schaffte sich von Dells übermäßiger Freude zu befreien und ihr den, sichtbar, teuren Ring anzustecken.
Mit einem Blick wusste ich, dass Elth sich so einen Ring niemals leisten könnte, auch wenn ich das Prachtstück bloß von weitem sah. Auch wenn Dell es offensichtlich noch nicht sehen wollte, so hatte Elth sich diesen Ring mittels seiner Fähigkeiten erschummelt. Jedoch wollte ich nicht diejenige sein, welche die Wahrheit über dieses Geschenk verlor. Das war nicht meine Aufgabe.
Strahlend winkte Dell mich zu sich, während sie den altmodischen Ring an ihrem Finger verträumt bewunderte. „Sieh dir das an, Lissy! Er ist wunderschön!“ Immer noch war ihre Stimme irgendetwas zwischen verweint, quietschend und überlastet. Die junge Prinzessin wusste überhaupt nicht wohin mit ihrem Glück. „Sieh nur, wie er glänzt.“
Überrascht über die einzigartige Verarbeitung des Ringes hielt ich einen Moment inne. Er kam mir seltsam bekannt vor, doch konnte ich nicht sagen, wo ich ihn bereits einmal gesehen hatte. In einem polierten Silber schlang er sich, wie abgemessen, um Edells Finger. Auf seiner Oberseite, trug er drei weiße Steine, die jeweils eine eigene Halterung besaßen und scheinbar das Herzstück bildeten. Er war beinahe etwas schlicht, doch ein eindeutiger Blickfang. „Unvergleichlich.“ Hauchte ich gerührt über das junge Glück. Ich konnte einfach nicht anders, als ihnen das Beste zu wünschen. Obwohl selbst das Beste war für die beiden noch zu wenig.
Dieses Mal war es Elth, der seine Verlobte zu sich zog, in eine innige Umarmung und einen langen Kuss. Freudig gab sie sich dem hin, seufzte selig und schlang ihre dünne n Arme um die kräftige Raubkatze.
Jetzt war der Moment gekommen, in dem ich überflüssig wurde, daher verließ ich auf leisen Sohlen das Wohnzimmer und ließ den beiden einen kurzen Moment des ganz großen Glückes. 

 

Liebe beginnt nicht mit einem Datum

Sie beginnt mit einem kribbeln im Bauch

und einem dämlichen Grinsen im Gesicht

<3

16. Ihr Wunsch ist mein Befehl

Teraz:


Gerade als ich aus dem Zimmer der namenlosen Fee trat, welche neben ihrem Mann im Bett lag und über einige Schläuche versorgt wurde, stand ich direkt vor Lissy. Zuerst war ich überrascht sie zu sehen, direkt vor der Türe zu diesem privaten Raum. Bisher hatte ich es niemals übers Herz gebracht, ihr zu sagen, was sich dahinter befand, dafür schämte ich mich einfach viel zu sehr. Als mir jedoch bewusst wurde, dass sie mich, trotz ihrer übermenschlichen Sinne überhaupt nicht wahrnahm, wusste ich, dass etwas nicht stimmte.
Mit ihrer fein geschwungenen Hüfte lehnte die Wildkatze, mit ihren glühenden Goldaugen am Geländer der Treppe und starrte trübe vor sich hin. Eigentlich wollte ich mich heimlich davon stehlen, da sie mich ohnehin bloß wieder nerven würde, doch brachte ich es einfach nicht über mein Herz. Auch wenn ich Lissy insgeheim verfluchte und über alle Maßen genervt von ihr war... So mochte ich sie doch und wollte sie unter keinen Umständen traurig sehen. Alleine der Anblick von Trauer, oder Verzweiflung in ihrem Gesicht, zerriss mir innerlich den gut geschützten Muskel.
„Lissy?“ Sie reagierte nicht. Ihre flauschigen goldenen Ohren, standen seitlich, als wäre sie auf etwas ganz anderes fixiert.
Langsam durchbrach ich die Distanz zwischen uns, legte ihr sanft meine Hand auf ihren felligen Unterarm und riss sie damit aus der Starre. Erschrocken starrte sie mich an. „Was ist passiert?“ Diese Frage schien sie nun endlich zu lösen und ein belustigter Ausdruck trat in ihr Gesicht.
„Elth und Dell haben sich eben verlobt.“ Verkündete sie und überraschte mich damit mehr, als das ich erwartet hätte. Hochzeiten, also das was Menschen darunter kannten, gab es höchstens bei uns Hexen. Aber doch nicht bei Wer-, oder Menschwesen.
„Wieso?“ Fragte ich gerechtfertigt.
Lissy lachte. „Na weshalb heiratet man, Dummerchen?“
Genervt verdrehte ich die Augen. „Das weiß ich doch, aber Elth ist ein Menschwesen. Ihr >heiratet< doch überhaupt nicht.“
Unwissend hob Lissy die Schultern und ließ sie wieder sinken. „Frag mich das doch nicht. Ich weiß nicht, was im Kopf meines Bruders vor sich geht. Er handelt oft unüberlegt, aber Dell scheint endlich einmal ihren grüblerischen Gesichtsausdruck verloren zu haben.“
Kopfschüttelnd wandte ich mich von Lissy ab und wollte die Treppe hinunter eilen. „Wir haben keine Zeit für so...“ Lissy hielt mich auf und zog mich am Kragen wieder die drei Stufen hoch, welche ich bereits hinter mich gebracht hatte. „Was... Was ist denn?“
„Das wirst du den beiden nicht zerstören, hörst du!“ Schimpfte sie mit mir und knurrte sogar. Langsam nervte sie mich schon wieder. So war es immer. Sie brachte mich zur Weißglut. Jedoch war es nicht wie zwischen Elth und Dell, zumindest nicht soweit ich mitbekommen hatte. Zwischen uns schien einfach ein Kommunikationsproblem entstanden zu sein, welches keiner von uns beiden aus der Welt schaffen wollte.
„Hast du schon vergessen, dass uns aus unersichtlichen Gründen Menschen im Nacken sitzen? Das Edelle bloß noch heute Nacht und morgen hat um einen potenziellen...“ Ja, wie sollte man denn das nennen? Mann für eine Nacht? Verwandlungshelfer? Das klang alles nicht richtig.
„Also... um ehrlich zu sein, habe ich mir darüber bereits Gedanken gemacht.“ Erklang es am Fuß der Treppe. Überrascht blickten Lissy und ich zu der jungen Prinzessin hinab, wie sie Hand in Hand neben ihrem Verlobten stand. Auch Elth wandte ihr nun überrascht das Gesicht zu.
„Tatsächlich?“ Auch für ihn schien diese Aussage völlig unerwartet zu kommen.
Edelle nickte bestimmt. „Ja. Ich weiß, dass es vermutlich nicht meine beste Wahl ist. Auch dass ich damit eine Person verletzte die mir nahe steht. Aber ich denke, dass Elth mit meiner Entscheidung leben wird, können. Es ist eine Person, die wir beide kennen, der wir vertrauen, auch wenn dies Unterschiedliche Gründe hat.“ Elth schien zu dämmern, worauf seine Gefährtin hinaus wollte und knirschte knurrend mit seinem Kiefer.
„Wer denn?“ Fragte Lissy und sprach damit auch meine Frage aus. Jemand, den wir alle kannten, jemand dem wir vertrauen, jemand... Nicht wir... Jemanden den sie drei kannten, reinrassig ist und dem sie vertrauen.
„Oh, Nein!“ Stieß ich erschrocken hervor.
Nun schien es auch bei Lissy angekommen zu sein, doch verschloss sie ihre Miene vor uns allen. Oder konnte ich einfach ihre Mimik nicht mehr lesen, da ich zu sehr von mir selbst abgelenkt war? „Also ich weiß ja nicht...“ Mein Blick fiel dabei auf Elth.
Ich bin Reinrassig, ja. Unter anderen Umständen, würde ich mich durchaus bereit erklären, immerhin ist es eine sehr große Ehre, ja. Aber mit der Gefährtin eines Menschwesens zu schlafen? Nein!
„Elth wird dir auch nichts tun. Das schwöre ich dir!“ Schwor Edelle flehentlich.
„Prinzessin, nicht dass ich Euch abstoßend, oder gar abscheulich finde, doch die Tatsache, dass Ihr zusammen mit einem Menschwesen seid... macht die Sache mit meinem >Überleben< nicht gerade sicher.“ Versuchte ich sie zu überzeugen, während sie, gefolgt von meinem potenziellen Tod, die Treppe hochkam.
„Bitte Teraz.“ Flehte sie mich an. „Elth weiß, dass ich es nicht gerne tue, nichts für ungut.“ Ich verstand, was sie meinte. „Ich liebe Elth und das wir verlobt sind, muss ihm versichern, dass ich ihn niemals betrügen würde... Also... ihr versteht, was ich meine, oder?“
Einstimmig nickten wir. „Prinzessin, wenn es Euer Wunsch, oder gar Euer Befehl sein wird, dann ja, ich werde es tun. Aber bitte, denkt daran, ich... habe nicht gerade eine gute Vergangenheit mit Menschwesen. Außerdem hängt von meinem Überleben, das selbige der namenlosen Elfe und ihres Mannes ab. Ihr habt ja keine Ahnung, was eine labile Elfe alles anstellen könnte. Besonders eine so kräftige wie diese.“
Natürlich, es ist eine Ehre und eine Pflicht für jeden Reinrassigen, der keine Gefährtin besitzt. Gefährtinnen, oder Gefährten konnten unter keinen Umständen von ihrem Partner abgeworben werden. Sie wären weder sexuell, noch emotional dazu in der Lage sich jemand anderem Hinzugeben, oder gar zu lieben. Auch wenn solch ein Paar länger, über Jahre hinweg, getrennt war, konnte es zu deren sicheren Tod führen.
„Aber ich wüsste sonst niemanden, Teraz. Weder kenne ich jemanden so gut wie dich, und noch weniger vertraue ich einem anderen.“
Mir vertrauen? „Prinzessin... Ihr solltet mich noch nicht einmal kennen.“ Erinnerte ich sie.
Enttäuscht nickte Edelle. „Bitte verzeih mir. Ich weiß es ist viel verlangt von mir...“
„Nein, nein! Keineswegs! Es liegt bloß daran...“ Sobald ich aus dem Zimmer kommen würde, wo ich die Prinzessin zurücklassen müsste, wusste ich bereits jetzt, dass sich die Wildkatze nicht mehr zügeln lassen würde. Er würde mich in Stücke reißen, dafür dass ich Hand an seine Gefährtin hatte legen müssen.
Eine zarte Hand legte sich auf meine Schulter. „Ich werde Elth fortbringen. Bis sich die Situation der beiden geklärt hat, kannst du dich dann verstecken. Ich gebe dir mein Wort darauf, dass ich nicht zulassen werde, dass Elth dich attackiert.“ Mit einem Mal wurde mein Herz wieder leichter. Stumm nickte ich und betrachtete einfach bloß Lissy, wie sie vollkommen zuversichtlich neben mir stand und mich wieder einmal Beschützte. Mit Ausnahme, dass es keine Situation war, in welche sie mich selbst gebracht hatte.
„Also....“ Begann die junge Prinzessin. „Ist es jetzt in Ordnung für dich? Und ja, ich weiß, das ist wirklich eine äußerst Schräge bitte...“ Stammelte sie zusammen, über sich selbst überrascht.
„Nein, natürlich ist es nicht in Ordnung, obwohl es meine Pflicht ist und außerdem eine große Ehre. Doch seid Euch bewusst, das ich gehen werde, sobald... diese Sache erledigt ist. Weder möchte ich einen Kampf, noch eine wütende Aura im Rücken spüren.“ Das letzte was ich benötigte, waren noch mehr Narben, oder gar meinen Tod. Nicht nachdem was ich all diese Jahre geleistet habe.
Plötzlich, ohne das es einer von uns hatte kommen sehen, packte Elth seine Verlobte, hob sie unsanft über seine Schultern und zog mit ihr, protestierend, ab. Weder Lissy noch ich wollten dem überaus wütenden Menschwesen in den Weg treten.
„Arme Dell.“ Hörte ich Lissy sagen, dann ging sie in das Zimmer, welches sie sich mit ihren Söhnen geteilt hatte. Für einen Moment sah ich ihr hinterher. Was war bloß los mit ihr? Sie wirkte so... neben sich. Als würde sie etwas beschäftigen, so sehr sogar, dass sie in ihrer Zwischenform steckte.
„Lissy!“ Ohne mein Zutun arbeitete meine verfluchte Zunge gegen mich.
„Ja?“ Mit leuchtenden Augen wandte sich die groß gebaute Frau mir zu und schien mich regelrecht mit ihrem Blick durchbohren zu wollen.
„Ist alles in Ordnung mit dir?“
Ein Lächeln, das gefälschter kaum sein konnte, zog sich über ihre Lippen. „Natürlich. Was sollte denn los sein? Nun, ja ich mache mir etwas Sorgen um Dell und meinem Bruder, aber die werden schon zurechtkommen.“ Mit einem humorlosen Lachen winkte sie ab.
„Bist du noch wütend auf mich, weil ich dich aus dem Zimmer verbannt habe?“
Lissy hob die Schultern und ließ sie wieder fallen. „Weshalb sollte ich? Ich wollte dich bloß ärgern. Das ist alles. Außerdem war ich einsam, da meine Kinder nicht da sind. Auch wenn zwei von ihnen bereits groß sind, so sind sie doch meine Babys. Ich vermisse sie sehr.“ Ihre Gedanken schienen irgendwo hin abzuschweifen, während sie rückwärts zu ihrem Zimmer ging.
Zwar hatte ich vor sie nun ihren Weg ziehen zu lassen, doch wieder einmal weigerte sich mein Gewissen mir zu gehorchen. „Wenn du mit ihnen sprechen möchtest, dann kenne ich einen Zauber. Er ist sogar legal.“
Jetzt wurde sie wieder hellhörig. Obwohl ich gedacht hatte, dass ihre seltsame Stimmung verfliegen würde, wenn ich ihr diesen Gefallen erwies, blieb das unaufrichtige Lächeln. „Danke, das wäre sehr nett von dir, Ter.“

 

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Nachdem ich für Lissy den Zauber gewirkt hatte, verdrückte ich mich, zum Mittagessen machen, in die Küche. Außerdem wollte ich ihr etwas Privatsphäre gönnen. Währenddessen ich mich um die Nahrungsaufnahme von zwei Menschwesen und einer Prinzessin kümmerte, kreisten meine Gedanken bloß um eine Person. Zwar kannte ich sie nicht allzu gut, doch wusste ich, dass etwas nicht stimmte. So ist Lissy noch nie gewesen. So gefasst, abweisend, mit einem falschen Lächeln. Etwas in mir sagte, dass es etwas Wichtiges ist, dass sie darüber sprechen musste!
Aber mit wen?
Mit mir? Ganz sicher nicht. Mir würde sie sich nicht anvertrauen. Bestimmt Edelle, doch diese hatte ihre eigenen Probleme.
„Hach!“ Ich wusste doch auch nicht weiter. Sie ging mich doch überhaupt nichts an, trotzdem zerbrach ich mir den Kopf wegen ihr. Das entsprach so gar nicht meinen Idealen. Ich hasse Menschwandler! Na, gut das war vielleicht etwas übertrieben, aber ich sah sie niemals >Niemals!< als Freunde an. Sie sind Tiere welcher in einer falschen menschlichen Haut stecken, gefährlich überempfindlich und unberechenbar. Mit so etwas sollte ich nichts zu tun haben. Eine einfache Bewegung und ich verlor meinen Kopf.
Obwohl ich nun bereits lange lebte und seit einiger Zeit auch als >Unsterblich< galt, so war ich bei weitem nicht unverwundbar. Eine Schusswunde, ein Stich, Bruch, oder eine Vergiftung konnte mich ohne weiteres hinrichten.
Tierwesen, egal ob Wer-, oder menschenähnlich, sind kein Umgang für mich. Je früher ich mich damit abfand, umso besser.
Nachdem ich das Mittagessen serviert und alle zusammen gerufen hatte, aß ich meine halbe Portion und verdrückte mich in mein Zimmer. Zu meiner Überraschung hatte mich Lissy dieses Mal nicht gezwungen mehr zu essen. Auch Edelle und ihr Gefährte wirkten in sich gekehrt. Jedoch Letzteren konnte ich es wohl kaum verübeln.
Den Abwasch überließ ich den übrigen drei Mitbewohner. Bloß noch eine Nacht und ein Tag, dann würde sich eine neue Hexenkönigin erheben. Eine Nacht und ein Tag und der Spuk würde für die nächsten Hundert Jahre ein Ende haben.
Würde ich das alles Überdauern? Konnte ich Edelle vertrauen, was meine Identität anging? Natürlich vertrauter ich ihr im Moment. Sie ist eine aufrichtige und leicht naive Person, doch verraten würde sie niemals jemanden.
Doch wie würde es in ein paar Wochen, Monaten oder einem Jahr aussehen? Wenn sie sich ihren Pflichten bewusst geworden ist? Ob sie ihr Wort jemals halten könnte?
Vermutlich wäre es das Sinnvollste voraus zu Sorgen. Ich würde mir eine neue Unterkunft, ein neues, sicheres Haus suchen müssen. Zusammen mit meiner namenlosen Fee, versteht sich.
Vermutlich wäre es das Klügste sofort heute damit zu beginnen. Und sicher wäre es gewesen, wenn ich bereits vor einer Woche mit der Suche begonnen hätte. Vielleicht konnte ich ja ein anderes Grundstück finden. Etwas, wohin ich das Haus mitnehmen könnte? Ja, das wäre klug und vor allem einfacher.
Mit so einem speziellen Zauber könnte ich sogar einen ganzen Staat versetzen, insofern ich die Kraft dazu aufbringen könnte. Nun, gut. So stark war ich dann auch wieder nicht, aber für ein einfaches Haus, sollte es dennoch genügen.
Jetzt musste ich mir bloß noch einen guten Plan überlegen.
Sofort setzte ich mich daran. Ich nahm in Blatt Papier zur Hand und eine alte Füllfeder. Mit geschickten Bewegungen, welche ich dank meines umfassenden Wissens mir aneignen konnte, zeichnete ich in Windeseile einen Zauber, der das ganze Haus würde versetzen können. Garten so wie Zäune, könnte ich später wieder setzen, in meiner Freizeit. Aber um die ganzen Möbel einzeln zu transportieren, alleine schon die namenlose Hexe mit ihrem Mann, das würde mich alles bloß aufhalten und jede Menge Energie kosten. Jedoch gleich alles zusammen zu transportieren erleichterte mir die Arbeit erheblich.
Als der Zauber fertig ausgearbeitet war, prägte ich mir die Skizze ein, verbrannte das Papier und warf die Asche in meinen Mistkübel. Aus der umfangreich eingerichteten Küche, besorgte ich mir Kräuter, so wie aus dem Garten Materialien, die meine Kraft erhöhen und den Zauber eingrenzen sollten.
An jede Ecke, des Hauses, steckte ich kleine Kräuterbeutel, die ich mit einem Stock in die Erde steckte. Da meine Kraft aus der Erde kam, würde ich sie anzapfen und aussaugen müssen, um genug Kraft aufzubringen und mich nicht völlig auszulaugen.
Als ich, mittels meiner Magie, einen Bannkreis gezogen hatte, zwischen den einzelnen Kräutersäckchen, ging ich zurück in das Haus. Dort hörte ich Edelle alleine in der Küche, wie sie den Abwasch machte. Ihre Wächterin Lissy, saß auf dem Sofa, hatte den Fernseher auf einem Nachrichtenkanal eingeschaltet, doch blickte trübe aus dem Fenster.
Und was tat wohl der Gefährte der Prinzessin? Hatte er vielleicht die Verbindung gelöst? War er wütend? Verletzt? Letzteres bestimmt. Was auch immer noch auf uns zukommen mochte. Es konnte kaum schlimmer sein, als dieser Anblick.
Gefährten, deren Zukunft auf Messers schneide Stand.
Eine Mutter, deren Kinder in ihrer Nähe nicht mehr sicher waren.
Und ein Hexer... Ich durfte wieder einmal fliehen.
Das alles hier gefiel mir nicht.

 

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Hexer gibt es in verschiedenen Variationen, mit Stärken, Schwächen, doch vor allem besitzen sie alle eine Kraft, welche zerstörerisch sein kann. Besonders wenn sie in die falschen Hände gerät.
Schon früh lernen Hexenkinder, egal welchen Rang oder Status sie bekleiden, wie sie ihre Fähigkeiten einzusetzen haben. Wir alle lernen, den Unterschied zwischen >Magie< und >Verbotene Magie<. Auch ich lernte es.
Wir bekamen Unterricht, mehrere Stunden am Tag, Aufgaben, welche wir in einer gewissen Zeit bewältigen mussten und Übungen, welche wir ständig wiederholen mussten. Manche waren einfach, andere Schwerer. Also unterscheidet diese speziellen >Hexenschulen<, >Magieschulen< oder wie immer man sie nennen mochten, kaum von denen, welche normale Menschen besuchen. Einige Menschen, welche nicht wissen, dass ihr Erbgut auf ein Anderwesen, oder eine magiebegabte Person zurückzuführen ist, besitzen außergewöhnliche Fähigkeiten. Sie lernen zu schweben, Dinge zu sehen, hören, oder zu riechen, welche sie überhaupt nicht dürften, oder besitzen eine andere, überragende Gabe.
Von meinem Mentor, meinen Eltern und Lehrern, lernen alle Hexen und Hexer sehr früh, dass wir mit unseren Kräften niemals vor normalen, unwissenden Angeben dürfen. Niemals dürfen sie etwas über uns erfahren, denn das könnte ihnen Angst machen.
Menschen lieben natürlich die Macht, sie nutzen sie aus, benutzen sie für ihre eigenen Zwecke. Doch wenn man Naturkräfte, wie die, welche wir Anderwesen besitzen, in deren Hände lege, kommt selten etwas gutes dabei heraus. Hexenverbrennungen? Massenmorde? Rassenteilung? Sklaverei? Ausbeutung von Rohstoffen?
Man kann wohl nicht behaupten, dass der Mensch, oder die Menschen, in eine Schublade zu stecken sind. Nicht alle.
Aber sind wir Anderwesen es denn? Das ist eine Frage, die ich mir bereits seit Jahren stelle. Wie können wir, Hexen, Menschwesen, Werwesen, oder was auch immer, uns über einen Menschen stellen? Wir sind wild, mächtig und neigen zur Selbstüberschätzung.
Aber es gibt etwas, dass uns alle zusammen hält. Das ist die Angst, von den Menschen entdeckt und gefürchtet, oder noch schlimmer, gejagt zu werden. Rein hypothetisch gesehen, was würde geschehen, wenn die Menschen uns auf die Schliche kommen? Was könnte passieren, wenn die gesamte Welt von uns erfährt, wir ihnen erzählen, was wir sind, dass wir bisher in ihrem Schatten gelebt haben? Würde man uns akzeptieren? Vermutlich teilweise. Würde man uns ausnutzen? Erforschen? Oder zwingen Dinge zu tun, welche bloß wir vermögen? Mit Sicherheit. Ausschlachtung von Ressourcen ist Menschen immer schon leicht gefallen.
Das nächste Szenario, was aufgrund des erstens, also logisch wäre, ist uns über die Menschheit zu erheben. Sie auszulöschen und somit das Überleben der letzten Reinrassigen zu optimieren. Niemand könnte mehr einen Mischling mit einem Menschen bekommen.
Aber zu was würde uns das machen? Zu machthungrigen Massenmörder? Sieben Milliarden Menschen. Laut Statistik sind mehr als zwei Milliarden davon Reinrassige, oder Mischlinge. Vielleicht sogar etwas mehr?
Was bleibt also danach? Jede Menge Arbeitsplätze selbstverständlich. Unnötige Waffen, da wir unsere eigenen besitzen. Viel Platz und Ressourcen.
Trotzdem, zu was würde uns diese Tat machen? Wir sind nicht bloß Tiere, wir stellen uns nicht aufgrund unserer Macht über die schwächeren.
Wir sind aber auch nicht bloß Menschen, mit >übernatürlichen Fähigkeiten<. Was sind wir?
Meine Mutter antwortete mir einst auf diese Frage, dass wir das werden, zu was wir bestimmt und geformt wurden. Es gibt nicht so etwas wie Schicksal. Selbst ist der Mensch. Es kommt darauf an, was du tust, was du willst und was du bereit bist dafür zu geben um es zu bekommen. Bist du ein Kämpfer? Oder eher ein Stratege? Vielleicht sogar ein gemütlicher Geist? Oder Angsthase?
Damals kannte ich die Antwort nicht. Heute fühle ich mich nicht mehr danach, diese Frage zu beantworten, da mein Leben sich eher danach anfühlt, als würde es zwischen den Welten schweben. Ich gehöre nicht zu den Menschen, auch wenn ich exakt wie einer aussehe. Auch gehöre ich nicht zu den Hexern, obwohl ich Magie benutze. Doch zu den anderen Anderwesen gehöre ich bloß, wenn sie etwas von mir brauchen.
Also zu was wurde ich durch meine eigenen Entscheidungen, durch das Formen meiner Eltern und meinen Erfahrungen? Ein Schatten. Daher nennt man Leute wie mich auch Schwarzmagier.
Wir gehören nicht mehr zur vorzeigbaren Gesellschaft. Wir halten uns nicht mehr an die in Stein gemeißelten Gesetze. Leute wie ich, erschaffen ihre eigenen Regeln, genauso wie es ihm, oder ihr gefällt.
„Ted? Hörst du mir überhaupt noch zu?“
Langsam hob ich meinen Blick von der alten Schrifttafel. Sie stand in einer alten Sprache der Hexer, die heute bloß noch die Druiden benutzen. Eine Liste mit Lebensverlängernden Mittelchen stand darauf, so klein und antik, dass sie beinahe schon verblasste. Sanft ließ ich meine Magie über diese alte Steintafel streifen, hob die Schrift hervor, polierte den Stein und ließ ihn etwas neuer aussehen. Schmunzelnd stellte ich das alte Teil zurück an seinen Platz und blickte zu den beiden, ebenfalls wie ich, in schwarz gehüllten Gestalten.
Eine von ihnen, reichte dem anderen, stämmig gebauten Schwarzmagier, gerade einmal bis zur Schulter, auch ich war fast einen Kopf kleiner als er. Soviel ich von Em wusste, war er früher einmal ein angesehener Spieler in einer Sportart der Hexer. Man nennt es Hexagon. Das Spielfeld war genauso aufgebaut, wie es der Spielname bereits verrät, sechseckig. Auf jeder Fläche standen gut von zehn, bis zwanzig Junghexen. Die Altersklasse wurde hierbei zwischen dem ersten Gebrauch seiner Magie, bis zur Volljährigkeit eingegrenzt.
Bevor Em damals verbannt wurde und als Schwarzmagier nun seinen Unterhalt verdiente, war er ein Spitzenspieler. Ein grandioser Luftmagier, der jeden Angreifer von sich halten konnte, gut über eine halbe Stunde lang. Von allen Seiten stürmen die so genannten >Läufer< auf den >König< der im Mittelpunkt des Hexagons steht, zu. Sechs verschiedene Mannschaften von verschiedenen Schulen, die gegeneinander spielten, und versuchten den König zu berühren. Wenn eine Person den König berührt, gewinnt die Mannschaft und erhält einen Punkt. Der Spieler, welcher im Mittelpunkt steht, muss alle Mannschaften, außer seiner eigenen natürlich, davon abhalten ihm zu nahe zu kommen und den Punkt zu verdienen. Das tat er mittels seiner Elementarmagie, sei es Wasser, Erd, Luft, oder Feuermagie.
Dieses Spiel konnte durch aus brutal werden, häufig ging nicht weniger als ein bis zwei Spieler mit einem Knochenbruch daraus hervor und der König, musste fünf Seiten gleichzeitig im Auge behalten, sodass ihm auch wirklich niemand zu nahe kam.
Ich hatte Ems Karriere, bis zu seiner Volljährigkeit, im Fernseher verfolgt. Es gab einen Sender, der dieses Spektakel ausstrahlt, doch nur Magier wissen, wie darauf zugreifen können.
Als Em vor vierzehn Jahren plötzlich, in schwarz gehüllt das erste Mal vor mir stand, erkannte ich ihn an seinem Hinken am linken Bein. Ich wusste, wie er es sich zugezogen hatte. Auch wusste ich, dass derjenige, der ihm das Gefühl im linken Bein genommen hatte, nun tot war. Aber das spielte für Leute wie mich keine Rolle. Ich mochte Em. Er war ein guter Kerl.
Auch Sev, wenn sie auch etwas exzentrisch war, ist ein nettes Mädchen. Wie alt sie ist, oder wie lange sie und Em sich bereits kennen, weiß ich nicht. Sev sprach damals, als ich sie das erste Mal traf, kaum ein Wort englisch. Das ist nun gut vierzig Jahre her. Nun spricht sie vier Sprachen fließend und kann so gut wie jede Lesen. Sie ist ein Naturtalent, auch was ihre Fähigkeiten angeht und Klug, wie niemand den ich kannte.
Zusammen waren sie allwissend und unbesiegbar. Weshalb sie mich so sehr mochten, verstand ich bis heute noch nicht.
„Ted?“ Em legte seine breite Hand auf meine zerbrechliche Schulter, doch er bereitete mir keine Schmerzen.
„Entschuldige. Ich... stehe etwas neben mir.“ Vielleicht mochten sie mich ja, weil ich mich gut in Totenmagie auskenne. Sev kennt viele Sprüche, so wie alle möglichen Varianten, doch ihre Kräfte waren nicht dazu gemacht, sie auch benutzen zu können.
Ich wiederum hasste die verbotene Totenmagie. Sie erlaubte es, ewig zu leben, jede Verletzung zu heilen, oder jemandes Lebensenergie bedrohlich lange hinauszuzögern. Diese Sprüche und Elixiere waren alles andere als Spielzeuge für Unwissende.
„Du willst also sagen, dass du von alldem wusstest? Trotzdem hast du uns abblitzen lassen? Weißt du eigentlich, dass du ein Arschloch bist?“
Sev wollte auf mich losgehen, mir ins Gesicht schlagen, doch ich hielt sie nicht auf. Derjenige, der sie aufhielt, war Em. Mit seinem kontrollierten Charakter konnte er den wilden von Sev ganz einfach zähmen. Oder sie einfach in den Schwitzkasten nehmen.
„Lass mich los, du dummer Pavianarsch!“ Zickte sie ihren guten Freund an und boxte ihm sogar in die Nieren. Wenn es weh getan hatte, ließ er es sich zumindest nicht anmerken.
„Jetzt lass es ihn zurrst einmal fertig erzählen.“ Tadelte und beruhigte er Sev.
Schmollend gab sie nach. „Na gut, wenn es denn sein muss.“ Vorsichtig, prüfend ob sie auch nicht wieder etwas versuchte, ließ Em seine Freundin los, die sich energisch die Haare richtete. „Männer.“
Schmunzelnd ließ ich mich auf eine alte Klappcouch sinken, lagerte meine Beine hoch und überlegte, was ich den beiden noch nicht erzählt hatte, daher fasste ich zusammen. „Die Prinzessin ist tatsächlich Edelle Black, so wie ihr es vermutet hattet.“ Ich befand mich nun bereits seit über einer Stunde in dem unterirdisch liegenden Versteck der beiden. Sie leben immer drei Jahre an einem Ort, manchmal länger, manchmal nicht, dann zogen sie weiter. Bisher hatten sie relativ viel über Edelle Black, Coria Black und sogar über Elth, der sich anfänglich als Sam ausgegeben hatte, herausgefunden. Zwar hatte erst ich ihnen gesagt, dass Sam kein Händler war, was sie angenommen hatten, sondern lediglich ihr Mischlings-Wächter. Das mit dem Gefährten hatte ich getrost ausgelassen.
„Aber sie wurde die letzten Monate nicht von den Menschen gefangen gehalten, sondern lebte bei einem Engel namens Gael, der jetzt tot ist.“ Selbst Engel konnten nicht alles überleben. Auch wenn Reinrassige dies immer einmal gerne behaupteten. „Seit acht Tagen lebt die Prinzessin nun bei mir, doch leider sind wir recht angreifbar. Jedes Mal, scheint es, als würden die Menschen stärker werden.“
Sev nahm neben mir Platz. „Das ist aber seltsam, denn ihr tötet sie doch, da können sie überhaupt nicht stärker zurückkommen.“
Das hatten Em und Sev bereits in Erfahrung gebracht. Viele Menschen gab es nicht, welche von der Existenz solcher Wesen und Mischlingen wie uns wussten, noch weniger schlossen sich gegen uns zusammen. Wenn es also eine militärische Einheit war, dann sollten sie uns doch eigentlich viel effektiver Angreifen und nicht als würden wir ein Level nach dem höher steigen. Das war völlig absurd.
„Das haben wir doch.“ Verteidigte ich mich. „Aber sie kommen trotzdem jedes Mal ein wenig stärker zurück. Beim letzten Mal, konnten sie mich sogar ausschalten, bis die Prinzessin mich von den magischen Siegeln befreit hatte...“
Sev stoppte mich. „Moment, was sagst du? >Magische Siegel<? Das ist doch nicht dein Ernst, oder? Bloß die Zirkel dürfen auf solche barbarischen Hilfsmittel zurückgreifen. Kein Mensch!“ Das letzte Wort spukte sie geradezu angewidert aus. Eigentlich hatte Sev nichts gegen die Menschen, so viel ich wusste. Aber sie hatte recht. Diese Fessel verursachen so große Schmerzen, physisch wie auch psychisch, dass man von ihnen bereits nach einigen Stunden verrückt wurde, wenn man sie nicht entfernte.
Damit fing man zumeist magische >Verbrecher< wie uns Schwarzmagier, um sie widerstandslos vor den Rat zu bringen. Zum Glück hatte mich die Prinzessin rechtzeitig befreit, bevor ich ernsthaften Schaden hatte erleiden können. Nach gut fünf Minuten unter dem Einfluss dieser Schmerzen, konnte man meist tagelang seine Kräfte nicht mehr benutzen.
„Seht mich nicht so an, ich weiß auch nicht woher sie eine Waffe der Hexer haben. Vermutlich haben sie eine geklaut? Was weiß ich.“
Em warf mir einen unverständlichen Blick zu. „Niemand kann eine solche Waffe stehlen, Ted.“
„Besonders kein einfacher Mensch.“ Erinnerte Sev mich zusätzlich.
Genervt verdrehte ich die Augen. „Ich weiß es doch auch nicht. Seht mich niciht so an, als wäre ich schuld daran.“ Schnauzte ich die beiden beleidigt an. Sie taten gerade so, als wäre ich beteiligt daran gewesen, als das Siegel gestohlen worden war.
„Das sagen wir doch überhaupt nicht. Alleine schon deshalb ist es zweifelhaft, da niemand, kein einziger Hexer, jemals freiwillig so ein... Ding anlegt.“ Stimmte mir nun Em zu, wofür ich ihm dankbar war.
„Konnte ja sein, dass du deine Unfähigkeit einfach verschleiern wolltest.“ Scherzte nun Sev ebenfalls.
„Ihr seid beide charmant wie eh und jäh.“ Grinste ich zurück, doch wurde einen Moment später wieder ernst. Ich war nicht hier zum Scherzen. „Sei es darum. Ich bin hier, um euch, um eure Hilfe zu bitten. Nicht für mich, sondern für unsere Prinzessin. Sie wird in Zukunft auch eure Königin sein.“
Überrascht schnappten beide nach Luft. „Sie wird über die Hexen herrschen?“
„Sollten wir uns dann nicht lieber bedeckt halten?“
Ich konnte die Zweifel nicht bloß in ihren Augen sehen, sondern auch in der Atmosphäre spüren. Sie hatten beide Angst. Natürlich hatten sie die, immerhin kannten sie Edelle Black nicht. Nicht so wie ich sie kennen lernen durfte. „Das dachte ich ebenfalls anfänglich.“ Bestätigte ich Em. „Aber Edelle ist ein guter Mensch. Außerdem wird sie die nächsten Jahre, ganz andere Probleme als ausgestoßene, als wie uns haben. Mit Hexen hatte sie bisher kaum etwas zu tun, daher hat sie viel aufzuarbeiten, doch ein Talent für Magie hat sie tatsächlich bereits.“ Musste ich eingestehen. Bisher hatte sie keine Verwandlung zusammen gebracht, doch die Magie behandelte sie, als hätte sie eben das Fahrradfahren gelernt. Ein Naturtalent, doch noch etwas ungewohnt.
„Hat sie bereits jemanden erwählt? Weder Em und noch weniger ich selbst, können uns anbieten.“ Erinnerte mich Sev. Dass ich ein Reinrassiger bin, wussten die beiden bisher noch überhaupt nicht.
„Dafür wurden Vorkehrungen getroffen, keine Sorge.“ Bestätigte ich den beiden.
Skeptisch blickten sich die beiden an. Als würden sie sich stumm unterhalten, was ich ihnen nicht einmal verübeln konnte, verfiele die beiden für einige Minuten ins Schweigen, dann wandten sie sich wieder an mich.
Bestätigend nickten die beiden.
„Wir werden der Prinzessin bei stehen, doch werden wir sie morgen Nacht wieder verlassen.“ Versprach mir Sev.
„Alles was danach geschieht, liegt in deinen Händen, Ted.“ Erinnerte mich Em.
Bestätigend nickte auch ich. „Das ist mir bewusst, doch ich kann euch versichern, dass Edelle nichts von euch beiden, oder mir erwähnen wird.“ Auch wenn sie von diesem Abkommen noch nichts wusste. Von mir aus konnte sie auch getrost ein Mensch bleiben. Das hatte mich nicht zu interessieren. Trotzdem, lag mir dieses junge und noch unerfahrene Geschöpf am Herzen.
Edelle Black war mit Abstand eine der liebenswertesten Menschen, die ich jemals treffen hatte dürfen.
Nun konnte ich bloß noch hoffen, dass auch nach ihrer Krönung, ihre Worte noch von Bedeutung sein würden. Der Zirkel kannte sich mit Druck aus und so eine junge Königin, war leicht zu beeinflussen.
Eine böse Vorahnung meldete sich in meinem Kopf. Immerhin musste eine Königin, oder eine generell starke Hexe, nicht zwingend zu den >Guten< gehören.

17. Das Blut unserer Erblinie, wie auch auf dem Boden

Lissy:
Mein Gespräch mit meinen Kindern verlief recht Tränenreich. Bisher war ich niemals länger als ein paar Stunden von ihnen getrennt gewesen. Sie fehlten mir, wie nichts anderes auf der Welt. Mein Herzschmerz nach meinen kleinen Babys, auch wenn zwei von ihnen bereits fast selbstständig waren, zerfraß mich innerlich, während ich zu Abend aß, oder während ich gedankenverloren vor dem Fernseher saß um meine Gedanken zu ordnen. Ihn laufen zu lassen, auch wenn ich überhaupt nicht zuhörte, besänftigte mein gieriges Herz ein wenig.
Und ja, ich bin eindeutig eine gierige Person. Vielleicht bin ich, anders als Elth, nicht unbedingt gierig auf Geld, auf ein großes Haus und jede Menge Freiheiten. Meine Gier zerfraß mich auf eine andere Weise. Und seit Dells Verlobung wusste ich auch weshalb.
Manche sind gierig nach Anerkennung, nach Freunden, Dingen, Geld, oder Suchtmitteln. Ich jedoch war auf eine andere weiße gierig. Auf eine ganz und gar schreckliche weise. Meine Gier war die Kontrolle, der Besitz eines Lebens. Ich wollte nicht bloß, dass meine Kinder bei mir sind, ihrer Mutter. Nein, das Einzige, was ich mir wünsche, was ich mir jemals gewünscht habe, ist eine Familie. Solange ich zurückdenken konnte, war ich mit meiner Mutter alleine. Alle anderen Menschwesen besaßen Kinder, Großeltern oder andere Verbindungen. Ich jedoch bin bloß mit meiner Mutter aufgewachsen. Nachdem wir entschieden, eigene Wege zu gehen, traf ich auf Elth. Mit ihm war ich wieder alleine.
Natürlich war unser gemeinsamer Vater ebenfalls manchmal bei uns, doch er war niemals bei >mir<. Nicht richtig, nicht so wie es Vater und Tochter sein sollten. Er hatte meine Mutter und mich verlassen, lange bevor ich auf die Welt gekommen war. Wir hatten uns alleine durch geschlagen, alleine gelitten und geliebt. Und Elth war unserem Vater so ähnlich, dass es mir etwas unheimlich vorkam.
Natürlich verband ich viele glückliche Erinnerungen mit ihm. Er war einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben, trotzdem konnte er mir eines niemals geben. Dies holte ich mir, nachdem ich meinen ersten Sohn empfing. Jacob war ein wildes und meist ungehorsames Kind, doch er liebte es mit mir zu kuscheln, er zeigte mir offen seine Liebe. Genauso wie Logan, der bloß wenige Jahre darauf folgte. Trotzdem schien ich mich noch nicht wohl zu fühlen. Seit über einem Jahrhundert hinderte mich irgendetwas in meinem Kopf, daran, richtiges Glück zu empfinden. Ich gierte nach einer großen Familie, einer Einheit, die immer zusammen hielt, sich liebt, schätzt. Ich bekam es, trotzdem... es war noch nicht genug. Nicht einmal mit meinem kleinen Matthew.
„Liss?“ Ich hatte ihn gehört, noch während er aus seinem Zimmer gekommen war. Gehüllt in seinem dunklen, magischen Mantel und bewaffnet mit seiner seltsamen, gezahnten Waffe, stand er im Eingang zum Wohnzimmer. „Ich werde für ein paar Stunden verschwinden. Aber ich werde es spüren, wenn jemand den Bann überschreitet, den ich über das Haus gelegt habe. Seid trotzdem vorsichtig, ja?“
Durch den Schleier, den die Kapuze seines Magiermantels mit sich brachte, versuchte ich einen Gesichtsausdruck zu erkennen.
Was dachte er wohl im Moment? Was hatte er vor? Wo wollte er hin? Alles in mir schrie danach, es zu erfahren. Ich wollte, dass er sich mir mitteilte, mir anvertraute. Doch das einzige was ich tat, war kurz zu nicken, meinen Blick dem Fernseher zu schenken und wahllos durch das Programm zu schalten.
Ja, meine Gier wollte schon immer mehr. Sie wollte so erschreckend vieles, dass ich mich manchmal fragte, ob ich nicht zu eigensinnig handelte. Elth hatte ich natürlich niemals von diesem Wunsch erzählt. Wie könnte ich denn auch? Er würde es niemals verstehen.
Elth hatte immer jemanden um sich. Da war immer jemand, der ihn liebt und akzeptiert. Natürlich liebt und akzeptiert Elth mich genauso, wie ich ihn. Aber dies war nicht das, was ich brauche. Es war nicht das, wonach ich mich bereits so lange sehnte, dass ich nicht einmal wusste, wann es begonnen hatte.
„Ist alles in Ordnung? Du bist seit heute Morgen so seltsam.“
Ich und seltsam? Das sind doch alle Menschwesen. Wir alle haben unsere Eigenheiten, sind leicht reizbar, überempfindlich und leben gerne am Limit. Kämpfen war eines der schönsten Dinge, welche es in unserem Leben gab.
Teraz ging neben mir in die Hocke und zog damit meine, nicht vorhandene, Aufmerksamkeit vom Fernseher auf ihn. „Nichts ist los. Ich warte bloß darauf, endlich meine Kinder wieder in meinen Armen zu spüren. Bald beginne ich damit die Sekunden zu zählen.“ Meine Stimme triefte vor Kälte und selbst Teraz wusste, dass ich nicht die Wahrheit sagte.
„Du bist immer noch wütend auf mich, oder?“
Verwirrt darüber, weshalb ich wütend auf ihn sein sollte, hob ich eine Augenbraue.
„Ich sagte doch bereits nein, oder?“
„Ist es, weil sich Elth und Edelle verlobt haben? Findest du es noch zu früh?“
Natürlich fand ich es noch viel zu früh, doch wir wussten alle, dass sie Gefährten sind. Gefährten, die auf der Messers Schneide liefen. „Teraz...“ begann ich seufzend. „Ich muss mit dir nicht über irgendetwas reden. Wie du bereits sagtest. Wir sind keine Freunde. Du erweist deiner zukünftigen Königin lediglich einen Gefallen. Mehr nicht.“ Auch wenn ich die beiden letzten Sätze nicht von ihm wiederholte, stimmten sie trotzdem. Dabei zerriss es mir mein Herz beinahe endgültig. Wie kann bloß so ein schutzloser kleiner Muskel, so viele Schmerzen ertragen? „Außerdem sind es meine Gefühle, meine Gedanken. Ich muss sie nicht mit dir teilen, oder?“
Da Teraz seine Kapuze bereits abgestreift hatte, damit ich ihm auch ja in die Augen sah, konnte ich nun auch erkennen, dass ich ihn tief verletzt hatte. Tiefer, als dass ich es hatte erwarten können, geschweige denn wollte.
Kopfschüttelnd verschloss sich Teraz, sichtlich, wieder von mir und kam auf die Beine, während er seine Kapuze wieder über streifte. Sofort verschwand das von mir immer ersehnte dunkelblaue Licht aus seinen Augen, und nichts weiter, als schwarzes Nichts war in seinem Gesicht zu erkennen. „Du hast recht. Ich habe ohnehin keine Zeit für einen Plausch. Aber wie gesagt, ich bin bald wieder...“
Teraz wollte sich in den Flur zurückziehen, da er dort den meisten Platz, für eine magische Reise hatte, doch ich hielt ihn am Ärmel fest. „Ter...“
Der Schwarzmagier wandte sich mir nicht mehr zu, sondern lauschte einfach den Worten, welche ich unbedingt aussprechen wollte. Den Worten, mit denen ich endlich ehrlich sein wollte, ihm verraten, was mich beschäftigt. Ich wollte, dass er es hörte, ich wünschte mir, dass er endlich verstehen konnte, das meine Liebe von damals niemals aufgehört hatte.
Aber da war auch eine Angst. Eine Angst, die ich nicht kannte. Ein Kloß bildete sich in meiner Kehle, hinderte mich daran, das auszusprechen, was so dringend aus meinem Herzen entfliehen wollte, doch was, wenn er mich wieder ablehnen würde? Könnte ich seine Zurückweisung ein weiteres Mal überleben?
Ich konnte mich noch zu gut daran erinnern, wie schäbig, klein und verletzt ich mich nach unserem ersten Mal gefühlt hatte. Auch wenn Teraz es mehrfach wiederholt hatte, dass er nicht mit mir schlafen dürfte, so war es eindeutig gewesen, dass er es wollte, es gerne tat. Ihm hatte es etwas bedeutet, genauso wie mir. Trotzdem war er geflüchtet und hatte mich als ein Häufchen Elend zurückgelassen.
Damals wusste er nichts von meinen Gefühlen, und ich wusste das alles war meine Schuld gewesen. Aber heute? Heute würde er es wissen, alles. Und wenn er mich dann zurückwies... Was würde dann von mir übrig bleiben? Als was würde ich zu meinen Kindern zurückkehren?
Nein. Ich konnte ihm das alles nicht sagen. Dafür war meine Angst einfach viel zu groß. Und ja, um ehrlich zu sein, ist es das erste Mal, dass ich mich vor etwas fürchtete, oder gar >jemandem<.
Langsam ließ ich Teraz Ärmel los, zog meine Beine wieder auf das Sofa und griff nach der Fernbedienung. „Lass die Prinzessin nicht zu lange warten.“ Das dabei ein tiefes, kehliges Knurren aus meinem Hals kam, konnte ich nicht vermeiden. Zu groß war meine Wut über mich selbst.
Rauschelnd verschwand der Schwarzmagier in seinem endlos dunklen Loch, welches er mittels Erdmagie erzeugte.
Wieder einmal hatten wir uns voneinander entfernt. So war es schon, als wir noch klein gewesen sind. Entweder stieß ich ihn von mir, oder er mich. Na gut, meistens stieß er mich fort, da ich eine anhängliche, nervige kleine Göre gewesen bin. Aber dieses unerfahrene goldbraune Monster war ich doch heute nicht mehr. Ich bin erwachsen geworden, reifer. Außerdem habe ich drei unglaublich süße Kinder. Vielleicht werde ich noch mehr haben, immerhin konnte ich mir nichts Schöneres als eine große, weitläufige Familie vorstellen. Und wenn Teraz nicht dabei war, was machte das schon?
Frustriert über meine Gedanken, die einfach bloß sinnlos waren, da ich das Ende ohnehin bereits kannte, schaltete ich den Fernseher aus, ging hoch und sprang unter die kalte Dusche.
Bloß mit Fell bekleidet, glitt ich danach in meine volle Verwandlung. Es tat gut, einmal wieder auf vier Pfoten zu laufen, doch wie bei jedem Mischling, hatte ich so meine Probleme in dieser Verwandlungsphase. Elth hatte seine Probleme mit der Zwischenverwandlung. Wenn er erschöpft war, oder hungrig, dann konnte er sie nicht aufrecht erhalten und wurde von seinem eigenen Körper in den Körper der Raubkatze gezwungen.
Ich jedoch hatte weder mit meiner menschlichen Form, noch mit meiner Zwischenform irgendein Problem. Dies hatte ich bloß in der Vollen. Um es kurz zu halten, ich war einfach tollpatschig. Meine Bewegungen waren bei weitem nicht so geschmeidig, wie die meines Bruders, geschweige denn dass ich seine stattliche Größe erreichte.
Etwas wankend ging ich auf den Ganzkörperspiegel des Zimmers zu und betrachtete meine schlanke Gestalt. Meine dunklen Flecken hoben sich deutlich von meinem goldenen Fell ab und die Tränenstreifen, welche sich von meinen Augenwinkeln, hinab zu meinen Wangen zogen, ließen meines äußeres traurig wirken. Geradezu bedrückt.
Vermutlich zeigte es mein wahres Gesicht. Eine einsame Raubkatze.
Seufzend glitt ich zurück in meine Zwischenform. Meine Tränenstreifen, welche sich aus meinen Augenwinkeln, hinab zu meinen Wangen zogen, waren immer noch deutlich zu sehen. Sie verrieten, was für eine Art Raubkatze ich in mir beherbergte... Was ich widerspiegelte. Eine der schnellsten Läufer der Welt, keine Beute konnte mir, danke meines menschlichen Verstandes Entkommen, egal wohin diese floh.
Mein hellblaues Haar, welches bloß noch ausgewaschen über meine Schultern hing, wirkte etwas fehl am Platz. Ein Gepard mit blauen Haar? So etwas hatte mir schon immer gefallen. Exotisch unter den Exoten zu sein.
Stolz reckte ich mein Kinn, wackelte aufgeregt mit meinem Schwanz und fauchte mein Spiegelbild an. Das bin ich. Das ist es, was ich wirklich bin. Eine einsame, exotische Wildkatze. Bloß wieso? Weshalb wollte mein gieriges Herz immer mehr, als dass es bereits hatte?
Nach einer gefühlten Ewigkeit, war ich endlich trocken. Ich glitt zurück in meine menschliche Gestalt und schlüpfte in eine kurze Hose, welche sich Dell immer so gerne von mir borgte und zog über mein Trägershirt eine dünne Weste. Eigentlich war es viel zu heiß für eine Weste, doch mein Körper ist eine ganz andere Hitze gewohnt. Das bisschen würde mir niemals schaden.
Gerade als ich hinab ging, um im Garten zu patrouillieren, nahm ich den schwachen Geruch nach Feuer wahr.
Mein erster Gedanke führte mich in die Küche, doch daher kam es nicht. Es schien von außen zu kommen und reizte meine Nase unnatürlich stark. Das war definitiv kein normales Feuer, doch was war es dann? Neugierig, schlich ich durch den Hinterausgang, welcher aus dem Wohnzimmer führte, hinaus und reckte meine Nase in die Höhe. Es roch nicht danach, als würde ein Nachbar grillen, dafür war es viel zu süßlich. Eher roch es nach... Fleisch? Oder nach verbrennenden Haar?
„Oh! Scheiße!“ So schnell ich konnte, lief ich zurück in die Küche, schnappte mir den größten Topf, den ich finden konnte und befüllte es mit Wasser. Mit dem schweren Utensil, lief ich wieder nach draußen und schüttete fünf Liter über den brennenden Flügel. Engelsflügel waren nicht anfällig auf Feuer, doch da diese bereits seit einigen Tagen, bloß noch totes Gewebe waren, fraß sich das Feuer, fast ohne Mühe durch die zarten, weichen Federn.
Mit einem ordentlichen Ruck, verteilte ich das Wasser auf dem gesamten Flügel und das Feuer erlosch zischend. „Was sollte denn dieser Scheiß?“ Rief ich laut über die weiten Felder. Nichts und niemand rührte sich.
Knurrend sah ich mich in die Richtung des Hauses um, wo ich Dell am Fenster stehen sah, mit einem erschütterten Gesichtsausdruck. Wer konnte es ihr schon verdenken? Diese Menschen... nein, in diesem Fall waren es richtige Monster, welche sich über die Prinzessin lustig machten.
Wütend geworden, riss ich meine Kleidung vom Körper, welche ich eben erst angezogen hatte und glitt in meine Zwischenform. Genüsslich nahm ich wahr, wie sich jeder Zentimeter, von >menschlich< in >tierisch< verwandelte und die Perfekte Waffe bildete.
„Bleib da!“ Rief Elth vom oberen Stockwerk aus, doch ich lief bereits. Meinen Füßen erlaubte ich diese Freiheit, lief so schnell, wie es keiner anderen Raubkatze dieser Welt möglich war und zischte als gefährliche Waffe, über die weiten Felder.
Auch wenn der Mensch, welchen ich bereits auf einem Hügel erkennen konnte, einen deutlichen Vorsprung genoss, so hatte er trotz allem keine Chance. Nicht gegen jemanden wie mich! Keiner von ihnen hatte es!
Noch bevor ein Fernschütze, aus der Ferne den Abzug betätigte, hörte ich wie er tief ausatmete um seinen Körper ruhig zu bekommen. Ich fixierte ihn, während des Laufes mit meinem Blick, stellte meine Augen schärfer, sodass ich ihn klar und deutlich im Baum erkennen konnte, doch wich seinem Schuss, mit einer grazilen Bewegung aus. Ein Sprung, eine kleine Drehung, und schon war ich wieder außerhalb seiner Reichweite, während das hektisch pumpende Herz meiner Beute klar wurde, dass sie geliefert war.
Innerhalb weniger Minuten hatte ich sie eingeholt, zwar schoss er auf mich, doch seine Waffe, streifte mich bloß und zog eine dünne rote Spur über meinen Unterarm, doch das war nicht wichtig. Es war bloß ein Streifschuss.
Mit einer Kraft, welche bloß ein Menschwesen besitzen konnte, holte ich mit meiner unverwundeten Hand aus, zog meine Krallen, mit Schwung, über den Rücken des Flüchtlings, sodass er mit einem gequälten Schrei auf dem Boden landete.
Lachend, schlitterte ich über das Unebene grün und zog eine lange Bremsspur. Langsam kam ich zu meinem Opfer zurück und drehte es mit einem Ruck auf den Rücken.
„Bit.. Bitte! Ich tu alles, was du willst.“ Bettelte der Man nun sein Leben, gerade in dem Moment, in dem ich ausholen wollte um ihm den Todesstoß mittels meiner Krallen zu geben.
Für einen Moment hielt ich inne und knurrte aus der Tiefe meiner Kehle. „Meine Familie... fasst niemand an!“ Ich sprach so tief, sodass meine Stimme mehr nach einem Knurren, als nach richtigen Worten eines Menschen klangen. Die Stimme eines Raubtieres. „B-Bi-Bitte! Ich fle... ch...“ So schnell, dass er die Bewegung nicht einmal sehen konnte, schnitt ich ihm die Kehle auf und ließ ihn an seinem eigenen Blut ersticken.
„Zwar kenne ich dich nicht, Gael. Aber du hast Dell viel bedeutet.“ Flüsterte ich in den Wind. „Dieses Opfer soll dich einigermaßen rächen.“ Ich wischte das restliche Blut in die Wiese und atmete tief durch.
Der Lauf hatte doch etwas mehr von mir gefordert, als erwartet. Trotzdem fühlte ich mich so befriedigt, wie bereits seit Wochen nicht mehr. Wann bin ich denn überhaupt das letzte Mal so viel gelaufen? So richtig mit Jagd und Tod. Das hatte schon seinen eigenen Reiz.
„Wie langweilig.“
Vor Schreck bauschte ich meine Nackenhaare auf und fauchte zornig. Ich hatte weder gehört, noch gerochen, dass sich mir jemand näherte, daher war ich umso überraschter, als plötzlich ein Teil meiner Vergangenheit vor mir stand. Etwas größer als ich, mit beinahe identisch derselben Körperform, wie Elth, stand diese Person vor mir. Seine vampirischen Reißzähne, ragten an seinem Oberkiefer hervor und sein katzenartiges Gesicht, war zu einer knurrenden Fratze verzogen.
So etwas passierte, wenn man zu viel von zwei verschiedenen Genen in sich trug. Nicht genug, um ein Menschwesen zu sein, auch nicht genug, um ein Vampir zu sein. Im Gegensatz zu dieser Person hatten es Elth und ich recht gut erwischt, denn wir besaßen drei Verwandlungsformen. Dieser Mann, jedoch bloß seine jetzige Erscheinung. Während seine Beine die eines hoch gewachsenen Geparden, in seiner Zwischenform waren und ihm ein beweglicher, von Narben gekennzeichneter Schwanz am Steißbein heraus wuchst, war er von dieser Stelle an, aufwärts menschlich. Seine kahle Brust, wirkte in dem Licht, der langsam, aber doch, untergehenden Sonne etwas fehl am Platz. Es sah so aus, als hätte man seinen Brustkorb, zufällig einfach einmal nebenbei ausgetauscht. Vom Hals aufwärts jedoch, lagen seine Wangen bereits wieder in einem flauschigen goldbraunen Fell, welches die spitzen Zähne eines Raubtieres, gekonnt versteckte. Auch seine Augen konnte er nicht verstecken, jedoch die vampirischen Reißzähne verbergen.
In so vieler weise glich er Elth, doch unterschieden sie sich unglaublich. Elth war einfach viel zu gutherzig und emotional, um mit einer gierigen Bestie wie dieser verwandt zu sein.
„Hallo... Vater.“ 

 

- - - - -

 

 So wütend hatte ich Elth noch nie erlebt. Er schrie mich an, fluchte über mein Schicksal und war richtig außer sich. Zum Ende hin, da er sich immer und immer wieder wiederholte, saß ich bloß noch gelangweilt im Bett und tat so, als würde ich ihm noch zuhören. Mit meinen Gedanken jedoch, spielte ich die Szenarien durch, welche mir noch bevorstehen würde. Ich, die Königin der Hexen? Natürlich musste ich zugeben, dass ich mir mit Magie recht einfach tat und war sehr froh, dass Teraz, der Schwarzmagier mich unterrichtet hat. Mit ihm hatten wir generell großes Glück gehabt. Ich wüsste nicht, wo wir heute, ohne ihn ständen. Vermutlich irgendwo im Wald, auf der Flucht vor diesen verrückten Menschen?
Seufzend betrachtete ich Elth, da er sich schon wieder in seiner Zwischenform befand und unablässig seine Krallen irgendwo hinein warf. Mittlerweile wirkte das Gästezimmer eher nach einem großen Tigerkäfig, dank den vielen Kratzspuren. „Du hörst mir überhaupt nicht mehr zu, oder?“
Mein Blick glitt abermals zu ihm, doch dieses Mal, fühlte ich mich schuldig. Elth traf meine Entscheidung hart und ich wusste auch, dass er mich selbst als Mensch weiter lieben würde, doch wir beide wussten, dass dies nicht meine Welt ist. Das war sie nie und würde sie auch niemals sein. Als Hexe konnte ich wenigstens ein Teil von alldem sein, was auch Elth ist. Dann konnte auch ich ihn beschützen und nicht immer umgekehrt. „Entschuldige, aber ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich darauf erwidern soll. Du weißt, dass meine Entscheidung gefallen ist.“ Und immer wieder dasselbe durchzukauen, hatte ohnehin keinen Sinn.
Mit einem entschuldigen Lächeln, kam er vor mir in die Hocke und küsste meine Hände. „ Es tut mir leid, mein Herz.“ So reumütig kannte ich meinen Elth ja kaum.
„Nein, mir tut es leid. Ich weiß doch wie sehr dich die Vorstellung verletzt, dass ich eine Nacht mit einem anderen Mann verbringen muss. Aber du weißt ebenso, dass es mir genauso wenig gefällt wie dir, ja?“ Liebevoll streichelte ich seine weichen Wangen.
„Und das soll ich dir jetzt glauben? Du warst doch diejenige, die behauptet hat, dass so etwas wie einen Gefährten zu haben, krank sei, wenn ich mich recht erinnere?“
Schmunzelnd musste ich dem zustimmen. Aber das hatte ich bloß gesagt, um ihn zu ärgern. Und das hatte offensichtlich geklappt, wenn er es mir immer noch vorhielt.
„Das stimmt. >Gefährten< und das ganze Zeug, klingt eher nach einem schlechten Kitschfilm und du weißt, dass ich so etwas nicht mag.“
Beleidigt verzog er das Gesicht. Als ich mich jedoch vorbeugte und seine Nasenspitze küsste, musste er schwach lächeln. „Aber du bist der Mann den ich liebe.“ Um meine Worte zu unterstreichen, hob ich meine Hand an, an welcher ich den Ring von ihm trug. „Und das wird eine unbedeutende Nacht, bei weitem nicht ändern. Es wird nichts weiter geschehen, als das wir >die Sache< hinter uns bringen. Kein überflüssiger Kuss, keine unnötigen Berührungen.“ Versprach ich meinem Verlobten, während er noch mit seinen Zähnen knirschte.
Ich wusste, er war kein bisschen einverstanden, doch um was es ging, war weit mehr als der Vorschlag eine offene Beziehung zu führen. So dumm war ich nicht, auch wenn mir bewusst war, dass die meisten Mensch- und Werwesen nicht gerade die treusten Partner waren. Wenn es jedoch um diese Gefährten-Sache ging, dann erreichte Treue hierbei eine ganz neue Ebene. Umso schmerzhafter war es nun für uns beide, dass ich mich einem anderen Mann hingeben musste. Wenigstens war es jemand den ich kannte und sympathisch fand. Außerdem Magie? Wer würde nicht gerne in seinem Leben ein wenig zaubern? Und ich konnte gleich eine richtige Königin sein.
„Ich bin trotzdem noch nicht einverstanden.“ Schmollte Elth knurrend. Aber das wusste ich bereits, viel mehr würde es mich verstören, wenn er mich anfeuerte, es hinter mich zu bringen. Das wäre etwas... zu schräg.
Unerwartet, sodass ich erschrocken aufschrie, zog Elth mich vom Bett und ich landete unsanft auf seiner Schoß. „Nur um das klar zu stellen.“ Fauchte mein Verlobter, während seine Augen bedrohlich leuchteten. „Nach morgen Abend, wirst du nicht einmal mehr einen anderen Mann ansehen, ohne meine Erlaubnis!“
„E...Eth!“ Schrie ich erschrocken auf, als er meinen Kopf, grob zur Seite drückte und mit seinem spitzen Gebiss, ein gut sichtbares Mal an meinem Hals setzte. Jedoch war es dieses Mal nicht so tief, oder schmerzhaft, wie das Mal an meiner Hüfte, oder eher die Narbe, welche ich nun dank ihm dort trug. Viel mehr, war es ein liebevoller strenger Biss, den er verpasst hatte und nichts weiter als eine kleine Rötung würde sichtbar bleiben. „Jetzt übertreibst du...“ Ich wollte schon mit ihm schimpfen, ihm sagen, dass dieses Verhalten von ihm völlig überzogen war, doch als ich seinen Blick sah, verstummte ich.
Elth war weder wütend auf mich, noch übertrieben eifersüchtig. Er hatte bloß Angst. Angst davor, dass ich mich doch noch gegen ihn entscheiden könnte und er für immer, einzig mit seiner Liebe zu mir, alleine und verbittert würde. So etwas könnte ich ihm nicht einmal in meinen schlimmsten Flüchen antun.
Da ich über seinen Beinen kniete, waren wir beinahe auf Augenhöhe. Seufzend, zog ich meinen Gefährten, an meine Brust und er schmiegte seinen Kopf gemütlich darauf. „Keine Sorge, mein Liebster.“ Flüsterte ich ganz leise in sein Ohr, während ich seinen Kopf sachte streichelte und er zum Schnurren begann. „Den einzigen Mann, den ich jemals voller Liebe ansehen werde, so wie dich, wird ausschließlich von dir kommen.“
Es dauerte einen Moment, bis Elth verstand was ich zu ihm sagte, doch als er es realisierte, versteifte er sich vor Schreck und stieß einen undefinierbaren Laut aus. Langsam entzog er sich meiner Umarmung und blickte mich unsicher an. „Ehrlich gesagt dachte ich, es wäre noch ein wenig zu früh, um über so etwas zu sprechen.“
Ich grinste belustigt. „Das ist es bei weitem!“ Schimpfte ich gespielt. „Ich werde morgen achtzehn, daher brauchst du in den nächsten fünf bis sechs Jahren nicht damit rechnen, dass...“
Mit einem belustigten Fauchen, verbot er mir den Mund und tat stattdessen etwas damit, was mir viel besser gefiel, als zu sprechen. Liebevoll drückte er mich an sich und küsste mich so innig, dass ich abermals das Gefühl hatte einen Stempel gesetzt zu bekommen. Dieser jedoch, war einer aus Liebe zu mir und vielleicht auch ein bisschen, damit er sich selbst beruhigte.
Sanft schob Elth meine Lippen auseinander und sein Geschmack erfüllte mich mit Zufriedenheit. Mit bereits geschickten Finger, schob ich sein Hemd hoch und ließ diese über seinen leicht vibrierenden Brustkorb wandern. Sobald ich ihn zufrieden seufzen hörte, wanderten auch seine Hände tiefer, bis sie meine Hüfte näher an seine, bereits verhärtete, ziehen konnten und entlockten mir einen überraschten Laut. Es tat immer gut zu wissen, dass Elth mich so sehr wollte, doch andererseits, machte es mir auch ein wenig Angst, da ich mir nicht vorstellen konnte, dass er jemals in mich hinein passen könnte. Das erschien mir anatomisch unmöglich, ohne dabei fürchterliche Schmerzen zu erleiden.
Was ich jetzt jedoch fühlte, war alles andere als Schmerz. Seine Hände fanden ihre Wege, wieder nach oben, zu meinen Brüsten und reizten sie spielerisch. Offenbar war er noch lange nicht fertig, seine Stempel auf mich zu setzen und alleine darüber nachzudenken, dass er nach morgen Nacht seine Stempel sogar in mich hinein setzen konnte, ließ mich wohlig erschaudern.
Vergessen waren die Sorgen darüber, was ich mit jemanden anderen tun musste und alleine meine Liebe zu Elth blieb zurück. Zumindest so lange, bis er vollkommen unerwartet aufhörte und die Nase in die Höhe streckte.
Noch völlig benommen von seiner geschickten Zunge, welche gerade eben noch mit meinen Brüsten gespielt hatte, dauert es ein wenig, bis ich bemerkte, wie ernst Elth plötzlich wurde.
„Was... Was ist denn los?“ Fragte ich mit zittriger Stimme.
„Ich rieche... Feuer?“ War das eine Frage, oder eine Feststellung? Er klang so, als wäre er sich nicht sicher, was er roch.
„Was meinst du mit Feuer?“ Fragte ich nach.
„Warte hier.“ Unter seinem ernsten Blick, verstand ich, dass ich gehorchen sollte, da er mich vor allem und jedem beschützen würde und zog meine völlig verrutschte Kleidung zurecht. Langsam schlich Elth auf das Fenster zu und sah nach unten. Forschend ließ er seinen Blick über die Felder und den Garten wandern, bis sie überrascht an einem Flecke hängen blieben.
„Was ist denn los? Sind sie schon wieder da?“ Das konnte nicht wahr sein! Wieso ließen sie uns nicht einfach in Ruhe? Hatten sie nicht bereits genug Leid über uns gebracht?
„Nein, ich kann keine Menschen riechen, oder sehen. Aber dort unten brennt ein Feuer. Lissy ist bereits dabei es zu löschen.“
Wankend kam ich auf und trat an Elths Seite. Sofort verschränkte er seine Finger mit meinen und zog mich in eine sichere Umarmung, während ich nach der Quelle des dunklen Rauches suchte. „Was brennt denn da so?“ Fragte ich, denn der Rauch zog direkt zu unserem Fenster und man konnte kaum etwas erkennen.
„Das sage ich dir, wenn Lissy das Feuer gelöscht hat. Aber es muss irgendetwas sein, dass ziemlich viel Rauch erzeugt.“
Aus der Ecke des Fensters, erkannte ich Lissy laufen, mit einem großen Topf voller Wasser, wobei sie so geschickt war, dass sie keinen einzigen Tropfen verschüttete. Das große, folgende >Zisch< konnte ich bis hier oben hören. Als ich jedoch sah, was genau da gebrannt hatte, stockte mir der Atem. „Das kann doch nicht...“ Nein! Ich wollte es nicht glauben! Das durfte einfach nicht wahr sein. Diese miesen Schweine!
Elth hielt mir die Augen zu, doch es war lange zu spät. „Dafür werde ich sie leiden lassen!“ Fauchte er an meiner Statt und knurrte ein bösartiges Knurren, welches ich bloß zu gerne können würde.
Sanft schob ich seine Hand beiseite, denn es hatte ohnehin keinen Zweck mehr. „Sind das... Sind das wirklich...“
„Es tut mir so leid, Dell. Ich wünschte du hättest das jetzt nicht gesehen.“ Immer noch musste ich die weißen Flügel anstarren, welche mit schwarzem Ruß bedeckt waren und noch vor sich hin qualmten. „Bleib da!“ Erschrocken zuckte ich zusammen, als Elth so laut schrie, dass man ihn bestimmt auch im unteren Stockwerk hören musste. Als ich jedoch sah, dass sich Lissy die Kleider vom Leib riss und mit einem wütenden Brüllen davon stürmte, wusste ich auch wieso er geschrien hat.
„Will sie den Menschen nach? Das ist bestimmt eine Falle!“ Fluchte ich und drängte Elth zur Türe. „Los! Hol sie sofort zurück!“ Befahl ich hektisch, wobei sich Elth gegen meine Aufforderung wehrte.
„Nein! Zum Teufel, ich lasse dich bestimmt nicht alleine hier zurück!“ Knurrte er bestimmend.
„Der Hexer ist doch hier!“ Erinnerte ich Elth.
Für einen Moment dachte er nach und nickte dann. Schnell war er aus der Türe und ich hörte ihn die Treppen hinab poltern. Etwas langsamer, da ich seine Geschwindigkeit unmöglich aufbringen konnte, rannte ich ihm hinterher, doch stoppte noch bevor ich sie ebenfalls hinunter laufen konnte. „Der Magier ist nicht da...“ Elth ließ den Satz offen, doch ich verstand es auch so. Wenn keiner da war, der mich auch wirklich beschützen konnte, würde er mich nicht alleine lassen.
Knurrend schlug Elth gegen die Wand, seitlich von ihm. „Das gibt es doch nicht! Wo ist dieser Nichtsnutz?“ Fauchte er wütend.
„Vielleicht... Vielleicht ist er ja bereit hinter Lissy her?“ Schlug ich vor, doch war davon auch nicht überzeugt. Niemals konnte der Schwarzmagier mit einem so schnellen Raubtier mithalten.
„Verdammt!“ Fluchte Elth und deutete mir die Treppe hinabzukommen. Als ich unten war, schloss er mich sofort in seine Arme. „Und dem soll ich dich für ein paar Stunden überlassen?“ Knurrte er verärgert in mein Ohr.
Seufzend lehnte ich mich an Elth. „Fängst du schon wieder damit an?“ Langsam war ich erschöpft, was dieses Thema anging.
Liebevoll küsste er meine Stirn. „Es tut mir...“ Was genau er hatte sagen wollen, ging in einem lauten Knall unter. Die Druckwelle, welche uns daraufhin packte, stieß uns, bis weit nach hinten, wo sich auch Teraz Schlafzimmer befand. Elth tat alles, damit ich so wenig wie möglich Schaden nahm, doch spürte ich trotz allem, etwas Warmes, meine Stirn hinab laufen.
„Bleib hinter der Treppe sitzen.“ Fauchte mir mein Verlobter zu und fort war er. Was als Nächstes folgte, war lautes Gebrüll und Schmerzensschreie. Selten kam einer von ihm, doch danach folgte immer gluckerndes Ersticken. Hin und wieder vernahm ich, wie irgendetwas zu Bruch ging, Holz splitterte, Glas zersprang und jedes Mal, zuckte ich zusammen, als hätte mich irgendetwas getroffen. Starr vor Angst, wusste ich nicht wohin, oder was zu tun ist. Zusammengekauert, saß ich in meine Ecke. Was war hier bloß los? Wieso zum Teufel, griffen uns diese Menschen an? Was hatte ich ihnen bloß getan, dass sie uns dermaßen attackierten? Ich verstand plötzlich die Welt nicht mehr. Alles schien, wie so oft aus den Fugen zu geraten, doch dieses Mal war es wesentlich schlimmer! Nicht bloß, dass diese gehässigen Menschen mir eine Nachricht zukommen haben lassen, nein es war noch schlimmer. Sie versuchten meinen Gefährten zu töten. Meinen zukünftigen Mann, derjenige den ich unfassbar liebte, sodass ich keine Worte dafür finden konnte. Und Lissy, meine beste Freundin und zukünftig rechtmäßige Schwester, welche die Mutter von drei süßen Kindern war, hatte man hinterhältig fort gelockt.
Und ich? Was tat ich wieder einmal? Mich versteckt halten, die kleine, hilfsbedürftige Prinzessin spielen, welche scheinbar nicht alleine zurechtkam. Dabei bin ich doch diejenige, welche als Wesenkönigin auferstehen würde. Ich besitze doch diese einmaligen Fähigkeiten, für die einige offenbar sogar einen Krieg anzetteln würden.
Dann wurde es plötzlich still. Etwas, das sich wie eine ungute Vorahnung anfühlte, zog sich durch mein Zwerchfell, direkt in mein Herz. Es war, als würde es mich innerlich zerreißen versuchen. Oder vielleicht doch eher, als würde mir etwas entrissen werden?
„Elth...“ Sein Name glitt so leise über meine Zunge, dass ich mich selbst kaum verstand. Es war nicht mehr als ein unscheinbarer Windhauch, doch dieser Windhauch genügte um einen wütenden Sturm loszulassen. Und dies im wahrsten Sinne des Wortes.
Noch bevor ich verstand, was geschah, griff ich auf die Macht der elementaren Windmagie zurück. Sie gehorchte meinem Willen, wie ein Pfeil, welchen man von der stramm gespannten Sehne schnellen ließ, entglitt meinen aufeinander gepresste Lippen und zog in einem engen Bogen, welcher nicht einmal ein wendiger Wandler bewerkstelligen konnte, um die Treppe herum. Gefolgt von mir.
Als wären die Winde meine verlängerten Arme und Krallen, zogen sie in einer unfassbaren Geschwindigkeit nach vorne, ermittelten den ersten Angreifer, welcher mich noch nicht einmal kommen sah und bohrte dort, unter Verwendung großen Druckes, ein tiefes Loch durch seinen gepanzerten Körper.
Ich konnte bloß die Positionen der bewaffneten Soldaten erkennen und schon waren sie tot. Der Windpfeil durchbohrte sie, ohne Gnade, ohne um meine Erlaubnis zu bitten und das benötigte die Windmagie nicht einmal. Sie war mein Wille, meine Körperverlängerung und richtete über diejenigen, welche Hand an meinen sichtbar, in die Enge gedrängten Mannes angelegt hatten.
Kaum für das menschliche Auge sichtbar, bohrte sich der Pfeil durch die fünfzehn verbliebenen Soldaten, zermahlte ihren Kopf, durchbohrte ihre Oberkörper, oder enthauptete ihre hässlichen Köpfe.
„Dell!“ Wackelig kam Elth von der geschlossenen Eingangstüre auf die Beine und ich glitt sofort an seine Seite, noch während die unbeachteten Angreifer, tot, in sich zusammen sackten.
„Oh, Elth! Geht es dir gut? Ich hatte so... so ein Gefühl und bin einfach ausgetickt!“ Schluchzend warf ich mich in seine ausgestreckten, blutüberströmten Arme und küsste sein, teilweise, vom Fell überzogenes Gesicht. „Blutest du irgendwo? Hast du dir etwas gebrochen?“ Eilig tastete ich ihn ab, während ich ihn abwechselnd küsste. Nichts Schlimmeres, nicht einmal der Tod von Gael, konnte ich mir vorstellen, als dass er nun in meinen Armen starb.
„Es... Dell, beruhige dich einmal.“ Mit einer unerwarteten Kräftigkeit, zog er mich an sich, presste meinen zitternden Körper an die Haustüre und küsste mich so innig, dass mir ganz heiß zur Körpermitte hin wurde und ich mich langsam entspannte. Drängend schob er mit seiner Zunge meine Lippen auseinander, doch es störte mich kein bisschen, das ekelhafte Blut dieser Menschen auf meiner Zunge zu spüren, den sein eigener Geschmack überdeckte einfach alles.
Elth riss mich regelrecht hinab in einen Strudel, aus sexueller Begierde, rieb seine entblößte Härte an meiner, von einer kurzen Hose, wohl behüteten, feuchten Mitte und stöhnte wonnig, als seine noch von Krallen besetzten, Hände unter mein Shirt glitten um sich in Erinnerung zu rufen, wie ich mich anfühlte.
„Du hast mich beinahe zu Tode erschreckt.“ Warf ich ihm vor, als Elth seine Küsse auf meinen Hals ausbreitete. „Ich dachte ich würde dich verlieren.“ Mit einem heiseren Aufschrei, brachte er mich um den Verstand, als er ohne Vorwarnung in meine Brust biss und hart an ihr saugte. Selbst durch das Shirt hindurch, fühlte es sich unglaublich an. Einfach alles fühlte sich alleine durch Elth unglaublich an.
„Als könnte ich diese sexy Brüste jemals verlassen.“ Knurrte er erregt und vergnügte sich auch noch an der anderen.
Stöhnend klammerte ich mich noch fester an Elth, würde er mich nicht so fest halten, würde ich bestimmt in diesem Moment im Erdboden vergehen, so leicht und schwummrig fühlte ich mich. „Oder diesen eleganten Hals.“ Knabbernd zog er eine sinnliche Spur über diese, bis hinauf zu meinem Unterkiefer. Der Druck in meinem Unterleib nahm immer mehr zu, bis ich es kaum noch aushielt.
„Ich liebe dich. So unfassbar!“
Dieses Mal trafen unsere Lippen viel sinnlicher aufeinander. Zärtlich umfasste ich seinen breiten Schaft und spürte seinen brummenden Seufzer auf meiner Zunge. „Nur noch ein paar Stunden...“ Zu wem er dies sagte, war mir völlig unklar. Versuchte er sich selbst zu beruhigen? Mich? Liebevoll sah ich meinem starken Krieger in die Augen, welcher alleine durch meine Berührung schwach wurde. Zischend stieß er die Luft aus, als ich meine Hand gänzlich hinab gleiten ließ und sanft seine beiden bereiten Bälle knetete.
In seinem Blick erkannte ich bloß zu gut, wie gerne er mich in diesem Moment nehmen würde. Nicht aus bloß aus Spaß am Sex, sondern aus einem viel tiefen Grund. Er wollte mich endlich offiziell als sein Eigentum markieren. Elth wollte nicht bloß ein Mal auf mir hinterlassen, sondern endlich den Akt vollführen, damit jeder sah, roch und instinktiv wusste, wem ich gehörte. Es war ein primitiver Instinkt, welchen er sich bloß mühevoll entziehen konnte und dafür bewunderte ich ihn mehr als alles andere. Ich zweifelte sogar an mir selbst mich einem solchen Drang entziehen zu können. „Ich gehörte schon immer bloß dir.“ Versicherte ich meinem so unsicheren Menschwesen und bekam dafür einen lobenden Kuss.
„Ich wünschte bloß das alles läge bereits hinter uns.“ Fluchte er leise vor sich hin, während ich meine Küsse über sein Schulterblatt weiter zog. Sanft biss ich ihn in seine Brustwarze, was ihm einen empörten Laut entlockte, doch wurde er sofort wieder abgelenkt, als ich meine Hand zurück an seine Schaftspitze bewegte.
Mit großen Augen verfolgte er die Spur, hinab zu seinem Bauchnabel, welche ich mit der Zunge zog und dabei mittels kleiner Kreise, ihm einen angenehmen Schauder entlockte. „N-Nicht Schaaa...“
Erschrocken, da alles so schnell geschah, dass ich nicht einmal ein einziges Wort fertig brachte, schrie ich gedämpft auf. Mein Gesicht wurde von einem Moment auf den anderen, an die Mauer gedrückt und Elths viel schwerer, drängte sich hart an meinen Rücken. „Was hast du denn vor?“ Fragte ich leicht verunsichert. Im Moment fühlte ich mich schwach und wehrlos. Keine Kombination, welche zu der Sache passte, welche ich am liebsten jetzt mit ihm täte.
Ohne ein Wort zu verlieren, öffnete Elth meinen Hosengürtel und ließ sie, mitsamt meinem Höschen einfach auf den Boden rutschen. „D-Du kannst doch nicht. Nicht hier und...“
Knurrend schob er meine aufkeimende Angst zur Seite. „Mir ist nur etwas eingefallen, was wir bisher nicht gemacht haben und auch nicht verlangt, dass ich irgendetwas,...“ Ein Schauder glitt über meinen Rücken, als seine Zunge neckend über mein Ohr strich. „...irgendwo hinein stecke.“ So zärtlich, dass ich weiche Knie bekam, drückte er meine Beine ein Stück auseinander und positionierte sein bestes Stück so, dass ich seine bereits feuchte Spitze deutlich zwischen meinen Schenkeln hervorkommen sah.
„Aber was... wenn du aus versehen... Oder...“
Langsam zog er sich zurück und glitt geschmeidig über meine erhitzte Haut. „Was, oder?“ Fragte er siegessicher.
Ich wusste selbst nicht mehr was ich hatte sagen wollen, als Elth meine Hüfte fester packte und mein Po erneut gegen seinen Bauch stieß. „Noch einmal.“ Bettelte ich heiser.
Dieser beißende Schmerz, welchen ich vorhin erfahren hatte und der mit Adrenalin getränkte Kampf, ließen uns beide einfach ausblenden, dass nur wenige Meter neben uns tote Menschen lagen. Das einzige was zählte war, dass wir beide uns so nahe kamen, wie es die derzeitige Situation uns erlaubte. Jeder Streit war vergessen, die dumme Meinungsverschiedenheit und sogar die große Herausforderung welche auf unseren Schultern ruhte, schien unwichtig zu werden, solange wir bloß einander hatten. Elth war für mich, ohne das ich es mitbekommen hatte, zum Mittelpunkt meines Lebens geworden. Ich wusste noch nicht einmal, wann es geschah, oder gar wie? Was hatte mich dazu bewegt mich in einen besitzergreifenden Egoisten zu verlieben? Einer unzähmbaren Wildkatze, welche fast nichts lieber tat, als ihren Besitzanspruch auf mich deutlich zu demonstrieren? Und vor allem, weshalb ängstigte mich seine Art kein bisschen? Für mich war es fast schon verständlich. Etwas in mir sagte mir, dass es so sein musste. So würden wir beide uns wieder beruhigen, ohne große Worte dabei zu verschwenden. Hin und wieder benötigten gewisse Tatsachen einfach keine Worte, sondern Taten. Besonders, wenn sie sich so unverschämt gut anfühlten.

 

- - - - -

 

 Meine inneren Warnsignale gingen an. Es fühlte sich an, wie ein schrilles Alarmsystem, dass mitten in meinem Ohr zum Klingeln begann, doch wesentlich leiser. „Es ist soweit.“ Wies ich meine beiden neuen Kämpfer an.
Für einen Moment blickten sie einander an, dann nickten sie. Mittels ein wenig Magie, erschuf ich meinen eigenen Reisezauber. Als Schwarzmagier hatte ich zwar nun etliche Reisewege zur Verfügung, besonders welche die hundertmal schneller waren, doch trotz meiner gesteigerten Fähigkeiten, bevorzugte ich meine herkömmliche Art zu reisen. Und zwar unter der Erde.
Natürlich kamen Sev und Em vor mir an, doch warteten an der Grundstücksgrenze artig auf mich. Ich konnte mir vorstellen, dass sie nicht aus Versehen Verbündete angreifen wollten.
Sev deutete stumm auf den Anfang der Straße, an welche die Auffahrt kreuzte. Dort stand ein weiterer Trupp Soldaten, welcher sich vorsichtig und ungesehen an das Haus der Fee anschlich. Für einen Moment erkundete ich noch die Umgebung, doch sah beim Hauseingang nicht mehr als tote liegen. Deshalb ging ich einfach einmal davon aus, dass Elth und Lissy scheinbar alles unter Kontrolle hatten.
„Weißt du was ich schon lange nicht mehr getan habe?“ Fragte Em belustigt.
„Oh, ja das ist wirklich schon sehr lange her.“ Stimmte Sev mit ein, während ich bloß unwissend die Stirn kräuselte. Wovon sprachen die beiden denn?
Ich konnte mir recht gut ihr breites, hinterhältiges Grinsen vorstellen, während die beiden schwarz gekleideten, gesichtslosen Schwarzmagier ihre Hände in die Richtung des Himmels hoben und einen Illusionszauber erschufen.
Selbst gehässig grinsend, wandte ich mich von den beiden ab und ging auf das Haus zu. Sie hatten ihren Spaß, sollten sie sich doch austoben. Aus dem Augenwinkel sah ich noch, wie der Trupp bewusstlos zu Boden ging, während sie von der Magie der beiden in einen, vermutlich schrecklichen, Albtraum gezogen wurden. So etwas konnte von den menschlichen Ärzten bloß als Koma bezeichnet werden und in diesem würden sie so lange bleiben, wie es die beiden Schwarzmagier befehlen.
„Ted? Wo gehst du denn hin?“ Rief Em mir hinterher.
„Nachsehen, ob jemand Hilfe braucht.“ Vor allem jedoch wollte ich unbedingt wissen, wie es Lissy ging. Irgendwie hatte ich ein ungutes Gefühl, welches mit jedem Schritt stärker wurde.
„Lissy?“ Rief ich über das Grundstück, mit dem Wissen, dass sie mich hören würde. Jedoch kam keine Antwort, zumindest nicht von ihr.
„Sie ist noch nicht zurück.“ Edelle trat durch die Eingangstüre nach draußen, ihre Haare waren etwas durcheinander und über ihre Wangen zog sich eine verlegene Röte.
„Was bedeutet, sie ist noch nicht zurück?“ Fragte ich skeptisch. So lange hatte ich nun doch nicht hier her gebraucht.
Plötzlich schlug mir ein ekelhafter Geruch, nach verbranntem... >etwas<, entgegen. „Was ist das für ein ekelerregender Geruch?“
Edelles Blick wurde bedrückt, beinahe schon weinerlich. „Das sind... Flügel...“ Genauer musste sie sich überhaupt nicht ausdrücken, denn ich verstand was sie meinte und lief hinter das Haus. Dort hatte sich bereits Elth, mit einem großen Topf, welcher aus der Küche stammte. Kurzerhand behielt ich im Hinterkopf, diesen später zu entsorgen.
„Was ist hier passiert?“
Elth hörte auf damit, die stark angesenkten Flügel einzusammeln und blickte zu mir auf. „Sie haben schon wieder Dell gequält, diese Psychopathen!“ Fauchte er wütend. Ich verstand nicht, wie Edelle keine Angst vor dieser brutalen Wildkatze haben konnte. Ich bekam einen kalten Schauder, welcher mir über den Rücken lief.
„Verstehe. Brauchst du Hilfe?“ Eigentlich wollte ich ihm überhaupt nicht helfen, sondern viel lieber mit Lissy sprechen, mich vergewissern, dass es ihr gut geht. Forschend ließ ich meinen Blick über die Landschaft gleiten, doch weit kam dieser nicht, wegen dem hügeligen Gelände.
„Such sie lieber.“ Erschrocken zuckte ich zusammen, doch war froh, dass man mein Gesicht nicht sehen konnte. „Sie ist in diese Richtung gelaufen, das ist bestimmt schon fünfzehn Minuten her.“
Ohne ein weiteres Wort, denn dies bedurfte es auch überhaupt nicht, lief ich in die vorgezeigte Richtung. Fünfzehn Minuten waren wirklich lange, besonders für eine Kämpferin wie sie. Was hatte Lissy denn auch bewegt wegzulaufen? Hatte sie jemanden gejagt? Ist sie in einer Falle gelandet? Verletzt, oder gar schlimmeres?
Mein Herz begann gequält zu schlagen, zog sich krampfhaft zusammen und mir wurde etwas flau im Magen, während sich schreckliche Szenarien in meinem Kopf abspielten.
Mittels Magie vervielfachte ich meine Geschwindigkeit und glitt teilweise sogar, bei größeren Entfernungen, durch die Erde.
Nach mehreren Kilometern dachte ich schon, den Weg verloren zu haben, oder Lissy eventuell verfehlt, doch umkehren wollte ich auch noch nicht. Für was war ich denn ein Schwarzmagier, wenn ich nicht einmal eine Person auf einer so weiten Ebene finden konnte? Was würde ich nun für die Spürnase eines Mensch- oder Werwandlers geben...
„Ha! Ha! Ha!“ Erklang das gehässige, tiefe Lachen eines Mannes, aus der Ferne. Sofort zielte ich darauf zu, hielt mich jedoch bedeckt, unter der Erde, um nicht sofort entdeckt zu werden.
Geschickt tauchte ich direkt hinter einem Menschwesen auf. Auf den ersten Blick, erkannte ich, dass er ein Gepard war, genauso wie Lissy und Elth. Verwandelt in seine gefährliche Zwischengestalt, peitschte er verspielt mit dem Schweif hin und her, während er ein blutiges Knäul zu seinen Füßen betrachtete.
Er sprach auf das verletzte Wesen, in einer Sprache ein, welche ich nicht kannte, doch erkannte ich durch den Tonfall, dass er sich ganz offensichtlich lustig über diese Person machte.
Es war ebenfalls ein Menschwandler und es dauerte noch einige Momente, bis ich die dunklen Flecke in dem roten Fell erkannte. Sie waren die eines Gepards, mit einer schwarzen Schwanzspitze.
Halb das Bewusstsein verloren, lag sie da und ächzte unverständliche Worte. Als ihr gefährlicher Raubkatzenblick auf mich fiel, zauberte sich so etwas wie ein erleichtertes Lächeln auf ihre Lippen, während mich die blanke Wut packte.
Offensichtlich merkte der Menschwandler, dass Lissy erleichtert zu sein schien und nicht mehr ängstlich und blickte sich verwirrt um. Jedoch zu spät. Mein Zauber glitt einfach von selbst von meiner Hand. Dunkel und hasserfüllt, kroch die wohl bekannte Todesmagie, durch mein Herz hervor und entlud sich mittels meiner Finger. Zehn schwarze Blitze zuckten daraus hervor, aus jedem Finger einer und durchbohrten den Mischling mit einer aus Wut geformten Durchschlagskraft.
Zum ersten Mal seit Jahrzehnten fühlte ich mich wahrlich wie ein Schwarzmagier. Die dunkle Macht, welche strikt verboten war und selbst einen Schwarzmagier zu einer grauenhaften Gestalt machen konnte, brodelte Stolz in mir. Sie erfüllte mich mit Lob, überhäufte mich mit ihrer gehässigen Freude und lockte mich sie erneut zu benutzen, obwohl der Angreifer bereits am Boden lag.
Mit einer dunklen Aura um den Körper, welche Menschwesen ebenfalls wahrnehmen konnte, stellte ich mich vor den Kopf des angesengten Gepardens und ließ einen Blitz durch die Luft zucken. „Wagst du es meinem Grund und Boden noch ein einziges Mal zu nahezukommen...“ Ich ließ eine bedrohliche Pause, welche von einem neuerlichen Blitz gestört wurde. „...werde ich dich unter meinen Stiefel zermahlen!“ Meine Stimme war rauchig und verzogen, dank dem Verhüllungszauber und die Angst war deutlich im Gesicht von Elths Ebenbild zu sehen. Nun brauchte ich keine Details mehr um zu wissen wer diese Person zweifelsohne sein musste. Die weißen Reißzähne, welche einem Vampir glichen, die blutroten Augen und das selbige Fell wie Elth und Lissy es trugen, ließen keine Zweifel zu. „Und wage es nicht noch einmal Hand an deine Tochter anzulegen, sonst erwartet dich weit schlimmeres als der Tod!“
Dieses Mal ließ ich einen Blitz aus dem Boden zucken, direkt im Rücken von Lissys Vater, welcher ihn meterweit in die Höhe riss und mit sich fort trug. Unter gequälten schreien wurde er weit fort gerissen, so weit dass meine Sinne ihn nicht mehr wahrnehmen konnte.
Mühsam kämpfte ich nun die Wut in mir nieder. Wie ein gieriges Monster, welches nur darauf gewartet hatte, dass ich einen starken, verbotenen Zauber benutzte, lauerte eine Macht in mir, von welcher jeder Hexer bereits im Kindesalter gewarnt wird. Sie war so finster, dass sie selbst einen eigenen Charakter besaß und jeder Hexer war darauf anfällig, egal wie alt oder stark er war.
Jedoch als ich mich daran erinnerte, dass hinter mir eine blutige Lissy wartete, verlor dieser Lockruf an Wirkung. Wie ein Blitz, fuhr ich herum und eilte zu ihr zurück. „Lissy?“ Sanft tätschelte ich ihre Wange, als sie nicht reagierte und sie seufzte leise. „Lissy, kannst du mich hören?“ Schwach lächelte sie und streckte eine krallen besetzte Hand nach mir aus. Sofort umfing ich diese und hauchte ihr einen Kuss in die Handfläche.
„Ter...“ Hauchte sie leise und hustete Blut. Sie musste innerliche Verletzungen haben.
„Ich bringe dich zurück, es wird alles gut werden, ja?“
Sie nickte schwach und ich legte einen Reisezauber über uns beide, welcher mehr Kraft abverlangte, als dieser, welcher ich ansonsten benutzte. Langsam hob ich eine eckige Erdfläche an und ließ sie so schnell es ging, ohne zu kippen, über den Landstrich gleiten. In weniger als zwei Minuten, waren wir am Haus angekommen, wo bereits Edelle und Elth warteten. Neugierig kamen sie her, wobei Elth, sobald er das Blut roch, auf uns zustürmte.
„Was ist passiert?“ Fragte er und begann schon eine der oberflächigen Wunden abzulecken.
„Euer Vater. Das war er eindeutig.“ Antwortete ich sofort.
Plötzlich war es ganz still. Für einen Moment hielt Elth, mit Blut verschmierten Mund, inne und blickte mich ungläubig an. War mir plötzlich ein zweiter Kopf gewachsen? Zumindest fühlte ich mich im Moment so.
Edelle wirkte mehr verwirrt, als Perplex, wie ihr Verlobter. „Ihr Vater? Bist du da sicher?“
Elth antwortete statt mir. „Er muss es gewesen sein. Ich kann ihn an ihr riechen.“ Mit einem wütenden Knurren beugte er sich wieder über seine Schwester und heilte ihre Wunden an den Armen.
„Was hat er bloß... Wieso hilft er diesen Menschen?“
Ich konnte nichts tun als ratlos die Hände in die Luft zu werfen. „Das müssen wir dann Lissy fragen, ich habe die beiden nicht verstanden. Sie haben in einer anderen Sprache geredet.“
Edelle nahm neben Lissys blauer Haarpracht platz und streichelte sanft ihre Wange. „Alles kommt wieder in Ordnung. Wir kümmern uns um dich, ja?“
Lissy atmete bloß noch flach, doch spürte ich deutlich, wie sie meine Hand drückte. Von wem welches Blut stammte konnte ich kaum sagen. Lissys Vater hatte ebenfalls Verletzungen gehabt, doch schien er die schnellen Heilungskräfte der Vampire zu besitzen, was ihn so gut wie unbesiegbar machte. Zumindest was seine Kampfkraft anging, ließ mich stolz auf Lissy werden. Ein Menschwesen alleine war schon stark, aber wenn er dann auch noch die Geschwindigkeit eines Vampirs, mit deren Heilungskräfte besaß, wunderte es mich, dass sie überhaupt Treffer hatte landen können.
Als Elth sich um die vielen Schnittwunden an Lissys Beinen kümmerte, offenbar hatte deren Vater versucht sie unter Qualen zum Fall zu zwingen, ließ ich meine Hand über Lissys Körper gleiten. Mittels Magie richtete ich sieben Brüche und erleichterte ihr das Atmen. Nach zwei Stunden und müden gliedern, war sie so weit geheilt, dass ich sie in ihr Zimmer tragen konnte. Die restlichen Prellungen würden morgen bereits vergangen sein, trotzdem musste sie ihre Kräfte die nächsten Tage schonen.
„Gute Nacht.“ Liebevoll küsste Edelle ihre Wächterin auf die Stirn und deckte sie noch einmal besser zu. „Du solltest auch schlafen. Und deinen Mantel endlich ablegen.“ Kurz drückte sie meinen Oberarm, dann verließ sie mit Elth das Zimmer.
Als die beiden fort waren, setzte ich mich neben Lissy ans Bett und ließ meinen Verhüllungszauber, mehr aus Erschöpfung, als aus freiem Willen sinken. Was ich sah, war jedoch nichts was ich nicht bereits erwartet hätte. Es war die Strafe dafür, das ich so furchtbare Magie gebraucht hatte. Ein Zeichen, das sich niemals wieder rückgängig machen lassen würde.
Leben unnatürlich lange hinauszuzögern, war die eine Sache. Aber Tote auferstehen zu lassen, oder gar gefährliche Zauber, aus dem Totenreich anzuwenden, etwas gänzlich anderes. Es hinterließ deutlich sichtbare Zeichen.
Meine Fingerspitzen waren gänzlich schwarz geworden, so wie meine Nägel. Dieses dunkel Schwarz, zog sich jedoch nicht weiter als drei Fingerbreit, dann endete es wieder in meiner normalen Hautfarbe. Bloß die dunkle Aderspur, welche die Blitze hinterlassen hatten, deuteten daraufhin dass ich meine Finger nicht aus Versehen in dunkle Tinte getaucht hatte, sondern etwas aus mir herausgekommen sein musste. Etwas, dessen Tatsache ich nun niemals wieder verbergen würde können.
„Ich habe dich gesehen.“ Vor Schreck rief ich meinen Verhüllungszauber hoch, doch erkannte recht schnell, dass Lissy noch schlief. Sie sprach einfach im Schlaf. „Du warst wirklich da.“ Eine Träne löste sich aus ihrem Augenwinkel welche ich liebevoll fort strich.
Mein Herz war bereits wieder leichter geworden. Jetzt, da bloß noch blaue Flecken ihren Körper verunzierten, hatte sie wieder etwas von ihrer natürlichen Stärke zurückbekommen. Für einen Moment, den ich wirklich nicht tun sollte, ließ ich meine Hand an ihrer Wange und streichelte diese sanft. Irgendwann, während der Heilung, hatte sie sich zurückverwandelt und ihre menschliche Form angenommen. „Ich wünschte bloß ich könnte immer da sein. Für dich. Für deine... Vergiss es.“ Seufzend zog ich mich wieder zurück, doch Lissy spürte meine Nähe und streckte ihre Hand nach meiner aus.
„T-Teraz.“ Stöhnte sie und hustete gequält.
„Du musst schlafen, Liss. Du brauchst die Heilung.“ Tadelte ich ihren unruhigen Schlaf und streckte meine Hand nach ihrer Stirn aus, um sie in einen ruhigeren Schlaf zu zwingen.
„Ich muss... Ich muss es ihm sagen.“ Hektisch atmend bäumte sie sich auf. Offenbar träumte sie überhaupt nicht. Sie war in ihrer Erinnerung gefangen.
„Lissy, es ist vorbei.“ Versuchte ich sie zu beruhigen. „Er ist fort, dein Vater ist fort, er kann dir nichts mehr tun.“ sie atmete immer noch hektisch, daher sprach ich ruhig weiter. „Ich bin es nur, Liss. Teraz. Vor mir musst du niemals etwas befürchten.“
„Ich habe dich gesehen. Du warst da.“ Wiederholte sie noch einmal.
„Natürlich war ich da. Ich wünschte nur ich wäre früher da gewesen.“ Traurig seufzte ich. Sie musste furchtbare Qualen erlitten haben. Zumindest ließen ihre vielen Verletzungen darauf schließen, dass ihr Vater ganz genau gewusst hatte, wohin er zielen musste, um seine Tochter nicht sofort zu töten.
„Ich muss es ihm sagen. Ich muss!“
Neugierig drückte ich sie in ihr Bett zurück und zog sie an mich. Als sie meinen Geruch endlich erkannte, kuschelte sie sich von selbst an mich, ohne das ich etwas tat. „Schon gut. Ich weiß es doch bereits. Ich habe ihn gesehen und vertrieben, Liss.“
Sie meinte doch, dass sie uns von ihrem Vater erzählen musste, oder? Ich zweifelte nicht daran, dass dieser sich einen nach dem anderen geholt hätte, wenn ich nicht auf diese tiefe dunkle Magie zurückgegriffen hätte.
Jedoch schüttelte Lissy plötzlich den Kopf und vergrub ihr Gesicht an meinem Bauch. „Nicht das.“
Sanft streichelte ich ihren Kopf und versuchte dabei meine schwarzen Fingerspitzen zu vergessen. Was hatte ich da bloß wieder getan? So lange hatte ich mich von dieser selbstzerstörerischen Magie ferngehalten, doch dann lieferte ich mich, für Lissy, diesem Monster aus. „Was dann? Was musst du mir denn sagen?“
Seufzend schien Lissy endlich in einen ruhigen Schlaf zurückzufallen und legte ihren Arm um meine Taille. „Das es niemals aufgehört hat.“ Ich deckte sie wieder zu und lehnte mich mit einem Kopfpolster an die Wand. Offenbar würde ich hier noch etwas länger sitzen bleiben müssen.
„Was denn?“
Lissy begann zu schmunzeln und wurde sogar rot, während ihre Atmung wieder flach und gleichmäßig wurde. „Ich liebe Teraz immer noch.“
Vor Schreck, bekam ich das Gefühl, als würde mein Brustkorb zerbersten. Mein Puls ritt in die Höhe und ich verlor für einen Moment den Bezug zur Realität. Das war doch eben nicht wirklich passiert, oder? Ich hatte mir das... doch bloß eingebildet. Lissy würde doch niemals...
Doch einiges ergab plötzlich Sinn und unser erster Kuss nach einem guten Jahrhundert stand mir wieder vor Augen. Mittlerweile hatte ich ihn ganz gut verdrängt, doch nun spukte mir die Erinnerung ganz frisch im Kopf herum. S-Sie... Lissy liebt mich?
Ein unkontrollierbares Lächeln legte sich völlig ungewohnt über meine Lippen. Was sollte das denn nun bedeuten?

18. Die Wesenkönigin

Edelle:

 

"Ja, das ganze Stockwerk.“ Eindringlich blickte Elth der Frau an der Rezeption, in die Augen, welche daraufhin tat was er verlangte.
„Elth, das ist doch wirklich nicht nötig.“ Versuchte ich, zum gefühlten hundertsten Mal ihn dazu zu überreden, endlich mit diesem Unsinn aufzuhören. Er schien geradezu davon besessen zu sein, dass uns kein einziger Mensch mehr aufspüren konnte. Teraz, der Schwarzmagier, hatte sogar die Videokameras auf Wiederholung gestellt, solange wir uns auf Fluren, oder in der Lobby befanden. Magie hatte erstaunliche Facetten, schade dass ich solche Zauber später nicht würde benutzen dürfen.
„Wollen Sie bar zahlen, oder mit Karte?“ Fragte die Empfangsdame, mit einem mehr als höflichen Lächeln.
„Ich habe bereits im Voraus gezahlt.“
Sie lachte, als würde es ihr gerade erst wieder einfallen und entschuldigte sich aufrichtig bei Elth. So eine Vampirgabe, sei es auch bloß die eines Mischlings, beinhaltete überraschend viele Vorteile.
Nicht dass ich plötzlich zu den Vampiren tendieren würde, denn die Erfahrungen im Vampirschloss, hatten mich doch ein wenig abgeschreckt. Bei den Werwölfen würde ich mich ebenfalls einfach in einen Krieg stürzen, welcher mehr Opfer fordern würde, als unbedingt nötig, oder gar gewollt.
Aber die Hexen schienen hier die einzige bedeutende Wahl für mich zu sein. Gargoyle konnte ich direkt vergessen. Dann wäre ich eine versteinernde Frau, welche heißes Wasser speit. Das war mir dann doch zu abartig.
Nein, wenn es bloß nach mir ginge, würde ich am liebsten eine Menschwandlerin werden, so wie Lissy und Elth. Aber ohne einen übrigen Reinrassigen, standen meine Chancen nicht so gut es zu überleben.
Liebevoll kuschelte ich mich an Elths Seite, welcher sofort seinen freien Arm um mich schlang, denn in der anderen, trug er einen großen Reisekoffer.
Lissy war mit Teraz bereits oben in der Suite. Insgesamt gab es drei im obersten Stockwerk und Elth hatte alle beide für uns reserviert. Eigentlich konnten wir uns nicht einmal eine einzige davon leisten, doch dank Elths Fähigkeit, mussten wir das auch überhaupt nicht.
„Was ist los?“ Der Lift fuhr hoch in den dreizehnten Stock.
„Ich habe nur... noch einmal daran gedacht...“
Aufmunternd küsste Elth mich auf den Scheitel, als ich nicht zu Ende sprach. „Was ist es, Dell? Hast du Angst?“
Sofort schüttelte ich den Kopf. „Nein, im Gegenteil. Ich bin traurig.“ Ich seufzte tief, bevor ich weiter sprach. „Ich denke einfach, dass ich jetzt endlich weiß, was ich gerne wäre, aber... Das ist leider unmöglich für mich.“
„Wenn du jetzt Werwolf sagst, schlafe ich erst in einer Woche mit dir.“ Fauchte er gespielt verärgert
Grinsend stieß ich ihn mit dem Ellenbogen in den Bauch. „Unsinn! Das würdest du ohnehin nicht aushalten.“
Grummelnd stimmte er zu. „Was würdest du denn gerne sein?“
Elth lehnte sich gegen die Wand des Liftes und ich schlang meine Arme um seinen Nacken. „Dreimal darfst du raten... Obwohl, nein, bloß noch zweimal.“ Zog ich ihn auf.
„Oh, dann ist es ja einfach. Du möchtest sicher ein Gargoyle werden.“
Lachend biss ich ihn ins Kinn, woraufhin er zufrieden schnurrte, auch wenn er es in dieser Gestalt niemals zugeben würde. „Sei nicht so gemein.“
Langsam wanderten seine Hände zu meinem Po und massierten ihn liebevoll. „Gut, dann kann es ohnehin bloß noch eine Sache sein.“
Erwartend zog ich eine Augenbraue hoch.
„Du wirst Präsidentin über die ganze Welt.“
Dafür kassierte er einen festeren Schlag. „Du bist wirklich ein Idiot. Ich meine es ernst, Elth.“
Elth grinste so selbstsicher, dass mir klar wurde auf was genau er abzielte. „Du willst es einfach aus meinem Mund hören, oder?“
Unschuldig zuckte er mit den Schultern. „Ich weiß nicht wovon du redest.“
Ding! Wir kamen an. Enttäuscht nicht mehr länger mit ihm reden zu können, stieg ich als Erstes aus und Elth folgte mir.
Als wir das erste Penthouse betraten, lag Lissy bereits mit einer heißen Tasse Tee auf dem Sofa. Teraz hatte alles daran gesetzt, dass sie nicht aufsteht und sich schont, solange es eben ging. Man sah ihr an, dass es sie nervte nichts tun zu dürfen, doch gehorchte sie und folgte mit den Augen, jeder seiner Bewegungen.
Etwas taten mir die beiden mittlerweile leid. Ich konnte die Spannung zwischen ihnen beinahe fühlen und sie benötigten drignend etwas Luft voneinander. Jedoch war es derzeit nicht möglich. Nicht solange die drei noch befürchteten, dass die Menschen ihr Ziel erreichen könnten.
Bei unserem Erscheinen, verließ Teraz sofort das Zimmer, was er bei meinem Anblick bereits den gesamten vergangen Tag machte, doch Lissy strahlte erleichtert. „Lasst uns etwas spielen. Mir ist langweilig.“ Bettelte sie sofort, während Elth die Koffer einfach am Rand stehen ließ.
„Nein.“ Entschied er barsch.
Wir... eigentlich war es ja Elth, hatte entschieden, dass es im Haus der namenlosen Fee nicht mehr sicher für uns ist und bestand darauf, dass wir uns ein Hotelzimmer nahmen.
Danach hatte er mit Teraz den ganzen Tag darum gestritten, welche Art von Hotel und wo es sein sollte und so weiter. Lissy hatte das alles zu ihrem Glück völlig verschlafen dürfen. Nun sah sie wieder erholt aus, doch auch gelangweilt.
„Dann lass uns wenigstens etwas zum Essen bestellen. Ich habe so großen Hunger, ich könnte einen ganzen Bären verspeisen.“
Diesen Wunsch wollte ihr niemand von uns abschlagen, also bestellte ich über das Telefon eine große Wunschliste, welche eine Stunde gebracht wurde.
Als ich fertig war mit meiner Nachspeise, konnte ich nicht anders als zu staunen. Die Sonne war endlich unter gegangen. Etwas verlegen trat ich an das Fenster und blickte hinab auf die Stadt, in welcher wir uns nun befanden. Etliche Kilometer entfernt von Teraz seltsamen Wohngemeinschaft, zusammen mit all unseren Sachen.
„Und? Hast du dich bereits entschieden auf diese Nacht zu verzichten?“ Liebevoll schlang Elth seine Arme um meinen Körper und streichelte zärtlich meinen Bauch. Seufzend schloss ich die Augen und lehnte mich zurück, an seine Brust.
„Nein, ich will keine vierzig Jahre mit dir und danach einige, in denen ich alt und hässlich bin.“
Er knurrte leise an meinem Ohr. „Du würdest niemals alt sein, mein Herz. Für mich bist du immer diese wunderschöne, sexy Frau. Meine Frau.“ Sanft küsste Elth meine Wange.
„Und das werde ich immer sein.“ Schwor ich. „Aber zuerst muss ich... es endlich hinter mich bringen.“
Sofort knurrte Elth zornig. „Ich habe große Lust dazu, dich so weit wie möglich von hier fortzuschleifen.“
Das war mir bewusst. Und ich bewunderte ihn dafür, dass er es nicht tat. „Ich kann bloß wiederholen wie ich für dich fühle, Elth.“ Ich wandte mich um und tätschelte liebevoll seine Brust.
Sanft fing Elth meine Hand ab und bewunderte für einen Moment den schlichten, doch atemberaubenden Ring darauf. „Wenn du ihn abnimmst... werde ich ihn töten.“ Schwor er so zornig, dass es bereits Verbitterung glich.
„Das wirst du auch, wenn er nicht schnell genug wegkommt.“ Grinste ich, zog Elth zu einem Kuss herab und ließ mich einfach in dieser schlichten Berührung fallen. In diesem Kuss konnte ich einfach alles spüren. Elths Angst, seinen Zorn und vor allem seine große Liebe zu mir.
„Du hast es mir irgendwie niemals einfach gemacht. Nicht einmal als ich dich tot sehen wollte.“ Stattdessen hatte er mich gerettet. An diesem einen Tag, an dem wir die Steintreppe, streitend hinunter geschritten waren, in Gaels Haus. In diesem Moment hatte ich so viel Angst empfunden. Angst davor, was ich begann für Elth zu fühlen, etwas das ich noch überhaupt nicht hatte begreifen können. Und dann war ich einfach gestürzt. Es war bloß eine Bewegung, eine welche mein Tod hätte sein sollen auf diesen harten Treppen, doch wie durch ein Wunder, hatte Elth mich gefangen. Sein ganzer Körper hatte sich wie ein Schutzschild um mich gelegt. Schon damals hatte er mich nicht verlieren wollen. Seinen Goldtopf.
„Du hast dich mehr als einmal entschuldigt. Außerdem bist du während meines Komas die ganze Zeit neben mir gesessen.“
„Und du, als ich diese mysteriöse Krankheit von der verrückten Fee hatte.“ Grinste ich und tippte ihm auf die Lippen.
Das war überhaupt gruselig gewesen. Ich hatte nichts mehr gefühlt, konnte nicht sprechen und fühlte mich so hilflos. Bloß Elths Wärme... sie war schon immer zu mir hindurch gedrungen.
„Weißt du noch als ich überlegt hatte eine Mund zu Mund Beatmung bei dir zu machen? Ich konnte mir schon ausmalen wie du dich mit deinen Babyschlägen auf mich stürzt.“ Elth lachte so begeistert, dass ich einfach bloß darauf einstimmen konnte. Es war auch das erste Mal gewesen, als ich mich unbewusst verwandelt hatte, in einen Gargoyle. Dadurch hatte ich nicht bloß, bei dem Sturz in den gefrorenen Abhang, eine Gehirnerschütterung vermieden, sondern auch noch meinen ersten Kuss mit Elth provoziert. Damals war ich froh, noch rechtzeitig wieder zu Bewusstsein gekommen zu sein. Einer lange Strecke, im tiefsten Eiswald später, lernte ich dann Lissy kennen. Ihr hatte er mich anvertraut. Aber bloß weil ihm, dank der Videoüberwachung keine andere Chance geblieben war.
„Ich hätte dir damals den Kopf abgerissen!“ Drohte ich von mir selbst überzeugt.
Elth wusste es jedoch besser. „Du hättest mir nicht einmal ein Haar krümmen können.“
„Das behauptest du!“ Scherzte ich, begeistert von diesen Erinnerungen. So viel Angst und Unsicherheiten verband ich mit der Zeit, bevor Elth mich an die Vampirkönigin ausliefern hatte müssen. Bestimmt bereute er es immer noch so viel Geld meinetwegen weggeworfen zu haben.
„Ich bin der Mann, ich weiß es eben besser.“
Empört schlug ich ihm auf den Brustkorb. „He! Du weißt doch selbst, hinter jedem besserwisserischen Mann, steht eine Frau, welche die Augen verdreht.“
Zur Strafe kitzelte er mich, doch küsste mich bloß einen Moment später so intensiv, dass meine Beine schwach wurden. „Ich liebe dich.“
„Ich liebe dich noch mehr.“ Antworte Elth so leise, dass bloß ich es hören konnte.
„Aber ich liebe dich noch viel mehr, als du mich.“ Grinste ich wieder frech werdend, woraufhin ich erneut gekitzelt wurde.
„Freche Göre.“ Diese leise in mein Ohr gehauchten Worte, klangen mehr wie ein Abschied, als es mir recht war.
„Mistkerl.“ Hauchte ich zurück und küsste seine Wange, woraufhin mein Herz schwer wurde.
„Ich werde jetzt hoch gehen, auf das Dach. Ich... denke ich könnte etwas Abstand heute Nacht gebrauchen.“
Etwas enttäuscht, dass Elth bereits gehen wollte, nickte ich. Es war ja nicht so, dass er mich nicht mehr sehen wollte, dies war mir bewusst. Elth konnte es einfach ertragen zu sehen, wie mich ein anderer Mann, in ein Bett führen würde, oder ich einen anderen Mann in mein Bett lasse. In diesem Moment wurde mir einmal mehr bewusst, wie sehr ich Elth verletzten musste.
„Elth ich...“
Barsch unterbrach er mich. „Nein! Du machst... dein Ding. Und wenn du es hinter dich gebracht hast, kommst du zu mir auf das Dach und dann werden wir die nächsten Tage nichts anderes tun, als...“ Er beugte sich vor um mir so leise in das Ohr zu flüstern, dass ich ihn selbst kaum noch verstand.
Mit funkelnden Augen blickte ich zu Elth hoch und verehrte ihn ebenfalls einmal mehr dafür, was er bereit war für mich zu tun. Elth war einfach das Beste was mir passieren konnte, auch wenn er mich nur allzu oft zur Weißglut brachte. Oder eher gebracht hatte. Irgendwie schienen wir beide schon immer dazu bestimmt gewesen zu sein einen gemeinsamen Weg zu bestreiten. Ein Leben ohne ihn, wäre so... anspruchslos.
Mit einem letzten, langen Kuss verabschiedete er sich von mir und ging mit schweren Schritten aus dem Apartment. Traurig starrte ich der Türe hinterher und wollte es einfach nicht glauben. Wie konnte man jemanden dermaßen lieben, dass man mit ihm eine Böschung bei voller Fahrt hinab sprang? Ihn durch einen Eiswald trägt? Seinen Besitzanspruch durch Träume hindurch setzt? Sich für ihn mit einem gefährlichen Alpharudel von Werwölfen anlegt? Sich die Treppe hinab stürzt? Und dann auch noch einer Vampirkönigin ausliefert um sie vor dem sicheren Tod zu beschützen? Nicht zu vergessen, dass er sich eben dieser in den Weg gestellt hatte, als man ihn am dringendsten gebraucht hatte! So ein Mann war einfach einmalig auf der Welt.
„Lissy schläft wieder.“ Erschrocken zuckte ich zusammen, als mich Teraz zum ersten Mal an diesem Tag direkt ansprach.
„Elth ist auch gegangen. Ich denke, jetzt ist es sicherer für dich.“ Auch wenn es Teraz den ganzen Tag sichtlich ignoriert hatte, so hatte Elth ihn zu jeder Gelegenheit an geknurrt und wenn dieser mir näher als fünf Meter gekommen war, so fand ich mich ganz schnell in Elths Armen wieder. Irgendwie war seine Eifersucht, so unbegründet sie auch war, doch süß.

„Solange ich nicht mindestens einen Kontinent zwischen ihn und mich gebracht habe, ist es keinesfalls >sicher< für mich.“
Ich lachte schwach, denn der Schwarzmagier hatte ja recht. Mit einem Menschwandler war eben nicht zu spaßen, wenn es um dessen Gefährten ging.
„Möchtest du noch warten, oder sollen wir in ein anderes Apartment gehen?“ Sein Blick glitt zu der Türe hinter welcher Lissy verschwunden war. „Ich möchte... das nicht unbedingt hier tun.“
Ich verstand ihn nur zu gut und nickte einverstanden. „Elth hat die Schlüsselkarten für alle drei Zimmer erhalten. Nehmen wir das ganz hinterste.“
Unsicher nickte auch er und folgte mir hinaus auf den Flur. Schweigend zog ich die Karte durch das Schloss, woraufhin es einen bestätigenden Ton von sich gab und die Türe schwang ein Stück auf. Teraz öffnete sie ganz für mich und ließ mich ein.
„Kommt es bloß mir so vor...“
„Nein, auch ich fühle mich... komisch... dabei.“ Gab ich zu. Teraz lächelte schwach, was ich bloß genauso gekünstelt wie er erwiderte.
„Komm, setzen wir uns einmal. Du hast ja heute Geburtstag, was bedeutet wir müssen darauf anstoßen.“ Sofort ging er zur Bar und holte eine kleine Flasche heraus. Sie maß nicht einmal einen halben Liter, doch das war egal.
„Die gehört mir.“ Grinsend schnappte ich sie mir und las das Etikett.
„Du hast noch nie getrunken, oder?“
Ich schüttelte zustimmend den Kopf. „Bisher war ich immer ein braves Mädchen...“ Nein, das stimmte nicht ganz. „Zumindest bis ich Elth kennen gelernt hatte.“ Jetzt musste ich doch aufrichtig grinsen.
„Wie habt ihr euch überhaupt kennen gelernt?“ Stimmte ja. Teraz kannte noch gar nicht unsere ganze Geschichte. Vermutlich bloß das, was er von Lissy, Elth und mir teilweise aufgeschnappt haben musste.
„Das war vor... fast zwei Jahren. Er kannte mich bereits davor, doch vor zwei Jahren bin ich in dasselbe Haus wie er gezogen.“
„Du warst ein Pflegekind, wenn ich das richtig verstanden habe.“
„Ja, meine Schwester Coria war... Sie hatte ein paar Probleme. Auch mit mir. Wir wurden getrennt und ich wanderte von einer Familie zur anderen. Ich fühlte mich nie wirklich zugehörig, weder in den Familien, noch in den Schulen.“ Zum aller ersten Mal in meinem Leben, war es mir wirklich gleichgültig. All die Probleme, all die Missverständnisse. Sie ergaben mittlerweile einen Sinn.
„Welche Probleme denn? So nett wie du bist, kann ich mir kaum vorstellen, dass du irgendwelche gehabt hättest.“
Humorlos lachte ich. „Wenn du wüstest. Seit dem Tod meiner Mutter und der Trennung von meiner Schwester, habe ich mich niemals gefühlt, als würde ich irgendwo hinzu gehören.“ Endlich schaffte ich es die Flasche zu öffnen und roch neugierig am Inhalt, während mir Teraz ein Glas hin hielt. Dankbar nahm ich es entgegen. „Egal wo ich hin kam, ich hatte nie die richtige Kleidung, man mochte es nicht wie ich mich versuchte anzupassen und generell... bekam ich immer abweisende Blicke. Ich weiß nicht... es war immer komisch. Und Elth hat es danach nicht wirklich besser gemacht.“
Mit leichten Frust dachte ich an die Zeit zurück, als wir zusammen gewohnt hatten. „Nachts ist er manchmal in mein Bett geschlichen, er hat sogar mein Tagebuch gelesen, mich schikaniert, wo er nur konnte und mich belästigt. Er war einfach ekelhaft.“ Ernsthaft, wie hatte ich mit ihm zusammen kommen können? Was genau hatte mich anders über ihn denken lassen? Es konnte doch nicht bloß der von ihm selbst verursachte Traum gewesen sein, oder?
„Wie seid ihr dann zusammen gekommen? Es klingt nicht so, als wäre ein Typ wie er, etwas für ein Mädchen wie dich.“ Teraz wirkte aufrichtig überrascht und interessiert an der Geschichte, während er an einer braunen Flüssigkeit nippte, welche stark roch.
Lachend stimmte ich ihm zu. „Ja, da hast du recht. Mit meinen beiden Freunden... Sie waren die einzigen die ich jemals finden konnte, habe ich sehr oft über ihn gelästert. Sie haben ihn ebenfalls etwas genervt, doch konnten genauso wenig wie ich etwas gegen ihn ausrichten.“
„Also kamst du doch mit jemanden zurecht?“ Er wirkte verwirrt.
„Ja... irgendwie eben. Nadja und Denis. Sie sind ein Paar und waren immer total nett zu mir. Die beiden sind ziemliche Außenseiter, deshalb haben sie mich vermutlich auch so großherzig aufgenommen. Ich konnte mit ihnen reden und besonders zu Nadja hatte ich eine enge Bindung. Ich liebe die beiden wirklich sehr und vermisse sie.“ Im Schloss der Vampirkönigin hatte ich mit ihnen geschrieben, das hatte mir bloß wieder vor Augen geführt, wie sehr ich die beiden vermisste. Am liebsten würde ich jetzt neben Nadja sitzen, mit ihr sprechen, über einfach alles was passiert ist und mir Rat von ihr hohlen. Sie ist wahrhaft eine gute Freundin. Meine beste.
„Sie vermissen dich bestimmt auch. Wirst du dich nachher mit ihnen treffen? Irgendwann eben, wenn es deine Zeit als Königin zulässt?“
Unsicher zuckte ich mit den Schultern und drehte das Glas, welche ich zwischen meinen Fingern hielt, unruhig hin und her. „Versprochen habe ich es. Und ich möchte ihnen auch die Wahrheit erzählen, zumindest so weit es geht.“
„Und dann?“
Fragend blickte ich zu Teraz auf. Er saß auf der langen weißen Couch und hatte es sich mit den Beinen auf den Zierkissen bequem gemacht. Ihn in Jogginghosen und einem T-Shirt zu sehen, war völlig normal für mich mittlerweile. Entweder trug er diese, oder Jeans, doch zumeist in denselben grau, bis Schwarztönen.
Ich selbst saß mit angezogenen Knien auf einem ausgepolsterten Fensterbrett, über welches man in die Stadt hinab sehen konnte. Unten leuchteten hunderte von Lichter. Rote, grüne gelbe und weiße. Hier schien alles in Bewegung zu sein und immer laut, doch hier oben war es zum Glück herrlich still.
Seufzend nahm ich meinen ersten Schluck Alkohol und verzog angewidert das Gesicht. „Ekelhaft.“ Murrte ich, woraufhin Teraz frech lachte, als hätte er damit bereits gerechnet.
„Du musstest dir auch den Wodka nehmen.“
Angeekelt stellte ich das Glas fort. „Hättest du mich gewarnt, hätte ich diese Erfahrung niemals machen müssen.“ Ich tat alles um diesen ekelhaften Geschmack loszuwerden.
„Moment, ich bringe dir einen Energie. Dann schmeckt es süßer.“ Gesagt, getan, sprang er auf und brachte mir eine gekühlte Dose.
Den Inhalt meines Glases teilte er auf seines auf und schüttete zu den beiden klaren Wässerchen, den süßen Energietrunk. Jetzt schmeckte es wesentlich besser.
„Was meintest du mit >und dann<?"
„Wenn du ihnen alles erzählt hast, meine ich.“
„Das kommt darauf an, wie sie reagieren werden. Bestimmt werden sie Zeit brauchen.“ Hoffentlich würden sie mich immer noch akzeptieren. Selbst als Hexenkönigin.
„Denkst du denn, dass sie dich verstoßen?“
Unwissend hob ich die Schultern. „Das kann ich ehrlich nicht einschätzen. Als Elth mir erzählt... eher gezeigt hat, was er ist, bin ich erst einmal total ausgetickt. Ich dachte er verarscht mich, oder ich träume ganz einfach.“ Lachte ich. Das war kurz bevor er mich auf ein Motorrad gesetzt hatte und einen Abhang hinab gefallen war. Unglaublich, dass er als Raubkatze locker mit dem schnellen Gefährt hatte mithalten können.
„Was hat dich denn überzeugt?“
Mich überzeugt? Ja, wann war ich überzeugt gewesen, dass Elth die Wahrheit sagt? Das Gael ein Engel ist... gewesen ist. Oder dass ich meine ganz eigenen reinrassigen Werwölfe erschaffen hatte? Alphas. Das erste lebende Alpharudel. Sie waren mit sich selbst und der Mondmutter in Harmonie gewesen. Mit ihrem Wesen, ihren Instinkten.
Dann wusste ich es ganz plötzlich. „Richtig an meine Rolle geglaubt habe ich, nachdem ich meine Werwölfe verwandelt hatte. Ich weiß nicht genau, was in dieser Nacht passiert ist und es hat mir fürchterlich Angst eingejagt.“ Zumindest nachdem ich wieder ich selbst gewesen war. „Aber es war so... richtig. Und ihr Verlust fühlte sich an, als würde man mir meine Geschwister nehmen. Etwas das einfach zu mir gehört.“ Traurig gestimmt, stürzte ich den ganzen Inhalt hinunter ,doch dieses Mal verzog ich nicht das Gesicht. Eigentlich schmeckte es überraschend lecker und ich wollte noch etwas davon.
Eigentlich mochte ich Energies überhaupt nicht, doch auch keinen Wodka, wie ich vorhin hatte feststellen müssen. Aber wenn man die beiden mischte, war es nicht zu süß, oder zu scharf, sondern genau richtig.
„Das du sie richtig verwandelst hast, kann ich immer noch nicht glauben. Ich meine... das hat noch nie jemand geschafft. Weißt du eigentlich wie vielen du mit dieser Gabe helfen könntest? Sie würde... so viel Leid verhindern.“ Teraz ging völlig in diesem Gedanken auf, als würde er es zum aller ersten Mal laut aussprechen und sich gut dabei fühlen.
„Oder bloß noch mehr schaffen?“ Fragte ich völlig ernst. „Was ist, wenn man diese Gabe ausnutzen wollte? Jeder würde wahllos Kinder mit einer anderen Gruppe bekommen und dann wäre es immer an mir, deren Nachkommen zu &gt;heilen<. Also ich weiß nicht, ob ich das könnte. Mein ganzes Leben lang.“
Natürlich könnte ich tausenden helfen, aber welche Lehre würden die Eltern dann noch aus ihren Fehltritten, oder gedankenlosen Taten schließen? Dass es für alles eine einfache Lösung gibt? Wie bei der Vampirkönigin?
Sie hatte sich ihr Kind einfach selbst aus dem Körper gerissen, da es ein Mischling geworden wäre. Halb Vampir, halb Fee. Nicht dass das Kind etwas dafür könnte. Aber alleine der Gedanke daran, war einfach schrecklich.
„Das stimmt natürlich. Wir alle, egal ob Mensch, oder Wesen, tendiert dazu, sich den einfachsten Weg einfach unter den Nagel zu greifen.“
Zustimmend nickte ich, während ich meinen zweiten Drink mischte.
Für einige Zeit herrschte nun Stille. Weder ich wusste, was ich sagen sollte, noch Teraz wusste es. Vielleicht hing er auch einfach bloß seinen eigenen Gedanken hinterher? Das konnte ich nicht beurteilen, doch wollte es auch überhaupt nicht. Meine eigenen Gedanken glitten zu Elth, welcher völlig alleine auf dem Dach eines teuren Hotels saß.
Was mochte er sich wohl im Moment ausmalen? Zusammen fantasieren? Am liebsten würde ich einfach hoch gehen und diesen Abend einfach vergessen, als wäre es ein gänzlich normaler, doch um fair zu bleiben... das war er nicht. Und er fühlte sich auch nicht normal an.
Meine Haut juckte, seit die Sonne unter gegangen ist und ich fühlte mich unruhig. So, als besäße ich zu viel Energie unter meiner Haut, die einfach hinaus musste. Nachdenklich tippte ich auf mein halb befülltes, zweites Glas. „Denkst du, heute Nacht könnte ich mich einfacher verwandeln?“ Die Frage rutschte einfach aus mir heraus, noch während ich sie mir selbst stellte.
„Vielleicht. Wieso?“
„Ich weiß, es ist kein bisschen fair dir gegenüber, aber... um ehrlich zu sein, möchte ich die ganze Sache einfach bloß schnell hinter mich bringen, damit ich endlich zu Elth kann. Bitte nimm es nicht persönlich.“
Lächelnd winkte Teraz ab. „Nicht, doch. Das verstehe ich bloß zu gut, mir geht es ähnlich. Bloß mit dem Unterschied, dass ich endlich von euch allen weg möchte.“
Mit dem halben Scherz brachte er mich nun doch wieder zum Lachen. „Okay, und was tun wir jetzt? Wir können doch nicht weiterhin bloß Zeit schinden.“
„Keine Ahnung, ich war noch niemals in so einer Lage.“ Damit deutete er zwischen uns beide.
„Ich auch nicht.“ Seufzte ich.
„Willst du es denn überhaupt noch? Als Mensch ist es doch auch nicht so schlecht. Vermutlich sogar einfacher als eine Königin zu sein.“
„Das schon.“ Aber das wollte ich einfach nicht. Ich wusste nicht recht weshalb, aber als Mensch würde ich mich niemals wohl fühlen. „Mir gefällt so etwas einfach besser.“ Mit etwas Konzentration, ließ ich einen Luftzug durch den geschlossenen Raum wehen.
„Ich verstehe, was du meinst.“ Grinste Teraz schwach. „Aber ich meine es ernst. Du bist eine Gefährtin, doch derzeit noch eine menschliche und noch nicht so stark von dessen Bann getroffen. Wenn du... aussteigen willst, dann tue es am besten jetzt. Ich kann erkennen, dass es dir schwer fällt, nicht bloß Elth gegenüber.“
Ach! Das hatte doch alles keinen Sinn mehr! „Würde ich es nicht tun, würde ich es mein ganzes Leben lang bereuen. Elth müsste immer in der Angst leben, dass ich mich doch von ihm abwende, oder jemanden anderen interessant finde und mit seiner verbissenen Eifersucht kann, und will ich nicht leben.“ Teraz lachte belustigt, denn er konnte verstehen was ich meinte. „Und wenn ich es tue... was soll es? Ich tue es ja nicht, weil ich in dich verliebt bin, oder so etwas.“ Bei weitem nicht. „Es beschert mir ein längeres Leben, an Elths Seite. Er müsste mich nicht mehr so stark wie bisher beschützen, denn ich bin dann nicht mehr so zerbrechlich. Und sein so großes Vertrauen, denn es kostet ihm alles was er hat um nicht hier herein zu platzen, wie ein Neandertaler und mich hinauszuschleppen...“ Ich hielt für einen Moment inne, da es irgendwie der perfekte Moment für Elth wäre, doch er kam zum Glück nicht. „...zeigt mir bloß dass wir beide alles ertragen werden.“
Seine übertriebene Eifersucht bedeutete ja nicht, das er mir nicht vertraute, denn dies tat er durchaus. Dies bewies er schon an seinem fernbleiben und dafür liebte ich ihn bloß noch mehr. Nein, seine Eifersucht bewies, dass ich ihm so unendlich viel bedeute und es ihn beinahe zerriss.
„Okay, dann lass uns einmal zum nächsten Schritt über gehen.“
Nächster Schritt? Wie sollte dieser aussehen?
Teraz führte mich ins Schlafzimmer und warf sich auf die eine Hälfte des Bettes. Auffordernd klopfte er neben sich auf das Bett. „Los. Ich beiße nicht, ich bin kein Menschwandler.“

Lächelnd legte ich mich neben ihn und zusammen blickten wir hinauf zur Decke. Wir lagen wie alte Freunde einfach bloß nebeneinander und schwiegen ein wenig.
„Und was tun wir jetzt?“
Teraz zuckte mit den Schultern. „Überlegen was der nächste Schritt wäre und einfach noch weiterhin Zeit schinden.“
Nun musste ich doch lachen und drehte mich zu Teraz. Auch er wandte ich mir zu, doch wirkte etwas erschöpft. „Du willst das überhaupt nicht tun, habe ich recht?“
Seine Mundwinkel sanken noch weiter. „Natürlich nicht. Du bist keine der vielen Frauen, die ich liebe.“
Schmunzelnd stieß ich ihn mit den Fuß hinein. „Ich weiß dass du bloß eine einzige liebst. Und du brauchst es erst gar nicht abzustreiten!“ Mahnte ich, als er verdächtig den Mund öffnete um es zu bestreiten. Leugnen half nun überhaupt nichts mehr. „Ich glaube du hättest wirklich eine Chance bei Lissy.“ Das meinte ich ehrlich. Die beiden glichen sich auf eine andere Art und Weise aus, als Elth und ich es taten.
„Ich weiß dass Lissy mich liebt... Immer noch, oder schon wieder. Was weiß ich.“
Neugierig fragte ich nach. „Hat sie dir das gesagt?“
Teraz nickte und wurde dabei sogar rot. „Ja, ich weiß aber nicht wieso ich dir das überhaupt erzähle.“
„Weil es dir vielleicht gut tun würde?“ Fragte ich nach, was ihn irgendwie überzeugte.
„Ich denke... ich habe sie früher auch geliebt. Und jetzt, wo sie wieder in meinem Leben ist, kann ich an kaum etwas anderes denken. Nicht einmal meine Pflicht Euch, Prinzessin zu beschützen, erscheint mir mehr so wichtig. Das ist einfach nicht richtig.“
Ja, zwischen den beiden stimmte vieles nicht. Lissy ist eine Menschwandlerin. Teraz ein reinrassiger Hexer, genauer genommen ein reinrassiger, verstoßener Hexer, welcher zu einem Schwarzmagier wurde. Auf seinem Kopf ist Geld ausgesetzt und Lissy würde sich, so wie ihre Kinder strafbar machen, wenn ihre Beziehung zueinander, ans Licht kommen würde. Beide müssten immer in Angst leben gefunden zu werden. Ihre Kinder wären einem großen Risiko ausgesetzt. Vielleicht hielt sich Lissy deshalb zurück? Blockten sie einander vielleicht sogar deshalb unwissentlich ab? Nicht weil sie eine Vergangenheit hatten, sondern gerade weil sie eine gemeinsame haben, genauso wie ihre eigenen Fehler? Konnte so etwas denn überhaupt gut ausgehen?
Wünschen würde ich es Lissy, so wie Teraz. Er wirkte so einsam, verlassen und immer nur mit der namenlosen Fee, so wie ihrem Gefährten etwas zu tun zu haben konnte einfach nicht gesund sein. Man sieht ja, was aus denen beiden wurde.
Und Lissy wünscht sich eine große Familie, welche sie mit Teraz niemals haben könnte. Sie müsste, wenn ihre zukünftigen Kinder magisch begabt wären, auf eine Schule schicken und immer behaupten, sie wäre alleine erziehend. Woher würden sie ihr Geld nehmen? Die Kinder konnten niemals Freunde mit nehmen und sie alle würden ein gefährliches Geheimnis mit sich tragen.
„Sie hat es mir gestern gesagt. Zwar im Schlaf, aber sie wollte es so dringend. Es war ihr so unglaublich wichtig...“
„Du warst ihr doch schon immer sehr wichtig, oder?“ Ich kannte nicht alle Details ihrer Vergangenheit, doch war mir klar bewusst, wie intensiv diese Vergangenheit hatte sein müssen, wenn sie ihr immer noch nach über hundert Jahren nachhingen.
„Ja.“ Er schien über sich selbst überrascht zu sein. „Aber sie mir auch. Ich glaube ich habe niemals mehr Kontakt als zu ihr gehabt. Nicht einmal mit meinen eigenen Eltern hatte ich so viel Bezug, wie zu Liss.“
„Wieso habt ihr es denn niemals probiert?“
„Weil es... einfach niemals der richtige Zeitpunkt war. Damals, als Kind habe ich versucht meinen Eltern alles recht zu machen. Immerhin stamme ich aus einer wichtigen Erblinie ab. Später, war ich verlobt mit einer Frau, die eine ebenso beeindruckende Linie hatte, wie ich. Und dann wurde ich recht schnell zum Schwarzmagier. Ab da, hatte ich ohnehin zu niemandem mehr Kontakt. Es hätte jedem bloß Probleme bereitet. Besonders mir selbst.“
„Lissy hätte dir bestimmt alle Probleme vom Leib gehalten.“ Grinste ich.
Auch er lächelte. „Ja, sie hätte mich mit Krallen und Zähnen beschützt.“
„Denkst du denn, sie könnte deine Gefährtin sein?“ Ich fragte es lediglich aus Interesse.
„Nein, so ein Band teilen wir bestimmt nicht. Außerdem wäre es doch ein recht großer Zufall, wenn es denn so wäre. Immerhin bin ich... Hexer finden fast seltener einen Lebenspartner, als alle anderen. Wir suchen unseren Partner, nach magischen Potenzial und überlassen nichts dem Zufall.“
„Ich habe mich doch auch nicht für Elth entschieden. Es ist... einfach so passiert. Mein Schicksal ist ein völlig anderes, trotzdem gehört mein Herz ausschließlich einem... auch wenn ich es ungern sage, einem Mischling.“ Und ich würde für immer eine reinrassige sein. Unsere Kinder würden ebenfalls reinrassige Hexen werden, im besten Fall. In weniger guten, auch wenn wir sie gleich lieben würden, Mischlinge.
„Eigentlich ist so ein Band dumm. Man kann nichts für seine Gefühle, da ist es doch praktisch, wenn es mehr von dir gäbe. Ein biss und sie alle wären... &gt;normal<“ Aber was bedeutete dieses Wort schon? In der Welt der Magie und des Wandelns eher weniger.
„Eigentlich ist es ja mein Blut, dass die Werwöfe verwandelt hat.“ Korrigierte ich Teraz.
„Ja, aber in Menschen, oder? Das waren doch die meisten, bevor sie mit dem Virus angesteckt wurden.“ Bisher gab es kein bekanntes Gegenmittel, außer meinem Blut, was jedoch offensichtlich nicht auf jede Spezies zutraf.
„Ja, aber auch einige als Werwölfe geborene waren auch dabei. Sie haben mein Blut getrunken und wurden wieder zu Menschen.“
„Was also bedeutet, dass dein Blut diesen Virus geheilt hat.“ Also... wo er recht hatte.
„Und mein Speichel hat sie... Transformiert, oder wie?“ Fragte ich ungläubig.
„Ich persönlich glaube ja eher, dass es den Virus einfach verstärkt hat. Jetzt ist eigentlich bloß noch die Frage offen, ob dies auch bei der Genetik eines anderen Wesens funktionieren würde.“
Die Werwesen besaßen einen Virus, welchen sie übertragen, wenn ihr Speichel Blut eines Menschen trifft. Vampire wiederum konnte bloß Vampirkinder bekommen, doch die Aufzucht eines solchen beinahe unsterblichen Kindes dauerte fast zweihundert Jahre, wenn nicht mehr. „Konnten alle die so waren wie ich, so etwas?“
Teraz hob unwissend die Schultern. „Das weiß ich nicht. Ich bin noch keiner begegnet.“
Frustriert richtete ich mich auf. Wenn das stimmte... Wenn das mit meinem Biss wirklich der Wahrheit entsprach, dann hatten Elth und ich ja doch vielleicht noch eine Chance. „Du musst mir sofort helfen Teraz!“
Auch er richtete sich auf und musterte mich fragend. „Wenn das wirklich klappt, Prinzessin...“
Ich nickte bestätigend. Das würde einfach alles verändern!

 

- - - - - -

 

Teraz:

 

Leise klopfte ich an die Türe von dem Zimmer, in welches ich Lissy vor zwei Stunden begleitet hatte. Der Mond hatte bereits seinen Höchststand erreicht und schien mit seiner silbernen Sichel hell in den Raum hinein.
Auf versuchten, leisen Sohlen, schlich ich in das Zimmer und schloss die Türe genauso leise hinter mir. Lissy lag nicht mehr im Bett, das erkannte ich als erstes, denn ihr Schemen zeichnete sich vor einem der Fenster ab. „Was machst du hier? Seit ihr endlich fertig? Wie geht es Dell?“
Ich hörte ihr ungeduldiges Knurren, während ich an ihre Seite trat und so wie sie hinauf zum Mond blickte. Langsam schob sich eine dünne Wolke vor den mystischen Himmelskörper und verdeckte einen Teil seines Bauches.
„Ja, fürs Erste sind wir fertig.“ Antwortete ich ausweichend. Ich durfte ihr nicht erzählen, was Edelle vor hatte, denn die Prinzessin wollte niemanden falsche Hoffnungen machen. Noch nicht.
„Was soll das bedeuten? Will sie etwa noch eine Runde?“ Jetzt fauchte sie wütend, was mich schmunzeln ließ.
„Ich denke, du überschätzt mich bei weitem.“ Grinste ich und achtete darauf, das sie mein Gesicht nicht sah.
„Was heißt dann, dass ihr fürs Erste fertig seid?“ Ich konnte ihre Aufforderung ihr endlich zu Antworten regelrecht in der Luft spüren.
„Es bedeutet das, was es eben heißt. Später werden wir es dir genauer erklären.“
Grob fühlte ich eine Hand, welche sich um meinen Oberarm schloss und mich herum riss, sodass ich sie ansehen musste.
„Mach dich ja nicht über mich lustig, oder ich schmeiße dich durch das Fenster hinunter!“ Fauchte sie mit glühend gelben Augen. Sie war kurz davor ihre Kontrolle zu verlieren, doch ich verstand zu gut, weshalb. Ich konnte es ihr nicht einmal verübeln, denn Menschwesen, genauso wie Werwesen empfanden recht schnell und intensive Eifersucht.
Sanft löste ich ihre Krallen besetzten Finger von meinem Arm und zog sie sachte an meine Brust. Sofort kuschelte sie sich an mich und schlang ihre beiden Arme um meine zerbrechliche Taille. „Liss, deine Eifersucht ist süß, aber völlig unbegründet.“
Jetzt war sie wieder ärgerlich und knurrte mich an. „Als ob ich eifersüchtig wäre. Ich mache mir ausschließlich Sorgen um Dell!“
Vor einigen Tagen hätte ich es ihr noch geglaubt, hätte nicht sehen wollen, was ihre Reaktionen tatsächlich bedeuteten, oder hätte sie unter Umständen sogar stehen lassen.
Heute jedoch wollte ich eine Ausnahme machen. „Du riechst gar nicht nach Dell.“ Murrte sie überrascht und blickte fragend zu mir hoch. „Aber nach Alkohol!“
Über den Vorwurf musste ich lächeln. „Wir mussten beide unsere Nerven entspannen. Deshalb haben wir ein wenig getrunken. Keine Sorge.“
Misstrauisch beäugte sie mich. „Wehe du hast sie abgefüllt, damit du deiner Pflicht nicht nachkommen musst, oder gar auf eine perverse...“
„Was denkst du denn von mir?“ Jetzt war ich doch gekränkt!
„Nun, ja. Dell ist ein sehr hübsches Mädchen und seit heute Volljährig. Was soll ich denn sonst denken, wenn du eine Unschuldige abfüllst?“
Ich zog mich vor Lissy zurück und wandte ihr den Rücken zu. Dass sie mir so etwas überhaupt zu traute! So etwas musste ich mir wirklich nicht gefallen lassen! „Wenn du so über mich denkst, dann sollte ich wohl besser gehen.“
Mein Herz zog sich zusammen, als ich wütend aus dem Zimmer rauschte und geblendet von der Helligkeit des Wohnraumes, für einen Moment innehalten musste. Die Türe warf ich mit viel Schwung hinter mir zu, doch lehnte mich seufzend mit dem Rücken daran.
Was tat ich denn schon wieder? Von ihr so einen Unsinn vor geworfen zu bekommen, bloß weil sie Eifersüchtig ist und nicht weiß wohin mit ihren Gefühlen, war die eine Sache. Aber den Schmerz, welchen ich bei diesem Abgang empfand, ein gänzlich anderer. Ich fühlte mich schuldig, als hätte ich einen Fehler gemacht und das zerriss mir beinahe das Herz.
Ich wollte nicht gehen... Ich wollte bei ihr sein, besonders in dieser Nacht.
Aber wenn ich jetzt ginge, dann könnte ich unsere... Gefühle, oder was auch immer da zwischen uns war, einfach hinter uns lassen. Es würde enden, für uns beide und das für immer. Jedoch, wenn ich jetzt wieder hinein gehe und das tat, was ich mir so sehr wünschte, konnte ich nichts anderes dabei herauskommen, außer das wir uns verletzen. Und natürlich auch noch ihre Familie. Sie müssten alle vier immer in der Angst wegen meinem Kopfgeld leben.
Der Druck an meinem Rücken verschwand und Lissy sah mich erschrocken an.
Für einen Moment stand ich da, völlig sprachlos über ihre leicht geröteten Augen, welche sie eilig zu verbergen versuchte.
Sanft fing ich ihr Kinn ab und zog es wieder hoch. Ich wollte nicht das sie weinte und traurig war. Das zerriss mir ebenfalls das Herz, so wie wenn ich von ihr fort ging. „Du weinst ja.“ Diese Feststellung war vielleicht nicht gerade die Intelligenteste, doch brachte es Liss dazu sich auf die Unterlippe zu beißen, was mich seltsam faszinierte.
„Das ist nur... Ich hatte bloß etwas im...“ Mir kam es beinahe wie im Zeitlupentempo vor als ich meinen Daumen höher wandern ließ, zu einer vergessenen Träne und sie sachte verschwinden ließ.
„Ja, du hattest bloß etwas im Auge.“ Bestätigte ich ihren vergessenen Satz.
Langsam nickte sie und ich konnte beobachten, wie sich das sanfte Licht der Lampen, in meinem Rücken, in Lissys grünen Augen brach. Dadurch wirkten sie eine Spur heller und strahlender.
„J... Ja... Deshalb wollte ich... nur ins Badezimmer.“ Stammelte sie verunsichert und mit trockenen Lippen.
„Dann sollte ich dich nicht davon abhalten.“ Aber ich wollte sie abhalten. Alles in mir schrie danach, sie jetzt einfach gehen zu lassen. Das wäre... einfach nicht richtig.
„Okay...“ Ich erkannte, dass sie sich an mir vorbeidrängen wollte, ohne mich zu berühren, doch ich hielt sie davon ab.
„Ich habe darüber nachgedacht.“
Sichtlich irritiert blickte sie wieder zu mir auf, wobei unsere Körper bloß wenige Zentimeter Luftraum trennte. „Wovon redest du?“
„Von einfach allem.“ Kurz blickte ich über meine Schulter. Zwar waren wir alleine, doch trotzdem schob ich zurück in den dunklen Raum, wo sie mich mit verschränkten Armen, erwartend anblickte.
„Ter... was ist los?“ Mittlerweile klang sie besorgter, als sie sein müsste. „Ist irgendetwas passiert?“
Ich nickte bestätigend. „Ja, gestern.“
Fragend zog sie ihre Augenbrauen hoch, was ich jedoch nur dank des wieder hell scheinenden Mondes erkannte.
„Du warst... fast tot, Liss.“
Verlegen blickte sie zu Boden. „Ich habe dir noch gar nicht gedankt, oder?“
Seufzend fuhr ich mir durch das Haar. Wie konnte ich ihr das, was cih empfand bloß deutlich sagen? „Nein, um das geht es nicht. Das war selbstverständlich.“ Ich hätte es nicht ertragen sie erneut, oder gar endgültig zu verlieren.
„Trotzdem. Danke dass du mich gefunden hast, Ter. Auch... wenn du dafür etwas Dummes tun musstest.“
Ich hatte einen starken Verhüllungszauber um meine Hände gelegt, daher war niemanden eine Veränderung aufgefallen. Jedoch Sev und Em hatten es sich denken können. Sie kannten die ersten Symptome. Zu meiner Erleichterung schwiegen sie artig.

„Ich habe viel Magie verbraucht, das weiß ich, aber das habe ich bloß getan um dich zu retten und das war es mir alle mal wert.“
Leise lachte Lissy und kam näher auf mich zu. Sanft umfasste sie meine Hände und hob sie hoch, sodass sie zwischen uns schwebten. „Du weißt wovon ich spreche. Ich habe gesehen wie die schwarzen Blitze deine Hände verändert haben. Und ich bin mit Hexen aufgewachsen, daher weiß ich ebenfalls, dass du Todesmagie angewendet hast. Und zwar richtig schlimme.“
Das wusste sie? Aber sie war doch kaum noch bei Bewusstsein gewesen. Wie konnte sie das alles gesehen haben? „Aber.. Du warst doch...“
„Als du aufgetaucht bis, war ich klarer, als jemals zuvor...“ Sie schwieg plötzlich, doch ich spürte ihre Worte tief in meinem Herzen klingen.
„Ich weiß. Du hast es mir ein paar Stunden später, als du in deinem Zimmer warst gesagt.“
Ängstlich blickte Lissy auf. Sie konnte es nicht fassen. Oder wollte es einfach nicht glauben. „Nein, nein. Du hast da etwas miss verstanden!“ Redete sie sich heraus.
Langsam schüttelte ich den Kopf. „Du hast Unrecht, Liss. Ich denke, zum ersten Mal in den letzten hundert Jahren, verstehe ich dich richtig.“
Mit rasenden Herzen, wich sie vor mir zurück, wie ein verschrecktes Reh. „Bestimmt hast du dich nur verhört.“
Gewandt, so wie es bloß eine Raubkatze konnte drehte sie sich um und rettete sich selbst, zur anderen Seite des Zimmers, dort wo sie bereits vorhin am Fenster gestanden hatte. Ich folgte ihr sofort.
„Okay, sagen wir ich habe dich wirklich miss verstanden. Es stimmt aber trotzdem, oder?“
Lissy öffnete den Mund, als wollte sie sich rechtfertigen, oder es abstreiten, doch schloss sie ihn ergeben wieder. „Es ändert doch nichts, oder? Du hast vor hundert Jahren nichts für mich empfunden, Ter. Das hast du mir deutlich zu verstehen gegeben. Heute wäre es bloß noch komplizierter.“
Wieso hatte sie recht? Das was sie sagte, klang so logisch und endgültig, daher konnte ich es nicht einmal abstreiten. Doch mit einer Sache lag sie meilenweit daneben.
Sanft legte ich meine Hände an ihre Oberarme und strich sie zart hinab. Alleine durch diese Berührung, konnte ich fühlen, wie ihr ein Schauder über die Haut glitt und ihre Atmung sich veränderte. Auch ich selbst reagierte sehr deutlich darauf, denn mein Herz überschlug sich regelrecht vor Nervosität. Würde mich Lissy jetzt abweisen, könnte ich keiner einzigen Frau mehr in die Augen sehen.
Jedoch blieb sie ruhig, abwartend. Genauso zögerlich wie bevor, ließ ich meine Finger tiefer zu ihren Ellenbogen gleiten und beobachtete im halbdunklen, ihre Bewegungen, auch wenn es da nicht viel zu beobachten gab. Sanft folgte ich ihren Unterarmen, welche sie abweisend vor ihrem Oberkörper verschränkt hatte und löste sie vorsichtig.
Lissy tat nichts, sie ließ einfach zu, dass ich sie berührte, ihre Arme an ihre Seite hinab führte und ihren Körper zu mir umdrehte. Noch nie war mir Lissy so klein vorgekommen und das, obwohl wir mittlerweile gleichgroß waren. „Ich habe gelogen. Die ganze Zeit.“ Ich schwieg um ihre Reaktion abzuwarten, doch es kam keine. Sie wirkte immer noch eingeschüchtert und verunsichert. Und das wegen einen mageren Gestell wie mir. Das konnte ich einfach nicht verstehen. „Aber nicht bloß dich. Auch mich selbst, Liss. Ich wollte es, denke ich, einfach nicht wahr haben. Als Kind habe ich immer alles versucht um meine Eltern zu beeindrucken. Aber meine Gedanken drehten sich irgendwie immer bloß um das freche, eigensinnige Mädchen was mich so nervte.“
Jetzt schmunzelte sie verlegen und trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. Jedoch lauschte sie weiter.
„Als wir die Schule wechselten, verloren wir uns aus den Augen, was ich sehr begrüßte. Jedoch schien sich zwischen uns überhaupt nichts geändert zu haben, als ich dich völlig betrunken auf einem leeren Parkplatz aus einem Auto fliegen sah. Ich habe dich sofort erkannt, obwohl du dich sehr verändert hattest und bin zu dir gelaufen. Mir war klar, dass dir etwas Schreckliches passiert sein musste.“ Ich selbst hatte mich bloß auf diesem Parkplatz befunden, da meine damalige Verlobte mich aus dem Auto, wie so oft, geworfen hatte und ich etwas Zeit für mich wollte. Wer konnte schon ahnen, dass Lissy ausgerechnet dort landen würde. So viel Zufall konnte doch überhaupt nicht existieren.
„So schlimm war es nicht... Ich konnte mich ja befreien.“ Würdigte sie die Situation herab.
„Aber du hattest furchtbare Angst. Das kann ich verstehen, Liss. Darum bin ich auch gerne bei dir geblieben. Vor allem jedoch, weil ich es irgendwie... genossen habe, dich wieder zu sehen.“
„Du konntest es aber nicht erwarten endlich meinen bösartigen Fängen zu entkommen.“
Ja, ich war wirklich schnell abgehauen. Jedoch mit rasendem Herzen und ich konnte monatelang an nichts anderes mehr denken. Ich hatte immer bloß Lissy in meinem Kopf gehabt. „Das war, weil ich mich schuldig gefühlt habe. Ich war zu dieser Zeit verlobt, mit einer Frau die ich zwar nicht liebte, doch man erwartete von mir, dass ich mich meines Standes entsprechend benahm. Das hast du gehörig auf den Kopf gestellt.“
Da Lissy kichern musste, hielt sie sich die Hand vor den Mund. „Ich habe dir wirklich keine Wahl gelassen, stimmt´s?“
„Doch.“ Erwiderte ich, woraufhin sie mir wieder in die Augen sah. „Du warst immer meine Wahl, Liss. Du, oder niemand. So einfach war das immer. Und bisher habe ich niemanden an mich herangelassen. Du warst schon immer die einzige für mich und auch immer die erste.“
Strahlend und gleichzeitig schmunzelnd zupfte sie an meinem Shirt. „Da erging es mir nicht anders. Du warst auch für alles mein Erster.“
Die erste Person zu der man sich hingezogen gefühlt hatte. Die erste nicht verwandte Person, zu der man eine unbestimmte Verbindung genoss. Die erste Person, mit der man seinen ersten Kuss hatte, das erste Mal aufrichtig lachte, in der man sich das erste Mal selbst verlor.
„Du bist die erste und einzige, mit der sich alles immer so richtig anfühlt. Selbst das Streiten.“ Jetzt lachten wir beide und umarmten uns liebevoll. Es tat viel zu gut, sie zu spüren. Ihren rasenden Puls, das galoppierende Herz ihren warmen Atem.
„Das könnte ich doch fast als Kompliment auffassen.“ Scherzte Lissy und kuschelte ihr Gesicht an meinen Hals.
Langsam erreichten sich unsere Wangen und entfernten sich gleichermaßen. „Das will ich doch hoffen, außerdem hast du noch einiges wiedergutzumachen.“
„Was denn zum Beispiel?“ Fragte sie unwissend.
„Halt die Klappe.“ Sie knurrte mich für meine rüden Worte an, doch seufzten wir gleichermaßen, als sich unsere Lippen endlich, nach gefühlten Stunden, berührten.
Sanft ließ ich meine Hände über ihren zierlichen Rücken gleiten und sie selbst, schlang ihre Arme um meinen Hals. Nach wenigen Küssen zog ich mich jedoch wieder zurück. „Liss, ich meinte das ernst. Du bist für mich immer die erste und einzige gewesen.“ Zwar hatte ich meine Verlobte in der Öffentlichkeit hin und wieder küssen müssen, doch war dies niemals so intensiv gewesen, wie mit dieser aufdringlichen Raubkatze.
Es dauerte einen bedeutenden Augenblick, bis Lissy auch wirklich verstand wovon ich sprach. „Oh, Moment. Du meinst auch... Du hast nie wieder, nachdem wir beide...“
Ich schüttelte langsam den Kopf.
„Aber du warst doch verlobt, oder?“
Abweisend zuckte ich mit den Schultern. „Das hat niemals eine Rolle für mich gespielt. Nicht einmal wenn ich gemusst hätte, hätte ich es über mich gebracht und sie dachte schon ich wäre schwul. Jedoch hat uns das zu recht guten Freunden werden lassen.“
Jetzt musste Lissy doch wieder lachen. „Okay, ich kann eindeutig bezeugen, dass du nicht auf Männer stehst.“ Aufreizend schmiegte sie ihren Körper wieder an meinen, sodass ich ihre wohlgeformten Brüste an meinem Brustkorb fühlen konnte, als wäre keine Kleidung dazwischen. Sofort sank mein Blut einige Etagen tiefer.
Sinnlich leckte Lissy über meine Lippen und forderte, dass ich sie öffnete. Nur zu gerne ging ich dieser Aufforderung nach, zog sie fester an mich und genoss jede einzelne Sekunde, so wie ich es bereits tun hätte sollen, als wir zwanzig gewesen sind. „Ich hoffe doch, dass du heute kein einziges abweisendes Wort verlieren wirst.“ Hauchte sie an meinem Ohr und leckte zärtlich daran entlang.
Für einen Moment wurde mir schwarz vor Augen. „Ich weiß nicht einmal, ob ich heute überhaupt noch reden möchte.“
Im Sturm eroberte ich ihre Lippen erneut, doch dieses mal war sämtliche Zärtlichkeit vergessen. Das einzige wonach wir beide uns noch sehnten, waren die Dinge, welche wir ein ganzes Jahrhundert vor uns her geschoben hatten. Ich wollte sie unbedingt alle vergessen lassen. Jeden einzelnen Mann, den sie seit damals gehabt hatte, wollte ich ohne Gnade aus ihren Erinnerungen löschen, sodass bloß noch ich existierte für sie.
Aber ich wollte nicht so aufdringlich sein, wie Elth. Ich bin kein besitzergreifendes Wesen, sondern eher ein unauffälliger. Immer wieder musste ich Lissys viel zu schnelles Tempo drosseln, wobei ich doch alles in Ruhe genießen wollte. Jedoch kaum dass ich mich versah, war ich bis auf die Shorts nackt, während sie noch alles trug. Schmunzelnd ließ ich mir weiterhin Zeit, kostete jeden Zentimeter ihrer wohl duftenden Haut und reizte ihre vollen Brüste so lange, bis sie nicht einmal mehr einen Ton hervorbrachte.
Stumm erschauderte Lissy unter mir, wand sich unter ihren übermäßigen Empfindungen, bis sie wohlig schnurrte, obwohl ich noch nicht einmal ihre Hose berührt hatte. Ich mochte es wie sich dabei ihr Duft veränderte. Er mischte sich so herrlich mit meinem, dass wir sogar schon gleich rochen.
„Ich hasse dich... Bitte hör ja nicht auf.“ Stöhnte sie als meine Küsse nach einer gefühlten Ewigkeit ihren Hosenbund erreichten und ich musste lachen.
„Entscheide dich einmal.“ Schon die ganze Zeit musste ich mir anhören, dass sie sich über mich ärgerte, doch gleichzeitig hatte sie sich noch nie besser gefühlt. Da sollte man einmal schlau daraus werden.
„Schon gut, hör nicht auf.... Bitte!“ Um ihr ihren sehnlichen Wunsch zu erfüllen, zog ich ihr die Hose über den Hintern und warf sich achtlos zur Seite.
„Besser?“ Fragte ich frech grinsend, woraufhin ihre Hand wieder in meiner Hose verschwand und weiter reizte.
„Das zahle ich dir alles noch heim!“ Noch nie in meinem Leben, hatte sich ein Streit jemals besser angefühlt. Es dauerte bestimmt Stunden, bis ich endlich tief in ihr Versank und wie oft wir gekommen waren, konnte ich nicht einmal mehr zählen.
Eines jedoch war uns beiden definitiv klar. Hätten wir damals nicht so viel zwischen uns stehen gehabt, hätten wir solche Dinge bereits viel länger genießen können. Aber ob wir einander auch dermaßen geschätzt hätten? Wer konnte das schon sagen?
Auch wenn wir keine Gefährten waren, denn das wäre zu schön um wahr zu sein, so existierte zwischen uns beiden so unendlich viel mehr, als wir jemals erwartet hätten. Eine Sache, auf die es sich zu warten, gelohnt hatte.

 

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Edelle:

 

Es war das erste Mal, dass ich Elth mit Kopfhörer sah. Lächelnd ließ ich meine Zunge aus meinem gefährlichen Maul hängen und setzte mich auf meinen orange, weißen Hintern. Vor Aufregung, hatte es knapp eine Stunde gedauert, bis ich es endlich schaffte die Form eines Menschwandler anzunehmen, doch das Ergebnis lohnte sich. Ich sah unglaublich sexy aus. Das hatte sogar Teraz zugeben müssen, wobei er mir das Versprechen abgenommen hatte, dies niemals vor Lissy, oder gar Elth zu erwähnen.
Auf allen Vieren, schlich ich leise. Mit meinen gepolsterten Sohlen, verursachte ich kein Geräusch und die Stadtgeräusche übertönten mich zusätzlich noch. Elth lag auf der Dacherhöhung, welche gebaut worden war, damit niemand betrunken hinunter fiel. Als Mensch konnte man diese hohe Mauer nicht bezwingen, doch für Elth war es sichtlich ein leichtes gewesen.
Mit geschlossenen Augen lag er da und wartete einfach. Irgendwie wirkte er ruhiger, als bisher. Auch wenn er versucht hatte, dass er sich nichts anmerken ließ, so war es für mich recht offensichtlich gewesen, wie sehr ihm die ganze Situation unter die Haut ging.
Plötzlich hob Elth witternd die Nase. Wie vom Blitz getroffen fuhr er hoch, wobei er auf dem einen Meter breiten Absatz, nicht einmal taumelte und knurrte feindselig in die Umgebung, bis er mich endlich erblickte.
Mit anmutigen Bewegungen kam ich weiter auf die Mauer zu und strich an der Wand entlang. Ich wollte nicht hoch, er sollte herunter kommen.
„Wieso bist du... Du hast es nicht getan, oder?“ Seufzend sprang Elth herab und kam vor mir auf die Knie, damit wir gleichgroß waren. „Aber du wolltest doch kein Mensch bleiben, Dell. Wir beide wissen, dass du so nicht glücklich werden wirst.“ Da hatte er durchaus recht.
Winselnd überwand ich den Meter, welcher uns trennte und stieß mit meiner feuchten Schnauze gegen seine Hand. „Ach, Schatz. Was machst du nur wieder für Sachen?“ Flüsterte er sanft an mein Ohr, als er sich am Boden setzte, damit ich meinen großen Körper auf ihm ablegen konnte. „Du weißt, ein Mann ist nur so glücklich wie seine Frau.“ Tadelte er mich scherzend, woraufhin ich ihm über die Nase leckte.
„Okay, wenn ich das mache, ist es in Ordnung. Bei dir ist das seltsam.“ Lachte mein Verlobter und streichelte mir durch das Fell.
Langsam glitt ich in meine Zwischenform und spreizte meine Beine, damit ich gemütlich auf ihm hocken konnte und blickte ihm freudig in die Augen. „Gefalle ich dir denn gar nicht in dieser Gestalt?“
Elths Augen wurden größer, als er seinen Blick an meinen langen Beinen, dem perfekt geformten, buschigen Schwanz, meinem unvergleichlichen orangen und weißen Fell, hinab gleiten ließ. „Ehrlich gesagt würde ich am liebsten in diesem Moment über dich herfallen. Oder jedem die Augen auskratzen, wenn es jemand wagen sollte dich anzusehen.“
Beinahe ehrfürchtig, ließ er seine Hände über meinen Körper gleiten, was sich seltsam intensiv durch das Fell anfühlte. Im Moment fühlte ich mich, trotz des vielen Fell viel nackter, als jemals zuvor. „Ich habe mich noch nie in einem Körper so wohl gefühlt, wie in diesem.“ Gab ich zu und sog tief die Luft ein. Der Geruch, mein Gehörsinn, selbst als Elth mich unerwartet intensiv küsste, dachte ich, so müsse der Himmel einem vorkommen. Es war einfach alles ganz anders.
„Wow... Du schmeckst...“ Ich fand überhaupt keine Worte dafür.
„Jetzt weißt du weshalb ich dich so gerne küsse.“ Liebevoll hauchte er mir einen Kuss auf die Lippen. „Oder an dir rieche.“ Sanft drückte er meinen Kopf zur Seite und sog tief die Luft, an meinem Hals, ein. „Du bist das pure Stück vom Himmel.“
Zärtlich fuhr ich mit meinem Krallen besetzten Daumen, über seine Unterlippe, jedoch ohne ihn zu verletzen. „Jetzt stell dir vor, wir würden uns beide in der Zwischenform befinden. Und wären beide nackt.“
Sofort glühten Elths Augen lustvoll auf und er stieß seine menschliche Hülle ab. Nun saßen wir da. Der Fuchs auf dem Gepard, glücklicher als jemals zuvor.
„Ich wünschte davon hätten wir ein Bild.“ Hauchte ich, bevor ich verspielt von ihm hinunter sprang und vollständig in den Fuchs glitt. Nun fühlte ich mich gleich wieder leichtfüßiger. Mein Körper war kraftvoll, geschickt und perfekt dazu gemacht, durch die Wälder zu streifen. Während Elths lange Beine und das kurze Fell, perfekt für weite Ebenen gemacht waren.
Knurrend lief mir meine Raubkatze hinterher, auf allen Vieren und versuchte mich zu fangen. Heiter schlug ich einen engen Haken, welchen er nicht schlagen konnte und beobachtete lachend, wie er sich überschlug. Fauchend sprintete er los und sprang direkt auf mich zu. Es fühlte sich an, als könne ich ganz einfach ausweichen, doch mein Instinkt sagte mir, dass ich stehen bleiben sollte und das tat ich auch. Unterwürfig ließ ich mich von der starken Raubkatze gefangen nehmen und genoss seinen liebevollen Biss. Er war nicht so stark wie früher, als er mir das Mal verpasst hatte, sondern zärtlich und liebevoll, wie unter liebenden und das waren wir auch.
Da erinnerte ich mich daran, was ich ursprünglich machen wollte. Sanft drückte ich Elth von mir, der bereit über mir stand und mich bewundernd anblickte. Sofort kuschelte ich mich an seine Brust und schnappte nach seinem Maul, was ihn belustigt schnauben ließ. „Ich wünschte das könnten wir für immer machen.“ Gab Elth zu, woraufhin sein Blick wieder trauriger wurde.
Auch ich hörte auf ihn zum Spielen zu animieren und setzte mich direkt vor ihn hin. Noch immer, obwohl wir beinahe gleich waren, überragte er mich, dank seiner langen Beine und blickte sehnsüchtig an mir herab. „Dann... sollten wir es vielleicht probieren, oder?“
Elths Gesichtsausdruck verfinsterte sich etwas. „Nein, Dell! Du weißt, dass sich eine Zweitgeborene in ihrer Geburtstagsnacht bloß mit einem Reinrassigen verbinden darf.
Ich schmunzelte frech. „Perversling. An was du schon wieder denkst.“
Daraufhin stieß er ein genervtes Seufzen aus und zwickte mich ins Ohr. „Werd ja nicht zu frech, du hinterlistiger Fuchs.“
„Hinterlistig bin ich, ja.“ Gab ich zu. „Aber das tue ich bloß, weil es für mich weder heute, noch sonst irgendwann einen anderen Mann geben wird, Elth.“
Sein aufkeimendes Lächeln erlosch, als ich mich auf ihn stürzte und mit viel zu viel Kraft in seine Kehle Biss.
Jauchzend ging Elth zu Boden.
Was würde jetzt geschehen? Würde Teraz und meine These wirklich aufgehen? Falls ja, was würde er werden? Ein Menschwandler, oder ein Vampir, immerhin trug er beide Gene aktiv in sich, wobei das des Vampirs in diesem Fall nicht dominant war.
Deshalb hatte ich ihn auch in diese Form gelockt. Ich wusste, dass er niemals zugelassen hätte, dass ich diesen Versuch starte, denn wenn es nicht klappte, oder nach hinten losginge, würden wir beide darunter leiden. Besonders ich, denn ich hätte ihn dann dazu verdammt.
Aber weshalb sollte es denn auch nicht klappen? Ich hatte immerhin mittels eines Bisses den Wer-Virus verstärkt und ein Rudel, bestehend aus Alpha geschaffen. Alpha die ich bis heute vermisste.
„Was h...t... du...“ Keuchte Elth und rutschte überrascht von mir fort.
„Bitte sei mir nicht böse. Ich musste es einfach probieren. Wir mussten es wissen, Elth!“ Bettelte ich und schlich ihm unsicher nach.
Zwar schmeckte ich noch Elths Blut auf meinen Lippen und wusste, dass es für jeglichen Rückzug zu spät war, doch wenn ich tatsächlich mit todesqualen auf sein Blut reagieren würde, und er sich aber doch in einen Reinrassigen verwandeln würde, so hätte das alles doch noch einen Sinn gehabt.
„Dell... du..“ Unkontrolliert zwang sich Elth in seine Zwischenform zurück und hielt sich seinen Hals. Die Wunde war nicht tief genug, sodass er verbluten würde doch tief genug, um eine Narbe zu hinterlassen, so wie bei meinen Werwölfen. „Wieso hast du das getan?“ Ungläubig betrachtete er das Blut an seinen Händen, danach das an meinen Lippen. „Du elendiger Dummkopf!“ Fluchte er frustriert und blieb endlich stehen.
„Wenn es nicht klappt, Elth. Dann ist es in Ordnung. Es ist wirklich in Ordnung. Immerhin habe ich es probiert.“ Weder Teraz, noch ich, hatten bisher daran gedacht, dass mich nach einem Biss, Elths Blut selbstverständlich berühren würde und somit in meinen Kreislauf gelangt.
„Aber dafür musstest du doch nicht gleich dein Leben opfern!“ Schrie er, denn die Wunde heilte bereits wieder. Viel schneller, als dass es bei einem Mischling normal war und dann kehrte Stille ein. „Scheiße!“ Stellte er fest und sah an sich hinab. „Es ist weg!“

Bisher war Elths Gesicht bloß goldbraun gewesen, ohne die typische Tränenzeichnung eines Gepards. Jetzt jedoch schimmerte die dunkle Farbe, unter dem goldbraun hervor und selbst die vereinzelten Flecke, wurden zu dem typischen Fleckenteppich, welcher sich über seinen gesamten Körper zog und die Streifen verschwanden gänzlich. „Du siehst... so prachtvoll aus.“ Staunte ich und kam in meiner eigenen Zwischenform, auf die Beine.
Elth sprang ebenfalls auf und glitt in seine völlige Verwandlung. Er sah exakt aus, wie ein Gepard, bloß viel größer und bestückt mit dem Gehirn eines Menschen. Als er erkannte, das endlich alles rechtmäßig gefleckt war, kam er ebenfalls zurück in seine Zwischenform und schloss mich herzhaft in seine Arme. „Oh, Dell! Ich kann dir überhaupt nicht sagen wie dankbar ich dir bin.“ Fest drückte er mich an sich und küsste meine Wange. „Ich liebe dich. Ich liebe dich so sehr, mein Herz.“ Schnell wanderten seine vielen Küsse tiefer, bis er meine Lippen erreichte, wo er den Kuss vertiefte. „Ich liebe dich.“ Wiederholte er immer und immer wieder. Er konnte überhaupt nicht mehr aufhören und ich wollte diese wunderschöne Stimme für nichts auf der Welt eintauschen. Von mir aus könnte er es mir vierundzwanzig Stunden am Tag, sieben Tage die Woche sagen, doch mir würde es niemals zuwider werden.
Plötzlich sickerten meine Tränen los. Jedoch nicht aus Trauer. Ich war erleichtert, so unglaublich erleichtert, dass ich kaum Worte dafür fand. „Elth.. Hör nie wieder auf damit mir das zu sagen.“ Bettelte ich zwischen einigen Küssen und wurde kurzerhand gegen eine Wand hinter mir gedrückt.
„Das schwöre ich dir, du kleine, verwöhnte Göre! Aber wenn du mir wieder so einen Schrecken einjagst dann...“ Für einen Moment hielt er inne und schien darüber nachzudenken, womit er mir drohen sollte. „Das überlege ich mir wenn es soweit ist.“
Lachend schlang ich meine Arme fester um seinen Nacken und genoss es, als er meinen Hals küsste. „Was hältst du eigentlich von meiner vorhin erwähnten Idee?“
Gestellt unwissend hob er eine Augenbraue und musterte meinen Körper, so weit er eben hinabsehen konnte. „Du meinst, die Idee mit dem Foto? Und mich einen Perversen nennen.“
Lächelnd stieß ich ihn mit der Nase an und glitt mit meiner rechten Hand seinen Körper hinab. „Du weißt ganz genau, wovon ich spreche. Immerhin bist du der einzige reinrassige Menschwandler weltweit.“
„Wenn es meine Majestät erlaubt?“
Ich überlegte aufgesetzt und tat so, als müsste ich ernsthaft erst darüber nachdenken. „Nun, ja ich könnte doch auch jemanden anderen erschnüffeln und ihn beißen, damit er schnell einmal...“
„Oh, verdammt! Dell?“ Erschrocken hielt ich inne, als Elth mich abrupt losließ. „Was ist mit deinem Körper?“
Verwirrt blickte ich an meinen Körper hinab und erkannte, dass meine Brüste sehr deutlich zu sehen waren. Eigentlich sollten sie doch von dichten Fell verdeckt sein, doch das war nicht mehr so und sie blickten kreideweiß hervor. Auch an anderen Stellen hatte sich mein Fell gelöst, doch es endete einfach nicht.
„Was ist... los?“ Fragte ich ungläubig und bei jeder Bewegung löste sich ein neues Büschel Fell.
„Ich weiß es nicht. Tut dir irgendetwas weh?“ Panisch versuchte ich mein Fell festzuhalten. Das konnte doch nicht wahr sein. Wieso? Weshalb ausgerechnet jetzt? Jetzt da Elth und ich endlich glücklich sein konnten und ich mich zum ersten Mal richtig wohl in meiner Haut... meinem Fell fühlte, ertrug es mein Körper nicht. Das Fell stieß sich einfach ab, bis nichts weiter, als weiße, blanke Haut übrig blieb, viel weißer als dass es meine Haut normalerweise war.
„Elth? Elth! Was passiert mit mir?“ Sofort kam Elth wieder näher und versuchte die letzten verbliebenen Büschel an ihren Platz zu halten, vergebens.
„Ich weiß es nicht. Das... Das darf jetzt einfach nicht sein. Nicht so! Ich will dich nicht verlieren, Dell.“ Mit Tränen in den Augen, zog er mich gänzlich in seine Arme und schloss mich darin ein, als würde ich mich in einem sicheren, warmen Käfig befinden, der die Zeit anhielt und uns in einer sicheren Zeitzone wog.
„Ich will das nicht. Ich will so bleiben, wie du bist.“ Schluchzte ich vor mich hin und wollte es einfach nicht wahrhaben. Sie verschwand einfach. Meine Macht, mein Lebenssinn und mit alldem auch meine Träume, für Elth und mich. Alles verschwand einfach und keiner von uns beiden konnte es mehr aufhalten. Zum ersten Mal hatte ich ernsthaft etwas gefunden, worin ich mich wohl fühlte. Einen Körper, der zu mir passte...
„Du blutest?“ Jetzt drang ebenfalls der Geruch von Blut an meine Nase. Dies war auch der Moment, indem ich erkannte, dass meine Sinne immer noch perfekt funktionierten. Ich hörte den Stadtlärm lauter als nötig, Elth roch immer noch, wie ein Stück aus dem Himmel und das Blut auf meinen Lippen konnte ich ebenfalls noch in einzelne Geschmacksstärken einteilen, wie ich es als Mensch niemals gekonnt hatte.
„Oh verdammt. Dein Rücken ist voller Blut!“ Ich versuchte hinter mich zu sehen, doch verständlich klappte es nicht.
„Was ist da? Irgendetwas ist in meinem Rücken!“ Panisch schrie ich auf, denn ich spürte wie etwas aus meinem Rücken kroch. „Was ist das, verdammt?“ Schrie ich und drehte mich um die eigene Achse, um dieses ekelhafte Gefühl loszuwerden.
„Bleib stehen, sonst sehe ich ja nichts!“ Elth war mindestens so panisch, wie ich selbst und hielt mich an Ort und Stelle, damit er nachsehen konnte, was unter meiner Haut krabbelte.
„Ich kann nichts erkennen, aber es ist alles voller Blut.“ Er strich über meine Haut, doch schien nichts zu ertasten.
„Was soll das heißen? Da muss irgendetwas sein. Es fühlt sich an, als würde da ein riesiges Insekt kriechen!“ Schrie ich hysterisch, denn was er sagte, ergab einfach keinen Sinn. Irgendetwas war unter meiner Haut. Das bildete ich mir doch nicht ein!
„Dell, ruhig. Ich kann nichts außer Blut erken... Igitt!“
Es fühlte sich an, wie ein Ruck. Er ging durch meine Wirbelsäule, als würde irgendjemand einen Schlauch aufschlagen und dieser eine Welle ziehen. Vor Schreck schrie ich auf und landete unsanft auf dem Boden. „Da kommt tatsächlich etwas aus deinem Rücken!“ Stellte Elth fest und wollte mich stützen, doch ich stieß ihn fort.
Abermals gab es einen Ruck in meiner Wirbelsäule und noch etwas schien aus meiner Haut hervorzubrechen.
„Scheiße... Das sind Knochen?“
„Was!“ Rief ich erschrocken aus. Sah so etwa der angehende Tod durch das Blut eines Mischlings aus? War es das, was auch einmal meiner Vorgängerin passiert ist? Wies ich etwa nun dieselben Symptome auf, wie sie? Oder gar schlimmere?
Eigentlich empfand ich ja überhaupt keine Schmerzen. Es tat kein bisschen weh, außer mein unsanfter Sturz. Ich hatte mir dabei das Knie aufgeschürft.
„Dell? Tut dir etwas weh? Hast du Schmerzen?“
Langsam ließ ich mich auf meinen Hintern zurück sinken und atmete tief aus. Immer noch konnte ich ein ziehen und schieben in meinem Rücken fühlen, doch da ich keine Schmerzen empfand, legte sich meine Panik langsam wieder.
„N...Nein. Ich glaube nicht. Außer, doch mein Knie tut weh.“ Eilig zog ich es an und betrachtete die leicht blutende Abschürfung.
„Ich heile es für dich.“ Ohne auf meine Erlaubnis zu warten, beugte Elth sich über und leckte die Wunde einmal. „Schon besser?“
Ich nickte bestätigend. „Ja, danke. Aber was ist mit meinem Rücken? Er fühlt sich so schwer an.“

Nervös drehte und dehnte ich meinen Rücken, in der Hoffnung irgendetwas spüren zu können. „Da sind immer noch diese Knochen. Aber sie werde mehr und scheinen irgendetwas zu bilden.“
Meine Knochen bildeten irgendetwas? Was sollte das denn nun wieder bedeuten? „Was tun sie denn? Was ist hier los, Elth?“
Unwissend warf er die Hände in die Luft und nahm mich, so gut es ging, in die Arme. „Alles wird wieder gut, Dell. Keine Sorge.“
Schniefend nickte ich und kuschelte mich an seine Brust. „Das ist nicht fair. Wieso passiert das? Ich dachte, jetzt wäre endlich alles gut.“
Es dauerte noch weitere zehn Minuten, bis das Ziehen in meinem Rücken endlich endete. Was auch immer dort hinten geschah, es fühlte sich seltsam und unangenehm an. Zwar hatte ich keine Schmerzen, was ich herzlichst begrüße, trotzdem ängstigte ich mich davor, was eben passierte.
„Deine Arme sind auch schon ganz hart. Fühlst du dich... anders?“
Ich schüttelte, immer noch verweint, den Kopf. „Nein, meine Sinne sind noch so gut, wie als Menschwandler. Vielleicht sogar etwas zu gut.“ Zwar konnte ich nicht definieren, was dieser beißende Geruch war, doch konnte ich erkennen, dass er von Elth kam und er mir keinesfalls gefiel. Konnte ich etwa jetzt bereits Gefühle riechen? Immerhin sagten mir meine Sinne, dass er Panisch und ängstlich war, obwohl er nicht danach aussah. „Wie sieht mein Rücken aus?“
Elth blickte hinter mich, wo schwere Knochen, bisher blank, aus meinem Rücken ragten. „Es scheint, als würden sie von einer dünnen Hautschicht überzogen werden. Sieh dir das an.“
Kleine, so eine Art, Noppen, bildeten sich unter meiner Haut, an den Unterarmen. Drei an jedem Arm und sie wurden größer und dunkler. „Was ist das?“ Fragte ich, zum gefühlten hundertsten Mal. Trotzdem hatte noch keiner von uns eine Antwort darauf.
„Ich würde ja sagen, du verwandelst dich, doch kann ich nicht sagen, in was?“
Auch ich wusste es nicht. Nicht einmal der leiseste Verdacht wollte mir in die Sinne kommen. Davon hatte ich niemals etwas gehört. Was würde ich bloß geben, wenn Gael jetzt hier sein könnte?
„Das werden wir wohl erst erfahren, wenn ich fertig bin.“ Elth beugte sich zu mir und küsste mich liebevoll.
„Egal was es ist. Du siehst immer wunderschön aus und ich liebe dich.“
Dankbar seufzte ich und ließ mir ein schwaches Lächeln entlocken. Mittlerweile fühlte ich mich müde und ausgelaugt. Fast schon, als wäre ich die ganze Nacht bloß gelaufen. „Ich habe Hunger.“ Beklagte ich mich, nach dem Ende des Kusses. Und Durst ebenfalls.
„Ehrlich gesagt, würde ich dir ja anbieten dich hübsch auszuführen. So zu sagen, als unser erstes Date. Aber ab jetzt werden wir wohl alles selbst bezahlen dürfen. Außerdem würde ich ein Blutbad hinterlassen, weil dich jeder anschmachten würde.“
Glücklich streichelte ich Elths Wange. „Irgendwann, werden wir das schon nachholen. Aber erst einmal, muss ich wirklich etwas Essen. Ich habe einen verdammten Kohldampf und irgendetwas riecht hier wirklich sehr lecker!“ Neugierig reckte ich meine Nase. Der Geruch kam aus dem Westen und war recht schwach. Doch ich wusste, das ich es haben wollte. Unbedingt!
„Okay, ich lass uns etwas auf das Zimmer liefern...“ Ich schüttelte den Kopf und sprang auf meine Beine.
„Nein, ich will das, was hier so gut riecht. Elth, ich will das Essen! Jetzt!“ Mit einem Sprung, fand ich mich plötzlich auf der Mauer wieder. Genauer gesagt &gt;an< der Mauer. Mit kräftigen Krallen hackte ich mich in den brüchigen Stein und mit den Zacken an meinen Schienbeinen, stützte ich mich.
Geschickt, beinahe wie eine Spinne, bloß eben mit gefährlichen Krallen, zog ich mich hoch und hockte mich auf den Rand der Mauer. Elth setzte mir natürlich nach und setzte sich neben mich. „Dell, was hast du vor? Es ist gefährlich hier oben.“ Tadelte er mich, doch es war mir egal.
Mein Herz raste nervös und mein Puls stachelte mich zur Jagd an. „Dort hinten, Elth. Kannst du es riechen? Es sind... so viele!“
Ein Gluckern machte auf meinen, bereits leeren. Magen aufmerksam und ich knurrte zustimmend. „Okay, dann hohlen wir dir erst einmal etwas zum Anziehen und dann sehen wir, ob wir das Finden können, was du riechst.“
Elth legte sachte seine Hand auf meine Schulter, damit ich ihn ansah. Erschrocken zuckte er vor meinem Blick zurück. „Wow. Diese Augen...“
Irritiert, da ich meine Augen ja nicht selbst sehen konnte, zwinkerte ich. „Was ist denn? Stimmt etwas nicht?“
„Was? Das fragst du auch noch? Dell, ich glaube aus deinem Rücken wachsen Flügel und deine Haut ist hart wie Stein, trotzdem bewegst du dich so elegant wie ein Menschwandler. Ist dir überhaupt klar, was das heißt?“
Menschwandler? Moment, hatte Elth gerade das gesagt, was ich dachte, dass er gesagt hätte? „Ich bin... Ich bin wirklich ein Menschwandler?“
Überglücklich sprang ich auf und blickte an meinem Körper hinab. Mittlerweile hatte ich wieder meinen natürlichen Hautton erlangt, bis auf einige Stellen, dort war ich rotbraun geworden, so wie meine Haare es sind. Dunkle Schuppen zeichneten sich von meinen Fingerspitzen, hinauf zu meinen Ellenbogen ab. An meinen Fingern selbst, befanden sich dunkelrote Klauen. Auch meine Beine hatten sich verändert. Sie waren länger geworden und meine Ferse, war, ähnlich, wie bei einem Hund, hoch gewandert, sodass ich auf den Zehenspitzen ging. Auf krallen besetzten und von Schuppen überzogenen Zehenspitzen, welche jedoch bloß noch aus drei bestanden. Mein Springgelenk hatte ebenfalls eine bessere Federung, das fühlte ich und knapp über meinem Knie, endeten die Schuppen, so als trüge ich bloß Strümpfe. Jeder Bereich dazwischen, bestand aus völlig normaler, menschlicher Haut.
„Schuppen. Ich kenne keine Menschwandler mit Schuppen.“
Elth lächelte verschwörerisch, als ihm ein Licht aufging. „Du bist wahrlich eine Königin, meine Liebste.“

Grob zog er mich an sich und küsste mich zärtlich. Atemlos blickte ich zu ihm auf. „Was... meinst du?“ Fragte ich völlig überfordert, denn ein wohl bekannter Schwindel überfiel mich.
„Eine Wesenkönigin, erhält immer die stärksten Kräfte, oder die stärkste Verwandlung von der Art, welche sie annimmt.“
Das wusste ich doch bereits. Als Vampir, würde ich schneller und stärker als alle anderen sein. Sogar als die bereits amtierende. Als Hexe würde ich eine gewisse Kontrolle über jede magische Spate besitzen, doch musste sie natürlich erst lernen, zu kontrollieren. Und als Werwandler, oder Menschwesen würde ich eben das stärkste und kräftigste Tier unter ihnen wiedergeben. Obwohl... „Wer ist denn unter den Menschwesen der stärkste?“ Fragte ich, skeptisch geworden.
„Ich bin schneller als ein Tiger, ein Tiger stärker als ein Fuchs, ein Fuchs wendiger als wir beide zusammen. Dann gibt es noch Menschwesen der Lüfte, also verschiedene Harpyenformen. Auch ein Hirsch-Menschwesen könnte es mit einem Bär-Menschwesen aufnehmen. Aber es gibt einen einzigen Mythos, der auf das Mittelalter zurückzuführen ist. Dieses eine Wesen ist stärker als jeder Bär und wendiger als jede Harpye.“ Aufgeregt knurrte Elth, als mir langsam ein Licht aufging.
„Ein... aber nein! Sie sind doch bloß ein Mythos.“ Stritt ich vehement ab. So ein Unsinn.
„Schatz, du hast harte Schuppen, gefährlichere Krallen als meine eigenen und deine Augen sehen keiner einzigen Raubkatze ähnlich, die ich kenne. Wenn du kein Drachen-Menschwandler bist, dann werde ich nie wieder in meinem Leben Sex haben.“
Normalerweise würde ich über seine absurde Mahnung lachen, doch in diesem Moment, war ich völlig Sprachlos.
Drachen. Ein Mythos der niemals existiert haben sollte. Eine Legende, ohne jeglichen bewiesenen Hintergrund. Nun, gut vielleicht hat damals, im Mittelalter irgendjemand einen letzten verbliebenen Nachfahren eines Dinosauriers gesehen, vielleicht hat es sogar eine Gruppe geschafft diesen zu erledigen und mit den Erzählungen, so wie Geschichten und Gesängen darüber wurde das ganze Spektakel aufgepusht bis daraus ein riesiges, feuerspeiendes, Gold stehlendes und Jungfrauen fressendes, Unwesen geworden ist? Wer konnte das heutzutage noch sagen?
Obwohl, die erste Variante klang vielleicht doch ein wenig überzeugender. Woher kamen wohl die Mythen und Legen von den Vampiren, Werwölfen und kleinen Libellenarten Feen? Von irgendeinem Ereignis, musste doch wirklich jede Legende entstanden sein.
Also... Weshalb sollte ich denn kein Drachen-Menschwandler sein? „Oh, je. Mir wird schwindelig.“ Sofort umfasse Elth mich stärker und hob mich auf seine Arme. Geschickt, sprang er mit uns beiden auf den stabilen Boden zurück, woraufhin etwas in meinem Rücken raschelte.
„Sieht so aus, als wärst du fertig.“
Nicht nur das. Ich hatte auch noch einen gewaltigen Hunger. Ich könnte glatt einen Haufen an Jungfrauen verspeisen. „Und, wie sehen sie aus?“ Fragte ich neugierig. Ich hatte ja bereits Engelsflügel gesehen. Sie sahen atemberaubend schön und einzigartig aus. Also, wie würden dann die eines Drachen aussehen? Wie die, auf den Bildern? Obwohl, ein schuppiger Drache mit Federflügel, würde doch ein wenig fehl am Platz wirken.
„Nun, ja. Eben wie Flügel eines Drachen aussehen.“ Elth streckte seine Arme nach meinem Flügel aus und strich sanft über seine geschwungene Form. Tastend, streckte ich sie ein wenig aus, doch versagte in voller Länge. Es hatten sich unter meiner Haut, neue Muskeln, so wie neues Gewebe gebildet. Aber nicht bloß dort. Auch Nervenstränge waren völlig neue aufgetaucht, somit fühlte ich auch, dass Elth beinahe ängstlich über die schuppige Haut strich. „Kannst du das Fühlen?“
Ich nickte. „Ja, aber es ist noch... irgendwie eingeschlafen. Ich schaffe es nicht einmal sie zu bewegen.“ Angestrengt streckte ich meinen Hintern hinaus und winkelte meine Arme an. Da ich vollkommen konzentriert auf meine versuchte Bewegung war, bemerkte ich auch nicht, wie lächerlich ich dabei aussah. Im Gegensatz zu Elth, welcher ungehindert lachte.
„Was? Lach mich nicht aus! Oder ich verbrenne dich zu Kohle... Moment, kann ich so etwas überhaupt?“ Das wäre wirklich praktisch. Feuerfest zu sein konnte tatsächlich den einen, oder anderen, Vorteil Bewirken
„Wo denkst du hin? Natürlich nicht!“ Für Elth wirkte das völlig absurd. Und so etwas kam von jemanden, der in Pelz herum lief und mit einem Hexer durch die Erde gereist ist. Mehrmals!
„Aber das wäre echt toll!“ Beklagte ich mich, woraufhin Elth beschwichtigend schmunzelte und mir eine gelöste Haarsträhne zurück strich.
„Mach dir doch keinen Kopf darüber, meine Liebste. Du bist jetzt die mächtigste Menschwesen-Königin, die bisher gelebt hat... Zumindest der, der ich begegnet bin. Und dazu siehst du auch noch anbetungswürdig aus.“
Na gut, er hatte mich wieder. Mit einem gewinnenden Grinsen, küsste er mich und begann freudig zu schnurren, als ich sanft über seinen Brustkorb streichelte. „Ohne Pelz gefällst du mir fast noch besser, wenn du jetzt noch so sexy Lederunterwäsche an hättest...“ Alleine die Vorstellung bescherte mir eine deutlich fühlbare Überraschung und drückte auffordernd gegen meinen Bauch.
„Wärst du mir nicht noch etwas Schuldig, dann würde ich dich glatt als perversen Fetischisten bezeichnen.“
Zur Strafe biss er mich ins Ohr und brachte mich wieder zum Kichern. „Schuldig? Ach ja?“ Fragte Elth auffordernd.
„Ja, immerhin habe ich dich in einen Reinrassigen verwandelt.“
Elth trat ein Stück zurück und blickte an mir herab. „Dafür hat es sich wirklich gelohnt meine Fähigkeit, andere mit meinem Blick zu manipulieren, zu verlieren.“
Auch ich blickte an mir herab, doch konnte nicht wirklich etwas erkennen. Am liebsten würde ich mich ja in einem Spiegel betrachten, doch meine Aufmerksamkeit wurde viel zu schnell, von diesem maskulinen Körper, vor mir in Beschlag genommen.
„Du bist mir nicht mehr böse?“ Ich wusste, er hätte es verhindern wollen, wenn er etwas geahnt hätte. Immerhin hätte dieser Biss auch sehr schlecht für meine Zukunft ausgehen können.
„Böse? Sobald ich mit dir fertig bin, wirst du mich anbetteln, dass ich dich über mein Knie lege.“ Mit dieser sinnlichen Drohung, blockierte er jeden weiteren Gesprächsstoff, indem er mich wieder an sich zog und mir den Atem raubte.
Zwar fühlte ich mich erschöpft, hungrig und durstig, trotzdem war dies der Moment, auf den ich seit Monaten wartete. Und wer wusste schon, ob diese Verwandlung nicht vielleicht wieder zurückgehen würde, wenn ich keinen Sex hatte? Immerhin hatte mir Gael mehr als gründlich erklärt, dass dieses Ritual wichtig für mich ist.
Zudem ist es Elth! Mein Elth! Die Wildkatze, der ich gegen meinen Willen ausgeliefert bin und ohne jeglichen Verstand, verfallen. Es gab keinen einzigen, den ich jemals wieder küssen, anfassen oder mit dem gar andere Dinge tun wollte.
Mit einem Ruck, der mir einen hellen Laut entlockte, hob Elth mich auf seine Arme und ich schlang meine Beine um ihn. An meinem Rücken, konnte ich deutlich die schweren Flügel fühlen, welche ich ungelenk bewegte, doch sobald Elth mich auf einem Lüftungsrohr abgesetzt hatte, konnte ich sie getrost vergessen.
Das einzige an was ich jetzt noch denken konnte, war sein weiches Fell, welches zärtlich über meine Haut streifte und die Dinge, welche ich nun am liebsten mit ihm anstellen würde. Wie oft hatten wir nun bereits darüber gesprochen, wie unser erstes Mal sein würde? Viel zu oft, doch keine einzige Theorie oder Fantasie davon, erreichte die Wahrheit.
Anfänglich hatte ich Angst. Nicht angst vor Elth, sondern eher davor, dass er enttäuscht von mir sein könnte. Immerhin ist es, im wahrsten Sinne des Wortes, mein erstes Mal. Auch ängstigte ich mich davor, das er mit seinem besten Stück in mich eindringen musste. Es wirkte plötzlich so absurd. Regelrecht unwirklich. Immerhin hatte ich meine letzten achtzehn Jahre bereits ohne Sex überlebt. Also was sollte dieses... beinahe unwichtige Detail auch schon groß ändern? Elth und ich würden uns weiterhin lieben. Selbst wenn wir diesen Schritt niemals gehen würden, so würden wir uns lieben. Also, weshalb machte man darüber so einen großen Aufstand?
Meine Zweifel und Ängste wurden jedoch innerhalb eines einzigen Augenblicks in alle Winde zerstreut. Ich blickte auf, in die mir so vertrauten goldgelben Augen, erkannte einmal mehrdiese unbändige Liebe, welche zwischen uns existierte und da wusste ich es einfach. Wir sind Gefährten. Ich fühlte es so deutlich, wie niemals zuvor und konnte sogar schwören etwas zwischen uns beiden passieren zu sehen.

„Wow...“ Stieß Elth hervor und betrachtete mich mit großen Augen.
„Ja...“ Erwiderte ich, denn ich hatte genau dasselbe gefühlt und gesehen.
Seinen Gefährten zu finden, war nichts das man anderen beschreiben konnte. Es ist ein Gefühl... oder viel eher eine Tatsache, welche Außenstehende niemals begreifen würden. Auch war es bei weitem nichts, dass man mit Geld kaufen, oder mit Versprechungen erobern könnte. Dies waren einfach, als würde man seine Seele wieder finden und man wusste einfach, dass sie zu einem gehörte, obwohl man nicht einmal geahnt hatte, sie verloren gehabt zu haben.
Unendlich langsam zog sich Elth aus mir zurück und jagte mir dabei heiße Schauder über den Körper. Stockend stieß ich die Luft aus und schrie lustvoll auf, als er mich plötzlich erneut ausfüllte. Fest zog ich ihn noch näher an mich heran, sodass er noch tiefer in mich gleiten konnte, während die Hitze um, so wie in mir immer mehr zunahm.
„V...Verdammt...“ Fluchte Elth plötzlich und wirkte fürchterlich gequält.
Auf der Stelle kamen meine Zweifel zurück und mein Herz schmerzte ein wenig. „Was ist denn?“ Fragte ich, doch wollte ich die Antwort denn überhaupt hören?
„Das ist... unvergleichlich.“ Erleichtert seufzte ich und erkannte nun auch dass es sich in Elths Gesicht um eine lustvolle Qual handelte. „Das ist mir so peinlich, aber wenn du dich auch nur noch einen Millimeter bewegst, komme ich auf der Stelle.“ Stöhnte er und klammerte sich dabei so fest an meinen Körper, als würde er ohne meinen Halt abstürzen.

Fröhlich lachend, küsste ich seine weiche Wange. Sein Mangel an Selbstbeherrschung kam bestimmt daher, dass er sich so lange hatte zurückhalten musste. Jetzt jedoch wollte ich nicht, dass er sich zurückhielt. Ich wollte Elth ganz und gar. Mit all seinen Macken, mit all seinen Launen und Leidenschaften. „Gib mir nur einen... kurzen Moment.“ Bettelte er, doch ich dachte nicht einmal daran.
Unauffällig ließ ich meine Hand tiefer gleiten und griff zärtlich nach seinen beiden Bällen, welche schon so lange auf diesen Moment gewartet hatten. Heiß pulsierte Elth in mir, doch ich schaffte es nicht mein Becken auch nur einen Millimeter zu bewegen, damit er endlich seine Erlösung erhielt. „Oh! Bitte hör auf damit! Dell ich kann wirklich nicht mehr...“
Sinnlich leckte ich mit der Zunge über sein Ohrläppchen, während ich ihn vorsichtig massierte. „Sag bloß du hast es dir, mit mir anders überlegt.“ Lockte ich ihn mit einer dunklen, verführerischen Stimme. Das ich auch so sprechen konnte, hatte ich noch gar nicht gewusst.
„Niemlas...“ Quetschte er zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor.
„Dann tu es endlich.“ Sanft knabberte ich an seinem Ohr. „Zeig mir alles, was du für mich empfindest. Füll mich mit allem aus... bitte.“
Diesen kleinen Wunsch erfüllte er mir auf der Stelle. Mit einem erlösenden Knurren zog er sich ein letztes Mal aus mir zurück und kam mit so viel Schwung, dass er mich gleich mit sich zog. Überrascht von meinem eigenen Orgasmus, schrie ich ein erlösendes Donnern aus, woraufhin Schwindel mich plagte.
Kraftlos sackten Elth und ich, ineinander verkeilt, zu Boden und atmeten so schwer, als hätten wir uns gerade noch so eine Klippe hinauf gezogen.
Zitternd vor bescherter Freude, schaffte ich es mehrere Minuten lang, nicht einmal meine Finger zu bewegen. Schwer atmend lagen wir da und hingen einfach unseren Gedanken nach. Zumindest als sie, nach gefühlten Stunden, wieder zurückkehrten.
Irgendwann schaffte ich es dann auch wieder meine Stimme zu finden, wobei sie heißer und erschöpft klang. Genauso wie ich mich im Moment fühlte. „Ist das immer so... so...“ Ich fand nicht einmal Worte dafür.
„Ich denke, das war gerade mein erstes Mal.“ Gab Elth mir als Antwort, welche ich jedoch nicht ganz verstand. Immerhin hatte ich doch etwas anderes gefragt, oder?
Mir kamen es vor wie Minuten, bis ich es schaffte meinen Kopf soweit zu heben, dass ich ihn auch ansehen konnte. „Was?“
„Das gerade eben...“ Seufzte er mit einem seligen Ausdruck im Gesicht, den ich noch niemals an ihm gesehen hatte und wünschte mir dabei, dass niemals irgendjemand, außer mir ihn sehen würde. „Es ist das erste Mal, dass ich so etwas gefühlt habe.“ Erklärte Elth etwas genauer.
Jetzt ergaben seine Worte auch mehr Sinn für mich und ich lächelte Stolz. „Hast du es auch gesehen?“
Ich brauchte nicht zu erklären, was ich meinte. „Ja, das habe ich. Wir hatten wirklich recht. Wir sind Gefährten.“ Elth war überraschend erleichtert.
„Hattest du etwas anderes erwartet?“ Scherzte ich und rutschte an ihm etwas hinauf, damit mein Kopf auf seiner Schulter ruhen konnte.
„Niemand könnte dieses Gefühl erwarten.“
Für einen Moment lächelten wir uns einfach an. Obwohl ich kurzerhand in eine magische Welt gestolpert bin, welche neben den Menschen Seite, an Seite existierte, war dies der magischste Moment, den ich bisher hatte erleben dürfen. Fliegen mit Engelsflügel? Pft... Die Elemente mittels Gedankenkontrolle beherrschen? Amateurarbeit.
Aber das... dieses Leuchten was zwischen uns existiert, hatte mehr Magie zu bieten, als jeder Reisezauber. Es versetzte einem nicht an einen anderen Ort, sondern gar in eine ganz eigene Welt die sich in einer weit entfernte Dimension befand. „Es ist, als würde ich dich eben zum ersten Mal wirklich sehen und fühlen.“ Gab ich zu.
„Ein Leben mit mir, steckt eben immer voller Überraschungen.“ Wo Elth recht hatte...

19. Geister der Vergangenheit

Edelle:

 

 Zwei Wochen, konnten verfliegen wie wenige Stunden, ohne das man recht bemerkte, dass sie vorbei waren. Und Monate? Denn ende letzten Jahres, sind Elth und ich, offiziell wie vom Erdboden verschwunden. Was sich jedoch seit damals, als Elth mir sein Geheimnis offenbarte, ereignet hatte, blieb vor Presse und der restlichen Menschheit verborgen. Weit weniger als ein Drittel, wusste das unten den bekannten weltweit sieben Milliarden Menschen, beinahe zwei Milliarden, zu einer gänzlich anderen Geschichte gehörten.
Sie leben versteckt, sind Einzelgänger, streunen durch die Nächte, oder verbergen sich geschickt hinter großen Zaubersprüchen. Manche offenbaren sich, machen Geld damit Dinge schweben zu lassen, oder kommunizieren mit Geistern. Wer weiß, was sich diese andere Welt noch hatte einfallen lassen um unter den Menschen zu wandern? Vielleicht verkleiden sie sich wie sie. Oder wechseln gar ihre Erscheinungsform.
Jedoch unter dieser Masse, gab es noch andere... weniger glückliche, welche weder zu den Menschen, noch gänzlich zu den anderen Wesen gehörten. Sie sind Mischlinge. Mischlinge, wie es einmal Elth gewesen ist. Und Lissy, seine Schwester. Jetzt konnten beide frei laufen, ihre natürliche Gabe genießen und sich nach Herzenslust verwandeln.
Mischlinge haben angeborene... Entwicklungslücken oder gar magische Behinderungen. So können sie nicht die exakte Form, wie ein reinrassiger annehmen, andere besitzen die Fähigkeiten von zwei verschiedenen Wesen, doch keine von ihnen Perfekt. Manche unter ihnen besitzen vielleicht bloß die Nachteile, oder Vorteile ihrer Elternteile. Viele jedoch haben bereits so stark verwässertes Blut, dass sie unsterblich sind... doch keine Magie mehr beherrschen. Sie fühlen und sehen die Übernatürlich begabten, doch besitzen nicht dieselben Vorteile wie diese... da sie einfache, zurückgebildete Menschen wurden.
So ein Schicksal ist traurig. Teraz, der Schwarzmagier, dessen nicht per Blut verwandte, Tante, hatte eine Tochter mit einem Menschen bekommen. Sie besaß keine magische Besonderheit, konnte keine Gabe entwickeln. Jedoch ist sie unsterblich, so wie alle anderen Feen und kann deren Magie wahrnehmen.
Wieder andere, wie Elths Vater, konnte keine menschliche Form annehmen. Er saß zwischen dem Erscheinungsbild eines Menschwandlers in seiner Zwischenform und der eines Vampirs fest. Jedoch verband er ausschließlich die Vorteile, dieser beiden Spezies.
„Wie fühlt sich dein Rücken an?“ Ja, zwei Wochen konnten vergehen, wie wenige Stunden und sich anfühlen, wie viel zu viele Monate.
Mit einem schüchternen Lächeln, wandte ich mich zu Elth um, welcher zärtlich über meine schweren rotbraunen Flügel streichelte und sie bewundernd betrachtete.
„Als hätte ich einen Muskelkater.“ Das stimmte sogar. Seit mir vor zwei Wochen diese viel zu großen Flügel aus dem Rücken gewachsen sind, hatte ich fürchterliche Rückenschmerzen, welche jedoch von meinen neuen, noch überforderten Muskeln ausgingen. Bis ich dazu fähig war, zu fliegen, konnte es sich noch Monate hin ziehen.
„Ich kann dich ja noch einmal massieren?“ Schlug Elth mit einem unterschwelligen Unterton vor und hauchte mir einen Kuss in den Nacken.
„Schon wieder?“ Fragte ich, doch fühlte exakt dasselbe Verlangen. Es war immer da, sobald sich Elth in meiner Nähe befand und ich wollte ihn einmal mehr in meinen bereitwilligen Armen fühlen.
„Vielleicht später. Unser Taxi ist da.“
Ach, ja... Obwohl ich seit zwei Tagen an nichts anderes mehr denken konnte, so hatte ich es in diesen wenigen Minuten, doch wieder vergessen. „Dann zieh dir einmal lieber etwas an, oder willst du so hinunter gehen.“
Wie üblich, trug Elth nicht mehr, als eine Boxershort und streckte sich dabei liebend gerne. Sich in einer kleinen Wohnung zu befinden, mit Lissy und ihren drei Söhnen, war die eine Sache. Jedoch trotz deren Anwesenheit ständig angezogen von Elts Körper zu sein, eine gänzlich andere.
Ich selbst ging in den Vorraum, um meine Sportschuhe anzuziehen und richtete meinen Faltenrock. Eigentlich gehörte er ja Lissy, doch mittlerweile teilten wir uns beinahe alles. „Bist du soweit?“ Fragte ich Elth, der sofort angelaufen kam und selbst in seine Schuhe schlüpfte.
„Klar, los hauen wir ab.“ Obwohl es viel zu warm für eine Lederjacke war, so ist sie meine einzige Chance mich in der Öffentlichkeit zu zeigen. Mittlerweile hatte ich ja gelernt, meine Arme und Beine in die eines normalen Menschen zu verwandeln, doch selbst wenn ich mich in meiner menschlichen Form befand, so verschwanden meine Flügel nicht. Ein anderer Vorteil jedoch, ein Drache zu sein, war es, dass ich nicht mehr schwitzte. Nicht einmal beim Sex mit Elth kam ich ins Schwitzen, was keinesfalls an ihm lag, sondern an meinem eignen Körper. Ich ertrug sogar ein heißes Blech, wenn ich es aus dem Ofen nahm und frisch aufgebrühte Suppe konnte ich ohne Probleme trinken. Ja, ich hatte meine Zeit... mehr oder weniger... Sinnvoll genutzt.
Elth hatte jedoch leider recht behalten. Ich konnte kein Feuer speien, es noch nicht einmal beschwören, oder kontrollieren. Das war ein wenig enttäuschend. Aber gegen Hitze hatten weder meine Haut, noch meine Organe etwas auszusetzen.
So ertrug ich auch mit Leichtigkeit, die sommerliche Hitze im Auto, mit Lederjacke zu verbringen. Gekuschelt an Elth, turtelten wir die zweistündige Fahrt und sprachen auch ein wenig, über unsere zukünftige Hochzeit. Sie würde nicht ausfallen, wie die der Menschen. So viel war klar. Wir würden eine offizielle Zeremonie abhalten, mit Verwandten, zumindest denen von Elths Seite, und einigen Freunden.
Und zu genau diesen waren wir nun unterwegs. Freunde. Ich hatte bloß zwei in meinem vorherigen, menschlichen Leben gehabt. Nadja und Denis. Beide vermisste ich so unendlich, sodass ich mit jedem Kilometer, dem ich ihnen näher kam, nervöser wurde.
Für einen Moment verlor ich sogar meine Kontrolle über meine Verwandlung, weil ich mich so freute, doch Elth ermahnte mich aufzupassen.
Ihm selbst waren die beiden egal, denn wir beide wussten, dass sie nicht gut auf ihn zu sprechen sein würden. Wem wunderte das auch? Nach Elths ersten Eindruck war er für sie nicht mehr, als ein arroganter Unruhestifter.
Nun war der Moment gekommen. Tief sog ich die Luft ein, während Elth einen Termin für die Rückfahrt mit dem Taxifahrer ausmachte. Die Luft meiner letzten Heimatstadt, hatte sich sehr verändert. Auch sah meine Heimat nun vollkommen anders aus, oder hatte sich bloß meine eigene Sicht verändert? „Sie sind zuhause.“ Bestätigte ich Elth, als er seinen Arm um meine Taille legte und mir einen sanften Kuss auf die Schläfe hauchte.
„Dann geh hinein. Sie werden sich freuen.“ Wirklich? Würden sie das tun?
„Aber, was ist wenn sie sauer sind? Sie haben mich ein halbes Jahr schon nicht mehr gesehen.“
Elth schmunzelte und zog mich in seine Arme. „Wenn du immer noch denkst, dass du ihnen vertrauen kannst, dann tue es. Sei ehrlich mit ihnen. Solltest du es dir anders überlegt haben, dann kenne ich hier in der Nähe ein nettes Plätzchen an dem...“ Elths Hand legte sich zärtlich auf meinen Po, wofür er einen sanften Hieb von meinem Ellenbogen kassierte. Ich wusste worauf seine Worte hinauslaufen würden.
„Los, beweg dich.“ Artig folgte mir Elth, mit einem kleinen Abstand und ich klopfte an die alte, bereits abblätternde Türe von dem halb verfallenen Häusschen, meiner besten Freundin. Ich wusste das Nadja hier wohnte, versteckt zwischen Wohnungen, stand ihr kleines altes Häuschen und wirkte mehr fehl am Platz, als unscheinbar.
Zögerlich klopfte ich dreimal und kontrollierte noch einmal mein Aussehen, als Leben in das Haus kehrte, doch ich bemühte mich, nicht zu lauschen.
„Keine Sorge, du siehst wunderschön aus.“ Flüsterte Elth, bloß für mich alleine hörbar und ich wurde unvermutet rot. Auch wenn wir eindeutig Gefährten waren, so schmeichelten mir seine süßen Worte, als wäre ich frisch verliebt. Obwohl, das war ich ja auch.
Schritte erklangen hinter der nicht gerade einbruchssicheren Türe und ich riss mich eilig von Elths prachtvollen Anblick los. Immerhin sollte Nadja nicht sofort merken, was zwischen Elth und mir lief.
„Verpiss dich, wir wollen nichts von dir kaufen, Kalos.“
Überrascht hob ich die Augenbrauen und unterdrückte ein Lachen. Räuspernd verstellte ich meine Stimme. „Aber Nadja! Ich bin doch dein bester Dealer.“
Überrascht schrie Nadja auf und im nächsten Moment wurde eine Türe weit aufgerissen. Mit großen, topasfarbenen Augen, blickte mir meine beste Freundin entgegen und schlug sich eine Hand vor den Mund. Ungläubig blickte sie an mir hinab und wieder hinauf.
„Ich dachte nicht, dass es eine Schönheitsoperation dir so zusagen würde, Karlos.“
Mit einem breiten Grinsen öffnete ich meine Arme. „War gar nicht so teuer, wie du vielleicht denkst.“ Im nächsten Moment sprang Nadja auch bereits vor und landete unsanft in einer festen Umarmung, welche sogar mir den Atem raubte.
„Du dumme Kuh! Wo zum Henker warst du nur?“ Schniefend schob sie mich von sich und betrachtete mich erneut. „Du siehst echt heiß aus, Süße.“
Sofort spürte ich Elths Eifersucht aufkeimen und er rückte vor, sodass er nun neben mir stand.
„Ih... Was sucht der denn hier?“ Nadjas gute Stimmung verschwand und ärger flackerte in ihren Augen auf.
„Werd mal nicht frech.“ Drohte Elth säuerlich, doch unterließ es zu knurren, worauf ich ehrlich stolz war. Eigentlich tat er fast nichts lieber. Nun, ja... Außer wir waren alleine.
„Streitet jetzt bitte nicht, immerhin haben wir uns schon ein halbes Jahr nicht mehr gesehen.“ Nadja gab nach und deutete uns einzutreten.
„Aber bloß weil du es bist.“
Mit einem Starrkampf, den keiner der beiden gewinnen konnte, folgte Elth mir in das recht karg eingerichtete Haus und Nadja schloss die Türe hinter uns.
„Edelle?“ Denis saß in bequemer Sommerkleidung auf einem Stuhl in der Küche, welche auch gleichzeitig das Wohnzimmer zu sein schienen. Innen war das Haus tatsächlich noch kleiner, als es von außen wirkte.
„Denis!“
„Du lebst ja noch!“ Begeistert kam er auf die Beine und umarmte mich, jedoch nicht so stürmisch wie Nadja.
„Das will ich doch hoffen. Sag mir lieber vorher Bescheid, wenn sich das ändern sollte.“ Er lächelte frech, sein typisches schüchternes Lächeln und deutete uns Platz zu nehmen.
„Hallo, Sam.“ Begrüßte Denis meinen Verlobten.
„Elth.“ Korrigierter dieser, was einstimmige Verwirrung auslöste.
„Wieso Elth?“ Fragte Nadja und setzte sich eng neben mich auf die Bank.
„Das ist mein richtiger Name.“ Erklärte er kurz angebunden und wirkte mehr genervt, als ruhig.
„Vergesst das erst einmal. Wie geht es euch? Wie ist es euch ergangen?“ Verlangte ich zu wissen. Offensichtlich hatte es in den letzten Monaten zwischen ihnen beiden noch nicht mit einem Baby geklappt, doch vielleicht hatten sie die ganze Sache ja einfach aufgeschoben?
„Nun, ja. Wir haben ja jetzt die ganzen Prüfungen. Es ist stressig und... So ein Unsinn! Was war mit dir los, verdammt? Wieso bist du einfach spurlos verschwunden?“
„Oder ganz plötzlich wieder aufgetaucht?“ Fügte Denis hinzu. „Deine Nachrichten waren wirklich sehr kryptisch.“
Das hatte ich ja ganz vergessen! Als ich mich in den Fängen der Vampirkönigin befunden hatte, schaffte ich es, Kontakt zu den beiden aufzunehmen. Zwar konnte ich nicht viel mit ihnen schreiben, doch alleine irgendwie mit ihnen zu sprechen hatte mir diese Zeit erleichtert.
„Puh...“ Stieß ich hervor. „Wo soll ich anfangen?“ Elth griff nach meiner Hand, auf welche in meinen Ring trug und drückte sie sanft unter dem Tisch.
„Am besten fängst du mit deinem verschwinden an. Was ist geschehen?“
Unsicher blickte ich zu Elth, welcher meinen Blick fragend erwiderte. Innerlich, spürte ich sofort, wie sich mein Herzschlag beschleunigte und sehnte mich nach einem ermunternden Kuss von ihm. Jedoch unterdrückte ich diesen Drang und seufzte tief, bevor ich meine Worte so einfach, wie möglich hielt.
„Ihr... Ihr wisst doch bestimmt noch, dass ich niemals Freunde gefunden habe?“
Beide nickten. „Bevor ich euch beide traf, natürlich.“
Nadja legte einen Arm um meine Schultern und drückte mich liebevoll, wie es unter Freundinnen üblich war. Diese wärmenden Gesten hatte ich in den letzten Monaten wirklich sehr vermisst. Mehr als das ich erwartet hätte. „Das war, weil... Elth...“ Wie sollte ich das bloß erklären? Elth mein Wächter und Beschützer die letzten drei Jahre gewesen ist? Wir beide aus einer Welt stammen, von der Menschen nichts wissen? Sie würden das doch bloß für einen Scherz halten und mich auslachen. „Vergesst das. Es ist nichts, dass ihr mir glauben würdet, wenn ich es euch erzähle.“ Nadja bat ich, mich hinaus zu lassen und Elth folgte mir auf den Schritt.
„Dell? Was ist los? Was ist dir widerfahren?“ Denis stand ebenfalls auf, als wolle er zu mir gehen und mich trösten, doch hielt sich wie üblich zurück.
„Es ist nichts, das mir angetan wurde. Das ist, was ich bin.“ Diese Worte offen auszusprechen, fühlte sich beinahe besser an, als alles andere was ich bisher reden hatte müssen.
Mit einer einfachen Bewegung, ließ ich meine Lederjacke von den Schultern gleiten und Elth nahm sie mir ab. Stark verunsichert, wie die beiden nun auf das, was ich ihnen zeigen wollte, reagieren würden, entfernte ich meine menschliche Form. Wie Staub, fiel die Haut einfach von meinem Unterarm, meine Finger begannen sich zu Klauen zu formen und meine Beine wurden ein ganzes Stück länger, sodass ich beinahe so groß wie Elth selbst wurde. Schuppenbedeckt und mit ausgestreckten Flügel, stand ich nun vor den beiden. Meinen besten Freunden, Denis und Nadja. Die einzigen, welche mich, als ich noch dachte ein gewöhnlicher Mensch zu sein, akzeptiert hatten. Würden sie es jetzt immer noch tun?
Nadja sprang von der Bank auf, während Denis genau das Gegenteil tat und sich schwankend zurück setzte. „Du... Du bist...“ Denis brachte seine Worte nicht fertig, doch Nadja stieß sie regelrecht vorwurfsvoll aus.
„Du bist wie wir?“

 

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Denis:

 

Creature one. So nannte man mich in der Forschungsstation. Der Ort, an dem ich geboren wurde und aufwuchs. Die Menschen, welche dort arbeiteten, alterten an mir vorbei. Ich sah ihre Nachkommen aufwachsen, älter werden und wieder sterben. In manchen verlor ich wahrlich gute Freunde.
Creatur two. Diesen Namen trug offizielle, meine Schwester. Genauer gesagt, ist sie meine Zwillingsschwester und der einzige Grund, der mich zum Weitermachen animierte. Wenn es eine Person gab, für die mein Herz schlug, so war es wortwörtlich sie. Mein Herz, meine Seele, meine Schicksalsgefährtin. Wir teilten so gut wie alles. Unsere Erinnerungen, Gedanken, Ängste und Wünsche. Somit waren wir uns so nahe, wie sonst niemanden, den wir kannten. Aber wen kannten wir denn auch schon?
Wir sind gänzlich anders als, die >Menschen< um uns herum. Sie erforschen uns seit drei Jahrhunderten, doch trotzdem alterten wir kaum dahin. Unsere Mutter, ein Mensch, bekam uns viel zu früh. Jedoch musste man dazu sagen, dass sie sechzehn Jahre alt gewesen ist, als sie uns empfangen hatte. Sie meinte, es wäre eine einmalige Sache gewesen. Etwas Spaß mit Freunden, sie hatte getrunken und sich nackt in einem Hotelzimmer wieder gefunden. Am nächsten Tag, erzählten ihre Freunde ihr, dass sie mit einem wirklich attraktiven Typen fort gegangen sei, doch wieder gesehen, hatte sie ihn nicht.
Erst zwei Jahre später, bemerkte sie, dass sie schwanger war. Die Übelkeit hielt fünf Jahre an. Als unsere Mutter jedoch nach sieben Jahren etwas rundlicher wurde, konnte sie die Wahrheit nicht mehr wegdenken. Sie war schwanger und das bereits seit mehreren Jahren. Ein Arzt verwies sie weiter zu einem Forschungslabor. Dieses wiederum meinte anfänglich, dass die beiden Embryonen entfernt gehören. Offenbar waren sie ein Fehler der Natur, etwas das nicht älter wurde und ihr bloß schadete. Wir waren Parasiten in ihrem Körper.
Unsere Mutter jedoch weigerte sich uns entfernen zu lassen. Alleine, da es für sie selbst ebenfalls gefährlich war. Vierzig Jahre später hielt ihr Körper dieser Belastung nicht mehr stand. Wir waren zu zweit, zu groß in ihrem Körper und verbrauchten alles was sie an Nahrung an einem Tag zu sich nehmen konnte. Zudem war sie vollkommen erschöpft und das Rund um die Uhr. Irgendwann schaffte es unsere Mutter nicht einmal mehr aus ihrem Bett heraus. Sie wurde schwächer, kränklich und starb schlussendlich, sodass wir entfernt werden mussten.
Natürlich überraschten wir die Ärzte damals damit, dass wir mit kleinen, sehr leicht gebrechlichen Flügel zur Welt kamen und schockten damit das gesamte Institut. Sofort wurden wir in Brutkästen gesteckt. Der Staat zahlte Unmengen für unsere Erforschung so somit endeten wir damit, täglich Blut zu spenden, Tests zu absolvieren und trainierten unsere kognitiven Fähigkeiten.
Während ich mich danach sehnte, endlich von diesem Ort fortzukommen, sehnte sich meine Schwester eher danach, akzeptiert zu werden. Sie verhielt sich vorbildlich, steigerte ihre Fähigkeiten und gab sich beim Lernen viel mehr Mühe, als ich selbst.
Engel. Das war es, als was wir Identifiziert wurden, oder zumindest das, an was wir am ehesten heran reichten. Mit den Jahren, häuften sich die Geschichten über uns und wir wurden so zu sagen, zu den Stadtionsmaskottchen. Kein Titel, den ich mir gewünscht hätte, trotzdem nahm ich es still hin und trainierte meine Flugkünste für mich selbst.
Während C-01 alles an Wissen aufsaugte, wie ein Schwamm, verbrachte ich meine Stunden mit Schweigen und trainieren. Jedoch trainierte ich nicht bloß die Kampfkünste, sondern auch meine Rückenmuskulatur, bis ich richtig fliegen konnte. Das alleine dauerte Jahre. Für meine Schwester jedoch, war es noch schwieriger. Ihre Flügel schienen ihr kaum gehorchen zu wollen und taten meistens das, was sie wollten. In der Umgebung von Menschen, gerade dort, wo sie sich am meisten anstrengte, um Lob zu ernten, versagten ihre herrlichen Flügel am ehesten.
Irgendwann, als die Technik immer besser wurde, unsere Zimmer Videoüberwacht und ich an keinem einzigen Ort mehr ungestört und vor Blicken, sicher sein konnte, reichte es mir. Die Tests, welche immer Qualvoller und unmenschlicher wurden, veranlasste mich, meine Schwester zu überreden, endlich von hier fortzugehen.
Langsam, doch sicher zerbrach C-02 daran. Nachts weinte sie meistens und dann musste ich sie so lange trösten, bis sie in meinen Armen einschlief. Das wollte ich aber nicht länger. Ich hasste es, mit jeder Phase meines Seins, hier. Daher brachen wir einfach aus. Die Wissenschaftler überraschten wir Nachts, die Wachen, welche es hier bloß wenige gegeben hatte, umgingen wir.
Und dann standen wir da... Mitten in einem großen Areal, mit großen braunen und grünen Pflanzen. Einige reckten sich meterhoch in die Lüfte und versperrten den Ausweg hinauf. Daraufhin irrten wir drei Tage und vier Nächte durch diesen Wald. Nahrung benötigten wir kaum, bloß hin und wieder einige Schlafphasen um unseren Körper auszuruhen.
Eines Nachts hörten wir Lärm. Zuerst dachten wir, es handelte sich um Schüsse. Sie haben uns gefunden! Doch dann zuckten helle, bunte Lichter über den Nachthimmel. Wir kamen nahe an eine Straße heran, sodass wir endlich fliegen konnten, doch wagten es nicht mehr. Hunderte von diesen Leuchtblitzen zuckten über den sternenbedeckten Himmel. In den verschiedensten Farben, bildeten sie Muster, welche Sternen glichen, oder zischten wie eine Leitungsröhre, die Druck verlor. Anfänglich hatten wir Angst. Angst vor dem Unbekannten, doch nach einer halben Stunde endete dieser Lärm und wir standen wieder im dunklen.
Neugierig geworden, wo sich die Quelle dieser Unruhe befand, kamen wir an ein kleines Städtchen Rasch verbargen wir unsere Flügel, was ebenfalls etliche Jahre der Selbstkontrolle gedauert hatte und mischten uns unter die Menschen. Anfänglich blickten uns einige an, als kämen wir von einem anderen Stern. Immerhin trugen wir keine bunte Kleidung, oder dicke Mäntel, so wie sie. Wir liefen immer noch in unserer einzigen, gewohnte weißen Kleidung herum und auf unserer Brust, pragte ein großes Zeichen, mit unserem Namen darauf. C-01 und C-02.
Einige dieser Leute sagten uns, dass wir für Fasching etwas zu früh dran waren. Jetzt ist Silvester und wir sollten ordentlich mitfeiern. Das ergab für uns nicht wirklich Sinn. Natürlich wussten wir, was Silvester ist, doch weshalb der Verlust eines ganzen Jahres gefeiert wurde, verstanden wir nicht. Es bedeutete für uns doch bloß, das wir ein Jahr länger in dieser verwünschten Anstalt festsaßen. Es bedeutete, ein neues Jahr voller Tests und Training zu absolvieren. Ein erneutes Jahr, hinter Wänden, die wir bereits zu gut kannten.
„Ein neues Jahr, C-01.“ Stieß meine Schwester hervor und in diesem Moment begriff ich es. Wir hatten es geschafft. Wir, die Engel, welche ihr ganzes Leben unter der Erde, in einer Anstalt verbracht hatten. Gequält von Forschung, zugestopft mit Fakten und es gab niemanden dem wir trauen konnten.
Ja, dies war ein neues Jahr. Ein Jahr voller Abenteuer, Gefahren und vor allem Erfahrungen. Zwar nicht in dieser Kleinstadt, doch in der Nächsten und der Übernächsten.
Wir lernten unsere Namen zu ändern, passten uns dem Kleidungsstil an, veränderten unsere Haare, so wie unser Verhalten. Wir wurden langsam, doch sicher zu den Menschen, welche wir schon immer sein wollten. Nichts würde uns jemals wieder Ketten auferlegen. Wir würden das sein, und das tun, was bloß wir wollten. Gemeinsam. Für immer zusammen, wir, die Engelszwillinge. Zumindest erträumte sich dies meine Schwester.
Doch dann veränderte sich etwas. Etwas, das wir beide, vor allem ich, nicht kommen sahen. Es war eigentlich bloß ein einfacher Sturz. Ein Junge, größer als wir anderen und wesentlich aufbrausender, schubste ein Mädchen, das ich bisher bloß vom sehen kannte. Weder wusste ich wie sie hieß, noch ob sie in der Nähe lebte. Meine Schwester, bereits mit dem Namen Nadja, erzählte mir eben irgendetwas, doch ich hatte es bereits vergessen, als ich erkannte, dass sie fallen würde. Ich stand ganz unten an der Treppe, nicht nahe genug, um sie aufzufangen. Doch dann schubste dieser verrückte Junge sie. Natürlich verlor die brünette den Halt, versuchte noch nach dem Geländer zu fassen, doch erreichte es nicht. Sie taumelte einen Schritt und dann stand ich auch bereits hinter ihr. Ohne es zu bemerken, hatte ich mich vorwärts bewegt, meine Schwester einfach hinter mir gelassen und legte meine Arme um das zerbrechliche Menschenmädchen.
Mit einem Schrei, landete sie hart an meiner Brust, doch stieß erleichtert die Luft aus, als sie mich erkannte. „Danke, Denis.“ Sie kannte meinen Namen! Es traf mich so unerwartet, fühlte sich seltsam in meinem Brustkorb an und meine Nase juckte freudig wegen ihres Geruches.
„He! Misch dich nicht in Angelegen ein, die dich nichts angehen!“
Nadja trat so schnell an meine Seite, dass ich sie nicht einmal kommen sah. „Du Vollidiot! Weißt du eigentlich was dir auf Totschlag blüht?“
Der große, breite Typ baute sich bedrohlich vor meiner Schwester auf und ich schob das süße Mädchen, vorsichtig zur Seite. „Suchst du etwa Streit, du Emo?“
„Das ist Gothic, du Klugscheißer!“ Nadja liebte es, verschiedene Kleidungsstile anzuprobieren. In einem unserer Leben, war sie Gothic, in einem anderen eine aufgeblasene Tussi. Mit ihr konnte es kaum langweilig werden.
„Pass auf wie du mit ihr sprichst!“ In diesem Leben hatten wir ausprobiert, uns als Pärchen auszugeben. Uns zu küssen, um den Schein zu wahren, ist für uns nichts Schlimmes. Es ist ja nicht so, als würden wir dabei etwas fühlen, oder uns ekeln. Wir sind Geschwister, Zwillinge und teilten bereits vor unserer Geburt ein Leid, das niemand kannte. Wir sind wie eine Person, mit unterschiedlichen Geschlechtern.
„Ach, schickst du etwa, deinen Macker vor, oder was geht mit euch beiden? Ankommen und so tun, als würde euch die Welt gehören...“
„Jake, was tust du denn schon wieder? Du hast doch Unterricht.“ Ein anderer Junge kam zu uns gestoßen. Zwar ist er auch groß, doch bei weitem nicht so breit wie dieser andere Typ, trotzdem wich ihm erster, Jake genannt, wie ein artiges Schoßhündchen.
„Ja, stimmt! Du hast recht, Sam. Bis später.“
Aber Sam war nicht besser als dieser Raufbold. Er packte das Mädchen, welches ich eben gerettet hatte am Arm und schleifte sie grob mit sich. „Du solltest echt aufhören dich immer an einen solchen Großkotz heran zuwerfen So etwas macht nicht gerade den besten Ruf, Schwesterherz.“
„Nenn mich nicht so!“ Keifte sie ihm entgegen und funkelte ihn so wütend an, das mein Herz einen Moment aussetzte. „Außerdem hatte ich nichts mit ihm zu tun. Gib es doch zu. Bestimmt hast du ihn aufgehetzt, so wie er vor dir gewichen ist...“ Die beiden verschwanden in ein Klassenzimmer und ich seufzte enttäuscht.
„Was ist denn mit dir los? Diesen Gesichtsausdruck kenne ich ja noch gar nicht von dir.“ Naja hatte es einmal wieder auf den Kopf getroffen. Nein, das war nichts was ich jemals empfunden hätte. Weder meiner Schwester, noch einem Wissenschaftler gegenüber. Dieses Gefühl... war vollkommen neu und zog mich in seinen Bann, noch bevor ich es richtig begriff.
Ich hatte mich verliebt. In einen Menschen! Jetzt war bloß noch die Frage... konnte ich diesem Gefühl auch nachgeben?
Anfänglich wehrte ich mich dagegen. Es war dumm sich in einen Menschen zu verlieben, da wir ja nicht alterten. Sie würde in wenigen Jahren einfach an mir Vorbeisterben, oder mich verlassen, da sie meine Mutter bereits sein könnte. Aber Nadja hatte andere Pläne. Sie verliebte sich ebenfalls in dieses Mädchen, doch nicht so wie ich. Es war eine ganz andere Art und Weise, denn in diesem einem Mädchen, fand sie eine Akzeptanz, welche sie, abgesehen von mir, niemals erfahren hatte. Plötzlich verbrachten die Mädchen ihre Zeit miteinander, unser Lügengespann wurde immer dichter, bis wir für sie das perfekte Paar abgaben. Sie blickte zu uns auf, hing zu gerne mit uns ab und wir lachten bloß noch, oder ärgerten uns gemeinsam über diesen Sam. Er hatte uns mittlerweile ebenfalls zum Teil auf dem Kika, doch Nadja und ich waren geschickt genug, um seinen Fängen zu entkommen.
Heute... wussten wir es jedoch besser. Ich hatte mich überhaupt nicht in einen Menschen verliebt, sondern in etwas ganz anderes. Etwas, von dessen Existenz, wir bisher niemals erfahren hatten, von dem wir nicht einmal ahnten. Wir waren nicht mehr länger alleine. Und diese Hoffnung setzte Edelle, die Liebe meines Lebens in mir frei.

20. Neue Familie

 Lissy:


Der morgen, oder eher der Nachmittag, an dem ich erwachte, war so ziemlich der Glücklichste, welchen ich jemals hatte erleben dürfen. Zuerst dachte ich noch, es wäre bloß ein Traum gewesen, doch als ich tief durchatmete, roch ich ihn! Deutlich und unverkennbar, lag Teraz Geruch in der Luft, mittlerweile gemischt mit meinem eigenen und brachte mich zum Schmunzeln. Als ich meine Augen öffnete, setzte mein Herzschlag für einen Moment aus.
Es war einfach herrlich. Seine Haut auf meiner zu spüren, sorgte erst recht noch für einen Schauder in meinem Körper und lockte die vergangenen Stunden aus meinem Unterbewusstsein hervor.
Ohne es zu beabsichtigen, begann ich zu schnurren, drehte mich zur Seite und kuschelte mich an Teraz herrlichen Körper. Auch wenn er noch immer knochig war und seine Haut von Narben verunziert, trübte es nicht einmal ansatzweise meine Sicht auf ihn. Es störte mich kein bisschen. Na, gut. Vielleicht betrübte es mich etwas, da ich genau wusste, dass ich die Schuld an seinen Narben trug, doch bekam ich nicht genug davon, sie mit den Fingerspitzen nachzuzeichnen. Zärtlich ließ ich meine Hand über seinen warmen Körper gleiten und zog eine Kussspur über seinen blanken Brustkorb. Sofort hörte ich, wie sich sein Herzschlag beschleunigte und er seufzend zum Schmunzeln begann. „Guten Morgen.“ Gähnte er ausgiebig, streckte sich und zog mich dabei enger an sich. Bereitwillig ließ ich das zu und fuhr damit fort, seine Wange zu küssen. „Der Beste meines Lebens.“ Grinste ich und schob mich über ihn.
„So könnte ich jeden morgen erwachen.“ Gab Teraz zufrieden zu und streichelte sanft meine Wange, bevor er mich zu einem tiefen Kuss, zu sich herab zog.
„Du meinst gut gelaunt?“ Fragte ich frech, als er bereits seine Hüfte zwischen mein Becken schob und sich genüsslich daran rieb.
„Ja, sehr gut gelaunt sogar.“ Lachte er, warf mich herum und... verschwand.
Mit einem unsanften Poltern, das bestimmt auch in den Nebenzimmern zu hören war, fielen wir beide vom Bett und rissen dabei die Lampe vom Nachttisch. Überrascht von der plötzlichen, recht schmerzhaften, Wandlung unseres Morgenspiels, blickte ich mich verwirrt um.
Lachend kam Teraz auf die Knie und funkelte mich belustigt an. „Du müsstest einmal dein Gesicht sehen.“ Laut lachend half er mir wieder auf das Bett zurück und fing sich dafür ein Knurren von mir ein, jedoch kein bedrohliches. Es war bloß warnend, denn langsam musste ich selbst darüber lachen. „Ich war nur überrascht!“ Verteidigte ich mich. Immerhin bin ich bisher noch nie aus dem Bett gefallen. Wenn ich einmal irgendwo hinab fiel, dann landete ich aus Prinzip niemals auf dem Hintern. So ein Mädchen war ich nun auch wieder nicht.
„Jetzt sei nicht beleidigt.“ Lächelnd schob sich Teraz über mich und küsste liebevoll meinen Hals. „Selbst beim hinfallen, siehst du wunderschön aus.“
Seine Worte, so wie sein Tun, besänftigten mich und ließen mich abermals zufrieden Seufzen. „Hör auf, so verdammt süß zu lügen. Sonst glaube ich es dir irgendwann einmal noch.“
„Das will ich doch hoffen!“ Meine nächsten Worte wurden einfach von ihm zum Verstummen gebracht, indem er mich innig küsste und dabei meinen Kopf völlig leerte.
Zumindest für einen Moment, denn es klopfte völlig unerwartet an der Türe und wir schreckten überrumpelt auf. „Mo...Moment!“
Teraz angelte nach seiner Kleidung und warf mir, nebenbei meine eigene zu. „Meine Hose?“ Fragte ich, als ich Unterwäsche und mein Shirt anhatte, doch noch immer nicht meine Hose.
„Ich weiß nicht...“ Teraz sah sich um, während er sein Shirt richtete, doch entdeckte sie nicht. „Bleib einfach unter der Decke, wenn... Also wenn...du willst“ Wenn ich nicht wollte, dass jemand wusste, was wir getrieben haben. Das hatte er sagen wollen, doch war sich sichtlich unsicher, was diese Situation betraf.
„Schon gut, Elth wird es ohnehin riechen.“ Ergeben machte ich mich auf eine, bestimmt recht unangenehme Konfrontation gefasst. Wie würde wohl Elth reagieren? Ich wusste ja, wie viel ich ihm bedeute und hätte, er sich eine Schwarzmagierin zur Freundin genommen, würde ich völlig austicken!
„Komm rein, Elth.“
Elth öffnete bloß einen Spalt die Türe. „Kommt raus, es ist etwas Unglaubliches passiert.“ Daraufhin flog die Türe wieder zu und Teraz wechselte einen verwirrten Blick mit mir. Ich zuckte mit den Schultern, denn ich hatte ebenfalls keine Ahnung, was los war.
Plötzlich wirkte Teraz überrascht und blickte völlig verblüfft an sich hinab. „Ich lebe ja noch!“
Jetzt musste ich wirklich lachen. Das war einfach zu süß von ihm! Elth hatte er nun auf mehr als eine Weise verärgert und wir beide wussten zu gut, wie dämlich ein eifersüchtiger Menschwandler werden konnte, doch zu Teraz Glück, war er völlig unversehrt.
„Pass nur auf, dass das so bleibt.“ Mit geschmeidigen Schritten kam ich auf ihn zu und schlang meine Arme um seinen Nacken. Sofort zauberte sich ein verliebtes Lächeln auf seine Lippen und er zog mich eng an sich.
„Ist das etwa ein Befehl?“ Fragte er scherzend. „Nein, bloß mein größter Wunsch.“ Grinste ich und küsste ihn erneut. Das könnte ich mein ganzes restliches Leben machen!
Dennoch schob Teraz mich, sanft, doch bestimmt von sich. „Wir sollten hinaus gehen. Offenbar ist es etwas Dringendes. Außerdem möchte ich wissen, wie es Edelle geht.“
Teraz hatte ja recht. Ich wollte es auch wissen, besonders interessierte mich jedoch, warum sie nicht mit Teraz geschlafen hatte um die Hexenkönigin zu werden. Nicht das ich nicht glücklich darüber war, dass sie es nicht getan hat. Aber die einzige andere Möglichkeit für Dell war es, ein Mensch zu bleiben. Und das wollte sie ja nicht.
„Einen noch?“ Bettelte ich.
Schmunzelnd stimmte mein Schwarzmagier zu, beugte sich vor und küsste mich so stürmisch, dass es mich all meine Selbstbeherrschung kostete, ihn nicht wieder zurück ins Bett zu locken. Oder unter die Dusche, oder auf den Boden, oder zur Wand... „Stopp!“ Teraz entfernte sich schwer atmend von mir und rückte seine Hose zurecht. „Wenn wir jetzt nicht gehen, dann landen wir wieder im Bett.“ Mahnte er und ging entschlossen zur Türe.
„Die Türe würde es aber auch tun.“ Grinste ich und bekam dafür ein versprechendes Lächeln. Entzückt sprang ich regelrecht hinter Teraz her und schlang meine Arme um ihn. Liebevoll küsste er mich noch einmal auf die Wange und öffnete dann die Türe.
Von Edelle und Teraz fehlte jede Spur. Nun, ja für die weniger Begabten unter uns. Ich konnte Teraz Duft ganz genau wahrnehmen und folgte ihr in eines der anderen beiden Suits, wo es furchtbar aussah! „Ist hier eine Bombe eingeschlagen?“ Fragte ich ungläubig. Die Möbel sahen angeschlagen aus, der Teppich am Boden war vollkommen verrutscht, andere Möbel mit ihm. Hin und wieder lag ein zerbrochenes Glas, oder kaputte Teller am Boden. Offenbar hatten die beiden noch ziemlich gefeiert ohne uns.
„Ja, sie heißt Elth.“ Grinste Edelle, mit so einem zufriedenen Lächeln, das sich kaum abstreiten ließ. Ich kannte dieses Lächeln bloß zu gut. Letzte Nacht hatte ich es selbst mehr als einmal auf meinen Lippen gespürt und in Teraz Augen gesehen.
Elth, der gerade ein Glas Wasser in ein, noch seine Funktion erfüllendes, Glas eingeschenkt hatte, trat an Dell heran und stahl ihr einen Kuss, bevor sie ihr Getränk bekam.
Der Geruch, welcher in der Luft lag, war auch hier unverkennbar. Die beiden hatten es in der Suite noch mehr als Krachen lassen. Seltsam dass Teraz und ich das nicht einmal gehört hatten. Vielleicht lag es ja daran, dass wir selbst zu beschäftigt dafür gewesen waren?
„Was.. Was ist passiert? Hat es funktioniert?“ Teraz nahm, am anderen Ende des Zimmers, weit entfernt von Elth, platz. Elth wirkte sehr zufrieden mit Teraz Entschluss. Kopfschüttelnd ging ich zu Teraz und nahm zu seinen Füßen, auf einem Teppich platz. Jetzt war ich auch neugierig. Was hatte denn geklappt?
„Fast... Reibungslos.“ Dell zog ihre Decke höher und lächelte zu Elth auf, welcher sich hinter sie schob, damit sie auf seinem Schoß saß. Die beiden waren eben erst das Bündnis der Gefährten eingegangen, nun würde es Monate dauern, bis die beiden sich auch nur für einen Moment trennten. Es war ein Teil des Ritus. Ein recht eigenwilliger und meiner Meinung nach, romantischer Teil, den ich zu gerne selbst erleben würde. Doch dafür müsste zumindest einer meiner Elternteile reinrassig gewesen sein.
„Was ist passiert?“
Dell zog ihre Decke von den Schultern und enthüllte etwas, das ich noch nie gesehen, geschweige denn wovon ich jemals gehört hätte. „Was ist das?“ Scheinbar glatte, Schuppen zogen sich über ihre Finger, hinauf zu den Ellenbogen und ihren Zehen, bis zum Oberschenkel. Auch trug sie auf jedem Gliedmaß drei sichtbar, scharfe Stacheln und hinter ihrem Rücken ragten große Flügel auf. Jedoch nicht solche, wie sie die Engel hin und wieder offenbarten. Nein, da waren keine reinweisen Federn und sie waren bei weitem nicht so gewaltig. Diese Flügel wirkten viel mehr repitlienartig, mit einem Hauch von Fledermaus.
„Sie ist jetzt ein Menschwesen, so wie wir.“ Erklärte Elth. Was das bedeutete, wusste ich nur zu gut. Sie hatte mit Elth geschlafen... Nun, ja. Das war offensichtlich gewesen. Aber sie hatte nicht nach dem Sonnenaufgang mit ihm geschlafen... Nicht zum Ersten Mal.
„Moment ihr habt... Seid ihr von allen guten Geistern verlassen?“ Fauchend sprang ich auf die Beine und wollte Elth an die Kehle gehen. „Du hättest sie umbringen können und das auf die qualvollste Weise...“ Teraz hielt mich mit all seiner Kraft zurück, trotzdem hätte ich ihn ganz einfach abschütteln können, wenn ich gewollt hätte.
„Liss! Hör doch erst einmal zu! Edelle und ich hatte eine... eine Theorie letzte Nacht, deshalb habe ich nicht nach ihr gerochen!“
Sofort beruhigte ich mich wieder und ließ mich von Teraz, neben ihn ziehen. Jetzt war ich aber gespannt. „Du weißt ja bestimmt noch, dass ich Werwölfe verwandelt habe, oder?“ Ich nickte bestätigend und war nur noch neugieriger. „Teraz und ich haben wirklich viel geredet, vor allem um... das alles etwas hinauszuzögern.“ Teraz stimmte grinsend zu. Ich wusste, dass er dies nicht gewollt hatte, bloß seine Gründe verstand ich erst seit letzter Nacht. Etwas ausschweifend erklärt mir Teraz, mit einigen Ergänzungen von Dell, was sich letzte Nacht ereignet hatte.
Als Dell darüber endete, dass ihr danach diese Flügel gewachsen sind, war ich einfach bloß Sprachlos. Wie hatte das bloß passieren können? Ein Drache? Wieso wusste man nicht schon früher über diese einmalige Gabe. So viele hätten gerettet werden können... so viele die man heute noch heilen, könnte...
„Funk... Funktioniert das immer noch?“ Ich konnte es kaum glauben, dass diese Worte meine Lippen verließen, trotzdem wollte ich es... nein, ich musste es einfach wissen!
„I...Ich weiß es nicht.“ Unsicher zuckte Dell mit ihren Schultern und blickte zwischen mir und Teraz hin und her, als könnte er ihr weiterhelfen. Was war bloß in diesen wenigen, zwei Stunden, zwischen den beiden geschehen? Mein Herz zog sich zusammen und schmerzte wie verrückt.
„Ich weiß es auch nicht. Vermutlich war es bloß Temporär, immerhin hat noch nie jemand von uns über dieses Phänomen gehört, nicht wahr?“ Fragte Teraz in die Runde.
„Vielleicht wissen ja die Engel mehr? Immerhin wissen sie so gut wie alles. Irgendwann einmal muss doch so etwas bereits einmal geschehen sein.“ Elth wirkte zwar nicht überzeugt von seinen Worten, doch säte er damit Hoffnung in Dells Augen.
„Das bedeutet also, wenn diese Gabe tatsächlich noch vorhanden wäre, könntest du alle Menschwesen reinrassig werden lassen?“
Offensichtlich hat noch keiner der Dreien darüber nachgedacht. Könnte dies wirklich eine Langzeitwirkung haben? Dies wäre... Revolutionär!
„Ich weiß nicht... Aber vermutlich, ja.“ Kurz herrschte schweigen, dann fuhr Dell hoch. „Du hast recht!“ Schrie sie auf und traute ihren eigenen Worten kaum. „Das könnte wirklich die Lösung sein! Für alle Menschwesen, nicht bloß für Elth und mich. Ich könnte... ich könnte sie alle verwandeln!“ Mit einem Schlag... oder eher einem Biss, wäre unsere gesamte Art, nicht mehr vom Aussterben bedroht! Wir würden... Wir wären wieder wir selbst.
Ungestüm riss ich Dell in eine Umarmung, welche sie ganz und gar überraschte, doch sie lachte begeistert. Liebevoll erwiderte sie meine Umarmung und drückte mich fest an ihren zierlichen Körper. Ein Körper, der die Bestie von Luft und Erde beherbergt.
„Oh, verdammte Scheiße!“
So fluchen hatte ich Teraz noch nie gehört, oder gar verängstigt gesehen. Zumindest seit einer langen Zeit nicht mehr. „Was ist los?“ Besorgt lösten sich Dell und ich voneinander und blickten zu meinem... ja >meinem< Freund.
„Die namenlose Fee! Ich habe sie total vergessen!“ Nun erkannte auch ich die drohende Gefahr.
„Dann los, geh und schau, ob irgendetwas passiert ist.“ Teraz hüllte sich mit einer Handbewegung in einen schwarzen Mantel und sprang kurzerhand in ein tiefschwarzes Loch. Bedauernd starrte ich ihm hinterher, selbst als das Loch bereits geschlossen war.
„Ich frage mich, ob er jetzt gerade in dem Stock unter uns gelandet ist?“ Elth wirkte nachdenklich und rieb sich sogar konzentriert das Kinn. So etwas hatte ich ja noch nie bei ihm gesehen.
Auch Dell schien dieser Gedanke zu fesseln. „Dann müsste er aber einige Stockwerke tief fallen... durch ein Paar Menschen, Fliesen, Stahl und sonstiges Zeug.“
Jetzt hatten sie mich auch. „Ich denke, ich sollte ihm demnächst einmal nach diesen Trick befragen.“
Nun standen wir da. Nachdenklich, schwelgend in Theorien. Wie machte dieser Erdmagier das bloß?

 

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 Edelle:


„Aber... wieso wussten wir all die Jahre nichts davon?“ Sanft legte Denis seiner Schwester eine Hand auf die Schulter und streichelte sie.
„Vielleicht... weil wir ja niemals... du weißt schon... Wir haben niemals die Möglichkeit in Betracht gezogen.“
„Ich wusste auch nichts davon.“ Schwor ich auf alles, was mir heilig war. „Auch Elth konnte nicht ahnen, dass ihr Engel seid, sie können sich für reine Menschen ausgeben, das liegt in ihrer Natur.“ Erklärte ich den beiden und wollte sie am liebsten noch einmal umarmen. Ich hatte sie ja so sehr vermisst!
Elth musste mein schmerzliches Bedürfnis spüren, denn seine Hand legte sich zärtlich um meinen Bauch und er zog mich an seine Seite, um mich zu trösten. „Das ist wahr. Es gibt Reinrassige und Mischlinge. Überall auf der Welt. Vampire. Ansteckende Werwesen. Menschwesen, wie Dell und ich. Gestaltwandler. Gargoyles. Fee. Und natürlich Engel. Sie sind mit Abstand die stärkste Macht, die wir kennen und niemand weiß woher sie kommen, was sie hier machen, was sie wollen, oder gar was ihre wahre Stärke ist. Das ihr beide von eurem Vater zurückgelassen wurdet, zeigt bloß, dass er nichts von euch wusste. Nicht, dass er euch nicht wollte.“
Lächelnd blickte ich hoch zu Elth und legte meine Hand auf seine, welche auf meinem Bauch ruhte. Das er sich so viel Mühe gab, meine Freunde, die er niemals hatte leiden können, zu beruhigen, ließ mich beinahe dahin schmelzen und am liebsten würde ich ihn lange und innig dafür küssen. Aber erst eine Sache, nach dem anderen. Sonst würde mir, meine beste Freundin, Nadja der Halbengel, doch noch den Kopf abreißen, denn ich wusste, diese Macht hat sie, ob sie es weiß, oder auch nicht.
„Also... Du bist jetzt Elth, der Menschwandler und nicht Sam, der abstoßendste Mensch auf Erden?“ Oh, je. Meine Wortwahl!
Elth ging nicht auf Nadjas Provokation ein. „Nein, ich war ein Mischling. Zu einem viertel Vampir, zu einem dreiviertel Menschwesen. Ich konnte drei Verwandlungsformen annehmen, Menschen mit meinem Blick manipulieren und mich von Blut ernähren. Jetzt jedoch, dank Dell, bin ich ein Reinrassiger Menschwandler.“ Elth trat einen Schritt zurück und ich fühlte bereits, bevor es tat, wie er sich verwandelte. Seine Haut fiel, viel zu langsam, ab, seine Zähne veränderten sich, die Augen wurden zu gelben Katzenaugen, ihm wuchs ein langer Schwanz aus dem Steißbein, mit einer weißen Spitze und dunkle Tränenspuren zogen sich von seinen Augen hinab, zu seinen Lippen. Das hatte er für Nadja und Denis gemacht. Damit sie sich überzeugen konnten.
„Mischlinge leiden unter Handicaps. Manche von uns, können ihre volle Verwandlung nicht, bis nur zum Teil vollführen. Manche Hexer kommen nicht mit Magie klar, sie können keine Magie fühlen, oder einige Mischvampire besitzen keine Fangzähne. Diese Probleme ziehen sich über Generationen, tauchen auf, verschwinden. Es ist immer eine Frage des Glückes. Halbengel haben solche Probleme aber nicht, so viel wir wissen.“
Elth glitt wieder in seine menschliche Form zurück, was ich schade fand, denn ich hätte ihn zu gerne wieder gestreichelt und sein menschliches Schnurren gehört. Ich liebte es einfach, wenn er schnurrte, auch wenn er stur behauptet, dass er so etwas niemals tut.
„Mein Mentor, Gael war ein Halbengel.“
Überrascht öffnete Nadja die Augen und sprang glatt vom Stuhl. „Was? Der heiße Kerl ist ein Halbengel? Ich dachte eher so etwas wie ein Halbgott...“ Den letzten Satz murmelte sie bloß, doch ich hörte es, dank meiner Veränderung, sehr deutlich.
Grinsend zwinkerte ich ihr zu. „Gael war wirklich beinahe ein Gott. Er hat mir sehr viel gelernt und hat mich mein ganzes Leben beschützt... bis zu seinem Tod sogar.“
Nadjas Blick trübte sich. „Oh, Dell! Das tut mir ja so leid!“ Tröstend zog sie mich in eine liebevolle Umarmung. Eine Umarmung, ohne die ich bisher viel zu lange gelebt habe.
Schniefend drückte ich sie an meine Brust. „Danke... Ich vermisse ihn wirklich.“ Gab ich zu und fühlte noch eine dritte Hand. Sie war von Denis, als er sie sanft auf meinen Kopf legte, beinahe zögerlich, als wäre er unsicher, ob er es sich erlauben durfte.
„Ich habe von Nadja gehört... Er war wie ein Bruder für dich, oder?“ Ich nickte und legte eine Hand um ihn, damit er in die Umarmung einbezogen wurde. Zumindest für einen Augenblick, denn dann erklang Elths Knurren direkt hinter uns.
Erschrocken sahen sich Nadja und Denis nach Elth um, dessen Augen schon wieder gelb leuchteten. Entschuldigend trat ich von den beiden zurück. „Entschuldigt, aber Elth hält es nicht länger aus.“ Ich trat wieder zur Elth zurück, welcher augenblicklich wieder ruhig wurde.
„Oh nein! Sag ja nicht...“ Begann Nadja und schüttelte den Kopf, als würde sie es nicht hören wollen.
Dann wurde es wohl jetzt Zeit für den nächsten Schock. Ich hob meine Hand und zeigte ihnen den schönsten Verlobungsring, auf der Welt. Zumindest in meiner Welt. „Es ist noch recht frisch, aber...“ Eigentlich dachte ich eher, Nadja würde ohnmächtig werden, nicht das dies ein Engel könnte, doch tatsächlich war es Denis, dessen Beine versagten und er ging mit einem Krach, welcher seinen ganzen Körper erzittern ließ, zu Boden.
„Geht es dir gut?“ Fragte ich und wollte wieder zu Denis, doch Elth hielt mich zurück, während Nadja ihren Bruder stützte.
„Komm, geh ins Bett, ich helfe dir.“ Nadja deutete mir hier hierzubleiben und ich blickte verunsichert zu Elth auf, welcher Nadja und Denis mit seinem strengen Blick folgte.
„Was ist passiert? Habe ich etwas Falsches gemacht?“
Elths Blick riss ab, als Nadja und ihr Bruder in einen anderen Raum verschwanden, dann senkte er seinen Blick auf mich und küsste mich auf die Stirn. „Denis war bereits in der Schule in dich verliebt. Ich dachte, die beiden würden in einer lieblosen, bloß gewohnten Beziehung stecken, aber dass sie in Wahrheit Zwillinge sind... Das überrascht mich.“ Sein Blick glitt wieder zur verschlossenen Türe. Ich lachte halbherzig. „Netter Witz, Elth.“ Schimpfte ich genauso halbherzig. Denis, in mich verliebt? Unsinn!
Überrascht zog Elth die Augenbrauen hoch. „Es stimmt.“ Beharrte er.
Ich schüttelte den Kopf. „Nie im Leben!“ Denis, in mich verliebt? Wie kam er bloß auf so etwas?

 

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Teraz:


Ich schwebte aus dem Untergrund und landete direkt vor dem Haus der namenlosen Fee. Auf den ersten Blick erkannte ich, dass ich durchaus zu spät kam. Das Haus, welches die Form eines >U< gehabt hatte, war nun in zwei Teile geteilt. Links befand sich immer noch der unbenutzte Teil des Hauses und rechts, in dem sich das Wohnzimmer und die Küche befanden, waren intakt. Der mittlere Teil, welcher beide Seiten verband, lag vollkommen in Trümmer. Das Dach war in sich zusammen gesunken, die Wände lagen als ein Haufen Schutt auf dem Boden und die Möbel lagen zertrümmert und teilweise verbrannt im vorderen Teil des Hofes.
Enttäuscht sank ich zu Boden. Ich bin zu spät. Es ist vorbei und die namenlose Fee frei. Ich konnte unmöglich sagen, wohin sie geflohen ist, oder gar was sie als nächstes plante, immerhin lag sie bereits seit Monaten, teilweise in einer Art Koma. Ihr Mann wird es keine drei Tage überleben, ohne meine Macht und schlussendlich wird sich die namenlose Fee selbst zerstören. Wer konnte schon ahnen, wie viele sie dabei mit sich zog?
Ich kam wieder auf die Beine und überprüfte, welche Teile des Hauses ich wohl retten konnte? Ich könnte es immer noch mitnehmen, dorthin wo ich wollte. Ich konnte einfach meinen Zauber aktivieren, Schutt und Splitter mitnehmen. Ungesehen und vor allem ungehindert, konnte ich mich irgendwo in die Berge absetzen. Irgendwo, wo mich niemals jemand finden wird und das Haus so gut ich konnte, reparieren? Danach könnte ich endlich Gelegenheitsjobs für Schwarzmagier annehmen, denn die gab es im Überfluss und waren auch gut bezahlt.
Jedoch... konnte ich wirklich jetzt ohne Lissy gehen? Wir haben eine zweite Chance erhalten. Eine weitere Chance, um das aus der Vergangenheit nicht zu wiederholen, abseits von Vorurteilen und den bisherigen Ängsten.
Ich nahm einen der Kräuterbeutel in die Hand und wiegte ihn in meiner Hand. Ich könnte doch mit Lissy und ihren Söhnen verschwinden, was jedoch bedeutet, dass sie permanent der Gefahr ausgesetzt sein würden, für ihren Verrat bestraft zu werden. Nein, so etwas wollte ich weder Lissy, noch ihren Kindern antun.
„Verflucht!“ Mit viel zu viel Kraft, schleuderte ich das kleine Samtpäckchen gegen die noch intakte Hauswand.

 

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Lissy:


Ehrfürchtig strich ich über die ledrige Zwischenhaut von Dells Flügel. „Die sind so cool.“ Staunte ich und zeichnete eine Schuppe nach. Dell kicherte und wackelte mit den Flügel.
„Und sehr empfindlich, also kitzel mich nicht.“ Lachte sie und steckte mich unvermittelt an. Elth hatte sich, wieder einmal, daran gemacht etwas zum Essen für uns aufzutreiben. Als Menschwandler hatte ich generell immer Hunger, aber Dell übertrieb es Maßlos. Wenn das so weiter ginge, würden wir uns eine Herde Kühe, jede Woche, zulegen müssen!
„Uh, das muss Elth doch richtig gut gefallen.“ Scherzte ich, woraufhin meine beste Freundin knallrot wurde. „E...Es hat schon seine Reize.“ Gab sie verlegen zu. Dell faltete ihre Flügel wieder im Rücken, wobei sie noch recht steif wirkte, als hätte sie plötzlich einen dritten Arm bekommen und wüsste noch nichts damit anzufangen. „Hast du schon versucht zu fliegen?“ Vermutlich war sie letzte Nacht mehrfach geflogen, doch nicht auf die Weise, wie ich meinte.
„Nein, dafür hatte ich noch keine Zeit. Als ich begriffen habe, was geschehen ist... nun ja, du kannst es dir bestimmt denken.“ Ihr Gesicht nahm ein hübsches dunkelrot an und ich beschloss sie zu beruhigen. „Das habt ihr beide euch auch verdient. Ich bin überhaupt erstaunt, dass ihr beide es so lange, ohne eure Verbindung zu vollenden, geschafft habt. Ich bin sehr stolz auf Elth und natürlich auch auf dich. Aber du schuldest mir immer noch ein neues Badezimmer.“ Als sich Dell vor einiger Zeit einmal in eine Art Lustdämon verwandelt hatte, musste ich meine eigene Badezimmertüre eintreten um die beiden vor einem fatalen Fehler zu beschützen. Außerdem hatte mein Waschbecken einen gefährlichen Sprung.
Dell grinste breit. „Oh, Gott. Das alles kommt mir vor, als wäre es Jahre her.“ Sie ließ sich gegen das Sofa sinken, doch merkte rasch, dass dies mit ihren Flügel nun nicht mehr ging und rückte zur Seite, sodass sie mit der Schulter lehnen konnte. „Als Elth mich entführt hat, dachte ich noch, das wäre das Schlimmste in meinem Leben, oder mit ihm einen Abhang hinunter fallen!“ Sie kicherte, als würde sie sich an etwas erinnern. „Ich habe es Elth nie wirklich leicht gemacht.“
Lachend lehnte ich mich vor. „Dafür hast du ihn wirklich gut hinbekommen.“ Verschwörerisch legte sie ihre Stirn gegen meine und wir beide seufzten für einen Moment.
Familie. Das waren wir nun. Dell gehörte nun offiziell zu meiner und Elths Familie. Nun durfte ich sie sogar als meine Schwester bezeichnen, ich fragte mich, ob sie das überhaupt schon wusste? „Danke, Lissy. Für alles in den letzten Wochen.“
„Für was hat man denn Schwestern?“ Grinste ich stolz auf mich selbst.
Dell blickte überrascht auf, doch lächelte dann glücklich. „Stimmt, ich bin jetzt offiziell deine Schwester.“ Stellte sie fest. Dabei wirkte sie sogar erleichtert.
„Und ich bin jetzt deine große, böse Schwester.“ Scherzte ich und stieß sie sanft am Oberarm. „Pass bloß auf, sonst grille ich dich.“ Drohte sie zurück. „Ja, ja. Du groß böse Echse.“
Die Eingangstüre fiel zu und der Geruch von Essen strömte uns entgegen. „Sie kann kein Feuer speien!“ Schimpfte Elth und schob einen Küchenwagen auf uns zu.
Begeistert sprang Dell auf und fiel ihrem Mann in die Arme. Er erwiderte ihre stürmische Umarmung mit einem langen Kuss, bevor er das Essen aufdeckte. Das meiste bestand aus Fleisch, was mich nicht wunderte. Einen Moment später, stürzten wir uns darüber und aßen... zu welcher Zeit auch immer. Ich hatte noch nicht auf die Uhr gesehen, doch ahnte, dass es bereits Nachmittag sein musste.
Nach dem stürmischen Essen, ging ich zum Fenster und blickte hinab auf die Stadt. Ich wusste nicht einmal, in welcher wir uns befanden. Sie schien jedoch recht lebhaft zu sein, wie jede Stadt und ich fühlte mich automatisch unwohl. Die freie Natur war mir doch bei weitem lieber.
„Hat sich Teraz bereits bei dir gemeldet?“ Ich drehte mich um, zur Bank, wo Dell ausgestreckt, auf dem Bauch lag und ihren Kopf auf Elths Schoß gebettet hatte. Er strich ihr zärtlich über das lange Haar und ließ sie nicht aus den Augen, während er sprach.
„Nein, noch nicht.“ Ich hoffte jedoch, dass es ihm gut geht. Ob er wohl die Fee gefangen hatte? Pausenlos schwirrten mir Fragen über ihn im Kopf herum.
„Ich bin mir sicher, dass es ihm gut geht. Er ist ein herausragender Kämpfer und hat einen sehr guten Grund zurückzukommen.“
Ich lächelte verlegen. „Ja, den hat er.“ Hoffentlich! Ich glaubte ja nicht, dass die Nacht zwischen uns eine einmalige Sache gewesen ist. Aber ich hatte keine Ahnung, was ich von ihm zu erwarten hatte. Oder gar durfte. Er ist ein Schwarzmagier, ein verstoßener Hexer. Meine Kinder wären ständig in Gefahr und Teraz müsste sich um drei Jungs, zusammen mit mir, kümmern, welche ihn doch überhaupt nichts angingen.
Ach... meine Jungs! Ich vermisste meine drei Monster viel mehr, als erwartet.
Mein Telefon klingelte und erschreckte mich ein wenig. Hektischer, als nötig, griff ich in meine Hosentasche und zog es hervor. „Teraz?“ Fragte ich hinein. „Kannst du Gedanken lesen?“ Fragte er auf der anderen Seite, der Leitung. Erleichtert seufzte ich. „Zum Glück! Geht es dir gut? Bist du verletzt?“ Ich konnte nicht verhindern, mich besorgt anzuhören, doch das war ich ja auch. Sehr sogar.
„Nein, das Haus sieht wesentlich schlimmer aus, als gedacht. Offenbar wollte sie es mir schwer machen, sie wieder einzusperren.“ Er klang, als würde er kläglich versuchen zu scherzen. „Ter... Was ist los?“ Ich hörte doch, dass etwas nicht stimmte.
„Soll... Soll ich zurückkommen?“ Was war das denn für eine Frage?
„Natürlich! Außer du willst, dass ich dich holen komme, aber dann werde ich...“ Er hatte aufgelegt! Wieso das denn?
Elth blickte mich fragend an. Natürlich hatte er mitgehört und schien selbst nicht zu wissen, was das bedeuten solle. „Männer.“ Fluchte ich, doch schenkte dabei Elth eine Kusshand.
Dell schnaubte mit geschlossenen Augen. „Das kannst du laut sagen.“
Elth gab ihr einen Klaps auf den Hintern, woraufhin sie verärgert knurrte. „Pass auf, dass ich nicht zurückschlage!“ Drohte sie ihm halbherzig und döste einfach weiter.
Ich sah Elths bösartiges Lächeln, bevor er seine Hand zwischen ihren Schenkeln verschwinden ließ.
Okay! Mehr musste ich wirklich nicht sehen! Lachend wandte ich mich ab, während Dell ihren Mann beschimpfte, sie nicht in der Öffentlichkeit belästigen zu dürfen, wobei sie mehr begeistert von seinen Berührungen klang, als ihre Worte es schließen ließen.
Ich beschloss, das Zimmer für die beiden zu verlassen, doch lief dabei, gegen einen hageren, schwarzen Körper. Teraz musste nicht einmal seine Kapuze abnehmen, damit ich wusste, wer das war. Begeistert schlang ich meine Arme um seinen Nacken und drückte ihn an mich. „Da bist du ja!“ Rief ich begeistert und bekam sogar einen, fast schon erleichterten Kuss.
„Entschuldige, dass ich aufgelegt habe, aber ich wollte... so schnell wie möglich zurück.“ Den Schluss murmelte er leise, wobei jeder im Raum ihn wirklich sehr gut hören konnte.
Ich lächelte zufrieden und küsste, meinen Schwarzmagier so lange, dass ich fühlen konnte, wie gerne sich Teraz mit mir wieder in ein Zimmer sperren würde. Trotzdem machte er sich, schwer atmend von mir los. „Ähm... Ich müsste noch etwas Geschäftliches besprechen.“ Unwillig, zog er sich von mir zurück und richtete seinen Blick auf Dell, welche nun auf Elths Schulter saß und seinen Arm auf den Rücken gezogen hatte.
Ich grinste und auch Teraz räusperte sich, um sein Lächeln zu verbergen. Offenbar hatte Elth endlich seine Grenze gefunden. Oder eher, seinen Meister. „Was denn für Geschäftliches?“ Fragte Dell, welche scheinbar die außer Kontrolle geratene Situation, einfach überspielen wollte und artig von Elth hinunter ging, damit er sich wieder aufsetzen konnte.
Überraschend machte Teraz einen Kniefall, welcher nicht bloß mich verwirrte. „Königin, ihr steht zwar nach den letzten Wochen in meiner Schuld, trotzdem möchte ich Euch höflich um einen Gefallen bitten.“
Dell war es sichtbar unangenehm, dass jemand vor ihr kniete und sie auch noch dermaßen formell ansprach. „Steh doch auf, was soll der Unsinn?“ Teraz kam wie gewünscht auf die Beine. „Natürlich tue ich dir jeden Gefallen, den du möchtest. Ich verdanke dir noch mehr als mein eigenes Leben, Teraz.“
Erleichtert nickte Teraz. „Danke, Hoheit. Es ist eine heikle Angelegenheit und eigentlich sollte ich dich nicht damit belasten, aber die namenlose Fee... sie ist fort. Ich könnte die Hilfe...“ Teraz blickte nun auch mich und Elth an, bevor er zu ende sprach. „...von euch allen gebrauchen. Sie ist gefährlich, geistig stark geschädigt, unberechenbar und ich habe bloß weniger als drei Tage, bevor ihr Gefährte stirbt. Tut er das, löscht sie sich selbst aus und nimmt alles mit, was ihr bis dahin vor die Füße gelaufen ist, oder sich in ihrer Umgebung befindet.“
„Natürlich!“ Antwortete ich sofort.
„Elth?“ Fragte Dell ihren Mann, welcher ihr einen Kuss auf die Stirn hauchte. „Als könnte ich dich davon abhalten.“ Die beiden lächelten sich einen Moment an, welcher bloß ihnen gehörte, dann war es entschlossen.
„Ich danke euch.“ Teraz war aufrichtig erleichtert und schlang einen Arm um mich. „Wirklich... danke, Liss.“ Ich küsste seinen Mundwinkel. „Dafür stehst du aber dann ganz schön in meiner Schuld.“ Mit einem frechen Grinsen, zwinkerte ich meinem Schwarzmagier zu, welcher sofort rot wurde, doch es überspielte, indem er sich eilig abwandte. „Ich habe bereits Reisezauber für euch.“ Teraz reichte Dell und Elth einen kleinen braunen Stein. „Denkt an ihr Haus, wir treffen uns dort.“
Aprobos Reisezauber! Da war doch noch etwas, dass vorhin recht interessante Fragen aufgeworfen hatte. „Teraz, zu deiner Art zu reisen. Ich hätte da einige Fragen.“ Dell und Elth blickten gleichzeitig interessiert auf. Teraz wirkte auf einmal nicht mehr ganz so erleichtert.

21. Amilia

Teraz:

 

Vor dem Haus der namenlosen Fee traf sich unsere Gruppe wieder. Elth hatte lange vor Lissy deren Geruch in der Nase und führte uns direkt auf den Wald zu. Nun hatten wir bei Weitem keine Angst mehr. Nicht vor den Menschen, auch fürchtete ich mich aus irgendeinem Grund, nicht mehr so sehr, wie früher vor der Fee. Früher, als ich noch ein kleiner Junge gewesen bin, war sie so zu sagen, meine Tante. Ich liebte sie auch dementsprechend und sah zum Teil zu ihr auf. Vor allem, da sie niemals ein Blatt vor den Mund nahm.
Sie war eine der wenigen, welche meinen Eltern über den Mund fuhren, oder mich auch einmal zu einem Ausflug mitnahm. Für sie bestand das Leben nicht immer bloß aus Arbeit und Politik, wie das meiner Eltern. Trotzdem schafften sie es, irgendwie enge Freunde zu sein, sie lachten oft und gerne miteinander und trafen sich regelmäßig.
So wuchs ich auch oft bei den Feen auf, was mir zu alldem ein großes Verständnis ihnen gegenüber einbrachte. Obwohl Feen unsterblich sind, besitzen sie eine einzige Gabe in ihrem so langen Leben. Sie sind immer recht zierlich und niemals größer als einen Meter achtzig. Natürlich gab es auch dicke Feen und hässliche. Viele von ihnen litten vor allem an der Schmach ihrer Gaben. Einige besaßen größere, wie zum Beispiel Gedanken zu kontrollieren oder in die Zukunft zu sehen. Andere, eher geringer geschätzte, konnten höchstens die Luft etwas erwärmen, oder sehen zum Teil in die Vergangenheit. Jede ihrer Gaben kam bloß einmal vor, somit gab es niemals zweimal dieselbe Gabe zu selben Zeit. Jedoch ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass dieselbe in der Familie später einmal abermals auftaucht.
„Schwarzmagier?“ Alle Köpfe fuhren herum, als ein brauner Rauch aus der Erde qualmte und darin jemand erschien, den die anderen bereits lange nicht mehr gesehen haben.
„Selena?“ Fragte Edelle Black überrascht.
„Ich habe sie gebeten, herzukommen. Sie kennt die namenlose Fee besser als ich.“ Erklärte ich, woraufhin Lissy, ohne Grund, knurrte.
„Wir brauchen ihre Hilfe nicht.“ Meinte sie mürrisch. Was war denn jetzt los? Eben war sie noch voller Tatendrang.
Selena entsicherte ihr Schrotgewehr. „Pass auf, Kätzchen, sonst ballere ich dir ein hübsches Loch zwischen deine beiden aufgeplusterten Stoßdämpfer.“
Lissys Augen leuchteten Auf und sie fauchte wie eine wahre Wildkatze. „Mal sehen, was mehr wehtut. Ein zerfetztes Gesicht, oder ein aufgerissener Arsch?“ Drohte sie zurück, woraufhin ich Angst bekam, dass die Situation eskalieren könnte.
Ich trat zu Lissy und legte ihr meine Hand auf die Schulter. „Lissy, hör auf. Ich habe sie gebeten, herzukommen. Sie will bloß helfen und es beenden, so wie ich.“
Noch einen, viel zu langen, Moment funkelte Lissy Selena an, welche sich nicht scheute, ihr die Zunge herauszustrecken, doch zog sich, wie gewünscht zurück.
„Das klären wir später, Miststück!“ Mit einem tiefen Knurren, das aus einem völlig absurden Grund, Rache schwor, drehte sie sich zu mir um, küsste mich demonstrativ auf den Mund und holte zu Edelle und Elth auf, welche bereits einige Schritte vorangegangen waren.
Plötzlich hörte ich, wie Selena hinter mir ihre Waffe lud und ein Knall explodierte laut in der Luft. Erschrocken sah ich zu Lissy, welche ihr Ziel gewesen war, doch diese hatte einen gewagten Seitwärtssprung absolviert und landete, verwandelt auf allen vieren.
Mit erhobenen Haupt stürmte Selena an mir vorbei, bevor ich mit ihr schimpfen konnte. „Denk ja nicht, das wäre schon vorbei!“
Lissy kam an meine Seite und glitt zurück in ihre menschliche Form. „Der Schlampe reiß ich später den Kopf ab!“ Schwor sie und angelte nach meiner Hand.
„Was sollte das gerade eben?“ Lissy sah mich an, als wäre dies selbstverständlich.
„Ich wollte nur gleich klarstellen, dass du mir gehörst.“
Seufzend schüttelte ich den Kopf. „Ich >gehöre< dir nicht, Liss!“ Schimpfte ich. Ich wusste ja, dass Menschwandler recht besitzergreifend waren, doch Lissy war mir niemals so vorgekommen, als würde sie dermaßen leicht aus der Haut fahren, was ihre Partner anging.
Verlegen scharrte sie mit ihrem, nun nackten, Fuß auf den Boden, denn ihre Turnschuhe waren dank der Verwandlung hinüber. „Sind wir... also nicht zusammen?“ Fragte sie unsicher.
Mein Herz wurde schwer, als sie meinem Blick begegnete. Aus irgendeinem Grund hatte ich gerade eben die Chance Lissy für immer von mir zu stoßen, oder aber, ihr falsche Versprechungen zu machen. „Das ist wirklich ein Punkt, den ich liebend gerne besprechen würde, aber nicht jetzt und vor allem nicht hier. Das ist eine Sache zwischen uns beiden... oder eher zwischen dir, mir und deinen Söhnen.“ Ich legte meine Hand in ihren Nacken und küsste sie lange. „Durch mich wird auch ihr Leben bedroht sein. Überleg dir das lieber gut.“
Sie schlang ihre Arme um meinen Nacken und ich ließ meine um ihre Taille gleiten. „Ich werde jedem das Gesicht zerfetzen, der es wagt meinen Männern zu nahe zu kommen.“ Obwohl es eigentlich bedrohlich war, dies von >meiner< Freundin zu hören, war es dennoch unglaublich romantisch von ihr. Immerhin sagte sie mir damit, dass ich ihr so wichtig bin, wie ihre eigenen Kinder. „Du bist ein Idiot.“ Ich setzte mich in Bewegung und Lissy hielt, während wir gingen, meine Hand. Wenn wir das überstanden, würden wir viel zu besprechen haben...

Selena trug ein ärmelloses Shirt, eine lange Hose und fast kniehohe Lederstiefel, mit dicken Absätzen. An ihrem Gürtel erkannte ich drei Dolche und weitere Pistolen in ihrem Stiefel, so wie ihrem Hosenbund. Auf ihrem Kopf befand sich, ein nach hinten gerichtetes Käppi, mit dem Logo einer Band darauf. „Entschuldige, wegen Liss.“
Lissy hatte sich, zusammen mit Elth im Wald auf die Suche nach der namenlosen Fee gemacht, während Edelle, Selena und ich, deren Spuren folgten. Edelle musste nicht einmal, ihre Sinne dafür nutzen, sie fühlte Elth in der Nähe und folgte einfach ihrem Gefühl.
„Wieso entschuldigst du dich? Bloß weil sie mit dir schläft? Das kann mir egal sein.“ Sie rümpfte ihre spitze Nase und sah mich nicht einmal an.
„Das... hat sich irgendwie ergeben.“
Schnaufend, warf sie mir nun doch einen verächtlichen Blick zu. „Was ist dass denn für eine Ausrede? >Das hat sich so ergeben<.“ äffte sie mich nach. „Schon vergessen, wem du deine Narben zu verdanken hast? Du solltest sie fallen lassen, wie eine heiße Kartoffel, für das, was sie dir körperlich und seelisch angetan hat.“
Nicht das schon wieder... Aber ich war ja auch selbst schuld. Ich hatte ihr, beinahe, alles erzählt. Natürlich nur das Schlechte von Lissy, denn ich habe ziemlich lange meinen Hass auf sie, offen getragen.
„Das werde ich nicht tun, dass weißt du!“ Dafür hatten wir uns beide zu viel Zeit gelassen.
„Wehe, sonst muss ich dich bestrafen.“ Mischte sich Dell ein, welche natürlich unser Gespräch schlecht überhören, hatte können.
Ich lächelte sie versprechend an. „Keine Sorge, ich habe genug Gründe um es nicht zu tun, auch... wenn es kompliziert ist.“
Dell ließ sich zurückfallen, um neben mir zu gehen. „Es ist nicht so kompliziert, wie du denkst. Schon vergessen? Ich bin eine Königin. Nicht die der Hexen, aber die der Menschwandler und damit kann ich auch Gesetze erlassen. Natürlich nur für meine Familie.“ Den letzten Satz sagte sie etwas Lauter, damit auch Selena verstand, dass sie damit nicht gemeint war.
„Ich würde ihn niemals verraten!“ Bissig, wie eh und jäh, funkelte Selena die junge Königin an.
„Lissy auch niemals.“ Erwiderte Edelle. Offenbar bildeten sich hier Fronten, nur leider die falschen!
„Wenn die Hexenkönige ihre Kinder bedrohen, was denkst du, wird sie eher opfern?“
„Lissy lässt sich nicht erpressen. Ich habe gesehen, wie rücksichtslos sie werden kann, wenn es um das Leben derer geht, die sie liebt!“
Ja, das hatte auch ich gesehen und zu meiner Überraschung, hat es mich kein Stück geängstigt. Sie war kalt und gnadenlos vorgegangen. Ein bisschen schien sie es sogar zu genießen und ich hatte nichts tun können, außer ihr bewundernd zuzusehen. Eigentlich hätte ich eher Elth diese Art der Kälte zugetraut. Da sah man wohl, dass die beiden vom selben Blut waren.
Wir gingen nun bereits eine Stunde durch den Wald, wobei Selena und ich, die drei Menschwandler erheblich zügelten. „Jetzt ist es genug, wir müssen die namenlose Fee finden.“ Das war wesentlich wichtiger.
„Du hast recht, entschuldige.“ Edelle lächelte mich noch einmal an, bevor sie wieder schneller, vor uns ging, doch blieb in Sichtweite.
„Du bist wirklich ekelhaft.“ Fauchte Selena eben? Zumindest klang es fast so.
„Was ist dein Problem, Selena? Das zwischen Liss und mir, braucht dich nicht zu interessieren und bisher hast du nicht einmal ansatzweise Interesse an irgendwelchen Problemen von anderen...“ Da Selena ein Stück kleiner war als ich, typisch Fee, packte sie mich am Kragen und zog mich zu sich herab. Unerwartet legte sie ihre Lippen auf meine und ich konnte nichts tun, außer wie ein Idiot dazustehen.
„Wenn du dein kleines Abenteuer beendet hast, bin ich immer noch da, alles klar?“ Mit diesen Worten ließ sie mich, den Idioten, stehen. Edelle hatte es natürlich gesehen und knurrte die Halbfee so wütend an, als hätte diese gerade Elth geküsst. Vermutlich hätte Selena dann keinen Kopf mehr über ihren Schultern, aber das Knurren war ähnlich wütend.
Die Halbfee entsicherte lediglich ihre Waffe und schenkte der Königin nicht einmal einen Blick. „Na toll...“ Aber was sollte das bedeuten, mit dem >Abenteuer<? Lissy ist nicht bloß ein Abenteuer, sie ist... viel mehr. Bei weitem reichte Selena nicht an sie heran, oder beanspruchte meine Sinne, oder gar meine Nerven, wie die Wildkatze.

 

- - - - -

 

Lissy:


Ich konnte es nicht fassen! Diese miese kleine Schlampe, küsste doch glatt Teraz! Meinen Teraz! „Stopp!“ Elth fing mich um die Taille ab und hielt mich unter größter Anstrengung los, während ich wild wurde.
„Lass mich los, dann reiße ich ihr, ihre hässliche...“
„Nein, nicht jetzt Lissy!“ Fauchte er an meinem Rücken und packte mich an der Haarwurzel, sodass ich mir selbst ein großes Loch hinein reißen müsste, wenn ich wegwollte.
Fauchend schlug ich nach dem Brustkorb meines Bruders. „Lass mich los, oder ich zerfetze dich genauso!“ Das war lediglich eine leere Drohung, das wussten wir beide. „Das würde dir Dell nicht verzeihen und der Schwarzmagier wäre bestimmt auch nicht glücklich wenn du eine alte Freundin von ihm zerfleischt.“
Eine alte Freundin? Stimmt, als das hatte er sie, höchstens, gesehen. Auch jetzt wischte er sich angeekelt den Mund ab und sah eher frustriert, als erfreut aus. Diesen Kuss würde ich ein für alle Mal aus seinem Gedächtnis auslöschen müssen! „Hör zu.“ Elth ließ meinen Kopf etwas lockerer und hielt mich bloß noch um die Taille. „Du weißt, wie wichtig diese jagt, deinem Schwarzmagier ist. Wenn du jetzt blindwütig irgendwelche Frauen aufhängst, dann zieht er sich vielleicht vor dir zurück, noch bevor zwischen euch etwas Ernstes sein kann.“
Überrascht blickte ich zu meinem kleinen Bruder. Mein Blick wurde wieder weicher. „Dell tut dir wirklich gut.“
Ich erkannte, wie er rot wurde, doch seine Scham überspielte er, wie üblich, mit Wut. „Das hat nichts mit ihr zu tun!“
Vollends beruhigt, grinste ich frech. „Wenn du meinst.“
Knurrend, stieß er mich von sich und stapfte an mir vorbei, zurück zu seiner Gefährtin, welche immer noch Selena mit einem wütenden Blick fixierte. „Lasst uns etwas Zeit.“ Rief ich Elth hinterher, welcher mich bestimmt gehört hatte, genauso wie Dell, da sie ihren Blick nun auf mich richtete. Dankend winkte ich ihr, dann lief ich, in meiner Zwischengestalt, auf Teraz zu. Er sah mich aus dem Augenwinkel kommen und wirkte ganz und gar schuldig.
„Du bist schon zurück?“ Ich hörte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte, und deutete ihm sich umzudrehen.
„Komm mit.“ Grob packte ich seine Hand und zog ihn hinter mir her.
„Wo gehen wir denn hin?“ Er hatte, dank meiner Kräfte, keine Chance sich von mir zu befreien, also stolperte er neben mir her.
„Mich abreagieren.“
Ich spürte seinen fragenden Blick, doch als ich eine halbwegs, blickdichte Stelle, dank einiger Gebüsche fand, wirbelte ich zu Teraz herum, welcher bereits außer Atem kam. „Liss! Was soll denn das?“
Da ich bloß noch eine Hose trug, streifte ich sie ab und noch, während sie hinab rutschte, zog ich meinen Schwarzmagier an mich. „Was denkst du wohl?“
Langsam erkannte er wohl, was ich wollte. „J...Jetzt?“ Teraz war vollkommen überfordert. „Hier?“
Ich roch an ihm. Selenas Duft war lediglich schwach, doch mich machte es schier wahnsinnig, sie an ihm riechen zu können! Diese Schlange! „Sag bloß, du möchtest lieber weiterhin nach >ihr< riechen?“
Er erkannte, dass ich alles gesehen hatte und seufzte schwer. „Liss, ich wollte bestimmt nicht, dass sie mich küsst. Und ich habe es auch nicht erwidert!“ Schwor er, was ich bereits wusste. Ich hatte es gesehen und das machte mich stolz, auch wenn es mir lieber gewesen wäre dieser naive Idiot, hätte es bereits früher bemerkt und ihre Liebe bereits vor langer Zeit, im Keim erstickt.
„Was ist dir lieber? Mich jetzt und hier zu nehmen, oder dass ich der Schlampe an die Kehle gehe?“
Teraz wirkte zwiegespalten, doch gab nach. „Das ist wirklich kein besonders guter Moment, Liss.“ Versuchte er es noch einmal.
Der Mann benötigte wohl mehr Überredungskraft. Ich ging auf die Knie und schob seinen Mantel zur Seite, um seinen Hosenbund zu erreichen. „L...Liss!“ Nun dauerte es nicht mehr sonderlich lange, bis Teraz kapitulierte, mich gegen den nächsten Baum drängte und tief in mich eintauchte.
Erleichtert stöhnte ich. Oh, ja. Das war es wirklich, was ich jetzt benötigte. Die Bestätigung, dass er wirklich mir gehört. Dass bloß ich es bin, die er freiwillig anfasst und keine andere Frau, egal wie lange er sie kennt, oder wie viel hübscher sie ist, als ich. „Härter!“ Fauchte ich wütend und schrie vor Glück auf, als er sofort das tat, was ich mir wünschte.
Dass was wir nun taten, war weit entfernt von dem, was wir letzte Nacht getan hatten. Das, letzte Nacht, war viel langsamer, intimer und ruhiger verlaufen, doch genauso auspowernd. Jetzt jedoch, ging es viel mehr um Besitz. Ohne Gnade, stieß Teraz in mich, stöhnte meinen Namen und krallte seine Finger, recht unsanft in meinen Magen und meinen Schenkel. Als seine Hand an meinem Schenkel, unerwartet auch noch höher rutschte, um die überempfindliche Stelle zwischen meinen Beinen zu massieren, wurde für einen Moment alles Schwarz um mich herum. „N...Nicht... mehr...“ Bat ich, als meine Mitte viel zu verkrampft wurde.
„Selbst schuld.“ Teraz lustvolle Stimme, direkt neben meinem Ohr, ließ mich meine Krallen in den Baum schlagen. „Schrei noch einmal für mich.“
Das genügte, das war einfach viel zu viel für mich und ich kam mit einem erschöpften Schrei. Zeitgleich, hörte ich Teraz schimpfen und wir gingen ungelenk zu Boden, wobei er sich nicht aus mir zurückzog. Im Gegenteil, es schien, als würde mein Körper versuchen ihn noch tiefer in mich zu ziehen, während meine Muskeln, zärtlich alles aus Ter heraus massierten, was er mir geben konnte.
„Alles in Ordnung?“ Trotz meiner Aggression war mein Schwarzmagier wirklich besorgt um mich. „Viel mehr als bloß in Ordnung.“ Stöhnte ich leise und hörte wie er zufrieden an meinem Nacken lachte.
„Noch immer eifersüchtig?“
„Kommt darauf an, ob du immer noch an diesen ekelhaften Kuss denkst?“ Knurrte ich, doch mein Knurren wurde lediglich zu einem erschöpften Schnauben. Gott, ich könnte auf der Stelle, vollkommen zufrieden sterben! Ich würde nichts bereuen in diesem Moment.
„Welcher Kuss? Du hast mir noch keinen gegeben.“ Mühsam drehte ich mich zu Teraz um, welcher auf der Seite lag und seinen Kopf auf dem Arm gestützt hatte. Fast schon belustigt, blickte er auf mich herab und ließ seine Hand durch mein goldenes Fell streichen.
„Stimmt, den habe ich wohl vergessen.“ Langsam beugte er sich zu mir herab und leckte liebevoll über meine Lippen, woraufhin ich diese bereitwillig, ähnlich wie meine Schenkel öffnete. „So etwas sollten wir öfter machen.“ Beschloss ich zwischen einigen Küssen, doch leider entfernte sich Teraz viel zu schnell von mir. „Nicht in einer solchen Situation, Liss. Das war eine einmalige und absolute Ausnahme. Verstanden?“
Das alles hatte keine zehn Minuten gedauert, doch ich fühlte mich, als lägen wir stundenlang hier herum. „Es im Wald zu tun, meinst du?“ Meine Scheinheiligkeit kaufte er mir keine Sekunde ab.
„Los, wir müssen zurück, Liss. Und wehe du wirst, bevor wir die Fee nicht gefunden haben, noch einmal eifersüchtig!“
Teraz kam zurück auf seine Beine und hüllte sich wieder in seinen Mantel. Dass er ihn verloren hatte, war mir überhaupt nicht aufgefallen und entlockte mir ein stolzes Lächeln. „Komm jetzt, wir müssen zurückgehen.“ Bat er ungeduldig, wobei seine Beinarbeit recht steif wirkte.
„Ich und welche Beine?“ Fragte ich gerechtfertigt. Langsam fing meine Hüfte wirklich an, wehzutun. Es schmerzte nicht richtig, doch sanft waren wir beide, gerade eben nicht gerade gewesen.
Schmunzelnd hielt er mir seine Hand hin und half mir auf. Taumelnd landete ich in seinen Armen und stahl mir noch einen langen Kuss. „Vielleicht hat es ja doch Wiederholungswert.“ Gestand Teraz nun ein.
„Ja, irgendwann.“ Versprach ich und fädelte meine Finger zwischen seine. Etwas langsamer, als zuvor, holten wir unsere Gruppe ein, welche sich einen trockenen Flecken Erde gefunden hatte, um zu rasten.
Gerade als wir aufschlossen, wobei Elth und Edelle wissend grinsten und Selena ohne ein Wort losging, beschlossen sie, dass die Pause vorbei sei. „Ach kommt schon!“ Jammerte ich. „Wir hatten noch keine Pause!“ Das war echt gemein!
Elth lachte spöttisch. „Oh doch, die hattet ihr und jetzt bewegt euch!“
„Das war keine Pause...“ Murrte ich leicht beleidigt, als Teraz seinen Arm um meine Schulter legte und mich auf die Wange küsste. Das eben war viel anstrengender gewesen, als eine Stunde durch den Wald, einer beinahe kalten Spur zu folgen. Wer wusste schon, wann wir diesen Teufel endlich einholten. Dell, Elth und ich hätten sie bestimmt bereits eingeholt. Auch Teraz hätte mit uns Schritt halten können, mittels Magie, doch dann wäre Selena alleine zurückgeblieben. Nein, das würde mich kein bisschen stören.
„Es war ihre Pause, die wir wesentlich aktiver verbracht haben.“ Flüsterte Teraz und lächelte mich zufrieden an.
„Ja, wirklich sehr aktiv.“ Grinste ich genauso zurück.
„Ich glaube aber, ich sollte dich öfter eifersüchtig machen, das war doch recht... interessant.“
Empört stieß ich ihn gegen die Rippen. „Arsch.“ Ich wollte von ihm weggehen, doch er hielt mich mit einem Kuss auf die Wange ab. „Nicht so wie vorhin.“ Schwor er hoch und heilig.
„Das bedeutet dann wohl, wir müssen nicht noch einmal über uns beide sprechen?“
Damit sank Terz Laune sichtbar. „Wie gesagt, lieber Später.“
Ich knurrte. „Da gibt es kein Später, Te... Schwarzmagier.“ Wieso war das plötzlich so schwer für ihn zu akzeptieren? „Mit mir zu schlafen ist in Ordnung, aber alles Weitere kann man auf später verschieben?“
Sichtlich verstimmt, zog Teraz sich einen Schritt von mir zurück. „So habe ich das nicht gemeint, mir geht es mehr darum, was genau ich bin und dass ich nicht will, dass deine Kinder in Dinge verstrickt werden, die ihnen nicht guttun.“
Mein Herz wurde schwer, während das Bedürfnis, ihn noch einmal zwischen zwei Baumstämme zu ziehen abermals stärker wurde. Dieses Mal würde ich mich aber nicht mit bloß zehn Minuten zufriedengeben. „Das meinst du!“ Stellte ich fest. „Sucht man überhaupt noch nach dir? Du bist doch so unauffällig wie ein Schatten. Ich bezweifle, dass man dir sonderlich viel anhängen kann.“
Er zuckte mit den Schultern. „Es geht hierbei nicht darum, was mit mir geschieht, wenn man mich fasst. Es geht darum, was mit dir und deinen Kindern sein wird, wenn sich herausstellt, dass ihr seit Monaten, oder Jahren wisst, wo ich bin, mich aber nicht ausliefert, sondern sogar versteckt, oder meine Fähigkeiten genutzt habt.“
Oh, Ter! Du dummer Idiot. „Das bedeutet wohl, du willst mich noch einmal hundert Jahre warten lassen?“
Sein Blick zuckte zu überrascht zu mir, doch als er mein Lächeln sah, beruhigte er sich wieder. „Nein, natürlich will ich das nicht, Liss.“ Ich sah das >aber< bereits kommen. „Aber, ich bin offiziell ein fliehender Krimineller. Willst du dich dem und deinen Kindern wirklich aussetzen? Ich werde abseits leben und meinen Kontakt zu anderen, bloß in der Unterwelt zulassen. Das weißt du.“
„Wir.“ Korrigierte ich.
Fragend zog er seine Stirn kraus. „Was meinst du?“
„Ohne mich gehst du nirgendwo mehr hin, oder denkst du, ich lasse zu, dass dich noch so ein Miststück küsst?“ Ich knurrte wütend, während mein Blick Selena, leider bloß beinahe, erdolchte.
„Liss, denk an deine Kinder. In so einer Gefahr kannst du sie doch nicht großziehen.“ Erwiderte er wieder. Natürlich hatte er recht, was das anbelangte. Niemals könnten meine Kinder Freunde mit nachhause nehmen und sie duften auch niemanden über die Existenz von Teraz einweihen. Irgendjemand würde ihn verraten, bloß um das Kopfgeld zu kassieren. Trotzdem blieb ich stur.
„Vergiss nicht, sie sind keine normalen >menschlichen< Kinder. Außerdem... gibt es da noch etwas, das du vielleicht über Matty wissen solltest.“

 

- - - - -

 

Teraz:


Wir verbrachten die gesamte Nacht im Wald, jedoch ohne zu rasten. Irgendwann, da wir einfach zu langsam vorankamen, entschied ich, Selena und mich schneller fortzubewegen, dadurch konnten wir die Spur aufholen und bald schon meinte Elth, dass wir fast bei der Fee wären.
Wo genau wir uns befanden, wusste ich nicht. Wir mussten vielleicht sogar schon einen Staat durchquert haben, wenn ich mich nicht irrte, denn in der Nähe von Idaho befanden wir uns definitiv nicht mehr. Vielleicht bereits in Oregon, oder Washington? Dank des verwirrenden Weges, wusste ich es überhaupt nicht mehr und von den Straßen, so wie Städten hielten wir uns ohnehin fern, da weder Lissy, noch Elth etwas zum Anziehen dabei hatten. Zwischendurch holte ich zwar Selena und mir etwas zum Essen, doch das war bloß ein kleines Dorf, von dessen Existenz ich ohnehin nichts wusste. Die drei Menschwesen fingen sich ihre Beute irgendwo in den Wäldern und waren damit ebenfalls versorgt.
„Langsam kann ich das Meer riechen.“ Bemerkte Lissy in ihrer Zwischengestalt und seufzte freudig. Schon als Kind hat sie mir davon erzählt, irgendwann einmal mit ihrer Mutter ans Meer zu fahren. Obwohl seitdem hundertdreißig Jahre vergangen sind, hat sie es offenbar immer noch nicht getan.
„Wir sind auf der westlichen Seite von Portland. Bald sind wir am Meer.“ Ich schwebte auf einem Stein, knapp über dem Boden, während Lissy in einem gemütlichen Trab lief.
„Deine Fee nervt mich langsam.“ Fauchte der schmale Gepard, auf zwei Beinen.
„Aber dafür denke ich, dass ich weiß, wohin sie flieht.“
Fragend blickte sie mich an, doch musste bald den Blick abwenden, um nicht irgendwo dagegen zu laufen. „Das konntest du nicht früher erwähnen?“
Ich lachte. „Entschuldige, die Idee kam mir bloß gerade eben, als du das Meer erwähnt hast.
„Denkst du, sie will zum Henry?“ Ich nickte bestätigend auf Selenas Frage. „Etwas kitschig, aber ja.“
Lissy knurrte verstimmt, daher ließ ich Selena etwas hinter uns schweben, damit meine Gepardin sie nicht unbedingt im Blickfeld hatte. Ich hatte zwar unsere zehn Minuten im Gebüsch wirklich sehr genossen, aber meine Hüfte hatte danach stundenlang weh getan. So schnell wollte ich keine Wiederholung einer solchen Demonstration, wem ich, ihrer Meinung nach, gehöre.
„Wir sind südlich vom Henry Egg See, wenn ich mich jetzt nicht täusche.“
Ich nickte. „Ja, etwa einen Kilometer nördlich von hier ist Cherry Grove. Das heißt, wenn wir uns nach norden wenden, müssten wir fast schon die alte Blockhütte erreichen.“
„Nein, die ist auf der anderen Seite, am Nordufer.“ Zustimmend nickte ich.
Lissy knurrte wütend. „Wovon sprecht ihr?“
Auch Dell verlangsamte ihr Tempo, um näher an unserem Gespräch zu sein und ihre, nun reinrassige, Raubkatze folgte ihr artig. „Habt ihr eine Ahnung, wo sie sein könnte?“
Selena übernahm das Sprechen. „Nördlich von hier ist ein See. Dort haben sich meine Eltern kennen und lieben gelernt.“
„Und Selena wurde auch dort geboren.“ Grinste ich über diese Erinnerung. Noch nie hatte ich einen Menschen so wütend erlebt, wie damals. Die namenlose Fee und ihr Gefährte hatten eine ganze Woche durchgehend gestritten und meine Eltern damit beinahe in den Wahnsinn getrieben. Erst als Selena gesund auf der Welt war, haben sie sich beruhigt und alles war wie immer zwischen ihnen.
„Dann denkst du, sie könnte dort sein?“ Fragte Dell.
„Ihr Geruch ist überall, ich kann nicht sagen, wo er anfängt und wo aufhört. Wir könnten noch ein paar Stunden hier herumirren um den richtigen Weg zu finden, oder die erwähnte Hütte aufsuchen.“
Einstimmig stimmten wir für die Hütte. Da keiner, außer Selena und ich wussten, wie diese aussah, brachte es sich nichts, einen Reisezauber zu benutzen. Sie mussten laufen, während ich die Steine von Selena und mir beschleunigte.
„Ted, wir sollten einen Reisezauber verwenden, dann sind wir sofort dort.“ Murrte Selena sichtlich verärgert.
„Nein, wir gehen zusammen, wer weiß, was jemanden antut, der einfach plötzlich vor ihr erscheint.“
„Nein! Die drei haben überhaupt nichts mit meiner Mutter zu tun. Wir sollten das alleine regeln. Ein für alle mal.“
Wütend starrte ich sie an. „Ich gehe nirgendwo, ohne Lissy hin.“ Beharrte ich stur.
Kopfschüttelnd wandte sich Selena von mir ab. „Narr. Sie wird sie töten, so wie jeden, dessen Gesicht sie nicht kennt!“
Ich horchte nun doch auf. Selena hatte recht... Wenn wir einen Reisezauber benutzen, sind wir viel schneller und mussten nicht erst um den See herumlaufen. Wenn plötzlich zwei Geparden und ein geflügelter Mensch durch das Wasser schwammen, während zwei weitere darüber schwebten, könnten wir doch dem einen, oder anderen Menschen auffallen. Ich hasste es das zugeben zu müssen. Aber Selena hatte recht. „Selena?“
Sie sah sich wieder zu mir um. Ich nickte ihr stumm zu, woraufhin sie einen meiner Reisesteine aus ihrem Schuh zog. Unbemerkt hielt ich die Steine auf.
Die Raubtiere liefen noch etwas weiter, bevor sie merkten, dass wir fehlten. Selena verschwand in braunen Rauch, doch ich wandte mich noch einmal zu Lissy. „Es tut mir leid, aber wenn ich will, dass du meine Frau wirst, muss ich sichergehen, dass du diese Verrückte überlebst.“ Damit verschwand ich im Erdboden und ließ eine sprachlose Lissy zurück.
Die Reise unter der Erde, dauerte kaum drei Sekunden und ich stand bereits wieder auf einem Grund, den die Fee sich vor Jahrzehnten gekauft hat.
„Selena?“ Fragte ich etwas lauter. Weder in Richtung des Waldes, noch des alten, bereits etwas schief stehenden Hauses, sah ich jemanden. Ein Sturm musste die Fenster eingeschlagen haben, denn kein einziges war mehr intakt. Auch der ehemalige Weg, war vollkommen verwildert und alle Außenmöbel, sogar der steinerne Grill fehlten. Entweder hatte man sie eingesackt nach all den Jahren, oder bereits verschrottet, bei deren Alter.
„Selena?“ Rief ich abermals, etwas lauter. Wieder kam keine Antwort, also eilte ich in das alte Gebäude hinein. Vielleicht befand sie sich ja bereits darin? Die ehemalig weiße Türe, bereits eingetreten, lag auf dem Boden und ich balancierte darüber. Als ich auf den knarrenden Boden stieg, trat ich direkt in eine Pfütze und rutschte dabei, beinahe aus. Fluchend stieg ich darüber und bahnte mir einen Weg durch einige, bereits verdorrte, Schlingpflanzen. „Selena?“ Flüsterte ich etwas Lauter und duckte mich unter einem herabgestürzten Türstock hindurch.
„Siehst du? Alles ist wie früher, Liebling. Sie ist wieder hier.“
Ich bemerkte, dass die Stimme, so verrückt sie auch klang, aus einem Zimmer, hinter mir kam, daher drehte ich um.
Ohne noch einmal nach Selena zu rufen, bog ich in einen Flur ein, welcher direkt in die Küche führte. „Jetzt ist sie wieder in mir. So wie Früher. Komm schon. Bitte, sei nicht mehr beleidigt, ich bringe sie auch in einer Klinik zur Welt, so wie du es wolltest.“
Was? Klinik? Was wollte sie denn in einer Klinik?“
Vorsichtig spähte ich durch den Türspalt, denn dies war die Einzige, welche nicht weit offen stand und entdeckte die alte Fee, vollkommen verdreckt, in einer grauen, oder braunen Pfütze sitzen. Vor ihr, auf dem Boden, lag ihr Mann, doch seine Atmung war vollkommen flach. Fast schon zu flach. Es war wohl doch schlimmer, als ich gedacht habe. Er hatte höchstens noch ein paar Stunden zu leben. Dieser Gedanke zerquetschte mir beinahe das Herz.
„Bitte Henry. Sprich wieder mit mir.“ Grob rüttelte die alte Fee ihren Mann. Ihre ehemalig schwarzen, strähnigen Haare, wirkten nun mehr grau und hatten sich zu einem einzigen, matschigen Strang verwirrt. Diesen Knopf konnte man vermutlich nie wieder retten. „Sieh mich zumindest an. Bitte, Liebling.“
Natürlich reagierte ihr Mann nicht. Wie könnte er denn auch? Sein Leben war überzogen, schon seit Jahrzehnten. Über ein Jahrhundert kümmerte ich mich um diese beiden verlorenen Seelen, in dem Wissen dass ich es irgendwann beenden musste, doch wie? Wie brachte man einer Verrückten, trauernden Übersinnlichen bei, dass ihr geliebter und verehrter Mann nie wieder die Augen öffnen würde? Nie wieder ein Wort mit ihr wechseln, oder sie zumindest ein letztes Mal anlächelt?
„Schau, unsere kleine Seli ist wieder in mir. Siehst du?“
Nackt hockte sie vor ihrem Mann und deutete auf ihren Bauch. Er war nicht geschwollen, höchstens etwas gebläht und dreckverschmiert. Immer noch fragte ich mich, wie sie es so weit, mit ihrem fast leblosen Ehemann geschafft hat? Ich wusste nicht, welche Gabe sie besaß, doch musste es eine recht Starke sein.
Aber jetzt blieb noch immer die Frage offen: Wo ist Selena?
Ich wandte mich ab und spähte in den Gang zurück. Ist Selena etwa abgehauen? Wollte sie es doch nicht zu ende bringen und... Ich erstarrte. Erst jetzt, erkannte ich, dass die Pfütze, welche sich direkt im Eingang befand, überhaupt kein angespülter Schlamm war, sondern eine rötliche Farbe besaß. Mein Schuh war voll damit und ich hatte eine schlammige Blutspur hinterlassen. Natürlich endete sie direkt unter meinem Stiefel und ich unterdrückte ein Würgen. Bitte sagt mir, dass dieses Blut von irgendwelchen Wildtieren ist!
Obwohl... sie sagte doch, >Seli sei wieder in ihr< und sie wolle sie >in der Klinik zur Welt bringen<. Erschrocken drehte ich mich zurück zur halb geschlossenen Türe und starrte einem leichenblassen Gesicht entgegen. Wütend funkelte mich die alte, gebrechliche Fee, mit ihren tiefgrauen Augen an, frei von all ihren Sinnen. Erschrocken schrie ich auf. „Was suchst du hier! Das ist mein Haus!“ Wütend schlug sie nach mir, doch ich stolperte einen Schritt zurück.
„Stopp! Hör auf, Tante Amilia!“
Sofort erstarrte sie und legte ihren Kopf, ruckartig schräg. „B...Bist du das? Kleiner Teraz?“
Ich legte meinen Mantel ab, um mich ihr vollkommen zu zeigen. „Ja, ich bin es, Tante Amilia.“ Bestätigte ich eilig.
„Du siehst nicht aus wie mein Kleiner Terri. Oder... oder... oder doch?“ Ihr Kopf ruckte zur anderen Seite und sie streckte ihre blutige Hand nach meinem Gesicht aus. Ich vermied es angestrengt, zurückzuweichen, wartete darauf, dass sie tat, was sie vorhatte, doch zu meiner Überraschung, streichelte sie liebevoll meine Wange. „Diese Augen. Teraz?“
Scheinbar erkannte sie mich doch noch. „J...Ja. Ich bin her gekommen, für dich Tantchen. Wo... Wo ist Selena?“
Sie deutete auf ihren Bauch. „Hier natürlich, du Dummerchen. Du weißt doch, woher die Babys kommen.“ Lachte sie und enthüllte faulige, schwarze Zähne. Jetzt, da ich sie endlich genauer ansehen konnte, bemerkte ich auch, dass der Dreck, in dem sie gehüllt war, gar kein Dreck sein konnte, zumindest nicht alles davon. Es ist Schlamm und frisches Blut, in dem sie sich scheinbar gewälzt haben musste.
„Seli? Bist du dir sicher, Tante Amilia? War eben nicht eine Frau hier? Eine die vielleicht unserer Seli ähnlichsah?“
Sie schüttelte wie ein bockiges kleines Kind ihren Kopf und stampfte zu allem Überfluss auf. „Nein! Sie ist in meinem Bauch! Sie ist in meinem Bauch! Sie ist in meinem Bauch!“ Frustriert schlug sie sich auf diesen, während sie den Satz immer wieder wiederholte. Sofort griff ich nach ihren Händen, um sie vor gröberen Verletzungen zu schützen. „Schon gut, schon gut. Ich weiß, Selena ist in deinem Bauch. Dort ist sie auch sicher behütet.“ Plötzlich lächelte sie wieder, ein völlig bizarres Lächeln und streichelte ihren Bauch.
„Ja, da ist sie sicher. Bestimmt wird sie einmal so hübsch wie ich.“ Sanft streichelte ich über das matschige Haar.
„Natürlich wird sie das. Und die Augen ihres...“
„...ihres Vaters.“ Lachte sie mit mir und ließ sich in den Raum zurückführen, in dem Henry, ihr Mann auf dem Boden lag und >schlief<.
Sie ließ sich von mir auf einen heilen Stuhl setzen, während ich zu ihrem Mann ging und seinen Puls fühlte. „Ist er immer noch böse auf mich?“ Fragte Amilia traurig.
„Was? Nein, nein. Er ist bloß müde. Ihr wart doch so lange unterwegs.“ Log ich eilig. Seine Lebensenergie, welche generell bereits strapaziert wurde, pochte wesentlich weniger, als ein leichter Windhauch.
„Waren wir denn so lange unterwegs?“ Fragte die Fee und streichelte liebevoll ihren herausgestreckten Bauch.
„Ja, ihr wart sehr lange unterwegs, Tante Amilia. Wie seid ihr überhaupt hier her gekommen?“
Nachdenklich hielt sie inne und wirkte plötzlich wütend. „Natürlich mit meiner Gabe. Ich komme immer dorthin, wo ich will und alle kommen dorthin, wo ich es will.“
Beschwichtigend hob ich die Arme. „Schon gut. Deine Gabe. Natürlich, wie denn sonst.“
Nun lächelte sie wieder zufrieden. „Ich wollte unser Baby hier bekommen.“
„Da wo ihr euch kennen gelernt habt, ich weiß, Tantchen. Ich bin bei euch.“ Wie Früher. „Kommen deine Eltern denn auch noch? Sie haben es versprochen.“
Ich nickte schnell. „Natürlich. Sie... verspäten sich bloß etwas. Du weißt ja... die Menschen.“
Sie lachte abartig, als würde sie ersticken, und sprang plötzlich auf. „Wieso bin ich denn so dreckig? Und wie sieht es hier aus? Alles ist so dreckig, das muss ich putzen. Alles ist so dreckig, so kann das nicht bleiben, wenn unsere kleine Seli kommt.“
Ich sah der Fee für einen Moment zu, wie sie durch das Zimmer lief und Blätter aufsammelte. Zudem zupfte sie aus den Ecken, etwas Gras und trat Splitter zur Seite. „Tan...Tante, lass das doch. Das macht dein Mann, wenn er aufwacht.“
Sie winkte zischend ab. „Dieser faule Mann, macht doch überhaupt nichts. Es ist an einer Frau, für den Haushalt zu sorgen. Wir müssen uns immer um alle Kümmern. Den Haushalt. Die Kinder. Den Haushalt und die Kinder. Der Haushalt und die Kinder. Immer alles. Der Haushalt und die Kinder. Wir tun das immer. Immer, weißt du.“
Nervös tigerte sie durch den Raum, während ich mühsam versuchte, mich zurückzuhalten. Ich wusste wirklich nicht, was ich tun sollte. Sie ist verrückt, ja. Vermutlich hat sie sogar Selena gefressen, wer konnte das schon sagen, bei all dem Dreck und Blut? Jetzt wünschte ich mir wirklich Lissy her. Sie könnte >es< tun. Sie könnte es einfach beenden, dass was ich nicht konnte.
Schniefend hielt ich Tränen zurück und wischte eine einzelne, lose an meinem Ärmel ab. „Wieso weinst du denn schon wieder, Teraz? Du bist doch ein großer Junge, mein Kleiner.“
Gott! Das war so schwer. Wieso nur? Wieso habe ich mich von Selena überreden lassen? Elth und Lissy... sie wüssten, was zu tun ist, sie würden es auch tun. Aber, ich? „Mist, verdammter.“ Ich sank zu Boden versteckte mein Gesicht. Das durfte einfach nicht wahr sein. Für was hatte ich mir ein Jahrhundert den Hintern aufgerissen? Mich verbannen lassen und mich versteckt?
Das alles hatte ich ja niemals gewollt! Nie! Und jetzt saß ich hier, auf dem Boden und den Tränen nahe... Wie ein jämmerlicher Waschlappen.
„Terri? Was ist denn mit meinem Terri?“ Mit einem beruhigenden >Sch< streichelte sie meinen Kopf, genauso wie sie es früher getan hatte und schien mich trösten zu wollen.
Nein, Selena konnte noch nicht tot sein. Sie ist doch... Sie konnte keine zehn Sekunden vor mir abgereist sein. „Bitte... Tante, sag mir... Selena? Hast du sie gesehen?“
Bettelnd blickte ich auf, in die völlig irren Augen, der Fee, die mir so viel, wie eine Tante bedeutet hatte. „Natürlich, sie ist immer bei mir! Hier.“ Sie nahm meine Hand und legte sie sich auf ihren Bauch.
„Oh, Gott...“ Fluchte ich und rutschte von ihr weg. Sie hatte... hat sie es wirklich getan? Selena einfach gegessen? Ihre eigene Tochter, bloß um sie wieder bei sich zu haben? Nein! Ich muss mich täuschen. Das... durfte einfach nicht passiert sein! Ängstlich stieß ich gegen die Wand hinter mir, während mir meine Tante mit einem irren Ausdruck in den Augen folgte.

22. Das Machtwort der Königin

Dell:


Denis kam nicht mehr aus seinem Zimmer. Stattdessen kam Nadja und entschuldigte sich für ihren Bruder. „Er fühlt sich schon seit Tagen etwas krank. Du weißt schon... Schnupfen und so...“ Log sie und das wusste ich sofort.
„Wieso lügst du mich an?“ Ich fühlte mich geradezu verletzt, dass sie es überhaupt probierte.
Unsicher was sie darauf erwidern sollte, sah sie zwischen Elth und mir hin und her. „Sie will bloß ihren Bruder vor einer peinlichen Situation retten.“ Mahnte mich Elth, woraufhin ich mich wie ein Idiot fühlte.
„Stimmt es denn? Das Denis... schon die ganze Zeit...“ Ich konnte es nicht einmal aussprechen, so dämlich klang das Ganze.
„A...Also, weißt du... Das ist nicht so leicht zu beantworten.“
Doch das war einfach. Entweder >Ja< oder eben >Nein<. Aber wie heißt es so schön? Keine Antwort ist auch eine? „Es... tut mir leid, Nadja. Das wusste ich nicht.“ Gab ich ehrlich zu.
Sie nickte verstehend. „Er wollte auch nicht, dass du es erfährst. Um ehrlich zu sein... er hatte große Angst davor.“
Fragend legte ich den Kopf schräg. „Wovor denn?“
Nadja setzte sich zu uns an den Tisch und rutschte an meine Seite. „Als du noch ein Mensch gewesen bist... also dachtest, du seist einer, hast du an Engel geglaubt?“
Ich schüttelte den Kopf. Nachdem was mir alles passiert ist, dem ganzen Tod, der Angst... nein, ich konnte nicht an das Göttliche in dieser Welt denken. „Nicht nach alldem was ich gesehen habe. Nicht nach der Sache mit den vielen Adoptionen, dem Verstoßen werden und immer wieder für Sachen beschuldigt zu werden, die ich nie getan habe.“ Dabei blickte ich zu Elth, welcher entschuldigend lächelte. Das würde ich ihm ewig vorhalten!
„Aber deshalb...“ ich deutete auf ihren Rücken, wo sie immer noch ihre Flügel, für uns sichtbar trug. „...hätte ich euch niemals im Stich gelassen, oder euch verachtet, oder was auch immer. Ihr seid meine Freunde, ich liebe dich und... Denis auch... als Freund!“ Fügte ich an, als Elth wieder einmal zu Knurren begann.
„Fasst er dich noch ein einziges Mal an, reiße ich ihm die Flügel ab!“
Dafür kassierte er einen harten Schlag, der ihm auch wirklich weh tat, doch er schnaubte. „Wagst du es, ihn anzufassen, kannst du dir sicher sein, dass du dir... du weißt schon die Sache, die ich versprochen habe, an den Hut stecken kannst.“ Jetzt war er beleidigt und schnaubte, während er sich von mir abwandte.
„Will ich das mit >der Sache< wissen?“ Fragte Nadja. Ich schüttele den Kopf. „Das heißt, dann wohl auch, dass du niemals schwanger gewesen bist?“
Sie schüttelte nun ihren Kopf. „Nein, natürlich nicht. Es war eher ein Test, ob du vertrauenswürdig bist. Etwas später hätte ich noch einen Streit provoziert, um zu testen, ob du irgendwelche Gerüchte über uns in die Welt setzen würdest, aber... dann warst du schon weg.“
Mich testen? Okay, das tat nun doch ein wenig weh! „Ihr wolltet mein Vertrauen >testen<? Wieso das denn? Habe ich... Habe ich euch jemals irgendeinen Grund gegeben, mir nicht zu vertrauen? Die ganzen Monate...“
Beschwichtigend legte Nadja ihre Hände auf meine. „Nein, Süße! Das hast du natürlich nicht, aber wir hatten in den letzten Jahren so viele falsche Freunde, dass... wir wollten einfach sicher sein... du weißt ja, es braucht nur ein Foto, oder ein Video und alles geht den Bach hinunter. Wir wären enttarnt worden, wieder in... dieses Labor...“ Ein kalter Schauder kroch ihr über den Körper. Oh, ja ich wusste, was sie mit Videos und Fotos meinte. Offenbar hatten sich die Gerüchte in ihrem Staat noch nicht sonderlich gefestigt, doch auch wir hatten nun ein Problem mit den Menschen.
All die Bemühungen... all diese Jahre und Gerüchte... Es benötigte wohl bloß eine geisteskranke Fee, um all die Vorkehrungen von Jahrhunderten über den Haufen zu werfen.
„Es tut mir ja so leid, Nadja. Du hast recht, ich... bin einfach blindwütig hier her gekommen, wollte egoistisch von euch verlangen, >das hier<... ich deutete auf meine Flügel, „zu verschweigen und euch in meine Welt mit einbeziehen, einfach weil ich euch so sehr vermisse. Dabei habe ich keine einzige Sekunde daran gedacht, wie gefährlich es für euch Menschen doch unter Menschwesen sein kann.“
„Nur, dass wir keine Menschen sind, Dell.“
Ich lachte zustimmend. Nein, das waren sie beide, bei weitem nicht. „Halbengel?“ Staunte ich. „Ich kann es immer noch nicht glauben!“ Meine beste Freundin, so wie mein Mentor von derselben Rasse?
„Und du? Ein Drache? Oder was bist du noch einmal?“
„Menschwesen.“ Korrigierte ich sie. „Wir können drei Formen annehmen, so wie es Elth vorhin vorgeführt hat.“
Sie nickte verstehend. „Und Halbengel? Was... Was weißt du über uns? Gibt es viele?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Es gibt wohl kaum eine verschwiegene Art, aber ich verspreche dir, dass ich dir helfen werde. Ich werde euch beiden helfen, herauszufinden wer ihr seid und was mit eurem Vater los war.“
„Dell, wir haben auch noch andere Sorgen und Engel können da recht nützlich sein.“ Ermahnte mich Elth, wobei er recht hatte. „Welche Sorgen denn?“ Fragte Nadja sofort neugierig nach. „Du bist doch nicht schwanger und willst, dein Kind Taufen lasse? So heilig bin ich dann doch wieder nicht.“
Unter anderen Umständen hätte ich bestimmt gelacht, doch nicht dieses Mal. Ein Kind war so ziemlich das Letzte, um was ich mir nun Sorgen machen musste.
„Nein, keine Sorge. Kein nerviger kleiner Elth.“ Mein Mann erwiderte liebevoll meinen Blick. „Aber... wir haben ein paar Probleme mit den Menschen.“ Nicht nur mit ihnen, aber es reichte schon als Problem. „Einige haben uns gefilmt... vor zwei Wochen. Einige Videos und Bilder sind im Netz unterwegs, sie zeigen, wie wir gegen jemanden kämpfen und... nun, ja die Fanatiker sind bereits hinter uns her.“
Nadjas Augen wurden riesig. „Wie bitte? Du meinst, es ist draußen? Über alle, oder bloß über euch? Oder auch... Oh mein Gott!“ Sie sackte in sich zusammen. „Wir kommen kaum mit, so schnell verbreiten sich Gerüchte. Viele heizen alte Themen auf und die Kirchen sprechen von den Teufeln unter ihnen.“ Das war alles recht... unübersichtlich.
„Jeder gibt seine ungefragt Meinungen dazu ab, viele ziehen die Videos zwar in den Schmutz und sagen, dass sie Fälschungen sind, aber es gibt genauso viele, die sich wünschen, es ist wahr.“ Erklärte Elth ebenso besorgt.
„Alle Clans, Königreiche und Gruppierungen versuchen so viel zu kitten, wie geht, aber die Fee... sie hat sehr viel Schaden angerichtet und die Menschen werden langsam wachsamer als jemals zuvor. Wir...“
„Wir glauben, dass wir uns nun outen müssen, bevor das Fass überläuft und sich die Menschen noch schlimmeres zusammenreimen, als es eigentlich ist.“ Endete Elth für mich und nahm mich beruhigend in den Arm.
„Outen? Ist das euer ernst? Ich meine... es ist nicht so, als würden wir plötzlich alle in die Welt hinaus schreien, wir sind Satanisten, homosexuell, oder Verschwörungstheoretiker. Leute! Wir gehören alle einer anderen Spezies an, eine die schon immer da war und neben den Menschen, fast ungesehen, gelebt hat! Was denkt ihr wohl, wie Scheiße das für alle von uns ausgehen wird?“
„Sie werden sich betrogen und hintergangen, ausspioniert fühlen.“ Stimmte Elth zu.
„Aber wir haben keine Wahl mehr. Den Vampiren ist es ohnehin egal, ob die Menschen von ihnen wissen, oder nicht, sie sind unsterblich. Die Feen überlegen, ob sie nicht auswandern, die Gargoyles genießen natürlich die anstehenden Aufstände und die Werwesen ziehen sich in die Tiefen der Wälder zurück, doch sonderlich viel Zeit bleibt ihnen auch nicht mehr. Das... Es ist einfach vorbei und keiner will es einsehen.“
Nadja tätschelte meine Hand. „Schon gut, es ist nicht deine Schuld.“ Natürlich fühlte ich mich schuldig, immerhin haben wir nichts getan, um es zu verhindern. Wir sind... wie Angsthasen einfach abgehauen. „Aber was ist mit dir? Was wirst du jetzt tun?“
Nachdenklich legte ich meinen Kopf schräg. Bisher hatte meine Familie und ich uns in Gaels Wäldern zurückgezogen. Mit Teraz Hilfe hatten wir ein steinernes Haus gebaut, dass von Tag zu Tag größer wird, auch dicke Wände umgeben die Grenze zwischen dem Wald und Gael Ruinen.
Trotzdem fehlten noch so grundlegende Dinge, wie richtige Betten, warmes, laufendes Wasser und andere Bequemlichkeiten. Bisher lebten Lissy, Lissys Mutter, ihre Kinder, Teraz, Elth und ich darin. Wir Jäger, fingen das Wild in den Wäldern, wodurch immer ausreichend Essen ist und Teraz sorgte für Gemüsepflanzen und Kräuter. Von dem her waren wir reichlich versorgt. Aber das alles machte uns auch angreifbar.
„Ich sollte dir wohl erst einmal die ganze Geschichte erzählen. Alles, was bisher geschehen ist.“ Entschied ich, holte mir das >Okay< von Elth und begann natürlich mit meiner Entführung.

Stunden später, saß ich nackt auf dem Dach unseres Steinhauses. Elth kletterte zu mir hoch, küsste meinen blanken Rücken und atmete dabei tief meinen Duft ein. Selig schnurrte er und rollte sich als Gepard hinter mir zusammen. Gedankenverloren streichelte ich durch sein etwas raues Fell und lehnte mich zum Teil an ihn. „Sie sind zu jung, Elth. Sie können uns nicht helfen.“
Elth war auf die glorreiche Idee gekommen, da Engel erfahrene und unsterbliche Krieger sind, Denis und Nadja zu uns zu holen. Ich war jedoch strickt dagegen. Soweit ich wusste, was Nadja mir heute erzählt hatte, sind sie kaum älter als zweihundert Jahre und wussten bis gestern überhaupt nichts von an deren Engeln, oder gar anderen Wesen, wie Lissy, oder Teraz.
Ich fühlte wie Elth seine Energie veränderte und sich in seiner Zwischengestalt aufsetzte. „Ich weiß, aber sie sind unsterblich und du nicht. Sie lieben dich beide, sehr... auch wenn es mir nicht gefällt.“
Ich grinste einen Moment. „Dir gefällt bloß nicht die Art, wie Denis mich liebt.“
Dem setzte er nichts entgegen, doch grummelte an meinem Nacken, bevor er sanft hinein biss. „Aber du hast recht. Wir können Hilfe brauchen.“
„Du könntest die anderen Menschwesen zusammen trommeln, jeder von ihnen würde dich nun mit seinem Leben beschützen, besonders wenn du das selbe mit ihnen machst, was du mit mir gemacht hast.“
„Du meinst das gerade eben?“ Jetzt kassierte ich einen, wohl verdienten, stärkeren Biss.
„Das würde deren Gesundheit nicht behagen.“ Fauchte er wütend.
„Aber deiner ebenso wenig.“ Kichernd wandte ich mich um und küsste mein überempfindliches Baby. Er drehte sich beleidigt weg. „Jetzt sei doch nicht beleidigt, Schatz! Du weißt, ich greife keinen Mann auf der Erde, so an, wie dich.“ Schwor ich hoch und heilig.
„Das könntest du auch überhaupt nicht.“ Murrte er und richtete seinen Blick doch wieder auf mich.
„Auch wahr.“ Er hob mich über seinen Fuß hinweg, sodass ich nun zwischen seinen Beinen saß. „Dafür habe ich viel zu viel, mit dir zu tun.“ Meine Hand wanderte über seinen schmalen, kräftigen Körper und ich atmete tief meinen Lieblingsduft ein.
„Werd ja nicht frech, sonst muss landen noch mehr Sachen auf meiner >Nicht-Liste<.“
Grummelnd schmiegte ich mich an Elths Brust und schlang meine Arme um seine Taille. „Keine Flugversuche vom Dach, nicht zu laut schreien, wenn wir es tun, keine anderen Männer anfassen...“ Ich seufzte theatralisch. „Du bist ein wirklich Kontrollsüchtiger Mann.“
Bebend lachte Elth. „Eigentlich dachte ich, das wäre dir bereits vor Monaten aufgefallen, als ich dich auf dem Teppich fixiert habe.“
Heute hatte ich eine ganz andere Sichtweise auf diese, damals furchtbare Situation. „Eigentlich keine allzu schlechte Idee. Wenn wir endlich ein sicheres Haus für uns alle gebaut haben, dann brauchen wir wirklich gute Fesseln!“
Überraschend wurde ich auf den Boden gedrückt und Elth ragte über mir auf. „Pass auf damit, was du dir wünscht.“ Begierig drückte er seine Lippen auf meine und schob meine Beine gekonnt auseinander, wobei ich sie für Elth immer gerne spreizte. Jedoch blieb der erwartete erste Stoß aus und auch sein Gesicht verschwand von meinem. „Aber der Gedanke, dich gefesselt am Boden und auch noch nackt zuhause vorzufinden... das hat schon seinen Reiz.“ Sein Blick wanderte tiefer, bis zu meiner Narbe über meinem Becken. Elth ließ mich los und senkte seine Lippen auf diesen Punkt.
„Die wird wohl auch niemals verschwinden, oder?“ Er schüttelte den Kopf, wobei seine Zunge ein kleines zackiges Muster darüber malte. „Gut, denn das will ich überhaupt nicht.“
Unglaublich, dass ich vor einigen Monaten noch Elth für ein Monster gehalten hatte. Nun, ja wie er mich behandelt hat, war nicht gerade die Art eines Gentleman und dann auch noch dieser gemeine Biss, in meinem damaligen Zimmer, als er auch noch seine Nase in Angelegenheiten meines Tagebuchs hatte stecken müssen, die ihn nichts angingen! Aber um fair zu bleiben, Elth hatte es auf mehr als eine Weise zurückgezahlt. Wie könnte ich denn auch meinen Gefährten hassen? Undenkbar!
Unerwartet sank Elths Zunge zwischen meine Beine, woraufhin ich erschrocken und gleichzeitig erregt aufschrie. Ein donnerndes Knurren folgte meinem Schrei, als Elth plötzlich ganz endete. „Du kannst doch nicht anfangen und dann wieder aufhören!“ Und auch noch, bevor der beste Teil gekommen ist!
Elth stand auf und trat einen Schritt von mir zurück. „Ich habe eine Idee.“
Genervt stöhnte ich. „Wenn es nichts mit dir und mir, hier auf dem Dach zu tun hat, dann interessiert es mich die nächsten Minuten nicht.“ Ich kroch ihm hinterher und angelte nach seinem erregten Glied, doch mein Mann wich einfach aus. „Ehrlich gesagt, geht es dabei mehr um dich.“
Ich grinste zufrieden. „Netter Gedanke, aber du weißt, ich mag es nicht, wenn bloß einer von uns beiden etwas davon hatte.“ Wieder griff ich nach Elths besten Stück, er wich wieder zurück. „Elth!“
„Ich spreche von den anderen Menschwesen, ich weiß, wie wir sie alle hierher bekommen.“
„Aber ich stehe kein bisschen auf Orgien, jetzt komm endlich her.“ Schon wieder wich Elth mir aus! Was sollte denn das? Sonst ist er kein bisschen zimperlich und würde es sogar mit mir in der Küche tun, wenn dort nicht ständig Lissys Kinder wären.
„Dell! Jetzt hör mir endlich zu. Ich spreche davon, dass du sie zu dir rufen kannst, wie Wölfe ihr Rudel versammeln und Tiere ihre Nachrichten weitergeben.“
Jetzt knurrte ich aufrichtig verärgert und fuhr meine Krallen aus. „Jetzt werde ich hier gleich zum Kontrollfreak! Wenn du nicht sofort zu mir kommst, verschwinde ich und gehe jagen!“
Seufzend gab Elth auf und streckte mir seine Hand hin. Ich ergriff sie und ließ mich auf die Beine ziehen. Sofort presste ich meine Lippen auf die von Elth, woraufhin das beste Stück, was ich gerade eben noch versucht hatte zu erwischen, ganz von selbst gegen meinen Bauch stieß. Sofort schloss ich meine Hand um ihn und massierte ihn, wie er es liebte. „Komm schon, Baby. Schrei nur ein bisschen für mich.“ Bettelte Elth an meinem Hals, wo er zärtlich knabberte und kniff mit beiden Händen in meinen Hintern. „Dafür musst du schon ein bisschen mehr tun, außer lieb darum zu bitten.“ Tadelte ich Elth. Langsam kam ich mir dumm vor, denn wir hatten aus irgendeinem Grund die Plätze getauscht. Ich wusste ja, dass Elth mir etwas Wichtiges sagen wollte, doch derzeit regiert bloß meine Sucht nach seinem Körper in meinen Sinnen.
Er kniff zärtlich in mein Schlüsselbein. „Dann heb kurz dein Bein für mich.“
Ich verstand nicht, was genau er meinte, doch tat es. Plötzlich ging Elth vor mir auf die Knie und legte mein angehobenes Bein auf seine Schulter. „Und donnere deinen Ruf nach draußen, Schatz.“ Unerwartet stürmisch schob Elth seinen Finger in mich, während seine Zunge viel zu intensiv zwischen meinen Lippen leckte.
„Schei...heiliger...Verdammt...“ Fluchte ich vor mich hin und brachte nicht einmal einen richtigen Satz zusammen. Wild packte ich sein etwas gekürztes Haar und versuchte sein Gesicht wegzuziehen, doch meine Kräfte spielten einfach nicht weg. Selbst meine Motorik versagte langsam und bloß noch Elth hielt mich aufrecht. „Aufhören! Kann nicht...“ Ich versuchte, ihm zu sagen, dass das was er tat, viel zu intensiv war, doch gleichzeitig hatte ich kein Bedürfnis dazu, dass er aufhörte. Von mir aus, konnte er für immer zwischen meinen Beinen leben.
„Schrei Dell, meine Liebste.“ Ich tat, was er wollte, denn eigentlich verbot er mir immer den Mund, damit ich die Kinder nicht weckte, oder Lissy sich, abermals, beschwerte, ihr eigenes aktives Leben mit Teraz nicht ausleben zu können, wenn wir >hier drüben< so laut waren. Dabei ist das alleine Elths Schuld! Er fühlte sich eben verboten gut an. „Lauter Baby. Schrei der Welt entgegen, wo du bist.“ Mein lustvoller Schrei wurde begleitet von einem donnernden Grollen, als Elth einfach aufhörte und mich wieder auf alle beide Beine stellte.
„Was soll das?“ Donnerte es aus meiner Kehle. So hatte er sich noch nie verhalten!
„Sag mir wo, Dell.“ Unverständlich deutete ich auf sein pralles Stück. Ich wusste, wie sehr er es wollte, genauso wie er wusste, was ich wollte.
„Hier.“ Ich packte ihn und zog ihn zwischen meine Beine. Stöhnend hob ich mein Bein abermals, dieses Mal um es, um seine Hüfte zu legen. „Wo, mein Herz? Ich kann dich noch immer nicht hören.“ Elth stützte mich am Hintern und drängte sich an meine hitzige Mitte.
„Hier!“ Unerwartet mischte sich unter mein Geschrei ein verärgertes Brüllen.
„Wohin müssen sie alle, meine Königin?“
„Hier her!“ Doch dieser Befehl, war alles andere als ein menschlicher. Das einzige was man wahrnahm, war ein donnerndes Gebrüll, welches selbst die Bäume um uns herum, kilometerweit erzittern ließ. Alles schien für einen Moment erstarrt zu sein und alleine mein Ruf donnert einmal um die gesamte Weltkugel herum.
Nun hatte ich keinen Zweifel mehr. Das musste wirklich der gesamte Globus gehört haben.

 

- - - - -


Lissy:


Auf der Suche nach halbwegs billigen Möbel, bloß für derweilen, bis die Vampire uns den königlichen Nachlass überwiesen hatten, war es Nacht geworden. Ich wollte noch nicht nach Hause, daher spazierten Teraz und ich gemütlich durch eine kleine Vorstadt, in welcher eben, Hundebesitzer, ihre letzte Runde drehten. „Das sollten wir wirklich öfters machen.“
Diesen Satz hatte ich bereits so oft von ihm gehört, auf die verschiedensten Dinge bezogen, dass ich einfach nicht anders konnte, als ihn zu belächeln. „Was denn?“ Fragte Teraz und zog mich etwas Fester an sich.
„Nichts, ich dachte bloß, du solltest langsam einmal eine Liste anfertigen, was du alles wiederholen möchtest.“
Plötzlich kramte Teraz an seiner hinteren Hosentasche und klappte seine Geldbörse auf. Er ließ mich los, um einen gefalteten Zettel herauszuholen und steckte die Börse zurück in seine Gesäßtasche. „Hier, bitte schön.“
Ungläubig nahm ich die Liste entgegen. Ganz oben stand natürlich >Lissy noch einmal in einer Waldgegend eifersüchtig machen.<
Lachend zog ich ihn für einen Kuss zu mir. „Du bist ja ganz schön besessen.“
Teraz zwinkerte mir zu. „Natürlich bin ich von dir besessen.“ Er küsste mich sofort noch einmal, dieses Mal länger, wobei seine Hand liebevoll über meinen Bauch streichelte.
„Deswegen drehen sich auch die meisten Punkte dieser Liste darum, mit mir zu schlafen?“
„Ich finde bloß, dass wir einige Dinge aufzuholen haben und nicht trödeln sollten. Bald haben wir nicht mehr so viel Zeit, wie bisher.“
Ich seufzte verlegen. „Ja, ja. Ich weiß, ich bin ja selbst Schuld daran. Hätte ich dich nicht im Wald hinter ein Gebüsch gezogen, dann hätten wir niemals dieses...“ Ein ohrenbetäubender Donner erschreckte mich so sehr, dass cih doch glatt in meine Zwischenform sprang.
Knurrend wandte ich mein Gesicht zum Himmel, wo sich ein klarer Himmel befand und stellte fest, dass eine Art Befehl in diesem lang gezogenen Donner lag. „Hier her?“ Fragte ich gegen Himmel und fühlte, wie etwas an meinem inneren Geparden zog. Knurrend fletschte ich die Zähne.
„Was ist, Schatz? Verwandle dich sofort zurück, bevor dich jemand sieht.“
„Hast du sie nicht gehört? Sie ruft uns zu sich.“ Fauchte ich wütend. Wie konnte Teraz in diesem Moment bloß an meine Gestalt denken? Nun, ja... wie könnte ein Mann nicht an meine Gestalt denken, wenn sie in hohen Absetzen und einem kurzen Kleid steckte? Aber diese Weise meinte ich keinesfalls. „Wen meinst du? Wer ruft uns?“
Ich blickte Teraz in die Augen und erkannte, dass er wirklich nicht wusste, wovon ich sprach. „Meine Königin. Sie ruft ihr Volk zu sich.“ Ich hatte keinen Zweifel daran, dass dieser Donner, überall auf der Welt gehört worden war, egal ob es gerade auf natürliche Weise donnerte, oder ob die Sonne prall auf die Erde schien. Dieser Befehl hatte einmal wieder bewiesen, wie sehr Dell uns doch alle überraschen konnte. „Dann sollten wir nach Hause gehen.“ Entschied Teraz. Er schlang seine Arme um mich, hauchte mir einen Kuss in den Nacken und schon verschwanden wir im Erdboden, für unsere Königin!

Glossar

Das Glossar soll für diejenigen sein, welche etwas nicht verstanden oder womöglich vergessen haben. Auch einige Punkte habe ich angeschnitten, die ich eventuell kaum, bis schlecht erwähnt/erklärt habe.

 

 

Kursiv: Rückblick in die Vergangenheit
Unterstrichen:  Perspektive aus der ich schreibe

 

Zwillingsgeborenen: 

Weibliche Zwillinge, welche zumeist von Geburt an, oder zumindest im Kindesalter getrennt werden. Die Zweitgeborene weiß meist ncihts von ihrem Erbe, bis hin zu dem Tag an dem die Erstgeborene stirb.

 

1. Geborene:

- Mensch

  • Sie ist bis zu ihrer Volljährigkeit unfruchtbar und wächst zumeist im Kreise einer Garde von Beschützern auf.
  • Sie darf sich ihren Mann/Männer zumeist selbst aussuchen und besitzt eine Lebensspanne eines einfachen Menschen, wobei sie jedoch beinahe alle eineinhalb bis zwei Jahre ein reinrassiges Kind, nach dem zufallsprinzip gebärt.
  • Alle ihre Kinder werden ausschließlich reinrassig sein und jedes Kind gehört einer anderen Wesenart an. 
2. Geborene:

- Mensch

  • Sie wird zumeist von ihrer älteren Zwillingsschwester getrennt und erfährt nichts von ihrer Herkunft, damit kein Interessenskonflikt entsteht.
  • Sollte die Erste jedoch, aus welchen Gründen auch immer, sterben, so entfalten sich ihre Fähigkeiten.
  • Im Normalfall kann eine Zweitgeborene auf jede Kraft, aus jeglicher Rasse zurückgreifen, wann immer sie es braucht. 
  • In der Nacht ihrers Geburtstages ist der Moment, in dem sie sich blutlich mit einer Rasse verbinden muss und ab da deren Königin ist. Den alten Geschichten entsprechend, muss so etwas durch den Geschlechtsverkehr ausgeführt werden, wo die Prinzessin ihre >Reinheit< verliert, zur Frau wird und damit zur rechtmäßigen Königin.

 

Reinrassige Chars die bisher vorkamen:

Rhage Thorn - Dunkle Fee/Fae
Nanina Tesla - Vampirkönigin <3
Leopold Stradin - Vampir >Vermögensberater, Buchhalter, Geschäftsmann
Samina Rugrez - Vampir >Kanzlerin, Landesherrin, Spionin der Königin
Namenlose  - Fee >Da sie einen Menschen liebte, wurde sie verbannt, Mutter von Selena, einem Mischling, und derzeit außer gefächt, da sie zusammen mit ihrem Gefährten im sterben liegt<

Teraz

- Hexer >Ehemalig: Erd-Hexer/ Derzeit: Schwarzmagier
   

 

 

Freunde und derzeitige Reisegefährten von Edelle Black

 

Nadja - Mensch >Beste Freundin, 17Jahre
Denis - Mensch >Bester Freund, 18Jahre
Gael - Engel/Fee >Verstorben, War für Edelle zuständig, während sie noch in Pflegefamilien aufwuchs, etwas später, nach dem Tod von Coria, blieb sie an seiner Seite und er unterrichtete sie als Mentor und guter Freund, alter Unbekannt
Elth - Menschwandler Gepard/Vamp/Überraschung:P > Gab sich anfänglich als Edelles Adoptivbruder aus, später offenbarte er sich gezwungener Maßen als ihren Wächter, beschützt sie, nervt sie unheimlich, doch trotz allem Edelles zukünftiger Gefährte, 123 Jahre
Lissy

- Menschwesen Gepard/Vamp/inaktive Hexe >Sie ist Elths ältere Schwester, Mutter von drei Kindern und Kindheits>freundin< von Teraz, beschließt an Dells Seite als Wächterin zu bleiben, gute Freundin von Dell, 154 Jahre

Jacob - 13 Jahre Gepard/Fee

Logan - 7 Jahre Gepard/Vamp
Matthew - 4 Jahre Gepard/?

Teraz - Schwarzmagier >Er bleibt an Edelles Seite als Mentor, unterrichtet sie in Magie, Kindheits>freund< von Lissy, erhält die namenlose Fee und ihren Gefährten am Leben, 156Jahre
Selena

- Mensch/Fee >Nicht unbedingt ein Fan von Edelle und ihrer Gruppe, Leseratte, neigt zur Übertreibung, Kampflustig, verliebt in Teraz, abgeneigt so gut wie jedem gegenüber, ca 70 Jahre alt

Em      - Schwarzmagier
Sev - Schwarzmagier

 

 

Kurze Übersicht/Zusammenfassung, der bisher erwähnte (Reinrassigen-)Wesen:

 

Menschwesen:
  • Sie sind eine eigenständige Art, welcher jedoch die Ausrottung droht
  • Leben meist in Familienverbänden, da Kinder ihre Verwandlungen selten beherrschen in den ersten Jahren
  • in den ersten hundert Jahren, sind sie noch recht anfällig auf den so genannten Frühjahrssog, der dafür sorgt, dass sie sich 2 Monate im Jahr vermehrt paaren wollen, Februar & Mai
  • Sie gibt es in verschiedenen Ausführungen: Diverse Großkatzen, Hunde, Hase, Maus, Hirsch bloß männlich, Robben, diverse Raubvögel, Luchs, Fuchs, Hyäne... uvm.
  • Sie beherrschen 3 Verwandlungsphasen:
  1. Wirken sie wie normale Menschen, doch es ist bloß eine dünne Haut die wirkt, als wäre sie über das Fell gespannt und zerfällt zu Staub sobald sie abgestreift wird
  2. Die Kampfform, in der sie halb Mensch, halb Tier sind. Reinrassige besitzen sogar einen Schwanz in dieser Form, Mischlinge nie, Ihr Fell bedeckt den gesammten Körper, sie bewegen sich aufrecht, besitzen Krallen an Zehen und Finger, gelbe Tieraugen, spitze Tierzähne, bei Mischlingen können untypische Fellveränderungen auftreten, während reinrassige exakt ihrem Artverwandten gleichen, Ohren sitzen am Haupt
  3. Vollendete Verwandlung, sie bewegen sich auf allen vieren, gleichen ihrem Tierverwandten eins zu eins, doch sind ein gutes Stück größer, mit der inteligenz eines Menschen
  • Lebenserwartung - 300 Jahre
Werwesen:
  • Sie sind anfällig auf die Mondphasen
  • Sie lassen sich in drei Gruppen einteilen: Alpha, Beta, Verstoßene
  • Sie sind ansteckend, durch einen Biss, doch bloß Alpha besitzen die Macht dazu
  • Leicht reizbar, hassen so gut wie jeden anderen, der kein Werwesen ist
  • Es gibt sie wie Menschwesen in einigen verschiedenen Ausführungen wie: Werbär, Werwolf, Werkojote, Werhai seltener, Werharpye, Wermarder
  • Besitzen 2 Erscheinungsformen:
  1. Die menschliche, nicht von anderen zu unterscheiden
  2. Die Werform, welche sie bloß in Vollmondnächten annehmen können. Starke Alpha können sich, in seltenen Fällen über dieses Gesetz hinwegsetzen
  • Lebenserwartung - 150 Jahre
Engel:
  • Herrkunft unbekannt
  • besitzen keinerlei Gefühle, immitieren sie bloß
  • besitzen Kräfte die man kaum vergleichen kann, unbekanntes Wissen und weiße Flügel am Rücken
  • Mischlinge könn ihr Aussehen vollkommen verbergen und sich als reine Menschen ausgeben
  • wahrlich Unsterblich
Fee:
  • Jede Fee besitzt eine einzigartige magieähnliche Gabe
  • Sie sind Empathisch stark geprägt
  • Kämpfernaturell
  • Unsterblich
Kreischer: ? (kommt noch)
Hexen/Hexer:

Es gibt sie in, mittlerweile, 3 verschiedenen Gliederungen:

  • Elementarhexer: Erde, Wasser, Feuer, Luft - Beherrschen sie da es ein Teil von ihnen ist
  • Druiden: Weites Heilerwissen, mittels ihrer eigenen Magie und Pflanzen
  • Alchemisten: Chemie- so wie Physik-Genies, besitzen weitläufige Gaben, immer ein Fotographisches Gedächtnis, sehr Traditionsverbunden und Dienen im Namen von Göttern
  • Lebenserwartung 120-130 Jahre
Vampir:
  • Gelangweilte und recht faule Wesen
  • Sie mögen keine Veränderungen und ihnen ist so gut wie alles egal
  • Ihre Fortbewegung überschreitet jegliche Vorstellungskraft, doch nur auf geraden Ebenen, Wälder bremsen sie etwas aus und springen ist beinahe unmöglich für sie
  • Lebenserwartung - 1.000 Jahre
 Schwarzmagier/ dunkle Hexer...:

 Ableger der Hexer

Im Grunde sind sie nichts anderes als Hexer, bloß das sie ihre Macht verstärken können und sich nicht mehr den Gesetzen unterwerfen. 

  • Sie besitzen keinen offiziellen Namen mehr oder Herkunft, bloß kurze Rufnamen untereinander
  • Ihnen ist es strikt verboten sich in den Kreisen sämtlicher Wesen zu bewegen. 
  • Auf sie ist zumeist, je nach Grad der >Untaten< ein hohes Kopfgeld ausgesetzt
  • Sie sind zum Tode verurteilt und jeder der einen gesehen/gesprochen hat und ihn nicht direkt danach ausliefert, wird mit einer hohen Geldstrafe, bis hin zu einigen Tagen/Monaten Gefängnis verurteilt vom Hexenrat

 

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 01.04.2016

Alle Rechte vorbehalten

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