Gelangweilt spielte ich mit der Schneide meines Buschmessers und genoss das beruhigende Gefühl der Klinge, als ich sie über den Stein gleiten ließ. Kichernd beobachtete ich, wie die Klinge durch die rapide Reibung immer heißer wurde.
„Mir ist langweilig. Erzähl mir warum du hier unten festsitzt.“ Beklagte ich mich bei dem Mann, dessen Gesicht mit einem Stoffsack bedeckt war während seine Arme und Beine mit Lederriemen an einen Tisch gefesselt waren.
Ein bibbern ging durch seinen Körper und ich verdrehte die Augen. Ich ließ die erhitzte Klinge mit der glatten heißen Seite auf seinen nackten Oberkörper prallen und lachte als er vor schmerzen und Schreck laut aufschrie. „Ich frage nicht gerne zwei mal. Besser du antwortest sofort.“
Er rang wie wild nach Atem und ich hob den Stoff etwas an.
„Danke... Es tut mir Leid. Ich wollte nicht einbrechen... Ich tat das für meine Familie. Sie müssen wissen...“
Weiter ließ ich ihn nicht sprechen, da ließ ich, dieses mal die scharfe Seite meiner langen Klinge, der Länge nach seinen Oberschenkel hinab gleiten und ritzte somit nur oberflächlich seine Haut ein.
Er schrie abermals.
Ich mochte es nicht, wenn man sich meiner Fragen zu lange entzog. Wenn ich nicht die Antworten bekam, die ich wollte, wurde ich ungeduldig und genervt. Wenn ich das wiederum wurde, überlebten diejenigen nicht sonderlich lange.
„Was sagte ich vorhin über das zweimal fragen?“
Ein Schluchzen ertönte und er brach sofort in einen Redeschwall aus. Das gefiel mir nicht. Er hatte schon nach einem einzigen Schnitt losgesprochen. Das tat niemand, der auf eine ernsthafte Mission geschickt wurde, um auch wirklich diese Mission erfolgreich zu beenden.
Gelangweilt stach ich ihm die Klinge in den Hals und enthauptete ihn.
Im selben Moment, in dem der Kopf schön säuberlich in seinem Sack auf dem Boden aufkam, öffnete sich hinter mir die Metalltüre und erhellte den Raum unangenehm.
„Verdammt mach die Türe zu. Es ist viel zu hell draußen.“
Der gepflegt wirkende Mann an der Türe zog nicht sonderlich begeistert über den Anblick, der sich hinter mir bot die Stirn kraus und ließ die Türe ins Schloss fallen.
„Was soll denn das? Du kannst doch nicht einfach so meine Gefangen töten! Wer bist du und was willst du hier?“
Ich betrachtete den unglaublich heißen Typ vor mir und setzte mein charmantestes Lächeln auf. „Ach, mach dir darüber keine Sorgen. Mein Name ist Celest. Ich freue mich dich kennenzulernen.“ Mit einem verführerischen Lächeln im Gesicht, beugte ich mich vor und nahm seinen süßen, mich an Honig erinnernden, Duft auf. Ich spürte einen Hunger aufkeimen und kicherte, als ich seinen vollkommen verwirrten Gesichtsausdruck bemerkte.
„Was soll das? Ihr wisst doch, dass ich keine Vampire hier unten haben möchte!“ Ich wusste nicht, wem er das zurief, doch sofort trat jemand durch die Türe, der aussah, als würde er es bereuen mich hier herunter gelassen zu haben und schluckte schwer.
„Entschuldigen Sie. Ich weiß nicht warum ich das tat...“
Mit einer Handbewegung kontrollierte ich seine Beine und ließ ihn kurzerhand gegen die Wand springen. Bewusstlos ging er zu Boden.
„Was soll das? Er ist einer meiner besten Männer! Außerdem was führt ein Hexenmischling wie dich hier herunter?
Ich stecke mein immer noch gezogenes Messer wieder in meinen Gürtel zurück und nahm meinen Platz auf dem Stuhl wieder ein.
„Sie haben doch eine Anzeige aufgegeben. Deswegen bin ich hier.“
Der gut gekleidete Mann verdrehte die Augen und betrachtete mich eingehend. „Was sollte ein Mischling von einer Stelle als Spion schon haben?“
Ich deutete auf die Leiche. „Es kommt nicht darauf an was ich will. Es geht darum was meine Bedürfnisse stillt. Ich bin mir bewusst, dass Sie einer der Mächtigsten Männer hier im ganzen Land sind. Ich nehme an, das sind sie nicht durch kuscheln und Streicheleinheiten geworden.“
Er verneinte lächelnd und seufzte theatralisch. „Du bietest mir also einen Deal?“
Bestürzt kräuselte ich meine Lippen. „Nur einen klitzekleinen.“
Der Besitzer des Hauses deutete auf die Leiche und stieß sie angewidert mit dem Finger an. „Ich schätze du bis eine der Hexen, die ihre Macht aus den Toten bezieht. Das heißt du bekommst meine Zahlreichen toten... Doch, was habe ich davon.“
Zähneknirschend zog ich eine silberne Klinge aus meiner Manteltasche, die viele alte Schriftzeichen aufwies. „Wie ich sagte, es geht nicht um mich. Das ist meine Klinge >Qual<.“
- - - - -
Mit einem wissenden Lächeln blickte er auf die Klinge hinab. >Qual< war eine uralte Waffe, die schon seit Generationen von Mutter zur Tochter weitergegeben wurde. Wie genau das funktionierte, wusste er nicht, das war eine der Geheimnisse der Magie. Er selbst konnte sich nicht der Macht der Magie vergreifen, sondern musste sich mit Flüchen zufriedengeben.
Sie waren genau das Gegenteil von der Magie, jedoch noch lange nicht so mächtig und zielsicher. Es konnte Jahrzehnte dauern, bis man sie perfekt beherrschte.
Ein Magier sprach seinen Spruch und dieser erfüllte sich. Ein Fluch brauchte mehr als das. Es kam bei der Effizienz des Fluches darauf an, wie stark der Anwender selbst ist, welcher Fluch, wie viele betroffen sein sollen, und etliches mehr. Es gab Leute, die hatten die Macht eines Fluches perfektioniert. Er selbst war noch lange nicht so weit. Mit seinen dreiundachtzig Jahren hatte er noch nicht lange genug auf der Erde geweilt, um diese Erfahrungen zu sammeln.
Langsam erkannte er, dass sie, bevor er kam, den Mann gefoltert haben musste. Es stimmte, dass er jemanden brauchte, der Informationen aus Gefangenen herauskitzelte. Wie auch immer war ihm egal. Er brauchte jemanden, der die Angst in seinen Widersachern schürt. Seinen Letzten hatte er selbst begnadigen müssen, da er seine Sache nicht mehr gut genug ausführte.
Immer mehr seiner Konkurrenten kommen in seine Stadt und wollen seine Leute abschwätzen.
Leider war jedes Wesen kaufbar. Egal ob mit Geld, Gegenständen, oder Drohungen so wie Versprechungen. Man konnte niemand genug trauen.
„Na, gut. Was hast du von diesem armen Wesen herausgefunden?“
Celest strich sich durch ihr kurzes braunes Haar und kicherte. Warum sie das tat, verstand er nicht. Sie schien im Großen und Ganzen nicht alle Tassen im Schrank zu haben. Jedoch war es nicht sein Problem, solange sie nichts tat, was ihm schaden könnte. „Er hat irgendetwas geprabelt, dass er es für seine Familie tat. Egal wer ihn beauftragte hier einzudringen, hat ihn lediglich als Zielscheibe, oder als Ablenkung geschickt. Entweder bricht gerade jemand anderes noch ein, oder er will die Aufmerksamkeit auf jemanden lenken, dessen Verlust er ertragen könnte. Ich weiß nicht was bei Ihnen so los ist. Aber ich kann garantieren, dass dieser Kerl nur Kanonenfutter war.“
Die Vampir-Hexe, biss genüsslich in das Handgelenk des Toten und saugte das restliche Blut heraus. Angewidert wandte er den Blick ab und verließ den Keller. Wendeltreppen führten ihn zurück ins Hauptgebäude, das ihm und seiner mittlerweile sehr kleinen Familie gehörte. Es war kein sonderlich großes Schloss, doch sie hatte davor schon seinem Vater gehört und dieser hatte es an ihn weiter geerbt. Genauer gesagt, an seine jüngere Schwester, doch sie hatte nichts für Heimatorte übrig. Sie wandelte lieber betrunken durchs Leben und genoss das immer fließende Geld, welches im Überfluss ihnen allen gehörte.
Da kam ihm der Gedanke, dass er sie einmal wieder anrufen sollte.
Schulterzuckend verschob er dies auf später und widmete seine Aufmerksamkeit seinem Bruder. „Wir haben unten Besuch. Sie sagte sie sei wegen der offenen Stelle hier.“
Sein gelenkiger Bruder, ließ sich vom Kamin fallen, an dem er schon den ganzen Vormittag arbeitete und wischte sich den Staub ab.
„Wer ist sie?“
Lächelnd schenkte er sich ein Glas teuren Alkohol ein und ließ den Scotch heiß seine Kehle hinab rinnen.
„Ein Hexenbiest. Einerseits Hexe, andererseits Vampir. Sie hat ein uraltes Relikt in ihrem Besitz. Die Klinge >Qual<.“
Sein Bruder blickte interessiert auf. Es war klar, dass er auf so etwas wieder höchst interessiert, reagierte. Die Augen seines etwas jüngeren Bruders blitzten begeistert auf.
„Eine Klinge, die lediglich von Mutter zu Tochter über ein altes Ritual weiter gegeben werden kann. Denkst du, ein halbes Hexenbiest wie sie, kann die Erbin eines Reliktes sein, dass nur an Fluchträger weiter gegeben werden kann.“
„Vermutlich. Ich konnte die Macht fühlen. In dieser Klinge schlummert mehr als dass es den Anschein hat. Denkst du, du wirst sie ihr weg nehmen können?“
Alasans Blick wurde belustigt. „Elyon, du kennst mich. Wenn nicht ich wer dann?“
Da war etwas Wahres daran. Sein jüngerer Bruder Alasan war zur Hälfte ein Pumawandler und zur anderen ein Incubus. Beide Arten machten es ihm wesentlich einfach Frauen um den kleinen Finger zu wickeln und zu manipulieren, Er selbst hingegen ist ein dunkler Hexenmeister und zu einem Rest Dämon, was seine Flüche oft katastrophal ausschlagen lässt. Wäre er zur Hälfte Dämon, würde er es besser beherrschen, doch wieso sollte das Leben es ausgerechnet dem ältesten Sohn einer steinreichen Familie einfach machen?
„Ich weiß was du meinst. Aber mach dir nicht allzu viele Hoffnungen. Vampire sind auf deinen Charme nicht sonderlich anfällig.“
Alasans Blick bekam einen seltsamen Ausdruck. “Schade... wirklich Schade. Es gäbe so viele heiße Vampire...“
Kopfschüttelnd kehrte ich ihm den Rücken und verließ das große Wohnzimmer hinaus auf den Gang, wo ich überrascht in die graugrünen Augen von Celest blickte. Hatte sie uns belauscht?
„Was machen Sie hier?“
„Mir war es zu langweilig zu warten, ich habe Ihren Einbrecher gefasst.“ Erst jetzt fiel ihm der bewusstlose Körper auf, den sie achtlos anscheinend aus dem dreizehnten Stock mitgeschleift haben musste, denn dementsprechend sah er aus. Oben hatte er mehrere Pfeilfallen aufgestellt, die nun gut sichtbar aus dem Mann heraus ragten „Wo haben Sie ihn gefunden?“
„In der Schatzkammer. Die Sicherungen dort sollten Sie ernsthaft erneuern.“ Sie warf den bestimmt neunzig Kilo schweren Mann auf ihn zu, als wäge er nicht einmal einen einzigen. Elyon wich überrascht aus und betrachtete den aufgerissenen Hals des Mannes genauer. „Konnten Sie das Wappen erkennen, bevor sie es gefressen haben?“
Die Augen verdrehend fiel sie neben dem Mann auf den Boden und rückte etwas Haut an die richtige Stelle. Was hatte diese Frau nur für Nerven?
„Das Wappen der Sellerhood. Soll ich die Bande aufmischen?“
Sellerhood... wo hatte er den Namen noch einmal gehört?
„Alasan! Sagt dir die Gruppierung Sellerhood etwas?“
Alasan trat auf den Gang und schimpfte laut, da der Teppich vom aufgerissenen Hals des Mannes eingesaut wurde. „Ist jetzt auch schon egal, die Flecken bekomme ich so wie so nie wieder heraus. Aber um deine Frage zu beantworten, ja.“
Stöhnend machte Elyon eine Handbewegung, dass sein Bruder fortfahren solle. „Die Sellerhood sind eine Untergrundorganisation. Irgendetwas religiöses und so. Keine Ahnung.“
In Gedanken versunken beobachteten die Brüder noch, wie das restliche Leben aus dem Einbrecher wich und sein Körper endgültig den Kampf aufgab. „Wo soll ich ihn entsorgen?“
Alasan antwortete. „Unten ist eine Personalküche. Bring ihn dort hin und sag dem Koch sie sollen es auf mein Zimmer bringen. Ich könnte einmal wieder etwas menschliches vertragen.“
Das Hexenbiest nickte, ohne Fragen zu stellen, und bahnte sich ihren Weg durch die endlose Vielzahl an Gänge. Ob sie überhaupt wusste, wohin sie gehen musste? Fragte Elyon sich in Gedanken.
„Ein seltsames Wesen.“
Elyon nickte zustimmend. „Vermutlich weiß sie bereits alles über uns. Ach ja, siehst du bitte nach unserem Leck im Keller? Dann unterhalte ich mich ein bisschen mit unserem neuen Mitbewohner.“
Alasan wirkte überhaupt nicht erfreut darüber, die Drecksarbeit zu erledigen, doch Elyon ging noch, bevor er einwende erhaben konnte. Kurz bevor Celest die Küche wieder verließ, winkte er sie zu sich. „Folgen Sie mir in mein Büro. Wir haben einen Arbeitsvertrag auszufüllen.“
Sie schien nicht sonderlich begeistert zu sein, doch folgte ihrem neuen Arbeitgeber gehörig. Im dritten Stock ließ er sich in seinen bequemen Lederstuhl sinken und wühlte nach ein paar Papieren. Begeistert von dem ganzen Schreibkram, setzte er während des Gespräches einen Vertrag auf. „Ihr voller Name?“
„Celest, einfach nur Celest.“
„Aber Sie müssen doch einen Familiennamen haben.“
Sie lächelte, als hätte er gerade einen guten Witz erzählt. Elyon dachte daran, dass selbst wenn er wirklich einen Witz gemacht hätte, sie vermutlich überhaupt nicht lachen würde. Sollte er tatsächlich so eine verwirrte Person in seinen Haushalt aufnehmen?
„Das gilt wohl nur für Leute die auch eine Familie besitzen. Ich besitze so etwas wie eine Familie nicht, denn ich musste alle meine jüngeren Schwestern abschlachten, bevor ich das Erbe meiner Mutter übernehmen konnte und meine Brüder, sind noch lange vor ihrer Geburt an ihrer eigenen Nabelschnur verstorben. Also, nein. Ich besitze keine Familie und somit auch keinen Familiennamen.“
Überrascht über dieses recht groteske Bild, schrieb er einfach >Celest<.
„Ihr alter?“
„Fünfundzwanzig.“
Nun war er ernsthaft überrascht und legte den Stift weg. „Im Ernst? Sie sind erst ein Küken?“ Eine verniedlichte Bezeichnung für eine Person, die noch nicht ihr fünfzigstes Lebensjahr hinter sich hatte. Doch mit dem alter wurden die Bezeichnungen leider auch nicht besser. Sie wurden sogar schlimmer...
„Wie Sie sehen können. Meine Mutter hat mir dieses Leben hier an der Seite meiner Klinge geschenkt um mich zu beschützen. Als Vampir und als magisches Wesen zu existieren ist schier unmöglich. Daher entschied sie mich früher zu Konvertieren, damit ich leben konnte.“
Interessant...
„Und wann wurden sie ausgebildet?“
„Nie.“
„Was meinen Sie damit?“
„Ich muss doch nicht ausgebildet werden um zu töten. Ich konnte es bereits seit meiner Geburt, es ist für mich notwendig. Je mehr Magie ich einem Lebewesen entziehen konnte, umso höher waren meine Überlebenschancen bis zum nächsten Tag. Tod und schiere Energie vertragen sich einfach nicht. Wieso denken Sie denn, gehen Engel nicht in die Hölle? Die Hölle würde dessen Energie sofort verschlingen.“
Fasziniert dachte er über den Vergleich nach. Spielte das überhaupt eine Rolle? Irgendwie schien ihn jedoch alles zu faszinieren, was sie sagte, oder was sie tat. Auch jetzt, als sie ihn überaus belustigt ansah, obwohl sie über das Abschlachten von Lebewesen sprachen. Nun, ja. Er konnte nicht behaupten, ein Wohltäter zu sein. Er war alles andere als das, doch töten tat er nur, wenn es unbedingt notwendig war. Vielleicht konnte er diese seltsame Celest ja als ein Haustier betrachten, das einen leichten Hauch Blutrünstigkeit von sich gab.
„Ich verstehe auf was Sie hinaus wollen, Miss Celest.“ Schon alleine der Name zerging ihm förmlich auf der Zunge. „Also, dann erklären Sie mir einmal wieso sie hier arbeiten wollen.“ Elyon kannte die Antwort natürlich bereits.
„Es ist eine Stelle als Söldner, ich soll andere Wesen quälen, sie verstümmeln und Dinge aus ihnen herausbekommen. Unter wessen Anleitung könnte ich das besser tun, als unter der Mächtigen Hand des gefürchteten Fürsten Elyon.“
Fürst Elyon... Sein Vater ist ein Fürst gewesen, so wie seine Mutter. Er selbst hatte sich nach deren Tod nie als Fürst gesehen. Eher als einfacher Herrscher über eine Stadt die er niemals hatte haben wollen.
„Wären Sie denn bereit alles zu tun was ich Ihnen anschaffe, egal wie weit diese Botengänge auch reichen sollten, wie viele Leute Sie töten müssten, selbst wenn Sie ihre Menschlichkeit hergeben müssten, würden Sie immer noch unter meinen Eid stehen?“
Die graugrünen Augen verschwammen in einem nebligen dunkelrot mit schwarzen schlitzartigen Pupillen. Fauchend entblößte sie ihre spitzen Fangzähne und rammte ihre Klinge direkt in den halb aufgesetzten Vertrag, sodass sie tief durch den Schreibtisch glitt und gefährlich aufblitzte im Schein der fünf Lampen, welche das Zimmer erhellten. „Ich bin alles andre als menschlich, also wagen Sie es nicht mich menschlich zu bezeichnen. Ich bin eine unsterbliche Waffe, die Ihnen den Arsch aufreißen wird, wenn mir langweilig wird, also empfehle ich Ihnen, mir überaus anspruchsvolle Aufgaben zu geben, sonst sehe ich Sie selbst als mein Mittagessen an. Vergessen Sie ja nicht das in ihrem Vertrag zu erwähnen.“
Sie war Elyon so nahegekommen, dass er ihren Duft problemlos aufnehmen konnte. Es war ein Gemisch aus Nadelholz, Blut und etwas unheimlich dunklen, etwas Rauchigem.
Sein Herzschlag blieb trotz der offensichtlichen Drohung ruhig und er zuckte auch nicht zurück. Elyon fand seinen Bruder weitaus erschreckender, wenn er sich verwandelte, darum lächelte der Hausherr, als er seine Hand nach ihrem, nicht einmal schulterlangem Haar ausstreckte und einen Staubballen daraus hervor zog. Sie musste durch die Lüftungsschächte gekrochen sein, um den Eindringling zu schnappen. „Wie es den Anschein hat, tun Sie wirklich alles um ihre Pflicht zu erfüllen. Ich werde Sie einstellen. Aber Sie werden ausschließlich das tun, was mein Bruder und ich sagen. Und natürlich das was unsere jüngste Schwester sagt, sie kommt vermutlich bald wieder einmal zu Besuch. Versuchen Sie nett zu sein.“
Spöttisch lachend ließ die Furie sich auf den Sessel zurücksinken und die Klinge zog sich von selbst aus dem Tisch, um sich auf ihren Schoß zu betten. Das wird Alasan interessieren. Dachte er und deutete Celest, dass sie gehen konnte.
„Ihr Zimmer befindet sich im zweiten Stock, Gang vierunddreißig. Zimmer neun. Sie können es nach ihrem Bedarf einrichten, doch unterlassen Sie bitte störende Gerüche, wie Unmengen an Duftkerzen, oder etwas verwesendes.“
Ohne sich noch einmal umzudrehen, verließ Celest den Raum und Elyon zerriss den durchschnittenen, angefangen Vertrag. Dann eben von vorne.
Elyon fing den Vertrag von neuem an und entschied ihn derweilen bei sich zu tragen. Für heute Abend waren wohl alle Förmlichkeiten erledigt und er hatte kein Verlangen dazu sich heute noch einmal in die Fänge der Hexe zu begeben. Lieber suchte er sein eigenes Zimmer auf, dass sich ebenfalls im dritten Stock befand und machte es sich mit einem Stapel an alten Schriften gemütlich. Vielleicht würde die ihn einigermaßen ermüden, wenn er lange genug darin las.
Der nächste Morgen brach ein, ohne dass er ein Auge zu getan hatte. Kopfschüttelnd machte er sich auf den Weg ins Erdgeschoss, in dem er eigentlich die meiste Zeit seines Lebens verbrachte. Nicht vieles führte ihn nach draußen, schon überhaupt nicht der Anblick seines viel zu farbenfrohen Gartens. Für diese Fröhlichkeit der Natur war seine dämonische Seite zu stark vertreten.
„Guten morgen Bruder, na noch nicht geschlafen?“ Alasan erkannte dies wohl daran, dass Elyon noch dasselbe Hemd von gestern trug, jedoch bereits zerknittert war. „Ja, wohl oder übel. Ich konnte nicht schlafen. Wie war dein...“ Er brauchte erst überhaupt nicht weiter sprechen, denn die Wohnzimmerbank war vollkommen herausgerissen und dunkle Flecken waren überall bis an die Decke verteilt. „Gut, ich frage nicht, ich erkenne es auch so. Wieso kannst du eigentlich deine Jagt nicht draußen befriedigen, wie jede andere Hauskatze auch? Für was haben wir überhaupt diese überdimensionale Katzenklappe?“ Er deutete auf die Eingangstüre, die hinter zwei Biegungen verborgen lag und entlockte seinem schläfrigen Bruder, der auf einem Balken saß und genüsslich gähnte. „Weil ich einen guten Fick vor meiner Jagd bevorzuge, außerdem konnte ich nicht auf den Dachboden, da deine Kleine dort oben schläft.“
Seine Kleine? Was sollte das bedeuten? Celest?
Ohne zu fragen, lief er mit seinen langen gelenkigen Beinen die Stiegen hinauf in den vierten Stock, der einfach nur aus einem äußerst langen Raum bestand, welcher sich über das ganze Gebäude hin zog und als Abstellraum diente. Er durchschritt den ganzen Dachboden, doch konnte keine menschliche Seele erkennen. Erst als ihm eine halb geöffnete Dachluke auffiel, stöhnte er genervt. Sah er etwa aus wie eine Katze, dass er sich dort jetzt durch zwängte?
„Celest? Bis du dort oben?“ Celest antwortete nicht, doch er vernahm ein Kratzen, das stark nach einer Klinge klang, die durch Holz glitt.
Seufzend dachte er daran, dass seine Kleidung so wie so bereits zerknittert war, und entschied, dass er später unter die Dusche gehen würde.
Mühsam zwängte er seinen, nicht dafür gemachten Körper durch die Luke und staunte nicht schlecht. Auf dem Dach seines Anwesens hatte er sich noch nie befunden. Vor ihm ging die Sonne auf und tauchte seine Stadt in ein schmutziges orangefarbenes Licht. In den letzten Jahren hatte er absolut nichts für das Volk getan, dass unter seinem Schutz stand und das erkannte er nun einmal mehr. Wieso auch? Seinem Vater war all das wichtig gewesen: Macht und Ansehen. Den Reichtum und das immer fließende Geld hatte seine Mutter angelockt und so waren er und seine beiden Geschwister entstanden. Elyon, der Erstgeborene und Erbe dieser Stadt. Er hatte diesen Namen erhalten, da er dafür stand, dass ihm einmal alles gehören würde, dass er der allerhöchste eines unglaublich mächtigen Familienstammbaumes sein sollte. Dann kam Alasan, der Zweitgeborene. Schon in seiner Wiege war er das beliebteste und schönste Kind gewesen. Es gab keine Mutter, die von ihm den Blick abwenden konnte, keine Tochter, die nicht nach ihm schmachtete und keine Enkelin, die ihn nicht vergötterte und als Prinzen anerkannte.
Die Jüngste der Familie jedoch war seine Schwester Megumi. Sie war bereits seit ihrer Geburt ein Segen für die Familie. Ihr heiteres Lächeln brachte jeden anderen zum Lächeln. Für manche schien sie deshalb oft etwas einfältig, Megumi ist jedoch viel mehr als das. Sie ist das Herz ihrer kleinen Familie. Der Sonnenschein, der jedem Liebe brachte, ob er es wollte, oder nicht. Selbst wenn er an sie dachte, konnte er nicht anders, als sie zu bewundern.
„Was suchst du hier oben?“ Nicht so dieses Wesen. Selbst als die Trägerin der Klinge Qual, ist sie in seinen Augen wunderschön zum Ansehen, doch genauso gefährlich wie eine schwarze Rose. Selbst die kleinste Berührung ihrer Dornen konnte tödlich enden.
„Ich genieße die Aussicht, nach was sieht es aus?“
Abermals seufzte Elyon und setzte sich trotz seiner Prinzipien neben sie. Wenn er schon hier oben war, dann konnte er wenigstens etwas von diesem Ausblick genießen. „Nun, ja ich dachte nur nicht, dass du das Mädchen für Sonnenaufgänge bist.“
„Ich meinte auch nicht die Sonne, sondern den Abfall dort unten, den sie beleuchtet.“ Elyon folgte ihrem Blick zu einer Bande die gerade eine viertel Stunde, von seinem Anwesen entfernt, eine Frau ausraubten und misshandelten. „Selbst aus der Entfernung kannst du ihre Qual aufnehmen?“
Celest nickte mit geschlossenen Augen. Die feinen geschwungenen Linien, die ihr Kiefer betonten schimmerte beinahe golden im Schein der Sonne und er fragte sich, ob ihre Haut tatsächlich so zart anfühlte, wie sie aussah.
„Je näher mir ein Lebewesen ist, umso deutlicher kann ich ihre Bedürfnisse und Ängste wahrnehmen. Meine Gegenwart bestärkt die stärksten und unterdrückten Gefühle. Sie holt sie aus dem verborgenen der Herzen und schürt ihren Hass auf alles. Der Mensch ist ausschließlich dazu gemacht zu hassen, was er sich selbst aufbaut“
„Das klingt nach mir. Jedoch haben meine Eltern dies alles aufgebaut und ich musste es lediglich erben. Eine traurige Wahrheit.“
Sie kicherte spöttisch und plötzlich fühlte er etwas Warmes über seinen Nacken streichen. „Das ist nicht das traurigste...“ Ihre Fingerspitzen glitten über seinen Nacken zu seinem Hals und drehte sein Gesicht zu sich. Wieder einmal war er Celest so nahe, dass er ihren Geruch aufnehmen konnte. Etwas faszinierte ihn daran, doch er konnte es nicht einschätzen, was es war.
„Die traurige Wahrheit ist, dass du bereits so lange keine Frau mehr im Arm hattest, dass du sogar ein so abstoßendes Wesen wie mich begehrst. Du solltest öfter hinaus, kleiner Fürst.“
Kleiner Fürst? Was sind das heute für Ausdrücke?
„Was ist daran schändlich von so einem schönen Gesicht angezogen zu sein?“
Ihr Kopf legte sich schräg und ein irrer Ausdruck, der nicht zu ihr passte, legte sich in ihre Augen. Wollte sie ihn vor sich selbst warnen?
„Es ist schändlich den Schmerzen in seinem Herzen zu verbergen und doch nach mehr zu verlangen. Es bin nicht ich selbst das Ihr begehrt, mein Herr. Es ist die Faszination die ich und meinesgleichen vor mir auslösten. Hunderte von Jahren in meinem langen leidvollen Leben haben mich gelehrt, dass nicht immer dem zu vertrauen ist, dass man sieht. Selbst das könnte eine Täuschung sein.“
„Hunderte von Jahren gestern wart Ihr doch noch vierundzwanzig.“
„Und heute bin ich jemand anderes. Passt auf sonst verschwindet Euer Leben ebenfalls in einem dunklen Nichts in dem nichts bestand hat, abgesehen von der Qual.“
„Für einen Kuss von Euch würde ich sogar einige Jahre meines Lebens dieser persönlichen Hölle verschreiben.“
Durch ihre unendlich tiefen grauen Augen, durchzog sich ein dichter roter Nebelschleier und umspielte ihre Pupille, als würde es ein schwarzes Loch gesogen. „Mit dem Teufel einen Handel abzuschließen, kann einem die Seele kosten.“ Bestärkte sie ihre Drohung, doch Elyon lächelte lediglich.
„Hochmut kommt stets vor dem Fall, meine treue Dienerin.“ Erinnerte er sie, doch sie lachte nur laut auf und entließ sein Kinn ihres sanften Griffes. Sofort griff er nach ihrem Handgelenk und zog sie an sich. Der Nebelschleier verzog sich und zurückblieben zwei verängstigte Augen einer Frau, die schon sehr viel durchlitten hatten.
„Keine Sorge, ich werde Ihnen keinen Kuss stehlen. Doch ich verspreche Ihnen, dass sie mich in wenigen Monaten darum anflehen werden mich zu küssen.“
Erleichterung spiegelte sich wieder, bevor dieser endlose leere Ausdruck zurückkehrte, den Celest wie ein Schutzschild trug. „Und wenn ich in diesen wenigen Monaten dann ganz lieb bettle, werden Sie darauf eingehen.“
Mit einem lächelnden Wissen beendete Elyon dieses sinnlose Gespräch an gefühllosen Floskeln und stellte sich an den Rand des Daches. „Wissen Sie. Wenn ich einen Packt mit einem Teufel eingehe, dann kann ich wenigstens in mein Zuhause zurück kehren.“
Ohne auf ein weiteres Wort von ihr zu warten, sprang er hinab vom Dach des vierten Stockes, landete grazil, ohne sich etwas zu brechen auf der Terrasse und öffnete dessen Türe, als wäre er gerade die Stiegen hinauf gegangen.
Sein Bruder blickte ihn verwirrt an, während er einen Diener anwies, was dieser zu tun hatte und kicherte dann. „Seit wann sind wir denn unter die Hauskatzen gegangen?“
Elyon winkte ab. „Mir wurde langweilig bei diesem Sinnlosen Gesprächen mit den Angestellten. Ich gehe Duschen und mich etwas zu recht machen. Wichtige Geschäfte warten heute auf uns.“
Alasan blickte seinem Bruder betrübt hinterher. Wieso gönnte dieser sich nie etwas? Es war sehr lange her, seit Alasan das letzte Mal ein aufrichtiges Lächeln im Gesicht seines ältesten Bruders gesehen hatte. Nun seit mehr als fünf Jahren, hatte Elyon keine Einladung von Frauen, oder Männern mehr angenommen. Alasan selbst konnte sich vor lauter Auswahl kaum noch entscheiden. Manchmal nahm er drei bis sieben an einem Abend, an anderen, eher nostalgischen Tagen, nahm er sich eine Frau, oder einen Mann und verbrachte eine romantische Zeit mit dieser Person. Zwar fraß er die meisten seiner Liebespartner, doch wenn sie interessant genug waren, dann entschied er sich, diese an einem anderen Abend, oder Morgen wieder einmal zu sehen. Wieso auch nicht?
Er verstand dieses alberne Getue seines Bruders nicht. Vielleicht sollten sie wieder einmal ein Fest organisieren, dass er sah, dass es dort draußen andere spaßigere Beschäftigungen gab, als nur zu lesen und über alten Schriften zu brüten. Wenn er sich nicht irrte, saß Elyon nun schon seit drei Wochen wie ein irrer alter Mann in seinem Zimmer. Schon seit er eine neue Schachtel voller antiker Schriften bekommen hatte.
Mit einem gefährlichen Lächeln griff er in die Hosentasche, um sein Handy heraus zu ziehen, und tippte die immer gleiche Nummer ein, die er bereits seit einigen Monaten nicht mehr gewählt hatte. „Megumi? Ruf mich zurück. Wir müssen reden, mein kleiner Sonnenschein.“
- - - - -
Stöhnend betrachtete er den Haufen von Finger, die sich vor seinen Beinen türmten, bereits leer gesaugt waren und somit auch kaum noch Dreck hinterließen. Vor einem Monat hatte er Celest die Aufgabe erteilt, im Untergrund nach Unruhestiftern zu suchen, die seine Familie ausrauben, oder stürzen wollten. Er musste zugeben, dass sie äußerst effizient war, doch ihre Methoden waren fürchterlich dreckig. Und das nicht im herkömmlichen Sinne. Eine Frau wie sie hatte er noch nie getroffen. Sie saugte ihre Opfer bis zur Bewusstlosigkeit aus, brachte sie in den, selbst benannten Folterkeller, sperrte sie in Zellen und suchte nach neuen Unruhestiftern. Wenn sie genug zusammen hatte, vollzog sie so etwas wie ein Spektakel. Sie folterte einen mehrere Stunden bis an äußerste, zerstückelte ihn, wenn er tot war, und servierte sie ihren Sklaven als Abendessen. Selbst die Gedärme und das Gehirn, roh.
In solchen Momenten ging er. Elyon hatte ja nichts gegen etwas Blut, doch solche Sachen gingen ihm doch etwas auf den Magen. Jedoch musste er zugeben, dass sie sich wirklich bezahlt machte. Wenn die Gefangenen schnell sprachen und auch nützliche Informationen preisgaben, so wurden sie nach wenigen Stunden von ihren Qualen erlöst und abermals als Abendessen angeboten.
Nicht so an diesem Abend. Sie schnitt jedem Gefangenen die Finger ab und sammelte, sie. Sie hatte vor sie gefüllt als Abendessen vor zu bereiten. Da jedoch die Gefangenen keine Finger mehr besaßen, fütterte sie diese liebevoll, als wären sie ihre Hunde. Leider ekelerregende und vor allem stinkende Hunde. Sie bekamen riesige alles aufsaugende Windeln, die sie einmal am Tag wechselte. Elyon fragte sich ernsthaft, woher diese Frau nur ihre Inspirationen nahm.
Gerade fütterte sie ihren letzten Hund mit dem letzten Finger und wischte ihm etwas Sauce aus dem Gesicht, als sie begeistert in die Hände klatschte und ihn lobte. „So ist es gut, mein Lieber. Wenn du morgen wieder so artig bist, entlasse ich dich vielleicht früher aus deinem erbärmlichen und kümmerlichen Leben.“
Elyon würde Celest glatt, als Motivationschoach einstellen, wenn sie nicht so... anders wäre.
„Und, etwas neues?“
Sie schüttelte betrübt den Kopf. Leider heute Abend nicht. Jedoch werde ich gleich wieder in die Kanalisation abtauchen, um neue Hunde zu finde.“
„Wenn Sie meinen, jedoch wenn... diese Hunde nichts mehr bellen, wieso wollen Sie sie weiterhin behalten?“
Celest schnippte tadelnd mit den Fingern. „Also wirklich, nun wo sie so gut erzogen sind, unglaublich viel Qualen erleiden und Qual endlich einmal wieder so ein Festmal hat, wieso sollte ich sie da erlösen? Die haben es hier so viel besser.“
Skeptisch dachte er darüber nach ihr zu erklären, dass vermutlich sie mehr aus diesem Arrangement bekam als die anderen sieben Gefangenen, doch überlegte es sich anders. Bestimmt würden die ohnehin bald an ihren eigenen Verletzungen und Ausscheidungen versterben. Vermutlich wäre Einschläfern wesentlich Humaner... Verdammt wieso dachte er über diese Wesen, als wären sie tatsächlich Hunde? Er verbrachte wohl zu viel Zeit mit Celest. Sie färbte ungemein auf ihn ab, auch wenn er ihre Denkweise äußerst umständlich empfand. Es gab nämlich überhaupt nichts, dass sie machte, ohne selbst daraus ihren Profit zu ziehen. Konnte er es ihr denn verübeln? Diese Leute wollten ihn und seine mächtige Familie auslöschen und Elyon war jedes Mittel recht, um seine Familie zu beschützen.
„Solange Sie hier putzen und alles unter Kontrolle haben, zweifle ich nicht einmal ansatzweise an Ihrer überaus zufriedenstellenden Arbeit.“ Das war sie ehrlich. Auch, wenn er niemals damit gerechnet hätte. Mit einer kleinen Handbewegung deutete sie auf ihr Pentagramm, dass sie in die Wand geritzt hatte und ihr als persönliches Portal diente. Es brachte sie dorthin, wo sie wollte und sie konnte sich mit Gefangenen innerhalb eines Gedankens hier in den Keller befördern, ohne dass sie jemand bemerkte. Elyon war es jedoch aufgefallen, dass sich Celest gerne übernahm. Bereits an fünf Morgen hatte er den schlafenden Vampir hinauf in ihr Zimmer getragen und sie dort mit einer dicken schweren Decke bedeckt. Am ersten Morgen hatte er es überhaupt nicht glauben können. Von einem Moment auf den anderen war sie in einem Tiefschlaf auf den Stiegen zusammen gebrochen und die Sonne hatte ihren Arm verbrannt, als bestünde sie aus leichtentzündbaren Papier. Kopfschüttelnd hatte er an diesem Morgen ihre lieblichen Züge im sanften Schimmer der Nachtlampe betrachtete, die immer noch gebrannt hatte und sich gefragt, wie so eine starke Person wie sie, nur so zerbrechlich aussehen konnte, wenn sie schlief. Noch nie hatte er über so etwas nachgedacht und sich sofort selbst dafür gehasst. Es war das erste und letzte Mal gewesen, dass er Celest so angesehen hatte. Sie war nicht gut für ihn. Elyon war der Typ Mann, der es versuchte, jedem recht zu machen, der ihm am Herzen lag und ein Lächeln im Gesicht einer Person zu sehen. Natürlich hatte er auch die eher barbarischen Kräfte eines Dämons, doch die verbarg er unter einer künstlichen Maske. Eine Maske, die ihn wohl selbst neben seinem Bruder etwas zu menschlich aussehen ließ. Die anderen vier male, als er sie am Boden schlafend gefunden hatte, hatte er sie einfach ins Bett gelegt und war sofort wieder gegangen. Elyon empfand es für besser, sich von Ärger in diesem Ausmaße fernzuhalten.
„Gut, aber kommen Sie bitte nicht wieder zu spät. Ich möchte Sie nicht noch ein sechstes mal in Ihr Zimmer tragen.“
Celest drehte sich so schnell zu ihm herum, dass er für einen unwirklichen Moment zusammen zuckte. So wie sie da stand, mussten manche ihrer Wirbel um mehr als neunzig Grad verdreht worden sein, und das in eine überaus erschreckende Richtung. Ihre grauen Augen blitzen voller Angst auf und er sah, wie sich diese Angst in Zorn verwandelte. Mit einem abfälligen Schnaufen wandte sie sich wieder ab und Elyon entspannte sich wieder.
„Ich kann mich nicht daran erinnern Sie darum gebeten zu haben. Unterlassen Sie das in Zukunft.“
Abwinkend ging er an ihr vorbei, die Treppen ins Hauptgebäude hinauf. „Wenn Sie darauf bestehen, dann muss ich wohl die sexy Nacktfotos von Ihnen auf einen anderen Tag verschieben.“ Er hatte keine Ahnung, ob sie seinen Scherz noch gehört hatte, denn sie war bereits in ihrem Portal verschwunden. Vermutlich war es auch besser so, denn sie hätte ihm bestimmt den Kopf dafür abgerissen.
Als er diesen Abend einmal gut gelaunt das Wohnzimmer betrat, staunte er nicht schlecht. Ihm war ja bereits aufgefallen, dass über den Tag immer wieder fremde Leute in sein Haus gekommen sind um irgendetwas ab zumessen, oder etwas mit seinem Bruder zu besprechen, doch er hatte niemals damit gerechnet, dass er vor hatte eine Party zu veranstalten. Nun hingen überall Liganden die in verschiedenen Farben leuchteten, ein DJ baute sein Pult im Garten auf und etliche Speisen wurden herum getragen. Draußen im Garten standen Fackeln, die den ganzen Platz in ein schummriges Licht tauchten. Also waren wohl auch Vampire eingeladen. Seinen Bruder Alasan entdeckte er als er sich mit einer hübschen Kellnerin, die vermutlich als Essen gedacht war, unterhielt und sie zum Lachen brachte. Elyon brauchte nicht viel darüber nach denken, was er wohl zu ihr gesagt haben muss, dass sie so beschämt und mit einem breiten Lächeln im Gesicht ihrer Tätigkeit wieder nach ging.
„Was ist der Anlass, mein liebster aller Brüder?“
„Ach, das sagst du nur weil ich dein einziger Bruder bin.“
Winkend tat Elyon dies ab und belächelte das Kommentar lediglich. „Es gibt keinen Anlass. Ich wollte nur einmal wieder den neuesten Klatsch hören und dachte: Was gäbe es da besseres als eine Party?“
„Aber muss es denn gleich eine Blutparty sein?“
Blutpartys waren nicht mehr so angesagt wie früher in seiner Kindheit einmal. Im Gegensatz zu anderen Festlichkeiten war eine Blutparty mit einem Begräbnis zu vergleichen. Die besten Blutspender des Landes, oder auch des Auslandes wurden eingeflogen, für diese eine Nacht. Jeder konnte sich an ihnen guttun, wie es ihnen gefiel und in dieser speziellen Nacht gab es keine Gesetzte. Hinter dieser Mauer konnte man tun und töten, wen man wollte, ohne auf Konsequenzen zu stoßen. Vor allem Vampire liebten diese Feste und auch Vampiranhänger. Sie kamen von überall, wenn sich dieses Gerücht einmal verbreitet hatte, und artete meist zu einer Massenmordparty aus. Ein richtiges Fest für einen halben Dämon und eine Raubkatze.... oder zwei?
Er fühlte ihre Präsenz noch, bevor sie Elyon und Alasan erreicht hatte, und beide drehten sich gleichzeitig zu ihr um. Sie war schön wie eh und je. Ihr Alter stand ihr noch immer ins Gesicht geschrieben und sie war keine einzige Sekunde gealtert im letzten halben Jahr. Ihre Haut war von der Sonne geküsst, ihre blonden langen Haare, die bis zur Mitte ihres Rückens gereicht hatten, als sie fort war, waren nun etwas länger als Schultertang. Mit einem arroganten Blick machte sie einen galanten Knick vor ihren beiden älteren Brüdern und warf ihnen einen unglaublich strahlenden Wimpernaufschlag zu. „Danke für die Einladung meine Herren. Wie ich feststellen muss, bin ich wohl etwas Overdresst.“
Elyon und Alasan blickten an sich selbst hinab und lächelten sich erkennend gegenseitig an. Elyon hatte gerade erst von dem Fest erfahren und Alasan war noch nicht dazu gekommen sich umzuziehen.
„Nun, ja. Wir sind noch nicht zum Umziehen gekommen...“ Bemerkte Alasan und umarmte seine jüngere Schwester liebevoll.
Lächelnd warf sie sich auch noch in Elyons Arme und deutete dann auf den Balkonaufgang. „Dann geht euch einmal zurecht machen, ich schicke der weilen das Personal herum.“
Grinsend liefen die Brüder hinauf in ihre Zimmer und zogen sich etwas festlicheres an. Normalerweise liefen sie immer lediglich in bequemen Jeanshosen oder Hemden zum Knöpfen herum, doch nun griffen sie beide zu Seide und Ringe. Sie gehörten zu ihrem Familienerbe und betonten noch mehr, dass das hier ihr Reich war und niemand ihnen etwas befehlen konnte, abgesehen vom König selbst und der hatte wesentlich wichtigere Probleme, wie zum Beispiel Kriege zu führen und Verhandlungen abzuschließen. Solange Elyon keine taktische Fehlentscheidung gegen seinen König traf, gingen sie sich aus dem Weg.
An der Treppe trafen sie sich wieder und blickten sich gegenseitig mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Wärst du nicht mein Bruder, würde ich dich heiß finden.“ Scherzte Alasan und Elyon kicherte.
„Das gebe ich nur zu gerne zurück.“ Elyon überprüfte sein Aussehen in einem Spiegel und kam sich irgendwie wie ein Spion, anstatt ein Fürst vor. So prunkvolle und auffällige Kleidung Alasan und Megumi auch sehr gerne trugen, so mochte Elyon doch eher die dunklen Farben an sich selbst. Seine beinahe schwarzen Haare, die ihm mit leichten Locken bis zum Hals reichten, seine dunklen stechenden Augen blickten ihm mürrisch durch den Spiegel entgegen und er versuchte, ein Lächeln aufzulegen. „Streng dich nicht zu sehr an, sonst bekommst du noch Kieferkrämpfe.“
Mit einer wegwerfenden Handbewegung tat Elyon diese Bemerkung ab und blickte durch den Spiegel in die belustigten gelblichen Augen seines Bruders. Er war nervös, doch Elyon verstand nicht wieso. Es war doch nur eine normale Feier, oder etwa nicht?
Kopfschüttelnd wandte er sich von seinem Spiegelbild ab und stieg elegant die Stiegen hinab. Als Werwandler bewegten sich sein Bruder und seine Schwester immer elegant, selbst wenn sie auf den Boden geworfen wurden, strahlten sie beide eine gewisse Eleganz aus.
„Was ist nun eigentlich der Anlass dieser Feier?“
Alasan zuckte lediglich mit den Schultern und winkte einem alten Bekannten zu, der auch hier war.
„Kein besonderer. Ich hielt es nur für gut, wenn wir einmal wieder unter die anderen Wesen treten. Du weit ja wie schnell sie anfangen Dummheiten zu verbreiten.“
Ja, den Klatsch und Tratsch der Wesen kannte er nur zu gut. Es war nervig, wie schnell sich Gerüchte einfach überall hin verbreiteten. Jeder wusste davon, noch bevor es jemand ausgesprochen hatte. Jedoch funktionierten diese Gerüchte wie >stille Post<.
„Also, steckt dein Vorhaben lediglich voller Edelmut?“
Alasan lächelte breit und winkte jemanden zu sich, den Elyon nicht kannte. Noch nicht. Anscheinend war es eine alte Freundin von Alasan, mit der er sich nach wenigen Stunden verdrückte. Nun blieb er zurück mit seiner kleinen Schwester, die seltsamerweise alles tat, um ihm aus dem Weg zu gehen.
„Sei gegrüßt, meine kleine Schönheit. Wie fühlst du dich?“
Megumi lächelte strahlend zu ihm auf und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. „Wie sollte ich mich schon fühlen? Es ist eine Party, da kann man sich nur amüsieren.
Da sprach sie wohl die Wahrheit. „Wenn ich fragen dürfte, was hat dich veranlasst ausgerechnet heute hierher zu kommen?“
Sie antwortete nicht, sondern ging langsam von der Menge fort, die sich in den letzten Stunden gebildet hatte. „Natürlich meine Familie.“ Gab sie halbherzig zu.
„Und dein Besuch hat nichts mit deinem dummen Wyvern zu tun?“
„Er ist nicht dumm!“ Schrie sie empört auf, nur um im selben Moment rot zu werden. „Entschuldige bitte. Er ist in letzter Zeit etwas... anstrengend.“
Anstrengend war überhaupt keine Beschreibung. Drachen sind an sich keine sonderlich treuen Wesen, geschweige denn anständig. Und ausgerechnet seine kleine Schwester, die er doch beschützen sollte, hatte sich in einen Wyvern verliebt, auch wenn sie dies niemals zugeben würde. Ihr Wyvern jedoch hielt sich an alles andere als an treue, oder an einer einzigen Person. Er lebte nach dem Prinzip: Wieso eine Krone, wenn man doch noch viel mehr haben konnte. Elyon hatte noch nie verstanden, wieso sie überhaupt noch bei ihm blieb, wenn er sie so schlecht behandelte.
„Du weißt, dass du hier immer auf offene Ohren stoßen wirst, Megumi?“ Sie nickte und legte beide Arme um sich selbst, als wäre ihr kalt. Plötzlich fiel ihm etwas auf. Wenn er ehrlich war, hatte er Megumi etwas anders in Erinnerung. Normalerweise hing sie an Elyon und Alasan und wollte ihnen ständig Sachen erzählen, egal wie wenig es sie beide interessierte. Doch heute Abend ging sie ihnen lediglich aus den weg.
„Megumi...“ Er packte sie am Arm und zog sie an sich. Sie wehrte sich nicht gegen seine grobe Art, und lenkte einfach nur ihren Blick betrübt auf den Boden. Neugierig schnupperte an ihr, doch konnte keine Angst oder Hass riechen. Jedoch roch sie etwas mehr nach Eisen, als gewöhnlich... „Megumi...“
„Elyon... es tut mir so leid...“ Dicke Tränen sammelten sich in ihren Augenwinkel und er legte ihr eine Hand auf die Wange. „Wie lange bereits“
Sie hob die Schultern. „Ich bin im dritten Monat. Deswegen bin ich auch zurück gekommen, ich wollte nicht dass er es weis.“
„Ist es denn von ihm?“ Er stellte diese Frage nicht, weil er es wollte, sondern weil er es als ihr älterer Bruder tun musste.
„Sechzehnte Woche. Ich habe ihn seit dieser Nacht nicht mehr erreicht, daher weiß er noch nichts und ich bin nach Hause gekommen um es euch zu sagen.“
Ein Kind in der Familie. Wie ironisch, dass es ausgerechnet die Jüngste der dreien erwischte. Seine kleine naive, egoistische Schwester, von der er alles Leid hatte vorbeiziehen lassen. Die einzige Frau in seinem Leben die ihm etwas bedeutete und nun trug sie das Kind eines Wyvern. Vielleicht wusste er jetzt noch nichts von dem Kind, doch spätestens wenn es auf die Welt kam, würde er es spüren und sich holen kommen. Drachenkinder konnten nur von anderen Drachen groß gezogen werden. Das wusste Megumi und trotz allem war sie hier.
„Du weißt dass wir dich unter allen Umständen beschützen werden?“
Sie nickte. „Ja, deshalb möchte ich auch, wenn ich in den Wehen liege, dass ihr es nehmt und so weit damit von mir weg geht wie nur irgend möglich. Nicht, weil ich es nicht möchte... ich kann nur nicht... es ist alles einfach so kompliziert mit ihm.“
Sanft strich Elyon seiner kleinen Schwester durch das blonde Haar und umarmte sie vorsichtig. „Das musst du nicht heute entscheiden. Egal was du und das Kind wollen, wir werden euch sogar vor Drachen beschützen. Für was hat man denn eine Familie.“
„Du weißt dass es hier um mehr geht, als nur ein Kind. Es ist ein Drache und kein normales Wesen.“
Elyon nickte stumm und beschloss die Unterhaltung hier zu beenden. Sie hatten noch Monate vor sich, wo sie über dies alles entscheiden konnten. „Komm du solltest dich besser hinlegen. Zu viel Stress ist nicht gut für dich.“ Bemerkte er klug und führte sie zu einer Bank, die vom Schein der Fackeln leicht beleuchtet wurden.
„Wer weiß es sonst noch außer mir?“
„Alasan, später wenn die Party vorbei ist und du. Ich habe mich untersuchen lassen, von einem Bekannten, jedoch schweigt er.“
Elyon nickte zufrieden. Wenn seine Schwester sich in einem sicher war, dann dass sie Leute perfekt manipulieren konnte. Ihr Charme und ihre Ausstrahlung ließen die Wesen egal in welchen alter und welches Geschlecht sie auch besaßen dahin schmelzen.
„Elyon... Ich weiß ja, dass dich meine... mein Zustand... mitnimmt, doch ich muss dich einfach darauf aufmerksam machen. Siehst du den schwarzhaarigen, dort hinten bei den Pfingstrosen.“
Elyons Blick glitt unauffällig zu dem Mann hinüber. Er war ungefähr in seinem alter und vielleicht etwas größer als er selbst. Als der Mann seinen Blick bemerkte, hob er das Glas und zwinkerte ihm zu. Seine vollen Lippen faszinierten Elyon sofort und der freche Blick in dessen Augen verstärkten sein Interesse noch mehr. „Ich komme gleich wieder.“ Ohne seine Schwester noch einmal anzusehen, ging er auf den gutaussehenden Fremden zu und deutete auf die Bar. Der Fremde folgte ihm und setzte sich neben ihm auf den Barhocker. Er war sich seiner Ausstrahlung wohlauf bewusst, denn er platzierte sein Bein auf dem Hocker von Elyon und legte seinen Arm auf dessen Lehne. Eine sehr besitzergreifende Geste, fiel Elyon auf. Und dabei kannten sie sich noch nicht einmal. „Kennen wir uns vielleicht?“ Fragte Elyon und winkte dem Barkeeper, dass er ihm einen Drink brachte. „Nein, so einen heißen Typen wie dich würde ich niemals vergessen.“ Nach dem Geruch nach, war der Fremde kein Vampir, oder Werwandler. Ein Incubus schien aber ebenfalls nicht zu sein.
„Charmant... Wie heißt du?“
Der Fremde lehnte sich vor und Elyon fühlte dessen Hand auf seinem Rücken. „Spielt das denn eine Rolle?“
„Ich wüsste nur immer gerne die Namen der gutaussehenden Fremden, die mich auf meiner eigenen Feier anbaggern.“
Seine Augenbrauen zogen sich interessiert in die Höhe. „Du bist also der Herr des Hauses?“ Fragte dieser ganz interessiert. Elyon nickte stolz. „Ja, das bin ich. Höchst persönlich.“ Im Moment schien es Elyon unwichtig seine beiden anderen Geschwister ebenfalls zu erwähnen. „Und mit wem habe ich gerade die Ehre?“ „Nun, ja. Wenn du möchtest kannst du mich ja heute Abend noch -Oh mein Gott- nennen.“ Lachend wandte sich Elyon nun ganz seinem geheimnisvollen Gast zu. Er war interessant und Charmant. Außerdem nahm er kein Blatt vor den Mund, das gefiel ihm. „Mal sehen. Ich kann dich doch nicht einfach so mit auf mein Zimmer nehmen. Die anderen würden sich fragen wo ihr Gastgeber hin verschwunden ist.“
Eine Hand strich über seine Wange und eine Gänsehaut überzog seinen Körper. Wie lange hatte er schon niemanden mehr in sein Bett gelassen? Es war bestimmt bereits Jahre her. Eigentlich, seit er das Letzte mal die Kontrolle über seinen Körper verloren hatte. Das wollte er niemals wieder erleben. Nur zu deutlich sah er noch das ganze Blut an den Wänden und an sich selbst.
Vielleicht sollte er es heute einfach hinter sich bringen und sich einmal wieder verwöhnen lassen. Der Fremde schien wirklich an ihm interessiert zu sein. Vielleicht konnte ja eine Sexbeziehung aus ihnen werden.
„Vielleicht... können wir ja ein hübsches Blutmädchen mit hoch nehmen. Oder einen Jungen... was möchtest du?“
Elyon überlegte, doch konnte den Blick nicht von diesem Mann nehmen. Er war einfach zu faszinierend. Seine hohen Wangenknochen warfen im Licht der Fackeln ein mystischen Schatten auf ihn und seine Augen wurden manchmal schwarz, was er ebenfalls der Dunkelheit und den wehenden Fackeln zuschrieb. Wie konnte ihn jemand in nur wenigen Minuten so verzaubern.
„Nehmen wir ein Blutmädchen mit. Damit du nicht eifersüchtig wirst.“ Scherzte Elyon und zauberte dem gutaussehenden Fremden ein noch größeres Lächeln auf die Lippen. Wie sehr wollte er sie berühren. Oder von ihnen überall berührt werden.
Plötzlich wandte sich der Fremde der Gruppe an Wesen zu und griff nach einem Mädchen, dessen Haare durch den Wind bereits ganz wirr waren. „Hier, nehmen wir diese mit. Sie sieht hübsch aus.
„Oh, jetzt werde ich aber gleich eifersüchtig.“
Mit einem intensiven Blick nahm er Elyon wieder in den Bann und führte sich das Handgelenk des Blutmädchens an die Lippen. „Keine Sorge, von mir ist mehr als genug da. Du wirst schon nicht zu kurz kommen.“ Versprach er. „Hier, nimm auch einen biss.“ Als Dämon benötigte er kein Menschenfleisch, um zu überleben, doch hin und wieder genehmigte er sich ebenfalls gerne eines. Es war zart und besaß eine feurige Note, die ihm sehr gefiel.
Ohne zu wissen was er tat, schlug er dem gutaussehenden Fremden die Hand weg, in die er gerade beißen wollte und zog das Mädchen an sich. Graugrüne Augen blickten ängstlich zu ihm hinauf. Elyon konnte den dürren Körper des bekannten Gesichtes beinahe zweimal umfassen und drehte sie so zu sich, dass sie aus dem Blickfeld des mystischen Mannes verschwand. „Sie ist mein. Rühr sie nie mehr an!“ Er konnte sein knurren beinahe selbst nicht fassen. Was war auf einmal mit ihm los? Wieso wollte er ein Blutmädchen nicht teilen? Gerade eben hätte er noch sein ganzes Vermögen mit ihm geteilt und nun raste sein Herz wie verrückt und er konnte nichts anderes als bösartig zu knurren. Das war normalerweise überhaupt nicht seine Art.
„Ist sie etwa deine Gefährtin?“ Fragte der geheimnisvolle Gast fasziniert.
Elyon blickte hinab und löste eine Hand vom Körper des Mädchens, dessen Gesicht langsam ein bekanntes Gefühl in ihm auslöste. Zärtlich strich er mit der Hand über deren Unterlippe und er hatte plötzlich das Bedürfnis sie in Besitz zu nehmen. „Verschwinde und fass sie nie mehr an. Niemand außer mir darf sie berühren!“ Elyon konnte sich nicht erklären, wieso er das dachte. Seit wann nahm er jemanden so in Schutz. Seit wann wollte er Celest so sehr für sich alleine haben? „Meine Celest.“ Flüsterte er zärtlich an ihren spröden Lippen und presste seine auf ihre. Für einen Augenblick fühlte er, wie sie scharf die Luft einsog, bevor sie ebenfalls ihre Arme um ihn legte und seinen Kuss erwiderte.
Wie sehr hatte er sich das überhaupt gewünscht. Oder wie lange bereits? Das Gefühl, endlich das getan zu haben, was er bereits stark verlangte, kam in ihm hoch. Diese stechenden, alles wissenden Augen brachten sein Blut in Wallung, ihre spröden, doch vollen Lippen raubten ihm beinahe den Atem und als er mit seiner Zunge vorsichtig gegen ihre stieß, konnte er an nichts anderes mehr denken, als ob ihr restlicher Körper ebenfalls so einzigartig schmeckte. Wie gerne würde er dies ausprobieren.
Celest legte ihren zarten Körper an seinen und er konnte trotz der Kleidung, die ihn plötzlich fürchterlich störte, all ihre Rundungen spüren. Beinahe so als besäße sie überhaupt keine. Als sie leise an seinen Lippen aufstöhne, musste er unbedingt einen Blick auf sie werfen. Sie wirkte viel weiblicher, als das er sie in Erinnerung hatte und vor allem zerbrechlicher.
„Celest?“ Fragte er. War sie es denn wirklich?
„Elyon?“ Fragte sie nun ebenfalls so verwirrt wie er.
Konnte es wahr sein? Küsste er hier gerade eben Celest? Die Besitzerin der Klinge Qual. Seit wann empfand er solche >Dinge< für sie?
Langsam wurde sein Kopf wieder klarer und er rückte ein Stück ab von ihr. Sie war immer noch verwirrt und vollkommen durch den Wind. Ob sie genau dasselbe eben empfunden hatte? Aber wieso?
Der Mann! Fiel ihm ein. Suchend blickte er sich um, doch der Gutaussehende war verschwunden. So wie das Gefühl, dass ihn die ganze Zeit beflügelt hatte, dumme Dinge zu tun. Vielleicht waren sie ja nicht dumm, doch bestimmt nicht angebracht.
„Celest ich... Das war ein Lustdämon. Es tut mir leid.“
Er erkannte den kohligen, so wie süßen Geruch sofort. Wieso war es ihm davor nicht aufgefallen?
„Ja, ich kann ihn riechen. Er ist... nach Kohlen und... Schwefel? Er will das Anwesen verlassen. Soll ich ihm flogen und foltern?“ Elyon konnte sofort erkennen, wie sehr sie dies wollte. Auch ihn reizte es dazu, doch er nahm den Arm von Celest und schüttelte den Kopf.
„Nein, lass ihn gehen. Ein zweites mal wird er es nicht probieren, außerdem hat er nicht bekommen was er wollte. Vergiss ihn einfach.“ Und vergiss das, was gerade passiert ist. Der Satz stand unausgesprochen zwischen ihnen und Celest blickte von Mordgier getrieben zu ihm auf. „Ich verstehe, Meister.“
Mit einem Nicken wandte sie wieder den Blick ab und er konnte die feine Röte in ihrem Gesicht erkennen.
„Ich gehe einmal in die Bibliothek. Vielleicht finde ich etwas über Lustdämonen.
„Ihr seid doch selbst ein Dämon. Wieso wisst Ihr nichts über ihn?“
Elyon zog die Nase kraus. Das war nichts, das sie etwas anging. „Als würden mich andere Dämonen interessieren.“ Sagte er lediglich und wandte sich zum Gehen. Celest griff nach seinem Ärmel und er blickte sie fragend an. Celest schluckte schwer und lies seinen Ärmel wieder los. „Entschuldigen Sie... Es war nichts. Gehen Sie ruhig.“
Elyon fühlte sich schlecht, dass er sie einfach so stehenließ. Er hatte sie geküsst verdammt noch einmal. Noch nie hatte er eine Frau dermaßen verwirrt und dann einfach stehen gelassen. Dieser Typ war einfach nicht. Dafür war er zu gut, trotz seiner Gene.
Leicht geistesabwesend, strich er ihr durch das Haar und dachte an die Sätze, die er gesagt hatte. Sie gehört mit. Meins. Wieso dachte er so etwas?
Das war die Schuld des Dämons! Ganz einfach. „Entschuldige bitte meine Worte. Ich war nicht ganz bei Sinnen.“ Sie hob abweisend die Schultern. Plötzlich kam ihm ein Gedanke. Wieso war sie überhaupt hier gewesen. „Celest... Wieso bist du eigentlich hier. Ich dachte du jagst im Untergrund.“
Celest blickte sich verwirrt um. Sie schien erst jetzt zu realisieren, wo sie sich befand. „ich war... in den Tunneln. Und plötzlich, hatte ich ein mulmiges Gefühl. Jetzt wo Ihr es sagt. Ich weiß es nicht. Wie lange bin ich schon hier?“
Elyon zuckte nichts wissend mit den Schultern. Ob zwischen dem Ereignis von gerade eben und ihrem plötzlichen Blackout ein Zusammenhang bestand? „Wir werden schon eine Erklärung finden.“ Versprach er und lief beinahe in das Anwesen zurück.
Von der restlichen Feier bekam er nicht mehr sonderlich viel mit, sondern verkroch sich in seiner Bibliothek, in der er bereits mehr als die Hälfte seines Lebens verbracht hatte.
Weder konnte er sagen, wie lange er saß, bis er fündig wurde, noch wusste er, ob ihm gefiel, was er fand. Es war so unwirklich, dass er es einfach nicht für ein Original halten konnte.
Mit tausend Fragen im Kopf suchte weiter bis er ein Buch über die Klinge Qual und dessen Besitzer fand, in dem er wieder seltsame Sachen fand. Die ganzen Geheimnisse in diesen Büchern machten ihn einfach wahnsinnig. Es ergab einfach keinen Sinn. Tausend sprachen, und keine davon half ihm weiter einfache Sätze zu verstehen. Nicht solche Sätze.
Wissend, dass das was er gefunden hatte, nicht für andere Augen bestimmt war, beschloss er, beide Bücher, an verschiedenen Orten zu verstecken und zu versiegeln. Es war einfach zu gefährlich, Wissen dieser Art einfach so nach außen sickern zu lassen. Das würde im Celest niemals verzeihen, jedoch brauchte er sie noch. Er brauchte ihre Art zu denken und ihren Erfolg bei der Suche.
Hunde müde warf er sich in seinem Zimmer in seine Pyjamahose und schlief beinahe auf der Stelle ein. Manche Geheimnisse musste man einfach mit ins Grab nehmen.
- - - - -
Am nächsten Morgen, wurde er nicht wie gewöhnlich von der Sonne geweckt, da er abends immer vergaß, die Vorhänge vor zu ziehen, sondern noch kurz vor Sonnenaufgang von einer kalten Klinge, die auf seinem Brustkorb lag.
„Cel... Celest. Was soll das werden, wenn es fertig ist?“
Elyon versuchte sie von sich zu heben, doch stellte schmerzhaft fest, dass seine Arme am Bett gefesselt waren. Nichts, was er nicht durchreißen konnte, doch er nahm an, dass sie das nur tat, um ihm etwas vorzuführen. „Ich weiß dass Ihr gestern Bücher versteckt habt. Sagt mir sofort wo sie sich befinden.“
Bücher. Oh...
„Das sind geheime Dämonenbücher. Sie gehen dich nichts an.“
Sie zog die Augenbrauen zusammen und schien ihn überhaupt nicht zu glauben. Wer würde es ihr schon verübeln. „Ich muss aber mehr über ihn wissen. Ich muss ihn auslöschen.“ Wenn das nur so einfach wäre...
„Tut mir Leid, doch das ist eine Angelegenheit unter Dämonen... Celest! Celest! Warte!“ Elyon schrie erschrocken auf, als sie ihre Klinge mit der flachen Seite seinen Oberkörper hinabgleiten, lies und dabei seine Pyjamahose halb hinab zog. Drohend hielt sie die Klinge über sein bestes Stück und Elyon kam ins Bangen. Natürlich würde es wieder nachwachsen, doch unvorstellbare Schmerzen würde er trotz allem erleiden. „Okay... Ich sag es dir, aber bitte... lass das dort unten in ruhe.“
Celest legte die Klinge wieder auf seinen Oberkörper, doch bliebt trotzdem mit einem mahnenden Blick über ihm stehen. „Das gestern Abend war ein Liebesdämon. Sie sind so ähnlich wie Incubi und Sukkubi, doch sie rauben zwei Liebenden die Energie. Sie werden besessen voneinander. Er bringt sie dazu ihre dunkelsten Begierden auszuleben, bis sie sich nach wenigen Wochen gegenseitig auslöschen. Ist einer tot, folgt ihm der andere. Bis dahin haben die beiden so viel gesündigt, dass er genüsslich deren Seelen aufnehmen kann.“
„Wie werden wir ihn los? Ich habe derzeit keinerlei Bedürfnis dazu meinen Gebieter zu töten.“ Elyon fiel beinahe ein Stein vom Herzen, jedoch brachte ihm das derzeit etwas durcheinander. Wie konnte sie der letzte Teil mehr interessieren, als der Teil mit den Liebenden?
„Ein Dämon ist sehr stark und kann nur von seinesgleichen ausgelöscht werden. Ich tue das, falls er wiederkommt.“
Celest nahm die Klinge wieder in die Hand und bewegte sie abwärts. „Sie werden nicht warten. Sie werden ihn so schnell wie möglich töten.“
„Das kann ich nicht. Er wird wieder kommen, da er noch nicht fertig ist. Wir müssen nur etwas abwarten... uuuuund! Celest!“ Die Klinge lag kalt an seinen, ihm wichtigsten Teilen. Mit einem gezielten Tritt schaffte er es, sie aus dem Gleichgewicht zu bringen und riss dabei das halbe Holzgestell auseinander, sodass sein Bett stark ins schwanken geriet. Celest rollte sich gekonnt ab und landete elegant auf dem Boden, doch er selbst kam äußerst unbequem am Boden auf. Sein zweiter Arm hing immer noch am Bett fest, doch mit einem Ruck befreite er sich. Mit einem Weiteren zog er seine Hose wieder hoch, die mittlerweile am Boden um seine Knöchel lag und fluchte über den hauchdünnen roten Strich an seinem Oberschenkel. Sie hatte ihn doch erwischt. Nun, ja. Zumindest war noch alles dort, wo es hingehört.
„Erklärst du mir nun gefällst, was zum Schöpfer dich geritten hat mich... Celest.“ Sie war bereits aus dem Fenster geklettert und ein kühler Luftzug glitt über seinen erhitzten Oberkörper. Verdammtes, durch die Sonnenstrahlen, rauchendes Weibsbild. Fluchte er und stieg erst einmal unter die Dusche.
Eine Stunde später lief er hinab ins Erdgeschoss und traf seine Schwester wild lachend an. Alasan glitt zärtlich schnurrend um ihre Beine und leckte über ihren Knöchel. „So viel Liebesbekundung an einem Morgen? Wie ekelerregend.“ Gab Elyon etwas mürrisch von sich. „So früh am morgen schon so genervt mein geliebter Bruder.“ Lächelte Megumi und streichelte Alasan durch sein schwarzes Fell.
„Nun, ja ich wurde nicht gerade liebevoll geweckt. Was denkt ihr denn?“ Von einem Moment auf den anderen stand Alasan nackt vor ihm und lehnte sich gähnend an die Küchenzeile. „Elyon! Keinen Stress vor unserem süßen Schwesterchen. Das ist nicht gut für unseren Neffen.“ Witzelte Alasan und fing sich dafür einen bösen Blick ein.
„Wer sagt das es ein Junge wird. Denkt ihr nicht ich habe mit euch beiden Nervensägen nicht schon genug Testosteron in meinem Elternhaus. Es wird ein Mädchen. So einfach ist das.“
„Also willst du eine Prinzessin bekommen und keinen ehrenvollen Krieger?“ Leichtfüßig sprang sie vom Barhocker und strich Alasan über die Wange. „Nein, wir haben schon eine Prinzessin. Das hier drinnen, wird eine Königin sein, die der Prinzessin in den Hintern tritt, wenn sie noch einmal so etwas sagt.“
Nun musste Elyon doch lachen. Wie sehr hatte er dies vermisst. Seine geschwätzige Schwester Megumi und sein stolzer Bruder Alasan. Sie lagen sich schon in Kindheitstagen in den Haaren. Megumi hat ihm immer gezeigt, wo es lang geht, und wollte ständig auf seinem Rücken reiten. Niemals, nicht einmal als sie ein Jahr alt war, hatte sie jemals vor dem schwarzen Jaguar so etwas wie Angst empfunden. Sie war auf ihn zu getapst, gestolpert und hatte ihn beim Hinfallen eine über die Nase gegeben. Von diesem Moment an, hatte sich Alasan immer als ihr Beschützer gefühlt. Und das war er heute noch.
Lächelnd dachte Elyon an die Zeit, als die beiden wie Zwillinge durch das riesige Haus gerannt sind. Kinderfüße, die die Stiegen unzählige Male hinauf und hinab gerannt sind. Lautes Geheul, während er gerade die Geschichte seines Landes lernte, oder seinem Vater bei Geschäftsterminen unterstützte. Wie oft hatte er sich die letzten Monate gewünscht, dass es bald wieder so sein würde. Und nun stand Megumi schwanger in diesem Haus, das wie für Kinder gemacht war.
„Sieh nicht so traurig drein. Vielleicht bist du bald der nächste.“
Der Nächste, der ein Kind erwartet? Das bezweifelte er. Schon alleine davon eine Frau zu haben, war er Meilen weit entfernt, da brauchte er an Kinder von sich selbst noch überhaupt nicht denken.
„Was meinst du?“ Fragte Alasan neugierig geworden.
„Gestern hat Elyon mit so eine überaus gutaussehenden Typ geflirtet, der offenbar Interesse hatte. Doch von einem Moment auf den anderen hat er mit einem Vampirmädchen herumgeknutscht. Er hat sie sogar als Sein bezeichnet.“
Verdammt, das hat sie gehört! Elyons Blick schien offenbar für Megumi genug zu sein, um laut loszulachen. „Sieh mich nicht so an. Beinahe jeder auf der Party hat gehört, wie du sie als Dein bezeichnet hast. Seit wann seid ihr zusammen? Und vor allem wieso weiß deine geliebte kleine Schwester nichts davon?“
Geliebte kleine Schwester, von wegen. Verärgert blickte er zu ihr hinab. „Misch dich nicht in Angelegenheiten ein, von denen du keine Ahnung hast. Celest ist meine Angestellte. Sie ist nicht meine Freundin und schon überhaupt nicht Mein. Sie gehört wem sie will, das interessiert mich nicht. Das gestern war ein Lustdämon. Er hat uns beide als Spielfiguren genommen.“
Alasans bis langen äußerst belustigter Blick, wandelte sich in einen schockierten. „Was! Noch ein Dämon! Was willst du jetzt machen?“
Selbst Megumi hielt sich schützend eine Hand auf den Bauch, als wäre der Dämon gerade im Raum und würde sie bedrohen. Beider Augen flackerten goldgelb auf und ein Knurren lag in der Luft. Sie verstanden anscheinend den ernst der Situation, im Gegensatz zu Celest. Wer konnte es ihr auch schon verübeln? Sie ist vermutlich nicht mit einem Dämon aufgewachsen.
„Ich werde abwarten müssen. Ich kenne mich mit Liebesdämonen nicht sonderlich aus. Vermutlich wartet er lediglich darauf den nächsten Schritt machen zu können.“
Alasan verschränkte die Arme vor den Oberkörper und Elyon erkannte das seine Haut leicht ins Schwarze schimmerte. Er musste seine Katze wohl sehr im Zaum halten. „Und wie sieht dieser aus?“
„Vermutlich wird er warten, bis wir alleine sind und uns dann wieder manipulieren. Es kann sich über Wochen hin ziehen, bis wir uns gegenseitig die Köpfe aus Liebe einschlagen.“ Das letzte äffte er dem Buch ziemlich abgeneigt nach und rümpfte die Nase. Als hätte er für so einen Kindergarten die Laune, geschweige denn Zeit.
„Dann spüre ihn auf und stampfe ihn in den Boden. Ich habe keine Lust mein Kind in einer solchen angespannten Familiensituation auszutragen.“ Bemerkte Megumi und knurrte leise vor sich hin. „Das kann ich nicht. Und das weist du. Wenn ich mich verwandle, dann...“ Elyon lies den Satz unvollendet im Raum stehen. Sie wussten, was dann passieren würde. Sie beide waren damals nur knapp mit dem Leben davon gekommen, da sie sich aus seiner Reichweite bringen konnten. Doch inmitten einer Stadt, die sie regierten, voller mehr oder weniger unschuldigen Wesen. Er würde tausender innerhalb einer Nacht abschlachten und könnte nicht einmal etwas dagegen tun, außer zu hoffen, das ein anderer Dämon ihn bald erlöste.
„Nur Vater konnte es damals mit dir aufnehmen. Wenn er sich also dem Dämon entgegen stellt, dann sollten wir beide so weit wie möglich weg sein.“
Elyon dachte für einen Moment darüber nach. „Oder ich sollte weg sein. Celest und ich könnten doch auf einen Ausflug gehen. In die Wildnis. Irgendwo hin, wo uns niemand außer der Dämon findet. Ich befehle ihr weg zu laufen, sobald er da ist und töte ihn.“
„Und was wird dann aus dir?“ Megumi blickte ängstlich zu ihm hinauf. „Ich werde zurückkommen, sobald ich mich wieder unter Gewalt habe.“ Schwor Elyon. Etwas anderes konnte er nicht tun.
Noch am selben Tag machte er Reisevorbereitungen und fuhr kurz nach Mittag von seinem Anwesen fort. Über einen Schleichweg fuhr er, so schnell er konnte so weit weg von allen Dörfern und Städten wie es sein Auto zuließ. Celest hatte er eine Route und Funkgerät hinterlassen, damit sie mit ihm in Kontakt treten konnte, sobald sie in der Nähe war.
Elyon war sich sicher, dass der Dämon ihnen beiden auflauern würde, wenn sie gleichzeitig fuhren, das wollte er unter allen Umständen verhindern. Auch wenn er sich nichts aus der Stadt machte, so wollte er sie dennoch nicht selbst in Grund und Boden stampfen.
Bis die Sonne unter gegangen war, dachte er darüber nach, was ihn wohl wieder zu Besinnung bringen könnte. Damals hatte er nicht einmal halt vor seinen Geschwistern gemacht, die er jedoch mehr liebte als sein eigenes Leben. Alasan, der Kämpfer der Familie. Sein Bruder, dem er einen Arm ausgerissen hatte in jener Nacht. Die kleine schreiende Megumi, der er den Kopf abbeißen wollte. Schreckliche Bilder drangen in seinen Kopf, und er versuchte, diese abzuschütteln. Nein! Niemals würde er ihr Leben wieder so gefährden. Na, gut. Wer konnte schon ahnen, dass er ebenfalls ein Dämon werden würde, wie sein Vater?
Eigentlich war es nicht üblich, dass das Kind eines Halbdämons ebenfalls ein Dämon wird. Es war sogar völlig ausgeschlossen. Selbst wenn beide Elternteile Halbdämonen wären, würden sie ihr Gen nicht weiter vererben. Doch Elyon hatte dieses grauenhafte Schicksal erhalten und war dadurch noch gefährlicher als ein Halbdämon. Es machte ihn beinahe zu einem menschlichen Dämon. Der Lustdämon, der ihm zweifelsohne folgte, war ebenso ein Halbdämon wie sein Vater und bestimmt viel älter als er selbst. Sein Vater hatte ihn damals mit knappen dreißig Jahren, nur bändigen können, da er selbst schon über eintausend Jahre alt war. Er kannte alle Tricks, wie man einen wild gewordenen Dämon wieder beruhigte und vermenschlichte. Jedoch half es nur vorübergehend. Er musste weggesperrt werden, solange bis sein menschlicher Körper keine Kraft mehr besessen hatte um weiter zu machen. Er hatte sich die Haut vom Leib gerissen und seine eigenen Knochen aus Frust angeknabbert. Als er nach einem Monat Koma endlich erwacht war, hatte sein Vater ihm einen Bindezauber beigebracht, womit er seinen inneren Dämonen kontrollieren konnte. Elyon jedoch kam es so vor, als würde sein Dämon jedes Jahr ein bisschen mehr an die Oberfläche kommen. Er hatte keinen Zweifel, dass er sich irgendwann einmal einen noch mächtigeren Bindezauber einfallen lassen musste, damit er nicht die Kontrolle verlor.
Ein Krachen auf seinem Autodach brachte ihn für einige Sekunden ins Schleudern. Als er es schaffte stehen zu bleiben, starrte er in zwei belustigte graubraune Augen. „Celest! Erschreck mich doch nicht so. Auserdem hat dir Alasan nicht gesagt, dass du dich über das...“ Sie öffnete die Autotüre und hielt ihm das kaputte Funkgerät hin. „Es hat mich erschreckt, da habe ich es kurzerhand in zwei Teile zerschnitten. Aber Alasan konnte mir erklären, wie ich Euch finde, mein Herr. Jetzt bin ich hier. Was tun wir?“
Sie fing beinahe gedankenverloren an ein Holzstück, das sie bestimmt am Weg aufgesammelt hatte, herum zu schnitzen.
Kopfschüttelnd fuhr er wieder los und erklärte ihr die Situation. „Also warten wir einfach dort bis er auftaucht.“
Elyon nickte. „Ja. Und sobald er da ist und ich mich verwandle, dann läufst du weg. Du läufst zurück zum Anwesen und berichtest alles was du gesehen hast Alasan. Er kümmert sich um den Rest.“ Was auch immer das sein würde.
„Wieso bekämpfen wir ihn so weit fort?“
„Damit er keine Unschuldigen mit in den Kampf ziehen kann.“ Log Elyon. Eigentlich meinte er damit mehr sich selbst als den Liebesdämon.
Sofort war Celests Neugierde geweckt. „Was? Nein, da steckt mehr dahinter. Ich kann Lügen fühlen.“
Elyon schnaubte abfällig. „Es geht dich nichts an. Das sind meine persönlichen Angelegenheiten. Also sobald der Dämon da ist, läufst du. Verstanden? Und dreh dich nicht um, bis du bei Alasan bist.“
Er konnte ihren forschenden Blick nur zu deutlich auf seiner Schulter spüren, doch wagte es nicht sie anzusehen. Zwischen begehren und Liebe war für Elyon ein meilenweiter Abgrund, der aus pechschwarzer Leere bestand. Nur weil sie ein begehren in ihm weckte, dass er schon lange nicht mehr empfunden hatte, hieß das noch lange nicht, dass er sich von so einem verdammten Halbdämon zwingen lässt sich einzubilden sie zu lieben. Das war lächerlich und machte ihn nur wütend.
„Wie Ihr wünscht, mein Herr. Stehe ich danach in Alasans Dienst?“
Sie nahm also an, dass er starb dabei. Vermutlich klang es in ihren Ohren so. Vermutlich lag sie sogar richtig mit der Annahme. Vermutlich war heute der letzte Tag, an dem er seine einzige verbliebene Familie gesehen hatte und dann verbrachte er die letzten Stunden damit, sich von ihnen zu entfernen. Er war wirklich ein Dämon.
Elyon spürte seine Ketten rascheln und blickte in den Rückspiegel. Niemand war zu sehen. „Was ist mit Euren Augen.“ Elyon drehte den Rückspiegel so, dass er sich selbst sah. Sie sind pechschwarz. Sofort stieg er auf die Bremse und sprang noch, während der Motor geräuschvoll abwürgte hinaus, ohne sich die Mühe zu machen, auf Celest zu warten. Sie hatte ihn nur innerhalb weniger Minuten eingeholt und das, obwohl er viele Stunden vorher losgefahren ist. Sie würde ihn überall einholen, egal wohin er ging.
„Herr! Wohin geht ihr?“ „Wir müssen in den Wald. Wir werden hier ein Lager aufstellen.“
Eine Gehstunde später, sammelte er Holz und Steine für ein Lagerfeuer, damit er nicht abkühlte. Als Vampir hatte Celest dieses Problem nicht.
„Ich geh in den Wald etwas Essen.“
„Warte...“ Elyon wollte nicht, dass sie sich entfernte. Er musste auf sie schauen, dass der Dämon sie nicht noch mehr manipulierte. „Trink bitte von mir.“
Celest blickte ihn für eine Minute forschend an. Erst als er seinen Kragen hinunter zog und seine Jacke zur Seite legte, kniete sie sich neben ihn.
„Wieso, Herr?“
„Weil ich es nicht riskieren kann, dass er dir im Wald auflauert.“
„Was ist mit Eurer Kraft? Ihr werdet geschwächt sein.“
Elyon knurrte, packte ihren Nacken und legte ihre Lippen an seinen Hals. „Tu was ich dir befehle, und kümmere dich um deine eigenen Schwächen. Du wirst deine Kraft brauchen, wenn du läufst.“
Sie murmelte etwas Unverständliches an seinem Hals, doch Elyon verstand es nicht mehr, denn ihre Worte gingen zu schnell in ein Schlucken unter. Er spürte den Schmerz ihrer Zähne beinahe überhaupt nicht. Es war lediglich wie ein Nadelstich, dann war auch schon ein betäubendes Gefühl unter seiner Haut und sein Blutkreislauf wurde etwas schneller.
Als sein Blick langsam verschwamm und Celest ihm half, sich langsam in das trockene Unterholz zu legen, fühlte er ihre Hand sanft an seiner Wange. „Was seid Ihr, Herr? Wenn Ihr nicht aufpasst, wird meine Klinge Euch völlig aufnehmen. So viel Qual und Pein in einem Wesen schmeckt ihr nämlich besonders gut.“ Sie kam an sein anderes Ohr, das sich gerade eben nicht taub anfühlte und flüsterte dort süße Drohungen hinein. Lächelnd erholte er sich innerhalb fünfzehn Minuten und konnte sich wieder aufsetzen.
„Wenn er nicht bald kommt, dann muss ich mich eingraben. Die Sonne geht bald auf und zurück ins Anwesen schaffe ich es jetzt nicht mehr.“
„Was ist mit deinem Portalzauber?“ Fragte Elyon. Sie hob die Schultern unwissend an. „Gute Frage.“ Kicherte sie und legte sich nun statt ihm auf den Boden.
In dieser Nacht kam der seltsame Dämon nicht. Auch nicht in der darauffolgenden, oder innerhalb einer Woche. Mit seinem Bruder blieb er jeden Tag in Kontakt. Sie telefonierten einmal morgens und einmal abends, damit Alasan und Megumi sich keine Sorgen machten. Jedoch stresste die Situation Megumi so sehr, dass sie medizinisch versorgt werden musste. Sie lag zwei Tage an einem Tropf, damit ihre Blutungen aufhörten, doch das Kind stand diese Woche ohne Probleme durch. Elyon wunderte es, wie stark dieses kleine Wesen doch war. Erst wenige Wochen alt, doch ertrug den Kummer seiner Mutter, als hätte es nie etwas anderes getan. Nun, ja. Es war noch nicht einmal geboren. Was sollte es sonst auch tun? Mit einem breiten Grinsen fuhr er die Auffahrt hinauf und parkte sein Auto in der Garage. Megumi wartete bereits neben einem ungeduldig aussehenden schwarzen Jaguar.
Celest war am Vorabend bereits zurückgelaufen und Elyon selbst hatte erst heute Morgen seine Sachen gepackt und war zurück nach Hause gefahren. „Wir haben uns so sorgen gemacht.“ Waren die ersten Worte, die er hörte, bevor Megumi ihm um den Hals fiel und dabei beinahe erwürgte. „Schon gut. Ich bin wieder zurück. Mir geht es gut.“ Bestätigte er und wurde sofort danach unter die Dusche geschickt. Zwar hatte er sich jeden Tag an einem Fluss gewaschen, doch das reichte einer schwangeren Werwandlerin wohl nicht.
Zurück im guten alten Heim. Nichts mochte er lieber. Vielleicht wenn der andere Dämon tot wäre, würde er sich noch besser fühlen, doch daran war derweilen nichts zu ändern. Gerade als er aus der Dusche trat und nach seinem Handtuch griff, warf sich ihm etwas Leichtes um den Hals und verbiss sich darin. Hätte er davor nicht zwei rote Augen erkannt, dann wäre sie vermutlich direkt an der Glaswand gelandet.
„Dir auch einen schönen Abend.“ Begrüßte er Celest, die bisweilen beinahe jeden Abend von ihm getrunken hatte und dies anscheinend auch fortsetzen wollte.
„Entschuldigt, mein Herr. Aber ich konnte letzte Nacht nichts mehr trinken und die Sonne hat mich auch noch erwischt. Ich musste einfach zu Euch kommen. Bitte verzeiht mir diese barsche Attacke.“ Sie wischte sich beiläufig das Blut von ihrem Mund. Heute hatte sie nur einen Liter von ihm genommen. Er vermutete, dass sie sich den Rest von einer anderen Quelle holen würde.
„Schon in Ordnung. Nur bitte warne mich das nächste mal vor. Es ist nicht gerade höflich einem Mann an die Kehle zu springen, der gerade aus der Dusche ist.“ Elyon dachte noch einmal über das Gesagte nach und korrigierte sich selbst. „Wenn ich so darüber nachdenke ist es überhaupt nicht höflich seinem Herren einfach so an die Kehle zu gehen. Besonders nicht, wenn er gerade nackt ist.“
Sie bedachte ihn mit einem Lächeln, das ihm eine Gänsehaut verschaffte und er nahm das Handtuch dankend entgegen. Mit einer fliesenden Bewegung band er es sich um die Hüfte und verschränkte beide Hände vor seinen Brustkorb, als Celest immer noch direkt vor ihm stand und mit den Augen jeder seiner Bewegungen folgte.
Unvermittelt legte sie ihm eine Hand auf das Brustbein und kicherte wie von Sinnen. „Nun war unser Ausflug in die Wildnis wohl ein Misserfolg.“
Elyon packte ihr Handgelenk, da sich ihre Hand langsam seinen Brustkorb hinab bewegte, und hob ihr Kinn an, damit sie ihn ansah. „Nein, denn wir wissen jetzt, dass er uns hier auflauert. Er ist ganz nah.“ Ohne auf sie zu achten, schob er sie von sich und ging in sein Schlafzimmer zurück, um sich anzuziehen. Celest folgte ihm wie eine rollige Katze auf schritt und Tritt. Das konnte ja heute Abend noch lustig werden. Wieso war er ihnen nicht in den Wald gefolgt? Elyon hatte eine Woche damit verschwendet Zeit totzuschlagen und das ohne Erfolg. Also musste er den Dämon in seinen eigenen vier Wänden töten. Zornig schlug er auf seinen Nachtkasten ein, der splitternd in seine Einzelteile zersprang. „Verdammtes Monster!“ Knurrte Elyon und verließ, gefolgt von Celest, sein Zimmer. Im Erdgeschoss verschwand Celest wieder und murmelte etwas, von wegen Haustiere füttern. Er konnte sich schon vorstellen, was sie meinte. Die seltsamen Wesen, die in seinem Keller gehalten wurden. Vor wenigen Wochen noch normale Wesen, mussten sie nun unter der Aufsicht einer Verrückten leben. Am liebsten würde er sie ja einfach erlösen, doch sie waren abtrünnige, die einer Organisation angehörten, die seine Familie auslöschen wollte. So jemand verdiente nicht sein Mitleid, geschweige denn seine Gnade. „Wieso bist du wieder so mürrisch?“ War die erste beinahe vorwurfsvolle Frage, die Megumi ihm stellte und beinahe gelangweilt durch das Abendprogramm zippte. „Der Dämon nimmt Celest immer mehr im Bann. Ich überlege ob ich sie nicht wegschicke für eine Weile.“
„Er wird ihr folgen.“ Meinte Alasan von den Wohnzimmerbalken herab und lächelte, als Elyon sich erschreckte. Dummer Hauskater.
„Das weiß ich auch. Nur es nervt mich, wenn sie mir wie eine rollige Katze überall hin folgt.“
Nun warf ihm seine kleine Schwester einen wütenden Blick zu. „Entschuldige, so war es nicht gemeint.“
Nickend nahm sie die Entschuldigung an und widmete ihre Aufmerksamkeit dem Abendprogramm. „Würde es jemanden von euch etwas ausmachen mir eine Gans zu bringen.“ Fragte sie beinahe beiläufig, sodass beide Brüder dachten, Megumi würde scherzen.
Elyon merkte zuerst, dass es kein Scherz war, sondern ihr Kind, das unbedingt etwas ausgefallenes Essen wollte.
„Ja, ich gehe. Ich könnte einen Spaziergang vertragen.“ Elyon ging erst nicht in die Garage, denn er wollte lieber zu Fuß gehen. Sein Anwesen befindet sich im östlichen Teil seiner Stadt. Dessen Einwohnerzahl lag bei knapp zweitausendfünfhundert. Also war es nicht gerade einer der größten Städte, jedoch einer der finanziell am abgesicherten. Wenn er wollte, könnte er sämtliche rissigen Straßen erneuern, ohne großartig dabei auf sein Geld zu achten. Ebenso könnte er, natürlich nur wenn er wollte sämtlichen Heimatlosen, die hier auf seinen Seitengassen vermoderten, ein Wohnhaus bauen lassen, doch wieso sollte er? Seinen Wohlstand zu schau zu stellen, würde die Bürger nur noch gieriger machen. Sie würden mehr wollen und immer mehr Leute würden her ziehen. Es wäre ein ewiger Kreislauf, auf den er absolut keine Lust hatte. Vielleicht in ein paar hundert Jahren, wenn ihm zu langweilig wurde, würde er etwas verändern, doch heute war definitiv kein Tag davon. Nach einem halbstündigen Fußmarsch kam er zu einem Züchter, der seine Gänse auf dem Dach züchtete. Ohne anzuklopfen, öffnete er die Türe und starrte in erschrockene Augen. „Was wollen Sie hier!? Verschwinden... Oh, Herr Elyon. Entschuldigt, ich habe Euch nicht erkannt. Was kann ich zu dieser Stunde für Euch tun.“
Elyon übersah mit Absicht die Eier, die der Bauer hinter seinem breiten Umfang verschwinden lies, und klapperte ungeduldig mit den Fingern auf dem Tresen. „Ich bin hier um zwanzig deiner dicksten Gänse zu kaufen. Der Preis spielt keine Rolle.“ Das tat er nie.
Nur zehn Minuten später, hatte der Bauer eine Fuhr zusammen gestellt mit zwanzig aufgebrachten Gänsen, denen offensichtlich die späte Störung nicht passte. Lächelnd dachte er daran, wie wenig es ihnen gefallen würde, wenn sie wüssten, was ihnen nun bevorstand.
„Gut, bringt sie ins Anwesen. Ich habe noch zu tun.“ Beinahe beiläufig ließ er ein Bündel mit Bargeld in die Arme des kleinen Mädchens fallen, dass sich bislang hinter einem Tisch versteckt hatte und sie blickte schockiert auf. Als sie jedoch den Betrag erkannte, den sie vermutlich das erste so wie das letzte mal in Händen hielt, zauberte sich ein strahlendes Lächeln auf ihre Lippen. „Danke, mein Herr. Ihr seid zu gütig.“
Ohne sich noch einmal nach dem stinkenden Gebäude umzudrehen, hoffte er, dass sie so schnell wie möglich einen geeigneteren Hof finden würden für deren Zucht, denn der Geruch der diese Straße hinauf und hinab floss war ekelerregend. Wenn er zuhause war, würde er seine Kleidung verbrennen müssen.
Dieser Abend war zu seiner persönlichen Freude ruhig und kaum jemand wagte es den Blick auf ihn zu richten, nur ein paar kleine Kinder, die ihn noch nicht kannte, sahen aus ihren Fenster und wurden barsch von deren Eltern weggescheucht.
„Wie ich sehe, machst du einen späten Einkauf.“ Knurrend warf Elyon einen Blick zurück und erkannte den Lustdämon. Beinahe gleichgültig ging er weiter. „Für eine Feier. Du bist jedoch nicht eingeladen.“ Bestimmt und ehrlich. Er wollte diesen Dämon niemals wieder in seinem Anwesen haben.
„Wie unhöflich von dir. Und das obwohl ich dir und deiner geliebten auf die Sprünge geholfen habe?“
„Sprich keinen Unsinn. Wir wissen beide, das sich ein Dämon nicht für das Liebesleben eines Wesens interessiert.“
„Und gerade du solltest am besten wissen, das du kein normales Wesen bist. Zuerst dachte ich das, als ich jedoch deine schwarzen Augen gesehen habe, wurde ich etwas besseren belehrt. Verrat mir dein Geheimnis. Wieso kann ich dich nicht riechen?“
Halbdämonen besaßen einen unverwechselbaren Geruch, doch er selbst war offensichtlich kein normaler Halbdämon.
Elyon blieb stehen und lächelte den gutaussehenden Dämon freundlich an. Wie schade dass er sein hübsches Gesicht zerstören muss. „Mein Lieber. Wenn wir nicht alle zumindest einige Geheimnisse bewahren, dann würde doch unsere Beziehung zu schnell langweilig werden.“
Der Dämon legte ihm genauso freundlich lächelnd eine Hand auf die Wange und strich mit dem Daumen über Elyons Unterlippe.
„Ach, wenn wir nur so eine Beziehung hätten. Es wäre zu schön. Ich hatte schon lange keinen anderen Halbdämon mehr.“ Der Lustdämon kam noch einen Schritt näher und Elyon merkte, dass er mit dem Rücken an einer Hauswand stand. Erregung glitt durch seinen Körper, doch er wusste, dass es lediglich von diesem verdammten Halbdämon ausgelöst wurde. „Jedoch, kann ich dir ein Geheimnis verraten, das dich bestimmt interessieren würde.“
Elyon horchte auf. „Im Gegenzug zu was?“ „Zu deinem Geheimnis.“
Elyon schnaufte belustigt. „Ja, klar. Ein gelangweilter hundertjähriger Halbdämonen spielt Wer-weiß-was mit einem Paar, das nicht einmal zusammen ist.“
Die Hand des Halbdämons glitt langsam seine Wange hinab zu seinem Hals und machte erst bei Elyons Ausschnitt halt, um kleine Kreise über sein Schlüsselbein zu ziehen. „Wer weiß was einen alten Halbdämon antreibt. Aber du könntest es herausfinden.“ Seine vieldeutige Aussage verwirrte Elyon etwas. Was führte dieses Wesen nur im Schilde? Hatte er nun vor ihn zu verführen, oder wollte er ihn zerstören?
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Alasan machte sich nun schon ernsthafte Sorgen. Es war normal für Elyon Stunden, oder sogar Tage und Nächte fortzubleiben und sich nicht zu melden. Alasan störte es normalerweise auch überhaupt nicht, doch wenn dort draußen ein Dämon herum streunte, der seinem eigenen Bruder mehr als nur an die Wäsche wollte, dann machte er sich ernsthafte sorgen.
Celest lief nun zum siebenten Mal strahlend an ihm vorbei und er konnte einfach nicht anders. Er musste sich ablenken. „Celest.“ Sie blickte ihn verwirrt an. Anscheinend hatte sie nicht einmal mitbekommen, dass er auf den Wohnzimmerbalken lag und genüsslich ein Buch las. „Ja, Bruder meines Herren.“
„Mein Bruder ist außer Haus, das bedeutet ich bin zur Zeit dein Meister. Komm hoch zu mir.“
Gehörig sprang sie grazil wie ein Werwandler auf die drei Meter in der Höhe gebauten Balken. „Ja, Sir. Was kann ich für Sie tun.“
Gelangweilt ließ er sein Buch mit einer Treffsicherheit, die nur Werwandler zu eigen war, auf den Tisch fallen, der mehrere Meter von ihm entfernt stand und schnaubte. „Ich mache mir Sorgen um Elyon. Ich möchte das du ihn findest. Er hätte schon seit Stunden zurück sein müssen.“
Celest verzog das Gesicht. „Sir die Sonne ist beinahe auf gegangen. Ich kann nirgendwo mehr hin.“
Sich selbst grämend schickte er sie mit einer Handbewegung in ihr Zimmer. So etwas Unnützes. Wieso hatte Elyon sie eingestellt, wenn sie tagsüber absolut keinen Sinn erfüllt?
„Was knurrst du denn so. Ist Elyon immer noch nicht zurück.“
Er schüttelte betrübt den Kopf und sprang zu seiner kleinen Schwester hinab. „Nein. Nicht einmal eine Nachricht hat er mir geschickt. Ich frage mich was ihm dazwischen gekommen ist.“
„Solange es jemand gutaussehender war, finde ich es in Ordnung.“
„Und was ist wenn es der Dämon war?“ Fragte Alasan etwas gereizt, da Megumi es anscheinend nicht einmal in den Sinn kam.
„Dann weiß er sich zu verteidigen. Alasan, ich weiß du bist unser Kämpfer in der Familie, doch das bedeutet nicht das wir schutzlos hier auf die Welt gekommen sind. Zumindest sind wir es jetzt nicht mehr.“ Korrigierte sie sich selbst, als sie daran dachte, dass sich ein Baby nicht verteidigen konnte. „Was ich jedenfalls sagen wollte ist, dass Elyon, auch wenn er eher der Denker der Familie ist, diesen Dämon den Arsch aufreißen wird, wenn er ihm zu nahe kommt. Außerdem, denkst du nicht Celest wüsste es wenn ihm etwas passiert ist, durch ihren Vertrag? Denkst du wir würden es nicht fühlen? Du bist sein Bruder, niemand steht ihm näher. Und ich bin seine Schwester. Diejenige die er am liebsten hat.“ Scherzte sie, um Alasan wieder ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern, was ihr mit dieser Aussage auch gelang. Er legte ihr beide Arme um den Körper und küsste sie auf die Stirn. „Du hast vermutlich recht. Ich denke Elyons Überfürsorge hat etwas auf mich abgefärbt die letzten Jahre.“
Megumi lachte laut auf. „Ein bisschen. Du bist beinahe schlimmer als er. Ein paar Stunden länger und du schickst einen Suchtrupp los.“
Mit einem Wink tat er dies ab. „Als würde ich einen Trupp brauchen, wenn ich doch diesen Körper hier habe.“ Er deutete auf seinen offensichtlich gut gebauten Körper, dem niemand widerstehen konnte und natürlich seine angeborene Anziehung als Incubus.
„Na wenn du meinst. Ich kann wohl meinen Körper die nächsten Jahre vergessen.“ Megumi zog ihr Schlafhemd hoch und offenbarte ihm die leichte Wölbung ihres Bauches.
„Oh. Der ist aber schon groß.“ Alasan kannte sich mit Schwangerschaften nicht sonderlich aus, doch nach dieser kurzen Zeit bereits einen etwas angehobenen Bauch zu haben, verirrte selbst ihm.
„Schau nicht so. Das ist normal. Das Drachenbaby braucht eben seinen Platz. Ich werde im siebenten Monat herum laufen, als hätte ich Zwillinge im neunten Monat. Dieses Kind wird meine Figur für den Rest meines Lebens zerstören.“ Beklagte sie sich und griff nach einer Scheibe Toast. Angeekelt steckte sie sie angebissen in die Packung zurück und nahm sich stattdessen etwas rohes Fleisch aus dem Kühlschrank. Dadurch das meist zumindest ein Werwandler im Anwesen lebte, musste immer frisches rohes Fleisch im Kühlschrank sein. Normalerweise aß Alasan es etwas aufgewärmt, doch das Megumi es einfach so, eiskalt direkt aus dem Kühlschrank aß, erschreckte ihn doch ein wenig. Nun war ihm der Appetit vergangen und er legte seinen Toast ebenfalls zurück.
„Was denn? Ich habe Hunger.“ Gab sie etwas muffig auf seinen angeekelten Blick zurück.
„Ich sage doch überhaupt nichts.“ Verteidigte sich Alasan und lächelte dabei.
Noch bevor sie ihn mit einem Stück kalten Fleisch abschießen konnte, klingelte das Telefon im Wohnzimmer und er lief sich entschuldigend um die Ecke. Mit einem breiten Grinsen hob er ab.
„Im Anwesen der Vastia. Was beschafft mir diese Ehre am frühen Morgen.“
Am anderen Ende des Telefons erklang ein genervtes Schnauben. „Wer sind Sie?“
Alasan blickte verwirrt das Schnurrtelefon an. „Nun, ja da Sie angerufen haben, würde ich sagen, dass Sie mir zuerst ihren Namen nennen.“
„Ich rufe wegen Megumi Vastia an. Mit wem spreche ich?“
Alasan dämmerte so langsam, dass das wohl Megumis große Liebe sein musste. Eine Liebe, die eindeutig bisher einseitig verlief. „Mein Name ist Alasan Vastia. Ihr Bruder. Und mit wem habe ich die ehre?“
„Megumi hat nie etwas von einem Bruder erwähnt.“ Hatte sie nicht. Wieso?
„Tja, da sieht man mal wieder wie sehr man sich in Leuten täuschen kann. Immerhin muss man nicht jeder billigen Affäre seinen gesamten Familienstammbaum vorführen.“
Ein überaus verärgertes und tiefes Knurren, das wohl nur ein Drache hervorbringen konnte, erklang über das Telefon. Dann stimmte es wohl. Es war der Wyvern. Jedoch wieso rief er an?
„Ihre Gedanke können Sie für sich behalten, die interessieren mich nicht. Mich interessiert nur Megumi.“
Schnaubend dachte Alasan daran, einfach aufzulegen, doch damit würde er riskieren, dass der Wyvern hierher kam. „Wenn Sie Megumi das auch im Bett gesagt haben, dann wundert es mich nicht, dass sie so schnell zu ihrem Mann zurückgegangen ist. Jedenfalls ist sie hier nicht zu erreichen. Sie und ihr Mann leben am Meer. Wer kann es ihnen verübeln? Waren Sie schon einmal am Meer? Es ist wirklich wunderschön dort. Und...“ Der Drache hatte aufgehängt. Grinsend legte auch Alasan das Telefon zurück an seinen Platz und war ungemein Stolz auf sich selbst. Zumindest bis er sich umwandte und unter Megumis beinahe tödlichen Blick erstarrte.
„Was hast du gerade getan!“ Knurrte sie und Schnurrhaare wuchsen ihr aus den Wangen. Ihr Gebiss verzog sich zu dem einer Raubkatze und ihr Hautton wurde einige Nuancen brauner mit einigen schwarzen Flecken. Da sie schwanger ist, kann sie sich nicht voll verwandeln, was ihm einen guten Vorsprung einbrachte.
Megumi jagte ihn beinahe eine Stunde durch das gesamte Anwesen und dabei hinterließen sie einige böse Verwüstungen, wofür sie vermutlich von Elyon einige Rügen bekommen würden, wenn er sie zu Gesicht bekäme.
Erst als Megumi erschöpft auf dem dem einzig noch stehenden Stuhl platz nahm und sich schmerzhaft den Bauch rieb, wagte er es, in ihre Nähe zu kommen. „Ist alles in Ordnung... mit... du weist schon?“
Sie hob unwissend die Schultern und dicke Tränen liefen ihre Wangen hinab. „Ich weiß nicht ob überhaupt noch irgendetwas in Ordnung ist. Ich meine... sieh mich einmal an. Ich bin schwanger. Von... von einem... arroganten, abweisenden, Arschloch. Er lässt mich schon seit Jahren ständig fallen. Ich bin immer zehnte Wahl, falls überhaupt. Er meinte, dass es ihm wichtiger wäre eine Beziehung mit einem anderen Drachen zu führen, da ich als normales Wesen niemals so stark wäre. Seine verdammte gesamte Sippe besteht aus kräftigen Drachen. Ich wäre da lediglich eine Bürde. Eine Bürde die ich nicht zu tragen Wert sei. Jedoch als Sexspielzeug nimmt er mich immer gerne. Und jetzt... Jetzt trage ich von diesem... bestialischen, rede schwingenden Mistkäfer auch noch ein Kind aus. Ich habe ihm Wochenlang auf die Mailbox gesprochen, dass ich ich etwas äußerst wichtiges zu besprechen mit ihm hätte. Und er...“ meldet sich kein einziges Mal. Sie sprach es nicht fertig aus, da ihre Stimme von einem heftigen Schluchzen unterbrochen wurde, doch Alasan verstand sie auch so. Ihre Wut gerade eben galt also überhaupt nicht ihm, weil er den Wyvern eine dicke Lüge aufgetischt hatte, sondern dem Wyvern selbst, dass er sich erst jetzt meldete. Trotz dieser harten Worte war sie immer noch bei ihm geblieben. Bis zuletzt.
„Mädchen... was haben wir dir denn beigebracht?“ Er nahm sie in den Arm, was sie veranlasste, noch lauter zu weinen. „Sei von uns aus körperlich abhängig von etwas, oder jemanden, doch niemals leg auch noch dein Herz mit auf diese Waage.“
Nickend wurde ihr Schluchzen noch lauter. Egal wie sie sich gerade auch rechtfertigte, er verstand kein Wort, zumindest bis sie sich beruhigt hatte, und aufhörte ihre Worte von kräftigen Schnaufen und stottern verschlingen zu lassen. „Ich weiß... Ich... Ich... Ich... weiß nicht was los war. Es ist einfach seine Nähe. Ich kann an nichts anderes als an ihn denken. Sein Geruch, seine Bewegungen. Sein Lächeln, wenn wir zusammen im Bett liegen und uns etwas erzählen. Seine Augen, die mich jedes mal, wenn wir alleine sind ansehen, als gebe es nichts außer uns beiden auf dieser Welt. Und dann...“ Alasan verstand. Es musste schwer sein, zu sehen das einer einen ebenfalls so sehr wollte, doch ständig wegen dem Druck von außen einen von sich stieß. Alasan hatte noch nie jemanden gefunden, den er so sehr wollte, doch er bereute es auch nicht. Er hatte noch Jahre vor sich, wo er ihr, oder ihm zufällig über den Weg laufen konnte. Doch das Megumi sich nun so fühlte, ließ ihn mitfühlend werden. Seine kleine Schwester so am Boden zu sehen, traf ihn härter als gedacht. Seit ihrer Geburt, nein, seit ihrem ersten Schlag, den sie aus Versehen ausgeteilt hatte, als sie vor ihm stolperte und ihn ganz schön auf der Nase traf, wusste er, dass Megumi sein Herz gestohlen hatte. Dieses kleine beinahe unschuldige Kleinkind, das nur lächeln brauchte, damit ein jeder sie liebte. Nicht einmal der sture und immer erwachsen wirkende Elyon konnte ihr widerstehen. Sie hatten sich geschworen sie immer vor allem und jedem zu beschützen. Selbst als ihre Eltern verstarben, war es Megumi, die am wenigsten die dabei litt. Sie wurde schon immer behütet und geliebt von ihnen beiden, wie es niemals jemand anderes könnte. Und jetzt... Jetzt war er machtlos. Alasan konnte Megumi vor körperlichen Schäden und verbalen schützen, doch nicht ihr Herz. Was gebe er jetzt dafür ihr diesen Schmerz nehmen zu können. Ihn selbst zu tragen.
„Es tut mir ja so leid. Ich wünschte, ich könnte auch nur annähernd etwas für dich tun.“ „Das hast du bereits.“ Flüsterte sie und legte ihre Stirn gegen seine. „Du hast ihn ganz schön erschreckt.“ Ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen, was auch ihn veranlasste zu lächeln. „Nun, ja. Ich war etwas gekränkt, dass du deine ach so geliebten Brüder nicht erwähnt hast.“
Sie hob abweisend die Schultern. „Wir haben eigentlich nie viel über mich gesprochen. Hauptsächlich über ihn, seine Last die er trägt und was für eine Zukunft wir uns wünschen. Er hat nie nach Verwandten gefragt, daher habe ich sie auch nie erwähnt.“
Alasans lächeln wurde noch größer. „Das war auch gut so. Hätte er gekonnt, wäre er vermutlich durch das Telefon gekrochen.“ Lachen zog Megumi ihre Beine hoch und blickte verträumt irgendwo hin, wo er ihr nicht folgen konnte. Vermutlich stellte sie sich gerade vor, wie er sich ärgern musste, dass er so etwas Wichtiges einfach so nebenbei erfuhr. Und das nicht von ihr, sondern von einem völlig Fremden.
Ebenfalls grinsend und stolz auf sich selbst, ging er zum Herd und setzte einen Tee auf. Während er wartete, dass das Wasser heiß wurde, fing er an zum zusammen räumen, doch lies es dann wieder. Stattdessen rief er die Firma an, die es mittlerweile gewohnt war, den Saustall der zu jeder Stunde einfach so im Anwesen passieren konnte auf zu räumen.
Nach dem Anruf brachte er der beinahe wieder einschlafenden Megumi ihren Tee und sie nahm ihn, danken entgegen.
Genüsslich trank sie ihn aus und rollte sich danach am gepolsterten Stuhl zusammen, wo sie sofort einschlief. Lächelnd legte er ihre eine Decke um den Körper, jedoch hauptsächlich, um ihren Bauch zu verdecken, wenn die Putzkolonne kam. Während er es sich in der Küche bequem machte und versuchte die alten Möbel über das Internet zu ersetzten, damit Elyon nichts davon mit bekam. Noch am selben Nachmittag wurden die Möbel geliefert und Alasan richtete sie genauso aus, wie die alten davor gestanden sind. Einige konnte er trotz seiner Bemühungen nicht ersetzten, doch für diese würde er schon eine geeignete Ausrede finden.
Gerade als er sich erschöpft auf dem neuen Sofa nieder lies und Megumi ihre Augen nach ihrem Vormittagsschläfchen wieder öffnete, hörte er die Schritte seines Bruders die Auffahrt hinauf kommen. Megumi hörte ihn ebenfalls und sprang sofort auf.
„Ich bin zurück.“ Verkündete Elyon in einem normalen Plauderton, da er wusste, dass Megumi und Alasan ihn auch so hören würden. Sofort standen sie beide vor ihm und sogen scharf die Luft ein. „Du warst letzte Nacht bei jemanden.“ Verkündete Megumi beinahe als wäre dies ein Vorwurf. „Bis vor kurzem. Du riechst noch nach ihm.“ Korrigierte Alasan
Elyon blickte Alasan und Megumi an, als wäre er direkt vor einem Verhör. „Okay... gut erkannt ihr Schnüffler. Ja ich war die ganze Nacht, bis vor drei Stunden bei einem Mann und habe mich ziemlich verausgabt. Um ehrlich zu sein möchte ich nur duschen und ins Bett, ich habe bisher kein Auge zugetan.“
„Das kann ich mit vorstellen.“ Versicherte Megumi mit einem Breiten lächeln. Alasan knurrte bedrohlich. War er etwa der Einzige, der sich hier sorgen machte?
„Schon gut, schon gut. Ich weiß was du sagen willst. Wegen dem Halbdämon und so. Aber er hat mir nichts getan. Nun, ja nichts ernsthaftes.“
Megumi verging das Lächeln und Alasan musste sich zurückhalten, um seinen Bruder nicht sofort zu erschlagen. „Was! Ein Halbdämonen will mit dir und Celest ein Spielchen spielen und du hast nichts besseres zu tun als zu ihm auf ein Stelldichein zu gehen?“
„Ein Stelldichein?“ Wiederholte Elyon fragend. „Dieses Wort ist bestimmt so altmodisch wie du selbst. Außerdem wollte er uns überhaupt nicht fressen. Er fand mich lediglich attraktiv und das mit Celest wusste er nicht. Ich habe ihm jedoch erklärt, dass sie und ich lediglich ein Arbeitsverhältnis haben.“
Alasans schnaubte so abfällig, wie Megumi dreinsah. „Also wirklich. Und du glaubst ihm das auch noch? Als deine Schwester, die mittlerweile weiß wovon sie spricht, rate ich dir dich von ihm fern zu halten. Er ist ein Lustdämon. Er manipuliert dich.“
Elyon dachte offensichtlich ernsthaft darüber nach, doch lächelte dann. „Selbst wenn er mich lediglich letzte Nacht manipuliert hat, ist es doch egal. Wir haben einige feuchte Stunden zusammen verbracht, unseren Spaß gehabt und das war es. Ich habe nicht das Bedürfnis ihn ständig zu sehen, oder mich in ihn für ein paar Jahre zu verlieben. Gerade ihr beide solltet wissen, dass ich nicht so leichtfertig eine Beziehung eingehe. Weder binde ich mich fest an jemanden,...“ Er blickte Megumi streng an „... noch habe ich ständig verschiedene Partner die ich danach auffresse.“ Sein Blick glitt nun zu Alasan, der darüber schmunzeln musste.
Beruhigt, das Elyon immer noch der selbe ist, ließen sie ihn duschen und schlafen gehen. „Und was machen wir beiden hübschen heute noch?“ Fragte Megumi auffordernd. Alasan zuckte mit den Schultern. „Ich weiß ja nicht was du machst, aber ich geh auf eine kleine Orgie, die in einem Blutbad enden wird. Wenn du mich also entschuldigst.“ Er küsste sie flüchtig auf die Wange und verschwand danach in die Garage, um sein Auto auszuparken. Megumi derweilen, sich plagend über ihren unvorteilhaften Zustand, beschloss, noch etwas fern zu sehen, bis sie müde genug war, um schlafen zu gehen. Doch vorher würde sie noch den Kühlschrank plündern. Grinsend tapste sie lautlos in die Küche und folgte dem leckeren Duft nach rohem Fleisch.
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Dies Mal erwachte Elyon gegen Mittag durch den Geruch von essen. Neugierig folgte er dem neuen Duft, der ihm das Wasser im Mund zusammen laufen lies und stand plötzlich im Garten vor einem riesigen Buffet. „Was zur Hölle ist denn hier los?“
„Geschäftsessen.“ Verkündete Alasan freudig strahlen. Normalerweise war Elyon für solche Veranstaltungen zuständig, da er die nötigen Kontakte besaß, doch dass sich einmal Alasan die Mühe machte, erstaunte ihn ernsthaft.
„Verstehe... eigentlich nicht, nein. Klär mich doch bitte auf mein liebster Bruder.“
Alasan tat geschmeichelt. „Ach das sagst du nur da ich dein einziger Bruder bin.“
Elyon lächelte breit, da Alasan dies immer darauf erwiderte und stahl sich eine Garnele. „Aber es ist die unbestreitbare Wahrheit.“ Versprach er kauend und tippte die Garnele ungesehen in eine Sauce. Als sein jüngerer Bruder das sah, schlug er ihm eine über die Finger. „Lass das. Das essen ist nicht für dich, sondern für unsere Gäste.“
„Gäste? Falls es dir nicht aufgefallen sein sollte, die letzten vierzig Jahre, aber ich lebe ebenfalls hier. Also bin ich auch so etwas wie ein Gast.“
Alasan winkte dies als unwichtig ab. „Ja, ja. Ich habe gestern einige Geschäftsleute bei der Orgie getroffen, die heute kommen.“
„Und du hast sie nicht aufgefressen? Verstößt das nicht gegen deine Grundsätze.“
Spöttisch lachte er. „Ha, ha. Mach dich nur lustig über mich. Aber du kennst mich doch. Mir persönlich ist es egal was die Leute in ihrer Freizeit machen. Ob sie es gleichgeschlechtlich machen, an seltsamen Orten, in perversen Stellungen, als...“
„Ja, ja. Schon klar. Auf was willst du hinaus, Brüderchen?“ „Entschuldige. Ich meinte nur, dass sie mich bestechen wollten, das ich meinen Mund darüber halte, dass sie an einer solchen Orgie teilnehmen. Um es kurz zu machen, nach einigen Stunden der Verhandlungen, nennen wir es einmal so, habe ich sie kurzerhand zu einem Mittagessen bei uns eingeladen.
Elyon blickte sich prüfend um. „Also... dann... bekommen sie etwas zu essen, oder sind sie das essen?“
Lachend schickte Alasan mit einigen Anweisungen die Angestellten herum, bevor er antwortete. „Natürlich bekommen sie das essen. Es wäre wohl etwas komisch, wenn so viele Politiker zu uns eingeladen sind und gleichzeitig verschwinden. Außerdem hatte ich bereits einen Snack letzte Nacht. Heute lasse ich das Frischfleisch einmal aus.“ Kicherte er und Elyon fiel auf, dass eigentlich beinahe alles vegetarisch war, bis auf den Fisch.
„Und diese Politiker sind alles Vegetarier?“ Fragte er prüfend.
„Das weiß ich nicht, doch ich hoffe es einmal, da wir kein Fleisch mehr in unserem Kühlschrank haben.“
Elyon lies seinen beschäftigten Bruder weiter arbeiten und verdrückte sich in die Küche. „Tatsächlich... alles leer.“ Sich innerlich darüber beschwerend, dass der verdammte Kühlschrank, doch beinahe jeden Morgen aufgefüllt wurde, ging er hinab in die Personalküche, in der meist nur eine einzige Person war. „Sir Elyon. Wie kann ich Ihnen helfen.“ Fragte der Koch, der bis gerade eben noch ein Mittagsschläfchen gehalten hatte. „Ich bin hier um nach zu fragen, weshalb unser Kühlschrank leer ist.“
Der Koch wirkte ebenso verwirrt wie Elyon selbst und konnte es ebenfalls nicht aufklären. „Ich habe heute Morgen den gesamten Bestand wieder aufgefüllt, da er bereits diese Nacht leer gegessen wurde. Das er schon wieder leer ist, ist mir selbst ein Rätsel.“
Sich bedanken, nahm er an, dass es hier jemanden gab, der das Essen stahl. Doch weshalb sollte jemand in ihr Anwesen kommen und ausgerechnet Essen mit nehmen? Außerdem roch es nach niemand anderen in der Küche, als nach Alasan, Megumi und ihm selbst.
Vor ein ihn mehr grämenden, als begeisterndes Rätsel gestellt, stapfte er hinab in den Erdkeller, in dem sie Essen trocken lagerten.
Das Erste was ihm auffiel, war das der Keller nach seiner Schwester roch. Fragend rief er sie, doch bekam keine Antwort.
Nachdem er mehrere Kellerabteilungen durch gesehen hatte, fand er sie in einer Ecke schlafend kauern. Über, voller Blut und einige Knochenstücke hingen ihr noch im Haar. Verwirrt besah er die abgetrennten Beine und Arme, die noch herum lagen und andere unverdaute Essensreste, die er guten Gewissens einfach einmal übersah. „Megumi. Geht es dir gut?“ Sie antwortete nicht, sondern rollte sich nur noch enger zusammen. Was war hier nur los? Megumi war doch sonst nicht so, dass sie die Kontrolle verlor.
Besorgt um sie, nahm er sie hoch und trug sie wieder zurück in den ersten Stock, um sie in ihr Bett zu legen. „Was ist nur los mit dir?“ Fragte er sie, doch bekam keine Antwort. Stattdessen kuschelte sie sich nur tiefer unter ihre dicke Felldecke, die sie selbst zusammengestellt hatte und schnaubte. War so etwas normal? Sie und das Kind selbst waren Raubtiere. Es war normal unter Werwandler, einen Heißhunger auf rohes Fleisch zu bekommen, zumindest mehr, als sie ansonsten essen. Elyon blieb noch einige Stunden bei ihr sitzen, bis sie aufwachte.
„Elyon. Was machst du in meinem Zimmer?“
Üblicherweise hielt er sich niemals in ihrem äußerst Tier betonten Zimmer auf. Überall an den Wänden hingen ausgestopfte Tierköpfe und Fellabschnitte von verschiedenen Tieren, stellten über ihrem Bett das Emblem ihrer Familie da. „Ich habe dich schlafend und voller Essensreste im Keller gefunden. Du hast beinahe den gesamten Speicher zusammen gegessen. Und den Kühlschrank geleert.“ Fügte er noch hinzu, als er leicht verärgert daran dachte.
„Ich kann mich nicht daran erinnern das getan... puh... bin ich das die hier so stinkt?“ Angeekelt blickte sie an sich hinab und schrie auf, als sie bemerkte, dass ihre Haare ebenfalls voll waren. „Ich gehe duschen.“ Verkündete sie sofort.
Während sie beinahe laufend in ihr Badezimmer verschwand, versuchte, Elyon etwas von den getrockneten Fleischresten aus dem Bett zu bekommen. „Das ist widerlich.“ Alleine der Gedanke daran, dass sie in den toten Tieren schlief. Und dann klebten Jahre nach deren Verarbeitung als Decke auch noch Essensreste daran. Ekelhaft!
Das plötzliche Aufkeimen von dunkler Magie ließ ihn für einen Moment erstarren. Es war einer seiner Flüche, die aktiviert worden war. Wieso musste denn ausgerechnet heute jemand in sein Anwesen eindringen? Etwas säuerlich klopfte er an die Badezimmertüre. „Ich komme gleich wieder. Jemand ist hinten im Nordflügel.“
Sie gab nur ein murrendes >in Ordnung< von sich und da war er auch schon aus ihrem Fenster verschwunden. Die sieben Meter in die Tiefe machten ihm kein bisschen aus. Im Gegenteil. Er kam unten an und lief normal weiter, als wäre er gerade aus der Türe getreten. Lächelnd überquerte er die Terrasse und beschleunigte sein Tempo. Sein Anwesen, in dem seine restliche Familie wohnt, ist zu seiner normalerweise üblichen Freude, heute ausgesprochen groß. Seit wann dauerte es denn so lange vom Ostflügel, in dem sich alle Schlafzimmer seiner Familienmitglieder befanden, zum Nordflügel zu gelangen, der sogleich gegenüber lag?
Kopfschüttelnd erreichte er das abgesonderte Gebäude, in dem vor langer Zeit, als seine Eltern noch gelebt hatten und Diener sich rund um die Uhr um das ständig bewanderte Hauptgebäude gekümmert hatten, bewohnten. Heute stand es leer, nur einmal im Jahr, ließ er es von Grund auf reinigen, damit der Verfall dieses Gebäudes nicht allzu schnell voranschritt.
Elyon öffnete die doppelflügelige Türe alleine mit seinem Willen und sie schwang sofort auf. Er trat in die dunkle Empfangshalle und staunte nicht schlecht. Ein betörender Geruch drang auf ihn ein, doch dieses Mal ließ er sich nicht davon hereinlegen. Nein! Dieses Mal würde er dem Dämon endgültig, den gar ausmachen.
„Ich kann dich riechen, Dämon.“ Obwohl Elyon bereits eine Nacht mit dem Halbdämon verbracht hatte, konnte er sich nicht ein einziges Mal daran erinnern, dessen Namen erfahren zu haben, geschweige denn, danach gefragt zu haben. Ob das wohl auch ein Trick von dem Dämon war? Aber was würde es ihm den bringen? Elyons Namen kannte hier jeder in seinem kleinen Reich, doch er war auch immerhin der Erbe von einer ganzen Stadt und dem umliegenden Land, genauso wie seine Geschwister. Er war einer der wenigsten Halbdämonen, dessen Namen beinahe von jedem gekannt wurde. Halbdämonen vermieden es normalerweise, dass ihre Namen, geschweige denn ihre Existenz bekannt wurde, doch nicht so sein Vater. Dieser machte sich bereits als kleines Kind einen Namen und versetzte jeden in Angst und Schrecken. Vermutlich war sein Vater einer der vielen Gründe, weshalb Halbdämonen die >Normalbürger< schon alleine bei den Gedanken an diese das Zittern lehrte.
„Dann komm und finde deine kleine Freundin. Ich habe sie versteckt und mit jeder Minute, gehört ihre Seele immer weiter mir!“
Erklang es aus den oberen Stockwerken. Verdammt wie sollte er denn Celest finden, in einem Gebäude, das zwar nur halb so groß war wie das Hauptgebäude, doch immer noch so groß, dass es mehrere hundert Menschen aufnehmen kann?
„Celest! Kannst du mich hören? Ich bin es, dein Meister. Ich befehle dir zu mir zu kommen.“
Nun, ja. Einen Versuch war es immerhin wert, oder nicht?
Dröhnendes Lachen erklang und ihm wurde für einen Moment schwindelig. Wenn dieser verdammte Halbdämon nur aufhören würde zu versuchen ihn zu verführen.
Elyon hatte keine solchen Fähigkeiten. Er war nicht einmal in eine Kategorie von Halbdämonen einzugliedern. Obwohl sein Vater sehr gut mit der Seite der wahren Dämonen vertraut war und eine Liste von Aufzeichnungen über Halbdämonen mit dessen Fähigkeiten hatte, konnte man ihn trotz allem nicht in eine dieser Spalten eingliedern. Überhaupt war seine Geburt eine Tragödie der Unmöglichkeit. Man war entweder ein Dämon und lebte im Reich des >dunklen Nichts.<
Celest erschien, selbst nachdem zwei Minuten vergangen waren, nicht, daher setzte er seine Erkundung fort. Im Erdgeschoss konnte er niemanden finden, genauso wie in den oberen Geschossen. Ob der Halbdämon ihn nur einen Streich spielte? Er würde doch Celest nicht einfach so sterben lassen, wenn er jetzt einfach ging, oder?
„Zur Dunklen Seite mit dir, du teuflisches Monster. Wo ist meine Dienerin? Sie gehört mir!“ Sein letzter Satz hallte noch zwei male durch die leeren Hallen. Das schockierte ihn. Noch nie zuvor hatte er eine Person als sein eigen bezeichnet. Nur Celest. Was dachte er sich nur dabei?
„Elyon?“ Die seltsam sanfte Stimme von Celest erklang und ihn befiel Panik.
„Celest! Ja ich bin hier. Sag mir wo du bist! Bitte Celest!“
„Elyon… mir ist so kalt.“
Kalt? Das ist niemals gut. „Celest, bitte sag mir wo du bist, ich komme dich holen.“ Verzweifelt suchte er den Ausgang der Stimme, während er sich mehrmals um die eigene Achse drehte. Es klang so, als würde ihre Stimme aus jedem Winkel des Hauses erklingen. So etwas ist nicht normal. „Verdammter Mistkerl! Wo ist Celest?“
Keine antworten mehr, das hieß, er musste sie selbst suchen. Falls es überhaupt sie gewesen ist, die ihn gerufen hat. Vielleicht spielte ihm nur der Halbdämon einen Streich?
Kalt. Kalt. Kalt. Wieso zuckte nur dieser Gedanke ständig durch seinen Kopf? Jedoch wenn er genauer darüber nach dachte, ergab dieser Satz keinen Sinn mehr. >Es ist kalt.< Draußen hatte es angenehme Plusgrade. Das hieß, sie musste an einem Ort sein, der von der Wärme abgeschottet war.
Der Keller!
Mit einem leisen, verärgerten Knurren, machte er sich auf den Weg in den Keller. Dafür würde dieser Mistkerl leiden müssen!
Tatsächlich herrschten im Keller Minusgrade. Wie es dazu kommen konnte, verstand er nicht ganz. Ein ganzer Keller als Tiefkühltruhe? So etwas konnte nur dämonischen Ursprung haben.
„Celest!“ Rief er und beobachtete eine Kältewolke, die von seinem Atem geschaffen wurde. Und wie der Dämon leiden würde. Schwor er sich abermals und beschleunigte seine Schritte. In diesem Keller war er bisher noch nie gewesen. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, konnte er sich nicht einmal daran erinnern, dass hier jemals ein Keller gewesen sein soll.
„Celest? Ist das dein Werk? Hast du diese Illusion hier erschaffen?“
Ein psychopathisches Lachen erklang. „Du kennst mich so gut, mein Liebster Meister.“ >Liebster Meister?< Sie war eindeutig besessen.
„Das reicht, ich lösche ihn aus.“ Jedoch bedeutete dies, seine wahre Gestalt anzunehmen und dazu war er alles andere als bereit. Nicht wenn seine Geschwister so nahe waren. Andererseits würden sie nicht so dumm sein und sich ihm in den Weg stellen. Sie würden definitiv versuchen, so weit wie möglich von ihm wegzukommen. Das hatten sie ihm geschworen. Am Ende des scheinbar endlosen grauen Ganges öffnete sich etwas, das aussah wie eine Höhle. Sie war so hoch, dass er nicht einmal die Decke sehen konnte, doch voller Eis. Eine kleine Schneeböe zog über ihn und ließ ihn frösteln. Nein! Das ist eine Illusion. Mir kann nicht kalt werden. Sein Körper gehorchte ihm sofort und der Frost auf seiner Haut verschwand. Solange man nicht an die Illusion glaubte, konnte sie einem nichts anhaben. Das hatte er gelernt.
„Elyon! Du hast mich nicht vergessen!“ Celest warf sich so plötzlich in seine Arme, dass er nichts anderes konnte als sie für einen Moment verwirrt anzusehen. Sie verhielt sich total irrational, doch trotz allem, konnte er nicht anders als seine Arme, um ihren eiskalten Körper zu legen. „Celest! Du bist ja nackt!“
Lächelnd blickte sie mit ihren leuchtenden Augen zu ihm auf und sah ihn liebevoll an. „Dann bin ich dir wohl schon einige Schritte voraus. Komm und hol mich ein.“ Flüsterte sie an seinen Lippen, bevor sie ihn innig küsste. Wie sehr wollte er das. Nichts täte er lieber als sich die Kleider vom Leib zu reißen und ihren kalten Körper an seinem wohlig warmen zu fühlen. Ihre zarten Hände und ihre weichen Küsse. Nichts im Leben wollte er mehr, als sie. Doch etwas in ihm sträubte sich noch. Etwas war einfach nicht richtig so und das brachte seinen inneren Dämon in Rage. Knurrend löste er sich von ihr und blickte sich noch einmal in der eisigen Höhle um.
„Elyon…“ Ihre zarten Hände umfassten seine Wangen und er blickte wieder in ihre unendlichen graugrünen Augen. „Ich liebe dich.“
Elyon konnte es nicht fassen. >Ich liebe dich,< waren Worte, deren Bedeutung er nur zu gut kannte. Seine Eltern, sogar seine Geschwister hatten ihm das mehr als ein einziges mal gesagt. Für ihn hatte das eine ganz besondere Bedeutung, doch in Celests Stimme schwangen so viel mehr Emotionen mit, als in denen seiner Verwandten. Hier war die Bedeutung eine ganz andere. Derselbe Satz. Dieselben Worte.
Doch sein Herz wurde nicht weich, sondern fing wie wahnsinnig an zu rasen und sein Magen schien ohne ihm das fliegen zu lernen.
Da er jedoch sprachlos war, entschied Elyon, Celest seine Antwort einfach zu zeigen. Niemals hätte er erwartet, diese Worte jemals von ihr zu hören. „Celest…“ nuschelte er noch, bevor er sie wieder zu sich zog und seine ganzen Gefühle in den Kuss legte. Vor Freude fühlte er warme Tränen auf Celests Wangen und wischte sie fort. Nun würde sie niemand mehr trennen. Niemals! Schwor er sich selbst innerlich und sank mit ihr auf den Boden. Die Kälte kroch sofort in seine Knie und auch in seine Hände, als er sich neben ihrem Kopf auf dem Eis abstützte.
Das Eis war immer noch da. Wieso hielt sie diese Illusion aufrecht? Ist sie etwa ein Teil von ihr, so wie die Klinge? Die Klinge Qual, ein Instrument, das selbst mehr Leben besaß als ein Körper mit Seele.
Alleine bei dem Gedanken an diese einzigartige Klinge lief es ihm kalt den Rücken hinab und auf einmal ergab diese Illusion einen Sinn für ihn. Natürlich war Celest kalt. Eine Klinge war nun mal kalt.
Es gab nichts, außer das Schmiedefeuer, das eine Klinge erwärmen konnte. Also keine Illusion, sondern das Innenleben der Klinge, an dieser Celest ihr leben lang gebunden sein würde. Eine Klinge, ohne dessen Existenz sie niemals leben konnte. Körperlicher so wie seelischer Schmerz waren für die Klinge überlebenswichtig. Sie ernährte sich aus den Sorgen, den dunkelsten Gedanken und den fürchterlichsten Schwüren, nur um selbst weiter zu leben. Dafür wurde ihr Träger unsterblich. So zerbrechlich wie der Körper eines normalen Wesens, doch trotz allem unfähig jemals zu sterben, außer sie gab ihr Leben selbst hin.
Alle vorherigen Besitzer der Klinge sind gestorben, da sie ihre unkontrollierbare Bürde an ihre Nachkommen weiter gab.
Die Informationen in dem Buch, das er sorgfältig vor den Augen jeder einzelnen Person versteckt hatte, zuckte durch seinen Kopf.
„Qual… der Dämon.“ Flüsterte er und die Klinge um ihn herum begann sich zu bewegen. Der erste und einzige Dämon, der es jemals auf diese Welt geschafft hatte. Nur seine Nachkommen konnten ihn beherrschen und seine wahre Gestalt in einem Instrument, das sich seinem Besitzer anpasste, bändigen.
Elyon riss sich aus der kalten Welt, in die Celest ihn gezogen hatte und knurrte wütend, während er die Wand anstarrte, an der er zuerst eine Türe zum Keller vermutet hatte, doch nun war sie nichts anderes mehr als eine gewöhnliche staubige Wand.
Eine Hand auf seiner Schulter erregte seine Aufmerksamkeit. „Celest?“
Dünne weibliche Hände legten sich von hinten um ihn und ihr Lippen pressten sich auf seinen Nacken. „Es tut mir leid, Meister. Ich war nicht stark genug.“
Meister… ja genau das war er. Egal wie sehr er sich auch wünschte, in ihr eine Liebe zu finden, durfte er nichts anderes sein, als ein Meister, der sie als Waffe benutzt. Kein Mann, der eine beinahe lebendige Waffe liebte. Nein. So etwas wie Liebe konnte es zwischen zwei Dämonen niemals geben, egal wie menschlich sie auch waren.
„Ich vergebe dir dieses eine mal. Die Bestrafung besprechen wir später. Jetzt töte den Halbdämon… Qual.“
Die zarten Hände lösten sich von ihm und er hörte barfüßige Schritte, die sich entfernten. Als sie weg war, schlug er mit der Faust gegen die Wand, sodass ein Loch entstand. Er durfte sie einfach nicht lieben. Würde er endgültig ihr Herz gewinnen, würde das ihren Tod bedeuten und die Freilassung eines unbesiegbaren Gegners.
Einige Augenblicke später landete mit einem gewaltigen Krach etwas fleischiges neben ihm. Er konnte es nicht mehr als ein Lebewesen ansehen. Es war überseht von Schnittwunden, Knochen ragten aus dem Körper und doch… lächelte dieser Fleischklumpen ihn belustigt an.
„Intere… ssant… Ein Halbdämon, der… eine so mächtigen Waffe benutzt.“
„Ich bin kein Halbdämon. Ich bin ein normales Wesen und möchte nichts mit einem solchen Abfall wie dir Zutun haben. Ich gebe dir eine letzte Chance. Verschwinde und kreuze den Weg weder mit mir, noch meiner Familie ein einziges mal. Oder werde zu dem Futter einer immer hungrigen Klinge.“
Prustend spuckte er Blut und Organe quollen aus dem Matsch, der seinen Körper einmal dargestellt hatte.
„Ich nehme dies dann als Antwort.“ Natürlich würde ein Halbdämon niemals von einem so interessanten Spielzeug ablassen. Mit einem inneren Befehl öffnete er eine einzige Kette seines Dämons und schlug seine Klaue in den Hals des Halbdämons. Die Essenz die ihn als Halbdämon brandmarkte, lief aus ihm heraus, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern. Sein eigener Dämon nahm diese Essenz auf und ergötze sich an dem Leid, das darin mitschwang.
Nur einen Wimpernschlag später stand Celest völlig blutverschmiert vor ihm und ihre roten Augen fixierten ihr Opfer gierig. „Der Rest gehört dir.“
Elyon wandte sich ab, ohne zu zögern. Er musste hier hinaus. Einen klaren Kopf bekommen. „Ich werde bald stärkere Ketten brauchen.“ Bemerkte er zu sich selbst und schloss sich in seinem Zimmer ein. Den Atem erleichtert ausstoßend blickte er an seinem Körper hinab. Er konnte die dunkle Essenz wie einen Nebelschleier um sich herum erkennen. Sein Dämon verlangte nach mehr Macht. Immer. Er wollte alle dämonische Energie haben. Alles aufsaugen und stärker werden als das dunkelste aller Geschöpfe selbst. Sich hinauf morden zum neuen König. Jeder solle ihn fürchten. Einen Dämon mit Seele. Nichts Schlimmeres gab es für den Schöpfer.
Hass, Gier, Neid, Wut, Schmerz, Qual, Verbitterung, Trauer. All dies konnte er um sich herum plötzlich aufnehmen. Und genoss es. Auf den Geschmack gekommen sog er die Luft ein, die verpestet von der Armut und der Angst seiner Bürger waren. Der süße Duft der Sünde.
„Herr.“ Celests Stimme ließ die Gedanken seines Dämons verstummen. Sein Atem wurde wieder ruhiger und sein Körper entspannte sich. Nun konnte er seinem inneren Dämon die Fesseln wieder anlegen. Gut verschloss in seinem Inneren, konnte er niemanden etwas anhaben.
„Die Sonne wird bald aufgehen. Du solltest dich ausruhen.“
„Nein Herr. Ich brauche keine Ruhe, ich brauche Antworten. Was meintet Ihr mit >Der Dämon Qual<?“
Seufzend ließ er sich in sein Bett sinken und spürte die Müdigkeit über sich hinweg sinken. „Es bedeutet, dass diese bisweilen gut behütete Welt langsam in sich zusammenbricht.“
Eine plötzliche Kälte auf seinem Bauch überraschte ihn. Die Klinge glitt durch seine Haut bis hinab in seien Muskeln, doch er verspürte keinen Schmerz. Er war zu betäubt von der Macht, die gerade in ihm erwachte.
„Gebt mir endlich die Antworten auf die ich ein Anrecht habe. Was steht in den Büchern die Ihr versteckt habt und was genau sollen diese verdammten Worte bedeuten?“
Ihre Stimme war so gebieterisch, dass sein Herz vor Freude anfing zu tanzen. Ein Takt, dem er nicht folgen wollte.
Lächelnd setzte er sich auf und zog die Klinge aus seinen Eingeweiden. Beinahe zärtlich strich er über die scharfe Klinge, die niemals abstumpfte, oder rostete. Ja, jetzt konnte er ganz deutlich den schlummernden Dämon fühlen. Dass so etwas Einfaches, wie eine Frau, etwas so Unkontrollierbares einschließen konnte, erstaunte ihn. Ob Celest alleine mit einem Wort Elyons eigenen Dämon bändigen könnte?
„Obwohl du ihn kontrollierst, weißt du nichts von deinem Vorfahren? Jetzt weiß ich wenigstens weshalb ich mich so zu dir hingezogen fühle.“
„Weil ich ein Monster bin so wie du?“ Gab sie spöttisch von sich.
Lachend leckte er das Blut von der Klinge und seufzte enttäuscht. Er schmeckte immer noch nach Leben. Wie traurig.
„Nein. Das wahre Monster lebt hier drinnen. Und eines Tages, wird es mir gehören. Eines Tages werde ich stark genug sein um seine Essenz aufnehmen zu können und selbst mit einer Seele in das dunkle Reich wandeln um mich auf den Thron des jetzigen Teufels zu schwingen.“
Celest griff nach ihrer Klinge, doch anstatt sie zu umfassen und zurückzunehmen, legte sie ihre Hand auf die seine und löste sie davon. Die Klinge fiel klirrend auf den Holzboden. Verwirrt sah er der Klinge nach, doch traf lediglich auf ihre Augen. Kniend vor ihm zog sie ihn zu sich hinab und küsste ihn.
„Elyon würde das niemals zulassen. Lieber würde er sterben als seine reine Seele zu so etwas schandhaften werden zu lassen, oder das Leben seiner Geschwister zu gefährden.“ Murmelte sie an seinen Lippen. „Dafür liebe ich ihn auch so sehr.“ Überrascht sog er die Luft ein und blickte sie verwirrt an. Sie hatte die Worte also ernst gemeint? Spielten ihm seine eigenen Sinne einen Streich? Nein… das war einfach Celest. Sie änderte ihre Meinungen von einer Sekunde auf die andere. Lebte für den Moment und töteten, ohne zu zögern. Sie ist einfach die perfekte Frau für seinen eigenen Dämon, der innerlich knurrend ihre Worte unterstrich und mehr davon hören wollte. Mehr von Celsest spüren. „So unbeständig wie meine eigene Herkunft. Wie könnte ich da nicht deine Gefühle erwidern?“ Fragte er lächelnd und zog sie in seine Arme. Ja, das war definitiv besser. Keine kalte Umgebung. Keine Halbdämonen, die nach seinem Leben trachteten.
„Weil wir uns nur gegenseitig auslöschen würden. Das wissen wir beide.“
Geschlagen gab er nach. Es war ja nicht nur das. Jede Faser seines Seins, schrie nach dem Leben, das sie gemeinsam haben könnten, doch das würde bedeuten, dass sie ihre Aufgabe als Besitzerin der Klinge Qual nicht weiter würde erfüllen können. Und wenn sie die unwissende Kontrolle über sie verlieren würde, hieße dies, überhaupt keine Zukunft mehr zu haben. Außer acht gelassen einmal, dass in dieser Klinge ein mächtiger Dämon schläft, so könnte Celest ohne ihr unsterbliches Leben nicht weiter überleben. Ihre vampirische Herkunft würde ihr die magische Energie wieder entziehen und sie würde sich selbst auslöschen. Keiner dieser Varianten gefiel ihm.
Also Partner, die sich im Stillen liebten. Aus der Ferne beobachteten. Jeden Tag bereuten, das nicht haben zu können, was sie am meisten wollten.
„Ich bin müde. Du solltest jetzt langsam gehen.“ Kopfschüttelnd legte sie abermals ihre Lippen auf seine und half ihm wieder auf die Beine. Zärtlich schob er ihre Kleider vom Körper, die sie sich offenbar nur hektisch über geworfen hatte und legte sie auf das Bett, sodass er ihre vollkommene Schönheit sehen konnte. Dann legte er sich zu ihr hinein und genoss das Gefühl, endlich einmal der Herr seiner Herkunft zu sein. Sein Dämon schwieg vor Genuss, seine Seele sang vor Freude und sein Körper verlor sich in ihrer beider Bedürfnisse, bis Celest kurz vor der Dämmerung in den Gängen verschwand und ihn wieder alleine mit seinen inneren Qualen ließ.
Alasan verdaute noch ein letztes Mal, was sein Bruder ihm gerade erzählt hatte. Eigentlich liebte er es, seltene oder gar einzigartige Gegenstände zu stehlen oder zu bekommen. Aber eine solche Klinge, mit solchen starken Fähigkeiten, war doch etwas zu schwierig für diesen. Alleine durch das Ding, welches darin steckte, war es gefährlicher als, alles was er bisher hatte, kennenlernen durfte.
„Weiß sie was für ein Erbe sie da mit sich herumträgt?“
Kopfschüttelnd rieb sich Elyon die Schläfen. „Natürlich nicht. Ich denke das ist seit Jahrhunderten in Vergessenheit geraten und jeder denkt, das Qual der Name der Klinge ist. Er kann sie auch kontrollieren und projiziert seine eigenen Bedürfnisse auf Celest und ihre Vorfahren. Aber mehr kann er denke ich nicht machen.“
„Sie.“ Widersprach Megumi.
„Was meinst du?“ Hakte Alasan nach. „Du und Vater sprecht immer darüber, als wären alle Dämonen männlich. Ja, vielleicht auch die, die Halbdämonen zeugen, da weibliche Dämonen sich ja nicht fortpflanzen können, aber ich denke dass der Dämon der in der Klinge sitzt weiblich ist.“
Alasan lachte laut auf. Etwas Lächerlicheres hatte er noch nie gehört. „Du denkst wirklich, dass diese abscheulichen Bruten des Satans Geschlechter haben?“
Megumi lächelte ihren ältesten Bruder wissend an. Hatte er etwa etwas verpasst? „Ursprünglich bin ich nur davon ausgegangen, da es ja nur die weibliche Verwandtschaft ist, die die Klinge erben kann. Ich denke es liegt daran, dass sie einfach kompatibler mit weiblichen Wesen ist. Vielleicht muss sie es nicht einmal an einen direkten Vorfahren weitergeben. Es würde vielleicht einfach reichen, wenn es eine alleinstehende Person ist, die alles um sich herum schon ausgelöscht hat und somit viel Dunkelheit in ihrem Herzen liegt. Eine Person die die Klinge leicht besitzen und manipulieren kann.“
Elyon lächelte kopfschüttelnd. „Das sind alles nur Theorien. Um sicher zu sein, müssten wir den Dämon… die Dämonin selbst fragen, doch ich bezweifle das sie uns antwortet, bevor sie uns auslöscht und danach bei den restlichen Wesen weiter macht.“
Alasan und Megumi stimmten in sein Lachen mit ein. Ja, es war definitiv sinnlos, so etwas zu diskutieren.
„Gut, dann vergessen wir das einfach und… Oh, ich habe ja eine Überraschung für dich Megumi.“ Verkündete Alasan begeistert. Während Megumi ihren Zusammenbruch verdaut hatte, hatte er ein paar Gefallen gefordert. „Ich habe mich etwas erkundigt und in Erfahrung gebracht, dass es jemanden gibt, der dir vielleicht während der Schwangerschaft beiseite stehen könnte. Sie will weder Namen wissen, noch Herkunft, oder sonst was. Gegen die richtige bezahlung bringt sie dir alles bei was du über Drachenbabys wissen musst, doch sobald die Geburt eintritt, wird sie verschwinden.“
Megumi blickte Ihren wenig älteren Bruder fragend an. „Weshalb sollte ich so eine so fragwürdige Person in die Nähe meines Kindes lassen?“
„Megumi…“ Elyon legte ihr sanft eine Hand auf den Unterarm. „Das Baby ist nicht so wie alle anderen. Drachenbabys sind… eigen. Drachen sind generell eigen.“ Korrigierte er sich selbst und entlockte ihr dabei ein lächeln. „Wir haben ja Celest, sie kann die Person genau kontrollieren und uns beide gibt es auch noch. Wir werden alles für das Leben dieses kleinen Wesens geben.“
Megumi blickte den Tränen nahe ihren beiden Brüdern nacheinander ins Gesicht. Alasan konnte seine eigenen Gefühle selbst kaum unter Kontrolle halten. Er würde einfach alles dafür tun, dass sie ihr Kind behalten kann. Selbst wenn es bedeutete, sich dazu mit einem ganzen Drachen Clan anzulegen.
„Gut, dann wäre dies geklärt. Hast du schon mit der Person Kontakt aufgenommen?“ Alasan schüttelte seinen Kopf. „Nein, ich wollte zuerst mit euch alles absprechen. Danach die Fakten mit der fraglichen Person klären und…“ Ein schwacher verbrannter Geruch drang zu seiner feinen Wandlernase durch. Sofort erhoben Megumi und er sich und blickten sich verwirrt um.
„Das…“ Entsetzten machte sich auf Megumis Gesicht breit. Verwirrt blickte er seine noch so junge Schwester an. Er kannte sie bereits so gut, dass er wusste, dass nur eine einzige Person ihr so einen Schrecken einjagen kann.
„Das ist er!“ Knurrte sie und warf sich in die Brust ihres fast gleichaltrigen Bruders. Alasan schlang beide Arme um sie und knurrte seinerseits. „Ich bringe ihn um!“ Schwor er ihr, auch wenn er wusste, dass sie dies nicht wollen würde.
„Nein, bitte nicht. Wir müssen einen anderen Weg finden. Er weiß nicht das ich schwanger bin, oder wer ihr seid. Ich kann mich ja verstecken…“
Alasan schüttelte den Kopf. Ihm kam da etwas Besseres in den Sinn. Es gab nur eine einzige Möglichkeit ihn endgültig bis zur Geburt zu vergraulen. „Nein. Du wirst dich ihm stellen. Du wirst glücklich sein und… du brauchst einen Mann. Elyon, übernimst du den Part?“
Elyon starrte Alasan verwirrt an. „Wieso ich?“
„Weil hier niemand anderes ist, der die Rolle übernehmen kann und außerdem kennt er meine Stimme und weiß das ich ihr Bruder bin. Und ein Drache hat einzig und alleine nur Respekt vor seiner eigenen Art und Halbdämonen.“
„Aber ich…“
Nun war es Megumi, die ihn unterbrach. „Das spielt jetzt keine Rolle. Für jeden anderen wirkst du wie ein Halbdämon. Wenn ich ihn genug verletzte, dann wird er mich vorerst in Ruhe lassen.“
Elyon schnaubte abfällig, doch deutete Alasan zur Türe zu gehen. Sofort machte er sich mit einem Glas Alkohol auf den Weg dorthin. Für diesen Besuch wird vermutlich nicht nur ein Glas reichen. Mit einem letzten tiefen Atemzug beruhigte Alasan seine Nerven und öffnete die Türe, bevor der Drache anklopfen konnte.
Staunend blickte er zu dem mehr als zwei Meter großen Wyvern auf. Alles an dem Typ strahlte aus, dass er der Herr über einen Drachen Clan war. Sein Gang, als er die Stiegen hinauf stieg. So selbstsicher und herrisch, so als ob ihm alleine alles gehören würde. Seine purpur Augen, die definitiv die Farbe seines Clans widerspiegelte. Die Zähne, die blitzten wie das weiseste Elfenbein, doch so stark zu sein schienen wie das festeste Metall. Er konnte einfach alles mit diesem Kiefer zerreißen, wenn er dies wollte.
„Du bist Alasan?“ Fragte der Wyvern mit einer unmissverständlichen Geste, die ihm sagen sollte, dass er jede Lüge sofort erkannte. „Ja, ich bin Megumis älterer Bruder. Und du mein hübscher?“
Der Wyvern zischte zornig. Drachen hatten bekanntlich nichts üblich für gleichgeschlechtliche. Für sie zählte nur die Anzahl so wie die einzelne Stärke ihrer Nachkommen. „Ich bin Vauven. Ich bin hier um…“
„Ja, ja. Schon klar. Du bist hier um Megumi zu sehen. Du hast sogar Glück. Sie und ihr Mann sind gerade hier, um mir tolle Neuigkeiten zu überbringen.“ Wie gerne würde er derjenige sein, der ihm sagte, das Megumi ein Kind erwartete. Auch wenn es von diesem Wyvern war, so würden sie es als das Kind von Elyon ausgeben.
„Neuigkeiten? Die interessieren mich nicht. Megumi gehört mir. Ich komme um sie wiederzuholen.“ Alasan trat galant zur Seite und zwinkerte ihm lächelnd zu. „Dann warte doch noch etwas ab, bis du die Neuigkeit hörst.“ Witzelte Alasan und musste sich verbieten, um den Wyvern nicht sofort zu schocken.
Mit langen Schritten führte er den Wyvern in das Wohnzimmer, wo bereits Megumi in Elyons Armen lag und sie beide so taten, als würden sie turteln.
„Megumi!“ Rief der Wyvern barsch, als er sie sah.
„Ah! Vau. Was für eine wunderbare Überraschung. Also hast du meine Nachrichten bekommen?“
Vauven legte den Kopf schräg und stieß genervt die Luft aus. „Natürlich. Jede einzelne.“ Alasan blickte Megumi fragend an. Waren es etwa so viele? Jetzt tat ihm seine kleine Schwester noch mehr leid. Sie hatte diesen Mann gebraucht, doch der Mistkerl hatte sie links liegen gelassen. Kein wunder, dass sie sofort zu ihnen nach Hause gerannt war.
„Wer ist er?“ Fragte Elyon, doch lächelte weiterhin freundlich. Alasan war schon gespannt, was die beiden besprochen hatten. „Ich bin Vauven. Megumi ist meine Frau.“
Elyon kicherte und hob seine Hand auf dem er den Ring, den er normalerweise am Zeigefinger trug, auf den Ringfinger gesetzt hatte. „Das wird dann wohl nicht Amtlich sein, mein Lieber Wyvern. Megumi ist meine Frau. Du jedoch nur ein Sommerflirt.“ Ein Grollen das so ähnlich wie Donner klang erschütterte für einen Moment Alasans Nerven. Auch Megumi wurde einen Moment nervös. Nur Elyon schien dies nur noch Belustigender zu sehen. Was für Nerven besaßen Halbdämonen bloß?
„Ich war alles andere als ein >Sommerflirt< Sie ist meine Gefährtin. Das weiß sie genauso wie ich.“
Megumi erhob sich aus ihrer sitzenden Position und somit konnte man ihren etwas angehobenen Bauch unschwer erkennen. „Vauven, so ungern ich dich auch enttäusche. Wäre ich deine Gefährtin, würde ich nicht das Kind meines Mannes erwarten.“
Alasan wusste für eine endlose Sekunde nicht, was nun passieren würde. Vauven sah so aus, als würde er Elyon dafür umbringen, doch andererseits schien etwas in dem Drachen zu zersplittern. Er konnte das Klirren von Glas in den Augen dessen deutlich erkennen. Unweigerlich konnte er sich vorstellen, was in Vauven vor sich ging. Jedoch hatte er Angst davor zu wissen, wie er weiterhin darauf reagiert.
Megumi schien kurz davor zu sein, sich in Vauvens Arme zu werfen und ihm die Wahrheit zu sagen, doch Alasan, der hinter dem Drachen stand, schüttelte stumm mahnend den Kopf. Sie durfte jetzt nur keinen Fehler machen.
„Megumi…“ Zischte der Drache. „wir müssen reden.“
Megumi riss sich zusammen und legte beide Hände auf ihren Bauch. „Vauven, es tut mir leid, doch hierbei gibt es nichts zu besprechen. Elyon ist mein Mann. Alleine ihm schenke ich Kinder. Ich habe eine Zeit lange bei dir verbracht, da ich deine Nähe genossen habe. Aber schlussendlich gehört mein Herz alleine Elyon.“ Sie blickte liebevoll zu ihm auf, der sie genauso liebevoll ansah. In diesem Moment war Alasan in mehr als einer Hinsicht froh, dass Elyon und Megumi Geschwister waren, die sich nahe standen. Sie mussten ihre Zuneigung nicht vorspielen, auch wenn es eine andere war, als die von zwei Liebenden. Doch diesen Unterschied schien der Drache nicht einmal zu bemerken. Alleine das Megumi ihn vor ihrer Familie demütigte, schien ihn alles andere ausblenden zu lassen.
„Wie lange schon?“ Fragte Vauven. Auf was er sich wohl bezog? Nachdenklich legte Alasan den Kopf schräg und ging langsam auf seine Geschwister zu.
„Wie lange wir zusammen sind? Fünf, bald sechs Jahre. Elyon ist viel auf reisen, daher darf ich mir die Freiheit nehmen einige Liebhaber zu haben, wenn er nicht auf demselben Kontinent ist.“
Vauven schüttelte den Kopf, als wäre nicht das die Frage die er hatte stellen wollen. „Das interessiert mich nicht. Ich will wissen wie lange hast du mich schon belogen?“
Der Wyvern in seiner Stimme war deutlich herauszuhören. Auch das Megumi beinahe an seinem Schmerz zerbrach, doch sie durfte nun nur keine Schwäche zeigen. Wenn der Wyvern herausfand, dass das alles eine Lüge war, würde er sie mitnehmen und sie würden Megumi und das Kind niemals wieder sehen. Drachen blieben lieber für sich und Besitzanspruch bedeutete, nicht einmal mit denen, die ihnen am nächsten standen, zu teilen.
Megumi raffte sich zusammen und ging langsam auf ihn zu. Jetzt war ihr Teil daran. Sie musste ihn so verletzten, wie es nötig war, um ihn die nächsten Monate fernzuhalten.
„Am Anfang… eigentlich überhaupt nicht. Ich war ja für dich nur ein Spielzeug im Bett. Jedoch wurde ich immer wütender, je mehr man mich liegenließ. Ich hasse nichts mehr, als wenn man mich einfach zur Seite stellt, als wäre ich ein Objekt, ein Accessoire, das man herzeigt, wenn es einem gerade passt.“
„Als solches habe ich dich niemals gesehen.“ Versprach der Wyvern leicht verbittert.
Megumi lachte, als hätte er gerade etwas total Witziges gesagt. Selbst Alasan tat er langsam leid. „Stimmt, für dich war ich einfach nur die Außenstehende die du hin und wieder ficken konntest.“ In ihrer Stimme lag so viel Zorn und Trauer, dass sich jedes Wort wie purer Hass anhörte.
„Ich habe dir so viele Nachrichten hinterlassen und sogar so getan als würde ich betteln, doch nicht einmal da hast du reagiert. Du bist kaltherzig Vauven. Du bist so kalt wie der Stein in dem du lebst und die Dinge die du sammelst. Ich habe experimentiert, welche Art von Frau dich wohl schwach macht, aber… du scheinst wohl kein ganzer Drache zu sein.“ Scharf sog er die Luft ein. Damit war sie eindeutig zu weit gegangen. Abermals erklang das donnernde Knurren und von einem Moment auf den anderen standen sich Megumi und Vauven Auge um Auge gegenüber. Keiner wagte es einen Schritt nach zu geben. Das war eindeutig seine Megumi. Seine geliebte Schwester, die unter allen Umständen das beschützen wollte, was sie liebte, auch wenn dies hieß, etwas anderes dafür zu opfern.
„Ich kann dir genau sagen welche Frau ich am meisten Lieben würde. Und ich weiß nun, das du so eine Frau ganz bestimmt nicht bist. Ich würde nur eine Gefährtin wählen, die dafür einstehen würde wer sie ist und wer ich bin. Sie müsste mich repräsentieren indem sie zeigt, dass ihre Familie ihr so viel bedeutet dass sie dafür sterben würde. Nicht weniger würde ich von meiner zukünftigen Gefährtin erwarten. Aber du wirst niemals eine solche Frau werden. Du betrügst deinen Mann, weil du dich langweilst und prahlst mit deinen Fähigkeiten dich selbst zu verstellen. Du bist… ein Stück Dreck in den Augen eines jeden Drachen.“ Vauven wandte sich von ihr ab und ging in die Richtung der Eingangstüre.
„Vauven…“ Flüsterte sie noch. Er blieb einen Moment stehen und lauschte ihren Worten, jedoch ohne sich noch einmal umzudrehen. „…wenn du willst das sich deine eigene Gefährtin tötet, dann wünsche ich dir, das du niemals eine solche findest.“
Ihre Worte trafen ihn offensichtlich ebenso hart, wie sie die seine getroffen hatte. Es dauerte noch beinahe eine Minute, bis Elyon und Alasan es wagten sich zu bewegen. Megumi starrte die ganze Zeit über den Ort an, an der sich Vauven zuletzt angehalten hatte. Plötzlich stach ihm der Geruch von Blut in die Nase und ein dunkler Fleck, der immer größer wurde, bildete sich an Megumis Hose.
„Megumi! Du blutest!“ Schrien Alasan und Elyon gleichzeitig, als sie auch schon zusammen brach. Das war wohl zu viel für die noch viel zu junge Jaguarwandlerin.
„Ich gehe gleich los und hole den Experten.“ Versicherte er Elyon, der ihrer beider Schwester sanft auf das Sofa legte, das er erst vor kurzem hatte austauschen lassen. Ohne sich noch einmal umzudrehen, rannte er aus dem Haus. Kaum hatte er die Türe geöffnet, wandelte er in die Form seines Tieres und sah gerade noch einen roten Schatten am Horizont verschwinden. Das wäre dann wohl erledigt. Bis zur Geburt würden sie nicht befürchten müssen, dass er zurückkommt.
Doch etwas tat ihm der Drachling doch leid. Offensichtlich hatte er für Megumi gleich empfunden, doch war seine Liebe, die er für seinen Clan empfand, nicht stark genug um Megumi richtig zu sehen. Er hatte sich darauf verlassen, dass sie bei ihm blieb, egal was er tat, oder sagte. Manchmal reichte es schon aus, einfach nichts zu tun, um jemanden ernsthaft zu verletzen. Deshalb war Megumi als zurückgekehrt. Zurück in die Arme ihrer Brüder, die sie unter allen Umständen beschützen würden, und niemals aufhörten sie über alles zu lieben. Selbst wenn es für sie selbst hieß, das aufzugeben, dass sie liebte.
- - - - -
Kaum ist der Morgen eingekehrt, steht Alasan vor der Wohnung einer Frau, die er noch nie zuvor gesehen hatte, deren Namen er nicht kannte und unter deren Blick er Angst bekam. Sollte es so etwas wie einen >Todesblick< geben, so bekam er ihn gerade ab. Und die Stimme… es ließ seinen Jagur ängstlich fauchen. „Es ist sechs Uhr morgens. Wenn es keinen guten Grund für deine Störung gibt, dann nimm deine Pfoten in die Hand und lauf sofort los. Viel Vorsprung lasse ich dir nicht.
Kopfschüttelnd mahnte er seinen Jaguar, sich zurückzuziehen, und verwandelte sich in einen Menschen zurück. „Mein Name ist Alasan und…“
Sie unterbrach ihn beinahe knurrend. „Gut, das werde ich auf deinen Grabstein meißeln lassen. Jetzt hau ab!“ Sie warf die Türe mit mehr Schwung zu, als nötig gewesen wäre, um sie zu schließen, doch er fing sie noch rechtzeitig ab.
„Verdammt, hör mir doch zu.“
Kopfschüttelnd und sichtlich verärgert deutete sie auf das innere ihrer Wohnung. Unsicher trat er ein und hielt dabei genau ihre Hände im Blick, für den Fall, dass sie ihn abstechen, oder erschießen wollte.
„Gut… Alasan. Was willst du von mir? Um sechs Uhr morgens!“ Sie betonte die Uhrzeit noch einmal extra, was ihm ein unbeabsichtigtes Lächeln entlockte. Wohl ein Morgenmuffel.
„Okay, also es geht darum. Meine Familie braucht deine Hilfe. Ich weiß durch… >Freunde< von deinem unendlichen Wissen in der Heilkunst. Meine Schwester erwartet ein Kind und…“
Die Frau machte eine erwartende Geste mit der Hand. „Ich werde normalerweise täglich im Voraus bezahlt. Dreihundert für heute. Als strafe weil du mich geweckt hast. Materialkosten kommen am Ende des Tages dazu.“
Was war das nur für eine herzlose Person? Seine Schwester hatte Komplikationen. Er würde ihr alles Geld geben, was sie will, aber vorher musste er einfach sehen, ob sie helfen konnte. Knurrend packte er sie am Hals und drückte sie gegen die Wand. „Verdammtes Miststück. Mir ist egal was du als Gegenleistung erwartest. Vorher muss ich sehen, ob du ihr Helfen kannst oder ich reiße dir die Kehle heraus.“ Er ließ sie wieder auf ihre eigenen Beine fallen, als sie verzweifelt nach Luft zu schnappen begann.
„Hat man dir schon einmal jemand gesagt, dass man sich mit manchen Leuten besser nicht anlegt?“
„Gerade du solltest das beherzigen, Miststück.“ Plötzlich drang aus ihrer Kehle ebenfalls ein knurren, das ihn an einen Bären erinnerte. Gerade konnte er noch in ihren plötzlich tiefschwarzen Augen, rote Pupillen Aufblitzen sehen, als er auch schon durch die Wohnung geschleudert wurde und mit dem Kopf gegen die Kante eines Kastens schlug, der drei Zimmer weiter stand. Taumelnd raffte er sich hoch und spürte an mehreren Körperstellen fiese Prellungen. Wie oft hatte sie ihn denn erwischt? Wie konnte man nur so schnell sein?
Hinter sich hörte er, wie die beängstigende Frau scharf die Luft einsog. „Willst du brav sein? Kätzchen?“
Knurrend schlug er mit dem Arm nach ihr aus, doch verfehlte sie. Nur die tiefschwarzen Augen blieben ihm im Gedächtnis. „Was zum Teufel bist du?“
Sie zuckte lediglich mit den Schultern und plötzlich wirkte sie wieder wie die ganz normale Durchschnitts Frau. „Eine der besten Heilerinnen. Jetzt bring mich zu deiner Schwester, bevor du mein Abendessen wirst.“ Befahl sie kalt.
Nach reiflicher Überlegung stieg er mit ihr in ein Auto, das genauso klein war wie sie und winkelte die Beine unbequem an. „Was ist denn das für eine Kiste?“
„Du bist hier in einer modernen Stadt. Was hast du erwartet, Kätzchen?“
„Nenn mich nicht so.“
„Wenn du dich nicht benimmst und artig dein Dosenfutter isst, werde ich dir noch viel schlimmere Namen geben.“ Meckerte sie und drückte auf das Gas, als gäbe es kein Leben, dass sie bei dieser rasanten Geschwindigkeit verlieren könnte.
„Wieso bist du so feindselig? Du bekommst doch so wie so deine Bezahlung.“
„Ich bin nur feindselig, solange ich keinen Kaffee hatte. Außerdem habe ich letzte Nacht nichts gegessen.“
Was hatte denn das eine mit dem anderen zu tun? Kopfschüttelnd blickte er aus dem Fenster und gab ihr von Zeit zur Zeit eine Wegbeschreibung. Als sie nach zwei Fahrtstunden endlich das Anwesen erreichten und vermutlich mehr als fünf Strafzettel bald einfliegen würden, stieg er noch aus, während sie parkte, und lief ins Haus. Elyon saß eingeschlafen auf dem Wohnzimmerstuhl und Megumi blickte gedankenverloren zur Decke. Irgendwo über sich hörte er, wie Celest ihre Klinge schärfte. Vermutlich hielt sie Elyon zuliebe, oder auf seinen Befehl hinaus, wache über Megumi, während dieser schlief. „Danke Celest. Wenn du möchtest kannst du noch schlafen gehen. Es ist bereits nach Mittag.“ Achselzuckend legte sie den unnützen Schleifstein zur Seite und streckte sich auf dem Holzbalken aus, auf dem er normalerweise gerne seine Zeit verbrachte.
„Megumi? Geht es dir gut?“
Lächelnd wandte sie ihm den Blick zu. Sie sah erschöpft und hungrig aus. Bestimmt war sie bisher nicht jagen gewesen.
„Du bist zurück?“ Fragte sie hoffnungsvoll und Alasan wusste, dass ihre Frage eher dem galt, ob er Hilfe mitgebracht hatte.
„Ja, ich habe eine Heilerin gefunden. Aber ich bin mir nicht sicher was genau sie kann.“
„Was ich kann, oder nicht, überlasse mal lieber meiner eigenen Einschätzung.“ Bemerkte die verrückte Frau trocken und kniete sich neben Megumi vor das Sofa. Verwirrt blickte diese die fremde Frau an, die sie ihrerseits genau musterte. „Sie ist wie du ein Jaguar?“
Alasan nickte. „Aber das Kind ist… speziell. Es muss beschützt werden.“
Plötzlich brach hinter ihnen hysterisches Lachen aus, das selbst Elyon erschrocken aus dem Schlaf fahren ließ. Seine Sorge um Megumi war ihm direkt neben der Müdigkeit ins Gesicht geschnitten. „Was ist hier los?“ Verwirrt blickte er die fremde Frau an, danach hoch zu Celest, die gerade vor Lachen direkt vor seine Füße fiel.
„Wie will jemand wie du einem lebenden Helfen?“ Celest zog sich hoch und taumelte gegen Elyon. Die Sonne nahm sie eindeutig mit. „Jemand wie du ist für nichts gut, außer dem Tod zu dienen.“ Kicherte sie und deutete auf die Frau, die Alasan mitgebracht hatte.
„Was ist denn mit ihr, Celest?“ Fragte Elyon.
„Verdammt! Ein Vampir? Um diese Tageszeit?“ Die angsteinflößende Frau knurrte wieder, so wie bereits in ihrer Wohnung und stellte sich kampfbereit hin.
„Sie ist meine Dienerin. Sag, was zum Teufel bist du?“ Brüllte Elyon sie an und stieß Celest, beinahe beiläufig, auf den Sessel auf dem er gerade eben noch geschlafen hatte.
„Sie ist ein Ghul! Ein Guhl! Ein verfluchter Ghul!“ In einem halb lachenden, halb schreienden Singsang verkündete Celest das wahre Wesen der Frau und schlief danach sofort ein. Im Moment wusste Alasan nicht recht, wen er verrückter finden sollte. Elyon, weil er diese Frau liebte, oder Celest selbst.
„Was? Ein Ghul? Ich dachte Ghuls dienen nur den Vampiren?“
„Als würde ich einen Dreck auf diese Hurensöhne geben! Ich lasse mich doch nicht versklaven. Jemand wie ich kann einfach kein solches Monster sein.“ Beteuerte sie, doch wich vor den beiden verärgerten Brüdern zurück.
„Aber Celest lügt mich nicht an. Ich kann ebenfalls den süßen Geruch der Verwesung an dir riechen. Zwar habe ich bisher keinen Ghul aus nächster Nähe gesehen, doch wenn Celest behauptet dass du einer bist, besteht daran absolut kein Zweifel.“ Gab Elyon zu bedenken, während Alasan sich innerlich über sich selbst ärgerte. Weshalb war er so unvorsichtig gewesen? Normalerweise würde er niemals Megumi oder Elyon einer solchen Gefahr aussetzen.
Ghuls waren schreckliche tote Wesen, die von Blut eines Vampires wieder zum Leben erweckt wurden. Sie hatten keinen anderen Daseinszweck, als der Diener eines Vampirs zu sein und den toten Abfall zu essen, den Vampire blutleer zurückließen. Sie konnten sich im Gegensatz zu Vampiren unter der Sonne bewegen und Aufgaben erledigen. Sie sind durch ihre uneingeschränkten Körper stärker als Vampire und können sich schneller bewegen, als Werwandler. Selbst für einen Halbdämon stellten mehrere Ghule eine ernstzunehmende Gefahr da. Ein Einzelner jedoch war nichts als Kanonenfutter für jemanden wie seinen Bruder.
„Moment, Alasan.“ Hielt Elyon seinen Bruder zurück. „Was bist du denn noch, wenn nicht nur ein Ghul?“
Für einen Moment wirkte die Heilerin verunsichert. „Wisst ihr… ein Ghul ist eine tote Person die wiederbelebt wurde, durch das Blut eines Vampires. Mir ist das nur durch Zufall passiert. Ich bekam mein Leben eingehaucht, während mein Erschaffer getötet wurde. Somit hatte ich bisher niemals einen Vampir. Und das ist auch genau das was mich anders macht. Mein Macher hätte mich eigentlich sofort an sich binden sollen, sodass ich sterbe, wenn er stirbt, doch diese Zeit hatte er nicht. Andere erklärten mir, dass ich ein freier Ghul sei, aber ich kann mich an nichts aus meiner Vergangenheit erinnern. Leute… Freunde gaben mir den Namen Fay und sie entdeckten auch, dass ich eine Sirene früher gewesen sein musste. Ich kann Leute durch meine Stimme heilen, verrückt machen und sogar töten. Also egal für was ihr mich haltet. Das da drinnen stirbt langsam. Ich muss ihm helfen.“
Sie zeigte sehnsüchtig auf Megumi. Anscheinend hatte sie es zu ihrer persönlichen Aufgabe gemacht, andere vor dem Tod zu bewahren. Das weichte Alasan etwas auf und er nickte zustimmend.
„Alasan! Du kannst doch so jemanden nicht zustimmen. Das ist unsere Schwester!“
Alasan knurrte Elyon an. „Das weiß ich selbst auch. Aber es würde Megumi umbringen, wenn sie ihre Liebe für ein totes Kind geopfert hätte. Willst du das?“
Elyon blickte ängstlich zu seiner fiebernden Schwester. Sie zitterte am ganzen Leib und wurde immer blasser. „Gut, aber nur unter einer Bedingung. Nachher sprechen wir uns!“
Erleichtert stieß Alasan die Luft aus. Natürlich lag Megumi ihnen gleichermaßen am Herzen. Keiner der beiden wollte sie weder seelisch, noch körperlich verlieren.
„Gut, ich brauche einen abgeschottet Raum. Und ihr dürft euch nicht in der Nähe befinden, sonst greift meine Magie auf euch über.“
Nickend stimmten sie zu und Alasan hob Megumi in seine Arme. Sie war vollkommen durchgeschwitzt und stöhnte vor Schmerzen auf. Als sich plötzlich ihr Bauch bewegte befiel ihn Ekel.
„Warte einen Moment.“ Befahl Fay und legte beide Hände auf den Bauch von Megumi. Sie schloss ihre Augen und atmete tief ein. Als sie sie wieder öffnete, waren ihre Augen tiefschwarz, nur der Punkt an dem normalerweise die Pupille saß, war blutrot.
Die Augen eines Ghuls waren sogar noch angsteinflößender als die Augen seines Bruders, wenn er dämonisch wurde und sie sich pechschwarz verfärbten.
„Was tust du?“
„Ich überprüfe wie weit das Kind ist… Ein Drache?“ Fragte sie erschrocken und zog ruckartig ihre Hände zurück. „Wenn du es weiter sagst, töten wir dich.“ Schwor Alasan. Eigentlich hatte er nicht vorgehabt sie darin einzuweihen, doch anscheinend spürte, oder sah sie es selbst.
„Was ihr Leute immer für Risiken eingeht. Einen Drachen zu gebären funktioniert nie ohne der Hilfe einer Sirene, oder selbst ein Drache zu sein.“ Erklärte sie kopfschüttelnd, als wären die Vastia, die dümmste Familie der Welt. Vermutlich waren sie dies auch irgendwie in bestimmten Fällen.
Alasan knurrte sie wütend an und setzte seinen Weg fort. „Das lass einmal unsere Sorge sein.“
Kopfschüttelnd folgte Fay ihm und seufzte schwer, als er sie bat, die Türe am Ende eines Ganges zu öffnen. „Leg sie auf das Bett, dann verschließe die Türe und geh außer Hörweite. Ich kümmere mich um den Rest.“ Versprach sie, als sie sein Zögern bemerkte.
Nickend zog sich Alasan zurück. Kurz bevor er die Türe schloss, drehte er sich noch einmal um. „Brauchst du etwas danach? Oder soll ich etwas für Megumi vorbereiten?“
Plötzlich drehte sie sich zu ihm um und lächelte zuversichtlich zu ihm auf. Für eine Sekunde wurde ihm schwindelig und sein Herzschlag setzte aus. So schöne Augen… Durchzuckte es ihn und er musste das Gesicht halb abwenden.
„Etwa eine Gefriertruhe Fleisch für deine Schwester und eine Leiche für mich bitte.“
„Menschlich?“ Fragte er nach, doch kannte die Antwort bereits.
„Natürlich.“
Mit einem Nicken verließ er den Raum und verschloss sie. So schnell er konnte, verwandelte er sich in einen Jaguar und sprintete durch das ewig lange Haus. Im ständig benutzten Wohnzimmer blickte er sich hilfesuchend um. Elyon klopfte neben sich auf das bereits ausgetauschte Sofa und Alasan ließ sich neben ihn sinken. Seinen schweren Kopf legte er auf das Bein von Elyon, der sofort damit begann ihn beruhigend zu streicheln, so wie es Megumi immer tat, um ihn zu beruhigen. Dankbar fiel er in einen tiefen Schlaf, während Elyon mehrere Kilo Fleisch bestellte.
- - - - -
Alasan wartete bereits nach seinem Nickerchen unruhig am Aufgang zur Treppe. Wie lange würde Fay wohl noch brauchen? Elyon hatte ihm zwar versichert, dass das Zimmer vollkommen fluchtsicher ist, doch trotz allem saß eine ungewohnte Unruhe in ihm. Immerhin befand sich seine schwangere kleine Schwester alleine mit einem Leichenfresser. Mit einem genervten Seufzer legte er das Buch zur Seite, in dem er gerade verzweifelt versuchte Ablenkung zu finde, doch immer wieder scheiterte.
Im selben Moment öffnete sich ein Spalt an der Türe, die er im Augenwinkel ständig beobachtet hatte. Ohne zu zögern, lief er darauf zu und riss sie auf. Megumi starrte ihn verwirrt an, während sie sich eine frische Hose überzog. Fay leerte gerade einen Kübel mit Blut in die Badewanne nebenan und fing an die blutbefleckte Hose aufzuweichen. Was sollte das denn für einen Sinn haben? Als könnte man diese Flecken noch hinaus bekommen.
Megumi lächelte freudig zu ihrem Bruder auf und Alasan zog sie in eine stürmische Umarmung. „Geht es dir wieder besser? Ich meine euch beiden? Ich hatte solche Angst um euch. Sieh mich an.“ Er schob sie hektisch wider von sich und musterte seine geliebte kleine Schwester von oben bis unten.
„Alasan, es ist schon gut. Ich habe aber Hunger. Ist etwas da?“ Nickend deutete er auf die Türe. „Unten haben wir etwas vorbereitet. Elyon wartet bereits dort.“ Erschöpft, doch wieder mit einer normalen Hautfarbe gesegnet, lief sie geschmeidig wie eh und je auf den endlosen Gang hinaus und verschwand hinter einer Ecke.
„Fay?“ Fragte Alasan vorsichtig. „Hier, ich wasche die Hose aus.“ Verkündete sie, bevor sie zurück in das Schlafzimmer kam.
„Lass das. Das brauchst du nicht. Sie wird sie so wie so niemals wieder anziehen.“ Bemerkte er lächelnd und sog scharf die Luft ein. Der ganze Raum war mit dem Geruch von Desinfektionsmittel und Flieder erfüllt. Einerseits biss der Geruch seine empfindliche Nase, doch andererseits fand er ihn herrlich einzigartig.
„Ja, Megumi hat genau denselben Wortlaut benutzt.“ Gab sie witzelnd zurück und trocknete sich die Hände an ihrer Kleidung ab.
„Unten wartet etwas zu essen, wenn du noch Hunger hast.“ Er hoffte sehr, dass sie bestätigte, dass sie noch Hunger hatte, sonst würde er sie sofort köpfen. „Okay, danke. Das wird auch Zeit. Meine Magie hat mehr Energie beansprucht als erwartet.“
Sie ging hinaus in den Flur und Alasan folgte ihr auf Schritt und Tritt. Er konnte nicht mehr als ihr Profil erkennen, doch so wie sie aussah, war sie erschöpft und etwas über die normale Leichenblässe hinaus. Plötzlich fragte er sich, wie sich wohl so eine lebende Leiche anfühlte, doch mahnte sich selbst zur Vorsicht. Ein Biss von einem Ghul konnte ihm ernsthaften Schaden zufügen.
An der Treppe blieb sie stehen und zog die Augenbrauen hoch. „Dein ernst? Ein Buch über Ghule?“
Sie bückte sich, um es aufzuheben, doch er riss es ihr sofort aus der Hand. „Ich muss doch wissen mit was ich es zu tun habe und wie ich dich effektiv schnell töten kann, wenn du jemanden etwas antust.“
Die Augen verdrehend schüttelte sie den Kopf. „Noch bin ich ja ein Ghul und kein Zombie. Also brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Wenn du mich jedoch noch etwas länger von meinem wohl verdienten Essen fernhältst, werde ich doch noch zum Zombie mutieren.“
Auf den Geschmack gekommen kam er ihr so nahe, dass sie nur wenige Zentimeter noch trennten. „Das würde ich zu gerne sehen.“ Provokativ blickte er ihr in die Augen, doch sie wandte den Blick ab und schob ihn mit übernatürlichen Kräften zur Seite.
Eine Sirene also? So sah sie überhaupt nicht aus. Die eingefallenen Wangen, der magere Knochenbau, das strähnige Haar. Nichts an dieser Person verriet, dass sie einmal ein lebensfroher Naturgeist gewesen ist. Ihre Körperhaltung war steif und beinahe ruckartig, als könne sie ihre Stärke und Muskeln nicht richtig benutzen.
Im Erdgeschoss wartete am Eingang bereits drei bezirzte Leute, die halluzinierend die Wand anstarrten. „Wir waren uns nicht sicher wie frisch du es bevorzugst, Geschlecht, alter und so weiter. Such dir einfach etwas aus.“
Wie vom Blitz getroffen stand Fay da und starrte die bezirzten Leute entsetzt an. Wie ein kleines Kind das gerade ein Monster sieht. Dachte er und musste schmunzeln. „Ist alles in Ordnung?“
„Das fragst du auch noch? Seid ihr Wahnsinnig? Ihr könnt doch nicht einfach so unschuldige Leute töten. Sie können Familie oder Freunde haben. Das… Das ist einfach… Lasst sie sofort frei!“
Ihre Stimme glitt einige Oktaven höher, als würde sie gerade tatsächlich in Panik geraten. Was hatten sie falsch gemacht? „Ich verstehe nicht? Ich dachte du isst andere Wesen?“
Sie griff sich auf die Stirn, als hätte sie gerade etwas völlig Absurdes gehört. „Ja, aber ich esse nur Leichen. Leute von einem Friedhof, oder…“ Alasan ließ sie nicht aussprechen, sondern ging auf die ihm am nächsten stehende Person zu und drehte ihr Genick mit einem Ruck um. Tot sank die Frau auf den Boden und blieb dort liegen. „Bitte schön. Eine Leiche. Besser jetzt?“
Mit Tränen in den Augen kam sie vor der Person auf die Knie und legte beide Hände auf die Schläfen der Frau. „Du hast sie… getötet. Du… du bist ein Monster!“ Schrie sie aufgebracht und Alasan gab zu, dass er noch niemals einen so hasserfüllten Blick gesehen hatte. Als Werwandler war es Alasans Wesen andere zu töten, um selbst zu essen. Es mussten nicht immer Wesen sein, er aß auch gerne Tiere, oder Vegetarisches. Rohes frisches Fleisch jedoch bevorzugte er.
„Sagt diejenige die totes Fleisch essen muss um selbst zu leben.“ Gab er etwas beleidigt zurück und wandte den Blick ab. Woher sollte er denn wissen, dass sie so auf einen Mord reagierte?
„Als ob ich es freiwillig tun würde! Ich bin nicht so geboren, habe es mir nicht ausgesucht, oder gewünscht. Ich wurde… zufällig oder aus Versehen dazu gemacht und… jetzt unterstellt es mir jemand wie du!“
Knurrend wollte er ihr eine Lektion erteilen, doch sein Bruder war schneller. Er packte den Ghul am Hals und drückte ihn gegen die Wand. Verzweifelt versuchte Fay, sich zu wehren, doch die dunklen Klauen waren einfach stärker als sie.
„Pass auf wie du über unsere Familie sprichst. Vielleicht bist du noch ein junger Ghul, deinem aussehen nach zu schließen hast du seit über einem Monat nichts mehr gegessen. Wenn du mit deiner eigenen Diät weiterhin solch ein Risiko auf uns bringst, werde ich dafür sorgen, dass du den schlimmsten Tod erfährst, den du jemals haben kannst. Hast du das verstanden?“
Mit gefletschten Zähnen und geschwärzten Augen blickte sie ihn stur an. Zwei Urgewalten standen sich gegenüber, mit dem Bedürfnis, das zu beschützen was ihnen wichtig war. Doch was war wohl Fay so wichtig, dass sie fastete? Etwa ihre mit ihrem Tod verschwundene Menschlichkeit?
Langsam ließ Elyon sie wieder hinunter und sie schnappte gierig nach Luft. Ghul hin oder her. Sie brauchte Sauerstoff und Nahrung wie jeder andere.
Alasan bückte sich zur Leiche um und riss das Handgelenk ab. Erwartend hielt er Fay den tropfenden Arm hin.
Für einige Sekunden zögerte sie und blickte das Handgelenk, zu gleicher Maßen hungrig und angeekelt an. Ihr Angriff jedoch dauerte nur einen Wimpernschlag. Sie entriss ihm das Handgelenk und biss herzhaft hinein. Als wäre sie plötzlich in einer Ekstase leckte sie das tropfende Blut auf und riss ein Stück Fleisch von der Hand. Da ihr das jedoch noch nicht reichte, warf sie es fort und stürzte sich auf die frische Leiche. Als würde sie Alufolie von einer vorübergehenden Verpackung reißen öffnete sie den Brustkorb und schlürfte das ausdringende Blut auf, bevor es den Boden berühren konnte.
Lächelnd sah er ihr dabei zu, bevor die Hand seines Bruders ihn erschreckte. „Komm, wir sollten sie alleine lassen.“ Meinte dieser und Alasan stimmte zu. Vorher jedoch stieg er über Fay hinweg, die gerade dabei war in den Eingeweiden zu wühlen und brach auch noch das Genick der anderen beiden. Wie zwei Säcke gingen sie zu Boden und Fay fixierte auch diese beiden mit ihrem gierigen Blick, woraufhin gierige Klängen aus ihrem Hals aufstiegen.
Alasans nächsten Schritte führten ihn in die Küche, wo bereits Megumi die mehr als die Hälfte des gelieferten Fleisches aufgegessen hatte, selig schnurrte.
„So gut wie jetzt habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt.“ Gab sie von sich aus zu und rülpste laut. „Entschuldigt.“
Laut lachend griff Alasan ebenfalls nach einem Stück Gans, doch bekam mit einer Gabel einen Schlag über die Finger. „Lass deine Pfoten von meinem Essen.“
Kopfschüttelnd griff er in den Kühlschrank und nahm sich eine Flasche Wasser. „Du bist so gierig.“
Toll jetzt hatten sie schon zwei gierige Frauen im Haus. Dachte er innerlich lächelnd, als plötzlich ein kalter Luftzug hinter ihm vorbeizog. Celest blieb direkt vor Elyon stehen und gab ihm einen Brief in die Hand. Danken nahm er diesen entgegen und riss ihn auf.
„Celest, sag einmal. Was hat es eigentlich genau mit einem Ghul auf sich?“
Sie wandte Alasan ihren durchdringenden Blick zu, der ihm jedes Mal einen Schauder einbrachte. „Ghule sind Leichen, die vom Blut eines Vampires auferweckt werden. Mit dem Blut, dass sie bekommen, kann der Vampir ihnen aufzwingen ihr Diener zu werden. Dadurch das sie Leichen sind, wissen sie nichts von ihrem vorherigen Leben. Sie tun nur das was ihnen aufgetragen wird, erledige Tagsüber Aufträge und beschützen ihren schlafenden Meister. Über einen anderen Zweck gehen sie nicht hinaus. Sie müssen zumindest einmal im Monat essen, sonst werden sie schwach und kränklich. Wenn sie überhaupt aufhören zu essen, werden sie Untote die nur mehr einem einzigen Bedürfnis folgen.“
„Essen.“
Celest bestätigte das mit einem Nicken. „Aber das kommt beinahe nie vor. Ungefähr so selten, wie ein Ghul ohne Meister. Ihr Erschaffer muss offensichtlich sofort nach ihrer Erschaffung gestorben sein, oder noch währenddessen. Freie Ghuls, so selten sie auch sind, sind einfach eine Plage und dazu bestimmt bald ein Untoter Fresssack zu werden.“ Als wäre ihr das vollkommen egal das diese >Fresssäcke< vorher, als fühlende Wesen herum gewandelt sind, zuckte sie mit den Schultern.
Alasan blickte zu dem Gang, zu dem er gerade keinen freien Blick hatte, doch wusste, dass sie sich dort hinten gerade nährte. Ob sie überhaupt eine Ahnung davon hatte, was ihr noch blühen würde?
Als hätte sie seine Gedanken gehört, kam Fay tränenüberströmt um die Ecke und blickte entsetzt ihre Hände an, die vollkommen von Blut bedeckt waren. Sogar Knochensplitter konnte er unter ihren Fingernägeln erkennen. Eine Sirene war definitiv nicht dazu gemacht ein leichenfressendes Monster zu sein.
„Ist alles in Ordnung?“ Fragte Elyon unsicher. Fay schüttelte aufgelöst den Kopf. „Was sollte daran schon gut sein? Ich habe mich gerade in Organen gewälzt.“
Celest lachte laut auf, was Fay und Alasan gleichzeitig erschreckte. „Ein Ghul mit Gewissen. Die Ironie in sich selbst!“
Kopfschüttelnd schimpfte Elyon mit ihr, dass sie sich so gegenüber einem Gast nicht verhalten durfte und schickte seine Dienerin fort. Alasan derweilen reichte Fay die Hand, doch sie schlug diese einfach weg. Plötzlich durchzuckte ihn die Erinnerung, dass er mit diesen beiden Händen vorhin einfach jemanden den Hals umgedreht hatte und schämte sich. Sirenen sind von Natur aus weiche Wesen. Selbst das kleinste bisschen Leid in einem Wesen schockierte diese höchst sensiblen Wesen zutiefst und sie konnten sogar ein ganzes Volk alleine mit ihrer Stimme versöhnen. So selten sie auch vorkamen, war es auch selten, dass sie lange überlebten. Sirenen waren eine aussterbende Rasse, während die Halbdämonen anfingen an Stärke zu gewinnen. Gut und Böse konnte einfach nicht zur gleichen Zeit existieren.
„Ich zeige dir dein Zimmer.“ Sagte Alasan bloß und ging hinauf in den ersten Stock. Er wählte willkürlich eines aus und ging direkt in das Badezimmer, um das Wasser anzustellen.
Zitternd wartete Fay, ohne etwas zu sagen, dass das Wasser warm wurde, und blickte Alasan dabei erwartend an. „Ich kann alleine Duschen.“ Gab sie etwas gereizt von sich.
„Bist du dir sicher? Bisher hast du dir ja noch nicht einmal selbst Nahrung besorgt.“ Er wusste nicht recht, was ihn wütender machte. Dass er sich gerade selbst als Monster sah, oder dass sie ihn so abstoßend fand. Noch nie hatte Alasan etwas anderes getan, als getötet, gejagt und sich um seine Familie gekümmert. Wieso also interessierte ihn plötzlich die Meinung einer toten Sirene?
„Als würde es dich etwas angehen.“ Bemerkte Fay, drehte sich weg und zog sich aus. Für einen kleinen heimlichen Augenblick blieb er noch stehen, bis sie nur mehr in Unterwäsche dastand und betrachtete ihr Profil im Spiegel. Sie hatte definitiv nichts für ihn Attraktives an sich. Sie ist viel zu mager, zu leicht zu reizen und von sich selbst mehr überzeugt als jeder andere. Ein Plagegeist einer Frau.
Gerade als Fay sich mit einem zornigen Blick zu Alasan umwandte, verschwand dieser lautlos, als wäre er überhaupt nicht mehr da gewesen.
Frustriert biss Fay die Zähne aufeinander und stellte sich unter die heiße Dusche. In was für eine verkehrte Welt war sie hier nur wieder hineingeraten?
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Fay brauchte selten Schlaf, genauso wenig wie sie jemanden in ihrer Nähe brauchte. Frisch gestärkt konnte sie nun über einen Monat ohne Essen auskommen und genoss diese Zeit. Nichts hasste sie mehr, als ein Ghul zu sein. Zwar konnte sie sich nicht mehr an ihr altes Leben erinnern, doch wusste sie, dass es ein wesentlich Ruhigeres gewesen sein musste, als dass es jetzt war.
Kopfschüttelnd beobachtete sie Megumi bei ihren Schwangerschaftsübungen. Sie musste ihren Körper nun so weit dehnen, wie sie nur konnte. Ihr Bauch würde in den nächsten Monaten anschwellen, als würde sie Drillinge in sich tragen. Für normale Drachenfrauen wäre dies kein Problem. Diese blieben einfach am Ende der Schwangerschaft in der Gestalt eines Drachen und bekamen ihr Junges auf natürlichen Wege. In den ersten Lebensminuten zeigte die Mutter ihrem Kind, wie es sich verwandeln konnte und wandelte, sich nur, wenn es unbedingt nötig war. Dem Kind kostete es noch viel mehr Energie, ein Drache zu werden, als einem Erwachsenen. Aber wenn sie Megumi so ansah… Diese war zwar stark und durch ihre angeborene Eleganz, für diese Fay sie beneidete, ausgesprochen groß und in ihrer Jaguarform noch beeindruckender, aber das reichte eben für ein so großes Wesen nicht aus. Fay konnte noch nicht einmal sagen, ob sie Megumi am Leben erhalten konnte während der Geburt. Die Mutter hatte diese Bemerkung bereits beim Dritten mal schweigend hingenommen, was Fay nicht einsah. Verstand Megumi denn eigentlich, dass sie im Sterben lag?
Frustriert ließ sie sich gegen die Wand sinken und betrachtete weiterhin die bestrebten Bewegungen von Megumi. Diese wollte nichts lieber, als dieses Kind zu gebären. Noch bestand die Hoffnung, dass sie überleben kann, wenn man den Drachen jetzt entfernte, doch davon wollte die Wandlerin nichts hören. Megumi hörte auf nichts als auf sich selbst und diese beiden Vollidioten, die sich ihre Brüder schimpften, standen dabei auch noch hinter ihr. Wie dumm konnte eine Familie denn überhaupt sein?
Und noch wichtiger. Wie hatte es Megumi überhaupt geschafft, dass der Drachenvater sie offensichtlich in Ruhe ließ?
Fay konnte sich manche Dinge einfach nicht erklären, woher sie diese Sachen wusste, doch schon alleine bei den Gedanken daran einem Drachen gegenüber zu stehen, wollte sie, so schnell sie konnte, so weit wie möglich fortlaufen.
„Ich gehe mir Wasser holen.“ Verkündete Fay, doch Megumi war vollkommen in ihren Dehnübungen versunken. Lächelnd lief sie die Treppen hinab in das Erdgeschoss und bog direkt in die Küche. Nachdenklich blickte sie in den Kühlschrank. Er war immer voller Dinge, die man im Alltag an Nahrung benötigte, und doch schienen sie sie niemals zu verbrauchen. Fragend nahm sie ein ungeöffnetes Glas voller Gurken in die Hand und betrachtete es fasziniert.
Eine Erinnerung zuckte durch ihren Kopf. Ein schwarzhaariges Mädchen, dessen Gesicht sie nicht zu fassen bekam, saß ihr gegenüber an einem Esstisch und stahl eine Gurke aus einem Glas. Herzhaft biss sie hinein und Fay musste lachen. Wer war dieses Mädchen? Wieso wurde ihr totes Herz dabei nur so weich? Das passierte immer wieder. Bilder und Erinnerungen zuckten durch ihren Kopf. Doch Gesichter, Namen und Orte blieben ihr immer verborgen. Sie sah sich selbst farbenfroh vor einem Spiegel stehen. Neben Fay drei andere Sirenen die genauso gekleidet waren wie sie und doch konnte sie keinen Zusammenhang finden. War es eine Feier? Waren dies Verwandte? Wenn sie doch nur die Gesichter erkennen könnte, oder sich an ihre Namen erinnern.
Etwas lauter als beabsichtigt warf sie die Gurken wieder hinein und nahm eine Flasche mit Wasser.
Seufzend hüpfte sie auf die Theke, die den Kochbereich, von dem Essbereich optisch trennte und erschrak, als leise Schritte sich näherten. Alasan kam in seiner schwarzen Jaguargestalt in die Küche und knurrte, als er sie sah.
Sein inneres Tier hatte eine gesunde Abneigung gegen sie entwickelt, genauso wie sie selbst gegen den Wandler. Sie konnte sich selbst jetzt nach zwei Wochen noch immer nicht daran erinnern, wieso sie einfach ohne groß nach Einzelheiten zu fragen, mit ihm hierher gefahren ist. Sein Anblick brachte sie jedes Mal zum Frösteln genauso wie jetzt.
Sofort wandte sie schnaubend den Blick wieder ab und lauschte seinen beinahe lautlosen Schritten. Verfolgte mit ihrem Gehör jede seiner Bewegungen und erschrak daher nicht, als er plötzlich neben ihr auf die Theke sprang und ihr mit seinem langen Schweif eine auf den Hinterkopf schnalzte. Ebenfalls knurrend funkelte sie Alasan an und war froh noch nichts getrunken zu haben. Durch den Stoß hätte sie sich entweder verschluckt, oder ausgeschüttet.
„Pass doch auf, dummes Vieh!“ Knurrte Fay und trank nun endlich etwas. Auch wenn sie nicht mehr auf Nahrung angewiesen war, musste sie viel Wasser trinken, um ihren Körper etwas menschlicher zu behalten und nicht als Knochengerüst herumzulaufen, dem zufällig Haut über gestülpt worden war.
Schnaubend setzte Alasan sich neben sie, blickte sie dabei ungeniert an. „Was willst du denn?“
Alasan legte lediglich den Kopf schräg, was für einen Moment ihre Aufmerksamkeit auf sein Fell zog. Bisher hatte sie seine Nähe gemieden und ihn eigentlich nur selten als Tier gesehen, doch jetzt wo er direkt vor ihr saß und sie ruhig musterte, musste auch sie den Wandler anstarren. Sein schwarzes Fell verlor sich im dunklen des Tresens und nur einige wenige hellere Stellen verrieten, dass er eigentlich eine andere Fellfarbe besitzen sollte.
„Lass dich nicht von ihm ärgern. Er ist nur ein junger Hitzkopf.“ Ertönte eine männliche Stimme hinter ihr und sie zuckte mit ihrer Hand zurück, die sie nach dem Fell des Jaguars ausgestreckt hatte, ohne es selbst zu bemerken.
Als wäre sie gerade bei etwas ertappt worden, sprang sie vom Tresen und lief wieder die Stiegen hinauf. Megumi endete gerade mit ihrem Training und lächelte sie offenherzig an. „Ist alles in Ordnung? Du siehst gehetzt aus.“
Erschrocken klatschte Fay mit ihren Handflächen auf ihre Wange um wieder einen klaren Kopf zu bekommen und ihren sehr langsam funktionierenden Blutkreislauf etwas anzuregen. „Ja, klar. Alles in Ordnung. Was willst du als nächstes machen?“
„Eigentlich nichts mehr. Die nächste Hungerwelle kündigt sich schon an.“ Megumi fasste sich an den bereits gut sichtbaren Bauch und lächelte liebevoll. „Sag einmal, Fay. Wieso… ich weiß du meinst es nicht böse, aber weshalb legst du mir nahe, das Kind zu verlieren?“
Fay schnaubte, als wäre es abwegig darauf zu antworten.
„Bitte, Fay. Sei ehrlich zu mir.“ Megumis Blick wurde sehnsüchtig und Fay fühlte, wie sie schwach wurde. Also war nicht einmal ein Ghul vor der Beeinflussung eines Sukkubus gefeit.
Schwer seufzend antwortete ihr Fay. „Ich kenne natürlich nicht sämtliche Hintergründe hinter deiner Entscheidung das Kind überhaupt zu empfangen, oder es zu behalten. Ich weiß auch nicht was genau dieser Schmerz ist, der wie eine finstere Aura um dich herum sitzt, aber ich weiß dass deine beiden Brüder, so seltsam und grausam sie auch in meinen Augen erscheinen, dich über alles lieben. Sie würden alles für dich tun, ohne über die Konsequenzen nachzudenken. Du weißt genauso wie ich, dass sobald das Kind den ersten Atemzug mach, der Vater des kleinen Drachen ihn fühlen wird und holen kommt. Das bedeutet, dass du nicht nur dein eigenes Leben damit verkaufst, sondern auch deine Brüder ohne zu zögern abgeschlachtet werden, wenn sie sich zwischen den Clan und das Kind stellen. Dessen bist du dir doch bewusst, oder?“
Megumi nickte schwach und Tränen glänzten in ihren goldenen Augen.
Fay schüttelte abermals den Kopf und verließ den Raum. Soll Megumi doch selbst mit ihrem Gewissen zurechtkommen. Was auch immer Megumi bewegte das Kind über ihre Brüder zu stellen, war es bei weitem nicht wert. Fay nahm sich vor, sobald das Kind auf der Welt war, so weit zu verschwinden, wie sie nur konnte, denn in diesen Kampf wollte sie nicht hineingezogen werden.
Einige Stunden später lag Fay nachdenklich in ihrem Bett, während sie die Seiten eines willkürlich ausgewählten Buches überflog. Elyon hatte sie so schnell aus der Bibliothek geschickt, dass ihr überhaupt keine Zeit geblieben war sich etwas Interessantes auszusuchen. Wenn Fay nicht gerade ihre Zeit mit Megumi und ihren ungewöhnlichen Launen verbrachte, so schloss sie sich mit einem Buch, oder Nähzeug in ihr Zimmer. Handlich war Fay, bereits seit sie erwacht war, begabt gewesen. Durch ihre neuen Sinne, die sie viel schneller stricken und nähen ließen, als sie es jemals für möglich gehalten hatte, krallte sie sich Kleidung und nähte diese um. Für ihre Freunde, die ihr das erste Jahr seid ihrem Erwachen, erleichtert hatten, hatte sie ebenfalls ständig etwas Neues gebastelt. Das war einfach persönlicher, als willkürlich etwas aus einem Regal zu nehmen.
Ein Klopfen riss Fay aus ihren Gedanken und sie setzte sich auf, um zur Türe zu gehen, doch hielt inne, als sie sich von selbst öffnete.
Alasan stand am Eingang und starrte sie einfach nur an. Was wollte er? War etwas passiert? Ruhig atmend schloss er die Türe hinter sich und knirschte mit den Zähnen. „Ähm… Lädst du dich gerne in ein Zimmer ein, das ihr einem Gast zugesteht? Wenn ja, dann hätte ich genauso gut ein Zimmer in der Stadt nehmen können. Da gäbe es zumindest so etwas ähnliches das man Privatsphäre nennen könnte.“ Trotz ihrer etwas übertrieben Worte, fühlte sie, dass etwas nicht stimmte, und sorgte sich um ihn. Ob vielleicht etwas mit Megumi war?
Nach kurzem Zögern hob er mahnend den Finger. „Du!“ Knurrte er und ein Kloß bildete sich in Fays Hals. Alasan war wütend. „Ist schon mal ein guter Anfang für einen Satz. Also geht es um mich? Oder hast du eine Botschaft? Zählen wir Dinge auf die in diesem Raum sind? Dann mache ich einmal weiter…“
„Lass es!“ Brüllte er so laut, dass die Stimme seines Raubtieres daraus hervordrang. Sie musste sich unbedingt vorsehen. „Wieso hast du zu Megumi gesagt, sie soll das Kind töten?“
>Sie solle das Kind töten?< So hatte Fay das niemals gesagt… nicht direkt… Nun, ja. Vielleicht angedeutet... oder so. „Alasan, das ist wirklich aus dem Kontext gerissen. Ich habe ihr lediglich nahe gelegt was sie mit der Geburt dieses Kindes gefährdet.“
Brüllend sprang er auf sie zu, doch hielt sich selbst einen knappen Meter vor ihr auf. Fay wusste, dass sie viel stärker war als er, doch er war trotz allem im Kampf erfahren und konnte sie bestimmt leicht austricksen.
„Und >was<, deiner Meinung nach, gefährdet sie?“
Als wäre diese Frage abwegig warf sie ihr Haar zurück und wandte den Blick ab. Musste sie das ausgerechnet mit ihm besprechen? Dem offensichtlichen Hitzkopf der Familie.
„Natürlich euer Leben.“ Überrascht blickte er sie an. Hatte er etwa eine andere Antwort erwartet? „Elyon und du, ihr seid Megumi die nächst wichtigsten. Es sieht für mich nicht so aus, als gäbe es jemanden den sie mehr liebt, als euch beide, und doch… tötet sie euch beide, durch ihren Egoismus.“
Knurrend veränderte Alasan seine Augenfarbe auf ein leuchtendes Gelb und stemmte beide Hände neben ihrem Körper auf das Bett. In jeder anderen Situation wäre sie bestimmt vor Schreck schreiend davon gerannt, doch sie würde sich alles andere jemals so einen Unsinn unterschieben lassen. Fay würde unter keinen Umständen dabei zusehen, wie die beiden Brüder wie blinde Hühner in den Fleischwolf liefen. Das war einfach nicht richtig. „Wen zur eiskalten Hölle nennst du hier egoistisch? Ist es denn deiner Meinung nach verkehrt, sein eigenes, noch ungeborenes Kind so sehr zu lieben, dass man sein eigenes Leben dafür opfern würde? Du hast ja keine Ahnung was die Drachen ihr antun werden, sobald sie sie gefangen nehmen und ihr das Kind entreißen.“ Als ob Fay das jemals wissen möchte. Aber wieso dachte er nicht zuallererst an sich? Immerhin ist er Mittäter.
„Seid ihr denn alle Blind? Oder hat euch eure Mutter einfach zu oft fallen gelassen?“ Fay erkannte plötzlich, dass sein Gebiss sich bereits verändert hatte, und schreckte einige Zentimeter zurück, doch Alasan holte sie sofort wieder ein. „Vergiss die Frage, viel wichtiger ist jetzt. Stell dir selbst eine Frage. Und zwar: Was ist das erste was die Drachen machen werden, sobald sie fühlen, dass einer von ihnen außerhalb ihres Hortes geboren wird? Was werden sie tun.“
Alasans Gebiss wurde wieder normal und er blickte für eine Sekunde auf die Bettdecke, bevor er Fay wieder in die Augen sah. „Sie werden hierher kommen und es holen.“
Seufzend hakte Fay weiter nach. „Und werdet ihr beide euch ihnen in den Weg stellen? Einem ganzen Clan an Drachen? In beiden Gestalten?“ Sie stellte ihre Fragen immer betonter, damit sich auch wirklich endlich ein Bild in Alasans Kopf bildete.
„Du meinst, sie werden uns zuerst vernichten und dann die beiden mit nehmen?“
Frustriert schlug sie ihm, so leicht sie konnte, mit der flachen Hand gegen die Stirn. „Dummkopf, selbst wenn sie euch nur bewusstlos schlagen, würdet ihr ihnen dann nicht folgen? Würdet ihr nicht Megumi zurückverlangen?“
Erschrocken blickte er sie an. „Du meinst also, wir sollten noch vor der Geburt Krieger für ihren Schutz zu uns holen?“
Fay fasste es nicht. Wie konnte man nur so schwer von Begriff sein? „Es ist egal ob die Drachen das Kind einen Tag nach der Geburt bekommen, oder erst einige Kämpfe später. Drachen kämpfen immer für das was sie als ihr eigen beansprucht haben. Dafür gehen sie in den Tod. Aber für einen ihrer Artgenossen, einen aus ihrer Sippe! Sie würden sogar Megumi aus der Hölle zurückholen, wenn es sein müsste. Drachen finden immer einen Weg um das zu bekommen was sie wollen. Kein Drache gibt jemals auf.“
Alasans Gesichtsausdruck wurde plötzlich so weich, dass selbst ihr für einen Moment die Luft wegblieb. So nahe! Schoss es ihr durch den Kopf. Durch ihr hitziges Gespräch war Fay ihm so nahe, dass jeder seiner Atemzüge sie streifte und sie, wenn sie sich nur einen Zentimeter bewegen würde, seine Nasenspitze berühren könnte. Wie weit war sie überhaupt schon zurückgewichen?
„Das ist jetzt aber ein Streitpunkt!“ Bemerkte Alasan und ließ endlich von Fay ab.
Erleichtert holte sie tief Luft. „Was meinst du?“
„Der eigentliche Vater des Kindes hat aufgegeben. Er dachte Megumi sei seine Gefährtin, doch wir tischten ihm eine Lüge auf, indem Elyon vor gab der Vater des Kindes zu sein und sie sagte dem Drachen ein paar fiese Worte ins Gesicht. Der wird sich so schnell nicht wieder blicken lassen.“ Kicherte Alasan und ließ sich neben sie auf das Bett fallen.
„Nur weil er das glauben will, hat er sich zurück gezogen. Du kennst deine Schwester besser als jeder andere, abgesehen von Elyon. Wieso denkst du haben diese unnatürlichen Blutungen begonnen? Denn ich habe nicht das Kind geheilt, sondern die Mutter.“
Abermals blickte Alasan die Heilerin an, als hätte er mit einer anderen Information gerechnet. Langsam fühlte sich Fay schuldig. Warum hatte sie dem allen noch einmal zugestimmt? Nur für Geld? Sie sollte langsam anfangen, Stunden für einen Psychiater zu verlangen, denn den würde sie sehr bald benötigen.
„Ich denke… ich weiß auf was du hinaus willst. Du denkst, Megumi wollte unbewusst das Kind verlieren, um ihre Liebe wieder zurückzubekommen und uns nicht dafür zu verlieren, dass wir ihr Geheimnis die Monate gehütet haben? Aber… Wir sind eine Familie.“
Die letzten Worte klangen so sehnsüchtig ehrlich, dass Fay sich wünschte zu wissen, was genau er damit meinte. Familie? Was ist das? Sie hatte so etwas nicht, seit sie erweckt worden wurde. Und an die Dinge davor kann sie sich nicht erinnern.
„Familie?“ Flüsterte sie mehr für sich selbst. „Vielleicht würde ich eure Beweggründe besser verstehen, wenn ich wüsste wie ihr euch fühlt, doch bis ich dies einmal habe, kann ich euch mit nichts, außer mit Logik weiterhelfen. Jedoch betrachte mich derweilen…“ Fay griff nach dem Buch, das vom Bett gerutscht war und hielt es ihm hin. „wie dieses Buch. Es kann dir auch nicht mehr sagen, als das was so wie so darin steht. Die Entscheidungen die ihr daraufhin fällt liegt natürlich nur bei euch dreien.“
Alasan nahm es ihr aus der Hand und wog es für einen Augenblick in seiner Hand, dann lächelte er und zeigte ihr den Titel „>Die Spezies Werwandler< Denkst du da steht etwas darin, was ich nicht bereits wüsste.“
Lächelnd nahm sie ihm das Buch aus der Hand und betrachtete es eingehender. „Ach deshalb habe ich nichts verstanden was darin stand. Und ich dachte schon es liegt daran, dass ich abgelenkt war von meinen eigenen Gedanken.“
„Was? Du verstehst etwas nicht? Das ist mir neu. Und ich dachte schon du wärst so allwissend wie Elyon.“
„Wie Elyon? Elyon ist wie ein Fluss mitten im Wald. Zuständig für die Umwelt um sich herum. Ich weiß nicht einmal ein Tröpfchen so viel wie er.“
Eine Hand auf ihrer Schulter ließ sie zusammen zucken. „Sirenen verlassen sich von Natur aus eher auf ihr Bauchgefühl und ihre Instinkte, anstatt…“ Er deutete wieder auf das Buch. „…sich auf das zu verlassen, was sie über Bücher lernen oder ihnen jemand versucht weiß zu machen.“
Plötzlich wieder wütend geworden warf sie das Buch auf das Bett und sah es nicht mehr an. „Ich bin aber keine Sirene mehr, falls du das nicht erkennen kannst. Ich bin ein… hirnloses fressendes Monster. Das Typ Monster, das nachts kleine Kinder erschreckt und die Gehirne von Leichen heimlich kaut.“
„Du meinst so ein Monster, was auch ich bin?“
Schnaufend stimmte sie zu. „Ich bin nur eines von vielen Monstern, die hier in unserer Welt wandeln. Jedoch kann man selbst wählen, ob man als Monster geboren wurde, oder sich selbst zu einem macht.“ Überrascht von ihren eigenen weisen Worten, fragte sie sich, wie sie überhaupt auf dieses Thema gekommen sind? Hatten sie nicht anfänglich gestritten wegen dummer Entscheidungen? Und jetzt lag wieder ein betroffenes Schweigen zwischen ihnen. Wie hasste sie diese Anspannung. Alasan kam Fay auf einmal wieder so fern vor. Als würde er neben ihr sitzen und doch eine gigantische Mauer sie beide voneinander trennen.
„Wäre Elyon nicht gerade unglücklich verliebt, würde ich dich glatt mit ihm verkuppeln wollen. Ihr beide gleicht euch wie ein Ei dem anderen und das obwohl ihr beide euch vermutlich die Kehlen auseinander reißen würdet, wenn du noch eine lebende Sirene wärst.“
Da Elyon vermutlich ein guter Fang wäre, könnte sie dies als Kompliment nehmen, doch stattdessen warf sie ihm nur einen wütenden Blick zu. „Sehr einfühlsam, Alasan.“
„Eben nur das beste für unseren Gast.“ Gab er scherzhaft zurück, doch Fay hatte genug von seinen Scherzen. „Ja, klar. Gibt es sonst noch etwas das du besprechen willst?“
Plötzlich wurde er wieder ganz ernst und wandte sich Fay direkt zu. Sie zog eine Augenbraue hoch, da sie wusste, dass jetzt etwas kommen würde, das ihr nicht gefiel. „Ja, eigentlich bin ich hoch gekommen, um mit dir über die Jagd zu sprechen.“
>Die Jagd<? Wieso? „Ich verstehe nicht.“
„Du hast doch noch nie gejagt, oder?“
Verneinend schüttelte Fay den Kopf. „Aber das musst du. Du bist jetzt ein Raubtier, ob du es willst oder nicht. Ich weiß dass du seit mehr als zwei Wochen wieder nichts gegessen hast. Das ist nicht gesund. Du wirst schon wieder so blass wie am Anfang als du zu uns gekommen bist.“
Nun, ja. Sie war weniger freiwillig gekommen, als dass sie sich einfach auf ihr Bauchgefühl verlassen hatte.
„Okay, sprechen wir einfach nur einmal darüber. Was bevorzugst du? Männlich, oder weiblich? Alt, Jung?“
Mahnend hob sie ihre Arme. „Pass auf was du sagst. Ich jage nicht. Ich plündere nur auf Friedhöfen.“
Lächelnd legte er den Kopf schräg. Was ihm wohl jetzt wieder durch den Kopf ging? Ob er das lächerlich fand?
„Und fandest du die alten Leichen lecker, oder eher die, die ich gerade frisch getötet habe. Deren Blut noch nicht geronnen ist und noch warm, als würde es noch immer fließen?“ Ein unstillbarer Hunger stieg von ihrem Magen aus in ihren Hals und sie knurrte. Ohne auf ihre erhöhten Sinne achten zu müssen, wusste sie, dass sich ihre Augen wieder geändert hatten.
„Das ist nicht lustig, Kätzchen!“ Knurrte Fay und kam dieses Mal ihm näher. Wenn du mich weiter so verarscht, dann wirst du meine nächste Beute sein!“ Drohte sie.
Alasan wich nicht vor ihr zurück, sondern im Gegensatz. Er kam ihr wieder so nahe, dass sich ihre Nasen beinahe berührten, und strich ihren Pony zur Seite.
„Lass mich dir bitte, nur einen einzigen Abend zeigen, was du anderes auch machen könntest, anstatt von Friedhöfen zu essen.“
Überrascht sog sie die Luft ein. Diese überraschende Sorge um sie verstörte sie noch mehr, als seine plötzlichen Stimmungsschwankungen. Langsam fragte sie sich, wer hier die Schwangere war. Megumi, oder Alasan.
„Du hast sie wirklich nicht mehr alle. Weshalb sollte ich…“
„Weil ich dich darum bitte. Ich will dir zeigen, dass ich nicht das Monster bin, für das du mich hältst.“
Es schien ihm ausgesprochen wichtig zu sein. Nachdenklich sah Fay weg. Das konnte doch nur alles ein schlechter Witz sein.
Schlussendlich ließ sie sich doch dazu überreden mit ihm mitzugehen. Alasan verwandelte sich in eine geschmeidige dunkle Raubkatze und trabte gemütlich vor ihr her, als würde er auf ein spezielles Ziel zusteuern. Fay folgte ihm, immer darauf bedacht, dass ihr Gesicht unter einem Kapuzenpullover versteckt war, für den Fall, dass er irgendetwas Illegales plante. Es dauert kaum zehn Minuten, da standen sie vor einer alten Lagerhalle und Alasan wandelte sich zurück in einen Mann. Einen nackten Mann. Wo zur Hölle sind seine Kleider hin? Fragte sie sich innerlich und fixierte ihren Blick auf seinen Hinterkopf. Nicht dass sie nie nackte Menschen gesehen hatte, aber sie war dies bezüglich etwas prüder als andere. Zumindest Prüder als Alasan.
Alasan klopfte an die alte Metalltüre, dessen Luke sich sofort öffnete. „Alasan? Was für eine überaus hübsche Überraschung.“ Säuselte ein Mann hinter der Türe und ein Schloss fuhr hinter der Türe aus seiner Verankerung.
„Ich führe heute meine Freundin aus. Sie ist noch neu in dieser Szene.“ Erklärte er freizügig und brachte damit Fay aus ihrer Rolle des unauffällig sein. „Was heißt hier...“ Alasan küsste Fay so plötzlich auf den Mund, dass sie einfach nicht anders konnte, als zu schweigen und ihn schockiert ansehen. Der Wandler hatte sie doch nicht mehr alle!
„Na, dann viel Spaß heute. Sind beinahe keine Vampire da, daher sollte es lustig für dich werden.“ Versprach der Türsteher und warf Alasan einen schmachtenden Blick hinterher, der Fay verstörte. Kannten die alle hier keine Privatsphäre oder so etwas?
„Schau doch nicht so schockiert. Ich musste dir irgendwie den Mund stopfen, bevor du wieder einen Trotzanfall bekommst.“ Meinte Alasan belustigt, während er seine Hand von ihrem Hintern nahm und sie locker auf ihrem Rücken liegen ließ. Auch wenn ihr die Nähe unangenehm war, so war sie spätestens drei Gänge später über glücklich ihn neben sich zu haben und keinen von diesen Verrückten, die vor ihr herumsprangen.
Überall um sich herum konnte sie die Gegenwart von Wesen spüren. Menschen, Vampire, Wandler aller Arten, Inkubi, Sukkubi, Fluchträger, Magieträger, Gorgone, Satyren, Wendigo und andere Wesen der Nacht. Sie alle tummelten sich um das mehr oder weniger lebhafte Buffet, auf das sie ungeniert und je nach Lust und Laune zurückgreifen konnten. Eine Stadt voller Wesen. Das war es also was sie hier gespürt hatte. Tagsüber brave Bürger mit Familien und Arbeit. Nachts Monster, die sich von Blut und Fleisch ernähren. Erschrocken sog Fay die Luft ein und presste sich hilfesuchend etwas näher an Alasan, dem das offensichtlich zu gefallen schien. „Keine Sorge. Niemand von denen kann dir auch nur ein Haar krümmen, wenn du es nicht zulässt.“ Versprach er ihr und strich sanft mit seinen Lippen über ihre Schläfe. Seit wann war Alasan so zutraulich? Konnte man das überhaupt bei Wandlern sagen?
Er griff nach ihrer Hand und zog sie die wenigen Treppen hinab ins Geschehen. Der Geruch von Blut und Fleisch hing in der Luft, so wie von Desinfektionsmittel und Putzmittel. Er führte sie zwischen tanzende Körper und grellen Farben, die gekonnt das dunkle Rot überdeckte, mit dem sie alle mehr als einmal in Berührung gekommen sein mussten.
„Alasan!“ Erklang plötzlich ein heller Schrei über die dröhnende Musik hinweg und ein roter Körper sauste auf ihn zu. Im letzten Moment ließ Alasan Fay los, damit er den stürmischen Körper abfangen und auf seine nackten Hüften heben konnte. Die Unbekannte steckte ihm als aller Erstes die Zunge in den Mund, bevor sie ihm ein Organ hinhielt, dessen Funktion Fay am besten ignorierte. Genüsslich biss er hinein und grinste breit. „Na, Schatz. Hast du mich etwa vermisst?“
Leicht beleidigt wandte diese den Kopf ab. „Als ob ich einen Betrüger wie dich vermissen würde.“
Als sie plötzlich einen lustvollen Schrei von sich gab, zuckte Fay zusammen. Sie konnte nicht sehen, was genau Alasan da tat, doch dass es etwas Privates war, konnte sie sich denken. Leicht unschlüssig was sie tun sollte, während er eine Bekannte befummelte, sah sie sich um. Überall konnte sie den Geruch von Erregung und Blutgier aufnehmen, was selbst ihre dunkle Seite zum Vorschein brachte. Sich dessen bewusst, dass ihre Augen sich bereits verändert hatten, senkte sie ihren Blick wieder und hoffte, dass es niemanden auffallen würde.
Starke Arme schlossen sich plötzlich von hinten um ihren Körper und eine unbekannte, bedeckte, Hüfte presste sich an ihren Hintern. „Na, Schönheit. Auch hier um etwas Spaß zu haben?“
Fays innere Stimme schrie laut, dass sie sofort von hier verschwinden solle, da dies eine Bluthöhle ist, doch ihre Sinne, die Sinne ihres Ghuls wollten sich unter das gemeine Volk mischen.
„Finger weg, die hier ist schon mein.“ Knurrte plötzlich vor ihr Alasan und packte die Hände des unbekannten, die sich gerade einen Weg zu ihrem Rock gebahnt hatten.
Erschrocken löste Fay sich aus ihrer kurzen Benommenheit und blickte dankbar zu Alasan auf. „Ach, was. Du warst doch eben noch mit einer anderen Schönheit beschäftigt.“
„Jetzt aber bin ich wieder für sie da. Also verpiss dich, bevor sie dich zu Hundefutter verarbeitet.“
Ein tiefes Grollen ertönte in ihrem Rücken und der Katzenwandler zog Fay ohne Rücksicht in seine Arme. Was war das hier nur für eine verrückte Bar, dass sich die einen um andere stritten, die sie nicht einmal kannten?
„Oh, jetzt sehe ich erst dass du in Begleitung bist. Ist das deine Freundin?“ Mischte sich nun auch die rothaarige ein, die vorhin noch an Alasans Lippen gehangen hatte. „Nein, sie ist neu in unserer Welt, das hier ist ihr erster Besuch, also verängstige sie nicht.“ Meinte Alasan und ließ nun die beiden stehen. Wer sie waren oder wieso sie beide Alasan zu kennen schienen, erfuhr Fay nicht. Auch was Alasan für gewöhnlich hier tat, musste sie nicht erfragen, denn je später die Stunde wurde, umso mehr spürte sie, wie ihr Ghul aus ihr hervor kroch. Zu lange hatte sie sich schon vermenschlicht und auf ihre friedliche innere Stimme gehört. Aber was würde passieren, wenn sie nun doch dieser neuen Seite nachgab?
Ihre Augen blieben auch die gesamte Zeit schwarz mit ihrer roten Pupille, während einer nach dem anderen zu ihnen kam, um Alasan zu begrüßen. Mit manchen knutschte er, andere flirteten ihn lediglich an, wieder andere gaben ihm Unmengen an Getränke aus. „Du bist ja wahrlich berühmt hier.“ Bemerkte Fay irgendwann, da er endlich einmal frei war. „Scheint so, oder?“ Scherzte Alasan und zog Fay wieder in eine Umarmung, die ihr zunehmend leichter fiel, zu ertragen. „Ist hier immer so viel los?“
Alasan schüttelte den Kopf. „Wochenends ist hier viel mehr los, daher dachte ich mir, du würdest lieber mit der ruhigeren Gesellschaft beginnen.“ Ihr Blick fiel auf einen Vampir, der gerade einen Angestellten aussaugt, und ein Frösteln überfiel sie. So viel zu >ruhigere Gesellschaft<
„Sieh nicht so hin. Vampire mögen es nicht beim Essen gestört zu werden und ein freier Ghul ist ein Luxus den gerne jeder Vampir hätte.“ Ermahnte Alasan sie und Fay sah sofort wieder zu ihm. Lächelnd strich er ihr die Haare aus dem Gesicht und reichte ihr ein Blugetränk. „Hier, fang einmal damit an. Damit du etwas in Patystimmung kommst.“
„Denkst du denn ich kann betrunken werden? Ich bin immerhin Tod.“ „Ich glaube das dein Ghul schon betrunken werden kann, aber da du noch immer sehr an deiner Sirenenseite hängst, bist du mehr tod, als lebendig.“
Empört schlug sie ihm, so leicht sie konnte gegen den Brustkorb, doch vernahm trotzdem, das leise anknacken eines Knochens. Bereuen tat sie es allerdings nicht. „Was soll das denn bitte heißen?“
„Das bedeutet dass du jetzt eine Jägerin bist, so wie ich. Ich bin mit dir hierher gekommen damit du deinem Ghul endlich näher kommen kannst, ansonsten wirst du irgendwann einmal mit deiner Diät die Kontrolle verlieren.“
Nun wollte sie sich aus seiner Umarmung winden, doch er ließ das nicht zu. „Das muss ich mir wohl kaum von jemanden wie dir anhören.“ Was genau sie damit sagen wollte, verstand Alasan nicht, doch wusste, dass sie verletzt war. „Dann trink endlich mit mir. Wenn du immer nur auf mich herab blickst, wirst du dich selbst niemals akzeptieren können.“
Für einige Sekunden betrachtete sie das Glas mit der roten Flüssigkeit, der Alkohol zugeführt worden war und seufzte dann. „Aber nur diese eine Nacht.“ Drohte sie ihm.
Er nickte bestätigend, während sie das Getränk hinunter kippte, und fühlte, wie das Gebräu ihren Ghul beflügelte. „So gut. Noch einen!“ Wünschte sie und sofort stand ein neues Getränk da.
So schnell konnte sie es überhaupt nicht begreifen, da stand sie mit Alasan auf der Tanzfläche und wiegte sich zu einem schnellen Takt inmitten der anderen Körper. Immerzu wurde sie berührt und angetanzt. Ihr wurden Getränke ausgegeben und sie aß die eine oder andere Leiche. Einmal biss sie sogar von einem Lebenden ab und konnte es überhaupt nicht fassen, wie anders plötzlich alles schmeckte.
Gegessen hatte sie immer auf den letzten Drücker, indem sie sich als Ghul verlor, bis er satt war, erst dann schaffte sie sich angewidert in ein Badezimmer und duschte so lange, bis sie alles verdrängt hatte. Den Geschmack, der Geruch, der Blutdurst. All das hatte sie angewidert, doch heute Nacht brachte es sie auf gänzlich andere Bahnen.
Hin und wieder musste Alasan sie vor besonders aufdringlichen Grabschern beider Geschlechter beschützen und diese abwimmeln, indem er sagte, dass sie seine Gefährtin sei.
Zwar fasste er sie niemals ungehörig an, oder küsste sie gar noch einmal, doch jeder schien dies sofort zu glauben. Alasan brauchte bloß neben Fay zu treten und schon verstanden andere, dass sie keine Chance bei ihr haben würden und das gefiel ihr.
Alasan beschützte sie, während sie selbst versuchte, seiner Schwester zu helfen. Noch dazu verstand sie, trotz des Alkoholeinflusses, langsam, dass er recht hatte. Sie konnte nicht weiter darauf beharren eine Sirene zu sein, während der Ghul in ihr auch auf sein neues Anrecht beharrte. Zwar konnte sie jetzt noch nicht mit beiden Arten harmonieren, doch irgendwann würde sie bestimmt wie Elyon einen Weg gefunden haben damit umzugehen. Er war auch ein bösartiger und brutaler Halbdämon, doch liebte seine beiden Geschwister so innig, dass er sich sogar einem gesamten Drachenclan entgegenstellen würde. Nicht nur würde, es wird tatsächlich geschehen. Das verstand Fay jetzt.
Elyon. Alasa. Megumi. Und nun das Baby. Sie gehören zusammen, wie eine Uhr, die nur zusammengesetzt tickte. Ein Rudel. Ein Clan. Eine Einheit. Jeder würde für jeden mehr tun, als der einzelne von ihnen Wert wäre. Das bewunderte Fay. Sie bewunderte den starken Alasan, der ihr trotz der Sorgen, die er um seine eigene Schwester hatte, immer noch für sie da war um ihrem, im Gegensatz zu deren, kleinem Problem zu helfen.
Alasan, der gerade erkannte, dass kein nennenswertes Problem mehr um Fay herum hüpfte und versuchte sie zu befummeln, wollte gerade wieder an die Bar, als sie ihn aufhielt und ihm spontan einen Kuss auf die Wange hauchte.
Spöttisch grinsend beugte er sich zu ihr hinab, sodass seine Lippen an ihrem Ohr lagen. „Für was war der denn?“
„Einfach für alles.“ Antwortete sie an seinem Ohr und nutzte die Gelegenheit, um beide Arme um seinen Nacken zu legen. „Ich habe mindestens den siebenten Typen eben vergrault und erst jetzt bekomme ich einen Kuss?“ Scherzte er und legte ebenfalls seine Arme um ihre Hüfte, während sie sich in einem langsameren Takt bewegte, den nur sie beide hören konnten.
„Lass mich dir einfach danken, ohne irgendwelche Hintergedanken.“ Beschwor sie Alasan und spürte zum ersten Mal seit einem Jahr, dass sie rot wurde. „Ich habe immer Hintergedanken wenn mich eine hübsche Frau küsst, immerhin bin ich ein Mann.“
„Aber auch wenn dich ein Mann küsst, was ich so bemerkt habe.“ Schoss sie zurück und beobachtete, wie er die Schultern gleichgültig hob. „Na, und? Ob Mann oder Frau, oder gar beides? Das stört mich nicht. Es ist abwechslung.“
„So wie ob du deine Bettgenossen frisst oder nicht?“
Darüber musste er offenbar angestrengt nachdenken, was sie zum Lachen brachte. „Ich fresse eigentlich nur die, die ich langweilig finde.“ Gab er dann zu und legte seine Stirn gegen ihre, da sie ihn aus dieser Distanz auch noch hören konnte, solange er laut genug sprach und ansehen konnte sie ihn auch.
„Das ist aber schon ein bisschen harsch. Du kannst doch überhaupt nicht wissen ob diese Leute nicht vielleicht Familie haben die sie vermissen oder sonst was.“
Alasan wirkte so, als wäre das vollkommen unwichtig. „Die Leute die zu Wandlern ins Bett steigen, wissen was sie erwarten kann. Außerdem tötet ein Löwe auch die Gazelle nachdem er sie gefangen hat, oder? Er lässt seine Beute auch nicht einfach wieder gehen.“
„Aber der Löwe frisst die Gazelle weil er hunger hat und Kinder ernähren muss, nicht aus Langeweile.“
Fay sprach etwas an, was genau das war, was Alasan grundlegend von einem Tier unterschied. „Genau das meine ich. Die einen Fressen Gras, die anderen Fleisch. Manche Plankton oder Fisch, doch auch wir Wesen müssen essen, oder?“
„Wieso dann nicht nur Tiere?“ Fragte sie sofort dagegen.
„Weil die Jagd heutzutage vollkommen langweilig wäre.“
„Also tötest du aus Langeweile?“
Alasan nickte, als wäre das klar. „Hauptsächlich, ja. Aber eigentlich geht es mir mehr um die Jagd.“
Fay fühlte sich, als würde sie sich mit ihrem Gespräch im Kreis drehen. „Du ergibst nicht wirklich sinn.“ Meinte sie und schüttelte den Kopf.
„Okay, ich zeige dir wie ein Werwandler jagt, in Ordnung?“
Nun war sie nicht mehr so sicher, was er meinte, doch nickte dann. „Okay.“
„Gut, was soll ich jagen? Männlich oder weiblich?“
Erschrocken sah sie ihn an. „Fragst du mich eben wen du abschleppen sollst?“
Er nickte bestätigend.
„Ähm... eine Frau?“ Sie formulierte es eher wie eine Frage, sodass es Alasan wieder zum Lachen brachte. Jedoch da sie entschieden hatte ihn dies machen zu lassen, was er ihr zeigen wollte, sah er sich für einen Moment in der Menge um, um ein gutes Opfer zu finden.
Als er die junge Frau fand, die total vernarrt in ihn ist und beinahe jeden Tag hier auf ihn wartete, entschied er sich kurzerhand für sie. Sie nervte ihn ohnehin bereits. „Komm mit mir mit.“
Alasan nahm wieder Fays Hand in seine und führte sie durch die Menge, bis sie an der Bar ankamen. Dort beobachtete Fay fasziniert, wie er die junge Luchsin mit nur wenigen Worten in seinen Bann gezogen hatte und sie an seinem Oberschenkel herum strich. Leicht betroffen, da sie sich in solchen privaten Momenten so öffentlich nicht wirklich wohl fühlte, wandte sie sich ab, doch Alasan ließ sie gar nicht erst gewähren. Er zog Fay wieder näher zu sich und seiner Beute. „Das ist übrigens Fay, meine neue Mitbewohnerin.“
„Deine Gefähritn?“ Hinterfragte die Luchsin sofort. „Nein, nur eine Freundin der Familie.“ Gab Fay zurück und fragte sich, woher das nun wieder gekommen war. „Ich wollte ihr heute einmal zeigen wie meine Familie so das Nachtleben verbringt, nur muss ich es mit ihr langsam angehen. Sie ist noch ein richtiger Frischling.“ Erklärte er, während die Frau so fasziniert an seinen Lippen hing, als wären es Reichtümer einer ganzen Höhle voller Gold.
„Ach, so jung also noch, dann hat sie noch viel vor sich. Aber keine Sorge, ich mag unerfahrene Wesen.“ Plötzlich beugte sich die Frau vor und küsste Fay ungeniert auf die Lippen. Sie stand einfach nur da und blickte erschrocken zu Alasan, der sich mühsam zusammen riss nicht lauthals zu lachen.
Nachdem die Fremde ihre Zunge wieder aus Fays Hals nahm, brauchte die Betroffene erst einmal einen Drink, welchen ihr Alasan sofort hinhielt. Er hatte wohl aus ihrer Haltung gelesen, dass ihr das noch zu viel war. „Mh... Sie schmeckt so.. süß. Bist du ein Wendigo oder so etwas?“
Alasan nickte sofort, daher antwortete Fay mit einem „Ja, bin ich.“
„Oh! Und so beherrscht! Beachtlich für dein junges Alter.“ Da Fay nicht genau wusste, wie sich ein Wendigo normalerweise verhielt, lächelte sie einfach gezwungen und blickte hilfesuchend zu Alasan, der sich ihrer erbarmte. „Was haltet ihr von einem etwas ruhigeren Ort. Fay wird sicher schon ganz gespannt sein, zu sehen was eine Frau so drauf hat.“ Meinte er vielsagend zur Fuchswandlerin, während Fay selbst noch versuchte, zu erraten, was er damit meinte.
Wenige Minuten später, zog die Luchsin sie beiden in ein Zimmer für Partygäste und stieß Fay auf das große Bett, während Alasan zu einem Jaguar wurde und fasziniert beobachtete, wie Fay versuchte, nicht die Beherrschung zu verlieren.
„Moment, was tun wir jetzt hier?“ Fragte die Ghulin leicht irritiert, während die Luchsin versuchte, unter dessen Rock zu kommen.
„Na, was denkst du machen zwei Frauen und ein Kerl, betrunken in einem Bett?“ Alasan hatte sich hinter Fay platziert und hauchte ihr einen Kuss auf die Schulter.
„Also... ich weiß nicht... ob ich schon so weit bin.“ Meinte Fay und flüchtete sich zu Alasan.
„Ach komm schon. Alasan und ich fangen einfach an und du kannst auch zusehen, wenn du willst?“ Schlug der Luchswandler vor, und begann bereits sich selbst zu entkleiden, während sie weiterhin Alasan dabei beobachtete, wie er Fay behutsam von sich löste. „Keine Sorge, du kannst auch ruhig mitmachen. Glaube mir, mit ihr macht es immer spaß.“ Fay wusste, dass Alasan log, immerhin wollte er sie umbringen.
Langsam wurde sie nervöser und zupfte an ihren Klamotten herum in der Hoffnung, halbwegs wieder anständig auszusehen.
„Ich glaube ja, dass sie noch etwas Alkohol brauchen wird.“ Bemerkte die Luchsin und grinste ein raubtierhaftes Lachen, während sie zwischen Alasans Beinen verschwand. Fay riss sich von dem bizarren Anblick los und versuchte nicht in eine der vielen Spiegelungen an den Wänden zu sehen. Ghul hin oder her, sie war immer noch eine Sirene in ihrem Inneren.
Als Alasan dann auch noch anfing, genussvoll zu stöhnen, wurde es Fay beinahe zu viel. „Okay, das hier ist viel zu viel Verletzung der Privatsphä... r...“ Mehr bekam Fay nicht mehr heraus, denn Alasan zog sie wieder zu sich um sie zu küssen. Jedoch war es dieses Mal kein flüchtiger Kuss, oder einer auf die Schläfe, sondern ein leidenschaftlicher und intensiver, der sofort wieder ihre dunklere Hälfte hervorrief.
Für eine Weile ließ sie sich von dem Kuss vereinnahmen. Sie fühlte, wie angenehm ihre Lippen zu prickeln begannen, ihr Körper langsam etwas wärmer, als das letzte Jahr wurde und sein wilder Geschmack sie umgarnte. Verführt von seiner plötzlichen Intensität und den Gefühlen, die in ihr überhaupt keine Ruhe finden wollten, seufzte sie und wagte es eine Hand auf seinen Brustkorb zu legen.
Dass noch eine dritte Person hier im Raum war, vergaß Fay währenddessen genauso wie Alasan. Er hatte sie eigentlich nur zum Schweigen bringen wollen, bevor sie noch etwas vom Jagen ausplauderte und damit die Luchsin warnte, oder gar vergraulte, doch dass der Kuss so plötzlich so intensiv wurde, das überraschte ihn selbst. Eigentlich hatte er überhaupt nichts empfunden, während die nervige Wandlerin an seinen besten Teilen herum spielte, doch jetzt da Fay es sogar endlich einmal wagte seinen Brustkrob anzufassen, kam in ihm ein wohliges grummeln hoch, dass beinahe einem Schnurren glich. Leicht beschämt davon, dass ihn eine Frau, die nicht zu seiner Familie gehörte, gar zum Schnurren brachte, löste er sich von ihr und konnte einfach nicht mehr aufhören auf ihre leicht geröteten Lippen zu starren. Sonst hatten sie immer weiß und hart gewirkt wie Stein der zufällig aussah wie Lippen, doch jetzt, wo sie voller Farbe und angekurbelten Kreislauf war, sah sie so entzückend unschuldig aus, dass sein Herz sogar für eine Sekunde vergaß, wie man arbeitet.
Schnell atmend konnte er einfach nicht anders als sie anzustarren und sanfte küsse auf ihrem Kinn und ihrer Wange zu verteilen. „Du bist so wunderschön.“ Entlockte ihm seine neue Stimmung im Flüsterton und ließ Fay neben sich erstarren. Sie wusste nicht recht, was sie darauf erwidern sollte, da es bisher für sie nicht so gewirkt hatte, als würde er sie anziehend finden. Auch fragte sie sich, ob das vielleicht daran lag, dass noch eine andere Frau im Raum war und er einfach sein >Jagdspiel< spielte, doch in seinem Blick lag so viel Sehnsucht, dass Fay nicht anders konnte als es ihm zu glauben.
„Hey! Vergesst ihr mich hier unten ja nicht, klar!“ Erklang die leicht erboste Stimme der Wandlerin und holte auch Alasan wieder aus seinem kleinen Gefühlschaos. „Natürlich nicht. Wie könnte ich auch.“ Säuselte Alasan und deutete der Luchsin wieder zu ihm hochzukommen. „Dreh dich.“ Meinte er dann, als sie über seinem besten Stück thronte.
Lustvoll poste sie vor ihm, wie sie dachte, dass es ihm gefallen könnte, doch er war schon wieder mit seinen Gedanken bei Fay, die leicht verunsichert wirkte. „Gib mir deine Hand, Fay.“ Bat Alasan.
Sie gab sie ihm nur zögerlich und musste etwas näher an ihn heranrutschen, während er ihre Hand auf den Rücken der Wandlerin ablegte. „Lass locker, sie ist eine Frau, so wie du. Du brauchst keine Angst zu haben.“ Beschwor er sie und Fay musste sich erst einmal räuspern, als würde sie gleich eine Ansprache halten.
„Genau, knie dich hier neben mich.“ Er zog sie beinahe ebenfalls über sich und legte nun auch ihre zweite Hand auf deren Rücken.
„Keine sorge, mir wird alles gefallen was du tust, Fay.“ Versprach die Wandlerin und wartete darauf, dass Alasan Fay langsam zu führen anfing.
„Also ich weiß nicht ob es das ist was ich will.“ Bemerkte Fay scheu.
„Schon gut, erinnere dich weshalb wir her gekommen sind. Was du lernen wolltest. Keine, sorge es ist bald vorbei, dann ist es für dich in Ordnung.“ Beruhigte er sie weiter, während er sich unter den beiden Frauen hervor zog. „Entschuldige Mel, das hier ist das erste Mal, dass sie eine Frau berührt.“ Meinte Aalsan zu der Luchsin, der das egal zu sein schien.
„Macht ruhig weiter, mir gefällt die Spannung.“ Säuselte sie und zwinkerte Fay zu.
„Hier, fühl ihre Haut.“ Meinte nun Alasan zu Fay, die ruckelnd über Mels Haut fuhr. „Ganz sachte, du hast keine Eile. Spüre wie warm sie ist. Wie weich ihre Haut ist.“ Meinte er und legte seine Lippen an Fays Hals. „Jetzt lehn dich vor und atme ihre Erregung ein.“ Zusammen mit Fay beugte er sich vor, ohne auch nur einen Millimeter von ihr abzulassen. Lächelnd hörte er, wie sie die Luft einsog. „Spürst du ihre weiblichkeit? Ihre Gefühle?“ Er kam noch etwas näher an Fays Ohr und biss zärtlich hinein, was sie zum Stöhnen brachte. Fays Arme bewegten sich nun gezielter und sicherer über Mels Rücken und wurde sogar etwas Mutiger. „Stell dir vor was dir gefallen würde.“ Auch er begann ihre Bewegungen auf Fays Rücken zu übertragen.
„Stell dir vor, wie du wollen würdest, dass jemand dich anfässt. Was ist es was dein inneres begehrt, Fay?“ Flüsterte er weiter und küsste dabei ihren Hals eingehend. Fays Hände schoben sich um die lüsterne Luchsin herum, bis sie zögerlich an deren Vorderkörper ankam und wieder etwas schüchterner wurde.
Alasan tat es Fay gleich und kam mit seinen Händen auf ihrem Bauch zum Ruhen. „Spürst du wie sich in ihr die Spannung aufbaut? Ihren Herzschlag? Das Blut dass sie erwärmt?“
Fay nickte und legte ihre Lippen an den Nacken der Wandlerin. „Genau so ist es richtig. Du bist ein fühlendes Wesen, egal was passiert ist. Auch du hast jetzt Gelüste. Neue Gelüste die du noch nicht kennst, aber an die wirst du dich gewöhnen.“ Versprach er so leise, dass es die angespannte Luchsin bestimmt nicht hören konnte.
„Aber... ich habe Angst.“
„Du bist was du bist und willst was du willst.“ Meinte Alasan, während er beide Arme nun fest um Fay schloss, um ihr Zittern zu unterbinden. „Ich bin da, Fay. Ich bleibe die ganze Zeit bei dir und werde nicht weggehen. Versprochen.“
Nickend strich sie das lange Haar der Wandlerin zur Seite und hauchte ihr einen sanften Abschiedskuss auf die Ader, in der das ganze Leben floss. Fasziniert beobachtete er die Veränderung, die durch Fays Körper ging, kurz bevor sie ihr Kiefer aufriss und einfach die Wirbelsäule durchbiss, als wäre es eine Karotte.
Mit knurrenden Lauten riss sie den Kopf, der nun Toten herum stach mit den Fingern in die Höhlen, in welchen in einem Moment noch die Augen saßen und danach verschwunden waren. Wie Spaghetti schluckte sie die kleinen zerbrechlichen Kugeln und stürzte sich dann über den restlichen Körper.
Fay riss ihn auf, als wäre es nichts außer ein Stück Papier, entweidete ihn wie eine Pralinenschachtel und trank aus ihrem Fleisch wie aus einem Glas.
Alasan hielt sie noch eine Weile fest, bis sie sich beinahe gänzlich in der Leiche suhlte, dann verwandelte er sich wieder in einen Jaguar, um sich auch ein Stückchen zu stehlen, bevor sie alle guten Teile herauspickte.
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Elyon machte es sich eben bequem auf seinem mittlerweile gut eingesessenen Bibliotheksstuhl, als sich hinter ihm eine bekannte Stimme räusperte. Seufzend legte er das Pentagramm, welches er eben übersetzen wollte, wieder zu seinem Stapel zurück und blickte fragend zu Celest. „Meister, Euer Bruder ist eben mit dem Ghul in eine Blutbar verschwunden.“ Da es Elyon noch nie groß interessiert hat, wohin Alasan zum Jagen verschwand, oder was er mit wem anstellte, zuckt er lediglich gleichgültig mit den Schultern. Ihn grauste es sogar ein wenig davor.
„Was daran sollte mich deiner Meinung nach beunruhigen, Celest?“
Sie trat an seine Seite und blickte ihn ernst an. „Mit einem Ghul in eine Blutbar zu gehen ist wie mit einem hungrigen Vampir einen Mitternachtsausflug zu machen. Sir, Ihnen ist es eventuell nicht bewusst, aber dieser Ghul hat keine Kontrolle über sich, noch wird er kontrolliert.“
Kopfschüttelnd deutete er Celest Platz zu nehmen. „Ich verstehe Euer Anliegen, Celest, doch ich vertraue Fay. Natürlich, sie ist noch jung und etwas reizbar, doch ich denke kaum dass Alasan eine Bedrohung für Megumi einfach so herum spazieren lassen würde.“
„Das bezweifle ich auch nicht, doch ich weiß zu was solche Ghule fähig sind. Werden sie von ihren Ketten gelassen mutieren sie zu hirnfressende Zombies.“
Schulterzuckend tat Elyon auch das ab. „Dann töte ich sie, so einfach ist das.“ Für ihn war hiermit das Gespräch beendet und er hob das Stück Pergament auf, das immer noch das blutige Pentagramm zierte.
„Ich könnte ja meine Hündchen ein bisschen auf sie los lassen, damit Ihr seht wie ernst es mir ist.“
Hündchen? Nun war er vollkommen abgelenkt von seiner Arbeit und blickte Celest intensiv an. „Celest, darf ich fragen was genau Ihr dort unten in meinem Folterkeller für groteske Versuche macht?“
Ein irres Lächeln, welches sein Herz sofort wieder höher schlagen ließ, wenn er an ihre gemeinsame Nacht dachte, spielte sich über ihre Lippen und ihre Klinge Qual tanzte wie von selbst auf Celest Fingerspitze. „Vielleicht probiere ich den einen oder anderen Familienzauber.“ Meinte sie vielsagend.
„Nun, gut. Ich bin ganz Ohr.“ Meinte Elyon auffordernd und deutete ihr fortzufahren. „Ihr denkt doch nicht dass ich Euch in jede meiner Familiengeschichten einbeziehe, oder Meister?“ Celest saß so plötzlich mitten in den unersetzlichen Dokumenten, auf seinem Tisch, dass er befürchtete das sie etwas beschädigte, doch sie berührte keine einzige mit ihren Zehenspitzen, sondern drückte ihm wild lachend die Klinge an den Hals, wofür sein innerer Dämon selig zu schnauben begann. Diesem gefiel ihre Wildheit, die Verwirrtheit und vor allem, ihre süßen Lippen. Und Elyon ging es genauso. „Vielleicht kannst du mir ja das eine oder andere zeigen, damit ich lernen kann. Du weißt ich bin der Gelerhte dieser Familie und kenne jede Schrift die sich in diesen Wänden befindet.“
Geschickt wie ein Wiesel kletterte sie auf seinen Schoß, bis sie gemütlich über ihm kniete und ließ die Klinge langsam sinken. „Ja, das ist mir durchaus bewusst, mein Herr. Auch dass Ihr das Dokument kennt, das eigentlich meines sein sollte.“
„Es ist sehr wertvoll und einmalig. Du würdest es aus Zorn heraus zerstören, deshalb kann ich es dir nicht anvertrauen.“
Ihr Grinsen verschwand hinter einer Maske der Trauer und Celest legte ihren Kopf an Elyons Brustkorb. „Aber Ihr wisst es doch Meister. Ihr könntet es mir sagen, dann würde ich keine Bedrohung für das Dokument darstellen.“
Elyon verfluchte ihre Logik und knirschte mit den Zähnen. „Aber du würdest auch mich hassen wenn du wüsstest was darin steht und wärst nicht nur für alle andern eine Gefahr, sondern auch für dich selbst.“
Celest vergaß ihren Wehmut und blickte verwirrt Elyon an. „Das müsst Ihr mir erklären Herr. Ich verstehe nicht was Ihr meint.“
Das war vermutlich auch genau das Beste so, dachte Elyon und lehnte sich in seinem Stuhl zurück, der seines Alters entsprechend quietschte. „Du bist einzigartig, Celest. Was in den Dukementen steht... Es ist so alt, dass man nicht sicher sein kann ob es überhaupt echt ist. Vielleicht wurde es manipuliert? Ausgetauscht? Oder überhaupt frei erfunden. Ich kann dir nicht schwören, dass genau das passieren kann, was darin steht, außerdem würde es bedeuteten, dass du stirbst. Das will ich nicht.“
Zärtlich strich er ihr die immer wild stehenden Haare etwas zurecht und hauchte ihr einen liebevollen Kuss auf die Stirn.
„Steht... steht darin... wie ich...“
„Es steht alles darin. Was die Klinge ist, wer deine Vorfahren waren, wie man sich mit der Klinge verbindet und wie man sie entfesselt. Es ist das gefährlichste Dokument auf dieser Welt, darum verstecke ich es sogar vor dir.“
Enttäuscht ließ sie den Blick sinken und kuschelte sich wieder auf ihn wie eine Katze, welche die Nähe ihres Herrchens genoss. „Danke, mein Herr.“
„Für was denn?“ Fragte er nach, während er sie zärtlich streichelte.
„Das ihr der erste seid, der wirklich besorgt um mich ist.“ Meinte sie, ließ ihre Klinge fallen und küsste ihn dankbar auf die Lippen. Für einen Moment hielt Elyon sie auf, betrachtete Celest einfach, als ihr kleiner Teil an Menschlichkeit sich bemerkbar machte. Dann räumte er seinen vollen Tisch, mit einer Armbewegung einfach ab, um sie darauf abzusetzen und beide Hände freizubekommen, während er sich in ihrem herrlichen Geschmack verlor. Erst zum Sonnenaufgang hin, gönnte er Celest die Ruhe, welche sie benötigte, woraufhin sie auf der Stelle noch am Weg zu ihrem Zimmer einschlief.
- - - - -
„Das ist alles nur deine Schuld! Du bist herzlos und ein Monster!“ Erklang der laute Schrei von Fay im Schloss der Vastia Geschwister und Elyon, so wie seine jüngere und hochschwangere Schwester Megumi, kamen die Treppe hinab, um zu sehen, was Alasan schon wieder angestellt hatte. Seid er Fay vor einer Woche mit in eine blutbar genommen hatte und ihr das Töten lernte, war sie außer sich vor Zorn. Sobald er nur in ihre Nähe kam, begann sie zu knurren wie ein tollwütiges Monster und wenn er es gar wagte sie anzusprechen, flog er des Öfteren sogar durch die Hauswände. Celest erinnerte derweilen immer wieder wie gefährlich dieser Ghul sein konnte, doch solange Alasan nichts anderes sagte und Megumi noch immer in Lebensgefahr schwebte, ignorierte er diese Warnungen.
Ein Krachen erklang und etwas splitterte, noch bevor Elyon in das Wohnzimmer spähen konnte. Dort herrschte abermals das totale Chaos. „Würdet ihr es bitte endlich unterlassen meine Möbel zu ruinieren. Langsam wird es mühsam ständig erklären zu müssen, weshalb wir wieder neue brauchen.“ Meinte er vollkommen diplomatisch und stieg elegant über ein paar Scherben hinweg. Elyon wagte es mittlerweile überhaupt nicht mehr, etwas Kostbares in sein eigenes Wohnzimmer zu stellen, da es noch nur wenigen Tagen kaputt gehen könnte.
Megumi machte es sich auf dem einzigen Heil gebliebenen Stuhl bequem und stöhnte, als hätte sie eben einen Marathon hinter sich. „Also wenn ihr mich fragt herrscht hier viel zu viel Gewalt für ein Kind. Elyon du solltest langsam anfangen einige Leute hinaus zu werfen.“ Dabei sah sie ihre Bruder Alasan an, der ihr die Zunge beleidigt hinaus streckte. „Was denn? Fay ist meine Hebamme sie kann ich nicht hinaus werfen. Außerdem wird sie nur wegen dir wütend und du musst immer auf die ganzen Möbel fallen. Du bist so ungeschickt.“ Stichelte sie weiter, was den jungen Jaguarwandler zum Knurren brachte.
Fay war es, die entschuldigend die Hände hob. „Megumi hat recht. Hier ist viel zu viel negatives für das noch ungeborene Kind. Ich verspreche für die Zukunft, dass ich Alasan draußen im Garten verprügeln werde, damit die Einrichtung nicht leiden muss.“
Dankend nahmen Megumi und Elyon dies zur Kenntnis, doch Alasan schien an aller wenigsten begeistert von dieser Idee zu sein.
„Moment mal, ihr seid meine Geschwister! Solltet ihr beide nicht zu mir halten?“ Meinte er etwas verärgert. „Nicht wenn du meine Möbel ständig ruinierst. Nicht dass mich deine Orgien oder die Leichen jeden Abend stören würden, doch gegen Aggression und willkürliche Zerstörung habe ich doch etwas einzuwenden.“ Erklärte sich Elyon. „Und mir ist egal wenn dir eine hübsche Frau einmal in den Hintern tritt. Hauptsache du lernst endlich anständig zu sein.“ Erklärte sich Megumi, nicht ganz so charmant wie Elyon, was Alasan dazu brachte trotzig die Hände vor dem Oberkörper zu verschränken.
„Entschuldigt wenn ich unserem Prinzessschen hier nur die Wahrheit vor Augen führen wollte.“
„Welche Wahrheit denn?“ Rief Fay empört aus. „Dass ich so ein zerstückelndes Monster sein soll wie du?“
„Oder ich!“ Warf Megumi ein, da sie sich etwas ausgeschlossen fühlte. Natürlich ist Megumi, trotz ihres jetzigen Zustandes ein Wandler und liebt das Jagen so wie das Töten genauso wie ihr Bruder.
Seufzend gab Fay nach. „Ich bin aber nicht wie ihr, ist das klar! Jetzt lass mich endlich in Ruhe, Alasan.“ Damit machte sie am Absatz kehrt und lief die Treppen hinauf. „Verdammtes Weibsbild.“ Knurrte Alasan, sobald Fay außer Hörweite war, und ließ sich auf den Boden neben Megumi sinken, die ihm zärtlich die Haare zurecht kämmte mit ihren Fingern. „Du wirst eine Frau niemals für dich gewinnen können, wenn du ihr nicht das gibst was sie will. Das gilt nicht nur, wenn du jemanden aufreisen möchtest, sondern auch im Alltag. Fay ist als toter Körper nicht anfällig auf deinen natürlichen Charme als Sukkubus. Du musst sie also anders für dich gewinnen.“
Genervt stöhnte Alasan und betrachtete die zertrümmerte Zimmerwand. „Wer sagt denn, dass ich diese nervtötende Frau überhaupt für mich gewinnen will. Sie ist tot, reizbar wie eine Hochschwangere,“ dafür kassierte er einen halbherzigen Schlag von Megumi. „sie beschimpft mich und sieht nicht einmal sexy aus. So eine Frau will ich nicht.“
Megumi hauchte ihrem Bruder einen Kuss auf die Stirn, bevor sie sich erhob und antwortete. „Wer sagte denn, dass ich meinte dass du sie magst? Ich wollte dir lediglich helfen ihr guter Freund zu werden.“
Errötet sprang Alasan auf und begann das Chaos im Wohnzimmer zu beseitigen, während Elyon still lächelnd sein Handy aus der Tasche zog und die Nummer wählte, die er diese Woche bereits mehrere Male gewählt hatte, um seine Möbel austauschen zu lassen.
- - - - -
Weite Monate vergingen, während sich Fay beinahe täglich mit Megumi in ein Zimmer zurückziehen musste, damit sie für sie singen konnte. Der Zustand Elyons Schwester wurde langsam immer kritischer, sodass sie nur noch in ihrem Bett liegen durfte.
Jetzt im achten Monat sah Megumi bereits aus, als wäre sie beinahe zwei Jahre schwanger und sie beteuerte immer, dass sie sich genauso auch fühle.
Alasan begann damit, sich wieder mit Fay zu vertragen, was ungemein zu dem Haussegen beitrug und Megumi ebenso erfreute. Offenbar dachte seine beinahe gebrochene Schwester, dass aus den beiden noch einmal etwas werden könnte, wobei Elyon und Celest dies inständig zu vereiteln hofften. Es war für Elyon nicht so, dass er seinem Bruder es nicht gönnen würde sich endlich einmal eine Gefährtin zu nehmen, doch da Celest es für eine schlechte Idee hielt, wenn ein Ghul zu sehr vermenschlicht wurde, hörte er natürlich auf sie.
Als Megumi dann auch noch aufhörte zu essen, begann sich eine unangenehme Stimmung im Schloss auszubreiten. Zunehmend musste Elyon sich ertappen, was er wohl machen würde, wenn die Drachen kamen. Würde er ihnen das Kind einfach ausliefern und damit riskieren, seine Schwester endgültig zu verlieren? Könnte er eventuell einen Handel herausschlagen? Was würde dann aus dem Kind werden? Könnte es hier aufwachsen? Oder würde er es nur ein einziges Mal sehen, danach niemals wieder?
All diese Fragen zerrissen ihn innerlich, während Celest versuchte, ihren Herren auf andere Gedanken zu bringen. Immer wieder brachte sie ihm neue Kreaturen, die sie aus dem >Abfall< den er einmal Mensch genannt hatte, kreierte. Dann wieder zeigte sie ihm neue Ideen, was für Wesen sie sich gerne halten würde, oder wie er seine Fallen besser aufstellen konnte.
Doch all das prallte einfach von ihm ab. Es interessierte ihn nicht, auch wenn er sich freute, dass Celest plötzlich so gerne ihre Zeit in seinen Armen verbrachte. Vermutlich lockte der Schmerz, die Trauer und die Wut sie an, doch darüber wollte er erst recht nicht nachdenken.
„Meister, es wird bald so weit sein. Fay sagte dass Megumi in weniger als drei Tagen gebären werde.“ Gab sie ihre Meldung ab und wartete auf neue Aufträge. „Danke, Celest. Wie weit bist du mit deinen Monster? Können wir sie benutzen?“
Celest lächelte vielversprechend. „Sie sind bereit für ihren ersten Außeneinsatz, Herr.“
Mit einer Handbewegung schickte er sie fort und sie verschwand in der Dunkelheit, als wäre sie ein Teil davon. Elyons eigener Dämon wetzte sich bereits die Krallen an seinen inneren Ketten und leckte sich die dornigen Zähne, während dieser darauf wartete, dass er endlich einmal Drachenfleisch kosten konnte. Selbst Alasan, der normalerweise ruhig und unbesonnen vor sich hinlebte, solange Fay nicht in seiner Nähe war, wurde zunehmend unruhiger, während besagter Ghul müder wurde. Jeden Tag brachte er ihr etwas zum Essen, damit sie bei Kräften blieb und sie beschwerte sich kein einziges Mal. Auch nicht wenn er sie in ihr Zimmer trug, da sie selbst nicht mehr gehen konnte vor Erschöpfung.
Fay wachte sogar öfters als einmal in Alasans Armen auf, da er immer bei ihr zu bleiben schien, nur die Toilette konnte sie noch alleine besuchen, meistens. Es nervte sie genauso, wie sie es berührte, dass er für sie da sein wollte. Immerhin war sie die Einzige, die deren ermüdete Schwester am Leben erhalten konnte, daher erschien es ihr nur logisch, dass Alasan sich um ihr Wohlergehen sorgte. Elyon derweilen wirkte in ihren Augen immer unruhiger und ungepflegter. Sein sonst so beherrschtes Auftreten, wurde mehr als einmal von einem tiefen dunklen Knurren unterbrochen, wofür er sich immer wieder entschuldigen musste.
Megumi schien das alles nicht zu kümmern, sie hing ihren eigenen Gedanken nach und sprach beinahe ununterbrochen mit ihrem noch ungeborenen Kind, was Fay durchaus beunruhigend empfand. Noch wollte ihr niemand sagen, wer der Vater des Kindes war, oder wieso er nichts davon wusste. Sie wollte auch in dieser angespannten Situation, in der sich die verrückte Celest mehr als wohl zu fühlen schien, danach fragen. Fay wusste, dass sie es noch früh genug erfahren würde, wenn sie nicht direkt nach der Geburt verschwand. Aber Megumi in ihrem geschwächten Zustand zurückzulassen und die beiden Brüder, die so wie so knapp davor waren Celests Wahnsinn zu verfallen, bereiteten in ihr Gewissensbisse.
„An was denkst du so verbissen? Dein ständiges Seufzen hat mich aufgeweckt.“ Beklagte sich der Jaguarwandler hinter ihrem Rücken und nahm seinen Arm von ihr, um sich zu strecken.
Mittlerweile fragte Fay überhaupt nicht mehr nach, was er in ihrem Bett zu suchen hatte, oder schickte ihn mit einem guten Schlag hinaus. „Mir gehen immer wieder die Szenarien durch den Kopf was geschehen wird sobald die Drachen hier sind.“
Der Wandler hinter ihr gähnte ausgiebig und zog sie in eine, ihr viel zu unangenehme Umarmung. „Mir egal was die machen. Solange du da bist reicht es mir.“ Nuschelte er an ihrem Nacken und verkroch sich mit seinem Gesicht in ihrem Haar.
„Was meinst du damit?“ Fragte Fay völlig irritiert und wollte ihn schon dazu zwingen sie anzusehen, doch da bemerkte sie, dass er überhaupt nicht wach geworden war. „Was redest du nur für seltsame Sachen im Schlaf?“ Fragte sie mehr sich selbst, als ihn und genoss den Schauder, der sein Atem in ihrem Nacken auslöste.
Vor vier Monaten, als Alasan sie mitgenommen hatte in die Blutbar und ihren ersten Menschen tötete, war sie in einem Glücksrausch gewesen, der ihr Angst gemacht hatte. Sie hatte einfach alles gefühlt. Den Geruch der Haut, wie sie sich anfühlte, jedes Härchen, jeden Atemzug ihres Opfers und wie das pulsierende Blut durch dessen Körper schoss. Auch ihre Erregung hatte sie angesteckt und ihre Gedanken vernebelt, sodass Fay selbst heute noch davon träumte. Natürlich hatte ihr dieses Gefühl der Macht ihr gefallen, auch wie leicht sie die Wirbelsäule hatte knacken können, als wäre es ein Stück Brot, das sie auseinanderriss. Es hatte ihr so gut gefallen, dass ihr ganzer Körper in Flammen gestanden hatte, während sie jede Bewegung von Alasan verfolgt hatte. Seine geschmeidigen Muskeln, die sich unter seinem Fell bewegt hatten, die klugen Augen, die zu wissen schienen, was Fay dachte und seine fürsorglichen Gesten, als sie langsam satt wurde. Von der Leiche war schlussendlich nicht viel übrig geblieben, das man hätte identifizieren können, doch der Geschmack ihres Fleisches hatte Fays Gaumen noch Stunden später erfreut. Eine Luchsin, ihre erste Beute. Das erste Wesen, das sie jemals getötet hatte.
Doch noch bevor sie in Trauer ausbrechen hatte können, war da immer noch dieser Werwandler, der ihr versprochen hatte für sie da zu sein, bis zum Ende. Das war er auch gewesen. Er hatte sie vorsichtig sauber gewaschen, ohne sie zu belästigen. Hatte ihre Haare von Fleischresten und Knochensplitter befreit, während sie im heißen Wasser gezittert hatte. Seine Nähe hatte sie so lange beruhigt, bis sie ein zweites Mal durch das Zimmer hatte gehen müssen und ihr schlagartig bewusst geworden war, was für ein Monster sie eigentlich ist. Da war ihre bisher, offenbar herzliche Welt zusammen gebrochen und hatte einen tiefen Schlund hinterlassen, der nur mit Zorn auf Alasan zu stopfen möglich gewesen war.
Doch seit Fay nicht mehr wütend auf Alasan sein wollte, machte seine Nähe sie nervös. Auch sie machte ihn nervös, offenbar rechnete er immer wieder damit, wieder von ihr geschlagen zu werden. Trotzdem blieb er bei ihr. Wie ein dummer treuer Hund der seinem gewalttätigen Frauchen hinterherlief, blieb er bei ihr, egal, in welcher Laune sie sich gerade befand und kümmerte sich um sie, wenn sie nach einer Behandlung an Megumis Seite zusammen brach.
„Du musst bald wieder etwas essen, bevor du Megumi versorgst.“ Weckte Alasans Stimme sie und ließ sie zusammenzucken. Sie musste wieder eingeschlafen sein und vermisste plötzlich Alasans Wärme. „Du bist schon auf?“ Fragte sie und beobachtete ihn, wie er sich frische Kleidung anzog.
„Ja, ich hole dir etwas. Du kannst noch etwas weiterschlafen, wenn du ma... Alles in Ordnung?“
Fay setzte sich auf und rieb sich ihre juckenden Augen. „Ja, klar. Wieso fragst du?“
Alasan reichte ihr einen kleinen Handspiegel von dem altmodischen Schminktisch, der in ihrem Zimmer unbenutzt stand. Erschrocken betrachtete sie ihre Augen. Sie waren pechschwarz mit roten Pupillen, als wäre sie gerade von ihrem Ghul übernommen, während ihre Haut Leichenblässe aufwies. Jetzt wo sie aufrecht saß, fühlte sie sich ebenfalls etwas langsamer als normalerweise, als würde ihr Blutkreislauf wieder beinahe zum Stillstand gekommen sein. „Wieso sehe ich so aus?“ Fragte sie Alasan, der sich sofort wieder zu ihr ins Bett setzte und sanft über ihre Wange strich. „Ich weiß es nicht, aber es kann erst seit einigen Minuten so sein, denn bevor ich duschen gegangen bin, sahst du noch normal aus.“
„Vermutlich habe ich zu viel Kraft verbraucht.“ Murrte Fay und ließ sich gähnend zurück ins Bett fallen. „Nein! Du schläfst jetzt nicht wieder ein. Setzt dich auf und bring deinen Kreislauf in Schwung.“ Befahl Alasan und schubste sie regelrecht aus dem Bett. Polternd kam sie auf dem Boden an, doch fühlte überhaupt keinen Schmerz, nur steife Glieder. „Du hast mich aus dem Bett geworfen!“ Schrie sie ihn an und versuchte wieder hochzukommen, doch ihre Muskeln versagten kläglich.
„Fay? Kannst du hoch? Hast du dir etwas gebrochen?“
Verärgert sah sie Alasan an, als er sie in seine Arme hob und ihr fürsorglich die Haare aus dem Gesicht strich. Er half Fay auf ihre taumelnden Beine und und bewegte dabei ihre Arme, um ihren Kreislauf anzuregen. „Komm schon, Fay! Verdammt noch einmal, jetzt stirb mir hier nicht weg!“ Sanft, aber entschlossen klatschte er auf ihre Wangen, damit sich auch dort der Blutfluss regte, doch nichts geschah, sie schlief einfach weiter.
„Fay! Bitte... Wenn du jetzt anfängst schlappzumachen, verzeihe ich dir das niemals!“ Knurrte Alasan sie mittlerweile verzweifelt an, doch es brachte alles nichts, ihr Herzschlag wurde unbeständig und blieb beinahe für eine Minute ganz aus.
„Blutkreislauf... Blutkreislauf...“ Alasan überlegte angestrengt was einen Blutkreislauf wohl wieder zum Arbeiten brachte. Was seinen Blutkreislauf anregte, konnte er schlecht mit einer mehr oder weniger Toten tun, dafür war er einfach nicht der Typ, außerdem würde er vermutlich den Schlag, den er dafür kassieren würde nicht überleben. „Wasser... Kalt oder heiß?“ Während Alasan überlegte, ob er sie mit kalten Wasser schocken sollte, oder doch lieber mit warmen, zog er ihr das Nachthemd aus, sodass sie nur noch in Unterwäsche war und brachte die beinahe Tote Fay ins Badezimmer. Dort stellte er sich gemeinsam mit ihr in die Badewanne und ließ einmal kaltes Wasser über sie laufen, bis er sich besann, dass warmes den Kreislauf eher anregt anstatt kaltes. Zuerst ließ er es nur über ihre Beine laufen, dann erst über ihren Oberkörper, doch immer darauf bedacht, sie nicht zu verbrühen.
Als ihr Körper langsam von einem kalkweiß in ein sanftes Rot wechselte, stieß er die Luft aus und zog einen Hebel, damit sich das heiße Wasser sammeln konnte in der Wanne.
„Fay? Bist du noch bei mir? Fay?“ Sanft rüttelte er sich und musste sich zusammennehmen um nicht aus seiner Haut zu fahren und laut nach Elyon zu brüllen. Vermutlich würde Alasan auch dafür eine kassieren, dass er andere Leute ins Badezimmer holte, während sie halbnackt drinnen saß. Über die Gedanken belustigt hauchte er ihr einen Kuss auf die Wange und fing sanft an zu schnurren, während er damit begann ihre Arme zu massieren.
Nach einige Minuten, in denen ihr Herzschlag von einem in der Minute auf zwanzig in der Minute stieg, schlug sie langsam die Augen auf und gähnte genüsslich.
Irritiert sah sich Fay um und erschreckte sich, als sie plötzlich bemerkte im Wasser zu sitzen. „Was... Was zur Hölle tun wir in der Wanne?“ Verlegen bedeckte sie ihre Unterwäsche, so gut es ging mit ihren bloßen Händen, während ihr Kopf noch eine Spur dunkler wurde. „Du bist gerade gestorben und ich musste dich irgendwie wiederbeleben, oder... so etwas ähnliches.“ Alasan wusste selbst nicht, wie er es beschreiben sollte. „Was heitß >gestroben<? Falls es dir nicht aufgefallen ist, ich bin bereits tot!“ Fay wandte sich aus seinen Armen und versuchte aus der Wanne zu klettern, doch Alasan zog sie wieder zurück zwischen seinen festen Griff. „Bleib jetzt sitzen, ich will nicht dass du noch einmal so... so wirst.“ Knurrte der Wandler und vergrub sein Gesicht in ihrem feuchten Haar.
„Was ist denn genau passiert?“ Hakte nun Fay nach, da sie merkte, dass etwas nicht stimmte. „Ich weiß es nicht genau. Du warst auf einmal so blass als wärst du richtig tot und deine Pupillen waren nur noch ein ganz klein wenig rot. Außerdem bist du erstarrt und konntest dich nicht mehr bewegen, daher habe ich deinen Kreislauf wieder in Schwung gebracht.“
Erkennend was er vor gehabt hatte, stellte sie den Wasserregler auf >aus<. „Oh, verstehe. Danke.“
Alasan war froh, dass er dieses Mal keine kassierte, doch selbst wenn, wäre es ihm dies Wert gewesen. Für Minuten hatte er gedacht, dass ihr Ghulleben nun vorbei sei und er sie niemals wieder sehen würde. Das hatte ihm beinahe um den Verstand gebracht und hätte ihm das Herz gebrochen.
Für einige Zeit war nichts anderes im Badezimmer zu hören, als das sanfte Schnurren eines Jaguars und der Atem zweier Körper.
„Lässt du mich denn auch wieder gehen?“
„Nein, niemals.“ Meinte Alasan und zog sie noch näher an sich, während er ein säuerliches Knurren von sich gab.
Lachend legte Fay ihre Finger auf seine Unterarme, die ihr drohten die Luft zu nehmen. „Schon gut, ich meine eigentlich, dass ich gerne aus dem Wasser steigen würde.“
„Geht es dir denn schon besser?“ Fragte der Wandler nach. „Ja, natürlich, sonst würde ich wohl kaum aus dem Wasser wollen.“
„Das glaube ich dir aber noch nicht.“ Fay erkannte, dass sich Alasan wirklich große Sorgen gemacht haben musste, und gab ihm noch ein paar Minuten, indem sie sich zurücklehnte und sich etwas entspannte.
„Dann dreh wenigstens den Radio auf.“ Befahl sie und Alasan griff sofort zur Fernbedienung um diesen einzuschalten. Die sanften Klänge eines alten Liebesliedes über den Verlust und die Sehnsucht erklang, was Alasan nur noch mehr deprimierte. Am liebsten hätte er Fay niemals wieder losgelassen in der Hoffnung, dass sie ihm irgendwann verzieh, dass er ihr doch eigentlich nur hatte helfen wollen. Egal was Alasan tat, es war falsch. Versuchte er Fay zu überreden seiner Schwester zu helfen, wurde er bestraft, versuchte er sich zu versöhnen, wurde er bestraft. Er wollte ihr ein Kompliment machen, bestraft. Jetzt rettete er ihr das Leben und wurde beinahe wieder bestraft. „Sag mir, was kann ich tun, dass du mich endlich wahrnimmst?“ Flüsterte er an ihrer Schulter und seufzte schwermütig. „Was meinst du damit?“
„Ich meine, was kann ich tun, dass du mich respektierst wie Elyon, oder magst wie Megumi.“ Erklärte er sich, auch wenn er eigentlich etwas anderes am liebsten sagen würde. „Immer wenn ich versuche dir nahe zu kommen, werde ich bestraft. Das verstehe ich nicht.“
„Du hast mich dazu gebracht jemanden zu töten!“ Knurrte Fay.
„Weil es nun deine Natur ist. Ich will nicht dass du eines Tages als Zombie erwachst und ich dich töten müsste.“
Fay schnaubte genervt. „Keine Sorge, ich werde bei Megumi bleiben so lange ich kann und sie retten. Aber...“
„Nein, das meinte ich nicht.“ Unterbrach Alasan sie. „Ich würde daran zerbrechen wenn ich eines Tages aufwache und du nicht mehr da bist. Wenn ich erkennen würde, dass ich dich niemals wieder sehen könnte, oder deine schöne Stimme höre.“
Fay, der das Gespräch sichtlich unangenehm wurde, löste sich bestimmend aus Alasans Umarmung und stieg aus der Wanne. „Ich denke du hast einen größeren Schock heute erlitten als ich. Außerdem habe ich jetzt keine Zeit für dein gespieltes Mitleid, ich muss etwas Essen und danach zu Megumi.“ Pitschnass wickelte sie sich in ein Handtuch und stampfte aus dem Badezimmer, ohne Alasan noch einmal anzusehen.
Außerstande zu verstehen was eben passiert ist, glitt er den Wannenrand hinab, bis sein Gesicht unter Wasser war und diese sämtlichen Geräusche, um sich herum ausblendete. Was hatte er denn auch großartig anderes erwartet von einem toten Wesen?
- - - - -
Stunden später, als sich Alasan sicher sein konnte, dass Fay sich nicht mehr bei Megumi aufhielt, schlich er sich auf leisen Sohlen in das Zimmer seiner kleinen Schwester und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn. Ihr Bauch sah mittlerweile so groß wie ein Gymnastikball aus, der sich leicht sichtbar bewegten. Sie hatte hin und wieder erhöhte Temperatur, oder Schüttelfrost, doch Fay war immer sofort da, um ihr den Schmerz zu nehmen. Da Megumi kein Drache ist, nicht einmal zur Hälfte, konnte sie keine Verwandlung machen um sich in ein feuerspeiendes Ungetüm zu verwandeln und somit das Kind auf die Weltbringen. Nein, sie musste das alles in ihrem menschlichen, viel zu gebrechlichen Körper durchmachen und aussitzen. Ohne Fay wäre sie bereits vor Monaten daran zu Grunde gegangen.
Zärtlich streichelte er das vollkommen verschwitzte Gesicht seiner geliebten Schwester, da der Körper des kleinen Drachen ihren bei weiten überstieg, und betete innerlich, dass sie bald wieder gemeinsam jagen gehen konnten. „Dein Rat war scheiße.“ Fluchte er leise in ihr Ohr und spürte, wie sie sich regte. „Was sagtest du?“ Gähnend streckte sie sich und betrachtete angeekelt den bereits warmen Schwamm auf ihrem Kopf. Sofort wechselte ihn Alasan aus. Zu seinem eigenen Bedauern konnten sie Megumis Körper nicht sonderlich herab kühlen, da der Körper des kleinen Drachen diese Temperateuren benötigte, um zu überleben. Stattdessen war ihr gesamter Körper, bis auf ihre Arme und Schultern in dicke Decken gehüllt, um die Wärme eines Drachenkörpers zu simulieren. „Ich sagte, dass dein Rat wegen Fay scheiße war.“
Irritiert sah Megumi zu ihrem wenig älteren Bruder hoch. „Was hast du angestellt?“
„Fay ist heute Morgen zusammengebrochen. Sie war ganz starr und... richtig tot. Wahrlich tot. Ich habe ihren Kreislauf angekurbelt indem ich mich mit ihr in ein heißes Bad gesetzt habe und massierte sie. Als sie wieder sie selbst war, sagte ich ihr, dass ich möchte dass wir uns endlich näher stehen. Ich möchte dass sie mich respektiert wie Elyon, oder mag wie dich. Aber sie ließ mich einfach abblitzen, als wäre ich ein Idiot dass ich überhaupt an so etwas denke.“
Lächelnd streckte Megumi ihre zittrige Hand nach ihrem Bruder aus. „Du bist ein Idiot.“ Meinte sie und klopfte ihm vollkommen geschwächt auf die Finger. Für Alasan fühlte es sich an, als würde sie ihn streicheln, nicht bestrafen. „Wieso bin ich jetzt der Idiot?“
„Weil man so etwas nicht zu einer Frau sagt.“ Murrte sie zurück und grinste über beide Ohren.
„Aber... ich will dass wir uns endlich näher stehen. Mir hat es beinahe das Herz zerrissen, als sie kalt und leblos da lag. Ich hätte alles getan um sie zurück zu holen.“ Gab er leise zu und wischte sich ungesehen eine Träne aus dem Gesicht. „Also hatte ich recht?“ Fragte Megumi.
„Mit was?“
Nun winkte sie ab, als sei es unwichtig. „Sag Elyon einfach, dass er mir eine Woche Babysitting schuldet, er wird sich auskennen.“ Damit schickte sie ihn aus dem Zimmer, da sie schlafen wollte, und ließ ihn ohne klare Antworten zurück. Alasan verstand die Welt nicht mehr. In der Bibliothek fand er Elyon, der seit vier Monaten über denselben Dokumenten brütete. „Megumi sagt, du schuldest ihr eine Woche Babysitting.“ Verkündete er, als er eintrat und entlockte seinem älteren Bruder ein herzhaftes Lächeln.
„Das hört man doch gern, zumindest einen Teil davon. Also seid ihr endlich zusammen?“
Alasan zog fragend die Augenbrauen hoch und lehnte sich gegen eines der vielen Regale. „Wer?“
Schnaubend verzog Elyon das Gesicht. „Dann hat wohl Celest gewonnen und nicht Megumi.“
Alasan verstand auch dies nicht und wurde langsam ungeduldig. „Okay, ich sehe schon dass ihr hinter meinem Rücken gewettet habt. Um was ging es?“ Normalerweise war es Alasan, der die Wetten begann und niemals ein Teil davon war. Zumindest nicht was er bisher erfahren hätte. „Celest, Megumi und ich haben Wetten darauf abgeschlossen, wie lange es dauert, bis du dich endlich in Fay verliebst.“
Genervt verzog Alasan das Gesicht. „Ich bin doch nicht...“ Alasan unterbrach sich aufgrund des vielsagenden Blicks von Elyon. Irgendwie schien sein Bruder immer mehr zu wissen, als er aussprach. „Na, gut. Vielleicht mag ich sie ein wenig. Aber trotzdem verstehe ich nicht wieso sie mich nicht mag. Mich mag >jede< Frau!“ Dabei war es ihm egal ob sie lebendig oder halbtot war wie ein Vampir.
„Ja, lebende Frauen mögen dich aufgrund deiner Ausstrahlung, doch vergiss nicht dass Fay gestorben ist. Sie war richtig tot, bevor ein Vampir sie mehr oder weniger Absichtlich wieder zurück geholt hat und Tote Leute können weder etwas mit Testosteron noch Endophinen etwas anfangen.“
„Was hat das denn mit meinem Incubicharme zu tun?“ Beklagte sich Alasan und fühlte sich langsam bloß gestellt.
„Deine Gabe funktioniert lediglich auf chemischer Basis, das meine ich. Incubi und Sukkubi können kontrollieren ob, und wie viel sie an Chemie ausstoßen, damit das andere Geschlecht sexuell darauf reagiert.“
„Danke dass du mir meine eigene Art erklärst.“
Elyon warf ihm nun einen tadelnden Blick zu, bevor er sich wieder seinen Schriften widmete. „Hättest du es gewusst, hättest du nicht gefragt.“
Alasan äffte seinen älteren Bruder kindisch nach und wollte gerade aus der Bibliothek flüchten, als dieser noch einmal das Wort an ihn wandte. „Vergiss aber nicht auch daran zu denken, dass sich Tote nicht verlieben können.“
„Wie bitte?“
„Ich meine damit lediglich, dass du bedenken solltest, dass auch >Liebe< eine chemische Reaktion in deinem Körper auf ein anderes Wesen ist. Da sie nicht auf deine sexuelle Anziehung hereinfällt, kann ich dir nicht versichern, ob sie sich überhaupt zumindest verlieben kann.“ Erklärte Elyon seinem unwissenden jüngeren Bruder genauer.
„Aber... sie kann auch lachen und wütend sein. Das sind doch auch chemische Reaktionen.“
Elyon nickte. „Ich sage dir nur was ich denke. Ghule sind keine perfekte Wissenschaft.“
Mehr konnte Alasan nicht mehr erfahren, und wollte dies auch überhaupt nicht. Die Worte seines Bruders hatten ihn mittlerweile so sehr verwirrt, dass er überhaupt nicht darauf achtete, wohin er ging, als er plötzlich wieder Fay in die Augen sah.
Wieder erinnerte er sich daran, wie Fay auf seinen leidenschaftlichen Kuss reagiert hatte und wie ihre Augen liebevoll geglänzt hatten. Er solle verflucht sein, wenn er diesen süßen Blick nicht noch einmal sehen konnte.
„Was suchst du denn schon wieder hier?“ Knurrte der Ghul und zog ihr Handtuch fester um ihren Körper.
Fasziniert von dem fesselnden Anblick trat er bis auf wenige Zentimeter auf sie zu und musste sich beherrschen sie nicht zu berühren. „Ich muss unbedingt mit dir sprechen.“
„Kann das nicht warten bis ich angezogen bin!“ Es war mehr ein Befehl als eine Frage, doch das war ihm egal. Fay musste nicht einmal etwas tragen, um Alasan zu gefallen.
„Nein.“ Widersprach Alasan.
„Was? Spinnst du jetzt... Was soll das denn?“ Alasan musste sie einfach anfassen, um sich sicher sein zu können, dass sie nicht tot ist. Er hörte ihren beständigen, jedoch langsamen Herzschlag, was darauf schließen ließ, dass sie am Leben war und aus ihren Poren drang ihr natürlicher süßer Geruch.
Ohne auf ihren Widerstand zu achten, legte er eine Hand auf ihre Wange und küsste sie. Vollkommen verwirrt ließ es Fay für nicht mehr als zwei Sekunden zu, dass Alasan sie küsste, dann schubste sie ihn mit Kraft von sich. „Was zu Hölle ist los mit dir?“
„Das fragst du auch noch? Ich bin so unglaublich wütend auf dich!“
Erschrocken sog Fay die Luft ein. „Auf mich?“ Fragte sie irritiert.
„Ja! Auf dich. Normalerweise liegt mir eine jede Frau zu füßen die ich haben will und erfüllt mir jeden Wunsch...“
„Wenn du sie nicht gerade tötest.“ Widersprach Fay.
„Das gehört dazu, verdammt noch einmal. Ich bin eben so. Ich bin ein Raubtier das Jagd und frisst, seine Bedürfnisse befriedigt und wohlig in der Sonne schnurrt. So wie du, mit deiner Stimme heilen kannst, so natürlich kann ich jemandem das Leben nehmen wenn ich das möchte.“
„Na wie dumm, das ich dann schon tot bin, du Hengst.“ Äffte sie Alasan genervt nach und ging zu ihrem Kleiderschrank, obwohl sie überhaupt nicht mehr wusste, was sie dort wollte. Vielleicht einfach nur weg von Alasan und seinen verwirrenden Worten?
„Nein! Dich würde ich niemals fressen. Diese belanglosen Affären, die ihre Sorgen in Sex und Alkohol ertränken, ja. Die fresse ich. Aber dir würde ich nicht einmal ein Haar krümmen.“
Verärgert, dass er nicht verstehen wollte, dass sie nicht mit ihm sprechen wollte, knurrte sie ihn an. „Ja, weil sonst deine Schwester ebenfalls stirbt, das habe ich ja schon verstanden. Halt es noch ein paar Tage aus, dann bin ich ohnehin über alle Berge, dann siehst du mich niemals wieder. Versprochen.“ Schwor sie mehr sich selbst als ihm und musste sich zusammennehmen nicht an die Decke zu gehen.
„Nein! Du bleibst gefälligst.“
„Was? Sicher nicht! Ihr habt nicht einmal ansatzweise genug Geld, dass ihr mich überreden könntet, den Zorn eines ganzen Drachenclans auf mich zu ziehen.“
Als hätte Fay den Gestaltwandler eben geschlagen blickte Alasan sie vollkommen enttäuscht an. Verwirrt, was er jetzt wieder hatte, sah sie ihm nach, als er sich verwandelte und einfach durch das geöffnete Fenster sprang. Sie lief ihm jedoch nicht nach, um zu sehen, ob es ihm gut ging, sondern ging ins Badezimmer zurück um sich die Sachen zu holen, die sie eigentlich hatte anziehen wollen. Dabei ärgerte sich Fay, dass sie sich jetzt fühlte, als müsse sie sich entschuldigen, wenn es doch eigentlich Alasan gewesen war, der etwas falsch gemacht hatte.
Fay band gerade ihre langen Haare zurück, als ein greller Schrei das ganze Haus erschütterte. Es war nicht der Schrei eines Monsters, oder eines wilden Tieres, nein es war viel schrecklicher. Es klang nach einer Frau, die einen großen Schmerz erlitt.
Fay traf als erstes in Megumis Zimmer ein und drückte die Hochschwangere zurück in ihr Bett, welches sie gerade hatte verlassen wollen und fluchte über die Menge an dampfendem Wasser, das vom Boden her aufstieg. Sogar ihr Bett war voll davon.
„Mist verdammter. Leg dich sofort hin oder willst du all meine Mühe zunichte machen?“ Befahl sie Megumi, die sich erschöpft wieder zurückfallen ließ. Fay zog alle Decken achtlos auf den Boden und betete das später nicht wegräumen zu müssen. Stattdessen hob sie Megumis triefendnasses Kleid an, um zu überprüfen, wie weit Megmuis Muttermund sich bereits geöffnet hatte. „Seit wann hast du schon Wehen?“
Megumi hob abwesend die Schultern. „Ich weiß nicht. Ich habe nur gespürt wie sich mein Baby gedreht hat und dann hatte ich schmerzen.“ Eigentlich hätte das Kind erst morgen oder übermorgen kommen sollen, doch offensichtlich sah der kleine Bengel das ein wenig anders.
„Was ist passiert?“ Elyon traf nun ebenfalls ein und sah so aus, als wäre er gerade aus der Bibliothek gekommen, da er immer noch voller Tinte war. „Wasch dir die Hände, dann hilf mir hier.“ Er tat wie geheißen, während Fay Megumi auf die andere, noch trockene Seite des Bettes bettete und versuchte die immer noch laufende Flüssigkeit so gut wie möglich abzufangen. „Verdammt was hast du denn da drinnen gehortet?“ Fragte Fay und verbrauchte ein Tuch nach dem anderen. Elyon kam wieder aus dem Bad und hatte sogar sein Hemd ausgezogen, vermutlich hatte er sich völlig mit Tinte überschüttet vor Schreck. „Elyon bring mir mehr Tücher und Räum das alles in das Bade... Nein, vergiss das. Trag Megumi in die Badewanne! Sofort.“ Während Elyon noch unsicher überlegte wie er seine hochschwangere kleine Schwester hochnehmen sollte, ohne ihr weh zu tun, stellte Fay bereits den Temperaturregler ein und befüllte die Badewanne.
„Was habt ihr vor? Wollt ihr mich etwa ertränken?“
Fay achtete überhaupt nicht auf Megumis Protest, sondern leitete Elyon an sie in das seichte Wasser zu legen. „Nein, eine Wassergeburt. Du verlierst so viel Flüssigkeit dass ich überhaupt nicht weiß, was ich dagegen machen kann, daher ist ist es vermutlich klüger...“ Der laute Schrei von Megumi übertönte Fays Worte und ließ ihr selbst das Blut in den Adern gefrieren. Selbst Elyon sah so aus, als würde er unter keinen Umständen tauschen wollen.
„Was jetzt?“ Fragte Elyon.
„Jetzt müssen wir etwas warten. Aber bloß nicht pressen!“ Mahnte sie Megumi, die bereits kalkweiß vor Schmerzen geworden war. „Keine Sorge, solange ich mich nicht bewege tut auch nichts weh.“ Beteuerte diese, doch Fay wusste es besser. Sie konnte sich zwar nicht erinnern weshalb, aber ihr war klar, dass der Schmerz, den Megumi jetzt fühlte, erst der Anfang sein würde.
„Was können wir jetzt tun?“ Fragte Elyon, der sorgsam darauf achtete Megumis Hand zu halten und dabei nicht ebenfalls zu weinen so wie sie.
„Wie gesagt, warten.“ Wiederholte Fay.
Hinter ihr öffnete sich so plötzlich die Türe, dass sie beinahe aus den Angeln gehoben wurde und Alasan stand im Türrahmen. „Verdammt, was tut ihr denn da?“
„Wassergeburt.“ Wiederholte Elyon der wohl selbst nicht wusste, was das ist und hoffte, dass ihn Alasan aufklären würde.
„Was soll das sein? Sie ist doch kein Fisch.“ Schimpfte nun Alasan und knurrte bedrohlich. Seufzend erklärte es Fay ihnen. „Männer haben doch wirklich von gar nichts eine Ahnung, oder? Das bedeutet, dass die Geburt des Kindes unter Wasser stattfinden wird. Ihm kann nichts passieren, denn solange sich seine Lungen nicht ausdehnen um Atem zu holen, kann er unter Wasser bleiben solange wir es wollen. Natürlich nicht für die Ewigkeit, aber fürs Erste, bis ihr wisst was ihr nun planen werdet wegen dem Kleinen.“
Alle drei Geschwister sahen sich ratlos an. „Solange es nicht schreit, spürt es der Vater nicht! Jetzt verstanden?“
Die beiden Männer nickten, während Megumi neuerlich zu einem lauten Schrei ansetzte, der sogar Alasan bleich werden ließ. „Verdammt was macht der Drache mit ihr?“
Genervt blickte Fay ihn an. „Du willst aber nicht wirklich, dass ich jetzt anfange dir zu erklären wie der Kopf sich gegen den Gebärgang abstößt und ihre Vagina auseinanderreißt. Der menschliche Kopf ist bei der Geburt etwa zehn Zentimeter groß, jetzt rechnet euch den rest bei einem Drachen aus.“ Natürlich wollte es Fay netter formulieren, doch langsam nervte diese falsch platzierte Fürsorge sie wirklich. „Ich... ich glaube ich werde etwas draußen warten, bitte übernimm du Alasan.“ Elyon stürzte so schnell aus dem Zimmer, dass Fay nun Grinsen musste, auch wenn es Megumi nicht ganz so lustig zu finden schien. „Ja, ja du hattest deinen Spaß, jetzt hol dieses Verdammte Ding aus mir heraus.“
Fay strich sanft über Megumis Kopf. „Gleich, ich werde dir ein Mittel geben damit du deinen Körper jetzt eine Zeit lange nicht spüren wirst.“
„Und das gibst du mir erst jetzt!“ Schrie Megumi außer sich vor Wut. „Ja... nein. Wir müssen noch etwas warten, bis genug Wasser hier drinnen ist. Ich will nicht dass das Kind aus Versehen nach Luft schnappt.“
Megumi nickte und schien wieder besänftigt zu sein, doch fing sie nun bitterlich zu weinen an. „Aber... ich will es nicht verlieren. Es ist doch mein Baby, wenn ihm irgendetwas geschieht und ich nicht dabei bin, werde ich das dann überhaupt wissen? Werden die Drachen es mir sagen? Alasan!“
Überrumpelt plötzlich in eine tränenreiche Umarmung gezogen zu werden, tätschelte er leicht ihren Hinterkopf und blickte hilfesuchend zu Fay. „Keine Sorge, sie wird die nächsten Stunden noch öffters ihre Stimmlage verändern.“
Wie gesagt getan. Megumi kratzte ihrem Bruder quer über den Brustkorb, sodass er blutete und sein Hemd kaputt ging. „Du! Das ist alles deine Schuld! Verdammter Mistkerl, hättest du nicht gesagt dass ich einen Ehemann habe, dann wäre Vauven jetzt hier! Das ist alles deine Schuld! Du bist so ein Arsch! Verschwinde sofort von hier!“
Alasan der knapp vor einem Nervenzusammenbruch stand, ließ sich von Fay auf den Deckel der Toilette setzen. Vorsichtig strich sie ihm einige seiner wilden blonden Haare aus dem Gesicht und ließ ihre Hand für einen Moment auf seiner Wange liegen. „Keine Sorge, sie meint es nicht so, dass sind die Hormone und die Schmerzen. Sie wird dir jetzt abwechselnd sagen dass sie dich liebt und dass sie dich hasst und du wirst ihr genau das sagen was sie hören will und nichts andere, verstanden?“
Alasan nickte und küsste ihre Handinnenfläche. „Danke dass du da bist.“ Nuschelte er leise und raffte sich dann zusammen um für seine kleine Schwester da zu sein.
Irritiert sah sie dem Jaguarwandler hinterher, doch sagte nichts darauf. Er nahm neben der bereits wieder weinenden Megumi platz und tat genau das, was Fay ihr gesagt hatte. Immer wieder betonte Alasan, wie sehr er Megumi bewundert und wie schön sie heute aussah. Auch versuchte er, sie abzulenken, indem er eines ihrer typischen Streitgespräche begann, wem das Kind wohl ähnlicher sehen würde. Alasan oder Elyon?
Fay hoffte inständig, dass das Kind eher wie Elyon sein würde, da sein Charakter der ruhigste war, den sie bisher kennenlernen durfte.
Im Schlafzimmer von Megumi, fand Fay den immer noch zittrigen Elyon, der sich darauf zu konzentrieren schien die nassen Decken zu entsorgen. „Geht es dir besser?“ Fragte sie. „Nein, kein bisschen. Ich würde lieber tausend Tode sterben als Megumi jemals wieder so zu sehen.“
Fay verstand das bloß zu gut. Auch ihr tat es weh, die immer so starke und freche Megumi so zerbrochen und unter Schmerzen leidend, zu sehen. „Aber es wird vorüber gehen. Du wirst schon sehen, sobald das Kind da ist, wird sie dich wieder beschimpfen und herumschicken für alls was sie brauchen wird.“
Ein liebevolles Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab. „Ja, ich würde einfach alles für sie tun. Auch für Alasan.“
„Also nehme ich an, dass ihr das Kind mit eurem Leben verteidigen werdet?“
„Natürlich. Ich werde Megumi mit dem Kind hinunter in den dreizehnten Stock schicken, in der Schatzkammer einsperren, mehrere von Celest Wachhunden aufstellen die sie beschützen werden und jeder feuerspeienden Echse die es wagt meinem Schloss zu nahe zu kommen, die Flügel herausreißen.“
„Celest freut sich sicher über die bald kommenden Probleme.“
Elyons brüderliches Lächeln verwandelte sich zu etwas Schelmischen. „Ja, das wird ihr bestimmt gefallen. Ich weiß überhaupt nicht mehr wie ich ohne Celest jemals die Zeit totschlagen konnte. Sie ist so... wunderbar.“ Schwärmte er, als würde er über eine alte Flamme nachdenken. „Also... Ist da zwischen euch etwas?“
„War? Ist? Ich habe keine Ahnung. Sie ist unsterblich, so wie ich, hält ihre eigenen Dämonen im Zaum, so wie ich meinen. Sie ist trotz ihrer Verrücktheit einfach die perfekte Frau.“
Fay empfand es ironisch ausgerechnet von Elyon, dem ruhigen, gebildeten und Unumstößlichen so etwas zu hören. Ironie des Schicksals.
„Und Megumi? Auch sie scheint immer noch an dem Vater des Kindes zu hängen. Wieso ist sie nicht bei ihm geblieben, das verstehe ich nicht.“ Meinte Fay leicht gereizt. Wäre Megumi bei den Drachen geblieben, dann wäre ihre Familie nicht in Gefahr und Fay selbst müsste sich nicht die Stimme wund singen.
„Das ist ein kompliziertes Thema.“
„Das Thema Liebe ist immer kompliziert. Da ich jedoch bezweifle dass ich diesen Krieg zwischen euch und den Drachen überleben werde, kannst du es mir doch verraten, oder?“
Elyon blickte nun von den nassen Decken hoch und blickte Fay überrascht an. „Du hast dich doch entschieden zu bleiben?“
„Wer von uns Jägern teilt nicht gerne den einen oder anderen Schlag aus? Außerdem bezweifle ich, dass sie damit rechnen werden ausgerechnet hier einen Ghul anzutreffen, oder?“
Elyon schloss Fay so herzlich in die Arme, dass ihr für einen Moment die Luft wegblieb, bis er sie wieder absetzte und stolz anlächelte. „Danke, du weißt überhaupt nicht, wie sehr mich deine Entscheidung beruhigt. Vermutlich wäre Alasan im Selbstmitleid ertrunken oder hätte sich vor rasender Wut gleich mit dem Wyvern pesönlich angelegt. Ich habe schon daran gezweifelt, dass ich Megumi und Alasan gleichzeitig beschützten könnte.“
„Was hat das mit mir zu tun? Bisher war Alasan nur gemein zu mir, ich dachte eher, er würde sich freuen, wenn ich endlich verschwinde.“ Fay wusste nicht recht, wieso sie überhaupt bleiben wollte. Um Alasan zu trotzen? Megumi zu beschützen? Mehr über Drachen zu lernen? Um diese kuriose Familie zu beschützen? Vielleicht war ein bisschen von allem der Grund davon.
„Alasan ist vielleicht für außenstehende, die ihn nicht so gut kennen, nicht so einfach zu verstehen, aber was ich bisher aus seinen Launen heraus gehört habe, scheint er richtig einen Narren an dir geefressen zu haben.“
„An mir?“ Fragte Fay ungläubig, woraufhin ihr Herz unruhig wurde.
Bestätigend lächelte der älteste Sohn der Familie Vastia zu ihr hinab und umarmte sie noch einen kurzen Moment. „Du musst wissen, dass du immer einen Platz hier im Anwesen und in unserem Leben haben wirst. Wir mögen dich und respektieren dich für das, was du bereits für uns getan hast.“ Beschwor Elyon sie, bevor auch bereits der nächste Schrei von Megumi erklang und er wieder, weiß wie Kalk, wurde.
„Ich werde nach ihr sehen, ich denke es wird langsam Zeit das Kind zu holen.“ Meinte Fay, doch war bei der Hälfte des Satzes bereits im Nebenzimmer, wo Alasan verzweifelt auf sie wartete. Mittlerweile hatte er noch mehr Schrammen abbekommen, doch die meisten schienen aus Versehen geschehen zu sein. „Sie hat ihre Verwandlung nicht mehr unter Kontrolle.“ Bestätigte Alasan das was Fay vermutete. „Das liegt nur an den Schmerzen, schon gut. Beruhige dich.“ Sprach sie auf Megumi ein und ging zum Waschtisch, auf welchem sie bereits sterile Dinge vorbereitet hatte. Eine natürliche Geburt konnte sie Megumi nicht zumuten, da Fay Angst davor hatte, was sie sehen würde und das die Mutter es eventuell vor Schmerzen nicht überleben würde. Natürlich würden die Verletzungen heilen, als wäre nichts geschehen, doch Fay hatte nicht vor ihr restliches Leben von Albträumen geplagt zu werden.
„Trink das.“ Fay reichte Alasan ein Glas, dass er Megumi an die Lippen hielt. Langsam trank die verzweifelte Wandlerin einen Schluck und verzog das Gesicht.
„Das gribbelt im Mund.“
Fay lachte. „Das soll es auch. Trink alles aus und lass nichts übrig, dass ist das Schmerzmittel.“
Megumi trank das Mittel, als würde es sie unverwundbar machen, und seufzte erleichtert, als der Schmerz endlich nach ließ. „Danke...“ Säuselte sie, da ihre Zunge nicht mehr richtig funktionierte. „Soll das so sein? Sie klingt so seltsam!“ Beschwerte sich Alasan. Langsam fragte sich Fay, wer hier eigentlich gerade ein Kind bekam.
„Ja, es wirkt lähmend. Megumi wird vom Hals abwärts nun nichts mehr fühlen können.“
Alasan nickte, nicht allzu begeistert über die Aussichten, dass seine Schwester nun gelähmt sein würde, doch sagte nichts dazu. „Was passiert als nächstes?“
„Ich hole das Kind.“ Verkündete Fay stolz und ließ ihre Gummihandschuhe einmal schnalzen, bevor sie zum Skalpell griff.
„Moment! Was denkst du was du da tust?“ „Dir den Kopf abreißen, wenn du deine Schwester jetzt ertrinken lässt.“ Megumi bekam einen erschrockenen Ausdruck im Gesicht, als ihr Hals langsam im Wasser verschwand und sie sich nicht bewegen konnte. „Hilpfe! Baue Hilpfe! Alasaaan!“ Rief sie mit halb betäubter Stimme. Sofort stützte Alasan sie und brachte sie in eine bequemere Position zurück.
„Fay! Warne mich nächstes Mal vor!“
„Ja, klar... Sie wird vom Hals abwärts nichts merh spüren können, war wohl nicht deutlich genug.“ Murrte sie und platzierte alle Instrumente die sie brauchen würde neben sich auf einer sterilen Unterlage.
„Ich dachte dass nur ihre Schmerzen weggehen, nicht auch ihre Nerven betäubt sein würden.“
„Willst du ausgerechnet jetzt mit mir streiten?“ Fragte Fay, während sie unauffällig den ersten Schnitt ansetzte. Sie musste die beiden nur ablenken, bis sie das Kind herauszog, damit sie nicht wieder panisch wurden. „Ja, wenn es sein muss. Du musst mir klarer erklären was ich tun soll oder du vor hast, ansonsten kann ich ja schlecht erraten was du mir sagen willst.“
„Ach, ausgerechnet du, der doch immer den Mund offen hat und prahlt wie begehrt er doch bei allen Frauen und Männern ist, will auf einmal zuhören? Was ist das denn für eine Taktik? >Die Stumme Verführung<?“
Alasan knurrte verärgert, währenddessen Megumi so aussah, als würde sie Fay und ihren Bruder dafür schlagen wollen, diesen Streit ausgerechnet jetzt auszuleben. „Ich hatte nicht vor, vor dir anzugeben wie viele Geschlechtspartner ich schon hatte. Ich habe dir einfach klar machen wollen, dass es mich frustriert hat... nein! Das es mich immer noch frustriert, dass ich beinahe alle anderen Frauen auf dieser verdammten Welt haben könnte, doch ausgerechnet die, in die ich mich verliebe, wirfst mich durch Wände und will nichts von mir wissen, egal wie sehr ich mich bemühe sie vor sich selbst zu schützen.“
Fay erstarrte in ihrer Bewegung und blickte Alasan erschrocken an. Er hatte nicht etwa gerade gesagt, dass er sie liebt, oder? „Was? Du redest von mir?“ Sonst kannte sie niemanden, der ihn die letzten Monate durch Wände geworfen hat. „Außerdem ist das übertrieben, ich habe dich lediglich über Möbel geschleudert, aber beinahe nie durch Wände!“ Fay hatte keine Ahnung, wieso ausgerechnet dieser Teil sie am meisten störte.
„Das spielt doch jetzt überhaupt keine Rolle. Hast du mir nicht zugehört, oder wolltest du es überhaupt nicht hören? Fay, ich mag dich wirklich sehr und habe seit du da bist an keine andere Frau mehr gedacht oder sie gar angefasst. Bitte gib mir eine Chance!“
Seine Stimme übertönte selbst das Schweigen, welches sich ausbreitete, während Fay versuchte, gleichzeitig sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren, und Alasans Liebesgeständnis zu verarbeiten.
„Aber... aber du hast mich gezwungen zu töten und... mir immer gesagt wie nutzlos ich als Ghul bin und...“
„Ja, das tut mir auch leid. Ich wollte dir eigentlich nur helfen da das töten nun auch in deinen Adern liegt, egal wie lange du es zurückhältst. Irgendwann hättest du vielleicht jemanden getötet denn du liebst und da dachte ich mir... besser du tötest mich dafür als dass du später einmal leiden musst.“
Für diese Worte wollte Fay Alasan am liebsten küssen, doch vermied es, alleine schon seinen Blick abzufangen. Seine Anwesenheit verwirrte sie plötzlich und brachte ihre, ansonsten so verlässlichen Hände, zum Zittern. Wann hatte sie wohl begonnen, alles was er sagte sich dermaßen zu Herzen zu nehmen?
„Wenn ihr dann fefisch seid... chanst du mir sagen was du machs?“ Nuschelte Megumi in die mehr als unangenehme Situation hinein und brachte Fay damit wieder auf einen Pfad, mit dem sie etwas anfangen konnte.
„Entschuldige, bitte. Natürlich, ich habe dich aufgeschnitten und hole jetzt gleich das Kind. Bist du bereit dein Kind zu halten?“ Megumi erstarrte und versuchte sehnsüchtig über ihren dicken Bauch etwas zu erkennen. Auch Alasan beschwerte sich nicht darüber, wieso er nichts davon mitbekommen hatte, oder was ihm ansonsten durch den Kopf ging, sondern betrachtete angeekelt die längliche Wunde, die bis zum nächsten Morgen nicht einmal mehr zusehen sein würde. Eigentlich hatte Fay geplant, den Geburtsschnitt im Bett zu vollziehen, doch da sie durch die viele Flüssigkeit dann doch spontan umentschieden, hatte für die Wassergeburt, war eines zum anderen gekommen und es geschah einfach beides. Ein Wasser-Geburtsschnitt. Für Menschen vermutlich undenkbar, doch einer Wandlerin die so stark war, um einen Drachen auszutragen, machte dieser kleine Eingriff überhaupt nichts aus.
Vorsichtig entfernte Fay nun die letzten Schicht und sofort streckte sich eine keine weiche rote Kralle nach ihr aus. Den Tränen nahe, da sie dieser Anblick rührte, strich sie sanft über die noch biegsame und stumpfe Kralle. „Ist... ist alles in Ordnung?“
Fay nickte und wischte sich die Tränen an ihrem Ärmel ab. „Entschuldigt. Das... war einfach gerade unendlich niedlich.“ Flüsterte sie und schämte sich im selben Moment dafür so etwas als niedlich zu empfinden. „Ich werde es jetzt holen.“
Alasan beugte sich noch weiter vor und fiel beinahe vom Hocker vor Neugierde, als Fay beide Hände im Mutterleib verschwinden ließ. Es dauerte nur wenige Sekunden in denen sie die abgeflachten Schuppen umfasste und nach dem länglichen Kopf tastete, doch jedem im Raum, selbst Elyon, welcher an der Türe stand, blieb nicht nur die Luft stehen, sondern auch das Herz. Jeder wusste, wenn Fay nun das Kleine aus seiner warmen Behausung holen würde und seinen ersten Atemzug nehmen würde, begann der Krieg, der alles oder nichts bedeuten konnte. Für Elyon ging es nun darum, ob er seiner Dunkelheit verfallen würde oder ob er standhaft bleiben konnte. Für Megumi ging es darum, ob sie ihre neu erwachte Liebe zu ihrem Kind vor der naturgewaltigen Liebe zu einem Drachen beschützen konnte. Fay und Alasan dagegen waren sich immer noch nicht sicher, wie sie zueinanderstanden und ob aus dem Leben so wie dem Tod so etwas wie liebende werden konnte. Und Celest? Die mittlerweile verschollene Celest, erreichte in diesem Moment das Ende der Kanalisation der Stadt, die den drei Vastia Geschwistern gehörte und wartete auf den Moment, in dem die Sonne hinter dem Horizont verschwinden würde. Schmerz, Qual und Hass. Das war es, was im Schloss auf sie wartete. Es war alles was die Klinge in ihrer Hand begehrte, beinahe so sehr, wie sie Eylon begehrte. Doch seit vier Monaten rang sie mit sich selbst, ob sie es riskieren konnte hierzubleiben. Natürlich würde sie niemals in einem Kampf sterben oder an gebrochenem Herzen, das würde die Klinge niemals zulassen. Aber wenn sie dortblieb und auch nur ein Treffer sie falsch erwischte, dann konnte das zerstört werden was sie bereits seit vier Monaten vor Elyon durch einen Zauber verheimlicht und betete, dass er es irgendwann einmal so sehr lieben konnte, wie er seine bisher langsam wachsende Familie liebe. Celest wusste, dass sie niemals ein Teil davon sein konnte, ohne mutwillig ihnen Schmerzen zu verursachen, daher hatte sie den Vertrag, den sie vor beinahe einem Jahr mit Elyon eingegangen war verbrannt und einen neuen aufgesetzt, der sie daran band, niemals dem kleinen Wesen das anzutun, was ihre Mutter ihr angetan hatte. In weniger als fünf Monaten würde er diesen Vertrag bekommen zusammen mit einer Schrift von ihr, in der sie ihm ein letztes Mal erklären würde was sie für ihn empfand und dass es sicherer für alle sein würde, wenn niemand auch nur noch in die Nähe dieser Klinge kam.
Die Sonne neigte sich dem Zenit und langsam wurde das beständige Gelb zu einem dunklen Rot, welches von Blut und leid sprach. Fay umfasste das instabile Köpfchen fester und zog es behutsam aus dem Körper der Mutter. Erschrocken sog sie die Luft ein und blickte entsetzt zu Megumi. „Es ist...“
Elyon, der mittlerweile neben Alasan kniete und Alasan selbst waren kurz davor Fay an den Hals zu springen, wenn sie nicht sofort etwas sagte doch Fay konnte nicht glauben, was sie hier in den Händen hielt. Nicht dass Fay so etwas wie einen Todeswunsch verspürte, einmal davon abgesehen, dass sie praktisch tot war, aber sie hatte sich mit der Entscheidung bei dieser Familie zu bleiben und Megumi zu beschützten regelrecht zum Tode verurteilt. Einen Drachen zu gebären war etwas was normalerweise kein Mensch überlebte und ein Wesen nur mit viel Hilfe. Doch dieses zerbrechliche kleine Wesen das Fay hier in ihren bereits durchnässten Armen hielt, war weit mehr, als dass Megumi eigentlich hätte gebären dürfen. Viel mächtiger als ein Drachen und auf gleicher Stufe mit einem Dämon...
„Es ist...“ Wiederholte sie sich. „ein Wyvern!“
In den dunklen Fluren, tief unter einem Schloss, war nichts zu sehen, doch leise Tatzenschritte bahnten sich ihren Weg über den kalten, grauen Stein. Schritt für Schritt trugen ihre kräftigen Beine, das wendige Raubtier, mit den prachtvollen Rosetten hinab in den dreizehnten Stock wo kaltes Gold auf sie wartete. Vorbei an den Flüchen, die nur sie hindurch ließen, trabte sie etwas schneller und betrachtete die Tonnen an Gold mit keinem einzigen Blick. Ihre Instinkte erinnerte sich, für sie wohin sie gehen musste und führten sie direkt vor eine alte, nie benutzte Sicherheitstüre. Sie war aus demselben Stein gemeißelt wie die restlichen Gänge und Säle, doch hinter diesem Tor befand sich, aus schwarzen Diamant geschlagen, eine einzelne schlichte Türe. Sie war gerade einmal groß genug, dass ein halbwüchsiges Kind hindurchpasste, und schimmerte in matten grau.
Der Zauber, der über dieser Türe lag, erkannte das Blut der Familie Vastia und ließ sie ein. Hinter der kleinen Raubkatze schloss sich die Türe wieder und fiel dumpf ins Schloss. Niemand konnte diese Türe öffnen, nicht einmal ein wahrer Dämon. Der schwarze Diamant strahlte so viel Leben aus, dass es für richtige Dämonen unmöglich war, dieser Türe zu nahe zu kommen, ohne sich daran zu verbrennen. Darauf zählte die noch so junge Jaguarwandlerin.
Sie entließ ihr kleines Bündel aus ihrem starken, tödlichen Gebiss und richtete sich auf, um eine menschliche Form anzunehmen. Zufrieden stellte sie fest, dass der Schnitt unter ihrem Bauch bereits verheilt war und ihr Bauch ebenfalls beinahe wieder die richtige Form angenommen hatte.
Etwas quietschte zu ihren Füßen wehleidig, daher bückte sie sich um das noch so junge Kind in ihre warmen Arme zu schließen und streichelte sanft seine langsam dunkler werdenden Schuppen. Megumi erinnerte sich noch zu gut, wie hell diese Schuppen noch vor wenigen Stunden gewesen waren. So hell wie der frisch angebrochene Sonnenuntergang hatten sie geleuchtet, während es einen unendlich qualvollen Schrei in den Himmel gesetzt hatte. Tränen waren der frisch gebackenen Mutter in Strömen über die Wangen gelaufen, doch Trauer hatte sie nicht gespürt. Das Einzige was sie fühlen konnte, war Liebe und Stolz. Sie hatte dieses kleine zerbrechliche Wesen in sich getragen, es behütet und mit ihrem warmen Fleisch beschützt. Nun waren zwei Männer und zwei Frauen an der Reihe sie und das Kind zu beschützen.
Vorsichtig legte Megumi die kleine schuppige Echse in ein Gitterbett und redete sanft auf das kleine Wesen ein. Seine Krallen waren bisweilen immer noch weich und ähnelten mehr der Konsistenz von Fingernägeln als den eisernen Krallen, zu denen sie einmal werden würden. „Nicht weinen mein Baby, dein Papa kann dir hier nichts tun. Mama ist da und passt auf dich auf, genauso wie deine Onkeln und Tanten. Versprochen.“ Säuselte die Mutter in das winzige fellige Ohr und beobachtete gespannt, wie es sich zurückzog und fleischiger wurde. Die Schuppen verblassten bis sie nur noch ein dünner Lederfilm waren und schlussendlich zu Haut wurden. Plötzlich lag anstatt eines Drachenprinzen ein kleineres Wesen und viel menschlicher.
Abermals sammelten sich Tränen in den Augen der Mutter und sie hob das noch zerbrechlichere Neugeborene in ihre Arme. Das einzige Drachenhafte das an dem Baby blieb, waren die purpurroten Augen mit dünnen schwarzen Schlitzen. „Mein süßer Prinz...“ Säuselte sie und küsste es auf die Stirn, bevor sie ihn zum Stillen an ihre Brust nahm.
- - - - -
Bisweilen an der Oberfläche herrschte nicht so viel Glück. Um Elyon herum bebte die an sonst beständige Erde, als würde sie versuchen, vor der kommenden Urgewalt zu fliehen. Der Wind schrie durch das Schloss um Hilfe, als hätte er Angst, dass starke Flügel ihn umreißen könnten, und die Wasserquellen zogen sich langsam aus dem Reich zurück. Jeder in der Stadt wusste, dass nun etwas kommen würde, etwas Fürchterlicheres als es jemals in diesem Reich gegeben hatte. Seit Stunden versuchten Elyon und Alasan nun, die Bewohner zu evakuieren, und beteten, dass sie die meisten rechtzeitig hinfort bekämen. Noch nie war ihnen ihr kleines Reich so groß vorgekommen wie in diesem Moment.
Die Zeit schien ebenfalls stehen zu bleiben für Fay, die mühsam versuchte Celest in diesem unendlich großen Schloss zu finden.
„Alasan! Hast du sie vielleicht in der Stadt gesehen?“ Alasan der gehetzt aussah und kaum zur Ruhe kam, um einen klaren Gedanken zu fassen, schloss sie in die Arme und bemerkte überhaupt nicht wie sie sich unangenehm versteifte.
Dass Alasan ihr seine Gefühle offenbart hatte, verwirrte die Ghulin immer noch und sie wusste nicht, was sie davon halten sollte.
„Nein, sie hört auch nicht auf Elyons Befehl zu ihm zu kommen. Langsam glaube ich dass sie abgehauen ist.“
„Das ist sie nicht!“ Knurrte Elyon, der ebenfalls antraf und vollkommen durchnässt zu sein schien.
„Was ist denn mit dir passiert?“ Fragte Fay, die Celest schon wieder vollkommen vergessen hatte.
„Es hat gerade angefangen zu regnen als gebe es keinen Morgen mehr.“ Meinte er verärgert und entkleidete sich noch im Wohnzimmer, sodass er nur noch in Unterhose vor ihnen stand. Nicht einmal die war trocken geblieben.
„Sind alle evakuiert?“ Fragte Alasan, der mit Absicht versuchte, von seinem dummen Kommentar über Celest, abzulenken. „Nein, aber die Stadt leert sich.“ Meinte Elyon kurz angebunden. „Der König hat eben meinen Brief bekommen, dass er sich nicht in diesen Kampf einmischen solle. Ich weiß nicht was er tun wird, aber ich bezweifle dass er einen Krieg mit den Drachen riskieren würde.“
„So wie ihr drei?“ Fragte Fay und grinste höhnisch.
„Und du!“ Bemerkte Alasan, doch diese Worte raubten ihr das Lächeln.
„Ja, das ist alleine eure Schuld. Hätte ich gewusst dass sie von einem Wyvern schwanger ist hätte ich sie noch am Krankenbett sterben lassen.“ Meinte Fay kalt, doch meinte es nicht so, da sie Megumi mittlerweile ins Herz geschlossen hatte. „Wir konnten doch nicht ahnen, dass sie einen Wyvern gebärt. Wir wussten nicht einmal, dass das möglich ist.“
Fay seufzte genervt. „Das sollte es auch überhaupt nicht. Nur weibliche Wyvern haben die Stärke einen Wyvern zu gebären. Aber da Megumi nicht einmal ansatzweise ein Drache ist, wundert es mich trotzdem dass sie immer noch lebt. Und ich!“ Fügte sie skeptisch hinzu. Nun überraschte es Fay überhaupt nicht mehr, dass ihr so wenig Kraft geblieben war, sodass sie beinahe zu einem Zombie geworden wäre, wenn Alasan sie nicht beschützt hätte.
„Aber ihr lebt beide, was bedeutet dass dieses Kind geboren werden musste und dass ihr beide die Stärke für diese Geburt besessen habt.“ Was Alasan damit meinte, verstand Fay nicht und wollte dies auch überhaupt nicht. Lieber wandte sie sich wieder an seinen älteren Bruder Elyon, der wesentlich einfacher zu verstehen für sie war. „Auf jeden Fall denke ich, dass es klüger wäre ihnen das Kind einfach zu geben, denn sonst werden sie unweigerlich alles zerstören, was ihr euch jemals aufgebaut habt.“ Elyon warf ihr einen leicht beleidigten Blick zu, doch seufzte schlussendlich ergeben. „Das sagst du so einfach. Megumi hat das Kind durch einen Wyvern empfangen und das obwohl sie nicht dazu hätte in der Lage sein dürfen. Sie hat ihn so sehr geliebt, dass sie, nachdem sie sich endgültig von ihm getrennt hat, beinahe ihr Kind abgestoßen hätte. Jetzt erwartest du von ihr, auch noch das herzugeben, was sie als einziges noch von ihm hat? Megumi würde sterben wenn wir das zuließen.“
„Und wenn ihr sie mitgehen lasst? Es sollte ihr Problem sein nicht eures.“
„Das kommt nicht in Frage. Sie ist unsere Schwester und lieber sollen sie das ganze Land verbrennen und wüten so viel sie wollen. Kein Drache legt jemals wieder eine Hand an sie.“ Schwor Elyon, dabei wurden seine Augen tiefschwarz, sodass Fay unweigerlich zurück stolperte. Alasan musste sie auffangen, damit sie nicht niederfiel, doch sie raffte sich schnell wieder zusammen. „Entschuldige... das mit deinen Augen hat mich etwas überrascht.“ Gab sie zu und wich seinem Blick aus. „Sie sind dunkler als deine eigenen, oder?“
Sie nickte betroffen. „Meine Augen sind leer und gebrochen. In deinen jedoch wütet die Finsternis.“ Alasan strich Fay sanft über ihr Haar und schloss sie in eine Umarmung. „Elyon ist der netteste Dämon auf der gesamten Welt, das schwöre ich dir.“ Flüsterte er zärtlich in ihr Ohr und brachte sie damit zum Lachen. „Ja, bestimmt ist er so knuddelig wie ein Bär nach dem Winterschlaf.“ Stimmte sie mit ein und nun begann auch Elyon wieder zu lächeln. „Ihr seid zwei ziemlich gemeine Wesen, wisst ihr das.“ Beide nickte, als würden sie etwas aushecken, und brachten den, sonst so gefassten Elyon dazu, zu zweifeln, ob er die richtigen Kampfgefährten gewählt hatte. „Ich gehe hinunter in den Folterkeller, mal sehen ob ich dort wenigstens noch ein halbwegs vernünftiges Wesen finde.“ Tadelte er die Zwei halbherzig und verließ den Raum.
Elyon fand, dass die beiden nicht allzu gut zusammen passten, aber vielleicht machte genau das den Charme des jeweils anderen aus. Während Alasan wild und von sich überzeugt zu sein scheint, ist Fay genau das Gegenteil. Sie ist warmherzig und fürsorglich, während sie lieber an andere denkt als an sich selbst, auch wenn ihr Mundwerk bösartiger klang, als das sie es meinte. Jedoch dafür dass Alasan sich zum ersten Mal richtig verliebt zu haben schien, hatte er eine ausgesprochen gute Wahl getroffen.
Fay beschwerte sich zwar gerne, wie verrückt diese Familie ist, doch trotzdem blieb sie da und kämpft für etwas, das ihr eigentlich egal sein sollte. Weder kam sie aus diesem Land, noch hatte sie eine Familie hier und doch blieb sie an der Seite einer Familie, die sie überhaupt nicht verstand, während sie anfing, diese zu lieben.
Das ließ ihm ein stolzes Lächeln auf die Lippen kommen, während er die Tür zu den Kerkern öffnete. Das Erste was ihn erschreckte, war der unbarmherzige Geruch von Tod und Schande, die diesen Raum erfüllte. Ungläubig sah er sich in dem vollkommen verwüsteten Kellerraum um und staunte nicht schlecht. An den Mauern bewegten sich dunkle Schatten die nicht einmal mehr ansatzweise einem Menschen glichen, was vermutlich Celests Absicht gewesen war. Elyon wusste doch wie sehr sie das Verrückte und Unbeständige liebte.
Sein Herzschlag beschleunigte sich, als er an sie dachte und da sehnte er sich auch schon wieder nach ihr.
Seit Stunden war Celest wie vom Erdboden verschwunden. Dass sie tagsüber lieber schlief, das war nicht neu für ihn, doch dass sie sich bereits die ganze Nacht nicht einmal hatte blicken lassen? Langsam machte er sich ernsthafte sorgen. Ob ihr etwas passiert war?
Kopfschüttelnd trat er näher auf die dunklen Hinkenden, röchelnden, sich schleifenden und glucksenden Kreaturen zu und betrachtete sie näher. Eine jeder war hässlicher als die davor und schien direkt aus der Hölle gestiegen zu sein. Sobald Elyon näher kam, sträubten sie sich gegen ihre dicken Ketten, und versuchten zu ihm zu kommen und ihn zu erreichen. Dass sie ihm um den Hals vor Freude fallen wollten, bezweifelte Elyon stark.
Mit einem gesunden Abstand schritt er an den fünfzehn Kreaturen zu, von denen nur drei Flügel trugen und der Rest bestückt mit Stacheln, Klauen oder Reißzähnen. „Die perfekten Wesen um zu töten.“ Philosophierte er zu sich selbst.
Gerade als sich Elyon von den hässlichen und sabbernden Kreaturen abwandte, fiel ihm ein weißes Stück Papier auf einem der Untersuchungstische auf. Neugierig geworden ob dort vielleicht etwas davon stand, was das für Dinger waren, las er das Dokument, welches in Celests schmierigen Handschrift geschrieben war.
Geliebter Herr.
Ich habe unseren Vertrag zerrissen, denn ich kann jetzt nicht mehr auf Euch achten. Es gibt etwas anderes, das ich beschützen muss, da es mir kostbarer als alle anderen Leben ist. Bisher hatte ich weder den Mut dazu gefunden, noch den Moment, um Euch mein Geheimnis zu verraten, doch ich schwöre Euch, dass Ihr in weniger als fünf Monaten alles verstehen werdet. Bitte hasst mich bis dahin nicht, das würde der Rest meiner geschundenen Seele niemals überleben. Die Zeit bei Euch hat mich glücklicher gemacht, als dass ich es jemals verdient habe. Ich habe geschlachtet, gefoltert, zerhackt und verstümmelt. Alles was mir in den Weg kam, habe ich zerstört und wollte auch in Eurer Familie die Niedertracht säen. Doch fand ich etwas Helles und Funkelndes, etwas das mein Herz jedes Mal tausend Tode durch seine Schönheit sterben ließ, während sich meine Seele nach einer weiteren Nacht nur mit Euch sehnte.
Das Lächeln des Elyon.
Ich liebe Euch, mein Herr, mein Meister, mein unsterbliches Herz.
Da ich nicht hier sein kann, um Euch und Eurer Familie in diesem Kampf beizustehen, habe ich Euch diese fünfzehn Geschenke dagelassen. Sie hören lediglich auf Eure Stimme Meister Elyon und werden unter Eurem mächtigen Wort Tod, Chaos und Unheil bringen. Setzt sie weise ein, mein Geliebter.
In unendlicher Treue. Celest, die Dämonenflüsterin
Dicke Tropfen fielen auf das Stück Papier und Elyon blickte verwirrt zur trockenen Decke hoch, bevor er realisierte, dass diese Tropfen aus seinem Gesicht kamen. Irritiert wischte er sie fort und presste frustriert sein Kiefer aufeinander, während er die Worte darauf noch einmal las. Ganz wurde er nicht schlau daraus, was genau Celest damit meinte, doch verstand er das dies ein Abschiedsbrief, so wie ein Liebesbrief zugleich war. Noch einmal las er ihn und noch einmal. Trotz seiner jahrelangen Ausbildung mit sämtlichen Symbolen und Sprachen, schien er genau diese verlernt zu haben. Keines der Wörter wollte in seinem Kopf bleiben, doch trotzdem brannten sie sich hinter seine Stirn, als würden sie sich direkt in seien Schädel einbrennen.
Celest musste gehen und etwas beschützen, das ihr mehr Wert war als ihre Liebe? Was sollte das sein? Machte sie das nur wegen der Klinge? Hatte sie Celest dazu verleitet bevor sie so etwas, wie Glück empfinden konnte? Das ergab alles überhaupt keinen Sinn. Sie liebte ihn so sehr, wie Elyon sie liebte und doch ließ sie ihn einfach im Stich. Das einzige was er noch von ihr hatte, waren seelenlose Monster.
Das Papier glitt aus seinem mittlerweile unsicheren Griff und der Dämon in seinem inneren Riss so sehr an seinen Ketten, dass Elyon nicht einmal dazu kam einen neuen Fluch über sich selbst auszusprechen. Wie konnte sie nur? Wie konnte Celest es wagen ihn einfach so im Stich zu lassen? Nach alldem was sie für ihn empfand, entschied sie sich, am schwierigsten Tag seines Lebens einfach zu verschwinden? Sie lief davon und wollte ihn zum Sterben zurücklassen?
Sein Blick fiel auf die unheilvollen Kreaturen, die unter seinem dämonischen Blick zusammenzuckten und versuchten, in die Wand zu kommen, nur damit sie nicht mehr von ihm angesehen wurden. Das ließ sie für ihn zurück? Einen Haufen von umgekehrten Seelen eines Menschen? Mickrige Dämonen die für nichts anderes als zum Fressen gut waren?
Sein lauter, von Qualen zersetzter Schrei ertönte durch die großen Hallen und langen Gänge, während das Mauerwerk vor Angst erzitterte. In der Ferne hörte er Spiegel und Fenster splittern während der Wind nun ungeschützt durch jeden Raum fuhr und alles mit sich riss, was nur leicht genug zum Transportieren war.
Die Ketten der Monster rissen und sie rasselten vor Panik, um ihn herum. Quietschten ängstlich, stolperten über ihre zu vielen oder zu wenigen Beine oder stießen sich gegenseitig unsanft aus dem Weg.
Neuerlich brüllte er sie an, dann saßen sie auch schon wimmernd in ihren ehemaligen Käfigen, zitternd, als wäre der Teufel persönlich hinter ihnen her.
„Ach du meine Güte!“ Erklang Fays erschrockener Aufschrei. Aus ihrem Haar purzelten noch einige Glassplitter und Alasan sah so aus, als wäre etwas auf ihn gestürzt.
„Verdammt, was ist passiert? Was zur Hölle sind das?“
Elyon, dessen Haut bereits von einer schwarzen schmierigen Flüssigkeit überzogen war, dachte nicht einmal daran, seinen Dämon wieder an die Ketten zu binden, sonder ließ ihn direkt unter seiner Haut sitzen. „Celest hat mich verlassen. Sie ist fort. Geflüchtet... Und hat mir diese verdammten Bestien hinterlassen. Das sind Menschenfresser. Sie sind der hässliche Abschaum den man aus einer Seele formen kann wenn man nur genug Sünden und Dämonenleben in sie steckt.“ Erklärte er durch sein gewandeltes Gebiss und spürte, wie ihm Geifer über den Kiefer lief.
„Das ist... das ist furchtbar! Wieso ist sie fort?“ Fragte Fay und ignorierte dabei die Umstände das ein halb verwandelter Dämon vor ihr stand.
Elyon deutete auf das Stück Papier, das er niemals wieder angreifen wollte und zog seinen schweren Körper zu den kleinen Menschenfresser, die versuchten noch kleiner zu werden, je näher er kam. „Aber... das verstehe ich nicht. Sie liebt dich, doch geht? Oh...“ Alasan las über ihre Schulter mit, und begann eine wilde Schimpftirade. „Was soll das denn? Diese verrückte kleine Schlampe! Wie konnte sie es nur wagen uns ausgerechnet jetzt zurückzulassen, nach alldem was sie weiß? Sie war unser Trumpf, unser Ass. Diese verdammte kleine Schlange, wenn sie hier her zurück kehrt dann...“
„Niemand fasst sie an!“ Brüllte Elyon seinen Bruder an und knurrte bedrohlich. „Sie schrieb dass sich alles klären wird in fünf Monaten. Bis dahin warten wir und wenn sie dann keine gute Erklärung hat... dann...“ Elyon sprach nicht weiter. Offenbar wollte er nicht einmal so weit denken, bemerkte Fay und wollte den halb gebrochenen Mann schon in ihre Arme schließen, um ihn zu trösten, doch unterließ es, da ihr die mysteriöse Flüssigkeit auf seinem Körper zu suspekt war.
„Was tun wir jetzt ohne Celest?“ Fragte Alasan.
Jedoch war die Frage kaum nötig gewesen, da im nächsten Moment ein ohrenbetäubender Schrei den Himmel zerriss.
Erschrocken zuckten die drei zusammen, nur die fünfzehn niederen Dämonen fauchten und gurgelten gierig. Sie hatten etwas gewittert, das sie zerfleischen wollten. „Jetzt kämpfen wir um unsere Schwester.“ Stimmte Elyon auf die seltsamen Geräusche der Dämonen ein und war schon halb die eiserne Treppe auf. Fay folgte Elyon. Alasan, der nicht alleine mit diesen Dingern sein wollte, lief ihnen ebenfalls nach.
„Und jetzt? Jetzt hauen wir ihnen einfach die Schädel ein, bis sie abhauen?“ Fragte Fay gehetzt hinter Elyon, den sie versuchte einzuholen.
„Wenn sie sich nicht friedlich einigen können, dann wird es wohl so weit kommen müssen.“ Gab dieser ernst zur Antwort, erreichte den Eingangsbereich und öffnete die Türe. Rund um das weite Grundstück vor dem Schloss, standen siebzehn Drachen, jeweils menschlich und verwandelt zugleich und grummelten drohend, als sie den halb verwandelten Dämon sahen.
Fay bereute es spätestens jetzt am meisten, nicht gegangen zu sein, während sie Zeit gehabt hätte.
Hätte.
Zwischen den siebzehn Drachen bildete sich eine Art Gang und Elyon erkannte den Mann, mit dem all dieser Ärger begonnen hatte. „Vauven...“ Knurrte das Oberhaupt der Vastia, als der purpurne Blick des Vaters Elyons Neffen oder Nichte auf ihn fiel. „So trifft man sich wieder, Elyon.“ Mit erhobenem Haupt ging der Wyvern auf den Dämon und den Ghul zu. „Wie ich sehe habt ihr mich belogen. Ich kann ganz deutlich die Anwesenheit eines Kindes meiner Sippe erspähen und das scheint dir bewusst gewesen zu sein.“
„Natürlich ist es mir bewusst.“ Elyon nahm Abstand zu seinem Dämon, da er erst versuchen wollte einen Handel einzugehen. „Auch dass wir uns niemals einigen würden das aufzugeben was wir lieben, daher habe ich die Stadt räumen lassen und das Kind in einen sicheren Bereich.“
„Wie stellst du dir das vor? Denkst du ein Wandler und noch ein Dämon dazu, können einen Drachen großziehen? Hat sie denn überhaupt nichts gelernt?“
„Sie weiß sehr wohl was sie aufgegeben hat und nun soll sie auch noch das einzige hergeben, was ihr von ihrer Liebe übrig geblieben ist? Mache nicht den Fehler und halte Megumi für dumm. Sie weiß wie sehr ihre Familie sie liebt und dass wir alle sie beschützen werden.“
Alasan trat in der Form eines Jaguars vor, an die Seite seines Bruders und knurrte aus tiefster Kehle. Auch Fay trat noch einen Schritt vor und ließ ihre Augen aufleuchten.
Sofort ging ein Raunen durch die menschlichen Drachen, doch sie zogen sich nicht zurück. „Möchtest du dich über mich lustig machen? Denkst du zusammen mit einem Wandler und einem Ghul kommst du gegen siebzehn Drachen und einen Wyvern an?“
„Ich denke die beiden kommen ganz gut mit deinen Drachen alleine zurecht. Mich interessiert nur das Schwein dass meiner kleinen Schwester wehgetan hat.“
Fay wurde etwas mulmig zu Mute. Setzte Elyon wirklich so viel Vertrauen in Alasan und sie selbst? Das konnte sie kaum glauben. Aber für einen Bluff war dies ganz schön gewagt. Es sei denn... Vorsichtig wandte sie sich um und trat leicht gegen den stabilen Jaguarkörper. Fauchend wandte der Wandler sich an sie, doch als sie in den Flur deutete, verstummte er sofort. Fünfzehn Menschenfresser kauerten dort und warteten nur darauf endlich ein freies Schussfeld zu haben.
„Elyon... deine... Dinger sind hier.“
„Ich fühle sie, geht zur Seite.“ Alasan und Fay taten wie geheißen und von einem Moment auf den anderen drang das Gebrüll eines Drachens am Himmel zu ihnen.
Elyon war so erpicht darauf gewesen Vauven einzuschüchtern, dass er überhaupt nicht auf die Umgebung geachtet hatte. Über ihm flogen, oder saßen noch mehrere Drachen, die offenbar auch zu Vauvens Clan gehörten und sich jetzt erst bemerkbar machten.
„Jetzt wird es interessant.“ Nuschelte Fay und beobachtete wie die ersten drei Dämonen in das erste Licht des Tages kamen. Gluckernd, sabbernd, humpelnd und fauchend, raschelnd ächzend so wie grunzend folgten ihnen der Rest und sie hielten erst als sie so etwas wie eine mehr oder weniger kreisförmige Formation vor Elyon eingenommen hatten.
„Ich kann Dämonen erschaffen und sie beherrschen. Ich kann Ghule kontrollieren und Wandler zähmen.“ Prahlte Elyon und log dabei ohne Scham. „Denkst du eine kleine Echse wie du, kann mich davor abhalten mich um ein Baby zu kümmern?“
Nun wurden auch die verwandelten Drachen unsicher und zeigten dies, indem sie mit ihrem langen stachelbesetzten Schweif peitschten.
„Du schwingst große Reden, doch gesehen haben wir noch nichts davon. Vielleicht lügst du ja und diese Idioten denken wirklich sie könnten jemandem helfen. Vielleicht hast du sie auch einfach nur angeworben, oder erpresst sie. Du bist kein Herrscher, wenn du keine Macht über deine Leute verfügst.“
Fay wollte schon etwas darauf erwidern, da sie es hochnäsig von Abschaum wie ihm fand, sich als >Herrscher< zu bezeichnen. Worte wie Tyrann, Missetäter und Diktator trafen dies vermutlich besser. Jedoch hielt sie sich artig zurück und wartete auf einen Befehl von Elyon. Seit wann sie sich dermaßen benutzen ließ, verstand sie selbst nicht, doch sie wollte auch Elyons Bluff nicht gefährden. Was konnte diese Familie denn noch alles in der Hinterhand haben?
Vauven knurrte einen Befehl, da heizte sich auch schon der gesamte Bereich um das Schloss herum, auf. Überall starteten, oder landeten Drachen, während sich die restlichen noch menschlichen ebenfalls in ihre Purpurschuppen hüllten. Daraufhin verstand Elyon auch, weshalb das Wetter die gesamte Nacht verrückt gespielt hatte und selbst die Tiere ihre Reviere in der gesamten Umgebung verlassen hatten. Wenn alle Drachen derart angsteinflößend werden konnten, was würde dann nur aus diesem kleinen unschuldigen Kind werden? Würde man es zu einem Soldaten erziehen? Einem Herrscher und Tyrann so, wie es sein Vater war, oder gar schlimmer?
„Bringen wir es endlich zu Ende, Elyon.“ Knurrte Fay und war bereits kurz davor loszustürmen.
„Dämonen, tötet alles was mit Schuppen vor euch steht.“ Befahl Elyon so kalt, dass es nicht nur Fay, sondern auch Alasan einen Schauder über den Rücken jagte und schon begann der Lauf. Drachen stürzten sich von oben auf die sehr biegsamen und unbarmherzigen Dämonen herab, während die noch am Boden verweilenden sich schützend vor ihren Herren stellten und diejenigen abfingen, die nicht gerade in der Luft mit einem ihrer Kampfgefährten um ihr leben bangten.
Alasan und Fay wurden noch immer zurückgehalten, während ein Drache nach dem anderen wie eine Fliege zu Boden fiel, und verstümmelt am Boden, in ihrer menschlichen Form, ankamen. „Wartet noch.“ Flüsterte Elyon und griff in das seidige Fell des schwarzen Jaguars. „Nur noch einen Moment, dann kannst du töten.“
Der Jaguar hatte bereits alle Sehnen und Muskeln bis zum Zerreißen gespannt, als Fay auch schon von einer großen Kralle gepackt wurde und sich in schwindeligen Höhen befand. Elyon schrie genau in diesem Moment, das Alasan loslaufen solle, daher bemerkte dies der Wandler nicht einmal. Elyon jedoch schon, verwandelte sich und schnappte nach dem peitschenden Schweif, während Fay dem Drachen eine Zehe abbiss. Empört ließ er sie fallen und landete in den Fängen eines anderen Drachen. Dieser schien selbst ganz überrascht zu sein und musste erst einmal seine Brille zurechtrücken, während er sie schockiert ansah. „Danke fürs Auffangen.“ Bedankte sich Fay, da sie erwartet hatte quer über die Wiese geworfen zu werden und schlug ihrem, mehr oder weniger Retter, hart ins Gesicht. Er entließ sie mit einem schmerzerfüllten Aufschrei und Fay lief los. Sie packte sich jeden Drachen, den sie erwischen konnte und kämpfte an der Seite des Wandlers, während Elyon anstrengend darum bemüht war seinen Dämon unter Kontrolle zu bringen. Immer wieder schnappten gezackte Kiefer und spitze Krallen nach ihm. Versuchten ihn zu zerreißen oder in die Höhe zu zerren, doch ständig befreite er sich und brach Knochen, kugelten Gelenke oder riss Schuppen aus. Wilde Schreie des Schmerzes erfüllte zusammen mit dem Tosen des Windes die Luft, während die Erde unter dem Gewicht der fallenden Drachen weinte. Für jeden toten Drachen schien die Welt ein bisschen mehr zu wüten, als würde sie plötzlich auf deren Seite stehen und einzelne Löcher taten sich auf, während Elyons prachtvolles Schloss hässliche Risse bekam. Das Blut von Drachen so wie sein Eigenes mischten sich zu einer zähen Masse auf dem Boden, während sein Kiefer sich in den saftigen Windungen der gepanzerten Hälse verbiss und sie entzweite.
Für einen Moment ließen alle Drachen von ihm ab, da bekam er die Chance sich eine kleine Pause zu gönnen und sich das viele Blut von seinem sehnigen Körper spülen zu lassen. Während er durch schnaufte und sein groteskes Haupt mit seinen zwei dicken Hörner, die aus seinen Schläfen hervortraten und eine Art Kranz über ihm bildeten, hielt er Ausschau nach seinen Gefährten. Fay erkannte er mitten im Geschehen. Immer wieder verbissen sich Zähne in ihr, oder gruben sich dicke Krallen in ihren Körper, doch sie schien es überhaupt nicht zu merken. Wie von Sinnen biss, prügelte und trat sie sich durch die Reihen der Drachen, als hätte sie ein Ziel. Doch was dieses Ziel sein sollte, erkannte er nicht. Nur die Verbissenheit, mit der sie sich durch die halb toten wühlte, faszinierte ihn.
Da gerade eben kein Drache um ihn herumflog, entschied er, zu ihr zu laufen, und bohrte dem nächstbesten Drachen, der gerade nach Fay schnappen wollte, seine Hörner tief in den Leib. Vor Schmerzen zuckte dieser zusammen und ergoss seine Eingeweide mit einem schleimigen Geräusch auf der feuchten Erde. Abermals zuckte ein Blitz durch den Himmel und das wilde Grölen des Donners erfüllte eines jedermanns Ohr. „Fay!“ Brüllte der Dämon in Elyons Gestalt, da erst schien sie zu erkennen, das auch er hier war. Erleichtert seufzte sie und nickte ihm dankend zu, als dieser ihr noch einen Drachen vom Leib hielt. Nun richtete sich die volle Aufmerksamkeit auf Elyon und Fay stahl sich geschickt durch die starken Beine der riesigen Naturgewalten.
Fay siegte endlich, nach einem ungleichen Kampf, der sie nur durch Elyons Hilfe endlich aus seinen Fängen entließ. So schnell sie konnte, lief sie auf ihr Ziel zu. Alasan. Wie er es geschafft hatte und wie lange er schon kämpfte, wusste sie nicht. Vermutlich hatte er sich mit seinem schlanken und kleinen Körper geschickt den einzelnen Kämpfern entzogen und hatte sich direkt auf die Kehle des Wyvern gestürzt. Jedoch nicht lange, da das Gebiss eines kleinen Wandlers einfach nicht ausreichte, um jemand so großen zu schlachten. Für einen Moment verlor sie die beiden Wesen aus den Augen, als sie sie kämpfend im Himmel wiederfand. Alasan hatte sich im Rücken des großen Wyvern verbissen, der ungeachtet seines blinden Passagiers, weiter in den Himmel stieg. Vor Schreck zog sich Fay Herz zusammen, als sie das sah. Egal ob es Alasan schaffte den Wyvern zu stürzen, was sie stark anzweifelte, oder der Wyvern es schaffte ihn abzuschütteln... Alasan würde diesen Sturz niemals überleben.
„Elyooon!“ Brüllte sie voller Verzweiflung über den Platz, doch das laute Getöse verschluckte unbarmherzig ihre helle Stimme. Noch einmal schrie sie und noch einmal, da waren Vauven und Alasan bereits über den Wolken verschwunden und außerhalb ihres Blickfeldes. „Verdammte Drecksviecher!“ Da Elyon sie nicht hören konnte, solange so viele Drachen um ihn waren, musste sie eben die Drachen ablenken. „Ihr hässlichen, abscheulichen Ratten! Was ist los mit euch? Habt ihr etwa Schiss euch mit einer Toten anzulegen? Seht euch nur an! Reudig krabbelt ihr wie Kakerlaken hier auf dem Boden herum. Ihr seid erbärmliche Geschöpfe!“ Fay hatte schon immer gewusst, das ihr Mundwerk etwas zu lose hing und selbst wenn sie etwas tief berührte und sie sich freute, es oft für andere so herüber kam, als wäre sie allem abgeneigt, doch dieses Mal dankte sie sich selbst dafür. Einige Drachen wurden so wütend, dass sie den Dämon einfach links liegen ließen, und stürmten auf sie zu.
Erst jetzt wurde Fay bewusst, dass sie gleich von sieben Drachen angefallen werden würde und ihr stockte der Atem. Andererseits... sie tat es für Alasan. Der Alasan der bestimmt nicht mehr lange durchhalten konnte und irgendwo dort oben mit aller Kraft für seine Familie kämpfte. Entschlossen stellte sie sich der neuen Bedrohung entgegen. „Wagt es ja nicht mich zu schonen sonst funktioniert bald eure Verdauung rückwärts!“ Drohte sie und ließ sich vollkommen von ihrem inneren Ghul übernehmen, als ihr ein Gedanke kam. Das Getöse des Windes, so wie das Gebrüll der Drachen war so laut, dass man kaum weiter als einige Meter hören konnte. Lächelnd fing sie an zu singen.
Elyon sah sich abermals verwirrt um, als er den letzten Drachen erledigt hatte und ganz alleine da stand. Wieder erblickte er als Erstes Fay, die umzingelt von sieben Drachen dastand, welche sich gegenseitig an die Kehle gingen. Zuerst verstand er nicht, wieso dies geschah, doch als er sah wie sich ihre Lippen sanft bewegten, wusste er weshalb und hielt sich die Ohren zu. Plötzlich trafen sich Fays und Elyons Blicke und sie schien unendlich verzweifelt zu sein. Fay deutete hinauf in den Himmel, während sie weiter sang und ein Drache nach dem anderen von einem seiner Brüder getötet wurde.
Verwirrt blickte Elyon hinauf, doch außer dicke Gewitterwolken erkannte er nichts. Im nächsten Moment erschreckte der helle Schrei einer Sirene ihn. „Alasaaaan!“ Nun erkannte auch Elyon die Bedrohung und wie ein schwarzer Schatten in der Größe seines Bruders sich mehrmals überschlug, doch geradewegs auf die Erde zuhielt. Starr vor entsetzten konnte er nichts als dabei zuzusehen wie der bewusstlose Körper immer schneller zur Erde zurückkam und ein riesiger Schatten eines Wyvern ihm folgte. Mit kräftigen Flügelschlägen versuchte der Wyvern, die kleine Raubkatze noch zu erreichen, doch war einfach nicht geschickt genug. Als plötzlich alles zu verstummen schien, war das einzige Geräusch, das plumpe Aufkommen eines Körpers in der feuchten Wiese.
„Alasan! Alasan! Alasan!“ Schrie Fay immer wieder und stieß die noch benommenen Drachen unbeachtet zur Seite, um zu dem leblosen Körper zu kommen, während der große Wyvern traurig den Kopf hängen ließ.
Vauven hatte ihn getötet. Er hatte den Körper des Bruders seiner großen Liebe und der Mutter seines Kindes einfach auf dem Boden zerbersten lassen, als wäre er etwas vollkommen Unwichtiges. Nicht für einen Moment schien der Wyvern daran gedacht zu haben, was er wohl Megumi damit antun könnte. Kein einziges Mal schien er sich darum zu kümmern, was sie empfand. Immer musste es um ihn gehen. Immer musste er sie verletzen. Elyon wollte ihn dafür ins Stücke reißen, wollte ihn leiden sehen und beobachten wie das Licht in seinen Edelsteinaugen verglühte, doch schaffte es nicht einmal, zu dem Körper seines Bruders zu kommen. Seine Muskeln, seine Sehnen, selbst sein Dämon gab auf. Zerbrochen sank er auf die Knie und sehnte sich danach noch einmal das selbstzufriedene Lächeln der Raubkatze zu sehen. Sehnte sich danach, ihn morgens zu tadeln, wenn er wieder einmal nach einer Orgie die Zimmern verwüstet hatte. Sehnte sich danach, noch einmal ein Streitgespräch unter Geschwistern mit ihm zu führen. Nie wieder würde Elyon Alasans überheblichen Worten lauschen können, oder ihm zum tausendsten Mal erklären, was er falsch machte. Immer schien dieser Wandler eine eigene Welt zu leben, die die anderen nicht verstanden und dann... ausgerechnet als er sich endlich das erste Mal verliebte, durfte es Alasan mit niemanden mehr teilen. Er ging tragisch in einem Kampf, von dem Elyon gewusst hatte, dass er viel zu gefährlich für einen Wandler sein würde, doch dass Alasan wirklich alles riskierte, damit hatte er nicht gerechnet.
„Al... Alasan...“ Flüsterte er so leise, dass es ihm schon wieder viel zu laut vor kam. Sämtliche Drachen waren zur Ruhe gekommen und der Wyvern nahm ebenfalls seine menschliche Gestalt an.
„So weit hätte es nicht kommen müssen.“ Ertönte Vauvens tiefe Stimme über den Rasen. „Ich will lediglich das holen was mir zusteht und das ist mein Kind und meine Frau.“
Elyon schüttelte zaghaft den Kopf. Wenn das Kind gehen musste, würde auch Megumi gehen. Niemals würde sie das kleine Wesen alleine lassen, vielleicht würde sie sich sogar irgendwann einmal mit Vauven aussöhnen, doch in dieser Zeit würde Elyon alleine sein. Celest hatte ihn verlassen, Fay hatte auch keinen Grund, nun noch hierzubleiben, und dann? Dann war er alleine. Ohne Familie.
Ohne Freunde. Elyon würde ganz alleine zurückbleiben und vereinsamen. „Ihr törichten Menschen. Ihr müsst es euch doch immer schwerer machen als es ist. Wenn ich mein Kind habe, werden wir gehen.“ Der letzte Satz galt seinen Drachen und der Wyvern machte sich auf den Weg in das beinahe gänzlich zerstörte Schloss. Wie ein Film spulten sich der Sturz von Alasan und die Worte des Wyvern immer wieder in Elyons Kopf ab, doch schienen niemals anzukommen. Das einzige, was klar und hell in seinem Ohr nachhallte, waren die Worte von Celest: Bitte hasst mich bis dahin nicht, das würde der Rest meiner geschundenen Seele niemals überleben.
Megumi, sie würde ihn hassen. Er hatte nicht auf seinen kleinen Bruder aufgepasst, er hatte sich von seinem Dämon übernehmen lassen und gegen wertloses Fußvolk gekämpft, während doch die größte Bedrohung der Wyvern gewesen war. Megumi würde ihn hassen. Sie würde ihn verabscheuen für das, was ihm in die Wiege gelegt wurde und für dass, das er weder ihr Kind, noch ihren Bruder beschützen hatte können. Dann wurde alles schwarz.
Fay, die verzweifelt an Alasans zerschmetterten Körper rüttelte, als könne sie ihn noch einmal aufwecken, bemerkte langsam, dass etwas nicht stimmte. Natürlich hatte sie die kalten Worte des Wyvern gehört, doch viel wichtiger war es ihr wie traurig Elyon und Megumi sein würden. Nun hatte Elyon bereits Celest verloren und beide ihren Bruder, jetzt wollte Vauven auch noch Megumi das Kind nehmen. Wie kaltherzig konnte ein einzelnes Wesen sein? Bisher hatte sie immer Alasan für seine Kälte verflucht, doch im Gegensatz zu diesem Wesen, war der Gestaltwandler ein regelrechter Heiliger gewesen.
Fays Blick glitt zu Elyon, der vollkommen von seinem Dämon verschlugen, wurde und alle Drachen wandten sich nun ihm zu. Sie spien Feuer in seine Richtung, doch das Einzige, was sie damit erreichten, war dass sein davor schon imposanter Körper noch heller leuchtete und regelrecht wie ein wahrer Dämon aussah. Die Flammen fraßen sich über die schmierige Flüssigkeit, die ihn überzog, wurden langsam immer dunkler, bis sie aussahen wie schwarze Flammen und sogar seine machtvollen Hörner erreichten, die zu beiden Seiten seiner Stirn herausragten. Nun wirkten sie, wie eine in Flammen stehende Krone. Den Drachen schien dies überhaupt nicht zu gefallen, doch mit einem einzigen Wink, schickte der Wyvern sie in ihren Tod, während er selbst das Geschehen ignorierte und ins Schloss marschierte.
Fay, die nicht wusste, ob sie bei Alasan bleiben sollte, Elyon helfen, oder den Wyvern aufhalten, beobachtete für eine kurze Zeit das unwirkliche Bild. Purpurne Drachen warfen sich auf die Kreatur, die direkt aus der Hölle gekommen zu sein schien, überall lagen leblose menschliche Körper der Drachen und zwischendurch vermoderten in rasanter Geschwindigkeit die töten Menschenfresser. Sie hatten sich überraschend gut gehalten gegen diese Übermacht, doch schlussendlich hatte es kein einziges dieser Wesen überlebt. Die Bäume bogen sich unter der Gewalt des Windes und Blitze zuckten unkontrolliert wie Trommelwirbel mit Blitzlichtgewitter über den Himmel. Fay hatte keine Ahnung, was sie jetzt tun sollte. Sie wusste ja nicht einmal wo genau die Schatzkammer und das geheime Versteck befand, in dem sich Megumi verschanzt hatte, aber zu ihrem Glück wusste das dieser Wyvern noch weniger.
Da nun alle Drachen abgelenkt zu sein schienen, beschloss Fay, ihr eigenes Glück zu versuchen, auch wenn es vermutlich in einer Selbstmordaktion enden würde. Mit zitternden Beinen folgte sie dem Wyvern, der den Ghul überhaupt nicht zu bemerken schien, sondern kreuz und quer durch die vielen Hallen und Gänge lief. Mehrmals hielt er an, als würde er lauschen, dann schlug er eine andere Richtung ein. Nach mehreren Minuten, in denen er zunehmend verärgerter aussah, fand er endlich einen geheimen Schalter hinter einem Bild, das Fay bisher nie aufgefallen war. Es sah aus wie das Familienwappen der Vastia mit wunderschönen Schriften darum herum. Die Sprache jedoch, erkannte Fay nicht und Vauven schien es nicht einmal zu interessieren. Er öffnete den Mechanismus und trat durch die Geheimtüre. Fay wartete etwas, da sie nicht wusste, was sie dahinter erwarten würde. Als er nicht zurückkam, folgte sie ihm.
- - - - -
Megumi hatte keine Ahnung, wie lange sie schon mit ihrem Sohn im Arm hier unten saß und ihn in den Schlaf schaukelte. Immer wieder wollte er etwas zum Essen, nur um gleich darauf wieder einzuschlafen. War bereits ein Tag vergangen? Oder zwei? Sie konnte dies unmöglich einschätzen. Hin und wieder bebte die Erde oder so etwas Ähnliches wie ein Gebrüll drang an ihr Ohr, doch wusste sie nicht, ob schon jemand gestorben ist, oder vielleicht sogar Verhandlungen liefen. Auch wenn sie sich gerne in einen Jaguar verwandeln würde um etwas herum zu laufen und ihre Krallen zu wetzen, wagte sie es nicht ihr Kind aus dem Arm zu legen. Ständig hatte sie die Angst, wenn sie es nicht berührte, könnte es einfach verschwinden. Ihr kleiner Prinz jedoch, schien von ihrer Nervosität nichts mitzubekommen. Er schlief seinen Schönheitsschlaf und weinte, nur wenn er eine frische Windel wollte, oder etwas zum Essen brauchte. Ihn zu versorgen beruhigte Megumi etwas, da sie dabei nicht daran denken musste, ob ihre Familie bereits abgeschlachtet worden ist. „Ob dein Papi wohl schon auf dem Weg hierher ist? Er wäre bestimmt ganz stolz, wenn er wüsste wie hübsch du geworden bist.“ Versicherte sie dem Kleinen, um sich selbst zur Ruhe zu zwingen. „Weißt du, es gab vor langer, langer Zeit eine Frau die glücklich mit ihren beiden Brüdern gelebt hatte. Jedoch fühlte sie immer wieder so etwas wie Einsamkeit, als würde etwas fehlen. Etwas das ihr ihre Brüder nicht geben konnten. Sie beschloss durch die Welt zu ziehen. In ihrer bisher geglaubten glücklichen Welt, wurde sie nämlich langsam trauriger als sie es jemals für möglich gehalten hatte. Sie traf Männer, Frauen, Wesen und Monster. Die Frau freundete sich an und tat was ihr beliebte, da ihr Nachname Vastia war. Jeder liebte diese Frau, jeder begehrte sie und das gefiel ihr. Manche schlugen sich die Köpfe für sie ein, andere schmachteten aus der Ferne, doch eines wusste sie, auch das konnte das Leid nicht auf Dauer stoppen.“ Megumi verstummte und setzte sich zurück auf eines der drei Betten, die hier in dem großen Raum standen. „Eines Nachts, kam sie vollkommen betrunken zurück in ihr Hotel. Dort warteten bereits Partner auf sie, die eifersüchtig waren und sich nach ihr sehnten. Sie wollten ihre Aufmerksamkeit, doch das interessierte diese arrogante Frau nicht. Sie ließ sie beim Empfang stehen und wollte auf ihr Zimmer gehen, doch rechnete nicht damit, dass sich eventuell andere nehmen könnten was sie wollten, ohne zu fragen. Jedoch erschien ein Gast, der offensichtlich durch den Krach wach geworden war und verscheuchte die Süchtigen. Manche warf er aus den Fenstern, andere ließ er unbeachtet laufen. Doch die Frau verspürte keinen Dank. Sie trauerte einfach weiter, griff nach der nächsten Flasche und hoffte das dieses Getränk ihr das geben konnte was sie wollte. Die Liebe ihrer Familie, denn mitlerweile vermisste sie die beiden Männer so sehr. Immer waren sie da gewesen, um sie zu beschützen, selbst wenn sie sich selbst in Schwierigkeiten brachte. Immer waren sie beide da. Der schwarze Jaguar und der Dämon. Jetzt jedoch, war sie von einem Fremden gerettet worden. Jemanden den sie nicht kannte und der sie einfach von oben herab behandelte, als wäre sie noch immer ein junges Balg. Vermutlich war sie dies auch, doch mochte es nicht wenn andere sie so sahen. Daher ging sie ihres Weges ohne sich zu bedanken und schloss sich in ihr Zimmer ein. In der nächsten Nacht kamen die bösen Kerle wieder und wollten die Frau. Sie wollten sie so sehr, dass sie weinten und sich gegenseitig töteten, um zu beweisen wie ernst es ihnen war. Doch die Frau lachte nur und betrachtete wie sie nacheinander fielen. Kalt sah sie ihnen zu, wie ihre Beute sich selbst tötete und das gefiel ihr. Sie schnurrte alleine nur bei dem Anblick des Blutes. Plötzlich war ihr Retter von letzter Nacht wieder da und schrie sie an, was sie nur für ein kalter Mensch sei, Menschen sterben zu lassen die sie doch so sehr liebten. Sie behauptete es gäbe niemanden der sie wahrlich liebt, denn sie ist eine Jägerin, ein Monster, eine Mörderin und Psychopathin. Das ist ihr wahres Gesicht. Irgendwann liefen ihr vor lauter Lachen, nur noch Tränen über das Gesicht. Sie weinte stille Tränen und betrachtete die Welt nur noch voller Abschaum. Ekel überkam sie über sich selbst und sie wollte sich endgültig das Leben nehmen. Jedoch sah dies der Fremde anders. Er schlug sie bewusstlos und nahm sie mit auf sein Zimmer. Dort ließ er sie ausschlafen, bis sie wieder klar denken konnte. Sämtliche Drogen und der gesamte Alkohol war aus ihrem Körper und er reichte ihr etwas zum Frühstücken. Jedoch war es kein Fleisch, sondern Brot und Wasser, denn mehr vertrug ihr geschundener Magen noch nicht. So schlief sie wieder ein und verbrachte den gesamten Tag bei diesem Fremden. Er half ihr, während sie abwechselnd weinte und tobte. Er ließ alles über sich ergehen und wartete die vollen drei Tage, bevor sie endlich in sich zusammenbrach und sich kleinlaut bedankte. Zum ersten Mal seit sie diesem Fremden Begegnet ist, lächelte er und strich ihr sanft die Haare aus dem Gesicht, so wie es früher bereits ihre Brüder getan hatte. >Hin und wieder brauchen wir einfach jemanden, der uns zuhört und uns hilft, selbst wenn wird es überhaupt nicht wollen.< Meinte der Fremde zu der Frau und schickte sie in die Wanne. Als sie wieder kam, wartete ein herzhaftes Essen auf sie, das sie zusammen mit ihm einnahm. Er redete von fremden Völker und unbarmherzigen Leuten für die er arbeitet. Er erzählte ihr, dass er eigentlich hier war, um sich einige Tage vor seinen Pflichten zu verstecken und zu entspannen, bevor er zurückflog und von neuem ein falsches Gesicht aufsetzen musste. Die Frau fragte den wunderschönen Mann, weshalb er dann nicht einfach weg ging und alles hinter sich ließ, wenn er es doch so sehr hasste. Der Fremde antwortete...“
„Weil ich der König bin und meine Familie niemals zurücklassen könnte.“ Erschrocken zuckte Megumi zusammen und sog ängstlich die Luft ein. Vor ihr stand derjenige, der ihr Herz mit Füßen getreten hatte, über Monate hinweg und doch... raste es alleine bei dem Gedanken, dass er hier war. Nur für sie. Megumi räusperte sich und erzählte ihrem Sohn weiter. „Die Frau verstand nicht was das eine mit dem anderen zu tun hatte. Sie versuchte ihm zu erklären, dass seine Familie es bestimmt verstehen würde, wenn er sagte er wolle sein eigenes Leben.“ „Doch der Fremde wusste es besser.“ Ergänzte Vauven, als wäre dies eine Geschichte, welche man aus dem Kinderbett heraus kannte. „Er erklärte ihr, dass es einem Wyvern nicht zustand sein Volk zurückzulassen, da sie sonst durch den Schwund seiner Energie zum Tode verurteilt sein würden. Lava konnte auch nicht existieren, ohne das sie heiß war, ansonsten wäre sie nur kalter, trockener Stein.“
„Die Frau fing an zu verstehen was dieser König durch machen musste. Sie hörte sich wunderschöne, und traurige Geschichten aus seiner Kindheit an. Sie begann ihn zu mögen, ihn zu verehren, bis sie eines Tages mit Leib uns Seele in ihn verliebt war. Sie verbrachten nur eine kurze Woche zusamen, doch es reichte aus, dass sie schon alleine bei dem Gedanken weinen musste, dass er wieder gehen würde.“
„Auch der König, bereute es seine Liebe zurücklassen zu müssen, doch ging er. Er verschwand eines Morgens einfach aus dem Bett und flog so schnell wie ihn seine Flügel tragen konnten. Er rannte, eilte und schrie seinen Schmerz in die Wolken, da er sein Herz in einem Hotel vergessen hatte, das er niemals wieder betreten sollte.“
Megumi spürte, wie ihre ersten Tränen aufkamen und verbarg diese, indem sie ihren Sohn auf die Stirn küsste. „Aber die Frau gab nicht auf. Sie wusste sie bekam immer das was sie haben wollte, schon seit sie krabbeln konnte. Sie war eine verwöhnte Prinzessin, der Liebling aller Eltern und die Schönheit des Landes. Sie spürte Drachen auf und gab sich als Lustfrau aus. Natürlich war die Vastiaprinzessin so schön, dass niemand ihre Worte in Frage stellte und sie nahmen sie mit. Leider kam sie in das falsche Königreich und es dauerte noch ein Jahr, bis sie ihn auf einem Ball wiedertraf. Majestätisch landete er mit seinen gigantischen Flügeln vor seinem Thron, verwandelte sich und zog seine Königskleidung an. Seine Purpur Augen bedachten jeden Drachen in diesem Raum, mit Stolz, Würde und Liebe. Sie alle gehörten zu ihm. Sie alle waren seine Familie, egal wie nahe sie sich standen. Trotzdem schien der König einsam zu sein. Er hatte keine Königin, nur Frauen die sich ihm anboten in der Hoffnung ihm eines Tages einen Erben zu schenken.“
„Doch der König hatte bereits seit einem Jahr keine andere Frau mehr angefasst. Jede die kam, schickte er fort, er erfreute sich nicht an deren Anblick, oder ihren Gesten. Das einzige was ihm blieben waren Träume von einer kurzen Liebe. Als sich der Abend zum Ende neigte, stand plötzlich eine maskierte Frau vor ihm. Ihre, mit Diamanten besetzten Kleider, lagen wie eine zweite Haut um ihren Körper und der König ertappte sich dabei, wie er sich wünschte dieses Kleid zu sein. Jedoch verschwand die Maskierte so schnell, dass er ihr nur sehnsüchtig hinterhersehen konnte. Wieder kehrte ein vergessen gelgaubter Schmerz zurück, da er sich daran erinnerte, wann er sich zum letzten Mal so gefühlt hatte. Er wollte es einfach nicht noch einmal spüren. Den Schmerz, die Einsamkeit, die Trauer, die verfluchte Sehnsucht. Darum folgte er der Frau. Er folgte ihr durch das halbe Schloss, bis er sie an einem Sternenteich wiederfand. Sie ließ ihr wunderschönes und unsagbar kostbares Kleid einfach in den Dreck fallen und steig hinab in den Teich.“
„>Wer bist du, das du es wagst so einfach meinen Teich zu betreten?< Fragte der König die Maskierte.“
„Doch sie antwortete nicht, sondern tauchte einfach ab. Sofort wollte er ihr hinterher tauchen, da er Angst bekam, dass sie ertrinken könnte, doch das tat sie nicht. Sie kam einige Meter weiter wieder an die Oberfläche. Ihr langes Haar, verfing sich an einem Stein und sie fing an frustriert zu schimpfen.“
Vauven ließ sich neben Megumi auf das Bett sinken, legte einen Arm behutsam um sie und riskierte einen Blick auf den wunderschönen Prinzen. „Der König erbarmte sich ihrer und und half ihr das Haar zu befreien, indem er es einfach abschnitt. Entrüstet schlug sie ihm gegen den Brustkorb, woraufhin er selbst wütend wurde, da diese Maskierte sich so ungehobelt gegenüber ihres Königs benahm.“
Vauven lächelte zärtlich auf sie hinab. „Doch dann überraschte die Maskierte ihn, da sie ihn einfach küsste. Sie achtete nicht darauf, dass er ein König ist, ihr war es egal, dass er es nicht verstand wieso sein Herz sich so irrational einer Fremden gegenüber verhielt, bis er sich erinnerte, dass er die Stimme kannte. Nur diese eine Stimme ließ seinen Puls rasen, nur dieser eine Kuss schmeckte so süß wie der süßeste Zucker und es gab nur eine Haut die sich so unglaublich gut an seiner eigenen anfühlte.“
„Doch ihr wieder gefundenes Glück weilte nicht lange. Die Drachen verstanden nicht wieso ihr so mächtiger Wyvern eine Wandlerin lieben sollte. Sie behaupteten der Sukkubus in ihr hätte ihn verführt, sie würde ihn erpressen oder belügen. Sie schürten immer mehr Hass, bis der König entschied es zu beenden. Er behauptete sie wäre lediglich eine Lustfrau in seinem Bett. Er achtete nicht mehr darauf was sie verletzten könnte, oder das sie sich einsam in ihrem Zimmer fühlte, wenn er doch niemals für sie da ist. Kurzerhand... vergaß er seine Liebe für seine Familie. Dann kam der Tag an dem die Frau spürte das etwas anders war. Sie roch wie sich ihr eigener Geruch veränderte und wollte dem König sein Glück mitteilen. Die Frau wusste, würde sie es schaffen für ihn einen Erben zu gebären, würde man nie wieder über sie sprechen. Man würde sie respektieren und anerkennen als einen Teil der Sippe. Immer wieder versuchte sie den König zu erreichen, doch wurde fortgeschickt. Sie rief ihn an, doch wurde nur abgewimmelt. Irgendwann zerbrach in der Frau etwas und sie ging nach Hause. Sie lief so schnell sie konnte und ließ die Scherben ihres Herzen dort zurück, damit er sie fand, doch das tat er nicht. Er hatte sie einfach weggehen lassen. Die einzigen die sie jedoch mit offenen Armen empfingen, waren ihre Brüder. Sie begrüßten sie, umarmten sie und hörten sich ihre Sorgen an. Sie kümmerten sich um sie und beschützten sie vor allen Gefahren. Erst seit dem weiß die Frau, was sie immer schon an diesen beiden Männern gehabt hatte und verfluchte sich selbst dafür, dass es ihr niemals genug gewesen war.“
„Ist das das Ende des Märchens?“ Fragte Vauven und legte seine Stirn gegen ihr Ohr, damit er ihre Schulter küssen konnte.
„Ich weiß es nicht. Sag du es mir, fremder König.“ Flüsterte sie leise, um ihren gemeinsamen Sohn nicht zu wecken, der während der Geschichte einfach eingeschlafen war.
„Du weißt dass ich dich nur fallen gelassen habe, damit dich die anderen nicht verletzten, oder gar töten.“
„Dabei warst du der einzige, der mich jemals verletzt hat, Vau. Es warst immer nur du derjenige den ich gebraucht habe, den ich geliebt habe wie noch niemals jemanden zuvor.“
„Kannst du es mir denn jemals verzeihen?“
Megumi schüttelte sachte den Kopf. „Nein, König. Um verzeihen zu können muss man beginnen zu vergessen. Das kann ich leider noch nicht. Außerdem bist du hier um mir meinen Sohn zu nehmen. Er ist der einzige Splitter der mir von meinem Herzen noch geblieben ist. Wenn du ihn mir weg nimmst, gehe ich zu Grunde.“
„Du weißt, würde es nach mir gehen würde ich zu dir kommen und dich niemals wieder verlassen. Doch die anderen Drachen wollen ihren Thronerben. Sie werden nicht...“
„Sie? Sie! Immer nur sie! Ich habe Worte zu dir gesagt, die ich jede Sekunde bereue in der ich Atme. Ich habe dich belogen und dir die Geburt deines Sohnes vor enthalten. Ich habe gelitten und hätte ihn beinahe verloren, da ich nur dich wollte. Vau, für dich hätte ich beinahe mein Kind verloren. Meine Brüder, Alasan und Elyon, sie haben mich gerettet. Sie holten Fay, damit sie mich gesund macht. Sie hat immer wieder gesagt ich solle das Kind einfach aufgeben, da es mich irgendwann tötet. Und mehr als einmal hätte es das Kind beinahe geschafft. Ich wollte so oft aufgeben, doch... irgendwann wurde mir klar, dass dieses Kind ein Stück von dir trägt. Es ist auch ein Stück von mir... ein Stück von uns beiden, Vau. Das haben wir beide gemacht. Wir beide waren das!“ Schluchzte Megumi, woraufhin der Wyvern sie in seine Arme zog und tröstete.
„Ich weiß, meine Liebe. Ich weiß. Und du hast das perfekt gemacht. Ich bin so unglaublich stolz auf dich. Du hast es wirklich geschafft einen Drachen zu gebären... Ich kann dir überhaupt nicht sagen wie viel mir das bedeutet. Du hast mir das schönste Geschenk gemacht, dass mir jemals jemand machen konnte und deshalb will ich dich auch vor meiner Familie schützen. Ich werde sagen, dass du bei der Geburt verstorben bist, sie werden nicht fragen, oder suchen.“
„Aber... ich würde weder dich noch ihn wieder sehen.“ Erklärte Megumi und rutschte etwas von ihrem Geliebten ab.
„Du könntest ein friedliches Leben bei deinen Brüd...“ Vauven verstummte und bekam einen schuldigen Gesichtsausdruck. Nun stand er auf und entfernte sich einige Meter von ihr, bevor er sich hinhockte und seine Worte genau überdachte. „Megumi, du weißt ich liebe dich und könnte ich alles ungeschehen machen... ich wünschte so sehr ich wäre niemals als Wyvern geboren worden, dann könnten wir zusammen leben, doch...“
„Ich weiß, man erwartet von dir dass du dein Volk führst. Aber, was ist, wenn ich dir noch etwas sage, dass du bisher nicht wusstest.“
Vauven hob die Hand, damit sie aufhörte zu sprechen, da er ihr eingestehen wollte, was er verbrochen hatte. „Megumi, ich muss dir vorher etwas sagen. Ich weiß, du wirst mich sicher...“
„Nein, Vau, du solltest zuhören. Ich habe keinen Drachen geboren.“ Verwirrt blickte er sie an und schüttelte den Kopf.
„Unsinn, mein Volk und ich können spüren, dass er ein Drache ist. Es liegt in unseren Genen zu spüren, wenn sich unserer Reihen erweitern.“
Megumi lächelte schwach und schüttelte ebenfalls den Kopf. „Vau, er ist wie du. Er ist ein Wyvern.“
Erschrocken blickte er die Mutter seines Sohnes mit großen Augen an und zog beide Augenbrauen hoch. „Was hast du gesagt?“
„Ich weiß, dass nur ein weiblicher Wyvern weitere Wyvern gebären kann, doch er, dein Sohn, ist ein Wyvern. Er trägt die selbe Krone wie du und alle anderen Könige. Vau, du hast einen Prinzen bekommen.“
Vau, der eben noch in der Hocke gesessen hatte, um seiner Liebe zu gestehen, dass er aus Versehen ihren Bruder getötet hatte, sackte in sich zusammen und fiel unangenehm auf den Hintern. Ob er weinen oder lachen sollte, wusste er nicht recht, da sein Herz vor Freude schrie und litt zugleich. Immer wieder ging ihm durch den Kopf, dass er doch ihren Bruder tötete, also wieso sollte sie ihm einen Prinzen gebären? Vauven verstand kein Wort mehr. Egal wie er es drehte und überdachte, es war einfach ein Ding der Unmöglichkeit. „Megumi, du musst dich irren, das kann einfach nicht wahr sein.“
Sie lächelte schwach und fing wieder an ihren Sohn zu wiegen. „Das waren exakt die selben Worte die ich zu Fay sagte, bevor ich ihn sah. Ich sagte immer wieder, dass sie sich irrte und dass es bestimmt eine andere Erklärung gebe, doch... als ich ihn sah, erkannte auch ich es. Die elfenbeinfarbenen Hörner an seiner Stirn, die zusätzliche Gebissreihe, die Krone die er eines Tages tragen würde und die dunklen Zeichnungen in seinem Gesicht. Es sieht alles genauso aus, wie bei den Wyvern. Er ist einer, Vau. Er ist wie du und er ist wunderschön.“ Erklärte sie ihm mit unbeschreiblichen Stolz, da er es immer noch nicht glauben wollte. Es schien genauso wenig Sinn zu ergeben, wie dass er eine Wandlerin liebte, oder dass ihm eine so zarte Gestalt, wie sie einen Drachen geschenkt hatte. Nein, sie bewies ihre Liebe zu ihm, indem sie ihm mehr, als nur einen Drachen schenkte. Sie schenkte ihm einen zukünftigen König.
„Das... das...“ Begann Vauven und kam wieder auf die Beine. „Das ändert einfach alles. Ich kann nicht einfach sagen, dass du tot bist, sie werden deinen Leichnam wollen, sie werden dich eines Drachen würdig begraben wollen und... Wem mache ich hier etwas vor... Es ist unmöglich, dass sie mir glauben werden, dass eine Wandlerin ihn geboren hat. Sie werden wollen, dass du noch einmal ein Kind empfängst und dann kannst du niemals wieder fort zu deiner Familie. Megumi... was mache ich jetzt nur?“ Frustriert raufte der König sich die Haare und war knapp davor sich einfach, selbst das Herz herauszureißen. Niemals konnte Megumi wieder zu ihrer Familie zurück und vermutlich musste er auch noch Elyon töten, damit dieser nicht kam, um sie wieder zu holen. Tausend von Gedanken strömten durch seinen Kopf, während er versuchte, eine Lösung zu finden. Natürlich wollte er nichts lieber, als Megumi und seinen Sohn mitnehmen, doch wusste er auch, dass sie dann heraus finden würde, dass er ihren Bruder auf dem Gewissen hat. Der Blick, den sie ihm schenken würde. Wie sollte er das nur überleben? Sie würde ihn für immer hassen, ihn verachten und verfluchen. Man würde ihn zwingen sich ihren Körper zu nehmen, damit sie noch ein Kind von ihm empfing, und dann würde sie ihn noch mehr hassen und er sich selbst am meisten. „Ich kann das einfach nicht. Das... das ist zu viel. Ich kann es nicht...“ Flüsterte Vauven und wollte schon seinen Kopf gegen den schwarzen Diamanten schlagen, damit er aufhörte zu denken. Je mehr er dachte, umso schmerzhafter wurde es für ihn.
„Vielleicht... kann ich helfen?“ Megumi wandte sich erschrocken zu dem Ghul um, der sie die letzten Monate am Leben erhalten hatte und blickte verwirrt zwischen den beiden hin und her. „Vauven, ich kann nicht sagen, dass ich dein größter Fan bin, lieber würde ich dich Tod sehen, als mitanzusehen, wie du hier hinaus gehst und das Kind mitnimmst. Aber was ich gehört habe, beweist mir, dass du es mit Megumi ernst meinst und sie mehr liebst, als du es bisher vermutlich selbst verstehst. Daher biete ich mich an, mich als die Mutter auszugeben.“
Erschrocken sahen die beiden Fay an. „Wie stellst du dir das vor?“ Fragte Vauven und schüttelte den Kopf, als wäre dies Unsinn.
„Wir beide wissen, dass Megumi deine Anwesenheit verachten wird, sobald sie an die Oberfläche kommt, ich gebe dir die Chance, den Blick nicht zu sehen, den sie dir gegenüber haben wird, und ich gebe Megumi die Chance, bei ihrer Familie zu bleiben. Du weißt so gut wie ich, dass du ihr zumindest das schuldig bist. Außerdem bin ich bereits tot. Was könnte dein Clan mir schlimmeres antun, außer dass ich mit ein paar Drachen schlafen muss, sie erkennen, dass ich keine Kinder bekommen kann und mich entsorgen?“ Fay sagte es vollkommen gleichgültig, als würde es überhaupt nicht um ihr Leben gehen.
„Dir ist bewusst, das du nicht mehr als ein, oder zwei Jahre zum Leben hättest?“ Fay zuckte gleichgültig mit den Schultern. Bisher hatte sie länger, mehr oder weniger gelebt, als dass es ihr zu gestanden wäre. Was machten da schon ein oder zwei Jahre?
„Wenn du Angst hast, dass ich dich anbaggere, vergiss es. Ich habe mich nicht einmal auf diese Weise von Alasan angezogen gefühlt und du siehst bei weitem nicht so gut aus wie er.“ Antwortete sie so kaltherzig, dass Vauven wieder einen mitleidigen Blick bekam. Er verstand ganz genau, was sie ihm damit vorwarf. Er hatte Alasan sterben lassen. Er war nicht schnell genug bei ihm gewesen, um ihn abzufangen. Wieso war er auch so dumm gewesen und hatte gedacht, er könnte zumindest einen Bruder aus dem Kampfgeschehen tragen? Es hätte klar sein müssen, dass die anderen denken er wäre eine Bedrohung und ihrem König helfen.
Außerdem würde er so niemals das enttäuschte oder hasserfüllte Gesicht seiner großen Liebe sehen müssen, da konnte er dankbar sein, dass sie überhaupt versuchte, ihm zu helfen, auch wenn er vermutete, dass es Fay mehr darum ging, dass die beiden übrig geblieben Geschwister sich nun mehr brauchen würden, als jemals zuvor, um nicht zu zerbrechen.
„Einverstanden.“ Beschloss Vauven die Sache.
„Moment! Was besprecht ihr da gerade? Etwa, dass ich dich mit meinem Sohn verschwinden lasse und Fay einfach so von deiner Sippe ausnutzen? Ihr seid doch verrückt, wenn ihr glaubt, dass...“
„Megumi, du hast deinen Freund selbst gehört. Sie werden dich zwingen wieder einen Drachen zu gebären, dann kann ich aber nicht dabei sein. Ich kann dich nicht heilen und du wirst elendig zugrunde daran gehen. Außerdem, du kennst doch Elyon oder?“ Megumi nickte. „Egal, was andere sagen werden, er wird den Verlust seiner süßen kleinen Schwester niemals verkraften, er wird kommen und Vauven töten. Dabei wird er alles und jeden abschlachten, was sich ihm in den Weg stellt. Willst du das? Willst du all diese Leiden lassen, die du so sehr liebst, wenn doch die einfachere Möglichkeit besteht, dass ich mein Leben statt deinem gebe und ihr euch als Familie gegenseitig tröstet? Ich habe keine Familie und ich habe nichts was ich aufgebe, doch ich habe hier die Chance, zumindest ein paar Jahre auf deinen Sohn aufzupassen. Du wirst in einigen Jahren, wenn er älter ist, wieder ans Schloss kommen können, um ihn zumindest zu sehen. Megumi, verwehr deinem Sohn nicht die Chance, zumindest ein einziges Mal seine Mutter zu sehen.“
Mit dicken Tränen in den Augen stand sie auf und schüttelte weiterhin den Kopf. „Nein! Ihr seid... das ist doch verrückt. Ich kann mein Kind nicht gehen lassen... ich kann dich nicht gehen lassen...“ Fügte sie flüsternd an Vauven gewandt hinzu.
„Wenn du weißt, was ich getan habe, wirst du froh sein, dass ich nicht hier bin. Megumi, vergiss bitte niemals, dass ich dich Liebe und unser Sohn wird der einzige sein, der jemals erfährt wer seine richtige Mutter ist. Ich kann dich nur bitten stark zu sein, bis sich alles gelegt hat und ich dir eine Nachricht zukommen lassen, dass du ihn sehen kannst. Megumi... wenn wir es so machen, dann kann unser Sohn seine Mutter kennenlernen, oder willst du das überhaupt nicht?“
Megumi wollte abermals den Kopf schütteln, doch stoppte und nickte dann. Vorsichtig nahm Vauven ihr ihren gemeinsamen Sohn ab und Megumi zögerte alles hinaus, sodass sie ihn noch einmal auf die Stirn küssen konnte. „Bleib hier unten bis alle fort sind. Sie wissen nicht, dass du hier wohnst und würden es seltsam finden, dich zu sehen.“ Beschwor Vauven Megumi, bevor er sich umdrehte und ging.
Fay ließ es sich nicht nehmen, Megumi noch ein letztes Mal in den Arm zu nehmen und sanft ihren Kopf zu streicheln. „Megumi, du bist die stärkste Frau, der ich jemals begegnen durfte. Sei jetzt auch für Elyon stark, er gibt sich für alles die Schuld.“ Megumi nickte und schien überhaupt nicht zu merken, was Fay sagte, daher ging sie, bevor Megumi bewusst wurde, dass die gesamte Zeit nur von Elyon gesprochen wurde.
Auf halben Weg, die endlos vielen Treppen hinauf, begann Fay einen Plan zu bilden. „Sag, wie hast du es überhaupt geschafft, die sichere Kammer zu finden?“
„Ich bin der Energie meines Sohnes gefolgt. Ich konnte ihn deutlich spüren, er rief nach seinesgleichen, das tun Babys immer. Und der Diamantkerker, war einfach zu umgehen. Über ihm liegt ein Blutfluch. Nur Wesen mit dem Vastiablut können hinein, doch da mein Sohn nicht nur Vastiablut, sondern auch meines trägt, durfte auch ich es öffnen.“ Anerkennend nickte sie. Fay selbst war also nur hinein gekommen, da er die Türe offengelassen hatte, das erklärte einiges.
„Also, sollte nicht eigentlich ich meinen Sohn tragen?“ Fragte sie mit dem Hauch von Ironie in der Stimme.
„Nein, er ist mein Sohn und sie werden alles in Frage stellen, wenn wir etwas falsch machen. Jetzt ist nur noch die Frage, wie wir erklären, wie ein Ghul, also jemand der tot ist, ein Kind bekommen konnte.“
„Gute Gene?“ Scherzte Fay, doch bekam dafür nur einen tadelnden Blick, der sie zum Seufzen brachte. „Nun, gut. Ich bin ein freier Ghul.“
„Das werden sie mir nicht glauben...“
„Sie werden es glauben, da es die Wahrheit ist. Je weniger wir von der Wahrheit abweichen, umso besser. Vor wenigen Jahren bin ich auf einem Friedhof erwacht, ohne zu wissen wer, oder was ich bin. Eine Familie nahm mich auf und erklärte mir, dass ich nur ein Guhl sein kann, wegen meinen Augen und meinen langsamen Kreislauf. Sie erkannten, dass ich vor meinem Tod einmal eine Sirene gewesen sein muss, diese Fähigkeiten besitze ich immer noch, doch brauche viel Fleisch wenn ich viel singe. Umso frischer, umso besser. Mein Erschaffer muss direkt nach meiner Wiedergeburt gestorben sein, ansonsten gibt es keine andere Erklärung. Zumindest keine, die ich bis heute erkennen konnte. Ich wurde nicht gebannt, ich sterbe nicht so leicht und bin eine Sirene, also kann ich mich selbst gesund singen. Du kannst irgendetwas erfinden, darüber, dass es an meinem freien Zustand liegt, dass ich ein Kind bekommen konnte, oder denk dir etwas aus. Ich kann nicht für einen dummen Tyrannen denken.“
Vauven schnaufte genervt und warf ihr noch einmal einen warnenden Blick zu. „Du solltest mich nicht so behandeln, wenn wir vor meinen Leuten sind, sonst muss ich dich eigenhändig töten.“
Begeistert klatschte sie in die Hände. „Gratuliere, das ist die Lösung all unsere Probleme, bis auf das, dass du dann noch einen Menschen auf dem Gewissen hast, der Megumi etwas bedeutet.“ Warf sie ihm vor, darauf erwiderte der Drache nichts mehr. „Wenn wir oben sind wirst du schweigen und ich werde alles klären, hast du das verstanden? Wenn du mich offensichtlich hasst, ist das in Ordnung, doch versuche ja keine Gerüchte zu verbreiten oder mir das Leben schwer zu machen.“
Kumpelhaft legte sie Vauven eine Hand auf die Schulter und hob arrogant den Kopf. „Keine Sorge, den Part übernimmst du schon selbst.“ Meinte sie darauf und öffnete für ihn die Geheimtüre.
Vauven wusste nicht, was er darauf erwidern sollte, daher ließ er es und ging schnurstracks aus dem Schloss davon, hinaus auf das freie Gelände und betrachtete voller Trauer das Massaker. „Brüder! Söhne! Väter!“ Alle Drachen, zumindest die wenig Überlebenden, ließen von dem immer noch wütenden Dämon ab, der entsetzt erstarrte. „Wir haben unseren Sohn, unseren Bruder wieder. Wir haben einen neuen Prinzen!“ Verkündete er stolz und hielt das Baby, so dass jeder es sehen konnte. Begeistert sprangen einzeln Drachen auf, oder verwandelten sich zurück in Menschen. „Auch haben wir die Mutter des neuen Wyvern zurück und sie versprach bei uns zu bleiben, aber nur, wenn wir dieses Grundstück, nein dieses Land hier verschonen und dessen letzten Einwohner.“ Vauven ließ eine Pause, damit sich das Gesagte legen konnte, erst dann sprach er weiter. „Jetzt nehmt so viele Verletzte wie ihr tragen könnt, die Toten lassen wir später holen.“
Elyon verwandelte sich ebenfalls in einen Menschen zurück und brüllte bedrohlich. „Was soll das werden Fay?“
„Ich werde meinen Sohn dorthin bringen, wo er am sichersten ist. Pass auf den rest auf, man wird dich brauchen.“ Antwortete sie und nahm den kleinen Prinzen entgegen, während sie Muttergefühle vorspielte. Sie hatte gesehen, wie Megumi ihren Sohn angesehen hatte, und hoffte es überzeugend nachmachen zu können. „Keine Sorge, mein Prinz. Dein Papa und deine Brüder werden sich um dich kümmern.“ Säuselte sie sanft zu dem immer noch schlafenden Baby und kletterte dann auf den Rücken des Wyvern, während sie das Baby in ihre Jacke einwickelte, damit es nichts von den rasanten Geschwindigkeiten mitbekommen würde. Elyon der immer noch kein Wort davon verstand, was hier gespielt wurde, begriff jedoch, dass Fay dies bestimmt nicht tat, um ihnen zu schaden, sondern um Megumi zu beschützen, ihn zu beschützen. Sie hatte sich geopfert, damit Megumi und er zusammen bleiben konnten. Sie opferte ihr eigenes Leben, damit er nicht alleine war und Megumi nicht zu Grunde ging. Daher blieb er stehen und beobachtete, wie ein Drache nach dem anderen versuchte, so viele Verletzte, wie nur möglich hochzunehmen, und ihnen nicht noch mehr dabei zu schaden. Er sah zu, wie Fay mit dem Neugeborenen auf den Wyvern Aufstieg und ihn dabei keine Sekunde aus den Augen ließ. In diesem Moment kam sie ihm so viel älter vor, als dass sie eigentlich war. Wie konnte er ihr das nur jemals vergelten?
Trotzdem stand ihm noch das Schwierigste bevor. Ein toter Bruder, eine todunglückliche Schwester, eine leere Stadt und sein gebrochenes Herz wegen Celest. War dies etwas die Hölle auf Erden? Wie lange würde es wohl dauern, bis diese Wunden wieder heilen werden? Jahre? Jahrzehnte? Jahrhunderte? Vermutlich gab es Wunden die zwar verblassen, doch niemals richtig verheilen würde. Ein Gebrechen dass man von jetzt an für immer mit sich herumtragen musste. So begannen seine ersten Tränen zu laufen und er erlaubte es sich endlich um seinen geliebten Bruder zu trauern.
Drei Monate befand sich Fay nun schon in der >Obhut< der Drachen, so zumindest beschrieben sie es immer. Vauven kam einmal am Tag, um seinen Sohn zu bewundern, und auch nachts nahm er ihn mit sich in sein Zimmer. Ansonsten kümmerte sich Fay um den Kleinen, der bereits den stolzen Namen Conchar trug. Fay verzog jedes Mal das Gesicht, wenn sie diesen Namen hörte, da sie fand, dass dies absolut nicht zu einem Baby passte. Nicht einmal eine passende Verniedlichung fiel ihr für den kleinen Spross ein, daher nannte sie ihn einfach... „Na, kleiner Prinz. Hast du gut geschlafen? War der Papa auch nicht zu tyrannisch?“
Vauven warf Fay einen missmutigen Blick zu, den sie gekonnt ignorierte und entfernte sich wieder von dem Schlafzimmer des Königs. Bisher hatte sie es kein einziges Mal betreten und hatte dies in Zukunft auch nicht vor. Mit Vauven und seiner arroganten Art, hatte sie ebenso gelernt sich zu arrangieren, auch wenn sie es nicht lassen konnte in noch heilenden Wunden zu stochern. Vor anderen Drachen gab sie sich stumm und mied jeglichen Blickkontakt, dass Einzige, was sie interessierte, war eine kindergerechte Flucht von hier. Anfänglich hatte sie wirklich vor gehabt hierzubleiben das Jahr auszusitzen und zu warten, dass man sie als >unbrauchbar< einstufte, doch je länger sie gute Miene zum bösen Spiel machen musste, umso mehr drehten sich ihre Gefühle im Kreis. Fay war es, einfach gewohnt immer gerade heraus zu sagen, so war sie schon immer zurechtgekommen, schon seit ihrer Wiedergeburt. Jedoch hier zu sitzen und auf den Tod zu warten, stellte sich schlussendlich schwieriger heraus, als gedacht.
Bisher hatte sie niemand darauf angesprochen, dass erwartet wurde, dass sie noch ein Drachenkind gebärt, doch je mehr Zeit dahin schlich, umso bewusster wurde sich Fay, dass es bald so weit sein würde. Zum Glück musste, sie nichts weiter machen, als daliegen und, auf das Ende des >Prozesses< zu warten, da sie genauso gut wie Vauven wusste, dass sie niemals würde empfänglich sein.
Aus Langeweile machte es sich Fay zur Aufgabe, mehr über den so genannten Sippenrat heraus zu finden, da es ihr so vorkam, als wären genau diese Leute es, die Vauven dermaßen unter Druck setzten. Wurde eine neue Idee angesprochen, musste es der König offiziell machen, wurde ein Vorschlag gemacht, lag dieser auch auf den Schultern des Königs. Langsam fragte sie sich ernsthaft, wie bequem Drachen eigentlich sein konnten. Traditionen! Der Aufstieg der Sippe! Nötige Maßnahmen!
Fay konnte es schon überhaupt nicht mehr hören. „Weißt du was? Heute machen wir einen Drachen freien Tag, was hältst du davon?“ Das Baby quiekte gut gelaunt und Fay überprüfte noch einmal, ob sie auch wirklich alles eingepackt hatte. Zufrieden machte sie sich auf den Weg aus der prachtvollen Stadt der Purpurdrachen, die tatsächlich keinen Millimeter ausließen, um zu zeigen, dass dies hier das Revier der Purpurdrachen war. Alles war in Farbtönen zwischen einem Magenta, violett und hin und wieder eine Spur Indigo. Zwar wirkte dafür alles ziemlich >Prinzessinnenhaft<, doch es war die Clanfarbe. Fay musste mehr als einmal erwähnen, wie sehr sie die Farbe mittlerweile hasste, doch jeder schien es mit Humor zu nehmen. Auch, wenn alle sie überaus höflich empfingen und grüßten, verspürte sie alles andere, als Sympathie für diesen Clan. Immerzu wurde sie daran erinnert, dass diese Leute, ohne über die Gefühle von Außenstehenden nachzudenken, eine Familie auseinandergerissen hatten und nun so taten, als wäre niemals etwas passiert.
„Okay, neuer Fluchtplan, Prinzchen. Wir machen es so. Du pupst so ekelerregend, dass alle in deiner Nähe in Ohnmacht fallen, dann breitest du deine Flügel aus und wir segeln zu deinem Onkel. Was sagst du?“ Damit er wieder einen begeisterten Laut von sich gab, raschelte sie mit seinem Lieblingsspielzeug und es funktionierte. „Braves Kind.“ Lobte sie den noch Unwissenden und grinste dabei höhnisch. „Was denkst du, wie es wohl den anderen geht?“ Das Baby quiekte noch einmal, als ein dunkler Schatten über sie hinüber flog und einige Blätter aufwirbelte, welche begeistert zu tanzen begannen. Fay beachtete den landenden Drachen nicht, sondern tat so, als hätte sie gerade eben etwas Interessantes gesehen und verschwand wieder aus seiner Reichweite. In den unteren, niederen Gebäuden versteckte sie sich gerne, da beinahe kein Drache hierher kam. Es war alles überdimensional gestaltet, die Räume, die Gänge, die Türen und Balkone. Alles deutete eindeutig darauf hin, das hier riesige Kreatur hausten und keine einfachen Menschen. Für Gäste, die meist nur wenige Tage blieben, waren diese niedrigeren Flächen gemacht und Fay ließ keinen Moment aus, um in ihnen zu verschwinden. Sobald ihr ein Drache zu nahe kam, ging sie weg, wollte sie jemand ansprechen tat sie beschäftigt oder hielt sich kurz. Ja, Fay hasste es hier.
Dem Baby wiederum gefiel alles, was es sah. Die gruseligen Schatten, die wirbelnden Blätter, das angsteinflößende Geschrei. Fay verstand nicht, wie sich ein Baby hier sicher fühlen konnte.
„Fay! Wie gut, dass ich sie endlich erwische. Immer, wenn ich lande, verschwinden sie plötzlich.“ Die Ärztin der Drachen lief begeistert auf sie zu. Fay wunderte sich, wieso sie sich überhaupt noch die Mühe gab, mittlerweile wusste sie doch, wie ungeheuer anhänglich diese Ärztin sein konnte, wenn sie etwas wollte. „Lassen Sie mich raten... Blut? Zellen? Wider einmal Knochenstücke?“
Die Ärztin winkte ab. „Aber nein, mein Bruder wünscht Sie lediglich zu treffen.“ Irritiert blickte Fay die alte Frau an, da sie bereits über fünftausend Jahre alt war, empfand sie Fay als alt, obwohl sie nicht einmal schien, als würde sie in ihren dreißigern stecken.
„Ihr Bruder?“ Wiederholte Fay, da sie nicht wusste, wer das sein könnte. „Was will der? Organe? Gehirnflüssigkeit?“
Sie lachte wieder, als wäre das ein Scherz unter alten Freunden. „Aber nein... zumindest hoffe ich das. Er ist kein Mediziner, er ist... etwas eigen.“
Seltsamer, als eine Frau, die ständig irgendetwas aus der Ghulin heraus schneiden wollte? Fay bezweifelte das. „Ich werde mich die Tage bei ihm sehen lassen.“ Versprach Fay, obwohl sie hoffte, dass man sie bis dahin vergessen haben würde.
„Oh, wenn es ginge heute noch. Er hat es wirklich eilig, er ist nur auf dem Durchzug.“ Fay nickte bloß widerwillig. Dann würde sie es eben rasch hinter sich bringen und danach ihren ersehnten drachenfreien Tag starten. „Wann und wo?“
„Er befindet sich derzeit in der Stadtbibliothek, doch halten Sie sich von Durial fern, der ist nicht ganz dicht in seinem Oberstübchen und provoziert gerne Streit.“ Warnte sie und wirkte dabei ganz und gar nicht, als wäre sie ein großer Fan von diesem Durial.
„Keine Sorge, seit ich hier bin, habe ich immer mehr Übung bekommen, wie man mit Leuten umgeht, die nicht ganz dicht in ihrem Oberstübchen sind.“ Freundschaftlich klopfte sie der Ärztin auf den Oberarm, schnappte sich den Kinderwagen und fuhr weg von der leicht verwirrten Frau. Offenbar dämmerte ihr langsam, dass dies kein Scherz gewesen sein konnte.
Fay wollte nicht darauf warten, dass der Drache bemerkte, dass sie sie damit einschloss, und eilte in die besagte Stadtbibliothek. Dort angekommen empfing sie nichts weiter, als Stille. Etwas verwirrt, da hier doch eigentlich jemand sein sollte, schlich sie durch die Gänge und sah sich um, doch alles schien verlassen zu sein. Zumindest alles im untersten Stockwerk, da ihr alleine beim Anblick die Lust verging, die unzähligen Stockwerke ebenfalls zu durchsuchen. „Hallo!“ Rief sie lieber und belächelte das Echo, welches durch den spiralförmig angelegten Turm glitt. „Hallo, hallo!“ Spielte sie sich weiter mit dem Echo und brav trug es ihre Worte weiter.
„Sieht aus, als wären wir zu Früh.“ Bemerkte Fay und bemerkte erst da, dass das Kind schon wieder schlief.
„Oder zu spät, je nachdem ob man Optimist, oder Pessimist ist.“ Erklang eine Stimme hinter ihr und ließ sie beinahe erschrocken aufschreien.
„Verdammt, erschrecken Sie mich nicht so, wenn Ihnen etwas an Ihrem Leben hängt!“ Drohte Fay und knurrte verärgert.
„Entschuldigt holde Maid, ich wusste nicht, dass Ihr von solch zartem Geblüt seid, dass ihr sofort die Nerven verliert.“
Etwas verschreckt sah sie den dunkelhaarigen an. Freund oder Feind? Konnte man diese Einteilung überhaupt auf einer Insel voller Drachen mit einbringen? „Sind Sie derjenige der mir Organe heraus schneiden möchte, oder derjenige der nicht ganz dicht im Oberstübchen ist und gerne Streit provoziert?“
Für einen Moment wirkte der Befragte leicht irritiert, dann seufzte er theatralisch. „Ich tendiere eher für letzteres, obwohl es mich sehr interessieren würde, wieso Sie zu einem Termin erscheinen, bei dem Ihnen Organe herausgeschnitten werden.“
Fay erkannte, dass dies wohl Durial sein musste, und wusste nicht, ob sie einfach weiter gehen sollte, oder warten bis sie jemand erlöste. „Oh, also der Verrückte. Schade.“ Murmelte sie und sah sich um, ob nicht vielleicht doch noch jemand in der Nähe war.
„Wissen Sie, ich habe einmal gehört, dass wenn man lauter Verrückte um sich hat, man sich einmal an die eigene Nase fassen sollte.“ Bei dem Stichwort >Nase< tippte er ihr leicht auf die Nasenspitze, nur um sich im nächsten Moment abzuwenden und zwischen den Regalen zu verschwinden. Verwirrt griff sich Fay an die eben berührte Nasenspitze und wusste nicht, über was sie sich mehr aufregen sollte. Dass dieser Kerl sie wie ein kleines Kind behandelt hatte, oder sie selbst als Verrückte darstellen wollte.
„Wenn man so darüber nachdenkt... nein, ich finde immer noch, dass alle anderen Verrückt sind.“ Beharrte Fay schlussendlich zu dem schlafenden Kind und begann weiter durch die endlosen Bücherflure zu spazieren.
„Wahnsinnige sind immer davon überzeugt, dass alle anderen die Verrückten sind.“ Ertönte über ihr abermals die Stimme von Durial. Etwas verärgert, dass er ihr offensichtlich folgte und sie verhöhnen wollte, schnaubte sie. „Mann muss sich jedoch eingestehen, dass Verrückte immer in guter Laune unterwegs sind.“
„Deshalb also dein immer grimmiger Gesichtsausdruck?“ Fragte er und Fay schlug einen haken, damit er einen längeren Weg laufen musste, um sie einzuholen.
„Grimmigkeit mag vermutlich von meiner inneren Wut kommen, doch erst überwältigend ist mein Zorn, wenn ich meinen Feinden jede Schuppe einzeln ausreiße.“ Drohte Fay und fragte sich, woher sie überhaupt diese Zitate kannte. Wieder Erinnerungen aus ihrer Vergangenheit?
„Wie kann dein Feind derjenige sein, zu denen dein eigenes Kind zählt?“ Erkundigte sich der Drache und stand plötzlich direkt, auf einem der Regale, über Fay. „Selbst der Unschuldigste kann einst ein Sünder werden, ob man es nun verhindern kann oder nicht, liegt im bemessen der eigenen Tätigkeiten.“
Begeistert klatschte der Drache in seine Hände und landete elegant direkt vor ihr. „Wunderbar. Ich dachte nicht, in den Reihen der Drachen noch einmal ein Wesen zu finden, dass auf meiner Wellenlänge schwimmt.“ Säuselte er und grinste dabei ein freches Lächeln, das sich jedoch hin eine hässliche Maske verwandelte. Kaum hatten sich seine Wangen leicht angehoben, bildeten sich drei dicke Narben, die quer über seine Wangen angelegt waren wie die Kratzer von Klauen. Erschrocken sog Fay die Luft ein.
„Verzeih, ich... sollte eigentlich nicht lächeln. Entschuldigt, dass ich Euch jetzt Albträume beschert habe..“ Damit verschwand Durial so schnell, dass Fay nicht einmal erklären konnte, dass sie nicht die Narben hässlich fand, sondern die Person die ihm dies angetan hatte. Was musste dies für ein Monster sein, dass es jemanden das gesamte Gesicht aufriss und diesen dann weiter leben ließ?
Plötzlich fühlte sich Fay schuldig und wollte sich entschuldigen, doch konnte den Mann in keiner Gasse oder Stockwerk mehr ausmachen. „Na, toll. Da treffe ich endlich einmal einen Drachen der Humor zu haben scheint und dann vergraule ich ihn.“ Schimpfte sie und verließ die Bibliothek. Sie hatte auch den Kerl nicht gefunden, der eigentlich hier sein sollte, daher musste sie auch die Ärztin nun nicht mehr anlügen. Sie war selbst schuld, wenn sie sich nur so wage, ausdrückte.
„Fay! Wie schön, dass ich Sie doch noch kennenlernen darf.“ Begrüßter ein alter sehniger Mann Fay, welchem sofort der Unterkiefer entglitt.
„Sie sind ja Steinalt!“ Sagte sie etwas weniger galant, als beabsichtigt und nahm die ausgestreckte Hand, des faltigen, ergrauten Mannes.
„Ähm, Dankeschön?“ Fragte dieser und lächelte, als hätte er mit dieser Reaktion gerechnet. „Die meisten alten leben abgeschieden und alleine, ich kann verstehen, dass Sie schockiert sind einmal tatsächlich einen zehntausend Jahre alten Drachen zu treffen.“
Fay nickte, immer noch fasziniert davon, wie alt so ein Drache werden konnte und sah zu dem kleinen Prinzen. „Entschuldigen, Sie meine Unhöflichkeit.“ Fay verstand nicht, wieso sie sich plötzlich entschuldigte, doch empfand es, als angebracht. „Es hat mich nur etwas... überrascht.“
„Schon in Ordnung, wirklich. Also... wen haben wir denn hier? Unseren hübschen Prinzen!“ Meinte der alte Mann begeistert und winkte dem Baby. Conchar erwachte eben aus seinem Schlaf und fing bitterlich an zu weinen. Sofort reichte Fay dem alten Mann eine warme Flasche mit Milch, die er lächelnd entgegennahm und es dem kleinen Prinzen hinhielt. Begeistert nuckelte der kleine Prinz darauf los. „Oh, Conchar weiß wohl, was gut ist.“ Scherzte der alte Mann. „Ja, er liebt nichts mehr, als sein Fläschchen und frische Windeln.“
„Wenn dies nur im alter so bleiben würde, doch wir werden immer gieriger und wollen mehr als dass uns zusteht. Das muss wohl die Ironie des Schicksals sein, dass wir mit wenig kommen und zunehmend mehr wollen.“
Fay lächelte, denn daran konnte man nichts abstreiten. „Das sehe ich ganz genauso.“
„Aber ist es denn auch Falsch das zu verlangen was einem zusteht?“ Fay fühlte sich plötzlich etwas ertappt. Hatte der Alte ihr etwa eine Falle gestellt?
„Ich denke dabei handelte es sich um eine Frage die man aus verschiedenen Perspektiven betrachten muss.“ Interessiert musterte der Alte sie.
„Steht einem einzelnen Menschen etwa alles zu, was er sich wünscht? Muss man sich allem beugen, um selbst gut da zu stehen? Empfindet jedes Wesen bestimmte Dinge anders? Wann holen uns die Konsequenzen dessen ein, was wir zu sehr wollten? Dies sind Fragen, die wir uns davor stellen sollten.“
„Im Sinne, ist es den Preis Wert den man für ein Geschenk bezahlt?“
Fay schüttelte den Kopf. „Nein, mir steht eher im Sinne, ob man mit Macht aufwiegen kann, was der einzelne Wert ist.“
Der Greis zog beide Augenbrauen in die Höhe und nickte dann. „Ich sehe schon. Ihr seid eine, von sich selbst überzeugte Person. Das respektiere ich, doch meist ist es der Hochmut, der vor dem Fall kommt.“
„Doch an anderen Tagen ist es die Dreistigkeit, mein Herr.“ Konterte sie, da Fay nun verstand, dass der Greis sie tatsächlich prüfen wollte.
„Also, wenn ich auf die Ehrlichkeit eines alten Mannes zurückgreifen darf, sehe ich, dass Ihr nicht gewillt seid, Euch unseren Regeln zu unterwerfen und uns einen Freundschaftsdienst zu gewährleisten?“
Fay lachte höhnisch, als hätte der alte Mann einen Witz gemacht. „Wenn Ihr damit meint, dass ich mich wie ein artiges Hündchen vor die Füße eines jeden Drachen werfe und warte, dass man mich besamt, dann... Nein.“ Beschloss Fay feierlich, da sie seine Worte unhöflich empfand. „Ich bin nicht, wie die Drachen, ich habe etwas Spaß genossen, ein Kind unter Qualen auf die Welt gebracht und nun soll ich artiges Babyspänderin spielen, einmal im Jahr? Wenn ihr mich fragt, ist das schlicht und einfach ein Egoismus des Mannes und Diskriminierung einer anderen Spezies. Wenn Ihr plötzlich ein Ghul werden würdet, würde ich Euch doch auch nicht zwingen meine Weltansicht, als die Eure anzusehen.“
Die Antwort schien dem alten Greis alles andere, als zu gefallen, den seine lockeren Mundwinkel sanken wieder auf sein Kinn zurück. „Schade, dabei dachte ich anfänglich noch, dass ich mit einer gebildeten jungen Dame spreche.“
Fay machte einen Knick, der beinahe lehrbuchreif gewesen wäre, und lächelte schelmisch. „Es tut mir leid, wenn ich Euch enttäuschen muss, doch etwas anderes, als Grimmigkeit und Trotz habe ich auf meiner spontanen Abreise nicht einpacken können. Vielleicht wenn ich noch einmal nach Hause könnte, würde ich irgendwo unter dem Chaos, doch noch eine galante Lustfrau finden, die jedes Bedürfnis erfüllt.“
Schnaubend wandte sich der Greis ab, und schien genug von dem Gespräch bekommen zu haben. Hoffentlich hatte sich Fay jetzt keinen allzu großen Feind gemacht.
Da ihr für heute genug Drachen begegnet waren, machte sie sich auf den Weg in ihr Zimmer. Seit sie eingezogen ist, so mehr oder weniger, hatte sie begonnen ein Tagebuch zu führen. Sie benutzte keinen Namen, auch deutete sie niemals an, dass Conchar nicht ihr Sohn war, aber schrieb es auch nicht hinein. Es soll für Megumi sein, da sie doch die ersten Jahre ihres Sohnes verpassen würde.
Vorsichtig legte sie das bereits wieder schlummernde Baby in sein Bettchen und setzte sich an den prunkvollen Schreibtisch.
>Tag dreiundneunzig. Conchar hat sich heute von einem alten Mann füttern lassen. Der erste alte Mann, den ich hier jemals traf. Er sah ziemlich streng aus und wenn er lächelte, schoben sich alle Fältchen, wie Rollo nach oben, bis sie in seinem grauen Haarschopf verschwanden. Ob er überhaupt noch fliegt? Auch die Bibliothek hat Conchar heute zum ersten Mal betreten, doch er verschlief es. Ich verstehe ihn, ich hätte dasselbe an seiner Stelle getan. Morgen gehe ich noch einmal hin, vielleicht finde ich kindergerechte Bücher für ihn, und natürlich für mich. Es ist viel zu langweilig hier. Wünschte, es wäre alles anders.<
Damit beendete sie ihren Eintrag und legte das Buch zurück unter ein loses Brett, hinter ihrem Bett. Ausschließlich Vauven wusste von diesem Versteck und das Fay dort alles für Megumi sammelte. Sobald es möglich sein würde für ihn, würde er alles zu ihr bringen, egal ob Fay dann noch lebte oder nicht.
>Tag vierundneunzig. Conchar und ich waren heute, wie versprochen, in der Bibliothek. Wir sind gleich ganz früh los und ich habe drei ausgeliehen. Sobald wir in meinem Zimmer waren, habe ich begonnen zu lesen. Ich weiß nicht, ob es an dem Buch oder an meiner Stimme lag, doch er begann zu Schrein. Sein erstes Fieber. Es legte sich jedoch bis zum Abend, als Vauven ihn holte.<
>Tag fünfundneunzig. Conchar ist etwas verkühlt. Die Tage werden kürzer, die Nächte länger. Es muss bereits Herbst sein. Hier ist es beinahe Winter. Ich hörte, wie einige Drachen sich darüber unterhielten, dass wie letztes Jahr davor, alle Ausgänge gesperrt werden sollen, sobald der große Schneesturm beginnt. Was das wohl bedeutet? Conchar macht seine ersten Blubberblasenversuche. Es sieht lustig aus.<
So berichtete Fay jeden ihrer Tage in der Festung der Drachen. Sie notierte alles, was ihr auffiel. Jeder Baum, der entlaubte, jede Person, die sie traf, alles was sich um Conchar drehte. Fay betete, dass Megumi diese Zeilen erhalten mochte.
>Tag einhundertundfünfundzwanzig. Conchar hat heute das erste Mal Schnee gesehen. Eine der Flocken landete auf seiner Nase und er schielte darauf, um sie erkennen zu können. Als er versuchte, welche zu fangen, zergingen sie in seinen kleinen Händen und er fing bitterlich an zu weinen. Notiz für die Zukunft: Keine zerbrechlichen Dinge für den Kleinen. Conchar fängt an, die Bücher zu mögen. Er lauscht jedem Wort, versucht, Laute nachzumachen, und übt seine ersten Trockenübungen. Bald ist er so weit, dass er krabbelt. Ich bin neugierig, wie er sich wohl schlagen wird?<
Jemand klopfte an ihre Türe und Fay seufzte entgeistert. Das kleine Baby auf ihrem Bett rollte sich auf den Bauch und wackelte mit seinem instabilen Kopf. „Nicht so hastig, kleiner Prinz. Diese Übung ist noch etwas zu schnell.“ Bemutterte ihn Fay und drehte ihn zurück auf den Rücken. Jedoch ließ er sich davon nicht beirren und startete sofort den nächsten Versuch. Kopfschüttelnd ließ Fay ihm den Spaß und öffnete die Türe. „Du bist früh.“ Begrüßte Fay den König, der sie nur genervt ansah.
„Auch schön dich zu sehen.“ Gab er darauf und deutete dann auf den Schreibtisch. „Du schreibst immer noch?“
„Das habe ich doch versprochen. Sie hat es verdient, sie alle haben das.“
Vauven biss die Zähne zusammen, als würde er seine Gefühle zurückhalten und räusperte sich dann. „Nun, gut. Ich bin hier um dir mitzuteilen, dass deine Galgenfrist bald abläuft.“
Verwirrt blickte Fay ihn an. „Was meinst du? Ich dachte sie würden mindestens sechs Monate warten?“
„Offenbar hattest du ein Gespräch mit einem der älteren Drachen und das, was er hörte, stellte ihn nicht zufrieden. Sie wollen bald Ergebnisse.“
„Nun, ja wir haben es ja besprochen. Ich übernachte ein bis zwei Mal die Woche auf deinem Gästebett und dann warten wir, bis es ihnen zu dumm wird und sie mich töten.“
Vauven nickte über den bereits vor Wochen festgelegten Plan. „Du könntest zumindest so tun, als würde dir an deinem Leben etwas liegen.“ Mahnte er die scheinbar gefühlskalte Ghulin halbherzig.
„Wir können noch öfters darüber sprechen, Vauven, aber nichts ändert sich. Ich lebe schon länger, als ich es hätte sollen, ich habe sogar deine große Liebe beschützt und deinen Arsch vor ihr gerettet, jetzt gewähre mir zumindest, dass ich so gehe, wie ich es will.“
Vauven nickte. „Wenn es so weit ist und sie beschließen, dass du es nicht Wert bist, ich habe das Mittel besorgt. Es wird bestimmt wirken, oder dich zumindest in einen Zombie verwandeln, sodass sie überhaupt keine Chance haben werden, als dich zu töten. Du wirst nichts davon mitbekommen.“ Versprach er am Schluss noch und zog sie so plötzlich in eine freundschaftliche Umarmung, dass Fay überhaupt nicht wusste, wie ihr geschah. Für einen Moment versteifte sie sich, doch dann tätschelte sie ihm beruhigend den Rücken, da sie mit Umarmungen nicht richtig etwas anfangen konnte. Megumi war die Erste und Einzige gewesen, die Fay jemals wirklich umarmte und sie es auch erwidern hatte können.
„Es tut mir leid, dass du wegen uns so viel durchmachen musst.“
„Nun, ja du hast es ja ordentlich mit Megumi verbockt, irgendjemand muss es ausbaden.“ Scherzte Fay und riss mit Absicht wieder eine Wunde auf. Sie wollte auf keinen Fall, dass er dachte, dass sie es für ihn tat, denn Fay tat dies ausschließlich für Elyon und Megumi, die ersten Leute die sie als Freunde bezeichnen konnte, wie ihr erst vor einiger Zeit klar wurde.
„Danke, dass du mich täglich daran erinnerst.“ Meckerte er und entdeckte dann seinen Sohn, wie dieser verzweifelt versuchte, seinen Kopf aufrecht zu halten. Verschwunden war der tyrannische König und er lief, als liebender Vater, zu seinem Sohn, um ihn zu loben. Natürlich freute sich der kleine Fratz sofort, dass ihn andere anfeuerten und gab sich noch mehr Mühe. Zur Belohnung bekam er noch ein Fläschchen und Vauven packte zusammen, was an Spielsachen Conchar am liebsten mochte. „Ach, ja. Ich fliege demnächst auf den nächstgelegenen Kontinent. Ich kann Dinge an die Vastia verschicken, wenn du das willst?“
Fay nickte sofort und packte den ersten Schnuller, eine Kopie seiner Geburtsurkunde, vier Bilder, da sie ihn jeden ersten des Monats fotografierte und das Tagebuch ein.
„Bist du sicher, dass sie es bekommen?“
Vauven nickte. „Ich werde einen falschen Namen benutzen und es unauffällig verpacken. Ich bin mir sicher, dass sie sich freuen werden.“
Fay nickte. „Ja, das werden sie.“ Bestätigte sie und seufzte entschlossen. Nun konnte Fay nur hoffen, dass es Megumi mehr freuen, als Verletzten würde. Fay konnte sich überhaupt nicht vorstellen, was in Megumi vor gehen musste.
„Bis morgen.“
Fay nickte nur und verschloss hinter sich die Türe.
>Tag einhundertsechsundzwanzig. Heute wird das erste Paket abgeschickt. Ich hoffe, es macht mehr Freude, als dass es verletzt. Conchar und ich können nun nicht mehr hinaus. Als ich hörte, dass wegen der Winterzeit die Tore geschlossen werden, wusste ich nicht, dass sie es so wörtlich meinten. Es ist beinahe unmöglich draußen etwas zu sehen, man erfriert in wenigen Minuten, wenn man kein Drache ist und es ist immerzu dunkel. Der Flugverkehr ist vollkommen eingestellt und jeder hat das klare Verbot erhalten, nach draußen zu gehen. Sie sagten, dass dies nun einige Wochen so gehen würde. Der Rat wird nervös. Ihnen gefällt nicht, wie ich mich verhalte. Hoffentlich habe ich es nun bald hinter mir.<
Fay legte den Stift weg und schloss ihr Buch. Sie versteckte es wieder unter dem losen Boden und machte Conchar fertig für seinen Vater. Etwas später an diesem Abend, wurde Fay neugieriger. Immer wieder zog eine starke Windböe durch das Schlossgelände und ließ alle Fenster gefährlich wackeln. Das fand sie faszinierend.
Ihr Weg führte sie hinab in eine der Empfangshallen, die an Nächten wie diesen beinahe ausgestorben vorzufinden waren. Staunend betrachtete sie die dicken Balken und mechanischen Gebilde, die alles und jeden draußen halten konnte, zumindest schien es so. Zärtlich strich sie über den feinen Mechanismus, der so einfach funktionierte und doch kompliziert aussah. Die Fenster, die einige Meter in der Höhe zu finden waren, waren ebenso abgesichert und schienen aus dicken, sehr stabilen Glas zu bestehen. Da fragte sich Fay, ob ein Sirenengesang sie eventuell brechen könnte? Natürlich wagte sie es nicht, es auch auszuprobieren, da sie niemanden verletzten, wollte und entschied sich niedrigere Fenster zu suchen. So gut sie sich erinnerte, waren in der Bibliothek wenige Fenster, doch alle in ihrer Höhe. Selbst das in ihrem Zimmer befand sich drei Meter aus ihrer Reichweite. Vermutlich hatte man dies mit Absicht gemacht, denn so kamen auch keine Kinder auf die Idee sie während dieser Stürme zu öffnen.
In der Bibliothek fand sie tatsächlich solche Fenster, doch leider befanden sie sich alle im obersten Drittel der Bibliothek, was bedeutete, dass sie die Treppen hinauf musste. „Blöde Drachen.“ Fluchte sie und nahm jede Stufe bis sie einige Zeit später und vollkommen erschöpft auf dem Plateau ankam, an dem sich lediglich zwei Fenster befanden. Eines an der Nordseite, das andere an der Südseite, also direkt neben ihr.
„Das sieht nicht gerade sportlich aus.“ Meinte eine sarkastische Stimme und Fay erinnerte sich, wo sie diese zuletzt gehört hatte. Müde und bereits auf allen vieren, ließ sie sich auf die kalten Fliesen sinken und rollte sich auf den Rücken.
„Hätte ich gewusst, dass meine Neugierde so etwas, wie Kondition verlangt, hätte ich mich niemals darauf eingelassen und sie in den Müll geworfen.“ Antwortete Fay kurzatmig.
„Nur, wer neugierig ist, besitzt den Willen zu lernen.“ Gab Durial zurück und setzte sich neben Fay auf die Fliesen. Fay sah zu ihm hoch und bemerkte, dass er den unteren Teil seines Gesichtes unter einem Rollkragen versteckte.
„Nun, ja da ich ansonsten keine großartigen Begabungen besitze, bin ich eben neugierig.“ Meinte Fay und verschränkte ihre Arme hinter dem Kopf um bequemer zu liegen.
„So kannst du das nicht sagen. Du besitzt das Talent, dass du Leute gegen dich aufbringen kannst, die dich nicht kennen.“
Fay lachte laut und setzte sich nun ebenfalls auf. „Ach, das soll eine Begabung sein? Dann ist sie nicht sonderlich vorteilhaft.“
„Nicht jede Begabung muss vorteilhaft sein, es reicht, wenn sie dich einzigartig macht.“
Fay dachte für einige Zeit darüber nach, erst dann fiel ihr der Teil mit ihrer Neugierde wieder ein. „Ach, ja... ich muss dort hin.“ Fay deutete auf das nächstgelegene Fenster.
„Dann steh auf und mach dich auf den Weg.“ Meinte Durial, klopfte sich auf die Oberschenkel und sprang auf wie ein junges Pferd, das es eilig hatte.
Fay probierte ebenfalls aufzustehen, doch ihre Beine zitterten noch von dem anstrengenden Aufstieg. „Ach, weißt du. So dringend ist es nun auch noch nicht. Ich warte bis meine Beine auch hier oben ankommen und dann gehen wir gemeinsam weiter.“ Scherzte sie und ließ sich wieder auf den Rücken sinken.
„Was suchst du denn überhaupt hier oben? Zu Fuß!“ Bemerkte Durial und Fay vermutete ein Lächeln unter seinem Kragen.
„Das Fenster eigentlich. Ich wollte den Sturm ansehen, doch alle Fenster sind so hoch gebaut, dass ich nicht daran komme.“
Durial nickte. „Ja, das ist Absicht. Es ist vor Jahren einmal vorgekommen, dass Kinder ein unbeobachtete Fenster öffnete und sie wurden hinausgesogen, mit der halben Inneneinrichtung. Auf eine Wiederholung war niemand neugierig, daher bauten sie die Fenster nach oben aus.“
Fay gab einen erkennenden Laut von sich, so etwas hattet sie sich bereits gedacht. „Nun, ja wenigstens muss ich mir um den kleinen Prinzen dann dabei nun keine Sorgen machen.“ Meinte sie und probierte noch einmal aufzustehen, doch schaffte es wieder nicht.
„Soll ich dir vielleicht helfen?“
Fay streckte ihm galant auf ihre Art die Zunge heraus. „Ich bin kein kleines Kind mehr, ich schaffe das schon.“
„Es muss dir aber wirklich wichtig sein, wenn du beinahe hundert Stockwerke dafür steigst. Deshalb bot ich es dir an, nicht weil ich dachte, dass du schwach bist.“
Erschrocken sah Fay zu Durial hoch, der aufgrund ihres intensiven Blickes, sofort den Kopf abwandte. Noch nie hatte jemand Fay genau verstanden. Ob Durial nur einen Scherz machen wollte, oder ob er richtig erraten hatte, was sie tief in sich gefühlt hatte, als sie diese Worte aussprach, wusste sie nicht, doch wurde langsam neugierig auf diesen Drachen.
„Okay, ich gebe es zu. Ich bin positiv überrascht darüber, den ersten vernünftigen Drachen entdeckt zu haben.“
Durial zog verwirrt die Augenbrauen hoch und ging neben ihr auf die Knie. „Sicher, dass sie dich beim Transport hierher, nicht irgendwo mit dem Kopf haben aufschlagen lassen?“ Fragte er vollkommen ernst.
„Selbst wenn, dann wüsste ich es nicht mehr. Außerdem hätte der kleine Prinz auch etwas abbekommen müssen, oder?“
Darüber schien Durial nachzudenken und wandte wieder den Blick ab. „Kann ich dich etwas fragen?“
Durial nickte und Fay kniete sich vor ihm hin. „Darf ich noch einmal deine Narben sehen?“
Der Drache erstarrte und versteckte sein Gesicht, wie zum Schutz, bis zur Nase in seinem Rollkragen. „Ich weiß nicht, hast du denn deine Albträume schon überwunden?“ Fragte er kleinlaut und wirkte plötzlich vollkommen verunsichert.
„Nein, denn bisher weiß ich nicht, wem ich dafür den Arsch aufreißen soll, dass er dir so etwas angetan hat.“ Meinte sie vollkommen ernst und lenkte damit seinen Blick wieder auf sich.
„Du... Du scheinst nett zu sein, netter zumindest, als so ziemlich alle Drachen hier. Ich werde jetzt lieber gehen, sonst habe ich auch noch auf dich einen schlechten Einfluss.“ Durial stand wieder auf und wollte bereits auf das Geländer klettern, um daran hinunter zu springen, doch Fay bekam ihn noch am Ärmel zu fassen.
„Morgen Abend, bitte. Wieder hier, um die selbe Zeit?“ Bat Fay und ließ ihn nicht los, als er versuchte, seinen Ärmel zu befreien. „Bitte, mich interessiert es wirklich.“
Nun nickte der Drache, doch ohne sie anzusehen, und Fay ließ ihn wieder los. „Wenn du nicht kommst sage ich jedem, dass du mich psychisch belästigt hast!“ Rief sie ihm noch hinterher, während er schon in der Tiefe verschwand und musste darüber lächeln. Ironisch, dass sie ausgerechnet hier, zwischen tausenden von Drachen, jemanden fand, der ihr auf Anhieb sympathisch erschien. Fay vermutete, dass dies nur daran lag, dass sie beide hier Außenseiter zu sein schienen.
Nachdem Fay ihre Beine nun endlich wieder bewegen konnte, wenn auch etwas steif, schleppte sie ihren Körper zum Fenster und kuschelte sich auf das Fensterbrett. Dadurch, dass es bereits dunkel war, sah man nicht wirklich etwas und die Fenster hatten ebenfalls aufgehört zu klappern. Sie vermutete, dass für heute das Toben sein musste und zog ihre Füße fester an ihren Körper. Entschlossen auf das Morgengrauen zu warten und die neue Winterlandschaft zu bewundern, lehnte sie sich gemütlich zurück und ließ die Zeit an ihr vorüber gleiten.
- - - - -
„Sag nichts, du kommst von einem heißen Date?“ Begrüßte Vauven Fay an der Türe ihres Zimmers und lächelte ein verschwörerisches Lächeln.
„Ich? Du musst mich wohl mit den Leuten verwechseln die sich aus >Liebe< und >Sex< etwas machen.“ Konterte Fay und nahm ihm die Babytasche ab.
„Du hast recht, wo war ich nur mit meinen Gedanken?“ Gab er zu und verabschiedete sich von seinem Sohn. Fay packte ein wenig Spielzeug und eine große Decke in den Kinderwagen und fuhr los, in die große Empfangshalle im Westen. Sie war genauso prunkvoll wie die, die sie gestern betrachtet hatte und breitete dort ihre Decke aus, um den kleinen Prinzen, der immer noch entschlossen davon zu sein schien, schneller Flüge, als die anderen Babys zu werden, seine kleinen Übungen machen.
Die Halle war die gesamte Zeit über leer, daher hallte das Lachen des Kindes immer wider laut gegen die Wände und hinaus auf die Gänge. Fay wusste, dass sie hier alleine und ungestört sein konnte, solange draußen noch Stürme in ungeheurem Ausmaß wüteten.
Gegen Mittag ging Fay wieder mit ihm spazieren und abends, nachdem Fay ihren täglichen Bericht fertig hatte, holte Vauven seinen Sohn wieder ab.
Fay wartete nicht sonderlich lange, sondern ging sofort, nachdem Vauven und das Baby um die Ecke verschwunden waren, zur Bibliothek. Vielleicht konnte sie ja heute noch den Sturm sehen, bevor er sich legte, denn heute Morgen, hatte man nichts weiter, als weiße Fenster erkennen können.
Da ihre Beine schon alleine bei dem Gedanken daran, dass sie erneut diese Treppe erklimmen musste, in den Streik gingen, beeilte sich Fay, um das schlimmste hinter sich zu bringen. Auch, wenn sie praktisch tot war, schienen dies ihre Beinmuskeln noch nicht akzeptiert zu haben.
„Sieh an, du bist wirklich gekommen.“ Stöhnte Fay mit vielen Atempausen und schleifte sich mit den Händen die letzten drei Stiegen hinauf. Wenigstens auf ihre Hände hatte sie verlass.
„Ich sollte eigentlich nicht herkommen.“
„Wieso? Es sind doch nur wir beide und ich habe mir vorgenommen dich heute nicht zu fressen.“ Versprach sie grinsend, was seinen Blick vom Fenster weg zu ihr lenkte. „Heute? Und wie sieht es dann mit morgen aus?“ Scherzte Durial.
„Das kommt darauf an, wie mir deine Antworten heute gefallen.“
Nickend setzte sich Durial neben Fay auf die Fliesen. „Also drohst du mir?“
„Nein, ich gebe dir lediglich nette Hinweise, dass ich neugierig bin und ich es hasse neugierig zu sein.“ Darauf erwiderte er nichts, doch Fay vermutete, dass er unter seinem Rollkragen lächelte. „Nun erzähl schon, oder müssen wir eine Ratestunde machen?“
„Klingt eigentlich nicht übel. Versuch zu erraten was passiert ist.“
Fay seufzte. Da hatte sie sich wieder etwas angetan. „Aber beschwer dich später nicht, wenn ich etwas unverschämtes sage, klar!“ Durial nickte. „Gut, dann fangen wir einmal mit den einfacheren Fragen an. Es war eine eifersüchtige Frau?“
Das brachte Durial nun doch sichtbar zum Lachen, was Fay ungemein erfreute. „Nein.“ Antwortete er jedoch.
„Okay, dann ist es eine Kindheitsverletzung?“
„Nicht direkt.“
Fay dachte nach. Wenn es keine Eifersucht und kein Unfall war, blieb nicht mehr sonderlich viel. „Also sollte es eine Bestrafung sein?“
Nun nickte er etwas trauriger. „Okay, dann weiß ich jetzt was passiert ist. Da Drachen sehr... altmodisch sind, denke ich, dass es daran liegt, dass du Schwul bist und alle gutaussehenden männliche Drachen umgarnt hast, sodass einige auch Schwul wurden und dafür wurdest du bestraft!“
Vor Lachen hielt sich Durial den Bauch und legte sich nun ebenfalls neben sie auf den Boden. „Der Gedanke wäre schön, aber nein, ich verspreche, dass ich zu hundert Prozent nicht nach dem Geschlecht gehe und das Drachen in dieser Hinsicht auch nicht allzu wählerisch sind.“
Fay grinste stolz darüber Durial so intensiv zum Lachen gebracht zu haben, da es auf sie wirkte, als würden nicht viele versuchen, ihn zum Lachen zu bringen. „Eigentlich ist es eine Kriegsverletzung. Ich war Cathanarch in den Reihen des alten Königs. Jedoch hast du recht, dass mein Mundwerk etwas zu lose war. Ich fand dass Vauven nicht der richtige Wyvern war. Er ist zu schwach, zu leicht zu beeinflussen und hat nichts zu bieten, als einen grimmigen Gesichtsausdruck. Natürlich sah das der König anders und bestrafte mich mit einem Schlag, der mir eigentlich den Kopf hätte abreißen sollen. Ich überlebte, doch die Wunden heilten sehr schlecht. Niemand hatte es gewagt mir zu helfen, sie haben mich einfach halb verblutet am Boden liegen gelassen. Ich stand Fieber durch und musste mich, um mich selbst kümmern. Monatelang konnte ich das Bett nicht verlassen, da ich zu schwach für alles gewesen war. In dieser Zeit starb der alte Wyvern und Vauven erhob sich. Ihm war ich genauso egal, wie seinem Vater, was ich im nachhinein gut verstehen kann. Nun bin ich Einzelgänger und schütte Öl in die Themen, die sich niemand wagt auszusprechen, oder laut zu sagen. Mir ist es egal, was mit diesem Volk geschieht, ich wünschte nur, ich könnte endlich hier fort.“
Fay, die nicht erwartet hatte, dass Durial dermaßen offenherzig seine Geschichte erzählen würde, blieb erst einmal der Mund offen stehen. Sie konnte weder sagen, dass er es verdient haben musste, da sie dies nicht so sah und auch nicht, dass die Wyvern scheiße sind. Fay musste abermals den Mund halten, da sie sich nicht sicher sein konnte, ob Durial nicht vielleicht doch mehr war, als das, was er ihr anvertraute.
„Deshalb hast du also zum Philosophieren angefangen?“ Fragte sie stattdessen.
„Mehr oder weniger. Wenn man Monate damit verbringt sich selbst zu bemitleiden und seinen Zorn nirgendwo hinauslassen kann, passiert es schon einmal, dass man seine Gedanken irgendwo anders hin lenkt. Die Philosophie hatte in dieser Zeit einen großen Einfluss auf mich und so wurde ich derjenige, der ich heute bin.“
„Und wer ist das?“ Fragte Fay und bekam einen seltsamen Blick von Durial.
„Niemand dem du vertrauen solltest.“
„Das hatte ich auch nicht vor.“ Gab sie zu und blickte wieder hinauf, zur Decke. „Ich habe nicht vor, auch nur einem einzigen Drachen zu vertrauen.“ Flüsterte sie, bevor ihr das Schweigen zu dumm wurde und sie sich am Geländer auf die Beine zog. Mühsam schleppte sie sich zu dem Fenster, doch immer noch war es vollkommen eingeschneit. Traurig verzog sie das Gesicht.
„Wie lange dauert es noch, bis man wieder hinaus kann?“
„Etwa drei Monate, wenn wir ein gutes Jahr haben.“
Erschrocken blickte Fay Durial an. „Drei Monate? Ist das nicht etwas übertrieben?“
Durial hob unwissend die Schultern. „So sind eben die Drachenberge. Unbeständig und nicht zu bändigen.“
Genervt streckte sie ihm die Zunge hinaus, da sie den Vergleich schlecht fand. „Also ist die Landschaft draußen Tot und Kalt, wie ich? Könnte Sinn ergeben, dass ich unbedingt hinaus möchte, um alles zu sehen.“
„Draußen herrschen Temperaturen, unter minus vierzig Grad. Du würdest erfrieren.“
Der Gedanke brachte Fay zum Lachen. „Gute Idee, dann taue ich im Frühling mit den ersten Blumen auf und laufe, als Zombie durch die Gegend. Das könnte wahrlich ein nervenaufreibender Streich werden.“
Sie sah Durial nicht an, daher wusste sie nicht, ob er ihren Wunsch zu sterben ernst nahm, oder darüber lächelte. Wider aller erwarten, stand er neben ihr, doch hielt ausreichend Abstand ein. „Ich dachte ebenfalls, dass der Tod jedem Schicksal der Tyrannei vorzuziehen sei, doch gerade du solltest doch daran denken, dass dein Sohn nicht ohne seine Mutter kann.“
Fay lachte ein trauriges Lachen. „Und wie hast du es geschafft, diesem Drang nicht nachzugeben?“
„Nichts war mir im Leben so unsympathisch, wie die Sitten der Drachen, daher habe ich beschlossen, alles in Frage zu stellen, da ich mit nicht weniger Konsequenzen, als den Tod rechnen müsste. Und dieser Tod wäre bei weitem einem verstümmelten und verachteten Leben vorzuziehen. Andererseits hast du schon einmal darüber nachgedacht, was du eventuell bereuen könntest, wenn du stirbst? Was werden deine letzten Gedanken sein? Gehst du friedlich im Schlaf, oder mit erhobenen Schwert? Ich habe mich entschlossen, dass wenn ich gehe, ich etwas zurücklassen möchte, jedoch weiß ich noch nicht was das sein soll.“
„Ich finde nicht, dass du verstümmelt wurdest. Immerhin hat dich diese Kriegswunde zu dem gemacht, wer du heute bist. Du bist stark, klug und belesen. Du hast also alles, an was es dem letzten Wyvern und dem heutigen fehlt. Du kannst stolz auf dich sein, denn ich fange bereits an, dich zu bewundern.“
Fay meinte jedes Wort ernst, das sie aussprach und verfluchte sich innerlich, über den König gelästert zu haben. Ausgerechnet sie konnte es sich doch erst überhaupt nicht leisten. Jedoch zu ihrer eigenen Überraschung verachtete Durial sie nicht oder lachte sie aus, sondern zog seinen Rollkragen hinab, sodass sie sein Gesicht sehen konnte.
Wieder aller Erwartungen musste Fay lachen. Sie konnte es nicht glauben, da war sie fasziniert von einem Fremden, den sie sogar anfing zu mögen, obwohl er ein Drache ist und ständig sein Gesicht vor ihr versteckte und dann das. „Du bist so ein Idiot! Wieso hast du dir denn einen Vollbart wachsen lassen? Das sieht aus, als würden bald Vögel anfangen darin zu nisten.“ Meinte sie und ließ sich die Wand entlang auf den Boden sinken. Durch den Vollbart sah man nun kein einziges Stück seiner Narbe mehr und dabei hatte sie sich so viel Mühe gemacht, dass er ihr seine Narben zeigte. Fay wusste nicht recht, weshalb sie diese überhaupt so dringend sehen wollte, doch dass er sie dermaßen austrickste, damit hatte sie nicht gerechnet.
„Ich habe ihn mir gleich nach unserem ersten Treffen wachsen gelassen. Ich wollte nicht, dass mich noch einmal jemand, der mich nicht kennt, so ansieht.“ Gab er zu und schien richtig stolz auf seinen Einfall zu sein.
„Du bist... ein großer, dummer Idiot, Durial. Du hast mich vollkommen falsch verstanden. Ich habe mich nicht vor dir erschreckt, sondern vor dem Monster, der dir diese Narben hinterlassen hat. Mir war sofort klar, dass dich jemand mit Absicht hat leiden lassen.“
Durial zog seinen Kragen wieder bis zur Nase hoch. „Oh, entschuldige, dass ich dich falsch eingeschätzt habe.“
Fay winkte ab. „Aber nur, wenn du entschuldigst, dass ich dich eben ausgelacht habe.“
Sofort nickte er. „Abgemacht.“
Somit war das Gespräch erneut beendet und Durial verabschiedete sich für heute. „Nun, ja unsere Ratestunde ist jetzt vorbei. Ich werde schlafen gehen, da ich ihn, im Gegensatz zu, dir brauche.“ Fay hatte vollkommen vergessen, dass Durial ja ebenfalls schlafen musste und nur wegen ihr hier hochgekommen war. Auch gestern schon hatte sie ihn aufgehalten und dafür fühlte sie sich jetzt schlecht.
„Okay, dann wünsche ich dir eine Gute Nacht und mach diesen hässlichen Bart weg, bevor du eines morgens Eier darin findest.“
Durial nickte. „Danke, Fay.“
„Für was?“
„Dass du hier bist.“ Antwortete er schlicht und wollte bereits wieder über das Geländer hinunter springen.
„Warte, Durial. Ich wollte dir eigentlich nur sagen, dass du mich auf den Fluren oder wenn wir uns begegnen, auch gerne ansprechen kannst. Ich werde dich schon nicht wegschicken, wie die anderen, sondern freue mich, wenn jemand normales mit mir spricht.“
Durial erwiderte nichts darauf, sondern sprang einfach wieder die knapp hundert Stockwerke hinunter.
Seufzend schleppte sich Fay auf das Fensterbrett zurück und musste abermals schmunzeln. Ein Bart! Kicherte sie innerlich und wartete abermals die ganze Nacht darauf, endlich aus dem Fenster sehen zu können.
>Tag einhundertundfünfundfünfzig. Conchar beginnt mit dem robben. Er ist neugierig auf die Welt und sein Vater sagte, dass er nun endlich durchschliefe. Darüber bin ich enttäuscht, da er tagsüber nie schläft und meine Aufmerksamkeit will. Anfang diesen Monat traf ich jemanden, der so ist wie ich. Kein Ghul, aber jemand Normales unter den Drachen. Hoffentlich.<
Fay verstaute ihr Buch und legte sich dann in ihr Bett. Seit dem letzten Abend hatte sie Durial nicht mehr gesehen. Auch begegnete sie ihm nicht mehr auf den Gängen, oder erhaschte einen kurzen Blick auf ihn. Das stimmte sie zunehmend trauriger, da sie sich plötzlich viel einsamer fühlte, als sie sich jemals hatte vorstellen können. Immer war es ihr egal gewesen, dass sie bald sterben würde und was andere über sie dachten. Aber nun? Natürlich wartete sie immer noch auf ihren Tod, doch die Einsamkeit die sie überfiel, da sie mit niemandem reden konnte, zog sie immer mehr in einen Strudel, den sie bisher überhaupt nicht kannte.
- - - -
Alles hatte sich verändert. Die Atmosphäre wirkte dunkler, die Menschen trauriger und sein eigener Geist geschwächter. Elyon, der immer noch damit beschäftigt war, sein Schloss wieder aufzubauen, hatte nun sein fünf Monaten nicht mit seiner Schwester gesprochen. Oder besser gesagt, sie nicht mit ihm. Megumi hatte keine einzige Träne vergossen, oder ein einziges Wort verloren, seit sie Alasans toten Körper auf der Wiese inmitten siebenundvierzig anderer Drachen gesehen hatte. Weder sprach sie mit Elyon, noch mit den Arbeitern, die immer wieder um sie herum eilten.
Plötzlich schien sie nur noch der Schein ihrer selbst zu sein. Fort war die aufgeblühte junge Dame, die jeden um den kleinen Finger wickelte, fort war ihr gepflegtes Auftreten so wie ihr süßes Lächeln. Alles was blieb, war ein leerer Blick und hin und wieder leises Gewinsel aus ihrem Zimmer. Elyon, der wochenlang versucht hatte sie aufzumuntern und zu trösten, hatte es bisweilen wieder aufgegeben, da es ihn nur selbst noch mehr deprimierte. Im Gegensatz zu ihr machte er weiter. Er schickte Arbeiter durch das Schloss, arbeitete den Garten auf und versuchte, die Wirtschaft in seinem Reich anzukurbeln.
Als jedoch eines morgens ein Paket der Drachen vor seiner Haustüre stand, wollte er es einfach in den nächsten Mülleimer werfen, doch dann hörte er eine Rassel darin, was ihn stutzen ließ. Zusammen mit der vollkommen emotionslosen Megumi, öffnete er das Paket und blickte erstaunt auf die kleinen, beinahe willkürlich wirkenden Gegenstände. Jedes war beschriftet.
>Der erste Schnuller<
>Sein erstes Lieblingsspielzeug<
>Die erste Locke<
>Die ersten vier Bilder<
>Kopie der Geburtsurkunde<
>Tagebuch einer Gefangenen<
Das letzte hatte Elyon mehr interessiert, als alles andere, da es genau dies war, was Megumi zum ersten Mal nach vier Monaten zum Weinen brachte. Jeden Tag lief sie nun mit dem Buch herum und las darin. Sie verschlang jede Zeile und ließ es ihm auch manchmal laut. Dabei klang ihre Stimme rau und beinahe klagend, als wäre sie eine heisere Erzählerin.
Elyon wusste nicht, wie er Fay dafür danken konnte, oder es ihr jemals vergelten, dass sie nicht nur seine Schwester beschützt hatte, sonder sich sogar aus der Ferne noch um sie kümmerte.
Elyon hatte zwar das Buch noch kein einziges Mal in der Hand gehalten, doch kannte er durch Megumi jedes Wort, das darin stand. Fay hatte tatsächlich alles aufgeschrieben. Jedes noch so winzige Detail über Conchar und auch wie sehr sie den Namen verabscheute. Megumi jedoch schien ihn perfekt zu finden, auch wenn sie jedes Mal anfing zu weinen, wenn sie ihn aussprach. Elyon hatte sie einmal gefragt, wieso dieser Name sie zum Weinen brachte. Die Antwort jedoch hatte ihn schockiert. „Weil er die Sehnsucht ist.“ Megumi sprach es nur leise aus, sodass Elyon es kaum verstehen konnte, doch verstand er dessen Bedeutung. Vauven benutzte den Namen seines Sohnes, um Megumi eine Nachricht zu übermitteln, die nur sie verstehen konnte. Conchar erinnerte ihn jede Sekunde daran, wie sehr er selbst sich nach der wahren Mutter seines Sohnes sehnte und dass er alles bereute.
Dies brachte auch Elyon zum Nachdenken. Fünf Monate waren nun vergangen, seit seine eigene Liebe verschwunden ist. Er wusste immer noch nicht, wohin sie gegangen ist, oder wieso. Trotz allem sehnte er sich nach ihr. Celest war seine Conchar. Seine Sehnsucht.
Sein Herz schmerzte immer noch bei jedem Gedanken an sie, was bedeutete rund um die Uhr, außer er dachte eben an seine Schwester.
Elyon seufzte, als er das leise Jammern von Megumi vor seiner Haustüre wahrnahm. Er fragte sich, ob sie schon wieder durch den Garten spaziert war, oder ob sie wieder auf dem Dach saß, da er sie nachts eigentlich niemals im Schloss selbst antraf. Ein Blick auf die Uhr jedoch sagte ihm, dass es gerade erst einmal fünf Uhr nachmittags war.
„Megumi?“
Er vernahm das Zuschlagen des Kühlschrankes in der Küche, dann stand sie auch schon neben ihm und blickte ihn verwirrt an. „Entschuldige, ich dachte du wärst es.“ Megumi legte lediglich den Kopf schräg und schien anzunehmen, dass er sich schon um den ungebetenen Gast kümmern würde. Doch wer sollte ausgerechnet weinend vor ihrer Haustüre erscheinen? Für Elyon ergab dies keinen Sinn.
Mit einer Handbewegung deutete er seiner Schwester dort stehen zu bleiben, doch diese dachte nicht einmal daran, sondern folgte ihm zur Eingangstüre. Vorsichtig öffnete Elyon die Türe, dessen frühere Glasseite von dickem Plastik ersetzt worden war und staunte nicht schlecht. Vor ihm lag ein kleiner Korb, auf dessen Oberseite eine Decke lag. Sie sah alt und mehrfach benutzt aus. Ob sie einem Kind gehört hatte?
Wieder begann das Wimmern, doch dieses Mal war es viel näher und schien direkt aus diesem Korb zu kommen. Entsetzt blickte er Megumi an, die ihn zum ersten Mal seit Monaten, richtig verärgert ansah, aus dem Weg stieß und die Decke vom Korb nahm. Darin lag ein Baby, das kaum älter als wenige Tage aussah, und fing bitterlich an zu schreien, als es plötzlich vom Licht beleuchtet wurde.
„Verdammt, wer war das?“
Megumi nahm zitternd das Neugeborene aus dem Körbchen, um es sicher in ihren Armen zu bergen. „Celest.“ Flüsterte sie, nachdem sie einmal tief den Geruch des Kindes eingesogen hatte.
Ungläubig trat auch Elyon nun auf das Baby zu und roch an ihm „Es ist wirklich das von Celest. Das ist definitiv ihr Geruch! Verdammter...“ Frustriert schlug sich Elyon auf die Stirn. „Fünf Monate! Verdammt, Megumi! Fünf Monate, wie konnte ich das nicht verstehen. Was könnte einem wichtiger sein als das Leben des Menschen den man liebt... sein Kind. Verdammt Megumi, ich habe alles falsch verstanden!“ Beschwerte er sich und sank weinend vor ihr auf die Knie. Sofort bückte seine kleine Schwester sich zu ihm um ihn in ihren freien Arm zu schließen, sorgsam darauf bedacht, das Kind nicht zu erschrecken.
„Bist du dir sicher?“ Fragte Megumi, nachdem sie Elyon das kleine Baby mit dem ersten schwarzen Flaum am Kopf reichte und es gähnend zwei kleine Fangzähne entblößte. „Zu hundert Prozent.“ Bestätigte Elyon. Noch immer konnte er sich an ihre gemeinsamen Nächte erinnern, obwohl sie nun bereits einige Monate, nein das erste Mal betreffend, genau neun Monate her war. „Ich bin so ein Idiot.“ Flüsterte er noch einmal, bevor er das Baby sanft anfing zu schaukeln und seine Augen sich mit noch mehr Tränen füllten.
Nun verstand er weshalb sie gegangen ist. Das Einzige was die Klinge interessierte war der Schmerz, doch welcher Schmerz konnte größer sein als der einer Mutter? Etwa der einer Witwe, oder der einer Verschmähten? Mit was konnte man den Schmerz aufwiegen? Wie konnte auch nur ein Mensch behaupten, mehr zu leiden als alle anderen, wenn doch Celest diese Klinge mit sich trug, damit alle anderen friedlich ihr Leben genießen konnten? Und nun vertraute sie ihm das Einzige an, was sie jemals aus Liebe bekommen hatte.
Megumi griff noch einmal in den Korb, als würde sie etwas suchen, und fand sogar etwas. Mit zittriger Stimme las sie die letzten Worte von Celest.
Geliebter, Elyon.
So sieht man sich wieder. Dein Verlust tut mir leid, auch, wenn ich deinen Bruder nicht sonderlich mochte, habe ich ihm Blumen an seinem Grab hinterlassen. Ich denke nun verstehst du, weshalb ich vor fünf Monaten nicht bei dir sein konnte, weshalb ich deinen Bruder nicht beschützte. Bitte verzeih mir. Es tut mir alles so unendlich leid. Das ist alles nur meine Schuld, denn wäre ich an deiner Seite geblieben, dann hätte dies alles nicht passieren müssen. Bitte vergib mir Geliebter, denn ich werde es niemals. Dass ich euch im Stich ließ, kann ich niemals wieder gut machen.
Jedoch hoffe ich, dass du dieses Kind besser beschützen kannst, als ich euch beschützt habe. Dass ich wegging, war einzig zu ihrem Besten, denn ich wusste, dass sie eines Tages in meine Fußstapfen treten würde. Doch wie könnte ich der Liebe meines Lebens, die bereits so viel verloren hat, etwas so Einzigartiges auch noch nehmen?
Meine Klinge schreit, sie klagt und zwingt mich die Dinge zu sehen, die ich niemals tun möchte. Ich kann sie nicht konvertieren, ich kann sie nicht diesem Schicksal aussetzen, so stark bin ich nicht. Stattdessen werde ich fortgehen. Ich werde mich einschließen, sodass niemand dieses Schloss öffnen kann, nicht einmal du. Die Klinge und ich werden für immer aus ihrer Reichweite sein, denn sie hat ein Leben ohne das alles verdient. Um ehrlich zu sein, ist sie das erste Geschöpf, das jemals in meiner Familie aus Liebe geboren wurde. Erzähle ihr nichts von mir, sag ihr, ich hatte kein Interesse an ihr, bringe sie dazu, mich zu hassen, denn nur dann werde ich wirklichen Frieden finden.
Und mit meinen letzten Worten schwöre ich dir, dass ich dir zuliebe und zuliebe unseres Kindes, keinen einzigen Tropfen Blut mehr diese verfluchte Klinge werde berühren lassen, abgesehen von dem meinem.
Ich hoffe wirklich, du wirst irgendwann deinen Frieden finden, mein Elyon.
In eine gebrochene Familie hinein geboren, brachte das kleine, erst wenige Tage alte, Mädchen wieder so etwas wie ein Lächeln in deren Alltag. Langsam, doch sicher begann Megumi wieder zu sprechen, wenn auch nur um Elyon zu sagen, was er falsch machte. Meist stellte er sich absichtlich dumm beim Windeln wechseln, weil er so gerne Megumis Stimme hörte, die er bereits so lange vermisste. Doch trotz allem änderte sich ihre sonst so verschwiegene Laune, lediglich in der Gegenwart des Babys. Elyon betrachtete Celest Geschenk als den ersten Schritt, dass die immer noch blutende Wunde langsam anfing zu heilen, auch wenn sie noch Jahre brauchen würde, biss sie zu einer langsam verblassenden Narbe werden würde.
„Oh, nein! Das ziehe ich nicht an!“ Fays Stimme erklang lautstark durch die Gänge und ihre Magd, blickte sich verunsichert um.
„Aber... unser Wyvern besteht darauf, die Mutter seines Sohnes auf diesem Ball zu präsentieren, sodass Ihr vielen auffallt.“
Fay verkniff sich die Aussage, dass es sich für sie eher anhörte, als würde man sie auf einem Ball als Lustfrau vorführen, die jeder nach belieben benutzten würde können. „Dann gehe ich erst überhaupt nicht hin.“ Entschied sie, doch wusste im selben Moment, dass sich dies nicht so einfach ändern lassen können würde.
„Ich hänge es trotzdem an Ihren Schrank. Der Wyvern wünscht es so und warnte mich bereits, dass es keinen Sinn hätte mit Ihnen darüber zu sprechen. Ich solle lediglich Informationen weiter geben... Miss Fay?“
Irritiert blickte sich die Magd um, doch Fay war bereits verschwunden. Ein Fremder hatte ihre Hand genommen und sie einfach weggezogen von dem immer noch schimpfenden Drachen und führte sie durch die Gänge und dem Gewusel unzähliger Beine, ohne dass sie von jemandem bemerkt wurden. Fay hatte sofort an seinem Geruch erkannt, dass es sich um niemand anderes, als Durial handelte, der sie eben vor ihren eigenen Worten beschützt hatte und nun in eine ruhige Ecke des Schlosses zog. Erst, als sie in einem unbenutzten Flügel, weit unterhalb des Schlosses ankamen, ließ er ihren Ärmel los und brachte sofort Abstand zwischen sich und sie. „Ähm, ich wusste nicht, dass du mich so sehr vermisst hast.“ Scherzte Fay.
„Ich habe auch niemals behauptet dich vermisst zu haben, ich wollte dich lediglich davor warnen, dass...“ Durial verstummte und wich erschrocken einige Schritte von ihr zurück, da sie versuchte, ihm den Rollkragen vom Gesicht zu nehmen.
„Jetzt bleib doch erst einmal stehen.“ Bat sie und ging abermals zwei Schritte auf ihn zu, doch er wich genauso viele zurück.
„Nicht bevor du mir nicht verrätst, was du da versuchst.“ Bei dem Wort >da<, deutete er auf ihre ausgestreckte Hand, die auf seinen Kragen zielte.
„Nach was sieht es denn aus? Ich möchte wissen, ob du deinen Bart abrasiert hast.“ Erklärte sie, als wäre das vollkommen offensichtlich gewesen.
Mittlerweile war es Dezember und der alljährliche Winterball stand direkt vor ihrer Türe. Von Fay erwartete man auf diesem Ball lediglich, dass sie eine Stunde dortblieb, mit >ihrem< Sohn und den kleinen Prinzen dann ins Bett brachte, da man einem kleinen Kind so viel Trubel und besonders leicht angeheiterte Drachen nicht zumuten wollte. Jedenfalls hatte Vauven sich selbst davor beschützt Fays Zorn auf sich zu ziehen, da sie überhaupt dort erscheinen musste. Nur widerwillig hatte sie auf diese eine Stunde und das nächtliche Babysitting eingestimmt, doch es war immer noch besser, als den ganzen Abend unter halb >nüchternen< Drachen zu verweilen.
„Wieso hätte ich sollen? Mir gefällt er, ich fand es eine gute Idee und nur, weil du sagst, ich soll ihn abrasieren, mache ich doch nicht Monate des Kampfes mit meinem ungleichmäßig wachsenden Bart zunichte.“ Gab er zurück und vergrub sein Gesicht noch tiefer in seinem Rollkragen.
Dazu konnte Fay jedoch nichts erwidern, daher gab sie ihre Versuche auf. Durial hatte doch recht, wieso sollte er auch so etwas tun? Wieso wollte sie überhaupt, dass er so etwas tat? Es verwirrte sie, daher schlug Fay das letzte Thema wieder an. „Vergiss es, du wolltest mich warnen?“
„Ja, du musst dich unbedingt auf dieser Feier benehmen. Ein falsches Wort, ein falscher Schritt, nur ein grimmiger Blick und der Rat beschließt, dass du mehr ärger machst, als dass du, als halb Tote wert bist.“
Leicht verärgert, dass sie sich nun auch noch warnen lassen musste, dass sie endlich bald sterben konnte, verschränkte sie ihre Arme vor dem Brustkorb. „Ich werde einfach schweigen und nett lächeln. Ich bin so wie so nur für eine Stunde dort, dann muss ich den kleinen Prinzen in sein Bett bringen.“ Gab sie leicht angeschlagen zurück und sah nicht mehr zu Durial.
„Fay, ich meine es ernst. Der alte Mann, der der dich das erste Mal geprüft hat, war lediglich ein Außenstehender. Er tat es aus eigenem Interesse und nicht, weil es der Rat direkt wollte.“
Schulterzuckend wandte sich Fay zum Gehen. „Was mit mir geschehen wird, ist bereits vor meinem Eintreffen beschlossen worden. Je schneller sie es hinter sich bringen, umso besser für die anderen Leute, die mir wichtig sind.“
„Fay! Denk verdammt noch einmal an deinen Sohn!“ Rief er ihr nach, doch sie antwortete nicht darauf. Fay wusste, dass sie ihn anbrüllen würde, dass Conchar nicht ihr Sohn ist und dass sie das alles nur für seine wahre Mutter getan hatte.
Am Rande eines Wutausbruches ging Fay nicht zurück zu ihrem Zimmer, wo bereits ihre Magd wartete, sondern schlenderte noch etwas durch die niederen Gänge, die für die Menschen gemacht wurden, welche sich nicht von einem Moment auf den anderen in ein riesiges feuerspeiendes Monster verwandeln konnten.
Erst gegen Abend, als sie den kleinen Prinzen entgegennehmen sollte, ging sie in ihr Zimmer zurück und wurde sofort von drei Frauen überfallen. Die erste tadelte sie, dass sie viel zu spät dran sei, die Nächste schimpfte, dass sie ihre Haare immer so zerzaust zu einem Zopf trug und die dritte blickte sie aus der Ferne an, als würde sie sich eben verschiedenes vorstellen, was Fay noch nicht verstehen konnte. Kurzerhand wurden ihr ihre Haare mit verschiedenen Mitteln gewaschen, mit etwas Drachenmagie getrocknet und zu einer kunstvollen Hochsteckfrisur gebunden. In ihr Gesicht wurde eine Feuchtigkeitscreme geklatscht und ihr Körper in ein viel zu enges Kleid gestopft. Obwohl Fay doch bereits seit ihrem Erwachen mager war und hauptsächlich aus Haut und Knochen bestand, fühlte sie sich plötzlich viel zu dick als in das Kleid zu passen. Schlussendlich erklärte man ihr, dass man dieses Kleidungsstück Korsett nannte und Fay lediglich daran hindern soll, ihren Rücken zu krümmen. Genervt verzog diese das Gesicht und sah jetzt schon vor sich, wie sie starr wie ein Brett durch die Hallen laufen würde. Ein Zombie auf Bewährung...
Zum Schluss bekam sie ein prachtvolles, mehrschichtiges Kleid übergezogen, das zwischen den Farbtönen rosa und lila ihren Körper entlang wechselte und sie zum Fluchen brachte. „Darin sehe ich aus, wie eine von Haifischen abgefressene Meerjungfrau auf Drogen.“
Alle drei Frauen verdrehten nur die Augen. Offenbar war es in ihrem Sinne >wunderschön<. Fay war kurz davor wieder alles von ihrem Körper zu zerren, doch da klopfte es an der Türe und der Wyvern trat ein. Er trug die dunkleren Töne seiner Sippe, die bis in ein nachtblau endeten und wesentlich besser aussahen. An seiner Schulter trug er etliche Zeichen, auch eine Brosche mit dem Wappen seines Clans darauf und nickte ihr anerkennend zu. „Du sieht...“
„Wage es ja nicht diesen Satz zu beenden, sonst fange ich an mich den gesamten Abend darüber zu beschweren, dass ich aussehe wie eine verwesende Meerjungfrau.“ Drohte Fay, doch lächelte herzlich dabei, da noch immer die drei Mägde neben ihnen standen und alles genau belauschten.
„Wie immer zum Scherzen aufgelegt, gehen wir dann? Cochar schläft noch in seinem Wagen.“ Wollte Vauven ein Gespräch beginnen, während sie sich an seinem Arm einhakte und sie den Raum verließen.
„Wenigstens einer der es heute Abend können wird.“ Fay meinte es vollkommen ernst, dass sie lieber auch schlafen würde anstatt dort hinzugehen, doch solange sie sich nicht vollkommen mit Gesang verausgabte, war dies nicht möglich.
„Bestimmt werden alle bis zum Morgengrauen aufbleiben und trinken. Ich sehe jetzt schon dass meine Catharnach alle Gäste in ihre Zimmern führen muss.“
So unterhielten sie sich über vollkommen belanglose Dinge, während sich langsam immer mehr Leute um sie scharrten. Was Fay mitbekam, oder ihr Vauven von Zeit zur Zeit zuflüsterte, waren das alles Leute, die im Rat saßen und ihre direkten Familienangehörigen, so wie andere einflussreiche Drachen aus seinem Clan.
Angekommen bei einem Saal, den Fay noch überhaupt nicht kannte, stoppte Vauven und ließ die anderen Drachen zuerst das Tor durchqueren, während dahinter alles still wurde und nur ein einziger sprach. Was Fay hören konnte, waren Namen, doch welchen Sinn es hatte Namen aufzuzählen, verstand sie nicht.
Jedoch wurde ihr die Bedeutung, dessen klar, was sich in diesem Saal abspielte, als Vauven ihr den kleinen Prinzen reichte und seine Hand locker auf ihrem Rücken liegen ließ um sie durch das Tor hindurch zu führen.
„Eure Majestät der Wyvern Vauven, sein einzigartiger Sohn Prinz Conchar, ebenfalls Wyvern und seine Mutter Fay.“
Fay vermied es gerade noch, zu knurren als man sie so beiläufig erwähnte, doch der Druck an ihrem Rücken rief ihr in Erinnerung, wie nötig es war, dass sie schwieg und sich benahm, wie es von ihr erwartet wurde.
Das Bild, als Durial sie durch die Gänge führte, nur um sie zu warnen, was heute Abend auf dem Spiel stand, flog durch ihre Erinnerungen und brachte sie dazu noch entschlossener zu sein. Es war offenbar Durial wichtig, dass sie am Leben blieb, so lange es möglich war, also wieso nicht ein paar Monate länger? Fay hatte nichts zu verlieren, da sie ja ohnehin bereits tot war.
Vauven führte Fay und seinen bereits erwachten Sohn, der begeistert jeden ansah und lachte, wenn ihn jemand ansprach, durch etliche Gruppen von Drachen. Immer wieder erkannte Fay die Clanfarben in den prachtvollen Kleidern und musste sich etliche Komplimente anhören, die sie überhaupt nicht hören wollte. Trotzdem bedankte sie sich, bis endlich die ersten Gäste zum Tanzen begannen und sich der Wyvern mit ihr zurückzog. „Das hast du sehr gut gemacht. Du warst wirklich ausgesprochen höflich.“ Raunte Vauven ihr ins Ohr.
Sie lächelte, als hätte er etwas Lustiges gesagt, bevor sie sich zu ihm vor lehnte, um ihm auch etwas zu flüstern. „Erkläre das meiner Würde wenn ich sie später aus dem Keller lasse.“ Daraufhin erwiderte er nichts, sondern lächelte höflich, bevor ihn eine offenbar wichtige Frau ablenkte und mit sich auf die Tanzfläche, mehr oder weniger zog. Fay winkte dem Wyvern mit einem sarkastischen Lächeln, während sie sich mit dem kleinen Prinzen sanft zur Melodie wiegte. Da der Kinderwagen in diesem Saal zwischen den vielen Drachen keinen Platz gefunden hätte, musste sie ihn die restliche viertel Stunde noch halten, bis sie endlich gehen durfte, doch hatte dadurch auch nicht das Pech, dass sie jemand zum Tanzen aufforderte und damit die Zeit vertrieb.
Alle schienen so mit ihren Höflichkeitsfloskeln beschäftigt zu sein, dass niemand bemerkte, als Fay sich an den Rand der tanzenden stellte und den kleinen Prinzen in eine >beinahe< Tanzposition brachte, um ihn zum Lachen zu bringen. Dem kleinen Prinzen gefiel dies so gut, dass er breit grinste, und begeistert in seine Hände klatschte, auch wenn er es noch nicht richtig schaffte. „Darf ich Euch zu einem kleinen Tanz verführen?“ Ertönte die Stimme von Durial plötzlich neben Fay und erschreckte sie etwas. Fasziniert betrachtete sie seinen Anzug, ebenfalls in den Clanfarben gehalten und die Maske die drei viertel seines Gesichtes verdeckte. Fay war bereits aufgefallen, dass einige eine Maske trugen, doch vermutlich wollten diese Leute auffallen und nicht etwas versteckten so wie er.
„Wenn Ihr einen Tanz zu dritt zustimmen würdet, dann liebend gerne, mein Herr.“ Antwortete sie genauso höflich, woraufhin sie den kleinen Prinzen an ihre Schulter legte, damit er den begeisterten und wesentlich besseren Tänzern zusehen konnte, während Durial ihr seine Hände auf den Rücken legte und Fay ihre linkte freie auf seine Schulter.
Vorsichtig führte er sie mit einfachen Schritten auf der Stelle, während er sie keinen Moment aus den Augen ließ oder zuließ, dass ihnen irgendjemand zu nahe kam.
Als Fay das Schweigen nach mehreren Minuten zu unangenehm wurde, räusperte sie sich und verringerte den Abstand zwischen ihnen, um wenige Millimeter. „Ich hätte nicht gedacht Euch hier anzutreffen.“ Gab sie zu.
„Seid Ihr überrascht, dass jemand wie ich, die anderen Leute mit seiner Anwesenheit beehrt?“
Fay schüttelte vorsichtig den Kopf, um ihre Frisur nicht zu ruinieren. „Nein, ich bin nur überrascht, dass Ihr tatsächlich Abstand zu Eurem Bart genommen habt.“
Irritiert griff er an seine Maske und senkte den Blick. „Es war nötig, da es seltsam ausgesehen hätte, wenn unter der Maske ein Bart hervor gesehen hätte.“
Fay lachte, das erste Mal an diesem Abend aufrichtig, während sich Durial wieder entspannte. „Ich verstehe, wenn das tatsächlich so gewesen ist, kann ich Eure Entscheidung nur unterstützen.“
Durial verdrehte unbemerkte die Augen. „Wie edelmütig von Ihnen.“
„Also... seit Ihr zufrieden mit mir, oder möchten Sie mich auf etwas hinweisen?“
Durial schüttelte leicht den Kopf. „Nein, Miss Fay, Sie haben heute Abend alles perfekt gemeistert, doch der Abend ist noch jung.“
„Nicht jung genug, da ich den kleinen Prinzen in sein Bett bringen muss, bevor er sich entschließt, sich eine der hübschen Drachendamen zu schnappen und über den Parkett zu wirbeln.“ Lachend beschleunigte Durial ihr Tempo, dass offenbar nur er kannte und Fay ertappte sich, wie sie den Abstand noch ein wenig verringerte. Es war das erste Mal, dass sie Durial so nahe kam und es gefiel ihr. Ansonsten wahrte er immer Abstand, oder ließ sich wochenlang nicht blicken, bis er plötzlich aus heiterem Himmel auftauchte und ihr gute Laune bescherte.
„Ich bezweifle, dass der junge Herr heute noch viele Frauenherzen erobern wird, er schläft bereits.“ Fay bewegte ihre rechte Hand etwas, sodass der Arm des kleinen erschöpft herunter hing und sie erkannte, dass er tatsächlich einfach eingeschlafen war.
„Der Glückspilz.“ Meinte sie.
„Ja, das ist er wahrlich.“ Meinte Durial daraufhin, was Fay die Augenbrauen hochziehen ließ. Noch bevor Fay fragen konnte, was er damit wohl meinen würde, trat er einen großen Schritt zurück und seine Hand glitt von ihrem Körper, welcher sich sofort danach sehnte, mit ihm weiter zu tanzen. „Wenn Ihr erlaubt, begleite ich Euch noch zu Eurem Schlafgemach, werte Fay.“
Fay nickte ihm dankend zu. „Ich muss nur Vauven Bescheid sagen, dass ich nun gehe.“
Durial versprach draußen zu warten und sie machte sich auf den plötzlich, viel zu einsamen Weg, einen vielgefragten Wyvern abzufangen. Sie fand ihn mit einem Glas Alkohol in der Hand, wie er gerade versuchte, eine Gruppe von Diplomaten abzuwimmeln. „Entschuldigen Sie, die Herren, ich möchte Ihnen Ihren Wyvern nicht absichtlich wegnehmen, ich dachte mir nur, dass er bestimmt seinem Sohn eine gute Nacht wünschen möchte, bevor ich ihn in sein Bett trage.“
Vauven blickte Fay dankend an, bevor er verwirrt zu sein schien. „Ihr seid noch hier? Ich dachte eigentlich, dass ihr beide vor einer Stunde gegangen seid.“
Fay betrachtete die kunstvolle Uhr, die kaum an der Wand auffiel, außer man wusste, wo sie sich befand. Tatsächlich hatte sie länger mit Durial getanzt, als erwartet. Lächelnd winkte sie ab. „Dem kleinen Prinzen hat das Tanzen so gut gefallen, dass ich es ihm nicht verwehren wollte, die vielen schönen Frauen zu bewundern.“ Scherzte Fay und entlockte allen anwesenden ein bestätigendes Lachen.
„Ich verstehe, doch nun beeilt Euch ein wenig, denn die Verwandlung wird bald einsetzen.“ Verwirrt blickte Fay den Wyvern an.
„Was für eine Verwandlung?“
„Es gehört dazu, dass sich alle anwesenden Drachen unter meinem Befehl verwandeln, um unsere Macht zu demonstrieren. Wir machen das immer, bevor die Leute zu viel Alkohol in sich haben und Chaos entstehen kann. Ich möchte nicht meinen Sohn ebenfalls dieser Anstrengung aussetzen.“
Fay nickte bestätigend. „Ich werde mich beeilen.“ Versprach sie, machte einen Knicks, der sie selbst beeindruckte. „Meine Herren, ich wünsche Ihnen noch einen wundervollen Abend.“
Sie erwiderten den Wunsch, jedoch mit einer angenehmen Nachtruhe und Fay eilte aus dem Raum.
Wie versprochen wartete Durial immer noch auf sie, doch schien etwas nervös zu sein. „Du bist langsam.“ Murrte er.
„Ich weiß, ich konnte doch nicht ahnen, dass sie eine Massenverwandlung planen!“ Gab sie zurück und ging so schnell, wie es ihre viel zu hohen Stöckelschuhe zuließen.
„Das machen sie jedes Jaaahr...“ Durial hielt sich die Seite, als hätte er plötzlich Schmerzen.
„Durial? Was ist? Bist du verletzt?“ Sofort wollte sie die Hand nach ihm ausstrecken, doch hielt inne und ermahnte sich, dass er dies nicht wollen würde.
Durial schüttelte den Kopf. „Nein, die Verwandlung beginnt und ich wehre mich dagegen. Wir müssen laufen.“
Fay nickte und lief neben Durial her, während der kleine Prinz in ihrem Arm bereits erwachte und auch nicht sonderlich begeistert von der plötzlichen Störung zu sein. Wenige Biegungen vor ihrem Zimmer bemerkte sie, dass Durial gestoppt hatte. „Durial?“
„Bring ihn in sein Bett, ich komme schon zurecht. Ich kann nicht mehr warten!“ Durial sank die Wand hinab, während die ersten Schuppen sich über sein Gesicht abzeichnete und sein Kiefer sich anfing zu verschieben. „Jetzt lauf! Verdammt!“
Fay schreckte zusammen, da das Kind nun auch noch anfing zu weinen und lief die restlichen Meter zu ihrem Zimmer. Kaum hatte sie die Türe verschlossen, beruhigte sich der kleine Prinz und sie legte ihn in sein Bett, wo er sofort zurück in seinen tiefen, seligen Schlaf fiel und genüsslich an seinem Fläschchen nuckelte. Alleine schon diese Energie musste ihm Kraft gekostet haben.
Doch Conchar galt ihr Mitgefühl nicht, da er nun tief schlafen konnte, ihr Mitleid galt Durial, dem diese Energie richtig zuzusetzen schien. Eilig zog sie das Nachtlicht von Conchar auf, dass einige Minuten Musik spielte, und lief barfuß in den Gang zurück, bis sie einen zitternden Drachen fand.
Heftig keuchend, rappelte sich der geschwächte Drache vom Boden auf und schien zum ersten Mal auf seinen vier Beinen nach einer langen Zeit zu stehen. Als er Fay sah, knurrte er.
Fay konnte nicht anders, als erschrocken Luft zu holen. Durial hatte maßlos untertrieben, als er sagte, dass ihn der alte Wyvern lediglich das Gesicht zerfetzt hatte. Es musste weit mehr passiert sein, da die dünnen Häute zwischen seinen kräftigen Flugmuskeln zerrissen waren, wodurch er bestimmt nicht mehr fliegen konnte, an seiner linken Wange tropften einzelne Speichelfäden, da ihm ein ganzes Stück, der schuppigen Lippen fehlte und sein Rücken war vollkommen zerkratzt, als hätte jemand seine gesamte Wut an ihm aus gelassen. Auch seine Krallen waren Stumpf, die Schuppen glanzlos und sein Schwanz hatte große Dellen, als hätten sich messerscharfe Zähne hinein gebohrt. „Was haben sie dir nur angetan...“ Flüsterte Fay und brachte den Drachen damit zum Fauchen. Drohend stellte er sich vor ihr auf und wollte offensichtlich nicht, dass sie ihn so sah. Jedoch dachte Fay nicht einmal daran, wegzulaufen, denn egal, wie sehr er sich aufspielte, er würde sie nicht verletzten.
Drohend schnappte er mit dem Gebiss vor ihr. „Hör auf so dumm zu sein, wieso stört es dich so, dass ich dich in der Gestalt sehe? Wäre dieser Arsch nicht bereits tot, würde ich das spätestens jetzt ändern.“ Knurrte sie und wusste, dass sich ihre Augen auf seine Aggression hin ebenfalls verändert hatten.
Knurrend brüllte er und stampfte einen Schritt auf sie zu, was Fay jedoch immer noch nicht veranlasste, zurückzuweichen. „Durial, beruhige dich doch. Es bin nur ich, Fay.“ Versuchte sie ihn zu beruhigen, als die ersten Rauchschwaden aus seinen Nasenlöchern aufstiegen. Doch Durial wollte nicht hören. Er wollte nur, dass sie verschwand und ihn alleine ließ, bis er die Kraft gefunden hatte, um wieder ein Mensch zu werden, das war Fay klar.
Im nächsten Moment ertönte das Knurren eines anderen Drachen, direkt hinter Duria, welcher erschrocken zusammenzuckte. „Vauven!“ Schrie Fay, der drohend mit seinem Kiefer nun nach Durial schnappte. Der Wyvern war mindestens fünfmal so groß, wie er, daher war Fay plötzlich noch beeindruckter, dass Durial nach einem Kampf mit einem Wyvern immer noch lebte. „Verschwinde Vauven, das geht dich nichts an!“
Knurrend schlug Durial mit dem Schwanz nach Vauven, der diesen wie eine lästige Fliege mit einer Kralle gegen die Wand schmetterte. „Durial!“ Schrie Fay. Sie konnte es nicht glauben. Geschwächt und ängstlich lag er an der Wand gelehnt und dann schlug ihn Vauven auch noch.
Fay vergaß, mit wem sie sich anlegte und schlug Vauven so schnell gegen den Unterkiefer, dass dieser erschrocken einige Schritte zurücktaumelte. Nicht nur Vauven sah sie nun erschrocken an, sondern auch Durial.
„Fay, misch dich nicht ein.“ Ertönte die tiefe Stimme des Wyvern. Das Wyvern auch sprechen konnten in dieser Form, verkörperte Fay, wie mächtig dieser sein musste.
„Ich? Ich soll mich nicht einmischen? Verpiss dich, bevor ich dir jede Schuppe einzeln ausreiße, kleiner König.“ Schimpfte sie und spürte regelrecht, wie Energie durch ihren Körper schoss.
„Pass auf, wie du mit mir sprichst. Der Drache hat sich seit Jahren nicht verwandelt, er ist schwach und hat dich bedroht. Auch mich hat er versucht anzugreifen und vor Jahren hat er sich, als Abschaum bewiesen. Heute war das letzte Mal, dass dieses... Ding seine Stimme gegen jemanden erhoben hat.“
Vauven wollte abermals auf Durial zugehen, um ihm den letzten Biss zu geben, doch noch während der Wyvern nach dem schwachen Drachen schnappte, bewegte sich Fay so schnell, dass sie selbst überrascht dreinsah, als sie die schlanken Hörner des Wyvern ergriff und seinen Kopf herumriss, sodass sein Maul krachend gegen die Wand fuhr und nicht an Durials Kehle.
„Fay!“ Knurrte der Drache und versuchte sie abzuschütteln, was in dem, für ihn engen Gang, schwerer wurde, als er dachte.
„Oder was? Willst du mich töten, wie Alasan?“
Wieder knurrte Vauven, während er versuchte, ihr Kleid zu erwischen. „Du weißt, das es nicht mit Absicht geschah! Ich leide immer noch darunter, was ich ihr angetan habe.“
„Anscheinend leidest du nicht genug, sodass du selbst auf einen geschwächten Drachen eintreten musst, der bereits auf dem Boden liegt.“
„Durial ist aber nicht sie! Er ist...“
„Er ist ein Wesen, so wie du! Gerade du solltest wissen, wie er sich fühlen muss, oder was du den übrig geblieben antust, wenn du ihnen etwas wegnimmst, was ihnen wichtig ist.“
„Zur Hölle noch einmal mit dir! Ich bin ein Wyvern! Ich habe ein Volk zu beschützen, selbst, wenn es ein abtrünniger aus meiner eigenen Familie ist.“ Vauven erwischte sie endlich am Saum ihres Kleides und zog sie von seinem Rücken. Fay jedoch dachte nicht daran, sich erwischen zu lassen, und schlug dem Wyvern auf die Nase, der empört schnaubte.
„Du bist ja nur neidisch auf ihn!“ Brüllte Fay ihn an, während Vauven versuchte, seinen Kopf so weit zu drehen, dass er sie ansehen konnte.
„Weshalb sollte ich auf flugunfähigen Abschaum neidisch sein?“
„Weil er gehen kann, wann und wie er will. Er ist abtrünnig, was ihn gleichzeitig so viel Freiraum gibt, dass er tun kann, was er will, im Gegensatz zu dir. Du bist so hinter deinen Verpflichtungen und deinen Regeln eingesperrt, dass du schon überhaupt nicht mehr weißt, wie die Liebe aussieht, wenn sie vor deiner Nase steht und das ist sie! Sie stand direkt vor dir, sie ist zu dir gekommen, sie hat ein verdammtes Jahr nach dir gesucht, bis sie es sogar ertragen hatte, als Lustfrau abgestempelt zu werden. Trotzdem hast du nicht gemerkt, dass du derjenige warst, der sie fallen gelassen hat, du warst es, der sie zerbrochen zurück gelassen hat. Du hast ihr mehr, als nur ihren Bruder genommen und das alles, an einem Tag! An dem Tag der eigentlich der zweitglücklichste ihres Leben hätte sein sollen, Vauven und dafür hasse nicht nur ich dich. Ich war es, die dabei war, ich habe ihr stolzes Gesicht gesehen, als sie ihn das erste mal berührte. Ich habe ihn herausgeholt, und ich war es, die Wochen auf sie eingeredet hat, einfach aufzugeben. Sie wusste immer, dass du kommen würdest, sie wusste es und war trotzdem überzeugt, dass alles gut werden würde. Ich wollte ihr glauben, ich wollte es wirklich, Vauven! Ich wollte die Hoffnung, dass es nach Schmerz und Trauer immer noch ein Happy End für die einzig wahre Liebe geben kann, aber du hast mir gezeigt, dass alle gleich sind. Drachen sind nicht besser, als Wesen oder Menschen. Selbst ein Dämon hat mehr Liebe gezeigt, als ein so naturbezogenes Wesen, wie du und genau dafür beneide ich sie.“
Über Vauvens schuppigen Wangen liefen bereits dicke Tränen, während er sich auf den Boden sinken ließ und den Blick von ihr abwandte. „Das ist auch der einzige Grund, weshalb ich weiter mache, Fay. Ich leide jeden Tag, für all meine Entscheidungen und... irgendwann wird sich alles ändern.“ Versprach er, mehr zu sich selbst, als zu Fay.
„Irgendwann? Irgendwann! Ja, irgendwann wird es auch regnen, irgendwann werde ich pupsen, irgendwann vielleicht sogar auf Eis ausrutschen. Irgendwann ist etwas, dass vielleicht passiert, oder wenn man es zulässt. Ich warne dich nur dieses einzige Mal, Vauven. Ändere besser heute, als morgen etwas, wenn du es jemals wieder wagen möchtest, ihr unter die Augen zu treten.“
Fay sprang von Vauvens Rücken und landete fest auf ihren Beinen, auch wenn sich ihr Körper erschöpft anfühlte von dem ganzen Geschrei. Ständig hatte sie aufpassen müssen, was sie sagt, damit Durial nicht aus Versehen zu viel aufschnappte und gar noch erfuhr, dass sie überhaupt nicht die Mutter von Conchar war und niemals in Vauvens Bett gewesen war. Seufzend wandte sie ihren Blick an Durial, der immer noch in seinem Loch in der Wand kauerte.
„Komm mit.“ Befahl sie dem Drachen und wartete geduldig, bis er sich zittrig erhoben hatte. An Fays Zimmertüre öffnete sie nun, zum ersten Mal, den Teil der Türe, der auch für Drachen gemacht war und ließ ihn hinein gehen, bevor sie hinter sich alles verschloss.
Durial kauerte sich in einer Ecke zusammen, während Fay darauf achtete ihn nicht noch einmal anzusehen, bis er bereit war, sich zurückzuverwandeln, und griff in die Kühltruhe voller rohen Fleisch. Genüsslich biss sie hinein und stöhnte glücklich. Sie hatte schon wieder zu lange nichts gegessen und dann auch noch die kleine Auseinandersetzung mit Vauven. Das war schon beinahe zu viel für ihren Körper gewesen.
Nach zehn Kilo Fleisch und einem eingesauten Kleid, ließ sie sich auf ihr Bett sinken und wartete. „Kannst du dich schon wieder verwandeln?“
Durial zuckte unter ihrer Stimme zusammen, als hätte sie ihn geschlagen, was ihr die Tränen in die Augen trieb. Sie wollte sich nicht einmal ausmalen, was ihm die Drachen angetan haben.
Vorsichtig nickte er mit dem Kopf, woraufhin Fay ein frisches Leintuch aus dem Schrank nahm und es vor sich aufgespannt hielt, damit sie nichts sah, was er nicht wollte und sich in menschlicher Gestalt darin einwickeln konnte.
Durial nahm ihr etwas gehetzt das Leintuch ab und wickelte sich vom Hals abwärts darin ein, sodass er beinahe wie ein Geist wirkte. Nur seine Nase und seine Augen sahen hervor, ansonsten konnte sie nicht einmal auf dem Boden eine Zehe erkennen. „Möchtest du Fleisch? Ich habe genug.“
Durial schüttelte den Kopf. „Nein, danke.“
Fay sank auf ihr Bett zurück und ärgerte sich dann über ihr Kleid, das immer noch viel zu eng saß. „Willst du mir jetzt erzählen, was wirklich passiert ist?“
Wieder schüttelte er den Kopf.
„Möchtest du dich hinlegen und schlafen? Ich werde ohnehin kein Auge zu tun. Bisher habe ich das Bett gerade einmal zum sitzen benutzt.“ Meinte sie absichtlich abschweifend.
„Ich bin nicht müde, nur außer Atem.“ Gab der Gefragte knapp zurück.
„Durstig?“ Fragte Fay weiter.
„Nicht so sehr.“
Fay erkannte, dass er weder essen noch trinken vor ihr würde, da er dabei sein Gesicht enthüllen müsste, und sie seufzte noch einmal. „Dann tu mir den Gefallen und öffne dieses verdammte Kleid bevor ich es in Stücke reiße.“ Sie stand auf und kehrte ihm den Rücken zu, damit er ihr aus dem Kleid helfen konnte, ohne an einer Paniktatakte zu sterben. Langsam, doch mit viel Abstand zwischen ihnen, öffnete er die Schnüre des Kleides, so wie die des Korsetts darunter, bevor er das Leintuch wieder fest um seinen Körper zog.
„Danke.“ Sagte Fay und ließ die vielen Schichten von ihrem Körper gleiten, sodass sie nur noch im Unterrock vor ihm stand und zu ihrem Kleiderkasten ging, um eine bequeme Hose und ein weites Shirt heraus zu holen. Durial wandte artig den Blick ab, als sie sich umzog und alles einfach achtlos neben dem Kasten liegen ließ.
„Viel besser.“ Bemerkte Fay. „Willst du vielleicht zumindest eine Hose?“
„Ist sie rosa?“
Fay sah an sich hinab, doch trug lediglich eine graue Hose, wodurch sie bemerkte, dass es lediglich ein Scherz sein sollte. „Nun, ja ich könnte dir auch etwas lachsfarbenes geben.“ Meinte sie lächelnd und kramte eine schwarze Jogginghose aus ihrem Kasten. „Hier, die sollte passen.“
Fay legte die Hose Durial auf das Bett, während sie zum Waschbecken ging, um etwas zu trinken.
„Einen Rollkragen hast du nicht zufällig auch?“
Fay schüttelte den Kopf. „Nein, die sind bei mir tabu.“ Meinte sie und hörte, wie er lachte.
„Schade.“ Durial sah sich nun zum ersten Mal in ihrem Zimmer um, bis sein Blick an ihrem Fenster hängen blieb.
Fay stellte sich, mit großem Abstand, neben ihn und betrachtete ebenfalls ihr Fenster. „Was sehen wir da?“ Fragte sie leise.
„Entschuldige, ich dachte nur eben, dass dies wohl das einzige Fenster ist, durch das man nach draußen sehen könnte und fragte mich dann, wieso du es also im Turm oben versuchst.“
Fay ließ die Schultern enttäuscht hängen. „Weil es zu hoch ist und ich nicht heran komme.“ Gab sie zu.
„Du brauchst nur das Regal dort zu verschieben und auf den Schreibtisch klettern.“ Fay betrachtete das Bücherregal, in dem sich Bücher befanden, die sich noch nicht ein einziges Mal angesehen hatte und rümpfte die Nase. Er hatte recht.
„Wehe es geht sich nicht aus, dann musst du strippen.“ Drohte sie Durial, der genauso, wie sie wusste, dass er das niemals tun würde, und verschob das Regal, sodass es direkt unter dem Fenster stand. Danach schob sie den Schreibtisch von der anderen Seite des Raumes hinüber und kletterte darauf. „Schade, ich hätte dich gerne strippen gesehen.“ Scherzte Fay, während Durial mit etwas Anlauf und einem einzigen Sprung auf das breite Fensterbrett sprang, das für Drachen zum landen geeignet war. „Und für diese Frechheit, müsste ich dich eigentlich zum strippen zwingen.“
Eifersüchtig, dass er so mühelos springen konnte, kletterte sie mühselig über den Schreibtisch und das Regal hoch, bis sie sich selbst auf den Vorsprung ziehen konnte. Erstaunt klappte Fay der Mund auf. „Wow!“
Durial neben ihr kicherte. „Ja, es ist wunderschön, oder.“ Es war weniger eine Frage, als mehr eine Feststellung. Der große Vollmond, der hier in den Bergen gut zu sehen war, erleuchtete die Weite und die Aussicht, die sich ihr nun zum ersten und wie sie vermutete auch zum letzten Mal bot. Mit seinem silbernen Schein beleuchtete er das normalerweise Glänzende weiß, wie es sanft einen jeden Baum, bis knapp zu seinem Wipfel bedeckte, dicke Eisblöcke hatten in der Ferne einen See gefrieren lassen und jeden Wasserfall gestoppt, den Fay bisher sehen hatte können. Die gesamte Landschaft glitzerte still und unberührt in einer silbernen Farbe vor sich hin, gut versteckt vor allen Drachen.
„Wieso weinst du?“ Nuschelte Durial in sein Laken und Fay wischte sich die drei Tränen überrascht fort.
„Ich weiß nicht.“ Gab sie ehrlich, doch beschämt zu und setzte sich hin. Durial tat es ihr gleich, doch im Gegensatz zu ihr zog er seine Beine an, während sie ihre gedankenverloren ausstreckte und lächelnd jeden Zentimeter der Winterlandschaft einfing, die sie sehen konnte.
„Hast du denn noch nie Schnee gesehen?“
„Natürlich habe ich das, aber hier... es hat beinahe etwas magisches.“ Meinte Fay und bemerkte erst da, wie er zusammen gekauert dasaß. „Du magst es nicht berührt zu werden, oder?“
Sofort schüttelte er den Kopf. „Natürlich nicht. Berührungen führen automatisch zu Schmerz.“ Erklärte er ihr, doch sah Fay dabei nicht an. Sein Blick war alleine auf die Ferne gerichtet.
„Ich finde nicht. Beim tanzen habe ich dich auch berührt, aber verletzt habe ich dich nicht.“
„Aber ich hätte dich danach beinahe verletzt.“
„Hättest du es versucht, hätte ich dir in den Hinter getreten. Ich habe bereits Drachen getötet.“ Fay sagte es kälter, als sie es beabsichtigte, doch sah keinen Sinn darin, wieso sie sich ausbessern sollte.
„Also, wenn die Notwendigkeit bestünde, würdest du mich auch töten?“
„Ja, wenn die Notwendigkeit bestünde.“ Meinte Fay und blickte nun ebenfalls wieder hinaus. „Trotzdem hat es mir gefallen mit dir zu tanzen.“ Gestand sie ihm ein und spürte sofort seinen Blick auf sich.
„Wirklich? Es muss seltsam gewesen sein mit einem Kind auf dem Arm zu tanzen.“ Gab er ausweichend zurück.
„Ich würde ja gerne sagen, wir können noch einmal tanzen doch dieses Mal ohne ein Kind auf dem Arm, jedoch wird mich niemand jemals wieder so schnell auf einer solchen Feier sehen.“ Scherzte Fay und vernahm auch von Durial ein kichern.
„Normalerweise gehe ich auch nicht hin, doch... ich wollte sicher gehen, dass du keinen Unsinn anstellst.“
Fay grinste Durial verschwörerisch an. „Wie könnte ich es wagen deine Bemühungen, mich zu warnen, zunichte zu machen?“
„Vielleicht deshalb, weil du wütend auf mich warst, nachdem ich dich gewarnt habe.“
„Da war ich nicht wütend auf dich. Ich war lediglich... frustriert.“
„Weshalb frustriert?“ Wollte Durial wissen und setzte sich etwas gemütlicher hin, da Fay ihre Beine anzog.
„Weil ich nicht unter den besten Umständen hergekommen bin und mir bewusst ist, dass ich lediglich ein Jahr, bestenfalls zwei noch zu leben hatte. Jedoch fällt es mir immer schwerer den Mund zu halten und es diesen dummen Drachen recht zu machen. Ihre Weltansicht ist veraltet und ihr Denken eingerostet. Auch Vauven bringt mich zur Weißglut, da er anscheinend an nichts anderes zu denken scheint, als einfach alles diesem faltigen Rat recht zu machen. Dort wo ich herkomme, ist es egal, wie du aussiehst und was du bist. Du brauchst nur das richtig sagen und sie respektieren dich. Eine Familie besteht aus mehr, als einem Haufen schuppiger Ärsche die nach >alten Regeln< leben und du kannst dich verlieben in wen du möchtest. Es ist ihnen egal.“ Fay verstummte, als sie bemerkte, was sie da sagte und fragte innerlich, wann sie angefangen hatte ihr Leben zu mögen?
„Du scheinst Vauven wirklich zu lieben und du kannst gut mit ihm umgehen. Er scheint der richt...“
„Oh! Denk noch nicht einmal daran weiter zu sprechen, sonst übergebe ich mich direkt auf dich. Vauven ist nichts weiter, als eine Figur die der Rat hin gestellt hat, damit der Raum schöner aussieht. Er ist hohl und leer, das einzige was er besitzt ist eine laute Stimme und eine Krone. Glaube mir, wenn ich dir sage, dass ich einzig und alleine nur wegen einer... Freu... Fr... jemand anderen hier bin.“ Fay lief ein kleiner Schauder über den Rücken, da sie Megumi gerade als >Freundin< hatte, beschreiben wollte. War Megumi das geworden? Eine Freundin? Wenn nicht, dann hätte Fay überhaupt keinen Grund gehabt hierher zu kommen.
„Aber er ist der Vater deines Kindes, zumindest ein bisschen etwas muss er dir bedeutet haben.“ Fay schwieg, obwohl jede Faser ihres Körpers schrie, dass das hier nicht ihr Kind ist. Sie wollte ihm sagen, dass sie nicht so ist, dass sie Vauven nicht einmal anziehend fand, geschweige denn respektierte. Trotzdem schwieg sie und blickte hinab zu dem kleinen Jungen, der friedlich in seinem Bettchen schlummerte und nichts von alldem mitbekam.
„Sagen wir einfach... ich bin Vauven zufällig über den Weg gelaufen, habe einige seiner Soldaten abgeschlachtet, um Leute zu beschützen, die mir beigebracht haben, was eine Familie ist und dass ich schon längst mit dem Leben abgeschlossen habe. Diese Winterlandschaft war das einzige das ich noch sehen wollte.“
Durial blickte ebenfalls wieder hinaus und seufzte enttäuscht. „Schade, ich dachte wirklich, dass du länger bleiben könntest. Ich mag die Art, wie du denkst und dass du mich einfach ansprichst, als wäre ich wie jeder andere. Du wirst mir fehlen, wenn du... nicht mehr da bist.“
Fay wischte unauffällig noch eine Träne fort und sprang dann vom Fensterbrett. „Ich habe noch etwas Hunger, willst du jetzt etwas essen?“ Durial schüttelte den Kopf. Was hatte sie auch anderes erwartet? Fay hatte wirklich gedacht, sie könne einfach sterben, denn praktisch gesehen ist sie es bereits. Das einzige, was sie noch am Leben erhält, ist das Fleisch von lebenden Wesen und der Glaube daran, dass ihre Stimme etwas bewirken kann. Trotzdem musste sie bisweilen immer in der Angst leben, wieder eine leere Hülle zu sein, sobald ihr ein Vampir zu nahe kam und herausfand, was sie ist. Jeder könnte sie besitzen und sie ausnutzen, wie es ihnen beliebt. Erschreckend.
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Durial blieb diese Nacht bei Fay, jedoch rührte er sich nicht vom Fensterbrett, egal, mit was sie diesen auch versuchte, herunter zu locken. Irgendwann erkannte sie, dass er eingeschlafen war, und warf noch eine Decke über ihn, jedoch ohne in zu berühren. Sie wollte nicht, dass er sich wieder von ihr entfernte, daher respektierte sie den Abstand, den er zu benötigen schien, wie Luft zum Atmen und vertrieb sich die Zeit, indem sie weiter aus dem Fenster blickte.
Als es irgendwann früh morgens an der Türe klopfte, fluche Fay leise. Durial schien nichts zu bemerken, er schlief einfach weiter, als wäre dies das Einzige, was er brauchte.
Eilig huschte Fay zur Türe und funkelte Vauven wütend an. „Sei gefälligst leise, der kleine Prinz schläft.“ Schimpfte sie mit diesem.
„Entschuldige, ich wollte dich nur fragen, ob es in Ordnung ist, wenn du ihn bis morgen Früh nehmen kan...“
„Nein, er ist dein Sohn, kümmere dich also auch um ihn, ich habe besseres zu tun.“
Vauven rieb sich die Stirn, als würde ihm das Denken schwerfallen. „Bitte, Fay tu mir...“
„Hol ihn heute um zwanzig Uhr, oder ich komme zur dir und breche deine Türe auf.“ Fauchte sie. Wie konnte er nur denken, er könne die ganze Nacht feiern und sich darauf verlassen, dass sie weiterhin brav Babysitter spielte?
„So weit soll es noch kommen, dass er denkt er könne mit mir herumbefehlen.“ Knurrte Fay, als sie auf die Uhr sah und erkannte, dass der kleine Prinz bald aufwachen würde.
„Er ist nachts bei Vauven?“ Ertönte Durials Stimme verschlafen vom Fensterbrett.
„Natürlich, er soll auch etwas für seinen Sohn tun, selbst wenn er nur schläft. Ich bin nicht sein Dienstmädchen.“
„Aber die Mutter von Conchar.“ Fay zählte innerlich zwei zu null für Durial, doch sprach es nicht laut aus, während sie ein Fläschchen wärmte.
„Sieh es einfach ein, dass ich Vauven alles zum Fleiß mache, was ich mir leisten kann.“
„Du scheinst ihn wirklich gut im Griff zu haben, wie kommt das?“ Erkundigte Durial sich und ein leises Grummeln ertönte unten bei Fay, woraufhin sie schwach lächelte.
„Ich füttere jetzt Conchar, nimm dir was du brauchst, ich sehe auch nicht hin.“ Versprach sie, sich bewusst, dass sie seiner Frage auswich.
„Danke.“
Fay wickelte Conchar, der bei der Störung seines Schönheitsschlafes missgünstige Töne von sich gab, doch das Fläschchen begeistert entgegennahm, während er in ihrem Arm weiter döste.
„Du hast vorhin meine Frage nicht beantwortet.“
Fay zuckte mit den Schultern. „Weil ich es nicht kann. Vermutlich habe ich die innere Autorität, dass andere auf mich hören. Ich kann es nicht erklären.“
„Nein, das glaube ich dir nicht, nicht bei einem Wyvern. Du kannst ihn mit irgendetwas erpressen, habe ich recht?“
Fay dachte darüber nach. Konnte man dies so sagen? Fay wusste es nicht recht. „Vielleicht, aber vielleicht habe ich auch einfach nur einen schlechten Einfluss auf die Leute um mich herum.“ Scherzte sie.
„Okay, ich verstehe schon. Es geht mich nichts an.“ Dem konnte sie nicht widersprechen. „Also, bist du heute mit Babysitten beschäftigt?“
„Wohl oder übel, ja. Ich habe den kleinen Prinzen immer von acht bis acht. Vauven holt ihn ab und bringt ihn, die restliche Zeit gehört mir.“ Antwortete Fay.
„Stört es dich... wenn ich hierbleibe?“
Fay schüttelte den Kopf, während ihr Herzschlag sich beschleunigt. „Wie könnte ich das ablehnen. Jedoch bezweifle ich, dass du den restlichen Tag mit einem Laken bedeckt herumlaufen möchtest.“
„Ich komme gleich wieder.“ Fay hörte, wie sich die Türe hinter ihm schloss und es plötzlich vollkommen leise in ihrem Zimmer wurde.
Zusammen mit Conchar richtete sie das Spielzeug her, indem er die Kiste einfach ausleerte, und stellte den kleinen Laufkäfig so auf, dass er nicht zur Türe konnte. Durial kam nach kaum einer halben Stunde, mit nassen Haaren wieder, natürlich hatte er einen Rollkragenpullover an, und setzte sich zu Fay auf den Boden.
„Das war aber schnell.“
Durial blickte sie verwirrt an, bevor sie erkannte, das seine Wange rot wurden. „Entschuldige. Ich wollte einfach nur schnell hier sein. Drachen bekommen fast keine Kinder und wenn, dann darf ich nie in die Nähe von ihnen, von ihren Eltern aus. Dabei mag ich Kinder wirklich gerne. Sie sind... so unschuldig und unverblümt. Sie lassen sich nicht von Äußerlichkeiten abschrecken.“
Fay blickte ihn beleidigt an. „Du bist gemein. Seit Wochen rede ich auf dich ein, dass es mich nicht stört, wie du aussiehst und gestern hätte ich dich sogar beinahe zum Strippen gezwungen, und dann bekommen die Kinder ein Lob, während ich dir nicht einmal auffalle. Das war ein tiefer Schlag für meinen weiblichen Charme.“
Durial lachte so herzhaft, sodass Fay nicht anders konnte, als ebenfalls zu lächeln. „Du hast recht, es tut mir leid. Wie kann ich das wieder gut machen?“
Fay deutete auf seinen Pullover. „Zieh das Drecksteil aus, damit ich es verbrennen kann. Es ist hässlich und damit siehst du aus wie ein viereckiges Ding.“
Für einige Sekunden dachte Fay wirklich, dass er sich wieder weigern würde, doch zog Durial seinen Kragen hinunter und sah dann zu Conchar, damit Fay ihn nicht genau mustern konnte. „Muss ich ihn etwa an deinem Körper verbrennen?“ Probierte sie es tapfer weiter, da sie dachte, es schaffen zu können, dass er anfing ihr zu vertrauen.
„Meinst du das ernst?“
„Natürlich, grau und grün stehen dir absolut nicht.“ Durial riss sich zusammen nicht zu lächeln, doch fasste langsam zum Saum seines Pullovers, um ihr den Gefallen zu tun. Fay konnte Durial beinahe wie im Zeitlupentempo zusehen, als er den Pullover hochzog und ihn zur Seite warf.
Etwas erschrocken, da er ein Shirt trug und man dadurch seinen Körper gut abgebildet sah, räusperte sie sich und wandte höflich den Blick ab. Durch den Pullover war ihr nie aufgefallen, wie gut und maskulin Durial aussah. Eigentlich hätte sie ihn für den schlaksigen und zarten Typ gehalten, doch dass er Muskeln an den richtigen Stellen hatte, verwirrte sie etwas.
„Soll ich ihn wieder anziehen?“ Fragte er und da fielen Fay erst die beinahe verblassten Narben an seinen Armen auf.
„Nein!“ Erwiderte sie etwas zu schnell. „Nein, meine ich. Ähm... ich war nur überrascht.“ Stammelte sie verlegen „Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass du einen Bierbauch unter deinem Pullover versteckst, oder als lebendes Stäbchen herum läufst. Aber du siehst... sportlich aus.“ Wandte sich Fay aus dem Gewirr in ihrem Kopf heraus und fluchte innerlich, dass sie ihn gestern tatsächlich nicht zum strippen hatte bewegen können.
„Danke?“ Fragte Durial und fing Conchar auf, als dieser bereits versuchte aufzustehen, doch stattdessen einen Purzelbaum machte.
„Also, was machen wir?“ Fragte Fay und warf Conchar einen Ball zu, den er lachend nahm und sich gegen den Kopf warf, anstatt zu Fay zurück.
„Mal sehen, was kannst du mir denn über Kinder beibringen?“ Gab Durial zurück und lächelte ein aufrichtiges Lächeln. Fay störte sich kein bisschen daran, dass er diese Narben trug, und nahm sich vor, ihm dies heute auch bewusst zu machen.
Gegen acht kam ein vollkommen erschöpfter Vauven, seinen Sohn abholen. „Danke, Fay.“ Sagte er lediglich, wandte sich ab und rollte seinen erschöpften Sohn zu seinem eigenen Zimmer.
Fay, die den gesamten Tag nur gelächelt hatte und Durial näher kennenlernen durfte, musste unweigerlich wieder an Megumi denken. Sie hatte sich nicht Hals über Kopf in Vauven verliebt, sondern abwechselnd gehasst und gelitten. Jedoch, als sie es sich endlich eingestand, war es die große Liebe für sie beide gewesen. Fay fragte sich schon die ganze Zeit, ob wohl Durial ihr Vauven sein könnte? Er war der erste Mann, den sie wirklich faszinierend fand und der sie herzhaft zum Lachen brachte. Durial würde tatsächlich traurig sein, wenn sie starb und plötzlich wollte das Fay überhaupt nicht mehr. Sie wollte nicht, dass er noch eine weitere Narbe trug und dann auch noch durch ihre eigene Hand.
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Diese Nacht verbrachte Fay alleine, doch am nächsten Morgen kam nach Conchar, Durial und fragte, ob er wieder den Tag mit ihr verbringen durfte. Sie wies ihn darauf hin, dass in ihrem Zimmer immer noch Rollkragenpullover Verbot war, was er an diesem Tag und am nächsten immer besser hinnahm. Nach einer Woche wagte er es sogar, vor ihr zu essen und zu trinken, ohne sich noch Gedanken darüber zu machen.
Fay gefiel das. Wenn er Durial war, dann verflog ihr grimmiger Gesichtsausdruck. Auch schien er immer zu wissen, was er fragen durfte und zu verstehen, wenn sie ihm nur eine ausweichende Antwort geben konnte. Je näher sie ihn kennenlernte, umso sicherer war sie sich, dass sie ihn wirklich mochte.
„Wenn du jemals ein Kind bekommst, wie würdest du es nennen wollen?“ Fragte Fay eines Abends, nachdem Vauven seinen Sohn holte, obwohl es diesem überhaupt nicht zu passen schien, das Fay sich ausgerechnet mit Durial anfreundete.
„Ich? Ein Kind? Das sind zwei Wörter, die kein bisschen zusammenpassen.“ Meinte dieser vollkommen ernst.
„Tatsächlich? Aber du kannst wirklich gut mit Kindern umgehen.“ Beschwerte sie sich, während sie den Abwasch machte und Durial neben ihr abtrocknete.
„Damit ich ein Kind haben könnte, bräuchte ich erst einmal eine Frau.“ Gab dieser zu bedenken.
Fay winkte ab, als wäre das vollkommen unwichtig. „Ach, tu nicht so auf deine Mitleidsnummer. Du siehst gut aus und bist intelligent. Es wundert mich eigentlich, dass du noch immer Einzelgänger bist. Vielleicht solltest du einfach mehr unter die Leute gehen und ihnen zeigen, wie du bist.“
„Wie ich bin? Genau das hat mich auf diese >Mitleidsnummer< gebracht.“ Beschwerte sich Durial, jedoch nahm er es ihr nicht übel. Fay sprach immer mit ihm über seine Gebrechen, als wären sie nur nebensächlich. Dem Drachen schien dies zu gefallen, da er sogar zuließ, dass Fay hin und wieder seinen Fuß aus Versehen mit ihrem berührte. Für jemanden, wie Durial, war dies ein wirklich guter Fortschritt, ob sie ihn etwa noch weiter steigern würde, können?
Fay spritzte ihm klares Wasser ins Gesicht. „Ich bin die Letzte von der du Mitleid bekommst, vergiss das nicht.“
Durial wischte sich das warme Wasser aus dem Gesicht und lächelte zufrieden. „Daran erinnerst du mich auch täglich.“
„Ich will eben nur sicher gehen, dass du weißt, dass du mir vertrauen kannst und ich dich behandeln werde, wie jeden anderen, den ich mag... ich meine, den ich als meinen Freund sehe.“ Besserte sie sich aus und hoffte, er würde sie jetzt nicht verurteilen.
„Das klingt schön, ich hatte schon lange keine Freunde mehr.“ Gab Durial zu und zog sanft an ihrem Zopf, den sie beim Abwasch immer trug.
Schüchtern lächelte Fay zu ihm auf und bewunderte Durial dafür, dass es ihn überhaupt noch gab. Nach alldem, was er durchmachen hatte müssen, den Schmerz, den Spott, den Hohn, sein Außenseiterleben... Fay konnte sich nicht vorstellen, wie er es geschafft hatte immer noch so zu lächeln.
„Nun, ja. Ich werde dann einmal gehen, ich bin müde.“ Gähnend streckte sich Durial und hing das Tuch über einen Stuhl zum Trocknen.
„Du weißt, dass du auch hier bleiben kannst. Ich benutze das Bett wirklich nicht.“ Durial hatte ihr erzählt, dass er eigentlich überhaupt kein richtiges Zimmer hatte, sondern in einem alten Abstellraum schlief, da ihn ohnehin nie jemand benutzte. Sein Essen konnte er sich außerdem überall holen, wo er wollte, was er meistens nachts tat, da sich zu dieser Zeit kaum jemand in den vielen Küchen befand.
„Und du weißt, dass ich bestimmt nicht zu einem Ghul ziehen werde.“ Gab er zurück und schlüpfte in seinen Rollkragenpullover.
„Du hast ja nur Angst, dass ich anfange dich zu belästigen.“ Durial lächelte, als wäre dies ein Scherz und winkte ihr zum Abschied. „Gute Nacht, Fay.“
„Gute Nacht, Durial.“
Die Türe fiel hinter ihm zu und Fay ohrfeigte sich innerlich. „Idiot.“ Schimpfte sie sich, bevor sie das Waschbecken auswusch. Natürlich hätte sie gerne, dass er mehr Zeit bei ihr verbrachte, doch wenn sie ihn bedrängte, wusste sie, dass er sofort zwei Schritte zurückgehen würde. Er war wie ein misshandelter Hund, der einfach Zeit und Zuneigung brauchte und genau das wollte sie ihm geben, auch wenn es sie innerlich frustrierte ihn nicht einmal anfassen zu können.
Da Durial am nächsten Vormittag nicht zu ihr kam, ging Fay wieder einmal mit dem kleinen Prinzen spazieren, wobei sie jedoch bereits fleißig das Gehen mit ihm lernte. Sie konnte sich überhaupt nicht erinnern, wann die Zeit so schnell an ihr vorbei geflogen ist. Nun war es bereits Januar und der kleine tapste unsicher auf zwei Beinen herum.
„Fay, warte wir müssen reden.“ Überrascht sah sie Vauven an, der eine Stunde zu früh dran war, was sie jedoch nicht störte.
„Ja, klar. Komm hinein.“ Fay ließ Vauven in ihr Zimmer. „Was gibt es denn so dringendes?“ Normalerweise sprachen sie nur, wenn sie sich zufällig auf dem Flur trafen, was hauptsächlich aus Höflichkeitsfloskeln bestand, oder wenn Vauven seinen Sohn morgens brachte und abends holte.
„Nun, ja. Unser Timer beginnt wohl oder übel.“
Fay seufzte theatralisch. „Oh, Vauven. Was für eine ungeschickte Art und Weise eine Frau mit Stil in dein Bett zu locken.“
Vauven lachte. „Du kennst mich ja. Mein Herz ist schon vergeben, daher kann ich nur noch meinen Körper bieten.“
Fay verzog das Gesicht. „Schade, ich hätte damit gerechnet, dass du mir zumindest Alkohol überlässt, damit ich die ganze Nacht einfach verschlafe.“ Natürlich hatte Alkohol keinen Einfluss auf ihren Körper, da er ihn zu schnell verarbeitet.
„Deine Bettgedanken hätte ich gerne.“ Beschwerte sich Vauven, doch nahm alles mit Humor. Er wollte genauso wenig Fay in seinem Bett, wie er wollte, dass Durial seine Zeit bei ihr verbrachte. „Ich hoffe das hat nichts mit deinem neuen Freund zu tun.“
Fay tat, als wüsste sie von nichts. „Was denn für ein neuer Freund? Ich weiß nicht was du meinst.“
Vauven grinste sie ertappt an. „Denk nicht einmal daran, es abzustreiten. Ich weiß, dass du den Abtrünnigen magst, ansonsten würdest du deine Zeit nicht mit ihm verschwenden.“
„Mit wem ich meine Zeit >verschwende< oder nicht kann dir egal sein. Durial ist ein interessanter und intelligenter Mann. Es hat mich selbst gewundert, dass ich so jemanden, wie ihn ausgerechnet unter den Drachen finde.“
Kopfschüttelnd lehnte sich der Wyvern an die Innentüre. „Fay, ich muss dich wirklich vor ihm warnen. Du weißt nicht, was er war, bevor er so wie heute wurde. Er ist ein Schwätzer, ein Hochstapler, ein Abtrünniger und ein Flugloser. Du hast keine Ahnung, was es für Drachen bedeutet nicht fliegen zu können.“
„Ach, und das weiß der große Wyvern natürlich wesentlich besser, als er? Immerhin bist nicht du es, dem das Gesicht zerfetzt, der Rücken zerkratzt und die Flügel gebrochen wurden, oder? Dein Vater hat ihn verbannt, weil Durial ihn, als schwach bezeichnet hat. Du kannst nicht sagen, dass du ihn gnädigerweise zurück geholt hättest, oder ihm zumindest eine stabile Unterkunft gegeben hättest.“
Etwas verärgert schüttelte er den Kopf. „Fay, du hast keine Ahnung wovon du sprichst. Durial war ein Catarnach, ein Soldat und das aus dem engsten Kreise des Wyvern. Er war ein Attentäter, ein Meuchelmörder und kaltherzig. Nicht einmal vor Kindern und schwachen Wesen hat er halt gemacht. Er lebte für das Blut. Und dann wagt er es, seine Stimme gegen meinen Vater zu erheben...“
„Ach? Und was ist dann mit mir? Ich habe ebenfalls Drachen getötet, ich gebe mich, als Conchars Mutter aus, werfe dir jeden Tag Beschuldigungen an den Kopf und kann nicht von mir behaupten, dass ich es dir sonderlich leicht mache. Du weißt es, Vauven. Du weißt ganz genau, dass hier etwas geändert gehört. Sie halten mich hier fest, da sie denken, dass ich einen Wyvern geboren habe. Dabei hat ihn Megumi geboren. Sie hat gelitten, sie ist es die hier in diesem verfluchten Zimmer stehen sollte und daran zerbrechen, wenn sie dich jeden Tag sieht, sie sollte nachts weinen und den Tag verfluchen wo sie dich kennenlernte, oder? Du weißt, sie hätten Megumi sofort getötet, da sie nicht stark genug gewesen wäre den Tod ihres Bruders, die Trauer um ihren anderen Bruder zu tragen und dann auch noch dich, den Mörder und Ketzer, jeden Tag zu sehen.“ Fay, die sich ziemlich in ihre Worte hinein gesteigert hatte, verschnaufte kurz, bevor sie ruhiger weitersprach. „Vauven, nicht du bist schwach verdammt noch einmal. Du bist ein Wyvern, ein König, eines der drei mächtigsten Wesen auf dieser verdammten Welt und lässt dich von deinen eigenen Untertanen unterdrücken? Denk darüber nach. Was würdest du wollen? Zurück zu Megumi gehen? Dein Volk mit ihr und deinem Sohn an deiner Seite regieren? Friedlich leben? Oder willst du Krieg führen, verbannen und weiterhin, als ein Tyrann da stehen?“ Fays Stimme war schon beinahe flehentlich.
„Siehst du, ich sagte doch, er hat einen schlechten Einfluss.“ Erwiderte Vauven kalt und ließ Fays Herz für einen Moment stocken. Wie konnte er es wagen, sie dermaßen zu ignorieren? Verstand er denn überhaupt nichts, oder wollte er ganz einfach nicht?
Knurrend brachte sich Fay in eine Kampfposition. „Nimm ihn.“ Vauven blickte sie verständnislos an. „Nimm deinen verdammten Sohn und verschwinde von hier.“ Erklärte sie ruhig knurrend, während ihre Augen schwarz wurden und sie bedrohlich mit ihren Fingerknöcheln knackte. „Du weißt, du kannst mich nicht angreifen.“
„Lieber sterbe ich in einem ungleichen Kampf gegen einen innerlich schwachen und gebrochenen Wyvern, als dass ich mich einem Tyrann unterwerfe. Ich denke ich habe lang genug geredet und mich lang genug als dein braves Frauchen ausgegeben. Entweder ihr tötet mich die nächsten Tage, oder ich schalte deinen Rat aus.“
„Fay! Du hast keine Ahnung...“
Knurrend schlug sie ihm gegen den Brustkorb, sodass er sich vor Schmerzen krümmte. „Mein letztes Wort, Drache!“ Brüllte sie und deutete auf Conchar.
Langsam atmete Vauven durch, nahm seinen Sohn, der im Wagen lag und fuhr aus der Zimmertüre.
Erst, als sie sicher war, dass seine Schritte am Flur verklungen sein mussten, wagte sie es, sich zitternd auf den Boden sinken zu lassen und frustriert auf zu schreien. „Hochstapler... Weichei... Hirnloser Abschaum!“ Fluchte sie in ihre Arme, während sie an ihren Haaren zog, und versuchte ihren plötzlich kalten Körper unter Kontrolle zu bekommen.
„Fay! Verdammt, was ist los?“
Erschrocken zuckte sie zusammen und erkannte einen Drachen, der auf sie zu kam. „Drache... Abschaum!“ Fauchte sie und kam steif wieder auf die Beine zurück.
„Nein! Fay, ich bin es! Sieh mich an!“ Brüllend zeigte sie dem Drachen ihre Zähne und wollte nichts anderes, als ihm das Fleisch von den Knochen ziehen, seine Eingeweide zerreißen und auszuschlüpfen, hören, wie seine dünnen zerbrechlichen Knochen knacksten. Er hatte es verdient, das wusste Fay nur zu gut.
Der Drache wich vor ihr zurück, anstatt sich fassen zu lassen, was sie noch mehr ärgerte. Wie konnte er es wagen, seinem Schicksal auszuweichen?
„Fay, bitte... Ich bin es Durial!“ Fay wollte eben nach dem Drachen ausschlagen, als ihr der hektische Herzschlag auffiel. So schnell, als wäre er ein verängstigtes Kaninchen, raste es tief in seiner Brust und schien sie an etwas erinnern zu wollen. Er hatte Angst vor Schlägen. Er wusste, was man ihm antun konnte. Gebrochen...
Fay ließ ihren Arm sinken und streckte ihn stattdessen nach diesem rasenden Herzschlag aus. Was hatte der Drache gesagt? Durial? Durial ist kein Feind, oder?
Durial ließ es zu, dass Fay ihre Hand auf sein wild schlagendes Herz legte und beinahe zärtlich über Stelle strich. Fay fühlte, wie ihr Körper zusammen mit dem rasenden Herzschlag eine normale Form annahm und sogar ihr eigenes Herz begann, etwas schneller zu arbeiten. „Du.... Durial?“ Fragte sie hoffnungsvoll. Er war der Letzte, dem sie etwas antun wollte.
„Ja? Ja! Das bin ich. Ich bin es Durial, kannst du mich verstehen?“ Fay nickte schwach. „Komm, setz dich auf das Bett.“ Sie dachte nicht einmal daran, von ihm wegzugehen, sondern ging noch einen Schritt weiter auf ihn zu, auch wenn ihr bereits wieder bewusst war, dass sie ihn dadurch vielleicht verschrecken konnte.
„Warte, gib mir... nur eine Minute, bitte.“
„Natürlich.“ Bestätigte Durial, bevor Fay ihre Stirn gegen seinen Brustkorb sinken ließ, um seinen nun ruhigeren Herzschlag besser lauschen zu können. Sie fühlte, wie sein heißer Atem ihre Haare bewegte und sein Geruch ihre Nase erfreute.
Wieso tat sie das nur? Immer, wenn sie helfen wollte, fing sie selbst an zu leiden. Berührungen bedeuten Schmerz. Das hatte Durial ihr einmal gesagt. Berührungen bedeuten Schmerz. Sie hatte berührt. Fay hatte viel berührt. Selbst die heimlichen Berührungen, die zarten, die wie aus Versehen wirkten, taten ihr weh. Sie wollte, dass Durial sie endlich sah und wusste, dass sie ihn mehr als nur mochte. Trotzdem hatte sie Angst, denn Berührungen bedeuteten Schmerz. Eine geballte Faust, ein geschwungener Schlag, unbedachte Worte. Das alles konnte Schmerz bedeuten. Selbst Liebe ging Hand in Hand mit Schmerz.
Durial fasste die völlig aufgelöste Fay nicht an, aber stieß sie auch nicht fort, daher raffte sich Fay nach genau einer Minute selbst zusammen und wandte sich von ihm ab. „Fay, warte. Wir müssen reden.“
„Ist schon gut. Ich hätte dir beinahe weh getan, Durial. Ich verstehe es, wenn du jetzt gehst und du musst mir nichts erklären.“ Sagte sie beinahe so, als wäre es ein einfaches Gespräch über das Wetter, während sie sich abmühte, ihre Tränen zu verbergen. „Nein, ganz im Gegenteil. Du musst >mir< einiges erklären. Du bist nicht Conchars Mutter und ihr wisst, wer es ist?“
Erschrocken wandte Fay ihm ihren tränennassen Blick zu und wich noch einen Schritt zurück. „Das ist Unsinn. Du hast etwas...“
„Nein, Fay. Ich habe dort oben am Fenster auf dich den ganzen Nachmittag gewartete, da ich Zeit mit dir und >deinem< Sohn verbringen wollte. Und dann kommst du mit diesem... Tyrann...“ Benutzte er Fays eigenen Worte. „...und er redet irgendetwas davon, dass du in sein Bett kommen musst? Was soll denn dieser Unsinn? Und Conchar? Jetzt verstehe ich endlich, wieso du keinerlei Muttergefühle zeigst. Ja, in der öffentlich imitierst du sie, doch sobald du hier in deinem Zimmer bist, ist er einfach nur irgendein Kind, um das du dich kümmern musst. Erklär mir das.“
Fay schüttelte den Kopf. „Das kann ich nicht.“
„Fay! Ich will es wissen. Ich will alles wissen!“ Und genau das wollte auch Fay. Sie wollte schon so lange, dass er alles wusste. Sie hasste es, ihn anzulügen und ihm auszuweichen... Fay hasste sich selbst. Daher fing sie einfach an zu sprechen. Sie fing haltlos an, erzählte ihm von Elyon, Alasan und Megumi, von Celest und ihren Monstern, von Alasans verrückten Versuch, aus ihr eine Mörderin zu machen und darüber, wie es dazu kam, dass sie Megumis Platz eingenommen hatte.
Sie endete an dem Punkt, als Vauven und sie beschlossen hatten, dass sie zwei bis drei Nächte in der Woche bei ihm auf der Couch oder einem Gästebett schlief und tagsüber sich um den Kleinen kümmerte. Durial schwieg die gesamte Zeit über. Er lauschte jedem ihrer Worte, ohne das Gesicht zu verziehen, und nahm lediglich auf dem Ende ihres Bettes platz, als es schien, dass er kurz davor war zornig zu werden.
„Und dann... nun, ja. Ich traf dich in der Bibliothek, den Rest kennst du.“ Bei diesen Worten nickte er, doch schwieg immer noch, während er erschöpft seufzte. „Durial?“ Fragte sie, als er bereits mehrere Minuten schwieg.
„Moment, gib mir noch etwas Zeit.“ Bat er und sie gab sie ihm, während sie zum Kühlschrank ging, um sich etwas zum Essen zu holen. Immer wieder musste sie daran denken, was Vauven ihm wohl antun würde, wenn er wüsste, dass Fay Durial eingeweiht hatte. Wie konnte sie auch so dumm sein und nicht aufpassen, ob sich vielleicht jemand in ihrem Zimmer aufhielt... vielleicht, weil sie wollte, dass sie Durial nicht mehr anlügen musste?
„Okay, jetzt denke ich, habe ich es verarbeitet. Trotzdem stellt sich mir die Frage, was du nun tun willst. Du hast Vauven abgewiesen und ihm den Krieg in seinem eigenen Schloss erklärt.“
Fay, die nicht glauben konnte, was sie hörte, war sich nicht sicher, ob das nun eine Falle werden würde oder ob er es tatsächlich verstand. „Ich... Ich weiß nicht. Vauven verdient, was er sich selbst und vor allem Megumi angetan hat, dass ich ihm noch mehr Ärger mache, doch wenn ich jetzt einen Krieg beginne mit dem Rat, werden unweigerlich unschuldige Drachen involviert. Ich werde wohl noch einmal mit ihm sprechen müssen, denn ich weiß jetzt, dass ich... noch nicht sterben kann.“ Nicht jetzt wo sie endlich Durial näher gekommen war, auch wenn er ihr trotz allem so endlos entfernt schien.
„Das verstehe ich. Glaube mir, dass ich der Letzte bin, der jemanden aus dem Rat verteidigt, denn sie haben es alle verdient. Andererseits kann ich dir auch sagen, welche Ratsmitglieder es sind, die die größte Macht über Vauven haben.“
Erstaunt klappte Fay der Mund auf. Sie träumte, oder? „Du... möchtest mir helfen?“
Ein bösartiges Leuchten kehrte in Durials Augen zurück. „Vauven hatte recht. Ich habe dir niemals erzählt, was ich früher war. Ich habe im Auftrag des Rates getötet, ich war Söldner, Assassine und Massenmörder zugleich. Ich habe ohne Rücksicht gemordet und vor niemandem halt gemacht. Doch, als mir klar wurde, dass dies alles ausschließlich vom Rat aus ging, habe ich mich gegen sie alle gewandt und das ging am einfachsten indem ich den Wyvern angriff. Auch wenn er als die waltende Hand vor allem steht, sind es die Drachen im Rat, die am meisten darunter leiden, wenn ihr Wyvern fällt. Ohne ihm sind sie nichts und ich war dafür bereit zu sterben. Heute, dreihundert Jahre später, weiß ich es natürlich besser, jedoch hat sich nichts geändert. Ich hasse den Rat. Ich hasse sie mehr, als mein kümmerliches Dasein, als Abtrünniger.“ Verkündete er, wobei sich unkontrolliert Schuppen in seinem Gesicht bildeten. Mühsam hielt er sich zurück und bekam wieder eine normale Hautfarbe.
„Also möchtest du mich als Verbündete um den Rat zu stürzen?“ Fragte Fay und betete, dass er nein sagen würde.
„Eigentlich, will ich dich darum bitten, nicht zu sterben.“ Sagte er stattdessen. „Ich weiß, du erzählst mir das alles nicht, weil du mir vertraust und das ich dich regelrecht dazu gezwungen habe, doch ich will nicht, dass du stirbst und da könntest du noch dunklere Geheimnisse haben. Eigentlich wollte ich dich darum bitten, dass wenn du einen Weg findest von den Drachenbergen zu verschwinden, dass du mich mit dir nimmst.“
Fay nickte sofort. „Natürlich. Ich nehme dich mit wohin du möchtest.“ Versicherte sie ihm und entlockte Durial sein verzerrtes Lächeln.
„Danke, Fay.“ Ihr Herz schlug wie verrückt, als in ihrem Kopf seine Worte nachhallten. Er hasste Fay nicht, im Gegenteil, er wollte sogar, dass sie ihm vertraute und dafür würde sie alles tun. Mit Tränen in den Augen wandte sie sich dem Fenster zu, von dem aus er lauschen hatte müssen und dankte ihrer Unbesonnenheit für alles. Durial hasste sie nicht. Etwas Schöneres, hatte sie heute nicht hören können.
„Jedoch das bedeutet, dass, bis wir einen Weg finden, du deine Rolle weiter spielen musst.“ Erschrocken zuckte Fay abermals zusammen.
„Was?“ Ihre Stimme überschlug sich beinahe, als ihr klar wurde, was Durial sagte.
„Du sagtest doch, dass er dich nicht anfassen würde, also Vauven.“ Erklärte Durial. „Ich glaube das auch nicht. Aber wenn wir weggehen wollen, dann geht das erst, sobald sie die Tore öffnen, in einem Monat.“
Ein kaltes Frösteln glitt über Fays Körper. Sie würde weiter Conchars Mutter spielen, weiter braver Drachenschützling spielen und weiterhin den Mund halten? „Nun, ja. Wenn du denkst, dass ich es schaffe, dann mache ich es.“ Versprach sie und kam sich unendlich dumm vor plötzlich so >mädchenhaft< zu klingen.
Durial lächelte etwas schüchtern und kam wieder auf die Beine. „Nun, gut. Dann werde ich jetzt lieber gehen. Wir sehen uns?“
Fay nickte und sah ihm nach, als er ihren Raum wieder verließ. Eine leise innere Stimme sagte ihr, dass dies etwas zu leicht gewesen war. Sie hatte nicht nur das ganze Drachenvolk, sondern auch ihn belogen. Er bat sie, weiter ihre Rolle zu spielen und erwartete nur, dass er sie mitnahm. Und dann? Würde er bei ihr bleiben oder alleine die Welt erkunden? Fay wusste, dass er ihr nur das Herz brechen konnte, egal ob er sie verriet und hinterging, oder am Festland zurückließ.
- - - - -
Am nächsten Tag entschuldigte sich Fay bei Vauven und erklärte ihm, dass sie es nicht so gemeint hatte. Sie sagte auch, dass es einfach nur schon zu viel für ihre Nerven gewesen sei und machte sich einen Tag für ihre Übernachtung aus. Vauven behielt bis dahin den Kleinen bei sich, was Fay glücklicher stimmte, als sie dachte, doch wurde sie sofort wieder traurig, als Durial nicht mehr auftauchte. Immer wieder stachen dünne Dornen in den kleinen Muskel, in ihrem Brustkorb während sie ständig gegen die Tränen kämpfte. Würde er sie wirklich verraten? Hatte diese Stimme recht, die jeden Tag lauter zu werden schien? Fay wollte es nicht glauben.
Sie lag nun bereits seit vier Tagen in ihrem Bett und wartete darauf, dass der Abend kam, an dem sie bei Vauven schlafen musste. Die gesamte Zeit war ihr Blick auf das Fenster gerichtet, als könnte Durial plötzlich dort auftauchen, doch er tat es nicht. Er ließ sie alleine, ließ sie zurück, während Fay vor Selbstzweifel beinahe zerbrach. Ob sich wohl Megumi ebenso gefühlt hatte?
Das zögerliche Klopfen an ihrer Türe ließ sie zum ersten Mal seit Stunden ihren Blick vom Fenster abwenden und sie seufzte erschöpft. Nichtstun konnte genauso erschöpfen, wie viel zu tun.
„Ja?“ Fragte sie zur Türe und Durial trat ein. Sofort sprang sie aus dem Bett und fühlte sich überhaupt nicht mehr lethargisch.
„Entschuldige, habe ich dich bei etwas gestört?“ Verwirrt sah er sich im Zimmer um, als würde er noch eine andere Person suchen.
„Nur dabei, in meinen eigenen Gedanken zu ertrinken.“ Erklärte sie ausweichend.
„Wie... wie geht es dir?“ Fragte Durial und zog sich seinen Rollkragenpullover aus, den er überall, nur nicht in ihrem Zimmer trug.
„Jetzt? Wieder besser.“ Gab sie zu, doch verriet nicht, woran dies lag.
„Ich habe gehört, dass du heute bei Vauven schläfst? Keine Sorge ich habe nicht gelauscht, der Rat hat davon gesprochen und... ja da habe ich gelauscht.“ Gab Durial etwas betroffen zu und lächelte unsicher.
„Also weißt du daher so viel vom Rat? Weil du ihn belauscht. Keine dumme Idee.“ Gab Fay zu und grinste verschwörerisch.
„Nun ja, der Rat ist nicht unbedingt sonderlich subtil oder hält Sitzungen hinter verschlossenen Türen. Man muss im Schloss nur wissen, wo man suchen muss, um seine Informationen zu erhalten.“ Fay konnte ihm nur zustimmen. Es gab endlos viele Gänge und Ecken hinter denen man sich verstecken konnte.
„Was führt dich her? Conchar ist nicht hier.“ Fügte sie hinzu, da sie sich an seinen Blick erinnerte, als er eintrat.
„Das ist gut, denn ich schulde dir doch noch etwas, oder?“
Fay blickte Durial verständnislos an. „Was meinst du?“
Durial kam weiter in das große Zimmer und blickte betreten zu Boden. „Du erinnerst dich doch sicher noch, an den Winterball?“ Fay stimmte zu. Wie könnte sie den vergessen. „Wir sprachen danach über das Tanzen und dass ich dir einen ohne Kind schulde.“
Fay verkniff sich ein verliebtes Grinsen, da es nicht ganz so passiert war, doch freute sich darüber, dass Durial sich überhaupt erinnerte. „Ich erinnere mich wage daran... wie war das noch einmal?“ Fragte sie und entlockte auch Durial ein Lächeln. Ihr war aufgefallen dass er viel und gerne lächelte. Das mochte sie.
„Darf ich Sie zum Tanz auffordern, werte Fay?“ Seine Stimme klang plötzlich ganz fest und von sich überzeugt, als er ihr eine Hand hinhielt. Die Bilder von diesem Abend, als sie halb Arm in Arm getanzt hatten zu einer ganz eigenen Melodie und sich daran erinnerte, wie schön es gewesen war, von ihm berührt zu werden, ließen sie wie benebelt auf ihn zustolpern, bis sie ihre Hand zögerlich in seine legte. Angespannt betrachtete sie seine Hand, wie sich seine Finger um ihre schlossen und ihr Herzschlag unkontrolliert anstieg. Mit einem Abstand von gut einer Armlänge blieb sie vor ihm stehen und genoss das einmalige Gefühl, als sich seine linke Hand schon beinahe zögerlich an ihre Seite legte, da es ihm alles kostete, seine Angst zu überwinden. Fay legte ebenso behutsam ihre Handfläche auf seine Schulter, doch wagte es nicht ihm in die Augen zu sehen, sondern konzentrierte sich stattdessen auf seinen Hals.
Zitternd stieß sie die Luft aus und zwang sich selbst zur Ruhe, da sie sich beinahe so aufführte, wie Durial, was Berührungen anging. Immer nahm sie so viel Rücksicht auf ihn, dass es ihr jetzt auf einmal schwerfiel, dieser Versuchung endlich nachzugeben. Für eine viel zu lange Zeit, standen sie sich so einfach gegenüber, während Fay darauf wartete, dass Durial sich an sie gewöhnte. Trotzdem wurde es ihr langsam peinlich, daher sagte sie das Erste, was ihr einfiel. „Wir werden doch Musik brauchen, oder?“
Durial schüttelte den Kopf. „Brauchen wir nicht.“ Meinte er bestimmt und tat endlich den ersten Schritt, als hätte er nur auf ein Wort von ihr gewartet. In einem sanften Tempo führte er sie geschickt über den Boden, während Fay sich dazu zwang ihm seinen Abstand zu geben. Immer wieder streifte sein Atem ihre Wange, was sie ebenfalls in den Wahnsinn trieb und sie biss frustriert ihre Zähne aufeinander.
„Willst du aufhören?“ Fragte der geschundene Drache unsicher.
Sofort fixierte Fay Durial mit ihrem Blick und schüttelte den Kopf. „Nein.“ So schnell wollte sie nicht, dass dieser Moment endete.
Lächelnd legte er ihre linke Hand, die er in seiner rechten führte, auf seine Schulter und verringerte somit den Abstand zwischen ihnen. „Kann ich dich etwas fragen?“ Fay nickte und war bereit, ihm alles zu sagen, was er wissen wollte. „Als du mit Vauven gestritten hast, sagtest du doch, dass du für eine gewisse Megumi hergekommen bist.“ Sie nickte erneut. „Ist... ist sie vielleicht diejenige die du … du weißt schon.“
Fay runzelte die Stirn. „Ob ich sie liebe? Nein, sie ist eine Person, die ich bewundere und... irgendwie, als Freundin sehe.“
Durial nickte, als wäre das alles gewesen, was er wissen wollte und biss sich auf die Unterlippe. Fasziniert beobachtete Fay ihn dabei und musste sich zusammen nehmen, um es ihm nicht gleich zu tun.
„Darf ich dich noch etwas fragen?“
Fay nickte wieder. „Alles was du willst, ich habe keine Geheimnisse mehr vor dir.“ Versprach sie und würde sogar ja sagen, wenn er sie nach ihren Gefühlen fragen würde.
„Nun, ja es geht mir weniger darum, dass ich jetzt noch etwas wissen will, als mehr dich, um deine Erlaubnis zu fragen.“
Irritiert legte sie den Kopf etwas zurück, um seine purpurnen Augen besser sehen zu können. „Ja, klar. Frag ruhig.“ Fay klang dabei völlig gleichgültig, doch ihr Herz verriet sie unbarmherzig.
„Es ist schon lange her, seit ich das letzte Mal mit jemanden getanzt habe, geschweige denn jemanden berührt.“ Erwartend blickte sie ihn an. „Ich kann das nicht fragen, wenn du mich ansiehst...“ Meinte er und wandte schnell den Blick von Fay ab.
Kichernd schloss sie die Augen. „Und jetzt? Ist es besser so?“
Sie fühlte wieder Durials Blick auf sich und hörte, wie er seufzte. „Du bist viel zu rücksichtsvoll, Fay.“
„Soll ich dich denn lieber überfallen und abknutschen?“ Fragte sie schelmisch und hörte wie er lachte.
„So meinte ich das nicht. Nach dreihundert Jahren, der Isolation, ist es nur schwer zu akzeptieren, dass es überhaupt noch eine Person gibt, die sich nicht an mir stört.“
„Ich weiß, deshalb will ich dich auch nicht drängen. Nimm dir einfach die Zeit, die du brauchst und frag mich, wenn du dir bei etwas unsicher bist. Ich bin die Letzte die dich jemals abweisen würde, Durial.“ Fay wagte es nicht, ihm genauer zu sagen weshalb sie dies wollte, doch erfreute sich, als ihr Brustkorb beim einatmen den seinen berührte.
„Kann ich meine Stirn gegen deine legen?“ Seine Stimme klang brüchig und vollkommen verunsichert.
„Natürlich.“ Antwortete Fay genauso leise, wie Durial gefragt hatte, und fühlte nur Sekunden darauf, wie sein feines Haare an ihrer Stirn kitzelten, bevor seine Stirn die ihre berührte. Da Durial jetzt so nahe war, konnte sie auch ihre Hände hinter seinem Nacken verschränken und ertappte sich dabei, wie sie zufrieden seufzte.
„Glaubst du mir endlich, dass du mir vertrauen kannst?“ Flüsterte Fay, doch konnte sich nicht mehr erinnern, wieso sie flüsterten.
„Ja.“ Antwortete er und sein warmer Atem streichelte sanft ihr Gesicht.
„Sagst du mir dann auch, wieso du die letzten Tage nicht mehr gekommen bist? Ich dachte wirklich, dass du mich hasst.“
„Ich wollte... aber ich musste auch die Information verdauen, dass ich in vielen Dingen recht gehabt habe. Ich wusste, etwas stimmt nicht mit der Art, wie du zu Conchar warst, ich wusste, dass du mir etwas nicht sagen durftest und dass es etwas mit Vauven zu tun hatte. Trotzdem hätte ich niemals mit einer solchen Wahrheit gerechnet. Ich fühlte mich klein und schäbig, dass du so ein großes Opfer gebracht hast für eine beinahe Fremde und dass du zum Sterben her kamst. Du hast keine Sekunde an dich selbst gedacht, du hast dich aufgeopfert und dich auch noch irgendwie um mich gekümmert. Du hast mir zugehört, hast mir die Zeit gelassen die ich brauchte damit ich überhaupt neben dir sitzen konnte und trotzdem... fühlt es sich immer noch so an, als wäre eine tiefe Schlucht über die ich mich nicht wage.“
Fay war froh die Augen immer noch geschlossen zu haben, denn sie wollte den wehmütigen Blick von Durial nicht sehen. Natürlich wusste sie, dass es anderen Menschen viel bedeutete, was sie tat und mehr half, als es für eine einzige Person gut wäre. Trotzdem hatte sich nun etwas in ihr geändert. „Ich bin nicht so wie du denkst. Seit ich hier bin dachte ich nur daran, dass mein lang ersehnter Tod endlich kommen werde, aber... plötzlich fühle ich mich so eigensinnig. Durial, ich möchte jetzt nicht mehr sterben.“ Gab sie zu und fühlte wieder einmal eine Träne an ihrer Wange.
Durial stoppte seine Bewegungen und strich ihr sanft die lose Träne fort. „Ich will auch nicht, dass du stirbst.“
Glücklich schlug Fays Herz ihr bis zum Hals, während sie krampfhaft versuchte, sich ihm nicht noch weiter aufzudrängen und gar zu küssen. Sie wollte es, so unendlich dringend, doch lag ihre Angst vor seiner Zurückweisung so fest um ihrem Herzen, dass es schmerzhaft zum Pochen anfing, bevor sie jäh von einem Klopfen unterbrochen wurden.
„Wenn das jetzt nicht wichtig ist, verprügle ich jeden!“ Schwor Fay und löste sich wieder von Durial, der wegen ihrer Worte leise kicherte.
Sie öffnete die Türe und blickte verwirrt in Vauvens Augen. „Wo zum Teufel bleibst du? Wir sagten acht Uhr.“
„Es ist erst sechs!“ Schimpfte Fay ihrerseits.
„Dann muss deine Uhr falsch gehen, denn es ist bereits zehn Uhr!“
Erschrocken sah Fay auf die Uhr an ihrem Handgelenk und musste sich beherrschen, um nicht breit zu grinsen. „Entschuldige, ich habe wohl die Zeit vergessen.“ Gab sie zu und vermied es, sich zu Durial zu zuwende. „Gib mir fünf Minute, ich komme gleich.“
Vauven nickte und Fay warf die Türe vor seiner Nase zu.
„Mist, ich habe total die Zeit vergessen.“ Fluchte sie nun an Durial gewandt, dem das überhaupt nicht zu stören schien.
„Dann hoffe ich, dass... es nicht unangenehm... oder so war, für dich.“ Nuschelte Durial, während er seinen Pullover überzog und ihrem Blick absichtlich auswich. „Natürlich nicht, es war wirklich schön. Das sollten wir öfters machen.“ Bat sie ihn indirekt.
„Wann musst du denn wieder bei Vauven schlafen?“
„In zwei Tagen.“
„Dann komme ich davor wieder, wenn es für dich in Ordnung ist?“ Schlug er vor.
„Du kannst auch morgen wiederkommen, Durial. Du kannst von mir aus auch heute Nacht mein Zimmer benutzen, ich brauche es ja nicht.“ Ohne, dass er ablehnen konnte, warf sie ihm ihre Schlüssel zu und ging zur Türe.
„Nein, Fay... Ich glaube nicht, dass ich das kann. Ich bin ein Ausgestoßener und...“
„Und ich bin kein Drache.“ Unterbrach sie ihn barsch. „Durial, ich meine es ernst. Schlaf hier, nimm dir aus dem Kühlschrank, was du brauchst, wenn du nicht schlafen willst, dann sieh die ganze Nacht aus dem Fenster... aber bleib hier. Wirklich, Durial. Mich stört es nicht.“
Da er erkannte, dass er keine Chance hatte, steckte er den Schlüssel in seine Hosentasche und blickte sich unsicher im Zimmer um, während er den Pullover wieder auszog.
„Dann bis morgen.“ Verabschiedete sich Fay.
„Ja, bis morgen.“ Versprach Durial und Fay verließ das Zimmer, mit der grenzenlosen Vorfreude auf den kommenden Tag.
„Da bist du ja endlich, was hat denn so lange gedauert?“ Beschwerte sich Vauven, als sie an seine Zimmertüre klopfte.
„Na was denkst du? Ich habe mich frisch gemacht für unsere gemeinsame Nacht.“ Scherzte sie und blickte sich staunend in dem prunkvollen Empfangszimmer um. Fay erkannte drei weitere Türen. Eine davon war offen und sie sah durch den Spalt Conchars Kinderbett. Die anderen beiden waren verschlossen, daher konnte sie nur raten, dass sich hinter einem das Schlafzimmer versteckte und den dritten Raum konnte sie nicht zuteilen.
„Das hast du ganz bestimmt nicht.“ Meinte Vauven kalt. „Lass mich raten, Durial war bei dir, sonst hättest du mich nicht weggeschickt.“ Erkannte er klug und verschränkte die Arme vor dem Brustkorb.
„Ist das nicht egal? Wäre ja nicht so, als müsste ich mich dir gegenüber rechtfertigen.“ Fay hatte alles andere, als Lust ausgerechnet mit ihm, ihr restliches Leben auszudiskutieren.
„Doch das musst du, auch wenn er ein Abtrünniger ist, ist er ein Drache und die solltest du dich so gut wie möglich vom Leib halten, damit sie dein Geheimnis nicht herausfinden.“
Fay wollte nicht, dass Vauven wusste, das Durial bereits alles wusste und knurrte verärgert. „Das ist eine Situation in der ich nur dank dir stecke, also hör auf mir Vorträge zu halten.“
„Fay! Er weiß es doch nicht, oder?“ Vauvens Stimme wurde von einem Moment auf den anderen befehlshaberisch, doch davon ließ sie sich nicht beeindrucken.
„Hör auf mich, wie einen deiner Drachenwelpen zu behandeln. Natürlich weiß er es nicht. Jedoch hätte ich eine Bedingung und wir beide wissen, dass mir eine zusteht.“
Vauven zuckte mit den Schultern. „Von mir aus. Um was geht es?“
„Ich will, dass du Durial in einem günstigen Moment, auf das Festland bringst und ihn freilässt.“ Vauven lächelte, als sei dies ein Scherz, jedoch erstarb dieses Lächeln, sobald er ihren ersten Gesichtsausdruck sah.
„Bist du von allen guten Geistern verlassen? Weißt du überhaupt, was du da von mir... Nein, natürlich weißt du es nicht.“
„Vauven... erinnerst du dich, für was ich hier bin? Einen Abtrünnigen auszulassen sollte da ein Kinderspiel sein.“
„Fay, du bist doch von allen guten Geistern verlassen. Ob ich mein Volk anlüge mit Fakten, die sie nicht widerlegen oder beweisen können ist etwas anderes, als wenn ich mit einem Abtrünnigen in den Klauen, durch die Gegend fliege.“
Genervt warf Fay ihre Hände in die Höhe. „Entschuldige, dass ich unmögliches von dir verlange und nicht so etwas banales, wie den Tod! Von mir aus mache ich ein Ablenkungsmanöver. Sie wollen mich doch so wie so in ein paar Wochen oder Monaten tot sehen, da passen wir einfach den Moment ab und du trägst ihn schnell an eine Küste. So weit ist es nicht. Du wärst zurück, bevor es einem auffällt.“
Vauven dachte einen Moment darüber nach, da es tatsächlich funktionieren könnte, doch schüttelte dann den Kopf. „Ich werde doch niemanden belohnen, wenn er es sich selbst mit der Gunst seiner Familie verspielt hat.“ Meinte er stur und Fay seufzte.
„Männer... Wieso einfach, wenn es auch umständlich geht, oder?“
„Fay, lass es jetzt einfach, ich muss mich auch endlich niederlegen, sonst schaffe ich den morgigen Tag nicht.“
Fay musste sich daraufhin zusammen nehmen, nicht breit zu grinsen, da Durial in ihrem Zimmer warten würde, bis sie morgen kam und wandte schnell den Blick ab. „Gute Nacht.“ Murrte sie und betrachtete das hohe Fenster, an welches sie niemals heranreichen würde, ohne fremde Hilfe und das so wie so zugeschneit war, daher ließ sie sich auf die Bank sinken und schaltete den ersten Fernseher ein, den sie seit Monaten gesehen hatte. Nicht einmal Elyon und seine Familie hatten einen besessen, was sie bis heute fragwürdig empfand.
Die Nacht schlich dahin, sodass Fay schon begann die Zeit rückwärts zu zählen, bis es endlich sieben wurde und Vauven aufstand. Ohne sie anzusehen, fütterte er seinen Sohn und wickelte ihn. Um acht packte Fay den kleinen Prinzen und sein Spielzeug zusammen und ging zurück in ihr Zimmer. Jedoch war es verschlossen.
Fay grinste begeistert, da er tatsächlich hier geschlafen hatte, und klopfte fünf Mal. „Ich bin es, mach auf.“ Rief sie durch den leeren Gang, woraufhin die Türe geöffnet wurde und Durial sie ein ließ.
Begeistert stieß Fay einen lauten Pfiff aus, als sie erkannte, dass er lediglich in seiner Unterwäsche vor ihr stand, mit nassem Haar und einem Shirt, im Arm, mit dem er sich, die seiner Meinung nach, nötigsten Narben, verdeckte.
„Also, wenn du jeden morgen so herumläufst, kannst du ruhig öfters hier schlafen.“ Bemerkte Fay und ließ ihren Blick nicht von Durial ab, was ihn dazu zwang, dass er sein Shirt nicht anziehen konnte.
„Ich habe lediglich die Zeit vergessen, das wird nie wieder vorkommen. Könntest du jetzt bitte wegsehen, damit ich mich anziehen kann?“ Bat Durial und wippte nervös mit einem Fuß.
„Nein.“ Antwortete Fay ehrlich und lehnte sich auf den Kinderwagen.
„Bitte, Fay.“
„Niemals. Wie oft habe ich schon die Chance, dass ein heißer Kerl in meinem Zimmer halbnackt herum läuft.“
Durial verdrehte die Augen, als hielte er dies nur für einen schlechten Scherz. „Du könntest genug nackte Männer für ein ganzes Jahr in dein Zimmer locken, wenn du wolltest, jetzt lass mich endlich anziehen.“
„Vergiss es, bleib so.“ Ihr Lächeln wurde noch breiter, als seine Wangen eine zarte Röte bekamen. Durial gab auf, da er nicht gegen Fay und ihren sturen Kopf ankam, und lief stattdessen rückwärts ins Badezimmer zurück. Für einen Moment überdachte Fay, ihm zu folgen, doch als er das Schloss herumdrehte, verstand sie den Wink.
„Vergiss nicht, dass hier in diesem Raum Pulloververbot gilt.“ Erinnerte sie Durial, der nichts darauf erwiderte und setzte den kleinen Prinzen aus seinem Wagen. Sofort versuchte dieser wieder seine ersten Laufübungen, obwohl er noch zu klein dafür war und immer wieder auf den Hintern fiel. Selbst, dass er einen Fuß nach dem anderen nehmen muss, war noch zu unwichtig für ihn, da er sich offenbar vorgenommen hatte, das Gehen lernen auszulassen und stattdessen sofort das laufen zu lernen.
Fay holte ihr Buch hervor und schrieb von ihrem gestrigen Abend und der langweiligen Nacht bei Vauven, wobei sie jedoch den Tanz mit Durial ausließ, da sie so etwas Persönliches hier nicht eintragen wollte.
„Was schreibst du da?“
„Ich schreibe jeden Tag hier ein, den ich verbracht habe und Conchars Fortschritte. Einmal im Monat fotografiere ich ihn auch für sie und wenn Vauven die Möglichkeit hat, schickt er es ihr vom Festland aus zu, sodass es der Rat nicht bemerkt.“
Durial nahm staunend neben Fay auf einem zweiten Stuhl platz und sah ihr dabei zu, wie sie einen weiteren Tag eintrug. „Ich bin gestern nicht dazu gekommen, da du mich abgelenkt hast.“
„Es tut mir leid, das wollte ich nicht.“ Durial klang tatsächlich betroffen, als hätte er etwas Schlimmes getan.
„Muss es doch nicht, ich kann immer noch nachtragen. Außerdem war es wesentlich spannender mit dir zu tanzen, als hier hinein zu schreiben.“ Fay schlug das Buch zu und wandte sich ihm zu, um >zufällig< seinen Oberschenkel mit ihrem Knie zu berühren, da fiel ihr auf, dass sein Arm auf ihrer Lehne lag, was sie, als großartigen Fortschritt ansah. Normalerweise saß er nur steif neben ihr, selten sah sie, wenn er sich entspannte.
„Aber es ist wichtiger, immerhin ist es für eine Freundin.“ Gab er zu bedenken. „Du bist doch auch mein Freund, also ist es keine Zeitverschwendung. Außerdem bist du so selten hier, dass ich die Zeit wesentlich lieber nutze, dir zuzusehen, wie du dich langsam entspannst, anstatt etwas zu schreiben, was ich jederzeit schreiben könnte.“
Durial versteifte sich wieder, als er merkte, dass ihr Knie an seinem Schenkel lag und seufzte daraufhin. „Es wäre wesentlich einfacher mich zu entspannen, wenn du mich nicht ständig beobachten würdest. Jedes mal fühlt es sich an, als müsse ich mich mehr entspannen, weil du es erwartest und dann verspanne ich mich wieder mehr, da es mir unangenehm ist.“ Durial sprach vor Nervosität so schnell, dass Fay es viel kostete, um ihn nicht auszulachen.
„Nun, gut wenn mein Blick dich so nervös macht, dann sehe ich dich eben nicht mehr an.“ Beschloss Fay, zog ihre Beine auf den Stuhl und schloss die Augen. Etwas, Durials Finger, zogen an einer Strähne ihres Haares und brachten sie nun doch zum Lächeln.
„Du weißt, dass ich das so nicht meinte.“ Beschwerte sich Durial.
„Nein, du hast gesagt, mein Blick stört dich, also entspann dich jetzt solange ich die Augen zu habe, ansonsten bin ich beleidigt.“ Verkündete Fay und wartete darauf, was Durial nun tun würde. „Aber wenn du nichts siehst, wie willst du dann wissen, ob ich mich entspanne?“ Gab er zu bedenken.
„Sag mir was du tust, dann weiß ich es.“
„Aber wenn ich dich anlüge?“
Fay schüttelte leicht den Kopf. „Das glaube ich nicht.“
„Vielleicht nutze ich dich einfach nur aus?“ Fragte Durial wieder.
Auch nun schüttelte sie den Kopf. „Ich bin jemand der bald stirbt, daher ist auch das abwegig.“
Durial seufzte. „Du hast wirklich viel vertrauen zu mir.“ Bemerkte er daraufhin und die Bewegungen seiner Finger in ihrem Haar wurden deutlicher. Fay fühlte, wie er sich einzelne Strähnen um den Finger wickelte und wieder ausließ.
„Ich lüge ein ganzes Drachenvolk an, daher wundert es mich mehr, dass du mir noch vertraust.“
„Das ist aber eine Lüge, die man leicht verzeihen konnte.“ Meinte Durial und berührte zufällig die Haut auf ihrer Schulter, was ihr Herz wieder einmal zur Höchstleistung antrieb. Beinahe konnte sie sich sogar wieder menschlich fühlen, wenn Durial sie anfasste.
„Ich bezweifle, dass das gesamte Volk es so wie du sieht. Außerdem ist es ohnehin egal, da ich Vauven überreden werde, dich von den Drachenbergen zu bringen.“
Durials Hand erstarrte und sie fühlte seinen strengen Blick auf sich. „Was? Wieso?“
„Willst du denn hier bleiben, als Abtrünniger und Verstoßener?“
„Natürlich nicht, aber du kannst doch von dem Wyvern so etwas nicht verlangen.“
„Ich kann mein Leben aber, für seine Liebe geben, also soll er... auch etwas für mich tun.“
Durial schnaubte. „Sei nicht so engstirnig, das ist nichts, was er für dich machen würde, sondern für mich. Er kann sagen, dass er mich weggebracht hat und dich einfach sterben lassen.“ Bemerkte Durial streng, was auch Fay jetzt erst bewusst wurde.
„Dann werde ich es so regeln, dass ich zuerst einen Beweis will, ansonsten schlachte ich den verdammten Rat hinterrücks ab.“
„Fay!“ Beklagte Durial.
„Was denn? Ich kann doch etwas verlangen dafür, dass ich sterbe, oder?“
„Gestern hast du aber noch gesagt, dass du nicht sterben willst.“ Fay erinnerte sich an diesen schwachen Moment und ohrfeigte sich innerlich.
„Aber ich kann nicht einfach verschwinden und Megumi den Rest austragen lassen. Jedoch kann ich so viele Retten, wie mir möglich sind, bevor ich sterbe.“ Beschloss sie ein für alle Mal und auch Durial bemerkte, dass er dagegen nicht ankommen würde.
„Du bist wirklich anstrengend.“ Murmelte er und führte sein Spiel mit ihren Haaren fort.
„Genau deswegen magst du mich doch. Ansonsten wäre ich doch ein Spießer, wie die andern Drachen, oder?“
Durial lachte und zog sanft strafend an ihrer Strähne. „Unter anderem.“ Gab er zu und brachte Fay damit verschwörerisch zum Lächeln.
„Unter anderem? Also gibt es noch mehr Gründe, außer meine rebellische Ader, mein loses Mundwerk und natürlich mein großräumiges Lügengespann?“
Durial antwortete nicht, sondern ließ ihr Haar wieder los, um das Thema wo anders hinzulenken. „Unter anderem finde ich deine Haare frustrierend. Darf ich sie dir bürsten?“
Fay öffnete die Augen wieder und deutete auf ihren Schminktisch. „Dort liegt die Bürste.“
Fay setzte sich verkehrt herum auf ihren Stuhl, sodass sie ihre Arme auf die Lehne legen konnte und Conchar zusehen, wie er versuchte ein Auto zum Hupen zu bringen. „Es stört dich doch nicht, oder? Es ist mir schon beim ersten Mal aufgefallen, dass du sie kaum kämmst, obwohl sie so lange sind.“
„Kämmen nervt mich, es dauert so lange und bringt nach der ersten Windböe ohnehin nichts mehr.“
Durial lachte, als er verstand, was sie meinte und fing vorsichtig an durch ihre Haare zu kämmen. „Trotzdem bist du eine Frau und Frauen sehen doch normalerweise viel auf ihr äußeres.“
Irritiert blickte Fay an sich hinab. Sie trug nicht mehr, als eine verwaschene Jeans und ein Shirt in dieses sie drei Mal hinein passte und schnaubte. „Auf das einzige, was ich äußerlich achte ist, dass ich nicht mit blutigem Mund herumlaufe.“ Fay hatte nie viel auf ihre Kleidung geachtete, sondern lediglich darauf, dass sie bequem saß.
„Und auf deine Hände, du wäscht sie bei jeder Gelegenheit, sogar bevor du etwas isst, oder du ein Lebensmittel anfasst.“
Sie dachte darüber nach und erkannte eine Wahrheit dahinter. „Aber das ist wohl auch schon alles was du weißt, oder?“ Eigentlich wollte Fay nur wissen, ob Durial sie etwa doch öfters beobachtete, als sie bemerkt hatte.
„Nein, ich weiß auch, dass du immer in mein Gesicht siehst, bevor du mich zufällig berührst. Du achtest immer sehr penibel darauf, dass ich mich nicht erschrecke, oder Abstand nehmen könnte. Dann gibt es auch Momente in denen du mich prüfst, ob ich bereits mehr zulasse, oder versuchst herauszufinden, ab welchem Abstand ich mich vor dir zurückziehe.“ Da Durial hinter ihr stand, war Fay glücklich, dass er ihr rotes Gesicht nicht sehen konnte.
„Das war nicht schwer zu bemerken, immerhin weißt du, dass ich möchte dass du dich entspannst.“
„Wirklich? Denn ich sehe auch, wie du dich auf die Zehenspitzen stellst, wenn du dir nicht anmerken lassen willst, wie du dich freust, wenn ich etwas neues mache, oder eben, als du meinen Arm auf deiner Lehne bemerkt hast, haben sich deine Finger nervös auf der Tischplatte bewegt, da du deine Freude darüber nicht offen zeigen wolltest.“ Fay, der solche Dinge überhaupt nicht aufgefallen waren, hörte sofort auf mit ihrem Fuß auf dem Boden zu klopfen, was sie begonnen hatte, als er sagte, dass er ihre Haare frisieren wollte. „Also, wie du siehst, bist du nicht die Einzige, die Reaktionen eines anderen beobachtet.“ Fay kicherte und biss sich auf die Unterlippe. „Und jetzt beißt du dir vermutlich gerade in die Unterlippe da du versuchst deine Schüchternheit nicht durchsickern zu lassen. Fay, du bist nicht die Einzige, die mich beobachtete, denn ich beobachte auch dich. Nicht, weil ich dir nicht vertraue, es ist einfach schon so lange her, dass ich jemandem so nahe gestanden bin.“
Fay wusste nun überhaupt nicht mehr, was sie tun sollte, da auch Durial aufgehört hatte sie zu frisieren und auf eine Antwort oder Erwiderung wartete.
Zwar wurde ihr nun klar, dass Durial sie genauso beobachtete, wie sie ihn, doch ob es an natürlicher Neugierde und an Freundschaft lag, oder er sie so sehr mochte, wie sie ihn, wusste sie noch nicht. „Habe ich dich verschreckt?“ Fragte Durial vorsichtig.
„Nein, natürlich nicht. Ich kämpfe nur gerade innerlich, gegen meine Neugierde an.“ Gab sie zu, da sie am liebsten jetzt sofort eine Antwort von ihm haben wollte.
„Du hast mir mehrmals das Angebot gemacht, dass ich dich jederzeit etwas fragen kann, wenn ich möchte und probieren zu was ich schon bereit bin. Dasselbe gilt für dich. Frag mich, was du wissen willst.“
Fay seufzte und nahm sich vor, ihn endlich zu fragen. Sie musste es wissen, denn weniger als ein >nein< konnte es ja doch nicht werden, doch ganz andere Worte kamen aus ihrem Mund. „Können wir heute Abend, wenn Conchar weg ist wieder so tanzen wie gestern?“
„Das haben wir gestern bereits beschlossen, also was ist deine Frage?“ Durial fuhr mit ihren Haaren fort, während Fays Herz wieder raste.
„Vielleicht werde ich heute Abend meiner Neugierde nachgeben.“ Meinte sie kurzerhand und brachte Durial damit zum Lachen.
„Wenn du meinst.“
„Schläfst du wieder hier? Ich kann mich auch in die Bibliothek zurückziehen, wenn du lieber alleine wärst.“
Durial schwieg länger, als sie erwartete, daher überraschte seine Antwort sie. „Das werde ich heute Abend entscheiden.“ Lachend wandte sie sich Durial zu und nahm ihm den Kamm ab.
„Also... was machen wir bis dahin?“
Durial deutete auf den kleinen Prinzen. „Ich würde sagen, du beginnst mit Windeln wechseln, da er bis hierher stinkt.“
Fay verzog das Gesicht, als sie daran dachte, ihm schon wider Ausscheidungen vom Hintern zu wischen und ging zum Waschbecken, um sich die Hände zu waschen, was Durial zum Lachen brachte. „Was, denn? Ich mache das immer.“ Beschwerte sie sich, bevor sie zu Conchar ging und ihn auf den Wickeltisch legte.
„Ich sage doch nichts, ich finde das sehr Vorbildhaft.“ Erklärte Durial, doch lächelte immer noch für Fays Geschmack viel zu frech.
„Idiot.“ Beschimpfte sie ihn halbherzig und brachte ihn damit noch mehr zum Lachen.
Einige Stunden später, als Durial eben den kleinen Prinzen in die Luft warf und ihn geschickt wieder auffing, klopfte es an der Türe. Fay ging zu dieser, während Durial so tat, als würde er stolpern und warf sich mit dem Kleinen auf das Bett, wobei er fürsorglich darauf achtete ihn nicht zu verletzen. Conchar fand es natürlich toll und wollte sofort noch einmal.
„Hallo, Fay... Oh...“ Vauven der wohl eben etwas sagen wollte, verstummte wieder und funkelte den anderen Drachen wütend an.
„Ich mache ihn gleich fertig. Er wird bestimmt noch Hunger haben und sehr bald einschlafen.“ Versicherte Fay dem Wyvern, ohne ihn dabei aus den Augen zu lassen. Vorsichtig nahm sie Durial den Kleinen ab und reichte ihn an den eifersüchtigen Vater zurück. Ohne einen Blick auf sie beide zurückzuwerfen, stampfte der Wyvern knurrend aus der Türe und beachtete dabei Conchars leises Weinen nicht, da dieser noch weiter spielen wollte.
Als Fay zurück zu Durial sah, bemerkte sie erschrocken, dass er sich eben seinen Pullover anzog. „Hey! Was soll denn? Ich dachte wir tanzen heute Abend wieder?“
Beklagte sie sich. „Das tun wir auch, doch nicht hier.“ Verwundert sah sie Durial zu, wie er zu ihr an die Türe kam. „Na los! Bewegung!“ Befahl der Drache und Fay ergab sich seinen Worten. Gehörig folgte sie ihm in die Bibliothek, wo er erwartend vor den Treppen stehen blieb.
„Oh, nein ohne mich.“ Beschloss Fay und wollte schon wieder umdrehen.
„Dann werde ich wohl jetzt zu meiner Matratze gehen.“
Sofort blieb Fay stehen und schnaubte. „Wenn ich dort oben bin, bin ich viel zu erschöpft, um noch zu tanzen.“ Meinte sie ausweichend. „Ich kann warten.“ Verkündete Durial und reichte ihr seine Hand. Zögerlich streckte sie ihre eigene Hand nach der seinen aus und staunte nicht schlecht, als er sich kein Stück zurückzog. Langsam ließ sie ihre Finger zwischen seine gleiten und genoss das Gefühl, als er sie in einen festeren Griff zog und er locker neben ihr her die Treppe hinauf stieg. Schweigsam folgte sie ihm, bis sie etwas mehr, als die Hälfte hatte und langsam immer erschöpfter wurde. „Ab welchen Stockwerk fängst du an zu kriechen?“
„Bei den letzten beiden.“ Gab sie zu und musste darüber lächeln. Durial passte sich ihren viel langsameren Schritten geduldig an, bis sie ihre erste Pause brauchte. Nach jedem dritten Stockwerk musste er dies wiederholen, doch er wartete und ließ nie ihre Hand los, jedoch als sie nur noch zwei vor sich hatten, schien er nervös zu werden.
„Wenn du magst, kannst du schon vor gehen, ich brauche noch etwas.“ Schlug sie vor und ließ Durials Hand los, um sich auf die kalten Treppen zu legen.
„Normalerweise würde ich nein sagen, aber... ich müsste noch eine Kleinigkeit erledigen, was der eigentliche Grund ist, wieso wir hier hinauf kommen.“
Stirnrunzelnd blickte Fay ihn an. „Was für einen Grund kann man haben freiwillig, jemanden hier hinauf zu schleppen?“
„Das wirst du schon sehen.“ Verkündete Durial und lief immer zwei Stufen auf einmal nehmend weiter hinauf. Sehnsüchtig sah sie seinen noch immer so unbeschwerten Bewegungen nach und ließ ihr Gesicht zurück auf den Boden fallen. Wie konnte es nur sein, dass man diese endlosen Treppen so einfach hinauf lief? Fragte sie sich und holte tief Atem, bevor sie sich dazu zwang keine Pause mehr einzulegen.
Leider wurde aus ihrem Vorsatz nichts und sie legte noch eine ein. Doch als sie oben ankam, staunte sie. „Ach, deshalb trägst du immer so weite Pullover? Um so etwas darunter tragen zu können?“ Vor ihr war eine Picknickdecke auf dem Boden aufgelegt und ein Korb mit diversen Fleischsorten lag darauf. Auch etwas zum trinken hatte er mit genommen und eine weitere Decke, da es hier oben etwas frostig geworden war.
„Nein, das habe ich heute morgen hier oben auf einem der Regale versteckt, deshalb war ich auch noch da, als du gekommen bist.“
Fay lächelte über diese unglaublich süße Geste und ließ sich von ihm auf die Beine ziehen, wobei sie sich jedoch am Geländer anhing, anstatt bei ihm. „Du bist wirklich toll, Durial.“ Gab sie offen zu und setzte sich neben ihn auf die dicke Decke. Begeistert nahm sie sich ein Stück Fleisch und steckte es sich in den Mund, ohne daran zu denken, sich vorher die Hände zu waschen. Das schien Durial zu gefallen, denn er lachte und reichte ihr das nächste Stück.
„Wie bist du auf die Idee gekommen?“
Durial zuckte nichtssagend mit den Schultern. „Das wollte ich schon lange machen, doch ich weiß, dass sobald alle Türen und Fenster wieder geöffnet werden, ein großer Ansturm von Drachen sein wird, daher entschied ich mich, es noch davor zu tun.“
„Machst du das jedes Jahr?“ Fragte sie neugierig geworden. „Natürlich nicht. Es ist Jahrhunderte her, seit ich überhaupt das letzte Mal mit jemandem gesprochen habe.“
„Aber mich hast du von dir aus angesprochen.“ Gab Fay ihm zu bedenken, woraufhin er rot wurde.
„Das war... nicht mit Absicht.“ Nuschelte Durial und steckte sich selbst ein Stück Fleisch in den Mund.
Fay lachte, da sie sich nicht vorstellen konnte, dass man jemanden aus Versehen ansprechen konnte, doch wollte ihn nicht damit ärgern. „Okay, dann lass mich dich dafür belohnen.“ Bat sie.
„Wofür?“
„Dafür, dass du mich angesprochen hast.“
Durial lächelte verwirrt. „Wie willst du dich dafür bedanken? Mich aus versehen >nicht< ansprechen?“
Fay schüttelte den Kopf und schob das Fleisch aus seiner Reichweite. „Na, los. Mach den Mund auf.“ Forderte sie und hielt ihm ein mundgroßes Stück hin.
„Du willst mich füttern?“
Fay nickte nun. „Du hast mich geduldig hier hinauf geführt, also lass dich belohnen, indem ich dich zumindest einmal füttere.“
Durial dachte darüber nach und wandte sich ihr zu, sodass sie ihn problemlos erreichen konnte. Langsam öffnete er den Mund ein Stück und wartete. Fay bewegte ihre Hand so langsam, dass er nicht zurückwich, doch auch nicht so langsam, dass es ihr peinlich werden konnte, denn eigentlich hatte sie das nur spontan vor geschlagen, ohne vorher darüber nachzudenken. Wenige Millimeter vor seinen Lippen stoppte sie und wartete, dass er seine Zähne um das Fleisch schloss, bevor sie es losließ und es in seinem Mund verschwand. „Das war... seltsam.“ Meinte Durial.
„Seltsam im Sinne eine Wiederholung wert, oder seltsam im Sinne von >mach das niemals wieder<?“
Durial schluckte und lachte begeistert. „Eher im ersten Sinne.“ Antwortete er und wartete, dass sie ihm das nächste Stück hinhielt, was er ihr dieses Mal viel entspannter abnahm.
„Ich wusste ja überhaupt nicht, dass du so fürsorglich sein kannst.“ Meinte Durial, nachdem Fay ihm abermals eines gereicht hatte.
„Ich? Wie kommst du denn auf die Idee? Ich bin nur Eigensinnig.“ Gab sie zu und genoss sein herzhaftes Lachen.
„Inwiefern ist das Eigensinnig?“
„Weil ich dich, während ich dich füttere, ansehen kann, ohne dass du dein Gesicht abwendest.“ Sofort sah Durial auf den Boden, als er die Wahrheit hinter ihren Worten bemerkte und wirkte etwas enttäuscht über sich selbst.
„Ich weiß, es liegt an deinem Blick... er ist so intensiv, als würdest du dir alles einprägen, was ich tue, oder wie ich mich bewege. Das ist... verwirrend.“ Gab er zu und lehnte sich vor, um sich selbst wieder etwas zu nehmen.
„Wolltest du deshalb auch, dass ich meine Augen schließe, als wir getanzt haben?“ Durial nickte. „Dann wirst du dich wohl daran gewöhnen müssen, denn ich sehe dich gerne an, ob es dir gefällt oder nicht.“ Fay war etwas beleidigt, da seine Worte ihr weh taten.
„Aber, wenn du mich ansiehst, dann kann ich nicht mit dir tanzen.“
Fay schnaubte und setzte sich etwas defensiver hin. „Dann lassen wir es eben, ich fühle ohnehin keinen einzigen Fußmuskel.“
„Bist du jetzt wütend?“ Fragte Durial plötzlich und Fay merkte, dass er die Antwort bereits kannte.
„Natürlich ist eine Frau wütend, wenn ein Mann ihr verbietet ihn anzusehen, obwohl sie das gerne tut.“
„Ich verstehe.“ Gab er zu und zog seine Beine an, sodass es Fay daran erinnerte, wie er zum ersten Mal in ihrem Zimmer gewesen war. Vollkommen verschreckt und zurückgezogen hatte er sich nicht einmal gewagt ihr näher, als einen Meter zu kommen.
Traurig geworden, streckte sie ihre Hand nach seinem Arm aus und erschreckte ihn tatsächlich damit. „Zieh dich bitte nicht wieder von mir zurück. Nur, weil mich etwas verletzt hat, was du gesagt hast, heißt das nicht, dass ich dir erlaube mir nicht mehr zu vertrauen.“ Durial lächelte über ihre vollkommen verdrehten Worte und entspannte sich wieder, während er sorgsam darauf achtete, dass ihre Hand bei ihm blieb.
„Komm etwas näher.“ Bat er und klopfte direkt neben sich auf die Decke. „Es ist kalt und deine Hände sind bereits eisig.“ Erklärte Durial während er mit seiner freien Hand, nach einer weiteren Decke griff.
Langsam ruschte Fay zu ihm, sodass ihre Hüfte seine berührte, und vernahm ganz deutlich, wie seine Bewegungen etwas steifer wurden. „Soll ich dir etwas Abstand geben?“
Durial schüttelte den Kopf. „Nein.“ Beschloss er nach kurzer Überlegung. Ohne sie anzusehen, breitete er die Decke über sie, so wie ihn selbst aus und zog sie vor sich zusammen, wodurch sie beide wie in einem Kokon eingeschlossen saßen und sich unsicher anlächelten. Es dauerte auch für Fay viel zu lange, bis sie sich endlich entspannte und sicher war, dass es ihm nicht zu viel werden würde und seufzte erleichtert.
„Was denn?“ Fragte er unschuldig.
„Nichts, ich bin einfach nur glücklich.“ Fay war sich sicher, dass Durial nicht von ihr zurückweichen würde und lehnte ihren Kopf gegen seine Schulter. Durial war darüber so überrascht, dass er sich an einem Stück Fleisch verschluckte und hustend nach einer Wasserflasche griff. Lachend half sie ihm, den Stöpsel auf zu bekommen und erst, als Durial sich beruhigt hatte, wagte er es ebenfalls zu lächeln.
„Entschuldige.“ Fay ärgerte sich plötzlich etwas über sich selbst, doch seine Reaktion hatte sie trotzdem zum Lachen gebracht. „Ich dachte wirklich, dass du dich nicht erschrecken würdest. Siehst, du? Das hast du davon, wenn du sagst dass dich meine Blicke stören. Ich kann nicht einschätzen, wann du vor mir zurück weichst und wann nicht.“
Durial wurde rot und griff sich an den Kopf. „Verdammt, langsam komme ich mir vor, wie ein Küken. Eigentlich habe ich mich nicht davor erschreckt, dass dein Kopf an meiner Schulter lag, sonder das...“ Durial deutete auf Fays Brüste und wurde vollkommen rot im Gesicht. Offenbar hatte sie sich, als sie sich an ihn lehnte, ihren Körper mit gedreht, sodass ihre Brust an seinem Ellenbogen lag.
„Das hat dich erschreckt? Wie alt bist du denn? Vierhundert Jahre? Fünfhundert?“ Fragte Fay scherzend, da sie dachte, eine wage Vorstellung zu haben.
„Eigentlich bin ich bereits eintausend und dreihundert Jahre alt.“ Erstaunt klappte Fay der Mund auf und sie wandte ihren Blick ab. Mit ihren knappen sechs Jahre, war wohl eher sie das Küken.
„Oh, das ist neu.“ Gab sie zu und wurde nun ebenfalls rot. „Du siehst aber kaum älter als fünfhundert aus.“ Versuchte sie ihn aufzuziehen, woraufhin er wieder herrlich frei lachte.
„Danke, Fay. Auch, wenn es glatt gelogen ist.“ Durial entzog ihr seine Hand, die er immer noch gehalten hatte, selbst nachdem er sich erschreckt hatte, und stützte sich wenige Zentimeter hinter ihr ab, sodass er etwas an ihr lehnte.
„Ich würde dich nie anlügen... zumindest jetzt nicht mehr.“ Meinte Fay und erwiderte den Druck an ihrer Schulter. Sofort begann ihr Herz wieder seinen neuen schnelleren Schritt und ihre Haut prickelte angenehm, wo seine Haare sie sanft berührten. „Das will ich auch hoffen.“ Gab er zu bedenken.
„Also... wenn wir heute nicht mehr tanzen, darf ich dich dann auch füttern?“
Fay schätzte kurz ab, was sie lieber tun würde. Mit ihm eng tanzen oder unter einer kuscheligen Decke sitzen und sich füttern lassen?
„Fay?“ Fragte er, als sie keine Antwort gab.
„Moment, ich wäge noch ab, was ich lieber machen würde, da beides toll klingt.“ Wieder lachte er über ihre ehrlichen Worte, doch wartete artig. „Ich kann mich nicht entscheiden... können wir nicht beides tun?“ Bat sie und biss sich auf die Unterlippe. „Nur, weil ich dir den kleinen Finger reiche, musst du mir nicht gleich die gesamte Hand abbeißen.“ Beschwerte Durial sich erheitert.
„Also... tanzen... nein, essen... Obwohl wir tanzen doch morgen wieder, oder?“ Durial nickte. „Okay, dann... Moment, werden wir wieder hier hoch kommen?“
„Nein, du bist viel zu langsam.“ Fay schnaubte gespielt beleidigt, doch lächelte dabei.
„Dann... jetzt füttern, und morgen tanzen wir so wie so wieder.“ Entschied sie schlussendlich und bekam erneut dieses Lachen, welches ihre Seele zum Klingen brachte.
„Na, gut. Dann mach den Mund auf.“ Befahl er wieder und griff aus der Decke hinaus um ein Stück Fleisch zu nehmen und es Fay in den Mund zu stecken.
Stolz auf sich selbst und zufrieden mit ihrer Entscheidung leckte sie sich über die Lippen und wartete auf mehr. Sofort bekam sie das nächste Stück und bemerkte dabei überhaupt nicht wie nahe sein Kopf ihrem war. Durial war jedoch immer darauf bedacht ihren Zähnen und Lippen nicht zu nahe zu kommen, so wie sie davor darauf für ihn geachtet hatte.
„Woher hast du überhaupt das ganze Essen?“ Fragte Fay, bevor er ihr begeistert noch ein Stück in den Mund legte. „Eigentlich aus der Küche. Nachts ist dort beinahe nie jemand.“ Fay kam es hier im Schlossareal ohnehin nicht so vor, als würde sie vielen Leuten begegnen. Es wirkte schon beinahe, als würden alle Drachen einen Winterschlaf halten.
„Warte, du hast da etwas Blut.“ Fay, die es sich eben selbst wegwischen wollte, erstarrte, als Durial selbst seine Hand ausstreckte und vorsichtig mit seinem Daumen, über den kleinen Tropfen fuhr und ihn sich selbst in den Mund steckte. Fasziniert beobachtete sie seinen Daumen, wie er zum Teil hinter Durials Lippen verschwand und ihr Herz beinahe schon wahrlich menschlich klopfte.
„War das unangebracht?“ Fragte Durial etwas nervös, doch Fay schüttelte sofort den Kopf. Fay empfand das alles andere als unangebracht. Da sie angst hatte mit ihrem viel zu losen Mundwerk, wieder Abstand zwischen sich und ihn zu bekommen, griff sie nach seiner Hand, die er noch immer vor seinem Gesicht hielt und führte sie sich an die Wange. Das Glück welches sie dabei empfand, als sie sich zum ersten Mal in seine Handfläche schmiegen konnte, war beinahe unerträglich und schmerzte auf eine gute Art und Weise. Seufzend genoss sie es, als sich sein Daumen von selbst bewegte und zärtlich ihr Jochbein entlang glitt. „Das kannst du ruhig öfters machen.“ Gestand sie ihm nun ein, etwas mutiger geworden.
„Wirklich?“ Hakte Durial unsicher nach und Fay nickte mit rasendem Herzen.
„Jederzeit, es fühlt sich gut an.“ Murmelte sie ganz gedankenverloren und wurde von Durial überrascht, als er seine Hand, mit der er sich bisher abgestützt hatte, an ihren Rücken legte und Fay sich fühlte, als hätte es niemals einen endlosen Abstand zwischen ihnen gegeben.
Jedoch als Durial seine Hand von ihrem Gesicht nahm, war sie etwas enttäuscht, doch überglücklich, dass er sie überhaupt angefasst hatte. Plötzlich fühlte sie seine Hand an ihren Kniekehlen und sein Druck an ihrem Rücken verstärkte sich. „Halt dich fest.“ Bat Durial und Fay tat es. Sie legte eine Hand an seine Schulter und ließ sich von ihm auf seine verschränkten Beine setzen. Lächelnd betrachtete sie das >Kunstwerk<, denn ihr kam es so vor. Sie saß tatsächlich auf Durials Schoß und er schlag beide Arme, zusammen mit der Decke um sie, während sie wohlig seufzte.
„Das ist natürlich viel besser.“ Meinte Fay und legte ihren Kopf auf seinen Brustkorb, wobei ihr erst jetzt, sein wild schlagendes Herz auffiel. Jetzt wurde Fay auch bewusst, dass es nur für sie so hastig schlug. Nur sie brachte sein Herz dazu so begeistert zu rasen, mit keinem Funken Angst darin. Zärtlich legte sie ihre Handfläche auf seinen Brustkorb, direkt auf die Stelle unter der sein Herz schlug und lächelte glücklich.
„Fay?“
Fay gab einen erwartenden Laut von sich, während sie still seinen Geruch aufnahm.
„Liebst du mich?“
Erschrocken zuckte Fay zusammen. Es war das erste Mal, dass sie diese Worte laut hörte, seit Alasan ihr gestanden hatte, sich zu ihr hingezogen zu fühlen. Damals hatte sie nicht gewusst, was sie auf so ein Geständnis erwidern sollte, da sie ihn mochte, doch anderseits auch dafür hasste, das er der Erste war, der sie zur Mörderin gemacht hatte. Heute jedoch dankte sie ihm still innerlich, denn dadurch hatte sie Durial kennenlernen dürfen und fühlen, was es wirklich bedeutete, sich von jemanden angezogen zu fühlen. „Entschuldige... ich weiß ich...“
„Nein, ist schon gut.“ Unterbrach Fay sein beginnendes Gestammel. „Ja, ich liebe dich.“ Flüsterte sie etwas leiser, sodass er es nur schwer verstand. „Und dass ich dir das endlich sagen darf... macht mich glücklicher, als alles andere.“
Durial seufzte beinahe schon erleichtert, bevor er seine Stirn gegen ihre Schläfe legte. „Anfänglich dachte ich, dass du nur nett sein wolltest, dass du mir einfach nur helfen wolltest, aber... seit wir gestern Abend getanzt haben, erhoffte ich mir dann doch mehr.“
„Ich habe aber alles ernst gemeint, Durial. Jedes Wort. Dass ich deinen Körper toll finde, dass du halbnackt in meinem Zimmer herum laufen kannst,“ dies brachte ihn zum Lachen „dass du jederzeit in meinem Zimmer schlafen kannst und das ich dich gerne jeden Tag sehen würde. Auch, als ich sagte, dass ich dir vertraue, dass du mir vertrauen kannst und dass ich jede Berührung von dir mag. Selbst, wenn du vermutlich noch nicht bereit bist dich mir ganz zu öffnen, so möchte ich wenigstens, dass du mich berührst, Durial. Es fühlt sich einfach zu einsam an, dich nicht in meiner Nähe zu haben.“
Durial nickte an ihrem Haar und hauchte ihr einen zarten Kuss auf die Schläfe. „Anfänglich dachte ich, es wäre dumm dich zu lieben, denn du bist die Mutter eines Wyvern und ich hätte niemals einen Platz an deiner Seite, jedoch, als du mir alles erzählt hast... deswegen war ich danach einige Tage nicht bei dir. Ich wollte nicht, dass du weißt, dass ich mich schon längst in dich verliebt hatte, obwohl... nun, ja. Das ich es bin, der sich in dich verliebt, es passte einfach nicht.“
Fay seufzte und warf ihm einen tadelnden Blick zu. „Muss ich mir etwa erst den Mund wund reden, bevor du endlich akzeptieren kannst, was ich sage?“
Durial lachte sein freies Lachen, welches ihm bisher niemand hatte nehmen können, und zog Fay wieder zurück, sodass sie auf seiner Schulter ruhte. „Nein, schon gut. Jetzt glaube ich es dir wirklich. Ich liebe dich auch.“ Fay drehte sich auf seinem Schoß um, sodass sie ihre Beine um seinen Körper schließen konnte und ihn ungehindert ansehen. „Dann muss sich aber ab jetzt etwas ändern!“ Meinte sie gespielt streng. „Ich will nicht mehr hören, dass ich dich nicht ansehen darf.“
„Verstanden.“
„Und ich will mindestens einmal am Tag hören, dass es dir gut geht.“
„Wird erledigt.“
„Dann... wenn du einen Tag oder ein paar Stunden bei mir verbringst, möchte ich, dass du zumindest einmal meine Hand nimmst.“
Durial verdrehte die Augen und Fay schloss ihn fester in eine Umarmung. „Ach, und wenn ich dir anbiete bei mir zu schlafen oder nackt herum zu laufen, dann sagst du ja nicht, dass es nicht angebracht wäre. Wenn du bereit dafür bist, dann tust du es!“
Lachend stimmte Durial erneut zu. „Wenn es die Dame befielt.“
„Gut, also wann gedenkst du, dass du nackt herumläufst, damit ich dich angaffen kann?“ Bohrte Fay sofort nach.
„Hey, was sagte ich über Finger und die ganze Hand?“
Fay zuckte unschuldig mit den Schultern. „Ich weiß nicht, das ist schon viel zu lange her, ich kann mir doch auch nicht alles merken.“ Log sie.
„Verstehe, sonst noch etwas, oder war es das?“
Fay schüttelte den Kopf. „Eines noch.“
„Oh, je.“ Gab er darauf zurück.
„Zieh diesen Pullover aus, oder ich verbrenne ihn.“ Durial blickte an sich hinab, doch schnaubte ergeben. Fay rutschte etwas von ihm ab, sodass er genug platz hatte, um sich den Pullover über den Kopf zu ziehen, da konnte Fay ihre Finger nicht mehr bei sich halten und half ihm. Sie nahm den Saum seines viel zu kratzigen Pullovers und strich seinen, für sie perfekten, Körper entlang. Zärtlich fuhr sie die Narben an seinen Oberarmen nach, die nach tiefen Bissspuren aussahen, während Durial das Stück Stoff unbeachtete fortwarf. Darauf bedacht, ihn nicht zu verschrecken, doch ihre Neugierde zu stillen, zeichnete sie jede Narbe mit ihrem Finger nach, die sie erkennen konnte, selbst die, die sich über seinen Hals zog und an seinen Lippen eine Pause machten, an seiner Wange begann sie wieder und endete an kurz vor Ohr. Als drei tiefe Linien verliefen sie nebeneinander und Fay konnte sich vorstellen, wie es ausgesehen haben musste, bevor es geheilt war. Er musste tagelang kaum etwas essen gekonnt haben und nur schwerlich sprechen. An seinen glanzlosen Schuppen hatte sie gesehen, wie sehr dies selbst heute noch auf ihn wirkte und mitgenommen haben musste.
„Du bist die Erste die diese Narbe wirklich ansieht.“ Bemerkte Durial regelrecht zärtlich und erleichtert darüber, dass Fay nicht das Weite suchte.
„Wieso sollte ich sie nicht ansehen? Ich sehe dich gerne an und mir gefällt dein freies Lachen.“
Verwirrt zog er die Stirn kraus. „Was ist ein >freies Lachen<?“
„Es ist, die Art, wie du lachst, wenn du denkst, dass ich dich eben nicht ansehen und den ganzen Raum mit deiner Lebensfreude erfüllst.“
Durial verzog das Gesicht. „Dir ist hoffentlich bewusst, dass normalerweise der Mann so etwas zur Frau sagt.“
Fay grinste verschwörerisch und ließ ihre Hand an seiner Wange ruhen. „Glaube mir, wenn ich dir sage, dass du männlich genug für zwei Personen bist.“ Ihr Blick glitt über sein Gesicht und ihr Finger begann von selbst die sanften Linien seiner Lippe nach zu ziehen.
„Ich bin das letzte Mal zitternd vor dir zusammen gebrochen, ich konnte nicht einmal meine Kralle gegen den Wyvern erheben, ohne mich selbst aus dem Gleichgewicht zu bringen und fliegen kann ich schon seit Jahrhunderten nicht mehr. Außerdem kann mich niemand ansehen, ohne das mich eine Panikattacke befällt, geschweige denn, dass ich jemanden berühren konnte bisher.“
Fay ließ ihre Hand weiter wandern, über seinen Hals und sein Schlüsselbein und beobachtete fasziniert wie sein Herz dabei seinen Rhythmus änderte. „Es geht dabei nicht darum, wie du dich gefühlt hast, sondern wie du für mich ausgesehen hast.“
„Und wie hat ein kränklicher Verbannter für dich ausgesehen?“
Fay blickte Durial nun wieder direkt in die Augen und fixierte ihn damit, sodass er nicht wegsehen konnte. „Wie ein starker Krieger. Ein Mann der viel durchgemacht hat, doch trotz seines, jetzt geschwächten Drachen, immer noch auf seinen beiden Beinen steht. Du trägst seit Jahrhunderten tiefe Narben, die dir ein Tyrann angetan hat und versteckst sie hinter hässlichen Pullovern und doch... trägst du noch immer deinen Stolz in der Stimme und deine Intelligenz ist deine Waffe. Jetzt macht sich dein Drache klein, weil er nicht mehr weiß, was er kann. Er erinnert sich nicht mehr daran, dass seine kraftvollen Beine ihn vor nicht allzu langer Zeit Mauern hinauf gebracht haben, seine abgestumpften Krallen alles zerschnitten haben, sogar den Panzer eines anderen Drachen und dein Gebiss hat jeden verstummen lassen, der es gewagt hat dir unrecht zu tun. Du bist ein Krieger, Durial. Ein Drache, der nicht mehr fliegen kann und doch trägst du eine ewige Flamme hier...“ Fay legte wieder ihre Handfläche auf Durials Herz „...und diese wird niemals erlöschen, solange du es nicht zulässt. Sie pulsiert sie lebt und verhöhnt jeden, der dich Tod sehen möchte. Durial, sieh dich an. Der alte Wyvern ist tot, und du lebst noch immer. Du bist hier, hältst mich in deinen starken Armen und dein Herz schlägt so stark, dass ich dich nur dafür beneiden kann, wie lebendig es mich fühlen lässt, alleine wenn ich es höre. Ich bewundere deine Stärke, auf eine Art, die ich nicht beschreiben kann, ich beneide deinen Lebenswillen, denn ich habe ihn bei meiner Wiedergeburt verloren und ich liebe jede noch so winzige Veränderung in deinem Gesicht, egal ob du nervös bist, oder versucht, dir nicht anmerken zu lassen, was du fühlst. Durial... ich liebe dich wirklich und wünsche mir, dass dieser Moment hier oben mit dir niemals endet. Du bist alles, was ich mir jemals habe erträumen können, egal wie schlecht du dich selbst machst und was du vor den anderen versteckst. Ich werde immer einen einzigartigen und bewundernswerten Mann sehen, in dem sich ein starker Krieger versteckt.“
Durial biss die Zähne aufeinander, während er sich mühe gab, nicht eine einzige Träne zu vergießen. Es waren die schönsten, und gefühlvollsten Worten, die er, seit einer sehr langen Zeit gehört hatte und er konnte nicht anders, als Fay dafür noch mehr zu lieben, als er es bisher schon tat.
„Ich denke aber nicht, dass ich jemals wieder ein Drache sein kann. Ich kann noch nicht einmal die Verwandlung kontrollieren und sie laugt mich vollkommen aus.“
Fay lächelte ihn liebevoll an, wie es nur eine Frau konnte, die ihren Mann bedingungslos liebte und legte ihre Stirn gegen seine. „Dann musst du eben das Vertrauen zwischen dir und deinem Drachen wieder schüren. Vielleicht wird es länger dauern, als das Vertrauen, das du erst zu mir aufbauen musstest, aber irgendwann kannst du bestimmt wieder eine Einheit mit ihm bilden. Dann bist du nicht mehr Mann oder Drache, sondern beides. Machtvoll und nicht zu zerstören.“ Versprach sie Durial und nahm sich vor für ihn einen Weg zu finden, um in beiden Gestalten wieder er selbst sein zu können.
„Das einzige, was mich jetzt noch zerstören könnte, wäre es, wenn du mich wieder alleine lässt.“ Flüsterte Durial und schloss seine Augen, als seine Nase die ihre berührte.
„Ich will dich aber nicht wieder alleine lassen.“ Fay tat es ihm nach und schloss ihre Augen, während sie näher an seinen Oberkörper rutschte.
„Dann müssen wir beide hier weg. Ich will nicht, dass sie dich töten, das würde ich nicht überleben.“
Durial erwiderte das Knurren mit einem ebenso entschlossenem, bevor er nicht weiter widerstehen konnte und seine Lippen endlich auf ihre presste. Als wäre eine viel zu starke Anspannung einfach von ihr abgefallen, seufzte Fay und genoss jedes einzelne Gefühl, das er in ihr auslöste. Ihren Körper an seinem, ihr gemeinsamer Herzschlag, der Mangel an Sauerstoff, da sie beide darauf vergaßen, dass sie ihn doch brauchten und das heiße Gefühl, bei jeder seiner Berührungen. Fay ließ ihre Finger in sein Haar gleiten, während Durials Hände es ebenfalls endlich wagten ihren Körper zu erkunden. Sanft strich er über ihren Rücken, bis es Fay nach kurzer Zeit zu eng wurde und sie einfach ihr Shirt abstreifte.
Fasziniert verfolgte Durial jede ihrer Bewegungen bis sie nur noch in Jeans und BH vor ihm saß und versuchte alles in sich aufzunehmen. Sanft nahm sie seine Hände, die er neben sich sinken hatte lassen und legte sie sich auf den Körper zurück, wobei er dieser Aufforderung nur zu gerne nachkam und ihre Lippen wieder in Besitz nahm.
Während sie sich küssten, wagte Fay es nicht, selbst die Führung zu übernehmen, sondern genoss das Gefühl seiner immer wider kehrenden Krallen an ihrer Haut und bewunderte das purpurne Schimmern seiner Schuppen unter der Haut, während er mit der Kontrolle kämpfte.
„Fay... ich kann nicht mehr...“ Nuschelte Durial, zwischen einigen Küssen doch schien überhaupt nicht aufhören zu wollen. „Meine Verwandlung... der sog ist zu stark.“ Seine Stimme schlug für einen Moment in ein Knurren um, doch Fay dachte nicht daran, ihn ausgerechnet jetzt gehen zu lassen.
„Dann zeig ihn mir.“ Antwortete sie stattdessen. „Zeig mir deinen Drachen und was er will.“ Noch einmal verwandelten sich seine Finger in spitze Krallen und schnitten ihr oberflächlich die Haut auf.
„Nein, Fay. Verdammt, ich habe dich gekratzt.“ Fluchte Durial, drauf und dran, sich endgültig zurückziehen, doch Fay knurrte drohend und fing seine Hände ab, mit denen er sie wegschieben wollte.
Langsam führte sie eine seiner Krallen an ihre Lippen und leckte ihr eigenes Blut von dessen Spitzen. „Ich bin nicht aus Porzellan, Durial. Du kannst mir nicht so weh tun, dass ich dich nie wieder ansehen würde, außer du stößt mich von dir.“ Schwor sie ihm und drohte ihm zugleich, während sie beobachtete, dass sich seine beschuppten Krallen wieder in weiche Hände verwandelten und legte sie auf ihre Brüste. „Ob als Drache oder Mensch, ich liebe dich egal was du mir zeigst.“ Flüsterte sie und reckte ihm ihren Oberkörper entgegen, als seine Lippen auf ihren Hals trafen und jeden Zentimeter ihres Körper erkundeten, so dass das Essen irgendwann von der Picknickdecke verschwand und die Dämmerung langsam näher rückte.
Kurz vor Sonnenaufgang zog sich Fay wieder an, während Durial alle Sachen aufhob, die sich vor ihnen beiden verflüchtigt hatten, und half ihm die Decken wieder zu falten. Auf dem Rückweg gingen sie Hand in Hand und Durial trug sogar seinen Pullover in der anderen, anstatt ihn anzuziehen, wofür er einen zärtlichen Kuss bekam, bevor er sich verabschieden musste, um den Korb noch rechtzeitig zurückzubringen.
Glücklich über diese überraschende Wendung die ihre Beziehung zu Durial eingeschlagen hatte, konnte sie es kaum erwarten, dass Vauven ihr den kleinen Conchar brachte, da er versprochen hatte gegen Mittag wieder zu kommen, um mit dem kleinen Prinzen zu spielen.
Jedoch verschlief der Kleine Durials erscheinen die ersten beiden Stunden, die Fay nutzte, um Durial unter die Dusche zu locken, um endlich alle Narben sehen zu können. Zärtlich wusch sie seinen Rücken mit einem Schwamm und küsste jede Einzelne, als wären diese wichtig dass sie genau dort saßen um ihn, Durial selbst, perfekt zu machen. Scheinbar langsam begann der Drache, Fay das auch wirklich zu glauben. Er glaubte an das, was sie sagte. Vertraute darauf, dass er irgendwann wieder zu seinem Drachen finden würde, da er langsam anfing, dessen zufriedene Stimme zu hören, sobald er Fay anfasste oder sie ihn einfach ansah, so als wäre er das perfekteste Wesen auf der ganzen Welt.
Ja, Durial begann endlich daran zu glauben, dass sie recht hatte und das er sie mit nichts enttäuschen konnte. Das hatte er auch nicht vor. Er wollte für immer ihr herrliches Gesicht sehen und ihr stolzes Lächeln, wenn er sie mit etwas Neuem Überraschte und so schnell, dass er es überhaupt nicht bemerkte, verlor er sämtliche Hemmungen ihr gegenüber. Beinahe jeden Tag verbrachte er bei ihr, schlief in ihrem Bett, duschte bei ihr, meistens sogar mit ihr und wartete jede Nacht auf Fay, wenn sie wieder bei Vauven schlafen musste.
Und dann?
Öffneten sich die Tore und Fenster in jedem Schloss auf den gesamten Dracheninseln. Eine nach der anderen wurde geöffnet und der Frühling kehrte in das Schloss der purpurfarbenen Drachen ein, während der Himmel von goldenen Flügel, orangen Augen, schwarzen Stacheln und roten Schuppen bedeckt wurde. Von überall erwachten die Drachen aus ihren Winterschlaf und kamen in die Schlösser ihrer Artverwandten, um sich um vernachlässigten Geschäfte zu kümmern, alte so wie neue Flammen aufleben zu lassen und Botengänge zu erledigen.
Umso mehr überraschte es Fay, als einer der Drachen plötzlich vor ihr und Conchar stehen blieb und sie bedrohlich anknurrte. Fay dachte zuerst, der Drache würde sie einfach nicht erkennen und sagte ihm, dass sie hier sein dürfte, doch als er sich plötzlich in eine unbekannte rothaarige verwandelte und immer noch knurrte, wusste Fay, das etwas nicht stimmte. „Ähm? Kannst du mich nicht verstehen, oder...“
„Spiel dich nicht auf, kleine Schlampe! Ich weiß ganz genau, wer du bist und du solltest eigentlich tot sein, dafür habe ich selbst gesorgt!“
Überrascht zog Fay die Augenbrauen hoch und positionierte sich direkt vor Conchar, damit er nicht zwischen die möglichen Fronten geriet. „Ich habe keine Ahnung wovon du sprichst.“ Beteuerte Fay, während sie sich nach Hilfe umsah. Sie konnte doch unmöglich ein Kind in die Sache mit hinein ziehen.
„Oh, doch! Das weißt du ganz genau. Ich habe gesehen, wie du sie abgeschlachtet hast. Ich habe gesehen, wie du alle Kinder in ihren Betten erstickt hast! Du bist ein Monster und werde das beenden, was ich damals anscheinend nicht geschafft habe.“
Kinder? Getötet? Wann? Fay konnte sich... Mist! Fay fluchte innerlich und machte sich für einen Kampf bereit. Offenbar musste das jemand aus ihrer Vergangenheit sein und sie musste irgendetwas Schlimmes angestellt haben, ansonsten würde doch niemand so auf sie losgehen, oder?
„Nein, nein! Das verstehst du nicht! Ich bin nicht die, die du früher...“
„Ach halt dein verlogenes Schandmaul! Ich will nichts mehr von dir hören. Du bist nicht mehr, als ein Kinderschreck! Abschaum. Man hat dich vergessen, kleine Nixe.“ Aus dem Mund der Fremden klang dies so, als wäre es etwas Schlechtes, doch Fay seufzte innerlich erleichtert darüber. Egal, was sie angestellt hatte damals, das war sie heute nicht mehr und das musste sie der Furie klar machen.
„Fay!“ Durials Stimme erklang von einem Baum wenige Meter in der Höhen und Fay vermutete, dass er aus einem der vielen Fenster geklettert sein musste, um dort hochgekommen zu sein. Elegant landete er neben Fay und griff nach dem Kind, um ihn in seine Obhut zu nehmen. „Bring ihn zu Vauven er soll sofort her kommen.“
Durial verzog das Gesicht, als wäre es das Letzte, was er tun wollte, doch nickte dann. „Pass auf dich auf.“ Flüsterte Durial zu Fay, dann lief er auch schon zu seinem ehemaligen König.
„Noch ein Balg das bald auf deine Kosten geht?“
„Ach, halt deine verdammte Klappe, oder ich schlag sie dir so ein, dass du lernen musst durch deinen hässlichen haarigen Arsch zu sprechen.“ Fauchte Fay und konnte nun ganz ein Ghul sein, da das Kind, außer Gefahr gebracht worden war. „Oh, das sind ja einmal ganz neue Töne. Ansonsten warst du immer verschlossen und hast kaum jemanden in deine Pläne eingeweiht.“
„Mir egal, für wen du mich hältst, aber ich bin Fay. Ich bin ein Ghul und seit sechs Jahren am Leben. Wenn du denkst, du weißt etwas aus meiner Vergangenheit, dann nur zu, erzähl es mir, denn ich weiß nichts mehr davon. Ich bin keine Sirene mehr, ich bin dein Tod, wenn du mir zu nahe kommst, kleine Echse.“ Fay verschärfte ihren Blick und konnte somit auch die feinen warmen Äderchen in dem Körper des nackten Drachen erkennen und wie ihr Herz klangvoll Blut durch das Gewirr hindurch jagte.
„Ich soll dir glauben, dass du ein Ghul bist?“ Lachend hielt sich die Drachin ihren Bauch. „Das ich nicht lache. Und wo ist dein Meister? Ich bezweifle, dass ein Ghul alleine durch die Gegend laufen kann, ohne alles zu fressen, was ihm vor sein ekelerregendes Maul läuft.“
Fay kicherte höhnisch. „Na dann komm her und probiere aus, was deine jämmerlichen Zahnstocher erreichen können.“
„Mit Freude.“ Beschloss der Drache und verwandelte sich wieder in einen dunkelroten Drachen zurück, der sich sofort mit seinem gesamten Gewicht, auf sie warf, kaum, dass sich ihre Flügel an ihrem Rücken entfaltet hatten. Fay jedoch ließ sich nicht so einfach fangen, sondern schlug die riesigen Zähne mit einem Seitenhieb von sich fort, sodass der Drache glatt der Länge nach hinfiel.
Den Kopf schüttelnd rappelte sich der Drache wieder auf und wurde vorsichtiger. Zuerst probierte der Drache Fay mit dem Schwanz zu Fall zu bekommen, doch Fay, die darauf achtete, den ungleichen Kampf in die Länge zu ziehen und auf Vauven zu warten, lief vor ihr davon. Immer wieder wich sich geschickt den scharfen Zähnen aus, oder sprang über einen peitschenden Schwanz hinweg, sodass sie viel zu schnell müde wurde und ihre Angriffe frustrierter.
Fay, die sich gerade in einen der für Menschen gemachten Gänge flüchtete, sah noch, wie sich ein purpurner Drache auf den dunkelroten warf und mit einem einzigen Biss zu Boden drückte. Als Fay es wagte, den Kopf wieder aus der Türe zu stecken, erkannte sie den Wyvern.
„Na, endlich! Was hat da so lange gedauert?“ Brüllte Fay Vauven an, der von dem roten Drachen abließ und sie wütend anknurrte. Da sie keine Szene machen wollte, verschränkte sie beleidigt die Arme vor dem Oberkörper, als sie auch schon Durial am Ende des Geschehens mit Conchar im Arm stehen sah. Das jedoch überraschte sie mehr noch, als jemandem aus ihrer Vergangenheit zu treffen.
Der Wyvern wurde kleiner, bis er in seiner menschlichen Gestalt vor dem blutenden und vollkommen erschöpften Drachen stand, die sich ebenfalls zurückverwandelte und am Boden sitzen blieb. „Was zum Teufel ist hier los? Wieso wagst du es die Mutter meines Sohnes anzugreifen? Sie hat Immunität, dass weiß jeder Drache.“
Die Rothaarige fauchte wild. „Als ob! Das ist keine Mutter, sie ist ein Monster. Ich habe damals alles gesehen! Ich habe ihre Klappe gestopft und sie am Meeresboden versenkt! Die miese Schlange...“
Vauven packte den zappelnden Drachen am Hals und hielt sie eine Armlänge von sich entfernt vor sich in der Luft. „Pass auf, mit wem du sprichst!“ Knurrte der Wyvern bedrohlich, erst da wurde dem Drachen die richtige Gefahr bewusst.
Schweigend wartete sie, bis Vauven sie wieder absetzte und sie wieder nach Luft schnappen konnte. „Entschuldigt, Wyvern der purpurnen Drachen. Ich war nur so wütend, da sie meine Geschwister, Freunde und andere Kinder vor siebenhundert Jahren umgebracht hat. Ich war eine der wenigen Überlebenden und habe sie in einem unbeachteten Moment getötet. Ich bin nur... Ich bin nur... es ist so ein Albtraum... sie ist wieder hier und alles wird von vorne beginnen.“
Behutsam legte Vauven ihr eine Hand auf die Schulter. „Vergiss alles, was du über sie weißt. Vergiss was du denkst gesehen zu haben, denn Fay, ist ein Ghul. Sie wurde vor wenigen Jahren ins Leben zurückgeholt und ist nun die Mutter meines Sohnes und wird noch mehr Drachen gebären. Habe ich mich verständlich ausgerückt?“
Die Drachin nickte, doch schien es nicht glauben zu wollen. „Fay?“ Fay trat etwas näher, sodass sie in Vauvens Blickfeld kam. „Geh mit Durial auf dein Zimmer und achtet auf Conchar. Wir sprechen uns später.“ Fay nickte, da sie nichts lieber hörte, als mit Durial zusammen auf ein Zimmer verbannt zu werden und lief los. Einige Schaulustige, sahen ihnen hinterher und verzogen verachtend das Gesicht, doch lange dauerte dieses verächtliche nicht an, da ihr Wyvern anfing zu belehren, dass sie ruhig hätten eingreifen können und Fay beschützen, anstatt wie Idioten herumzustehen.
Erstaunt blickte Durial Fay an und legte ihr ungesehen seinen Arm auf den Rücken. „Ich glaube du hast etwas auf unseren Wyvern abgefärbt, denn normalerweise lässt er so etwas den Rat erledigen.“
Strafend warf sie Fay Durial einen Blick zu, der sie mahnte, unauffällig zu sein. „Wie kam es überhaupt, dass du so plötzlich da warst?“
Durial grinste breit. „Ich habe eben gerne ein Auge auf dich, in der Öffentlichkeit. Kannst du es mir verübeln?“
Fay schüttelte den Kopf und führte ihn durch die Gänge. „Natürlich nicht. Es tut gut zu hören, dass du auf mich aufpasst.“
„Nun, ja viel konnte ich nicht tun.“
Fay lächelte zu ihrem Drachen auf und küsste seine Wange. „Doch, du hast Conchar weg gebracht, denn wenn der Drache vor dem Kleinen auf mich los gegangen wäre, hätte ich sie schnell töten müssen damit er nicht aus versehen verletzt wird. Dank dir hat sie überlebt, auch wenn ich nicht behaupten kann, glücklich darüber zu sein.“
Durial nahm sofort Abstand, als sich ein anderer Drache näherte und tat so, als würde er nur zufällig denselben Weg wie Fay und >ihr< Sohn gehen. Als er wieder aufschloss, schnaubte sie genervt. „Du bist unverbesserlich.“
„Sag das heute Nacht noch einmal.“ Raunte er ihr mysteriös ins Ohr und öffnete die Zimmertüre für Fay.
Es dauerte nicht lange, bis Vauven regelrecht verärgert in ihr Zimmer stürmte und sie gedankenlos zuschlug. Sofort begann sein Sohn erschrocken zu schreien, woraufhin Vauven Gewissensbisse bekam, die er jedoch schnell wieder fortschob. „Danke, dass du sie nicht getötet hast Fay.“
Fay nickte, als wäre das selbstverständlich gewesen. „Ich konnte ja schlecht einen roten Drachen auf deinem Grundstück töten. Jedoch wäre Durial nicht gekommen, um Conchar wegzubringen, hätte ich keine Gnade gezeigt.“ Erklärte sie und wiegte sanft das kleine Kind in ihrem Arm, das sich wieder beruhigte und seinen Vater vorwurfsvoll anblickte.
„Ja, das hätte lediglich einen lästigen Konflikt ausgelöst, besonders, da du eine Außenstehende in ihren Augen bist. Andere Wyvern sehen es nicht gerne, wenn Wesen von Drachen Kinder gebären und hättest du sie getötet, hätten der rote Wyvern dich vermutlich eingefordert, dass du ihm ein Kind gebärst... Obwohl, nein. Ich glaube deren Wyvern ist weiblich, oder?“ Sinnierte er mehr mit sich selbst, da Durial und Fay beide keine Ahnung davon hatten. „Vergesst das... Auf alle Fälle, hat man den roten Drachen zurückgeschickt, sein Wyvern wird sie bestrafen, wenn er, oder sie es für nötig hält. Aber kommen wir jetzt zum wesentlichen. Ich will nie wieder sehen, dass Durial meinen Sohn in der Öffentlichkeit trägt. Von mir aus turtelt hinter verschlossenen Türen und spielt mit ihm, mir persönlich, ist es gleich, doch nicht vor allen Augen. Durial, du verstehst wieso?“
Durial nickte ergeben und bat um Verzeihung, doch Fay gab sich nicht so schnell geschlagen, das war nicht ihre Art. „Ach, gut dann lasse ich das nächste Mal einen fünf Tonnen schweren Drachen über ihn hinweg trampeln und vergieße erst danach das Blut des Drachen, am besten direkt, vor deiner Zimmertüre, damit du gemütlich hindurch warten kannst.“ Durial versuchte Fay zu beruhigen, doch der Ghul in ihr brodelte hoch und mochte es kein bisschen sehen, wie man Durial schon wieder klein machte, wo er sich doch so ihretwegen bemühte.
„Fay, ich weiß, es passt dir nicht, aber mir ist das eigentlich egal. Haltet euch daran, oder ich werde ihn weg sperren.“ Damit deutete der Wyvern auf Durial, der beleidigt knurrte, doch wieder war es Fay, die aufsprang und Vauven zornig anfuhr.
„Wenn du ihn wegsperrst, oder ihn >beschuldigst< deinen Sohn zu retten, dann werde ich dir deine hübsche kleine Krone vom Kopf reißen und sie dir schön langsam, Stück für Stück rektal einverleiben!“ Fay fühlte, wie ihre Augen unkontrolliert schwarz wurden, nur um daraufhin wieder ihr übliches Dunkles braun anzunehmen. Leicht verwirrt über den kurzen Kraftschub, taumelte sie gegen ihren Nachtkasten und roch von irgendwo her Blut.
„Fay! Was ist passiert? Du blutest!“ Fay begutachtete ihre Hände und fuhr sich suchend durch das Gesicht, doch konnte keine Quelle des Blutes finden, bis Durial ihr Conchar aus dem Arm nahm und ihn in seinen Laufstall setzte, während Vauven ihr befahl ihre Hose auszuziehen.
Fragend sah sie an sich hinab und erkannte da erst, dass das Blut zwischen ihren Beinen hervorkam und zu einer zähflüssigen Masse an ihrem Hosenstoff wurde. „Der Drache muss mich doch erwischt haben.“ Meinte Fay, doch meinte, sich nicht zu erinnern, dass der Drache sie zwischen den Beinen erwischt hätte. Sie ließ sich von Vauven helfen, auch wenn es ihr sehr unangenehm war, und er untersuchte ihre Oberschenkel nach Wunden, doch Fay wusste bereits, woher das Blut kam.
„Ich... ich blute aus... Wieso blute ich da?“ Verzweifelt und etwas von Sinnen vor Angst versuchte sie sich zu verrenken, sodass sie zwischen ihre Schenkel blicken konnte, doch Durial drückte sie zurück und knurrte Vauven drohen an, da er anbieten wollte nachzusehen.
„Das mache ich schon.“ Knurrte der niedere Drache und wartete ungeduldig, dass sich Vauven endlich zurückzog. Vorsichtig, geradezu zärtlich zog er ihr verspanntes Fleisch auseinander, doch konnte nichts außer Blut erkennen, welches aus ihr heraus kam. „Fay, entspann dich. Ich kann nichts sehen.“
„Was willst du denn da unten großartig sehen? Blut und meine Vagina! Mehr ist da nicht.“
Vauven musste ihr zustimmen. „Sie hat recht, wir können nichts tun. Warte, ich hole einen Rock und dann bringen wir sie zu den Heilern.“ Vauven lief zu Fays Kleiderschrank, griff nach dem nächstbesten Rock und reichte ihm Fay.
„Gebt mir bitte ein Handtuch vom Badezimmer und eine Unterhose.“ Bat Fay und Vauven lief sofort zum Badezimmer, währen Durial in die Gegengesetze Richtung lief.
Kaum, dass Fay sich angezogen hatte, nahm Durial sie auf den Arm und trug sie durch die Türe, während Vauven seinen Sohn schnappte und hinter den beiden herlief. „Ich kann selbst auch gehen.“ Beklagte sich Fay, der es peinlich war, so schwächlich durch die Gänge getragen zu werden.
„Wir sind schneller, wenn ich dich trage und du verbrauchst auch nicht zu viel Energie. Du musst deine Kräfte sparen, wenn es etwas ernstes ist.“ Brachte Durial diplomatisch hervor, auch wenn Fay wusste, dass er etwas anderes sagen wollte und sie indirekt glücklich war, dass er sie öffentlich an anderen Drachen vorbei trug, auch, wenn diese ihn verächtlich anblickten, konnte Fay nicht anders, als ihn stolz anzulächeln und beruhigend seinen Nacken zu streicheln.
„Warte, ich öffne die Türe.“ Kaum war dies geschehen, liefen auch schon drei Heiler, auf die Neuankömmlinge zu und zwei weitere kamen mit einer Trage.
Durial setzte Fay behutsam darauf ab und nahm ihr das Handtuch ab, dass bereits vollgesogen war. Vauven folgte den Heilern hinein, in einen abgeschotteten Untersuchungsraum und ließ Fay keine Sekunde aus den Augen, während ihr langsam die Augen zufielen. Die Ohnmacht schien Fay wie ein dunkler Mantel überrollen zu wollen, doch die besorgte Stimme von Durial erklang an ihrem Ohr und sie verflog wieder.
„Was machen sie mit ihr? Hast du eine Ahnung, was sie haben könnte?“ Er klang, als würde eine Wand sie von ihm trennen, während eine Hand sachte ihre Beine auseinander drückte und Stimmen stellten ihr Fragen über ihren Zyklus, ihre Ernährung und anderen Dinge, die sie nur mühsam beantworten konnte. Das Einzige, was sie wollte, war Durial. Als sie eine dünne Nadel in den Arm stach, erschrak sie erst Sekunden darauf, dann war auch schon alles verschwommen und vollkommen fremd. Fay schlief ein.
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Zärtliche Küsse an ihrem Handrücken und das sanfte Säuseln von Durials Stimme weckten Fay aus einem traumlosen Schlaf. Scheu öffnete sie die Augen, da sie Angst davor hatte, dass die letzten Wochen mit Durial nur ein Traum gewesen sein könnte, doch als er dann vor ihr erschien und liebevoll seine Lippen auf ihre spröden presste, entlockten ihr die Erinnerungen doch Tränen.
„Nicht weinen, mein Herz. Es ist alles gut. Dir geht es gut.“ Versprach er und küsste sie noch einmal. Da Fay noch zu benommen war, um den Kuss zu erwidern, oder Durial sehnsüchtig zu sich in das Bett zu ziehen, lächelte sie lediglich, während er mit seiner freien Hand über ihre Wange strich.
„Du siehst erschöpft aus.“ Murmelte sie und sah sich unsicher im Krankenraum um. „Wieso bin ich denn bei den Heilern?“
Zärtlich küsste er ihre Handinnenfläche und entspannte sich sichtlich. „Sie haben dir ein Sedativum gegeben, damit du nicht zu einem Ghul wirst.“
„Wieso? Haben sie angst, dass ich ihnen den Kopf abreiße?“ Scherzte sie heiser und da hielt Durial ihr auch schon vorausdenkend ein Glas mit Wasser hin.
„Unter anderem.“ Gestand er ihr ein. „Aber hauptsächlich, ist es dir jetzt für über ein halbes Jahr verboten ein Ghul zu sein.“
Verwirrt blickte sie Durial an und schüttelte den Kopf. Fay verstand kein Wort von dem Unsinn, den er sprach, denn immerhin musste sie sich doch verteidigen können, wenn sie jemand angriff.
Plötzlich erkannte sie dicke Tränen in Durials Augenwinkel und verflogen war ihr Zorn auf das unsinnige Verbot. „Durial, sag mir, was los ist. Du machst mir Angst.“
Durial lachte ganz plötzlich, als wüsste er nicht ob er jetzt weinen oder lächeln sollte, und so verschwamm es zu einem humorlosen schnauben. „Du bist wohl eher diejenige, die mir Angst macht. Du kannst überhaupt nicht ahnen, wie sehr ich dich liebe.“
Fay setzte sich in ihrem Bett etwas auf und stellte ihr Glas zur Seite. „Du klingst ja, als würde ich sterben.“
Durial nickte und die ersten Tränen lösten sich. „Mehr oder weniger.“
Irritiert sah sie ihn an. Machte er sich jetzt über sie lustig, oder meinte er das ernst? Fay war verwirrt.
„Ah! Da ist ja unser persönlicher Hausdrache!“ Sinnierte Vauven plötzlich vom Eingang her und applaudierte zu einem Stück, das wohl nur er kannte.
„Halt den Mund, wenn nur heiße Luft heraus kommt.“ Fay wollte knurren, doch ihre Stimme versagte, stattdessen hustete sie kehlig. „Was ist mit meinem Knurren los?“
„Das ist dein innerer Ghul der knurren kann, wie gesagt, bist du vorerst getrennt von ihm.“ Erklärte Durial fürsorglich.
Fay reichte es und sie warf das eben noch am Tisch stehende Glas nach Vauven, als dieser sie belustigt auslachte. „Hey! Sei nicht wütend auf mich, wenigstens erfüllst du jetzt den Zweck wegen dem du hier bist. Das ist doch gut, oder?“
Fay versuchte, die Worte zu verstehen. Eigentlich war sie doch hier, um Megumi zu beschützen, nicht als lebender Drachenspender zu dienen. Daher hatte sie sich geopfert, da es alleine schon an ihrem nicht existierenden monatlichen Zyklus scheiterte, jemals Kinder zu bekommen und unter anderem daran, dass ihr Körper zu tot ist, als etwas lebendiges schaffen zu können. Da löste sich endlich der Faden in ihrem Kopf. „Ich bin... Schwanger?“ Sie spuckte das Wort aus, als wäre es etwas Seltsames, oder eine Krankheit, die sie befallen hatte und trübte sofort Durials noch unentschiedene Freude.
„Gratuliere.“ Vauven klang darüber mehr genervt, als erfreut, doch grinste dann spöttisch.
„Ihr nehmt mich doch auf das Kreuz! Durial! Sag das er lügt!“ Befahl Fay, doch Durial schwieg und blickte sie nur betrübt an. „Ich werde.. aber... ich kann doch überhaupt nicht...“ Fay schwieg, als ihr bewusst wurde, dass sie sich nicht hinter verschlossenen Türen befand und Vauven nicht wusste, dass Durial über alles bereits eingeweiht war.
„Tu nicht so unschuldig, ich weiß bereits alles über deine und Durials Beziehung. Er hat mir alles erzählt, was ich wissen wollte und ich kann nur sagen, dass ich maßlos enttäuscht bin. Von euch beiden, doch besonders von dir Durial.“ Durial zuckte zusammen und wurde neben Fay immer kleiner. „Ich werde dich jetzt in ein anderes Reich verbannen müssen, ohne Chance auf Wiederkehr, ist dir das klar?“
Fay wollte aufspringen und Vauven an die Kehle gehen für diese Worte, doch Durial hielt sie erbarmungslos zurück. „Das ist nicht gesagt, immerhin werden alle denken, es wäre ein Wyvernskind, oder nicht?“
Vauven nickte, doch seufzte. „Nicht, wenn sie einen Test machen. Sie brauchen nur ein Haar, oder ein bisschen Speichel, dann könnte man schon widerlegen dass es mein Kind sei. Wenn das geschieht, wird es ein großes Spektakel geben.“
Fay beruhigte sich und krallte sich frustriert in Durials Hand. „Das ist nicht gerecht. Jetzt haben diese Spinner was sie wollen und beschweren sich trotzdem noch? Vauven, du musst Durial seinen Status, als Sippenmitglied zurückgeben, oder ich schwöre dir, dass ich dich bei lebendigen Leibe häuten werde, sobald das Kind auf der Welt ist, dir jede Schuppe einzeln ausreiße und deinen geschundenen Körper mit Teer übergieße.“
Vauven verzog bei dem Gedanken das Gesicht. „Leider muss ich wirklich Angst haben, dass du dies machen könntest, daher habe ich einen anderen Vorschlag.“ Fay und Durial wurden hellhörig. „Du sagst es war eine Affäre und du hattest mehrere neben mir, daher weißt du nicht, wer der Vater ist und um jeden Verdacht aus der Welt zu schlagen, greife ich auf deine letzte Bitte zurück, dass ich Durial in die Freiheit am Festland entlasse.“
Durial und Fay sahen sich für Sekunden an, bevor er sie noch einmal abfangen musste und ihr den Mund mit einer Hand verschloss, da sie ohne Rücksicht Wörter herum schrie und dabei einen Heiler anlockte. „Hormone.“ Scherzte Vauven, bevor er die Türe des Zimmers endlich schloss, doch reichlich Abstand zu Fay wahrte.
„Ich willige ein.“ Meinte Durial. „Ich gehe fort und ihr seht mich nie wieder, wenn das bedeutet, dass Fay weiterleben kann.“
Fay wollte ihn bereits anschreien, dass sie alles aufgeben würde und mit ihm mit kam, egal was dies für Konsequenzen hätte, doch dann erinnerte sie sich, dass es etwas gab, was sie niemals aufgeben durfte. Ergeben griff sie sich an den Unterleib und strich sanft darüber. Sie konnte doch kein Kind aufgeben, dass sie mit dem Mann geschaffen hatte, den sie mehr liebte, als alles andere, oder? Andererseits... „Moment, wie kann es überhaupt sein, dass ich schwanger bin? Ich bin tot!“ Erinnerte sie die beiden Männer daran.
Durial wusste es nicht und Vauven hob unwissend die Arme. „Du bist tot, doch die meiste Zeit läufst du nicht als Ghul herum, oder?“ Fay schüttelte den Kopf. Sie benutzte nur ihre Ghul Kräfte, wenn sie kämpfen musste und ansonsten? Sie sah sich selbst nicht wirklich mehr, als Sirene, doch konnte auf diese Kräfte ebenso zurückgreifen, wenn sie diese benötigte.
„Also... Was bin ich, wenn ich eine tote Sirene bin und nicht auf meinen Ghul zugreifen kann?“
Beide Männer sahen sich ratlos an. Keiner schien so recht zu wissen, was sie sagen sollten und blickten betroffen zu Boden. „Vielleicht finden ja die Heiler etwas?“ Versuchte es Durial, nachdem ihm das Schweigen zu unangenehm wurde.
„Das bezweifle ich. Fay hat bereit ein Kind bekommen und meine Heiler konnten keine Anomalien an ihr finden, außer dass sie Lebhafter, als ein Ghul ist. Sie dachten, dass wenn Fay noch ein Kind bekäme, sie eventuell erkennen könnten wieso... sie es kann.“
Fay biss sich auf die Unterlippe und blickte betroffen zu Durial. So gerne würde sie herausposaunen, dass Durial eingeweiht ist, doch sie wusste, täte sie dies, würde Vauven nicht zögern sie zu töten. „Ich bezweifle dass deine Drachnheiler etwas finden. Sie sind auf Drachen spezialisiert. Die gesamte Bibliothek besteht aus Geheimnissen der Purpurdrachen, ihre Kräfte, ihre Schwächen, ihre Geschichte und alles andere. Aber falls es dir noch nicht aufgefallen sein sollte... ich bin kein Drache.“
Vauven schnaubte abwertend. „Drache oder Wesen? Beides ist nicht menschlich. Die Heiler werden schon etwas finden.“
Durial umfasste Fays Hand stärker, sodass es ihr schon beinahe weh tat. „Elyon...“ Flüsterte sie plötzlich.
Vauven zog die Augenbrauen hoch. „Was ist mit ihm?“
„Elyon hat eine Bibliothek. Falls sie nicht durch deinen Angriff vor einem Jahr zu Schaden gekommen ist, müsste er die größte Sammlung an Wissen über alle Wesen aus der Vergangenheit bis zur Gegenwart dort drinnen haben.“
Der Wyvern nickte bestätigend. „Jetzt haben wir nur ein Problem, dass wir unmöglich zu ihm können. Megumi will bestimmt meinen Kopf und Elyon so wie so. Dich kann ich nicht schicken und jeden anderen Drachen würden sie noch während der Landung vom Himmel schießen. Das kann ich nicht riskieren.“
„Und wenn der Drache nicht fliegt?“ Hakte Durial nach. Sofort lächelte Vauven, als hätte er genau auf das anspielen wollen. Nur Fay schien dies überhaupt nicht zu gefallen.
„Nein! Vergesst es. Ich weiß worauf das hinaus führt. Du siehst das als Chance ihn unauffällig los zu werden!“ Beschuldigte Fay den Wyvern und auch Durial wurde bewusst, das es genau darauf hinaus laufen würde. Er tat Vauven einen letzten Gefallen, dafür war er für immer freigesprochen und würde nicht hingerichtet werden, sich an einer Schutzbefohlenen vergriffen zu haben. Egal wie Durial es drehte und wandte, er ist ein Ausgestoßener. Er ist Abschaum für die Drachen und vollkommen flugunfähig. Besser er ersparte Fay unnötige Qualen und ging fort, anstatt sie über seinen Verlust verbittert zurückzulassen.
„Er hat recht Fay, es ist die einzige Chance, dass jeder heil aus der Sache kommt. Du behauptest du wüsstest nicht mehr, wer der Vater ist, der Rat hat seinen neuen Drachen, Vauven wird nicht verdächtigt und ich kann endlich auf das Festland. Fay, ich wäre endlich frei und... könnte wieder leben.“
Fay wurde sich bewusst, wie egoistisch sie sich verhielt, und wischte sich Tränen aus den Augen. Durial hatte recht. Er hatte es verdient, endlich frei zu kommen. Sich Träume zu erfüllen, wieder unter Leute zu kommen, die ihn nicht verurteilten. Nichts wünschte sie sich mehr für ihn. Auch, wenn ihr alleine schon bei dem Gedanken ihn nie wieder zu sehen das Herz zerbrach.
Durial ging nach kurzer Zeit, da er nicht wollte, dass man ihn großartig bemerkte und Vauven musste zu seinem Sohn zurück. Der Tag verging und es kamen immer wieder Heiler zu Fay, die ihr Blut abnahmen, sie röntgen, schallten und ihr Fragen zu ihrer letzten Schwangerschaft stellten. Fay versuchte so gut wie möglich Megumis Symptome zu beschreiben und den Details auszuweichen. Immerhin konnte sie nicht wissen, wie sich eine Drachengeburt bei ihr auswirken würde und zu allem Überfluss, hatte Megumi auch noch einen Wyvern geboren, was Fay hoffte, ihr nicht passieren würde.
Zwei Tage später durfte sie wieder in ihr Zimmer gehen mit strenger Bettruhe, einem größeren Kühlschrank für die zukünftigen Heißhungerattacken und jede Menge Vitaminen.
„Willkommen zurück.“ Begrüßte Durial sie, als sie in ihr Zimmer kam und nahm ihr sofort die Tasche ab. Lächelnd ließ sie sich in seine Arme fallen und seufzte glücklich.
„Das ist eine nette Überraschung.“ Flüsterte sie an seinem Hals und küsste ihn neckend.
„Da fühlt sich jemand wohl schon wieder besser.“ Grinste er und schob sie eine Armlänge von sich fort, um sie ansehen zu können. „Hast du Hunger? Möchtest du ein Bad? Ich bin ab heute dein persönlicher Haussklave.“
Frech lächelnd blickte Fay zum Badezimmer. „Also... eine Dusche zu zweit würde ich nicht ablehnen.“
Kopfschüttelnd lehnte Durial ab. „Vergiss es. Duschen zu zweit hat dich erst in diese Lage gebracht, du wirst die nächsten Monate Ruhe und Frieden brauchen.“
„Aber was soll schon passieren? Das ich doppelt schwanger werde? Das ist unrealistisch.“ Meinte Fay und ließ ihre Hände unter sein Shirt gleiten.
„Fay... Ich meine es ernst.“ Nuschelte er an ihren Lippen und Fay wusste, sie hatte bereits gewonnen. Rückwärts fiel sie ins Bett, wobei Durial darauf achtete, dass sie sanft aufkam, und schob ihr Hemd hoch um besser an ihre nackte Haut zu kommen.
Mit zärtlichen Küssen bahnte er sich eine feuchte Spur über ihr Schlüsselbein, vorbei an ihren Brüsten und blieb an ihrem Bauch hängen. Erwartungsvoll reckte Fay ihm ihre Hüfte entgegen, doch Durial dachte nicht einmal daran, weiter zu gehen.
„Hallo du, da.“ Murmelte er an ihrem Bauch und brachte Fay zum Lachen.
„Was tust du denn da?“ Fragte sie und stützte sich auf ihre Ellenbogen.
„Ich mache Kindergerechte Sachen.“
Fay lachte abermals und streichelte Durial dabei zärtlich über das Haar, während er weiter mit ihrem Bauch sprach. „Weißt du schon wer ich bin? Merk dir meine Stimme so gut du kannst, denn dein Papa hat dich sehr lieb, auch wenn er nicht da sein kann.“
Fays Stimmung erreichte auf der Stelle einen Tiefpunkt, doch sie wollte ihn nicht unterbrechen. „Weißt du, deine Mama ist ein bisschen anstrengend.“ Ein weiter zärtlicher Kuss folgte. „Aber mach dir nichts daraus, ich bin nicht anders und du wirst uns bestimmt beide übertrumpfen.“ Fay lächelte etwas und die ersten Tränen erschienen an ihren Wangen. Langsam bekam sie das Gefühl, dass sie noch nie so viel geweint hatte, bevor sie hierher kam. „Und eines Tages, wenn du ganz groß bist, wirst du deine Mama auf deinem Rücken tragen, sie zum Festland fliegen und in meine Arme fallen lassen. Was sagst du dazu? Dafür schulde ich dir dein Leben lang ein Eis, wann immer du eines willst.“ Schwor er und brachte Fay damit doch wieder richtig zum Lachen, doch dann verstummte sie und blickte ihn erschrocken an.
„Ist das gerade ein Fluchtplan?“ Fragte sie Durial, der verschwörerisch grinste.
„Ich weiß nicht was du meinst.“ Antwortete er ausweichen und streichelte sanft ihren noch flachen Bauch, in dem ihr gemeinsames kleines Wesen schlummerte.
Fay musste sich eingestehen, dass es überhaupt keine schlechte Idee war. Wer nicht, als ihr eigenes Kind, würde sie fliegen, um wieder zu seinem Vater zurückzukommen? Kein anderer Drache würde es erlauben, dass sie hier wegkam, doch ihr eigenes Kind würde es wohl kaum ausschlagen seinen Vater zu sehen. „Ich liebe dich.“
Durial schob sich wieder zu ihr hoch, sodass ein Arm über ihr lag, und küsste Fay mit all der Liebe, die er für sie empfand. „Ich dich auch.“
Der neue Kühlschrank kam noch am selben Tag so wie ihre neue Fleischlieferung. Was man ihr jedoch nicht geben konnte, war ein Medikament, oder einen Gegenstand, der ihr helfen würde, das alles zu überstehen.
Kapitel 6 - Das Alte, das Neue und das Falsche
Dezember, nur bis Dezember. Das sagte sich Durial ständig vor, während Vauven, der Wayvern der Purpurdrachen, ihn in einem für Drachen gemachten Transportstuhl über das Meer, in einer Nacht und Nebel Aktion flog, um ihn am Festland aus zu setzten. Vor vierhundert Jahren hatte Durial etwas Zeit auf dem Festland verbracht, doch war niemals sonderlich angetan gewesen von der Vielfalt an Wesen, so wie ihren erschreckenden Machenschaften. Schon damals hatte er die Drachen für zivilisierter und mächtiger gehalten, bis er eines besseren belehrt worden war. Und nun stand er hier. Seine Beine berührten seit vierhundert Jahren wieder einmal das Festland und das nur für eine einzige Aufgabe.
Vauven verwandelte sich neben Durial und warf den Transportstuhl die Klippen hinab in den peitschenden Ozean, der die Drachenberge seit jeher vom Festland trennte. „Ich denke, ich muss dich kein weiteres Mal daran erinnern, was auf dem Spiel steht?“
„Meine Gefährtin und mein Kind. Ich denke, das ist klar genug.“ Meinte Durial ausweichend und wandte den Blick ab, während er seinen Rollkragen höher zog.
„Fay wird niemals deine Gefährtin sein, Durial. Du bist kein richtiger Drache mehr und sie ist alles andere, als einer.“ Vauven betrachtete den flugunfähigen Drachen abschätzig. „Und nur damit du es weißt, sehen wir uns wieder, werde ich dich töten müssen, offiziell giltst du, als Vermisst, nicht tot.“ Ermahnte ihn dieser noch einmal.
Durial nickte. „Halte mich für was du willst. Ich werde alles tun was ich kann, bis Fay nachkommt.“
Die geflüsterten Worte an Fays Bauch waren nicht nur eine nett gemeinte Geste gewesen, sondern sein voller Ernst. Durial wusste, dass kein Drache jemals es wagen würde Fay auf das Festland zu bringen, da er danach, als Ausgestoßener enden konnte. Doch sein Kind, das sie unter ihrem Herzen nun seit drei Monaten trug, sollte dazu im Stande sein. Er hoffte, dass es tatsächlich ein Drache werden würde und mit Fay über das Meer kommen, um bei ihm zu sein. Auch, wenn er zur Sicherheit dieses Thema nicht groß aufgezogen hatte, wünschte er sich nichts sehnlicher.
„Hoffe so lange du willst. Niemand wird sie über das Meer tragen. Sie ist wichtig für die Drachen, um zu repräsentieren, dass es immer noch möglich ist, dass Drachenkinder geboren werden. Du kennst die stark dezimierte Geburtsrate. Seit dreiundzwanzig Jahren ist Conchar das erste Drachenkind, was unter allen Drachen geboren wurde. Und das von einem Wesen. Sie gibt den anderen Hoffnung und dass sie nicht weiß, wie wichtig sie für unseren Erhalt ist, ist wichtiger, als du es dir jemals vorstellen kannst. Das ist einer der Gründe weshalb ich dich wegschicke.“
„Du meinst abgesehen davon, dass du mich hasst dafür, dass ich deinen Vater beinahe mit in den Tod gerissen hätte?“ Durial wusste nicht, woher dieser plötzliche Zorn kam, doch die Bilder von damals blitzten klar vor seinem inneren Auge auf, als wäre es erst gestern gewesen.
„Vater hat sich gut erholt und niemand hat etwas bemerkt. Du hast wohl dein Ziel verfehlt.“
Zischend stieß Durial die Luft aus. „Mein Ziel war es zu demonstrieren, dass die Wyvern schwach werden wenn sie ständig die Marionetten des Rates bleiben und ich hatte recht.“
„Vielleicht hattest du in ein paar Punkten recht, doch wir Wyvern sind nicht umsonst die Anführer dieser Sippe. Wir haben die Stärke, um das Volk zu führen und den nicht zu brechenden Willen.“
Kopfschüttelnd wandte sich Durial ab, presste das Päckchen für Megumi und Elyon fester an sich und ließ alles hinter sich. Seine ehemalige Familie, die ihn verstieß, seinen Wyvern, dessen Vater ihn verstümmelte und seine geliebte Gefährtin mit seinem ungeborenen Kind unter dem Herzen. Dabei wusste er nicht ob er über all das lachen oder weinen sollte?
- - - - -
Elyon, der eben versuchte, seine Tochter mit einem großen saftigen Stück Fleisch unter dem Sofa hervorzulocken seufzte schwer, als es auch noch unnötigerweise an der Türe klopfte. Sein neues Überwachungssystem hatte ihm bereits gemeldet, dass ein Besucher bald eintreffen würde, doch dass es sich dabei um einen Drachen handelte, ließ ihn sofort knurren. Bedrohlich ließ er seine schwarzen Augen aufblitzen, in denen sich die Hölle selbst spiegelte und betrachtete das große Päckchen in dem Arm des purpurnen Drachen. „Ach, schickt dein Herr dich zu uns, damit wir unsere Wut etwas über seinesgleichen auslassen können?“ Knurrte Elyon.
Der Drache stellte das Paket auf dem Boden ab und schob seinen Rollkragenpullover, für den es mittlerweile viel zu warm war, hinunter, sodass er eine übergroße Narbe entblößte. „Ich bin ein Ausgestoßener. Mein Name ist Durial und ich bin Fays Gefährte.“
Spöttisch lachte Elyon. „Das bezweifle ich stark. Fay würde sich...“
„Du bist Durial?“ Megumi erschien so schnell neben ihm, dass er sich selbst erschreckte und der Drache einige Meter zurückwich. Offenbar musste sie vom Dach gesprungen sein.
„J-Ja.“ Gab der Drache zu.
„Elyon, lass ihn hinein.“ Megumi hob das Päckchen auf und stieß ihren älteren Bruder zur Seite, sodass sie mit ihrer Beute hinein gehen konnte. Elyon deutete Durial einzutreten, doch er schien sich nicht an ihm vorbei zu wagen. „Du musst zur Seite gehen. Er ist ein Ausgestoßener und den Narben nach zu Urteilen derjenige von dem ich etliche Gerüchte hörte. Er kommt niemandem näher als fünf Meter. Höchstens.“ Erklärte sie und Elyon schnaubte genervt. Heute war einfach nicht sein Tag.
Im Wohnzimmer angekommen machte sich bereits ein junges Leopardenbaby, das gerade einmal sechs Monate alt war, über das fallengelassene Stück Fleisch her und fing sie ein, bevor sie wieder fliehen konnte. „Hab ich dich Lenya. Du kleine Bestie.“ Zur >Strafe< dafür dass sie heute einen schlechten Tag hatte, kitzelte er das kleine Fellknäuel am Bauch und brachte es prustend zum Lachen, sodass sie sich wieder zurück in ein kicherndes Mädchen mit kurzen schwarzen Locken verwandelten.
„Na, komm. Ich habe dir etwas Blut gewärmt.“ Bestach er das kleine Wesen, welches das versprochene Fläschchen liebend gerne entgegennahm und vergessen war der ganze Ärger, den sie heute bereits verbrochen hatte. Da sie ein Vampir wie Celest und zugleich ein Leopardenwandler, so wie ihre Tante war, musste er die Nahrung, die sie ihr gab etwas Mischen. Milch vertrug sie nur in der Form eines Jaguars und Blut trank sie in jeder Form gerne. Anfänglich war es für den unerfahrenen Elyon schwer gewesen, sie überhaupt einmal zum Schweigen zu bringen, doch seit Megumi sich erbarmt hatte ihm zu helfen und endlich wieder sprach, verlief seine Elternzeit so harmonisch, wie es mit einer immer hungrigen Wildkatze auf einem Bluttrip eben ging.
„Also, was suchst du hier?“ Fragte Megumi den Neuankömmling, während sie das mitgebrachte Paket aufriss und zwei neue Bücher zum Vorschein brachte, die sie sofort an ihren Brustkorb presste und daran schnupperte, um Conchars Geruch aufzunehmen. Dasselbe wiederholte sie an den Spielzeugen und lächelte wie auf Drogen. Zumindest empfand Elyon es so.
„Wie gesagt, ich bin wegen Fay hier.“
„Ich bezweifle, dass wir irgendetwas für Fay tun können, egal wie sehr wir es uns wünschen. Sich mit einem Clan anzulegen ist die eine Sache, sich alle Drachen zum Feind zu machen, eine ganz andere, besonders da ich meine Tochter schwerlich in einen Kampf verwickeln kann.“
Die Kleine widerlegte seine Worte indem sie ihn in den Finger biss und gierig an ihm saugte. Fluchend legte er Lenya in ihren Stall, der höher als normale Laufställe war, da ihre Hinterbeine bereits sehr stark waren und sie gerne hinübersprang.
„Um das geht es nicht. Einmal vorne Weg: Fay geht es den Umständen entsprechend gut. Sie hat mich vor Monaten in alle Geheimnisse eingeweiht, doch Vauven, weiß nichts davon, sonst wäre ich längst tot. Dass ich hier sein darf, liegt einzig und alleine daran, dass ich der Vater von Fays noch ungeborenen Baby bin.“ Erschrocken sah er, wie Megumi zusammen zuckte und verärgert knurrte, als sie den Namen ihres ehemaligen Gefährten hörte. „Bist du sicher dass du der Vater bist? Ansonsten schwimme ich dort hinüber und werde Vauven...“
„Nein!“ Schrie Durial sofort auf, als wäre dies undenkbar. „Vauven und Fay hassen sich. Sie würde ihn nicht einmal mit Pinzette und dicken Handschuhen anfassen so wenig mag sie ihn, oder alle anderen Drache. Wie gesagt... sie ist wirklich meine Gefährtin.“
Elyon sog scharf die Luft ein, während Megumis Mund aufklappte. „Das kann doch kein Zufall sein. Vor zwei Jahren erkannten >dieser Mistkerl< und ich, dass wir Gefährten sind und ich konnte ein Drachenbaby... nein einen richtigen Wyvern gebären. Und jetzt Fay und du? Elyon? Wie ist das Möglich.“
Elyon ließ sich in seinen Stuhl fallen und versuchte die Details zu verarbeiten. „Schon immer war es so, dass sich Wesen und Menschen mischten. Jetzt gibt es kaum noch Menschen, dafür aber viele Wesen. Drachen haben ihre Geschäfte und Sitten lieber unter sich behalten. Sie kamen zwar oft auf das Festland, doch alles andere, um sich zu mischen.“
„Vor dreiundzwanzig Jahren wurde das letzte Drachenkind geboren. Davor waren es siebzehn Jahre, davor einunddreißig. Die Drachen schöpfen in Fay die Hoffnung, dass sich endlich alles dem besseren zuwendet.“ Erklärte Durial.
„Vielleicht liegt es ja tatsächlich daran, dass sich die Drachen zu stark mit ihresgleichen vermischt haben.“ Schlug Elyon vor.
„Du meinst, es ist etwas genetisches?“
„Die Natur sucht sich immer ihren Weg, egal wie sehr es die Drachen versuchen zu vermeiden.“
Durial nickte, denn für ihn ergab es Sinn. „Mischlingsdrachen wurden früher meist sofort abgetrieben oder überlebten die Geburt nicht. Zumindest die, die von weiblichen Drachen geboren wurden. Jedoch männliche Drachen schafften es bis heute nur mit höchsten einer oder zwei Frauen ein Kind zu zeugen. In der Geschichte wurden es langsam aber sicher immer weniger, bis mindestens Zehn bis zwanzig Jahren zwischen den Geburten von Kindern lag. Und dabei spreche ich nicht von einem Clan, sondern von wirklich allen!“ Fügte Durial hinzu, damit die beiden verstanden, wie ernst die Lage der Drachen überhaupt war.
„Deshalb wollten sie also mich so dringend?“ Fragte Megumi unsicher.
Durial nickte. „Ja, auch wenn es niemand laut ausspricht. Die Drachen sterben aus, wenn sie sich nicht vermischen.“
Megumi wechselte einen vielsagenden Blick mit Elyon, der bereits mit seinen Gedanken in seinem Arbeitszimmer war. „Nun, gut. Es ist erschreckend, doch nach alldem können sie kaum erwarten, dass wir ihnen dabei helfen. Sie sind eitel, verbohrt und Scheißkerle.“ Megumi meinte jedes Wort ernst.
„Mir brauchst du es nicht zu sagen.“ Antwortete Durial darauf. „Ich bin nicht der größte Fan des Rates und habe ein loses Mundwerk wie Fay, der mich meine Flügel und meine Kraft gekostet hat. Ich bin nur hier, um Fay zu helfen.“
„Inwiefern helfen?“ Hakte Elyon nach, da er sich immer noch nicht vorstellen konnte, dass ausgerechnet Fay, ein wiederbelebter Ghul, schwanger sein konnte.
„Die Heiler mussten Fay daran hindern zum Ghul zu werden, da sie ansonsten das Kind verlieren könnte, was bedeutet dass sie... nun, ja. Deshalb bin ich eigentlich hier, denn sie lebt immer noch.“
Erstaunt zogen die Geschwister die Augenbrauen hoch. Bisher waren sie davon ausgegangen, dass Fay einfach ein freier Ghul ist und daher auf ihre Sirenenkräfte noch zugreifen konnte. Elyon war dies schon immer seltsam erschienen, doch da man bisher nicht wirklich etwas über einen freien Ghul hatte erfahren können und es Fay nicht in Schwierigkeiten gebracht hatte, machte er sich auch keine besonderen Gedanken darum. Jedoch zu hören, dass die Drachen einerseits Fay ihre größte Stärke genommen hatten, war erschreckend, doch dass sie, nachdem sie nicht mehr von ihrem Ghul am Leben erhalten wurde, immer noch weiter atmete und dann sogar noch ein Kind in sich aufzog... das erschreckte ihn geradezu. „Ich verstehe auf was dieses Gespräch hinausläuft und ich schätze, dass Fay dich wegen meinen Dokumenten hierher gebracht hat?“
Durial nickte. „Sie sagte, dass du der Einzige seist, den sie kenne, der so viel Wissen über Wesen gesammelt hat, wie Drachen über sich sich selbst.“
Elyon blickte zu seiner Tochter, die knurrend an den eisernen Stäben kaute, um sich einen Weg ins Freie zu bahnen, doch seufzte ergeben. „Ich bin Fay weit mehr schuldig, als dass ich ihr jemals alles vergelten könnte. Ich tue alles für sie.“ Entschied Elyon.
„Ich empfinde genauso.“ Versprach Megumi und stellte endlich die Kiste zur Seite. „Dann würde ich vorschlagen, dass ihr beiden Männer euch zusammensetzt und alle wichtigen Details durchgeht, um einen Plan zu entwickeln. Ich kümmere mich um Lenya.“
„Danke, Schwesterherz.“ Megumi lächelte ihrem verbliebenen Bruder zuversichtlich zu.
„Wir beide verdanken ihr, dass wir noch zusammen sind, sie beschützt meinen Sohn und würde unser aller Geheimnis mit ins Grab nehmen. Ich denke, es ist ein guter Anfang, wenn wir zumindest versuchen herauszufinden, welcher Art sie angehört.“ Damit war es beschlossene Sache. Durial bekam Fays Zimmer, in dem er sich sofort wohl fühlte, da alles noch nach seiner Gefährtin roch. Wehmütig dachte er an sie, wie sie in ihrem Zimmer liegen musste und von der gackernden Magd umsorgt wurde, der sie nur zu gerne den Kopf abreißen würde.
- - - - -
„Das waren alle?“ Fragte Durial sarkastisch, als Elyon den letzten Berg an Büchern herunter trug, den er über Ghule, Vampire, Sirenen und böse Sirenen finden hatte können. Jedoch waren diese vier Gruppen weit mehr Arbeit, als er gedacht hatte. Zusammen hatten sie sich einen der wiederaufgebauten Säle hergerichtet, mit drei Schreibtischen, mehreren Ablagen und einer riesigen Tafel, auf der sie versuchten Puzzleteilchen zusammen zu fügen. Mehrere Meter an Buchtürmen und Schriften zierten noch die Wände, doch Durial wusste, das dies nicht lange so bleiben würde.
Nach bereits drei Tagen, in denen sie überhaupt nichts fanden, war ihre anfängliche Ordnung auf ein ungesundes Chaos gesteigert worden. Hin und wieder half Megumi ihnen, wenn Lenya schlief, doch tat sie nichts weiter, als die nichtssagenden Bände wieder an ihren Platz zurück zu räumen.
„Elyon? Was sind... Ent?“
„Wo hast du denn das gelesen?“ Hakte Elyon nach, da er sich nicht erinnern konnte, etwas aus der Kategorie der Pflanzenwesen genommen zu haben. „Hier steht, dass zur Zeit des letzten Entkrieges etliche Sirenen ihr Leben ließen.“
Elyon erinnerte sich an den Artikel. „Ja, das war wirklich furchtbar. Man dachte wenn die Sirenen singen, würden die Menschen den Krieg schnell gewinnen, doch dadurch, dass Ent mehr Pflanzen, als Menschen sind, ging dieser Schuss ganz schön nach hinten los.“ Erklärte ihm Elyon und wirkte dabei, als wäre es selbstverständlich gewesen, dass die Ents ihn beinahe gewonnen hätten.
„Weißt du, es gab da einen Vorfall. Weißt du zufällig etwas über dunkel Sirenen, oder bösartige?“
Elyon deutete auf einen Stapel mit Sirenen. „Müsste sich dort alles befinden. Was ist denn passiert?“
Durial wühlte sich durch die Sirenenbücher, während er sprach. „Vor einigen Monaten, kurz bevor klar wurde, das Fay schwanger ist, kam da so ein Drache. Einer von den roten. Sie behauptete dass Fay eine... Nixe sei? Sagt dir das etwas?“ Elyon fiel beinahe vom Stuhl, doch das bemerkte Durial überhaupt nicht. „Vauven wollte dem Geschwafel nicht sonderlich viel Glauben schenken, du weißt ja, die Drachen wollen Fay so unwissend wie möglich halten.“
„Moment! Wiederhole das. Sie sagte bestimmt >Nixe<?“ Durial stoppte seine Suche und blickte Elyon eindringlich an.
„Ja.“
„Nixen sind eigentlich genau das Gegenteil von Sirenen. Ich weiß nicht, wie sie darauf kommt, aber es gibt tausende... abertausend von Legenden von ihnen. Sie werden Meermenschen, Fischmenschen, oder einfach Nixen genannt. Sie lebten einst im Ozean, und in allen Seen, doch waren stark anfällig auf Umweltverschmutzungen, veränderte Temperaturen in den Meeren und starben vor Jahrhunderten aus. Ich glaube... mein Vater sollte eigentlich...“ Elyon verschwand aus dem Raum und Durial eilte ihm hinterher, in der Hoffnung, dass sie endlich auf etwas stießen.
Elyon lief drei Stockwerke hinauf und öffnete eine große zweiflügelige Türe aus dunklem Holz und vergoldeten Zeichen, die das Wappen der Vastia darstellten. Durial war dieses Wappen überall im Haus aufgefallen, beinahe als sollte es einem immer daran erinnern, welch kraftvolle Familie dies ist, auch wenn es nur drei lebendige Mitglieder gab.
„Hier irgendwo... sollte er... oder vielleicht bei den Tiefseen? Nein, ganz bestimmt nicht.“
Durial sah sich in Ruhe in dem großen, äußert chaotischen Raum um, in dem alle Regale mit alten Manuskripten, brüchigen Büchern und jede Menge Tinte vollgestopft war. Leder, Papier, Holz. Es roch herrlich. Genüsslich sog er die Luft ein, da fiel ihm etwas anderes auf. „Riecht es hier... nach Kohle?“ Fragte er vorsichtig und schnupperte weiter im Raum. Durial bezweifelte, dass Elyon jemals Feuer in diesem Raum machen würde.
„Ja, der Geruch kommt von einem der Manuskripte auf dem Tisch. Ich versuche seit mehr als einem Jahr die Schrift zu katalogisieren und zu übersetzen aber... sie ergibt keinen Sinn.“ Meinte er und suchte derweilen einfach weiter.
Durial warf einen Blick auf das Manuskript mit dem vertrauten Geruch und rollte es vorsichtig auseinander. Es war in einer sehr alten Schrift geschrieben, die Elyon niemals verstehen würde. Lachend legte Durial es zurück.
„Was ist so lustig?“ Fragte Elyon und steckte ein ausgewähltes Buch zurück an seinen Platz.
„Nichts, ich dachte nur das du großen Ärger bekommen wirst, wenn ein Drache erfährt, dass du die gestohlenen Bänder besitzt.“
Elyon, der halb von der Trittleiter fiel, warf dem Drachen einen erschrockenen Blick zu. „Was sagst du? Wovon sprichst du überhaupt?“ Elyon gab seine Suche auf und kam zu Durial an den Tisch.
„Hier, diese Zeichen die du versucht mit Krylisch zu übersetzten, es ergibt absolut keinen Sinn. Die Zeichen auf den Pentagrammen, das sind Standpunkte, die nur...“ Durial griff nach einer Schere und schnitt es in einzelne Teile, wobei er Elyons beinahe tödlichen Blick ignorierte. „...ineinander verschoben einen Sinn ergeben.“ Beendete Durial seinen Satz, hob die übereinandergestapelter Papierteile gegen das Licht und überließ es Elyon, sich einen Reim auf all das zu machen.
„Du hast recht. Ich habe es die gesamte Zeit nur als Pentagramm angesehen. Ich dachte es sei etwas von Fluchträger...“ Nuschelte er und wechselte noch einmal die Perspektive.
„Du kannst es aber wegschmeißen, dass ist ein sehr veralteter und nicht mehr aktueller Aufbau der Drachenberge. Ich denke... sie müssen um die siebzehntausend Jahre alt sein? Ungefähr.“ Schätzte Durial, da bereits einige dieser Punkte die Städte einzeichneten vergrößert oder umgebaut worden waren.
„Das ist... ich kann es überhaupt nicht beschreiben!“ Staunte Elyon. „Und das? Was ist mit diesen Schriften?“
Elyon legte sorgfältig die Karte zur Seite und hob die Schmierei an, die er bisher nicht entziffern hatte können. Auch das konnte Durial erklären. „Es ist die Flammenzunge. Das sprechen nur Drachen und verstehen auch nur sie.“
„Also verstehst du es?“ Durial nickte. „Ich müsste es lediglich in meiner Drachengestalt aussprechen, dann kann ich dir übersetzen, was dort steht. Geschrieben kann das nur ein Wyvern haben, da sie die einzigen sind, die diese Sprache zur Schrift bringen können. Wenn du willst übersetze ich es in den Pausen?“
Elyon nickte stolz. „Danke, es wäre eine große Hilfe, wenn ich sie endlich katalogisieren könnte.“ Seufzte er und reichte Durial das Manuskript.
„Mache ich gerne, nur werde ich mich ausschließlich im Zimmer verwandeln, da ich... ohne Fay es nicht wirklich kann...“ Gab er beschämt zu.
„Liegt das an deinen Narben und was passiert ist?“
Durial nickte. „Ich habe meinen Drachen vor Jahrhunderten bei diesem Kampf verloren, während ich heilte. Jetzt ist er klein wie ein jugendlicher, zittrig und ich kann ihn kaum beherrschen. Nur Fay brachte uns bisher wieder näher. Sie glaubt daran, dass ich bald wieder eins mit ihm sein kann, doch...“
„Du glaubst es nicht?“
Durial schüttelte den Kopf. „Mit ihr vielleicht. Mit ihr teile ich den Glauben den sie in mich steckt, aber alleine? Ohne Fay, ist es jetzt einsamer, als jemals zuvor.“
Elyon wusste nicht, was er darauf erwidern sollte, da er verstand, was Durial versuchte zu sagen. Auch Megumi würde ihn verstehen, da sie beide ihre Liebe verloren hatten. Vermutlich war Durial der Einzige mit der Aussicht, seine Liebe noch einmal sehen und retten zu können. Vorsichtig probierte er es trotzdem. „Du weißt doch von Megumi und Vauven? Also ihre Geschichte?“
„Und wie sie ausging? Ja.“ Durial wurde plötzlich traurig und ganz klein, als würde er in einen alten Trott hinein fallen.
„Auch ich habe so jemanden verloren... oder sagen wir lieber, sie musste gehen, um uns vor sich selbst und dem zu beschützen, was in ihr lebt. Sie schenkte mir noch eine Tochter bevor sie ging und jetzt ist sie unauffindbar. Jedoch, muss ich zugeben, dass ich es noch nicht einmal probiert habe. Sie hat uns auf einem Kampf sitzen gelassen, um unsere Tochter nicht zu gefährden, danach hat sie sich abgesetzt und weggesperrt damit Lenya niemals dasselbe Schicksal wie ihr selbst widerfährt. Ich stehe immer noch zwischen den Verlangen, sie wieder in meinen Armen zu halten und dem Hass darüber, dass sie uns, mehr oder weniger, im Stich gelassen hat.“ Elyon seufzte tief, als er an seine Celest dachte. „Aber umso erfreuter bin ich, wenn ich daran denke, dass zumindest Fay es geschafft hat eine Liebe zu finden, die nicht unbedingt in einem Drama enden muss und zu der sie jederzeit zurück kehren kann, sobald es die Zeit zulässt.“
Durial nickte. „Nichts wünsche ich mir mehr, als dass sie einen Drachen gebärt und mir nach kommen kann, sobald das Kind alt genug ist, sie zu tragen. Ich wünschte dieser Tag wäre bereits morgen.“ Frustriert griff er sich an den Kopf. „Entschuldige. Machen wir mit den Nixen weiter?“
Elyon nickte und suchte einige Bücher heraus, in denen Nixen angeschnitten wurden. Die meisten jedoch fand er bei den Alten Seefahrerlegenden, was er zu gut verstehen konnte. „Also hat sich der Drache geirrt?“
Elyon hob unwissend die Schultern. „Wer weiß. Vielleicht hat der Drache sie auch einfach verwechselt. Du weißt schon, Gene die wieder auftauchen und manche sehen aus wie Doppelgänger eines bereits verstorbenen. Aber es bringt uns nichts darüber zu philosophieren, ohne Anhaltspunkte. Kannst du dich erinnern? Hat sie vielleicht noch etwas angesprochen?“
Durial schüttelte den Kopf. „Ich habe nur den kleinen Prinzen geholt damit er nicht aus Versehen niedergetrampelt wird und habe ihn zu Vauven gebracht, der mich einfach stehen ließ und sofort zu Fay flog, damit sie den anderen Drachen nicht umbringt. Etwas später hatte sich der Trubel gelegt und alle schienen glücklich über die Geburt eines neuen Drachens, aber ich hörte dennoch Vauven einmal mit dem Rat über die Vorkommnisse sprechen. Er erzählte ihnen, wie Fay uns erzählte, dass der Drache, von dem sie angegriffen wurde, behauptet habe das einzig überlebende Kind von irgendetwas zu sein. Sie gingen aber nie ins Detail.“
„Also fassen wir zusammen. Ein roter Drache, hielt Fay für eine Nixe?“ Durial nickte. „Die soll irgendeinen Ritus vollzogen haben?“ Er nickte wieder.
„Mit Kindern, aber die Altersklasse, kann ich nicht einschätzen und auch nicht, ob es nur Drachen betraf, oder auch Wesen.“
„Nun, ja. Wären nur Drachenkinder betroffen, müsstest du es in eurer Bibliothek gefunden haben.“
Durial nickte. „Ja, das dachte ich mir auch schon, also muss es verschiedene Kinder mit einbeziehen.“
Elyon dachte darüber nach. „Kinderrituale? Drachen? Nixen... Es ergibt nicht wirklich einen Sinn.“ Meinte er nichtssagend.
Durial ging zur Tafel und drehte sie einmal um, um eine neue, Seite zu bekommen. „Gehen wir es kategorisch an.“ Durial hatte bereits bemerkt, dass er und Elyon ziemlich auf derselben Wellenlänge waren, auch wenn Durial lediglich seit ein paar Jahren und Elyon schon sein Leben lang und darauf geprägt.
„Wir haben hier einmal... Rituale.“ Durial schrieb auf einen Drittel der Tafel das Wort >RITUALE< auf. „Aus der nächsten Spalte mach >WESEN<.“ Schlug Elyon vor und zog sich einen Stuhl heran um einen perfekten Überblick zu haben.
„Und die dritte?“ Fragte Durial. „Lass sie aus, das sehen wir später.“
Durial tat wie geheißen und zusammen, schrieben sie alle Gruppierungen auf, von denen sie wussten, dass sie Rituale vollzogen, und schlossen die Naturwesen aus, welche diese nur taten, um Wälder zu vergrößern oder Gewässer zu säubern. In der zweiten Spalte listeten sie sämtliche Wesen auf, die ihnen zu den ersten Gruppierungen einfielen und überdachten wie sie diese mit den Drachen in Verbindung bringen könnten. „Fluchträger und Magieträger wären die einzigen, die mir einfallen könnten, da ich ständig... Obwohl, vermutlich sollten wir uns stärker auf das Wort Ritual konzentrieren. Was bedeutet es, Durial?“
Elyon fragte es lediglich, da er hoffte, wenn er es wörtlich hörte, konnte er es sich visuell besser veranschaulichen. „Ritual? Es ist ein Akt, bei dem sich entweder mehrere Personen versammeln, so wie eine Sekte, man kann ein Ritual auch alleine durchführen, um seinen Körper, zum Beispiel, zu reinigen. Es kann auch etwas traditionelles sein, also ein Brauch, ein Ritus, oder...“
„Ein Ritus!“ Bemerkte Elyon laut und unterbrach Durial, dem ohnehin beinahe nichts mehr eingefallen wäre. „Lösch das Wort Ritual aus deinem Kopf und denk nur an Ritus.“
Durial verstand kein Wort. „Ist Ritual nicht das selbe wie Ritus?“
„Denk nicht so praktisch, Durial. Stell es dir vor. Ein Ritus, einer Sekte. Was will sie?“
Durial stellte es sich vor und fügte die Informationen hinzu, die er auf die dritte Stelle der Tafel schrieb. „Also eine >Sekte< die einen >Ritus< nachgeht in denen sie >Kinder< opfern. Also eine bösartige Sekte, da sie >unschuldiges Blut< vergießen.“ Notierte er laut und Elyon nickte zustimmend.
„Was bleibt uns dann? Magie fällt weg, Naturwesen fallen weg,...“ Durial strich bei jedem >weg< ein weiteres Wesen, aus der mittleren Spalte durch. „Sirenen kannst du eigentlich auch streichen, da Sirenen nur heilen und niemals unschuldige Opfern würden.“
„Nixen?“ Fragte Durial.
„Gute Frage. Früher haben manche Ozeanarten nicht nur Plankton oder Seegras gegessen, sondern auch Lust an Menschenfleisch gefunden. Darum die ganzen bösartigen Geschichten über sie. Anderseits haben Meermenschen auch Seeleute gerettet, die beinahe ertranken. Aber lass sie fürs erste einmal.“
„Dann bleiben aber immer noch viel zu viele Varianten.“ Meinte Durial beinahe verzweifelt.
„Ich weiß, es ist, wie das suchen der Nadel im Heuhaufen.“ Zitierte Elyon. „Außerdem kann sie sich doch auch geirrt haben. Bisher habe ich nicht mehr gesehen, als eine singende und tote Fay. Also Sirene und Ghul. Dabei kann man einen Ghul überhaupt nicht mischen. Es ist ein totes Lebewesen, das von einem Vampir wiederbelebt wurde und nicht selbstständig denkt, außer in den Jahren, wenn es sich nach langer Zeit die Eigenschaften und Denkweisen seines Meisters aneignet. Von Alasan weiß ich...“
„Entschuldige die Unterbrechung, doch wer ist Alasan? Ich erinnere mich, dass Fay ihn einmal angeschnitten hat, als sie mit Vauven stritt.“
„Alasan war mein Bruder, er starb vor einem Jahr, als die Drachen angriffen und war in Fay verliebt, was aber leider ziemlich nach hinten losging. Er dachte er könne Fays Herz gewinnen indem er ihr ihre Ghul Seite näher brachte, doch sie fing nur an ihn etwas zu hassen. Wochenlang flog er durch Wände wegen ihres Zorns, alleine wenn er ihr zu nahe kam. Meine armen Möbel litten darunter.“ Versuchte Elyon zu scherzen, doch Durial brachte nicht mehr als ein höfliches Lächeln zustande. „Auf jeden Fall, fand Alasan nicht sonderlich viel mehr heraus, als wir bereits wussten. Sie sind gedankenlose Lakaien der Vampire, fressen Menschenfleisch und vernichten somit Beweise, sie wandern an Tageslicht und beschützen somit ihre Herren. Sie schlafen nicht, sie müssen höchstens einmal im Monat gefüttert werden und besitzen keinerlei richtige Lebensenergie, außer die, welche sie von ihrem Meister imitieren. Leider ist es keine genaue Wissenschaft, sondern eine Laune der Natur, ansonsten wüsste ich bereits weit mehr über sie.“
Durial dachte über das gesagt nach, doch es war genau das, was er selbst davor bereits erfahren hatte. Also standen sie in einer Sackgasse. „Na, gut es nutzt nichts. Suchen wir weiter, sonst verbeißen wir uns auf einem Thema und übersehen etwas.“ Meinte Durial und Elyon empfand es als gute Idee.
Die Tage vergingen. Die beiden Männer arbeiteten abwechselnd und Megumi hütete den kleinen Frechdachs. Hin und wieder, fanden sie einen Anhaltspunkt, doch weit kamen sie mit ihm nicht, außer auf noch neue Theorien, während sie sie gleichzeitig wieder verwarfen.
„So meine ich es ja überhaupt nicht.“ Flüsterte Megumi zu ihrem älteren Bruder, während er seine Tochter über seine eigene Ader fütterte. „Aber es hört sich danach. Vertraue mir, wenn ich dir sage, dass ich Durial bereits gut genug kenne...“
„Um was? Zu wissen was er dir gesagt hat und dass er sich die Nächte um die Ohren schlägt für eine These die weder bewiesen noch klar ist? Elyon, du lasst dich viel zu leicht von deinem Wissenschaftler in dir verführen.“
„Durial ist kein böser Mensch, das sieht man.“
Megumi schnaubte abweisend. „Ich bin die Versuchung pur und töte trotzdem zum Spaß.“ Meinte sie vielsagend, wobei Elyon ihr jedoch nicht widersprechen konnte.
„Er ist Fays Gefährte.“ Versuchte Elyon weiter Durial zu verteidigen.
„Er kann sie unter Drogen gestellt, vergewaltigt und ihr ein Kind unter geschoben haben, falls sie überhaupt schwanger ist. Vielleicht ist er irgend so ein Abgesandter des Rates, der sich erhofft, alles aufdecken zu können, Fay auffliegen lässt und dann selbst frei sein darf!“
Darüber jedoch ließ sich streiten, was Elyon nicht wollte. Megumi hatte recht. Sie kannte Durial nicht, er erzählte nur über Fay, aber nichts über sich, noch dazu ist er ein Ausgestoßener. Elyon gab daher nach. „Wie du meinst, Schwesterherz. Tue was du denkst tun zu müssen, doch lass mich dabei raus, solange ich Antworten wegen Fay suche.“
Megumi nickte. „Du weißt, ich will es auch wissen und Fay wird es bestimmt freuen, wenn sie endlich weiß, was sie ist, oder wer sie einmal war. Aber das bedeutet nicht dass wir jeden beliebigen dabei einbeziehen sollten.“ Elyon nickte seiner Schwester zu und Megumi verschwand.
Im oberen Stockwerk, fand sie Durial in seinem Zimmer und klopfte an. „Komm herein, ich habe gleich den letzten Absatz fertig.“ Murmelte Durial.
Megumi trat ein und lächelte freundlich, während sie durch das relativ kleine Zimmer ging und sich hinter Durial lehnte.
„Das wird Elyon freuen.“ Erschrocken fuhr Durial von seinem Stuhl hoch, warf Megumi gleichzeitig mit dem Stuhl um, auf den er eben noch gesessen hatte und landete laut knurrend auf seinem Kleiderkasten.
„Komm mir nie wieder so nahe!“ Brüllte er die junge Wandlerin an, die ihn verschreckt ansah. Pure Angst. Das war es, was sie sah. Er hatte Angst vor Nähe, Angst davor angefasst und wieder verletzt zu werden. Innerlich fragte Megumi sich, wie ausgerechnet dieses grobe Wesen namens Fay, ein so zerbrechliches Tier wie Durial gebändigt und an sich gewöhnt hatte. An Durials Oberkörper schimmerten purpurne Schuppen und seine kräftigen Finger verzogen sich zu langen spitzen Krallen, während er darauf wartete, dass sie langsam, rückwärts gehend den Raum verließ und die Türe verschloss.
Erst, als die Wand ihn von Megumi trennte, brachte er seinen Drachen wieder zur Vernunft, woraufhin dieser sich zurückzog, sodass er es wagen konnte zitternd vom Kasten zu springen. Jedoch sahen das seine noch erstarrten Muskeln ganz anders und er landete ungünstig auf dem Boden.
„Ist alles in Ordnung?“
Durial knurrte. Sie stand also immer noch vor der Türe. „Wie waren deine Worte? Mindestens fünf Meter Abstand?“ Warf er ihr vor und hörte ihr genervtes Seufzen.
„Entschuldige, das hatte ich vergessen.“ Gab sie zu und ihre Schritte verließen ihn.
Erleichtert wieder alleine zu sein, schloss Durial die Türe ab und verkroch sich den restlichen Tag in seinem Zimmer. Nicht einmal Elyon ließ er zu sich, während sich sein überforderter Körper langsam entspannte.
Während er studierte, war er Elyon mehr als einmal nahe auf einen Meter gekommen, doch es hatte ihm nicht allzu viel ausgemacht. Elyon wirkte klug und aufmerksam. Hin und wieder etwas schusselig und in Eile, wie ein richtiger Gelehrter, doch auf die nette Art und Weise. Mit Megumi jedoch hatte er weniger zu tun gehabt. Sie schien immer eine dunkle Aura um sich herum zu besitzen, die ihm unweigerlich Angst machte, wobei er es bei ihrer Vergangenheit nicht verdenken kann, dass sie kein lebensfroher und singender Geist war.
„Was ist passiert? Ich habe Geschrei gehört.“ Erkundigte sich Elyon besorgt, der die schlafende Lenya wiegte.
„Nun, ja. Sagen wir, mein Versuch ihn zu bezirzen ist nach hinten losgegangen.“ Meinte Megumi kleinlaut. „Ich habe geklopft und er dachte, du wärst es. Ich habe ihn nicht korrigiert, sondern habe mich hinter ihm an der Stuhllehne in Pose geworfen.“
Elyon sog scharf die Luft ein. Er konnte ahnen, wie es geendet hatte. „Schlussendlich brüllte er mich an, bedrohte mich mit seinen Krallen und sprang panisch auf den Kasten.“ Gab sie unter seinem strengen Blick zu und seufzte tief. „Ich weiß, ich habe selbst gesagt man soll aufpassen, ihm nicht zu nahe zu kommen. Ich habe es eben vergessen.“ Knurrte sie beleidigt auf sich selbst.
„Ich habe mit keinem Wort etwas angedeutet.“ Elyon hatte eigentlich überhaupt keinen Ton von sich gegeben, doch er ahnte, dass allein sein Blick gereicht haben musste.
„Und, gedenkst du, dass er heute noch zum Essen kommt?“
Megumi schüttelte den Kopf. „Bring ihm dann bitte etwas hoch und entschuldige dich für mich. Ich gehe etwas laufen.“
Megumi verschwand flink, wie es nur eine Raubkatze beherrschte aus der Verandatüre und streifte ihre Kleidung ab, die sie achtlos fallen ließ, bevor sie hinaus in die Wälder lief.
„Ja, ich habe doch ansonsten nichts zu tun.“ Fluchte er leise, dann vernahm Elyon auch schon ein Räuspern hinter sich.
„Ich wollte eigentlich nur sagen, dass ich deine Schrift übersetzt habe und wir beide Idioten sind.“
Elyon wusste zuerst nicht, wovon Durial sprach, bis er das alte Drachenmanuskript und einige neuere Papierstücke sah, auf denen etwas hektisch hinaufgekritzelt worden war. Jedoch das mit dem >Idioten< ging ihm noch nicht vollkommen ein. „Bitte, sprich dich aus.“ Bat Elyon und deutete Durial platz zu nehmen, doch dieser verneinte.
„Komm mit in den Büchersaal. Ich weiß jetzt wonach wir suchen müssen.“
Elyon folgte Durial neugierig geworden, durch die Gänge in den großen Saal, in welchem mittlerweile viel zu viele Bücher lagen und wickelte Lenya fester in die Decke, damit sie nichts mitbekam. Elyon fehlte noch, dass sie ausgerechnet jetzt aufwachte. Durial ging direkt auf die große Tafel zu, drehte sie um zu den drei Spalten und löschte alles, was sie bisher hatten.
Mit offenen Mund starrte Elyon ihn an. „Was wird das, wen ich fragen dürfte?“
Durial griff zu einer neuen Kreide und schrieb neue Wörter damit an die Tafel. „Als erstes. Was wissen wir? Ein >Drache< der auf den >Drachenbergen< schwört Fay, eine >Sirene/Nixe< bereits vor >Jahrhunderten< einmal gesehen zu haben, als sie noch ein >Kind< gewesen ist. Ergo? Fay muss mindestens siebenhundert Jahre alt sein, denn so alt schätze ich den roten Drachen. Dadurch das Fay... nein, die Nixe angeblich >Kinder Opfer< gebracht haben wissen wir auch, dass sie eindeutig einer >Sekte< angehörte.“ Durial überlegte kurz, dann löschte er das Wort wieder. „Nein, gehen wir davon aus, dass sie alleine gearbeitet hat, da der Drache sagte Fay sei es gewesen, sie sprach nie von mehreren Leuten.“ Elyon nickte und verstand bis dahin alles. „Rekonstruieren wir was wir haben. >Nixe< sie ist zirka >siebenhundert Jahre< alt,“ Durial verband die beiden Wörter durch einen Strich. „Sollte sie alleine gearbeitet haben, oder gehen wir davon aus, dass sie zuerst Erfahrungen sammeln musste, bevor sie überhaupt Opferungen vollziehen konnte, muss sie mindestens über eintausend Jahre alt sein. Wer weiß? Vielleicht sogar mehr?“ Schlug er vor und schrieb > eintausend mit einem Plus< dahinter auf.
„Gut, jedoch was hat das mit der heutigen Fay zu tun?“ Hakte Elyon nach, da er immer noch keinen Sinn dahinter fand. „Schon klar, es scheint, als wären das zwei vollkommen verschiedene Leute. Vielleicht sind es einfach nur zwei vollkommen verschiedene Seelen?“
Überrascht zog Elyon die Augenbrauen hoch. „Jetzt hasst du meine vollkommene Aufmerksamkeit.“ Bestätigte Elyon und nahm auf dem Stuhl vor Durial und der Tafel platz. Triumphierend lächelte der Purpurdrache und wandte sich wieder der Tafel zu.
„Gut, es gibt aber nicht nur meinen Clan, also den Purpurfarbenen. Sondern auch rote, schwarze, silberne, blaue, grüne, einfach alle Farben. Konzentrieren wir uns auf den roten Drachen, was haben wir?“
Elyon hob unsicher die Schultern. „Dass es etwas mit der Geschichte... der roten Drachen zu tun hat!“ Erkannte Elyon stolz auf sich selbst.
„Genau. Alle Drachen wissen, das die roten Drachen die gefährlichsten sind. Sie sind aggressiver, ungebändigter, unkontrollierbarer. Sie leben weit fort, beinahe schon an der Grenze zu allen Reichen, hoch oben, wo es eigentlich immer eiskalt ist. Niemand hat je ihren Wyvern gesehen, aber wir wissen, dass sie einen weiblichen haben. Bisher der einzige rote weibliche Wyvern den es jemals gab und in diesen Bergen, lebte genau ein Volk, dass jedoch seit mehr als eintausend Jahren nicht mehr gesehen wurde. Selbst die ältesten Drachen erinnern sich kaum noch an sie, da sie so selten und unsichtbar gewesen sind, doch alle wissen, dass sie existiert haben.“
Elyon hatte keine Ahnung, wovon Durial sprach, das erkannte Durial und griff sich an die Stirn. „Entschuldige, dass kannst du überhaupt nicht wissen, doch es steht in diesem Schriftstück.“ Durial reichte Elyon, was er übersetzt hatte und dieser stieß überrascht die Luft aus, doch biss sich sofort schuldig auf die Zunge, da ihm einfiel, dass doch Lenya auf seinem Schoß schlief. „Sie war eine Druide, Elyon. Kannst du dir das vorstellen? Ein Druide!“ Begeistert schrieb Durial das Wort groß über die Hälfte der Tafel.
Jedoch schien Elyon immer noch nicht die Bedeutung dahinter zu verstehen, bis er sich die Übersetzung durchlas. „Das stand wirklich alles auf einer Seite?“ Durial hatte beinahe siebzehn Seiten übersetzt. Eigentlich hatte Elyon angenommen, dass dieser nur eilig alles hingeschmiert hatte, doch nun wo er es sich genauer besah, saß jeder Buchstabe perfekt und jedes einzelne Wort war gut leserlich geschrieben.
„Zuerst dachte ich ein purpur Wyvern muss es geschrieben haben, doch in Wahrheit war es ein roter Wyvern... >der rote Wyvern< der einzig, jemals existierende rote Wyvern.“ Durial betonte diese Wörter so deutlich, dass Elyon erneut begann, über die Schriften zu lesen und das wichtigste herauszufiltern, bis er am wichtigsten Teil ankam.
>Der einzig jemals lebende weibliche rote Wyver zu sein bedeutet auch, das schwächste Glied in der gesamten Gruppe zu sein. Weder kann ich meine Verwandlung kontrollieren, noch darf ich es probieren, da ich danach immer Amok laufe. Meine einzige Chance sind die Druiden. Sie wissen alles, sie können alles und verstehen jedes Gefühl der Unzugehörigkeit. Ich traf einen Druiden. Sie sprach mit mir und hörte sich meine Sorge an. Ich sagte ihr, wer ich sei, was mein Problem sei, und bat sie um Rat. Leider wusste ich nicht genau, wer sie ist, und sie verschwand einfach. Sie ließ mich alleine, obwohl ich ihr doch alles bieten konnte. Nun ist es vorbei. Ich bin am Ende. Das einzige, was ich mir wünsche, ist stark zu sein. Eine Anführerin.< Elyon blickte verwirrt zu Durial. „Also sind das die letzten Worte des roten Wyvern?“ Zumindest klang es für Elyon so.
„Ja, sind es. Zumindest hat sie der Vater von Vauven damals abgeschrieben und die Geschichte aus seiner Sicht vervollständigt.“
Elyon las weiter und erkannte, dass die Schreibweise sich änderte.
>Es ist ein dummes Volk, das sagte ich bereits immer. Nicht nur Drachen sollten die Druiden fürchten, sondern alle. Alle Völker werden sie sich eines Tages unterwerfen und alle Darach werden sich zu Göttern erheben. Evangelia konnte leider nicht ihre Geschichte zu Ende bringen, doch dass sie sich nicht auf einen Druiden einließ, sollte wohl klar gewesen sein. Sie hatte schon immer eine schlechte Charaktererkennung, mangelnde Fähigkeiten und ist viel zu ungeschickt für einen Drachen. Wie sie das alles schaffte, kann nur von Engeln bestimmt worden sein. Evangelia der rote weibliche Wyvern, wurde nach Wochen, kurz bevor sie Selbstmord begehen wollte, abermals von der Druidin heimgesucht. Sie weihte Evangelia in die Kunst der Opferung ein. Der Wyvern sehnte sich so sehr nach ihrem eigenen Glück, dass sie alles tat, was die Druidin verlangte. Sie besorgte aus jedem Clan, ein erstgeborenes Kind, das nicht älter als zehn Jahre sein durfte. In einer Zeremonie unter einem roten Meteoritenschauer vergoss die Druidin das Blut eines jeden Kindes, was sie jedoch Evangelia verschwiegen hatte. Ursprünglich sagte diese nämlich, sie würde nur eine Schuppe von jedem Kind benötigen, doch sie nahm sich mehr. Sie nahm sich deren Leben an. Schwach wie Evangelia war, konnte sie die Kinder nicht vor der Darach beschützen, die nun doch offenbarte, was sie in Wirklichkeit war, doch eines der Kinder konnte sie retten. Es floh in die Wälder, doch ließ der rote Wyvern zusammen mit dem Darach ihr Leben dort. Wie uns heute von wahren Druiden bestätigt wurde, sollte es eine Vereinigung werden. Evalingeria sollte in diesem unschuldigen bunten Blut baden, um sich die Stärke aller Wyvern anzueignen. Der Darach, der dunkle Druide, hätte daraufhin einen Seelentausch vollzogen, um sich den mächtigsten aller Drachenkörper anzueignen, doch Evangelia nahm sich währenddessen das Leben und verblutete zusammen mit dem Darach. Es ist eine Schande ein so mächtiges Wesen verloren zu haben, doch seitdem gibt es keine Druiden mehr. Niemand hört sich mehr unsere Sorgen an. Niemand interessiert sich noch für die Drachen und deren Probleme. Wieso auch? Uns interessiert doch auch niemand.<
Elyon endete hier und blickte verwirrt zu Durial auf. „Du meinst also, dass der Seelentausch tatsächlich funktioniert hat?“
Durial hob die Schultern. „Anfänglich stand noch, dass der Druide eine beruhigende und wohlige Stimme gehabt haben soll. Wenn du es genauer ließt, erkennst du dass der Darach ein Mischling gewesen sein muss.“
„Also ein Druide und eine Sirene? Klingt nach einer betörenden Mischung die nur nach hinten los gehen konnte.“ Bestätigte Elyon und wippte etwas mit dem Stuhl. „Sie hat also Evalingeria, den roten Wyvern, mit ihrem Sirenengesang alle Wahrheiten entlockt und sie vermutlich auch damit dazu bekommen die Kinder zu entführen. So ungeschickt, wie der Wyvern beschrieben wird von dem alten Pupurfarbene Wyvern, kann ich mir kaum vorstellen, dass Evangelia das mit ihren Fähigkeiten geschafft hat.“
Durial nickte bestätigend. „Aber was ist mit dem Ghul?“
Dieses Mal hatte er jedoch keine Antwort. „Vielleicht stimmt dieser Teil. Jemand wollte den tausend Jahre alten Leichnam besitzen, um hinter die Geheimnisse des Darach zu kommen. Wie es aussieht, haben sie aus einem Skelett nicht das hervor bringen können was sie wollten, was ich ehrlich gesagt auch verstehe, doch sahen sie nicht, als Bedrohung an?“
„Oder sie ließen sie, als angezündetes Pulverfass herumlaufen!“ Korrigierte Elyon.
Durial knirschte mit den Zähnen. „Du meinst also, dass der Tausch tatsächlich nicht funktioniert hat und meine Gefährtin eigentlich ein bösartiger Darach ist?“
Elyon hob die Schultern. „Die Fay die ich kenne... Der Ghul den ich kennen lernen durfte ist eine Anführerin. Sie besitzt einen starken Charakter, einen kräftigen Körper und scharfe Sinne. Alles was Evangelia niemals besaß. Natürlich besteht auch die geringe Chance, dass sie mit all diesen Eigenschaften in den Körper eines Darach gesogen wurde, währenddessen sie sich selbst und damit auch den Darach tötete.“
Durial zweifelte selbst daran, dass es genauso geschehen ist, und seufzte schwerlich. „Also habe ich keine Ahnung, wer meine Gefährtin ist?“
Elyon lächelte ein akribisches Lächeln. Er wusste ganz genau, was nun in Durials Kopf durchgehen musste. Immerhin liebte Elyon eine wahre Psychopathin. „Durial, denk einmal an Fay, was empfindest du dabei?“
Durial führte sich Fays Lächeln vor Augen und schmunzelte selig. „Sie ist wunderschön, störrisch, aufsässig und frech. Ihre Haare nerven mich, das sie sie niemals bürstet. Sie besitzt eine starke Persönlichkeit, der selbst Vauven kaum widersprechen kann, sie verteidigt Personen... eine Familie vor einem ganzen Clan und liefert sich selbst anstatt einer jungen Wandlerin aus. Sie sprach mit mir, obwohl sie es nicht sollte. Sie sah mich an, obwohl ich Angst davor hatte was sie sehen könnte und sie begann mich zu lieben, gegen sämtliche Vernunft hinaus. Auch war Fay es, die mich meinem Drachen wieder einige Schritte näher brachte und schwor den gesamten Rat zu töten, falls sie mich anfassen sollten.“ Durial wurde rot, als er bemerkte, dass er ins Schwärmen gekommen war, und wandte den Blick ab. „Ich weiß nicht, wie sich ein Druide verhält, oder noch schlimmer ein Darach, doch ich weiß, wie sich ein Wyvern verhält, der etwas, als sein Eigentum betrachtet.“ Schmunzelte er und wusste plötzlich, dass Fay tatsächlich kein eigensinniger Darach sein konnte, der nur Macht wollte. Seine Gefährtin wollte einfach und alleine ihre Familie schützen, so wie es Wyvern seit jeher taten. „Ich glaube ich werde zurückgehen.“ Beschloss Durial plötzlich laut und blickte ernst zu Elyon, der mit den Gedanken nicht gänzlich hinterherkam.
„Wie bitte? Ich dachte, man würde dich töten.“ Versuchte Elyon ihn daran zu erinnern.
„Ich weiß. Aber mir wird gerade klar, dass dort unter den Drachen, meine Gefährtin liegt. Mein Herz, mein Kind. Wie könnte ich mir hier auf dem Festland etwas in Frieden aufbauen, wenn sie dort sind?“ Fragte er Elyon ernst und wunderte sich über sich selbst, dass er so dumm gewesen ist. „Ich will unter keinen Umständen so sein wie Vauven. Ich werde für beide da sein, selbst wenn sie mich hinrichten.“ Schwor er sich selbst und bemerkte überhaupt nicht, dass Megumi hinter den beiden Männern in der Türe stand und leise wieder zurück in ihr Zimmer schlich, um ihre Sachen zu packen.
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„Moment! Das ist verrückt. Ihr beide seid verrückt. Ihr könnt doch nicht... ich meine...“ Elyon verlor sich in seinen aufgewühlten Worten und überlegte, ob er irgendetwas noch nicht gesagt hatte, was diese beiden Spinner davon abhalten könnte, zu den Drachenbergen zu fliegen.
„Doch ich werde zu meiner Gefährtin gehen. Sie braucht mich.“ Meinte Durial kalt, während Megumi dem kleinen Frechdachs in Elyons Arm einen Kuss auf die Stirn gab mit dem Versprechen, bald zurück zu sein.
„Und ich werde zu meinem Gefährten gehen, um ihm in den Hintern zu treten, wie es eine gute Frau tut, wenn sie hinter einem mächtigen Mann steht.“ Meinte diese Stolz zu Elyon und griff nach ihrem kläglichen Handgepäck, das hauptsächlich aus Waffen bestand.
„Das ist verrückt!“ Wiederholte Elyon. „Dort sind hunderte, nein tausende von Drachen und ein bestimmt stink wütender Wyvern. Ich kann nicht zulassen, dass ihr beide dort euer Leben lasst, nachdem Fay alles tat, um euch zu beschützen.“
Liebevoll hauchte Megumi ihrem Bruder einen Kuss auf die Wange und streichelte ihn sanft an der Stelle. Sofort schmolz Elyon dahin. „Es hätte niemals so weit kommen müssen, wenn Vauven sich nicht vom Rat hätte unter Druck setzen lassen. Ich denke es gibt niemanden besseren als mich, die den Wyvern darauf hinweisen könnte. Er ist alleine Schuld an allem. Hätte er gleich alles berichtigt und ihnen gesagt, dass seine Gefährtin kein Drache sondern ein einfacher Wandler ist, dann hätte ich niemals mein Kind hergeben müssen, niemals hätte ich meine Familie, als Schutzschild für meine eigenen Fehler missbraucht und niemals hätte ich meinen... unseren geliebten Bruder verloren. Elyon... ich muss das tun!“
Elyon nickte und umarmte seine einzig verbliebene Familie noch einmal. Natürlich hatte er noch Lenya, die bitterlich weinte, als sie bemerkte, dass ihre Tante sich verabschiedete, doch mitkommen konnte er wegen der Kleinen ebenso nicht. Wem sollte er sie auch anvertrauen? Oder gar mitnehmen? Nein, so etwas konnte er seinem kleinen Engel nicht antun.
„Pass auf dich auf, kleine Prinzessin.“ Flüsterte er seiner Schwester ins Ohr und küsste sie ein letztes Mal auf die Schläfe. Der Abschied von Durial verlief nicht gänzlich so tränenreich, oder emotional, doch erstaunlicherweise hatte dieser noch Worte an Elyon. „Ich weiß ich bin eigentlich ein Fremder für euch beide und vielleicht finden wir noch die Zeit uns besser kennenzulernen, doch jetzt möchte ich noch etwas los werden. Fay hat nicht viel über euch gesprochen, das meiste musste ich mir selbst zusammenreimen, doch ich habe selbst gehört, wie sie dich...“ Er sah zu Megumi „...als ihre Freundin bezeichnet hat, wenn auch nur aus Versehen und sie überraschte sich selbst damit.“ Megumi entlockte er damit eine weitere Träne, so wie ein liebevolles Lächeln „Und auch über dich Elyon, hat sie in den höchsten Tönen gesprochen. Sie meinte auch, dass wir uns ähneln, was ich heute verstehen kann und zur Abwechslung mich überrascht.“ Nun lachten alle drei und blickte sich ein Letztes mal an, bevor zwei von ihnen in die Schlacht ziehen würden.
„Alles Gute.“ Wünschte Elyon. „Auf Alasans Opfer!“ Erwiderte Megumi.
„Wir werden unser bestes geben.“ Versprach Durial und dann verließ er hinter Megumi das gewaltige Anwesen der Vastia, wobei es mit dem weitreichenden Schloss der Drachen nicht mithalten konnte. Jedoch musste man bedenken, dass das Schloss ebenfalls eine Stadt war. Eine Stadt voller traditioneller Drachen, die bald mächtig wütend werden würden.
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„Sag nicht, du weißt nicht, wo wir uns befinden?“
Genervt stieß er die Luft aus. „Wie oft noch? Ich bin das erste Mal seit dreihundert Jahren auf dem Festland, was denkst du, wie viel sich seitdem verändert hat?“
Die blonde Schönheit hob abweisend die Schultern. „Was weiß ich denn? Ich bin erst fünfzig.“
Kurz fixierte Durial ihren Blick damit sie darüber nachdachte, was sie eben sagte und brachte sie damit zum Lächeln. „Ja, schon gut. Ich sehe es ein. Ich bin die Expertin, ich gehe nach dem Weg fragen. Bleib hier, du vergraulst mir nur die Männer.“ Scherzte sie, doch Durial wusste, dass es ernst gemeint war.
Mit einem eleganten Hüftschwung betrat Fay eine alte Herberge und ließ Durial draußen stehen. Sie wusste, wo ihre Stärken lagen und dass sie mit einem Blick zugleich Männer und Frauen fesseln konnte. Ihre langen blonden Haare, waren mittlerweile bereits wieder bis zur Hälfte ihres Rückens nachgewachsen und lockig wie eh und je. Immer wieder dachte sie darüber nach, ihre Haare abermals zu kürzen, doch dies erinnerte sie viel zu sehr an Vauven, so wie das, was er ihr genommen hatte. „Oh, sieh an. So hübschen Besuch um diese Uhrzeit haben wir selten.“ Megumi lächelte ein halbes Lächeln, dass den Vampir kein Stück interessierte. Auch ohne ihre Sukkubuseigenschaften konnte sie verführen und darüber war sie mehr, als nur glücklich.
„Das Glück muss dich wohl heute ganz besonders ins Auge gefasst haben.“ Schnurrte sie und lehnte sich über den Empfang der Pension. Bereits von Außen hatte es ausgesehen wie für Vampire gemacht und der Geruch im inneren bestätigte es.
„Das kommt darauf an. Normalerweise meiden Wandler diesen Ort. Was führt also ein entzückendes Wesen wie dich hier her?“
Megumi strich sich zufällig eine Strähne hinter ihr Ohr und tat nervös. Es zog sofort. „Ich habe mich wohl etwas verirrt. Ich bin eine Lustfrau für die Drachen, doch mein Begleiter musste letzte Nacht fort, jetzt... sitze ich hier irgendwie fest.“
„Also möchtest du ein Schiff zu den Drachenbergen?“
Megumi nickte. „Wer möchte das denn nicht.“
Der Vampir verzog das Gesicht. „Also, wenn du eine Lustfrau bist dann können auch wir dir aushelfen. Wir haben immer Plätze.“
Der Vampir zückte einen Schlüssel und ließ ihn vor Megumis Nase baumeln. Megumi griff nach dem Schlüssel, doch umfasste dabei auch die Hand des Vampirs, um sie zu sich zu ziehen. Neckend hauchte sie einen Kuss in seine Handinnenfläche und ließ ihre Augen gelb werden. „Als, sei ich noch ein Kücken oder gar töricht. Weißt du den Weg, oder muss ich weiter suchen?“
Mit einem breiten Lächeln zog er seine Hand, zusammen mit dem Schlüssel zurück und deutete auf einen Punkt, denn sie von hier noch nicht sehen konnte.
„Die Straße Richtung Osten hinaus, bis du die lauten Klippen erreichst. Dort siehst du einen Leuchtturm. Zirka eine halbe Tagesreise als Tier.“
Megumi beugte sich nun ganz über den Tresen, zog den Vampir am Gürtel zu sich und küsste ihn auf die Wange. „Danke, dafür hast du etwas gut bei mir.“ Versprach sie, doch wusste bereits, dass sie ihm nichts von alldem geben würde, was er wollen könnte.
Der Vampir lächelte zuversichtlich und Megumi schritt fröhlich lächelnd hinaus aus der Pension, wo sie Durial die Straße hinunter wiedertraf. „Kluges Köpfchen.“ Lobte sie ihn, doch er verstand überhaupt nichts.
„Was meinst du?“
„In diese Richtung müssen wir. Morgen Abend sind wir da.“ Erklärte sie und ging einfach an ihm vorbei, ohne darauf zu achten, ob er ihr nun folgte oder nicht.
„Du warst lange drinnen, gab es Probleme?“
Megumi schnaubte. „Als ob. Sobald mich ein Mann sieht, würden sie mir alles sagen, nur damit ich sie einmal anlächle.“ Prahlte sie ungelogen und beschleunigte ihre Schritte.
„Entschuldige, wenn ich dich enttäusche, doch mich berührst du kein Stück auf diese Weise.“ Sein Blick galt ausschließlich einer frechen Furie mit losem Mundwerk.
„Das sagst du aber auch nur, weil du deine Gefährtin längst gefunden hast. Sonst wärst du nicht anders, als die anderen Männer... nun, ja. Vielleicht etwas schreckhafter.“ Neckte sie Durial und veranlasste ihn dazu sich noch tiefer in seinen Rollkragen zu verkriechen. „Wieso hast du eigentlich das Ding immer an? Drachen brauchen doch nichts was sie wärmt.“
„Falls es dir entfallen sein sollte, in meinem Gesicht pragt eine riesige Narbe, die mein Gesicht verzerrt.“
Megumi verdrehte die Augen. „Und? Du könntest einen auf böser Drache machen und jeden Anfauchen, der es wagt deine Narbe anzusehen. Dann müsstest du wenigstens nicht mehr mit diesem kratzigen Zeug herumlaufen.“
Belustigt vernahm Megumi sein lachen. „Das sagt Fay auch immer. In ihrem Zimmer galt sogar stricktetes Pulloververbot.“ Aus Durials Blick konnte sie Sehnsucht und Zuneigung erkennen. Bestimmt musste es Fay genauso gehen, da Gefährten oft ihre Gefühle unbewusst teilen. Zumindest ist dies Megumi des Öfteren aufgefallen. Manchmal hat sie einfach etwas wunderbar gefunden, doch wusste nicht wieso. Plötzlich fühlte sie sich schwer und war beinahe den Tränen nahe, doch dachte dabei überhaupt an nichts Besonderes. Mittlerweile frustrierte es sie und sie wurde immer zorniger, wenn sie daran dachte, dass Vauven trotz allem, was er getan hatte, immer noch Gefühle zeigen konnte. Innerlich konnte sie sich immer noch nicht entscheiden, ob sie ihm, wenn sie ihn sah, um den Hals fallen sollte, oder ihm die Kehle durchbeißen. Es reizte sie stark zu beidem.
Eine Tagesreise später ließ das Grollen eines gewaltigen Donners sie beide zusammenfahren, dabei war eine sternenklare Nacht.
„Diese Geräusche kenne ich. Hier hat mich Vauven mit der Beschreibung zu eurem Haus abgesetzt.“ Bestätigte Durial Megumis Gedanken.
„Dann sollte ich mich wohl für einen Transport fertigmachen. Also, kennst du noch den Plan?“
Durial nickte bestätigend, zog den Pullover aus und warf ihn in ein Gebüsch, wo ihn niemand finden würde. Tief holte er Atem und stieß ihn wieder aus. Einen Seitenblick zu Megumi sagte ihm, dass sie bereits Hilfe holte, und schlug sich seine Krallen in den Unterleib.
Ein Drache würde niemals einen anderen Drachen tragen, außer er sei schwer verletzt. Egal ob Durial Schmerzen mochte oder nicht, jetzt musste er es tun. Seine stumpfen, doch immer noch eisernen Krallen zerschnitten die weiche Haut an seinem Bauch ganz einfach bis hinauf zu seinem Brustkorb. Es war keine tödliche Wunde aber auch eine, die nicht allzu schnell heilen würde.
„Hier ist er! Sehen Sie. Er kann kaum stehen, bitte helfen sie ihm!“ Bettelte Megumi vollkommen hysterisch, da wurde Durial bereits an einem Arm gepackt und gestützt. „Schon gut Kumpel, beruhige dich. Egal, wer das war, dem wird es leidtun!“ Schwor der fremde grüne Drache und führte Durial zu einem Lager, in dem mehrere Transportstühle gebunkert waren und eine kleine Pension direkt anschloss.
„Es war... er hatte dunkle Augen und roch so... ekelhaft.“ Nuschelte Durial und stöhnte vor Schmerzen.
„Bestimmt ein verdammter Halbdämon. Ein Glück dass ihr entkommen seid!“ Bestätigte der Drache und setzte Durial auf einem Stuhl ab. „Moment ich hole Kompressen.“ Versprach der Drache und lief hinein in die Pension.
Durial ließ immer den Kopf an seinem Brustkorb hängen, damit man seine Narben nicht sah und die Dunkelheit tat den Rest. Für die anderen Drachen war er lediglich ein gepeinigter Genosse, dem übel in einem Hinterhalt mitgespielt worden war.
Megumi trampelte ungeduldig mit einem Fuß und seufzte. „Also, wenn der heute nicht mehr kommt, dann schwimme ich!“
Lächelnd schüttelte er den Kopf. „Du brauchst dir nicht gleich so viele Sorgen um mich zu machen. In einigen Stunden ist das von selbst verheilt.“ Scherzte Durial und brachte Megumi so auf andere Gedanken.
„Ich weiß, dass du dich nicht tödlich verletzt hast. Jetzt halt den Mund und jaule wie ein getretener Hund.“ Den letzten Satz flüsterte sie leise und tat so, als hätte sie sich eben die Wunde angesehen. „Gib her! Hier Liebling. Press das ganz fest hinauf wir sind gleich bei den Purpurdrachen.“ Versprach sie mit einer viel zu hohen und ängstlichen Stimme, sodass Durial ihr beinahe geglaubt hätte, dass sie sich sorgte. Er hatte Megumi tatsächlich wegen ihres Aussehens unterschätzt. Sie besaß viel mehr Talent, als er jemals geahnt hätte.
„Setzt dich neben deinen Freund. Purpur, habt ihr gesagt?“
Megumi nickte. „Ja, bitte beeil dich, er braucht Heiler.“
Durial spürte wie sich der grüne Drache neben ihm verwandelte und Megumi sich so weit wie möglich von ihm wegsetzte, doch nahe genug blieb, dass es den Anschein erweckte, dass sie sich nahe standen.
Im nächsten Moment wackelte der Transportstuhl, der für aller höchstens zwei Personen Platz bot, doch eigentlich nur für einen gebaut worden war und der Drache hob die beiden in die Luft. „Ich bin ein Leopard, soll ich mich kleiner machen?“ Fragte sie den grünen Drachen, doch dieser schnaubte. „Er sagt, dass es schon in Ordnung sei. Du bist leicht.“
Megumi hob erstaunt eine Augenbraue. „So viele Wörter verstehst du aus einem Schnauben?“ Hakte sie nach.
„Nein, das Schnauben war ein Lachen. Aber das was du nicht hören konntest, war die Flammenzunge, jeder Drache spricht es. Wie denkst du, dass wir uns in dieser Gestalt unterhalten?“
Megumi lächelte. „Auch wahr.“ Gab sie zu und betrachtete die schwarzen Fänge aus dem Meer, die nach ihnen griffen. Überrascht ließ sie ihren Blick über den einzigartigen Ausblick schweifen und seufzte. Das letzte Mal, als sie hierher gekommen ist, hatte sie sich als Lustfrau ausgegeben und war tagsüber geflogen. Als sie umkehrte, war es ebenfalls Tag gewesen, doch dass die silberschwarze Dunkelheit des Meeres noch schöner sein konnte, als das helle Glitzern der Sonne in den Wellen überraschte sie wahrlich. Überall reflektierten die Sterne, als wäre das Meer ein einziger endloser Diamant, der seine ganze Pracht lediglich den Drachen zu Teil werden ließ.
Eifersüchtig geworden wandte sie wieder den Blick ab. Natürlich hatte auch Megumi ihre Talente, auf welche sie stolz war, doch solche einzigartigen Ausblicke blieben lediglich fliegenden Wesen vorbehalten.
„Wir sind gleich da.“ Nuschelte Durial und riss Megumi aus ihren Gedanken. Sofort begann ihr Herz nervös zu flattern. So lange wartete sie nun bereits darauf, ihren Sohn zu sehen. Nun musste er beinahe ein Jahr alt sein. Wie groß er wohl bereits ist? Wem sah er ähnlicher? Ob er genug zu essen bekam? Gut gepflegt wurde? Ob Vauven ihm die Liebe schenkte, die dieses kleine Geschöpf verdiente?
So viele Fragen gingen Megumi durch den Kopf, doch alle endeten mit einem Blick auf Vauven. Ihren Vauven, der irgendwo dort in diesen Bergen halb aus Stein, halb aus Marmor saß und ihr zerbrochenes Herz in den Händen hielt.
Knurrend sehnte sich Megumi nach Blut.
„Danke für deine Hilfe. Ich bringe ihn sofort zu den Heilern. Noch einmal... Danke.“ Der grüne Drache wurde rot und lächelte beschämt. „Ach kein Problem. Für seinesgleichen tut man doch alles.“
Megumi wischte sich eine falsche Träne aus dem Augenwinkel und stützte Durial. Zumindest so lange, bis der Drache sich abwandte und zurückflog, während sie beide, um die nächste Ecke verschwanden und in einem Gang endeten. Wie vom Blitz getroffen, sprang Durial mehrere Meter weg von Megumi und sank gegen die Wand.
„Ich muss... mich erst ausruhen.“
„Wo ist dein Zimmer? Ich bringe dich hin und versorge dich.“
Instinktiv dachte Durial an Fays Zimmer und wollte ihr bereits den Weg beschreiben, doch überlegte es sich anders. Er konnte doch nicht blutend zu Fay gehen, die hoch schwanger im Bett lag. Sie würde sich nur unnötige Sorge machen, geschweige denn, dass sie bestimmt gut bewacht wurde, sodass niemand sie belästigt.
„In den Menschengängen. Unter der Bibliothek.“ Beschrieb er, wage wo sie hinmussten, und brachte sich wieder selbst auf die Beine. Normalerweise würde er schnell und ungesehen dort hineilen, doch durch den Blutverlust hatte er an Kraft verloren und benötigte dringend etwas zum Essen so wie trinken.
„Hier trink einmal etwas, sonst verdurstest du noch.“ Megumi zog aus ihrer Handtasche eine Wasserflasche und reichte sie Durial, der gierig daraus trank. Einige qualvolle Minuten später erreichten sie den besagten Platz, wo Durial auf seiner alten eingelegenen Matratze zusammensank. „Dort hinten ist ein Kühlschrank.“ Murmelte Durial und zeigte auf einen kaum sichtbaren Gang, der überhaupt nicht beleuchtet wurde und für ihn, seit seiner Verbannung, als Badezimmer so wie Essensversteck gedient hatte. Fay hatte er diesen Ort niemals gezeigt, da es ihm peinlich war, sie hierher zu bringen. Dies war eine Unterkunft, auf die er kein Stück stolz war, sondern sich dafür schämte.
„Nicht einmal Maden haben es verdient so zu leben. Was stinkt denn dort hinten so?“ Fragte sie, doch winkte ab, als Durial ihr antworten wollte und reichte ihm altes, kaltes Fleisch.
Angewidert verzog er das Gesicht, doch es war nicht zu ändern. Das oder überhaupt nichts.
„Weiß Fay, dass du so gelebt hast all die Jahre?“
Durial schüttelte den Kopf und würgte das Fleisch hinunter. „Niemand kommt hier her.“
„Und das ist auch gut so. Nicht einmal du solltest hierher kommen.“
„Im Sommer schlafe ich immer draußen in den Wäldern, doch wenn es zu kalt wird, muss ich zurück, sonst erfriere ich. Mein Drache ist nicht mehr so stark, wie er es einmal gewesen ist.“
Megumi sank auf den Boden und knurrte. „Männer sind doch alles Idioten!“
„Wie bitte?“ Hakte Durial nach, da er ihrem Gedankengang nicht folgen konnte.
„Es ist die Wahrheit. Immer denkt ihr nur an euch! Du hättest das alles überhaupt nicht durchmachen müssen, wenn du nur die Klappe gehalten hättest. Und Vau hätte dich bereits vor Jahrhunderten wieder aufnehmen können. Von diesem bescheuerten Rat möchte ich überhaupt nicht erst anfangen.“ Lästerte Megumi und brachte Durial wieder zum Lächeln.
„Du hast recht. Wir alle haben unsere Fehler, doch ohne sie hätten wir keine Erfahrung. Ohne Erfahrung könnten wir nicht wissen, wo unsere Fehler lagen und somit haben wir auch die Chance sie weiter zu geben, zu korrigieren, oder es besser zu machen. Dreh es, wie du willst. Ohne unsere Fehler wären wir nichts Wert und würden nicht das zu schätzen wissen, was wir haben.“
Nun lächelte auch Megumi. „Du steckst deine Nase viel zu tief in die Bücher. Pass lieber auf, dass du nicht so endest wie Elyon und dein Herz für immer gebrochen ist.“ Mahnte sie Durial.
„Das muss euch wohl in der Familie liegen und ist offenbar ansteckend. Kaum habe ich euch getroffen leide ich Höllenqualen und möchte in das Nest zurück, in dem man mich nur misshandelt und verstoßen hat.“
„Eine einzige Person hat eben die Kraft, dein ganzes Leben in eine Hand zu nehmen und dich dafür auszulachen, wie bescheuert du eigentlich bist. Besser man merkt früh genug, was man an dieser Person hat, bevor sie einen dafür zerbricht.“ Megumis Gedanken wanderten abermals zu Vauven und brachten ihr Herz zum Schlagen. Traurig geworden griff sie sich an die Stirn. „Das ist doch dämlich, was mache ich eigentlich hier? Ich dachte, es sei eine gute Idee Vau in den Hintern zu treten und ihn vor allen bloßzustellen, um ihm noch einmal klar zu machen, was er eigentlich aufgibt und dann... will ich ihm wieder an die Kehle springen, um ihn für alles leiden zu lassen. Ich denke, ich sollte einfach umkehren.“
Durial ließ von seinem Fleisch ab, das bereits mehr schlecht, als erträglich war und besah sich seine Wunde. Sie war bereits einigermaßen verheilt und juckte nun von der Heilung. Vielleicht noch zwei Stunden, dann wäre sie nur noch ein rosa Kratzer.
„Ich denke dass du überhaupt nicht zu Vauven gehen solltest. Er hat es nicht verdient, dass du auch nur einen Gedanken an ihn verschwendest. Wenn du dich wirklich an ihm rächen willst, dann tu genau das, was er eigentlich verhindern wollte. Geh zu Conchar und hole ihn dir zurück, stelle den Rat bloß und würdige ihm keines Blickes. Willst du etwas erreichen, dann darfst du nicht zu ihm sprechen, sondern ihm klar und deutlich zeigen, wo dein Platz ist.“
Megumi blickte zu Durial auf, als wären es genau diese Worte gewesen, die sie gebraucht hatte. Lächelnd wischte sie nun echte Tränen fort und rappelte sich wieder auf. „Du hast recht. Aber zuerst besorge ich dir etwas anständiges zu essen.“
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Zweieinhalb Stunden später, konnte sich Durial wieder frei bewegen und zusammen schlichen sie ungesehen zu Fays Zimmer. Durial wurde enttäuscht, da es leer zu sein schien und ebenfalls seit einiger Zeit nicht mehr benutzt worden war. Verwirrt blickte er sich um „Fay scheint bereits seit einigen Tagen nicht mehr hier gewesen zu sein.“
Megumi verdrehte die Augen. „Vielleicht ist sie nur spazieren.“
Durial schüttelte den Kopf. „Nein, ihr Geruch ist viel zu schwach und auf dem Weg her, habe ich darauf geachtet, dass wir an ihren üblichen Plätzen in den Gärten vorbeikommen.“
Megumi stieß empört die Luft aus. „Was? Und ich dachte schon, du hättest dich verlaufen!“ Schimpfte sie und brachte den Drachen zum Schmunzeln.
„Also ob ich mich hier jemals verlaufen würde.“ Scherzte er und beruhigte sich wieder.
„Ist doch jetzt auch schon egal. Ich weiß noch, dass es mir sehr schlecht ging und hauptsächlich gelegen bin. Vermutlich ist sie bei den Heilern, ich sehe einmal nach. Wo treffen wir uns?“ Fragte Megumi, die sich hier halbwegs frei bewegen konnte, im Gegensatz zu ihrem Mitverschwörer.
Durial überlegte angestrengt. „Weißt du, wo der Rat seine Sitzungen abhält?“ Fragte er unsicher.
„Ja, im Hauptbereich des Schlosses, in der Nähe der Wyverngemächer.“ Erinnerte sie sich. „Aber den genauen Raum kenne ich nicht.“ Gab sie zu.
„Das reicht. In der Nähe von Vauvens Zimmer ist ein Gemälde das einen sehr alten Wyvern und zwei Kinder zeigt. Hinter dem befindet sich ein Geheimgang, dort verstecke dich.“
Mit diesen Worten verschwand Durial aus dem Zimmer und überließ Megumi ihrem eigenen Aufgaben.
Für einige Sekunden stand sie in dem leeren Raum und blickte sich verwirrt um. Wieso war sie noch einmal hier? Um sich endlich Vauven zu stellen? Ihn zu Verletzten? Ihr Kind zu stehlen? Sie wusste es plötzlich nicht mehr. So viel war bisher geschehen, dass es einfach nur an ihr vorbei gelaufen war.
Eylon hatte plötzlich eine Tochter, Vauven einen Wyvernsohn, Durial eine Gefährtin, Fay erwartete ein Kind von ihm und sie selbst? Zu ihrem alten >Ich< hatte sie noch nicht gefunden. Sie fühlte sich immer noch ausgelaugt und angeschlagen, als würde etwas fehlen. Eine Stütze, ihr Fell, ihre Sinne. Alles schien ein minimaler Schein von ihrem früheren Wesen zu sein. Mit Conchar hatte man ihr einen wichtigen Teil ihres Lebens genommen und sie wollte ihn zurück. Sie wollte ihren Sohn sehen, seine Stimme hören, mit ihm lachen und weinen. Ihn trösten, wenn er sich verletzte und seine Lehrerin sein. Ja, deshalb war sie hierher gekommen. Vauven konnte ihr egal sein. War es denn nicht er gewesen, der ihr alles genommen hatte? Sie sollte wütend sein, ihn schlagen und verachten. Sie sollte Vauven hassen. Doch... sie sehnte sich nicht nur nach Conchar, sondern auch nach ihrem Gefährten.
Sollte ihr Leben denn überhaupt so sein?
Megumi war beliebt, umgarnt und vergöttert worden. Plötzlich tauchte Vauven auf und schien ihr nicht so verfallen, wie die anderen zu sein. Er trieb sie dazu an endlich selbst etwas zu wollen. Sich Ziele zu setzen und nicht einfach das süße Mädchen zu miemen. Die wunderschöne Wandlerin, war ebenfalls nicht mehr gut genug und sie sehnte sich an den leeren Platz neben Vauven, denn sie fühlte, dass sie dort hingehörte. Zu ihm. An seine Seite und wollte verstehen lernen, wie man ein ganzes Volk mehr lieben konnte, als sich selbst.
Ohne das es ihr bewusst gewesen war, stand sie plötzlich vor dem Wyvernräumlichkeiten und hob die Hand, um zu klopfen.
Sollte Megumi denn nicht eigentlich nach Fay suchen? Ihrer Freundin?
Kopfschüttelnd verwarf sie dies. Nein, Fay war Durials Aufgabe. Durials Gefährtin. Sie selbst hatte zwei Männer, um die sie sich kümmern musste.
Megumi senkte ihre Hand vom starken Holz der Türe mit dem eingravierten Wyvernsymbol und öffnete den Drehknauf, um einzutreten.
Nichts hatte sich verändert. Es war alles noch gleich. Dasselbe Sofa, derselbe Schreibtisch, dieselben Sammelwerke tausendjähriger Wyverngenerationen und... einige neue Spielsachen. Lächelnd ging sie auf den Laufwagen zu und fuhr zärtlich mit den Fingerspitzen darüber. Der zarte Geruch eines Kindes stieg ihr in die Nase, gemischt mit dem Hauch eines Drachen.
Neugierig geworden mit was Conchar wohl hier spielte, schritt sie seinem Geruch nach in ein buntes Kinderzimmer. Ihm fehlte es an nichts. Von oben bis unten herrschte das Chaos. Weit reichend von Bausteinen, Autos und Puzzle Bildchen bis hin zu Puppen, Kindergeschirr und einem Sandkasten. Kopfschüttelnd betrachtete sie den Sandkasten und fragte sich, ob Vauven diesen auch regelmäßig austauschte. Wer hielt denn schon einen Sandkasten in seinem Haus?
Lachend zielte Megumi eine kleine Sammlung an Spielzeug an, als ihr das Kinderbett auffiel. Es schien an manchen Stellen bereits Brandflecken zu besitzen, welche von Handflächen verursacht worden waren. „Ein kleiner Feuerteufel.“ Scherzte sie in das Kinderzimmer und strich zärtlich über den Kopfpolster.
Hier lag er also. Ihr Sohn. Es roch nach ihm ganz deutlich und ebenso nach Vauven. Ermüdet ließ Megumi sich neben das Kinderbett sinken und seufzte tief. Nun musste sie nur noch warten. Dann würde sie ihren Sohn endlich sehen.
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Durial fühlte sich etwas schlecht Megumi einfach so zurückgelassen zu haben, doch er war sich sicher, dass sie ihren Weg finden würde. Alles, was für ihn im Moment zählte, war Fay zu sehen. Er konnte sich bereits vorstellen, wie sie sich freuen und gleichzeitig darüber ärgern würde, dass er hier war. Nervös biss er sich auf die Lippe, während er ungesehen die Treppen der Bibliothek hinauflief, sie nirgendwo entdeckte und wieder hinab sprang. Galant landete er zwischen Regalen und lief weiter. So schnell, wie ihn seine Beine tragen konnte, verschwamm er mit seiner Umgebung, damit ihn niemand sehen konnte. Keiner bemerkte wie er vorbei lief, niemand nahm Durial wahr, als er durch Fenster sprang, oder auf Bäume kletterte. Er war kein Teil dieser Gruppe der Purpurdrachen, das fühlte er einmal mehr, daher wunderte es ihn umso mehr, als er eine dreier Gruppe des Wyvernrates fand. Sie standen zusammen an einem alten Brunnen mit Fischen, der im Süden des Schlosses stand und von prachtvollen blühenden Bäumen umgeben war. Sie schienen, vollkommen in ein Gespräch vertieft zu sei, in dessen Mittelpunkt... Fay saß?
Fasziniert beobachtete er ihre strenge Miene, während sie zärtlich über ihren Bauch strich und sichtlich interessiert einer Erklärung lauschte.
Ihr Haar trug sie, an diesem warmen Tag lose zu einem Zopf, von welchem sich beriets einige Strähnen gelöst hatten, was er persönlich süß fand. Fay hatte sich nie sonderlich große Mühe gemacht ihr Haar zu zähmen oder auf ihr Äußeres zu achten, was er bewunderte. Sie ging einfach durch die Mengen an fremden oder bekannten Personen, ohne sich darum zu scheren, was diese wohl über sie denken mochten.
Träumerisch wartete er darauf, dass die drei Ratsmitglieder sich von ihr abwandten, dann seufzte sie erleichtert. Fay lehnte sich auf der Bank zurück und streckte sich ausgiebig, bevor sie aufstand und sich suchend umsah.
Durial fragte sich, ob sie ihn wohl spürte? Wusste sie, dass er hier war?
Plötzlich traf ihr Blick ihn und sie zog fragend eine Augenbraue hoch. Noch einmal sah sie sich um und entschied dann wohl, dass es sicher war, nicht mit ihm gesehen zu werden, sondern winkte ihn zu sich. Etwas verwirrt, weshalb sie plötzlich darauf achtete, schob er dies auf sein vermutlich noch unbemerktes Verschwinden zu und kletterte geschickt aus dem Baum, auf dem er sich positioniert hatte.
Er wollte Fay sofort in die Arme nehmen und küssen, doch hielt sich zurück, da er nicht sicher war, wie sie wohl darauf reagieren würde. Vielleicht war Fay auch einfach nur ein Traum gewesen? Ein Traum erzeugt von seiner Einsamkeit?
„Was suchst du hier? Ich dachte du wärst am Festland?“ Erkundigte sie sich kalt.
Leicht eingeschüchtert von ihrem Tonfall, hielt er mehrere Meter Abstand. „Ich... bin wegen dir zurückgekommen.“ Erklärte er.
„Wegen mir?“ Fragte sie unverständlich.
„Ja! Ich wollte dich sehen und dir sagen, dass ich nicht weg laufen...“
Sofort hob sie den Arm, um ihn zum Schweigen zu bringen. „Moment! Versuchst du mir eben zu sagen, dass der Wyvern dich vollkommen umsonst von diesen Bergen gebracht hat und du heimlich wieder zurückgekommen bist, nur um bei mir zu sein?“
Durial nickte und lächelte hoffnungsvoll. „Ja, natürlich war es nicht gerade eine meiner klügsten Einfälle, aber ich dachte...“
„Durial, ist dir jemals aufgefallen, dass denken eventuell nicht gerade deine Stärke ist?“ Fay ließ sich wieder auf die Bank zurücksinken und seufzte schwer.
Durial selbst verstand kein Wort von dem, was sie aussprach. Nervös geworden trat er auf der Stelle herum. „Was... meinst du?“ Fragte er verunsichert. „Ich dachte... du würdest dich... nun, ja... freuen?“
Lachend winkte Fay ab. „Über was denn? Wegen dir laufe ich nun den Rest meines Lebens als Drachenspender herum. Verschwinde jetzt, bitte.“
Etwas zerriss in Durial. Plötzliche Stille umfing all seine Gedanken und selbst das Ziehen, welches er ständig unter seiner Haut fühlte und das ungeduldige Knurren seines Drachen waren fort. Alles war fort. Fay stieß ihn einfach von sich, aber wieso? „Fay... wieso sagst du so etwas?“ Er wagte es nicht einmal mehr, den Kopf zu heben, sondern starrte stur den grünen Erdboden an.
„Das fragst du auch noch? Erinnerst du dich vielleicht daran, wie ich dir erzählt habe, dass ich alleine für Megumi hier herkam und froh war, endlich zu sterben? Eine Tote hat hier unter den Lebenden nichts zu suchen! Und jetzt?“ Sie deutete vielsagend auf ihren gewölbten Bauch.
„Aber... ist es denn nicht toll? Du kannst ein Kind bekommen und...“
„Und was? Für den Rest meines unbeständigen Lebens >Drache-Rat-Kinderspender< spielen? Danke, dass du mir sogar das sterben versaust! Du bist das Letzte. Verschwinde jetzt endlich. Ich habe keine Lust dich jemals wieder zu sehen.“ Demonstrativ blickte sie an ihm vorbei und tat so, als hätte sie etwas gesehen, stand von der Bank auf und verschwand.
Entsetzt blickte er ihrem zarten Rücken hinterher und versuchte die Tränen zu unterdrücken. Wieso? Wieso verhielt sie sich denn so? Hatte sie auf wirklich nicht mehr, als etwas >Spaß< abgezielt? Fragend blickte er sich in dem kleinen Teil des Gartens um und wusste nicht mehr, was er tun sollte.
Er war doch für Fay zurückgekommen, damit sie eine Familie sein konnten und sie erfahren konnte, wer sie eigentlich ist. Hatte er sich denn so täuschen lassen können von ihr? Steckte in ihrem Charakter trotz allem immer noch dieser Darach? Hatte er sich tatsächlich in die falsche Person verliebt?
- - - - -
Vauven hob seinen kleinen Conchar auf den Arm und trug ihn den restlichen Weg des Ganges hinauf, bis er vor seinen persönlichen Gemächern ankam.
„Da...da.“ Nuschelte Conchar und lächelte begeistert.
„Was ist denn da?“ Fragte Vauven seinen Sohn, da er etwas zu sehen schien, was er nicht sah.
„Da!“ Rief er noch einmal, dieses Mal so laut, dass es Vauven erschreckte, doch egal wie angestrengt sich der Wayvern umsah, er konnte nichts entdecken. Der Gang war leer. Bloß ein leichter Windzug umwehte seine Beine und Stille herrschte, um ihn herum. Kopfschüttelnd öffnete er die Türe zu seinem Empfangsbereich und stellte Conchar auf seine eigenen Beine, welcher laut „Matzi!“ Rief.
„Matzi?“ Fragte Vauven. „Was ist denn ein Matzi?“
Conchar zeigte auf die Decke mit seinen dicken verkleideten Balken und Vauven staunte nicht schlecht. „Ähm... nein das ist kein Kätzchen, Conchar. Geh in dein Zimmer!“ Befahl er dem Kleinen, während er das fauchende Tier keine Sekunde aus den Augen ließ und Conchar an der Hand in sein Zimmer zog. Der kleine Junge wehrte sich, da er mit dem >Kätzchen< spielen wollte, doch Vauven hielt dies nicht gerade für eine seiner besten Ideen.
Sobald er hinter dem weinenden Conchar die Türe schloss, sprang das anmutige Wesen auf den Boden und knurrte ihn lautstark an.
„Was tust du hier?“ Fragte er die verärgerte Wandlerin und knurrte seinerseits. Jedoch, da Wandler in dieser Gestalt nicht sprechen konnten, erwartete er keine Antwort, sondern wartete auf den Angriff.
„Wenn du mir Conchar wegnehmen möchtest, werde ich dich daran mit allen Mitteln hindern müssen!“ Drohte Vauven seiner ehemaligen Gefährtin und brachte sie dazu noch lauter zu knurren.
Warnend schlug sie mit einer Pfote nach seinem Bein, doch verfehlte. „Megumi! Ich meine das ernst! Verschwinde sofort von hier, sonst war alles um...“ Megumi dachte nicht daran, sich noch ein einziges Mal etwas von ihm sagen zu lassen, sondern sprang auf Vauven hin und schnappte lechzend nach seiner Kehle. Vauven fing ihren Flug ab und presste ihren weichen Körper an sich, während er rückwärts zu Boden ging und sie ihre spitzen Zähne zart um seine verletzliche Kehle legte. Vauven wagte es nicht einmal zu schlucken, während die Wandlerin auf seinem Brustkorb thronte und ihre Klauen in seinen Rippen versenkte.
Von einem Moment auf den anderen, wechselte sie ihre Gestalt und das Gewirr ihres blonden Haares bedeckte sein Gesicht, während dicke Tränen seinen Hals trafen. Ihre Krallen zogen sich aus seinen Rippen zurück und ihr ganzer Körper sackte erschöpft über ihm zusammen.
Als Erstes fiel ihm auf, dass Megumi abgenommen haben musste. Er spürte ihr Gewicht beinahe überhaupt nicht und selbst ihr einst so umwerfendes Fell war matt und ungepflegt geworden. Hinter ihm brüllte immer noch sein eingesperrter Sohn. „Ich dachte, du würdest mich töten.“ Flüsterte er in ihr zerzaustes Haar und streichelte sanft über ihren unbedeckten Rücken.
„Ich wollte es! Ich habe es mir geschworen. Ich muss dich töten und mein Kind nehmen... ich muss...“ Nuschelte sie an seiner Kehle und schniefte laut.
„Ich wünschte du tätest es, dann würden wenigstens endlich diese Schmerzen enden.“ Gab er vor ihr zu und versuchte sich einigermaßen aus ihrem bereits länger gewordenen Haar zu befreien, während er sich, zusammen mit Megumi, aufsetzte und versuchte die Klinke der Zimmertüre zu erreichen.
„Er ist so wunderschön.“ Flüsterte Megumi. Als sie erkannte, dass Vauven die Zimmertüre öffnen wollte, kam sie ihm zuvor.
Sofort stolperte ein verweinter blondhaarige Junge mit purpurnen Augen aus dem Kinderzimmer und staunte nicht schlecht, als eine nackte junge Frau vor ihm saß, die er bisher überhaupt noch nicht gekannt hatte und jetzt in Vauvens Armen lag.
Megumi war mindestens so verweint, wie ihr Sohn und musste darüber lachen. „Du bist so wunderschön.“ Waren ihre ersten Worte, seit einem Jahr zu ihm und sie streckte vorsichtig, um ihn nicht zu verschrecken eine Hand nach ihm aus.
Conchar blickte irritiert zu seinem Vater, der ihm aufmunternd zu nickte und deutete zu ihm zu kommen. Auf der Stelle stolperte der kleine Laufanfänger in die Arme seines Vaters, doch ließ dabei die seltsame Junge Wandlerin nicht aus den Augen, die immer noch auf den Beinen seines Vaters hockte. Er kannte sie nicht, doch Megumi konnte sich noch an jedes Detail erinnern, als er frisch geboren worden war.
Damals war er etwas faltig und wesentlich rundlicher gewesen. Heute hatte er an Größe und Gewicht gut zugenommen und war seinem Vater vom Aussehen ähnlicher, als sie es sich wünschte. Die zarte Statur, die Nase und das blonde Haar, hatte er jedoch eindeutig von ihr. Stolz griff sie in das gelockte Haar und strich es zu einer anständigen Frisur. „Er sieht so viel größer aus, als auf den Bildern.“ Bemerkte Megumi an Vauven gewandt, welcher ihr mit seiner freien Hand, Tränen fortwischte.
„Er ist so perfekt wie du.“ Versprach der Wyvern und entlockte seiner Liebe ein Lächeln.
„Solange er nicht so ein... Miesepeter, wie du wird.“ Megumi verschönerte das Wort, welches sie eigentlich hatte nehmen wollen, ihrem Sohn zuliebe und brachte nun auch Vauven zum Lächeln.
„Was machst du überhaupt hier?“ Stellte Vauven endlich die Frage, welche ihn am meisten reizte.
„Nach was sieht es denn aus? Ich bin wegen Fay hier.“ Log sie und wischte eine letzte verbliebene Träne aus Conchars Gesicht. Er wirkte verwirrt über die zärtlichen Gesten, der Fremden, doch ließ es interessiert über sich ergehen. Vauven grinste über Megumis Worte, da er genau wusste, dass sie log. Er wusste es immer, wenn sie log.
„Dann hast du dich wohl im Zimmer geirrt, denn hier findest du sie nicht.“
Megumi schnaubte, als wäre dies glasklar. „Ich dachte nur, dass du dein geliebtes neues Spielzeug bestimmt ganz nah bei dir haben möchtest und sie direkt in deinen Armen beschützt.“ Knurrte Megumi und brachte damit Conchar zum Lachen. Sie knurrte noch einmal und er lachte abermals. Nun musste auch Megumi lachen, da er überhaupt keine Angst von ihr zu haben schien.
„Ich weiß dass du nicht eifersüchtig warst und hierher kamst, um mich... uns zu überprüfen. Ich würde Fay niemals anfassen.“ Schwor er und seufzte glücklich, als Conchar nach Megumis langem Haar griff.
„Als wäre ich auf einen Tyrannen wie dich eifersüchtig. Ich wollte nur nicht, dass ihr Fay schlecht behandelt. Sie ist jetzt ein Opfer, so wie ich es gewesen wäre.“
Schnaubend verdrehte der Wyvern die Augen. „Genau das wollte sie vermeiden, deshalb ist sie hier. Und jetzt gefährdest du alles.“
„Ich will nur mein Kind sehen.“ Knurrte sie und musste dabei über Conchars vergeblichen Versuche lächeln, so wie seine Mutter zu knurren.
„Dann hör auf ihm das knurren zu lernen, sonst höre ich den gesamten Tag nichts anderes mehr!“ Meinte Vauven und hielt dem kleinen Prinzen die Ohren zu.
Schmunzelnd streckte sie dem König die Zunge heraus. „Ja, diese Geste ist natürlich noch besser. Wehe du lernst ihm irgendeinen Unsinn!“ Mahnte Vauven, doch klang dabei alles andere, als verärgert.
„Er ist mein Sohn, er wird den Unsinn noch früh genug aufschnappen, auch ohne meine Hilfe.“ Drohte Megumi und ertappte sich dabei, wie sie sich am liebsten in Vauvens Arme kuscheln wollte. Aber dafür war sie doch nicht hier! Was sagte Durial noch einmal? „Außerdem bringt mich jetzt nichts mehr dazu, von seiner Seite zu weichen. Ich bin seine Mutter und meine erste Handlung als diese, hätte es nicht sein dürfen, eine Unschuldige mit dir mitzuschicken, an meiner statt. Ich war noch verwirrt und hatte ein Jahr lang genug Zeit, mir über alles klar zu werden und um meinen Bruder zu trauern. Jetzt bestehe ich auf den Platz, der mir zusteht!“ Megumi klang bei diesen Worten kalt und warnend, als wäre es bereits beschlossene Sache, was Vauven nicht verstand.
„Wenn ich bleibe, werde ich nicht, als dein Betthäschen bleiben!“ Unterbrach sie den König, welcher eben zu einer Erwiderung ansetzte. „Ich bleibe als die Mutter die ich habe sein wollen. Ich werde bei meinem Sohn bleiben und ihm jeden Tag erklären, was für ein Idiot sein Vater ist und was er unter keinen Umständen machen soll. Wenn du mich davon abhalten willst, als deine Gefährtin anerkannt zu werden, gut. Das akzeptiere ich. Aber ich war schon immer Conchars Mutter und nun werde ich sie rechtmäßig sein!“ Megumi nahm Conachar in ihre Arme und kitzelte ihn, damit er nichts von dem ernsten Gespräch zwischen seinen Eltern mitbekam.
„Meg, natürlich würde ich nichts lieber tun, als meinen Platz mit dir zu teilen, aber du hast keine Ahnung, auf was du dich da einlässt!“
Megumi lachte kalt. „Du hast keine Ahnung, was ich die letzten Monate durchgemacht habe. Vielleicht ist es dir nicht bewusst, doch ich habe auf mehr, als nur eine Weise gelitten und irgendwann reicht es mir. Man kann mir nicht einfach meinen Sohn stehlen. Ich bin eine Wandlerin! Er ist ein Teil von mir!“ Megumi fühlte, wie ihre Verwandlung die Überhand bekam und ein langer, schwarz gepunkteter Schwanz aus ihrem Steißbein stieß, ihre Krallen fuhren sich aus und Fell sprießte an manchen Körperstellen, sodass sie eine Halbverwandlung annahm. „Entweder ich tue alles für ihn, oder überhaupt nichts. Ab jetzt gibt es keine halben Sachen mehr. Das bin ich ihm schuldig!“ Knurrte sie und bekam nur nebenbei mit, wie etwas ihren peitschenden Schwanz fing.
„Megumi... ich weiß nicht was ich sagen soll. Ich will nicht, dass man dir gar etwas antut, oder... schlimmeres.“
Natürlich würde der Rat sie sofort entsorgen, sollte sie sich als Bedrohung herausstellen oder sich deren Befehlen nicht unterwerfen. „Sollen sie nur kommen. Ich habe einen Wyvern geboren, Vau. Ich habe einen Wyvern als Gefährten, ob es mir passt oder nicht. Da werde ich mit ein paar kleinen Hyänen spielend fertig!“
Megumis Gebiss formte sich zurück und ihre Krallen verschwanden als Nägel, bis sie wieder vollkommen menschlich war und streckte sich ausgiebig, während ihr Sohn vergebens den eben noch lustig peitschenden Schwanz suchte.
„Ich weiß nicht, ob ich dich vor ihnen beschützen kann, egal wie stark du bist, du kommst unmöglich gegen zwölf Drachen an.“ Enttäuscht warf sie dem Wyvern einen kurzen Blick zu. Das waren nicht unbedingt die Worte, die sie hatte hören wollen.
Zärtlich hauchte sie ihrem Sohn einen Kuss auf die Wange und bewunderte ihn einige Sekunden, bevor sie sich der Türe zuwandte. „Ich bin enttäuscht von dir Vau. Ich bin enttäuscht, dich meinen Gefährten nennen zu müssen!“ Fauchte sie ihn ein letztes Mal an, bevor sie die Türe öffnete und wütend hinter sich zuschlug, nur um sich kurz darauf verärgert darüber ihre Kleider verloren zu haben, in einen Leoparden verwandelte. Auf sanften Pfoten eilte sie durch den Gang, bis sie das Gemälde fand, welches Durial erwähnt hatte und stutzte überrascht, als sie ihren Weggefährten vollkommen zerstört dahinter vorfand. Der Gang war dunkel, staubig und schien unbenutzt zu sein. Das einzige Licht drang durch das dünne Gemälde und warf einen unheimlichen Schatten hinein, wodurch Durial nur noch schäbiger wirkte. Geradezu... zerbrochen. Entsetzt verwandelte sie sich zurück in ihre menschliche Form und musste sich zusammenreißen, um ihn nicht zu rütteln und aus ihm herauszupressen, was man ihm angetan hatte. „Durial? Durial was ist passiert?“ Fragte sie panisch und kam einen Meter vor ihm auf die Knie.
Durial beachtete sie kein bisschen. Er blickte einfach nur die gegenüberliegenden Wand des Ganges an, der kaum breiter war, als seine Beine lang. „Durial? Hat man dich erwischt? Bist du verletzt?“ Fragte sie weiter und brachte ihn dazu den Kopf zu schütteln. „Was ist dann passiert? Deine Verletzung?“ Probierte sie es noch einmal, doch wieder verneinte er. „Verdammt, wenn du kein Wort zu mir sagst, kann ich dir nicht helfen.“ Dieses Mal brachte sie ihn sogar dazu, die Schultern zu heben, doch dies half ihr ebenfalls nicht großartig weiter.
„Hat es etwas mit Fay zu tun?“ Alles andere konnte sie nun ausschließen.
Durial nickte.
„Dann lass dir nicht alles aus der Nase ziehen, oder ich lasse dich hier vermodern!“ Megumi sprach lediglich eine leere Drohung aus, doch es schien zu helfen.
„Sie hat... Sie hat mich abgewiesen.“ Flüsterte der gebrochene Drache.
„Was soll das bedeuten? Was hat sie gesagt?“
„Das ich verschwinden soll und dumm war zurückzukommen. Sie wollte mich nie... sie hat mich nie geliebt und hasst mich.“ Durial wandte Megumi nun endlich den Blick zu und ihr stockte der Atem. So viele Gedanken hatte sie nun an Vauven verschwendet, dass ihr nicht einmal der Gedanke hatte kommen können, wie wohl Fay auf Durials Wiederkehr reagieren würde. Trotz allem hätte sie eher mit Freude oder Ärger gerechnet, nicht jedoch mit Hass.
„Das glaube ich nicht. Fay trägt dein Kind, sie sorgte sich um dich und liebt dich. Wie kommst du nur auf einen solchen Unsinn?“
„Weil sie es mir gesagt hat.“ In seinen unterlaufenen Augen stand der Schmerz etlicher Generationen und Megumi sah ihm an, dass er weinen würde, wenn er noch Tränen gehabt hätte. Wie lange hatte sie auf den Balken verbracht? Zwei oder drei Stunden? Was hatte Fay ihm in dieser Zeit nur angetan? Er war doch kaum mehr, als zwei Wochen weg gewesen.
„Jetzt erzähl ganz langsam was sie gesagt hat. Sie ist nicht so, dass sie dich einfach wegschickt.“
„Sie sagte, dass sie mich dafür hasst, dass sie weiter leben muss. Sie möchte mein Kind nicht austragen und hasst mich für das, was ich ihr angetan habe.“
Megumi zog die Augenbrauen hoch. „Das hat sie gesagt“?
Durial nickte. Megumi wollte nicht glauben, dass Fay so etwas zu ihm sagen würde. Natürlich sagt Fay immer die Dinge genau so, wie sie sie empfand, sie spielte niemandem etwas vor und setzte sich für die Dinge ein, welche sie als recht ansah. „Sie hatte einen Grund. Vermutlich muss sie so etwas sagen. Du kannst mir doch nicht weiß machen, dass Fay sich mit Absicht so verhält. Ich kenne sie und... so ist sie einfach nicht.“ So kalt und herzlos. Das konnte nicht Fay sein.
„Außer sie ist tatsächlich der Darach über den wir gelesen haben.“ Meinte Durial und klang geradezu überzeugt davon.
„Du meinst... sie hat dich nur ausgenutzt? Das bezweifle ich. Fay... sie würde...“ Wenn sie genauer darüber nachdachte, machte es einen Sinn. Nur, was genau ist ein Darach? Das war es, was sie jetzt herausfinden mussten, bevor sie voreilig irgendwelche Entschlüsse fassten.
„Gut, wir gehen zu Vauven. Du hast doch die Schrift für ihn, oder?“ Für Elyon und seine Sammlung hatten sie die Kopie zurückgelassen, jedoch das Original musste an seinen Platz zurück.
„Du warst bereits bei ihm.“ Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. „Ja. Ich musste das tun für was ich hier bin.“
Durial nickte und stemmte sich vom Boden hoch. Schleifend zog er sich hinter ihr her, während sie wieder ihre Leopardenform annahm und vor ihm lautlos her trabte. Erst vor Vauvens Gemächern stoppte sie. Bis Megumi sich zurückverwandelt hatte, die Türe öffnete und nach dem König rief, war Durial ebenfalls an der Türe und wirkte regelrecht gezwungen sich zu bewegen.
„Wieso brüllst du denn hier... Verdammt, wieso bist du denn wieder hier!“ Vauven schlug sich an die Stirn, als hätte er niemals etwas Idiotischeres erlebt und schnaubte verärgert. „Für was denkst du habe ich dich hier weg geschmuggelt? Dass du wieder zurückkommst? Wie bist du überhaupt hierher gekommen?“ Fragte er Durial verärgert, während sein Blick immer wieder zu Megumi gezogen wurde, die immer noch nackt herumlief.
„Es war wesentlich billiger, als wenn man sich als Lustfrau ausgibt.“ Von einem Drachen hinüber gebracht zu werden hatte meist einen hohen Preis, der selbst Megumi damals die Luft genommen hatte.
„Das war nicht die Frage!“ Knurrte der König.
„Ich bin wegen Fay zurück.“ Erklärte Durial kleinlaut.
„Was? Ihr geht es doch gut, was dachtest du? Dass wir sie in Ketten legen und verhungern lassen?“ Vauven brüllte schon beinahe, woraufhin Megumi diesen zur Ruhe rief.
„Vauven, benimm dich gefälligst feinfühliger. Fay hat etwas. Entweder wird sie unter Druck gesetzt, oder bedroht. Jedenfalls stimmt etwas nicht mit ihr, sie hat Durial zurückgewiesen.“
Durial schnaubte belustigt, mit keinem Funken Humor darin. „Und? Soll ich jetzt etwa den Wyvern ausspielen und ihr etwas befehlen, was sie nicht will? Ich kann sie kaum dazu zwingen, jemanden zu lieben, den sie nicht will.“
Megumi sah ein, dass es nichts bringen würde, mit Vauven zu sprechen, doch dann kam ihr ein anderer Gedanke. „Dir ist doch bewusst, dass sie Gefährten sind.“
Vauven lachte belustigt. „Megumi, einen Gefährten zu haben ist die eine Sache, aber ihn auch zu finden ist schwierig, wenn nicht gar beinahe unmöglich. Außerdem wäre sie seine Gefährtin, würde er jetzt ein ganz anderes Gesicht machen!“ Belehrte Vauven Megumi aus eigener Erfahrung, welche sie teilte.
„Manche Gefährten können aber ebenso auf der Leitung stehen. Auf alle Fälle ist etwas mit ihr. Sie war kaltherzig und rücksichtslos zu ihm, und sie würde jemandem mit solchen Gefühlen niemals so etwas antun.“
„Und das weißt du woher? Aus einem Ratgeber für alleinstehende Frauen? Megumi, sieh es ein. Er liebt sie, aber sie ihn nicht. Manchmal ist es eben so.“
Knurrend trat die zornig werdende Wandlerin auf den Wyvern zu und bleckte die Zähne. „Nein! Sie sind Gefährten! Wenn er es sagt, dann muss es so sein. Trotz allem ist Durial ein kluger und weißer Mann, was man von dir nicht behaupten kann.“
Ebenfalls knurrend trat er ihr entgegen. „Was soll das denn heißen?“
„Dass ich dir die Hölle heiß machen werde, wenn du mir nicht sofort hilfst Fay zu finden und alles mit ihr zu klären...“
„Nein, lasst sie. Sie hat ihre Entscheidung bereits getroffen.“ Erklang Durials Stimme hinter Megumi und Vauven, die sich überrascht umsahen.
„Was meinst du damit?“ Fragte Fay.
„Dass ich mich einfach habe mitreißen lassen. Ich hätte es doch wissen müssen, dass mich ein perfektes Wesen, wie sie nicht lieben kann. Nicht einmal mein eigenes Volk mag mich, wieso also... Fay?“ Fragte er und meinte jedes Wort ernst.
Megumi ließ den knurrenden Wyvern stehen und ging zu Durial, doch hielt wie immer artig seinen Abstand ein, der jedoch offenbar von einem Meter, bereits wieder auf drei gewachsen war. „Ich mag dich. Elyon mag dich ebenfalls und ich glaube nicht, dass dich Fay hasst. Vielleicht... sind es die Hormone, oder sie versucht dich zu beschützen, indem sie dich wegschickt. Ich habe dasselbe getan, nur um meinen Sohn zu beschützen... und mich selbst.“ Gab sie kleinlaut zu. „Ich bin mir sicher, dass sie eine Erklärung hat. Sobald die Zeit reif ist, wird sie alles aufklären, in Ordnung?“
Durial hob nur leicht die Schultern und ließ sie wieder sinken, als wäre es ihm bereits egal. Mitleidig blickte sie den gebrochenen Drachen an und suchte dann Hilfe bei Vauven. Dieser wusste jedoch ebenfalls nicht, was er darauf sagen sollte. Um ihn auf andere Gedanken zu bringen, deutete Fay auf seine Jackentasche, in welcher er das Manuskript trug. „Außerdem, hast du nicht etwas, das du Vauven geben wolltest?“
Durial überlegte für einen Moment, dann begriff er und warf das Dokument dem verwirrten Vauven zu. Es dauerte nicht lange, bis er das Schriftstück überflogen hatte und scharf die Luft einsog. „Woher habt ihr das?“
„Aus Elyons Sammlung. Er wusste nicht, was es ist und grübelt bereits seit Monaten darüber. Durial entdeckte es zufällig und brachte es zurück.“ Das war zwar nur so ziemlich die halbe Geschichte, doch für Vauven war sie ausreichend.
„Das hat mein Vater geschrieben!“ Bemerkte Vauven, während seine Augen von Zeile zu Zeile flatterten. „Weißt du etwas über diese Evangelia, oder die Darach?“ Hakte Megumi weiter nach.
Sofort lag Vauvens wachsamer Blick auf ihr und musterte sie forschend. „Ihr habt es übersetzt?“ Fragte er, dann begriff er, dass es Durial gewesen sein musste.
„Ja, er hat es für uns übersetzt. Und das war auch gut so, denn wir denken, dass Fay in diese Geschichte verwickelt ist.“
„Wie sollte ein sechs Jähriger Ghul in eine tausendjährige Geschichte... Oh, ihr meint, dass sie der Darach war? Das ist unsinnig. Niemand belebt eine so lang verstorbene, das hätten keinen Sinn und es wäre zu viel Energieaufwand.“
Vauven las weiter.
„Das ist uns bewusst, doch nicht, wenn man gedacht hätte, dass der Ghul mit den starken Fähigkeiten eines Darach, doch noch nützlich sein konnte. Als es sich jedoch als Pleite herausstellte, ließ man sie weiterwandern, in der Hoffnung, dass ihre Erinnerungen zurückkehren würden...“
„Was aber ebenfalls niemals geschah.“ Beendete Vauven Megumis Vermutung und dachte ihre Gedanken weiter. „Und jetzt denkt ihr, seit wir den Ghul in ihr ausgeschaltet haben, dass ihr unterdrückter Darachgeist, wieder zurückkehrt mit all ihren Erinnerungen? Ich hoffe euch ist klar, wie absurd das alles ist. Außerdem... ich gehe einmal davon aus, dass ihr das gesamte Schriftstück gelesen habt, müssten wir für diese These einen anderen Darach befragen, was ich nicht empfehle, oder was einfacher wäre, einen Druiden. Wobei ich jedoch anmerken muss, dass sie seit Jahrhunderten nicht mehr gesehen wurden.“
Vauven hatte genau erraten, weshalb sie hierher kamen, zumindest unter anderem und sagte ihnen das, was sie bereits wussten. „Wie viele Jahrhunderte? Zehn?“ Fragte Megumi vieldeutig und brachte Vauven zum Schmunzeln.
„In etwa.“ Gab er zu und senkte die Schultern. „Wenn es wirklich zusammen hängt, was jedoch ein riesiger Zufall sein würde, dann würde Fay... der Darach... oder wer immer sie ist, sofort merken, dass wir Bescheid wissen und nicht einmal ich möchte mich mit einem zornigen Darach anlegen.“ Vauven überdachte seine Worte keine Sekunde, doch wenn er sein Volk schützen wollte, durfte er keine Risiken eingehen.
„Aber es ist möglich, oder? Es muss kein Vampir gewesen sein, der sie auferweckt hat. Vielleicht wurde er einfach gegen seinen Willen von einem anderen Darach benutzt, oder etwas viel schlimmeren, was weiß ich? Auf jeden Fall muss dieser Darach Evangelia mit ihrer Stimme umgarnt haben, ansonsten hätte sie als Wyvern niemals unschuldige Kinder geopfert!“ Hielt Megumi dagegen.
„Hierbei muss ich zustimmen, doch trotz allem ist mir der Zufall zu groß. Fay? Vor sechs Jahren auferstanden als Ghul, wird zufällig von deinem Bruder beauftragt dich zu heilen, gibt sich als Mutter für deinen Sohn aus und kommt zurück auf in die Drachenberge, wo sie jeder tausend Jahre alter Drache enttarnen könnte?“
Megumi winkte ab. „Ich glaube eher, dass es beabsichtigt war. Jemand gibt ausgerechnet Alasan den Wink, dass es einen freien Ghul gibt, der Sirenengesang benutzen kann, um mich zu heilen, während ich einen Wyvern ausbrüte? Fay wusste von alldem nichts, dass kann ich dir schwören, zumindest zu dieser Zeit. Sie sagte mir oft genug, dass ich das Kind aufgeben solle, sie war erschrocken über die Erkenntnis, dass es ein Drache ist, und verängstigt, als sie erkannte, dass er auch noch ein Wyvern wird. Fay hat Drachen getötet und uns beschützt, dann ist sie auch noch mit dir mit und ich bezweifle, dass du behaupten kannst, dass sie sich darüber gefreut hat, oder?“ Vauven nickte. Jedoch kamen sie so nicht weiter. Alles was sie besaßen, waren Theorien und keine Fakten. Außerdem standen mehr, als nur eine Frage offen.
„Gut, ich habe einen Plan. Durial behaltet Fay im Auge, doch sieh zu, dass du ihr nicht zu nahe kommst und sie sich verfolgt fühlt. Du brauchst sie einfach ab und zu beobachten, ob sie irgendwelche Veränderungen zeigt.“ Durial schien wieder Lebensgeister zu bekommen und nickte bestätigend. „Megumi, du möchtest doch deinen Platz, als Conchars Mutter zurück?“ Sie wartete geduldig auf sein Urteil, als er eine Pause einlegte. „Das lässt sich arrangieren, nur lass dir selbst etwas einfallen, was du ihnen erzählst. Ich kann dir dabei nicht helfen. Derweilen werde ich mir unbemerkt die Wyvernaufzeichnungen und sämtliche Fakten zu diesem Vorfall ansehen. Ich kann mir kaum vorstellen, dass es über diese Geschichte nur ein einziges Dokument gibt, dass auch noch verfälscht sein könnte. Zuerst überprüfen wir die Fakten, dann stellen wir Fragen. Verstanden?“
Durial und Megumi nickte gleichzeitig, nachdem sie sich einen bestätigenden Blick zu geworfen hatten. „Pass auf dich auf.“ Sagte Megumi zu Durial, bevor er stumm den Raum verließ, um seine Fay zu beschatten.
Seufzend ließ sich Megumi auf das Sofa sinken, welches immer ordentlich gemacht wirkte. „Jetzt klingst du wahrlich wie ein Wyvern.“ Lobte sie den König, welcher sofort neben ihr auf der Bank platz nahm, doch ausreichend Abstand hielt.
„Sagt die Frau, welche sich meinem Rat ausliefern will und uns drei als Lügner hinstellen.“ Bemerkte der König und ließ seinen Blick mitleidig über ihren mageren Körper gleiten.
„Wenigstens bin ich eine Frau, die dir sagen kann, wo es lang geht.“
Vauven lächelte und griff nach ihrem Haar. Das hatte er vermisst. „Weißt du eigentlich, dass ich noch so wütend sein kann, doch kaum stehst du vor mir möchte ich das überhaupt nicht mehr.“
Megumi nickte und schmiegte ihre Wange in seine ausgestreckte Hand. „Das liegt an unserem Band. Ob du mich nun zu Tode quälst oder jeden tötest, an dem mir etwas liegt... mich zieht es immer wieder zu dir zurück.“
Sein Daumen wanderte zärtlich über ihre Wange, bis er ihre Lippe erreichte und zaghaft darüber strich. „Ich vermisse dich.“ Flüsterte er und bekam einen ihrer umwerfenden Blicke, mit denen sie ihn bereits bei ihrem ersten Treffen überrascht hatte.
„Ich sollte dich eigentlich überhaupt nicht vermissen. Du hast mir nichts als Unheil gebracht und jetzt willst du mich nicht einmal vor allen anderen Akzeptieren. Ich will dich töten, doch konnte es einfach nicht. Ich schaffe es einfach nicht, mir mein eigenes Herz heraus zu reißen.“ Megumi rutschte über die Bank, bis sie auf seinem Schoß saß und sich schnurrend in seine Arme kuschelte.
„Und ich wollte dich überhaupt nicht davon abhalten, mich zu töten. Du hättest alles mit mir machen können, was du gewollt hättest. Ich würde es dir nicht übel nehmen.“
Lächelnd kuschelte sie sich enger an ihn, bis sie sich regelrecht in ihm verkroch und ließ sich von ihm wie damals streicheln.
Wie sehr hatte er dies vermisst. Megumi, seine Gefährtin. Die Mutter seines Sohnes und das schönste Geschöpf welches jemals durch diese Hallen gewandert ist. „Ich werde dich sogar vor mir selbst beschützen, wenn es das ist was du möchtest.“
Megumi nickte an seinem Hals, bevor sie ihm zart, einen Kuss an die Stelle hauchte, wo vor nicht einmal einer Stunde ihre Zähne gethront hatten. „Ich will nur, dass du mir meinen Platz an deiner Seite zugestehst, und dem Rat klar machst, was ich für dich bin.“
„Alles, was du wünscht, mein Herz.“ Nuschelte er in ihr Haar und so plötzlich, dass sein Herzschlag längere Zeit aussetzte. Nach so langer Zeit fanden ihre Lippen seine und küssten ihn, als wäre der letzte Kuss erst gestern gewesen. Geradezu perfekt passte ihr zarter Körper zu seinem, und schien mit jeder Phase seiner Existenz die pure Versuchung zu versprühen. „Ich liebe dich.“ Hörte er endlich die Worte, welche er bereits vermisst hatte und drückte Megumi fester an sich.
„Ich habe niemals damit aufgehört. Keine Sekunde.“ Schon hatte Megumi ihren Platz wieder, nur musste sie ihn nun auch noch vor einem zwölfköpfigen Rat verteidigen, der es nicht billigen wird, dass ausgerechnet ein Wandler und zugleich Sukkubus das Herz ihres Wyvern gestohlen hatte.
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Megumi erwachte an diesem Morgen, als hätte sie in Wolken geschlafen. Eigentlich bevorzugte sie die natürliche Bettwäsche wie Felle oder Wolle, doch wenn man an der Seite des Mannes erwachen durfte, den man mehr liebte, als dass es vermutlich gesund war, erschien einem alles anderes unwichtig. Schnurrend rollte sie sich aus seinem Arm, der beschützend auf ihrem Bauch ruhte und betrachtete den schlafenden Wyvern einige Sekunden, bevor sie ihm einen Kuss auf den Mund hauchte und das Schlafzimmer verließ. Sie hatten, bevor sie einschliefen, eigentlich nicht mehr getan, als zu kuscheln und die Nähe des anderen zu genießen, doch es reichte, um Monate des Verlustes nachzuholen.
Die Wandlerin schlüpfte in einen von Vauvens Morgenmäntel und schlich sich auf leisen Sohlen in das Zimmer ihres Sohnes. Endlich würde sie die Erste sein, die er morgen sah und das erste Lächeln des Tages einfangen dürfen. Zu ihrer Überraschung jedoch, schlief er überhaupt nicht mehr, sondern kaute auf einem Stoffbären herum.
„Na, mein Schöner. Mami ist da, um dich zu füttern. Was sagst du dazu?“
Quiekend streckte er seine dünnen Ärmchen nach ihr aus und sie nahm das Angebot sofort an, ihn in ihre Arme zuschließen. Gähnend döste er auf ihrer Schulter weiter, während sie überprüfte, was sie ihm zum Frühstück geben sollte. Für einen Moment überlegte sie, ob sie nicht Vauven fragen sollte, was so seine Gewohnheiten waren, als sie sich erinnerte, dass sie es doch wusste. Fay hatte es immer in ihren Tagebüchern erwähnt. Dankend wärmte sie etwas Milchpulver und gab einen Teelöffel frischen Kakao dazu.
Zusammen mit dem schmatzenden Conchar und einem Croissant schlich sie sich zurück in Vauvens Bett, welcher immer noch schlief, legte den kleinen Prinzen und sich selbst unter die Decke und kuschelte zum ersten Mal mit ihren beiden Männern.
„Du hast bestimmt auch an eine frische Windel gedacht.“ Meckerte Vauven und verriet somit, dass er bereits wach war. Seufzend verließ sie das Bett und eilte zurück ins Kinderzimmer, um eine frische Windel zu holen, und legte sie dem jungen Spross auch sofort an.
Frisch bekleidet und gesättigt betrachtete der junge Wyvern das seltsame Bild, welches sich ihm bot. „Jetzt kannst du dich endlich daran gewöhnen eine Mama zu haben. Ist das nicht schön?“ Fragte sie den Kleinen und knurrte wieder so wie an dem vergangenen Tag, um ihn zum Lachen zu bringen. Sofort stahl sich ein Lächeln auf seine Lippen.
„Die Wörter kommen eigentlich erst etwas später. Das einzige was er kann ist >Da< sagen.“ Erklärte ihr Vauven.
„Aber er ist doch schon sehr weit mit der Entwicklung. Er geht sogar bereits, als hätte er nie etwas anderes getan.“
„Ich weiß, motorisch entwickeln sich Drachen schneller als andere Kinder. Das müssen sie auch, um schnell stark zu werden und ihre Gestalt zu wechseln.“
Megumi lachte, als Conchar wieder Interesse an ihrem Haar fand. „Deine Cousine ist genauso frech wie du. Sie muss auch ständig an meinen Haaren ziehen.“ Verriet Megumi dem kleinen Conchar.
„Du hast eine Nichte? Das wusste ich noch überhaupt nicht.“
Megumi lächelte verschwörerisch. „So wie von meinen Brüdern? Oder deinem Sohn?“ Fragte sie und fing sich damit einen mahnenden Blick ein.
„Es ist doch hoffentlich nicht Alasans Tochter, oder?“ Fragte er unsicher geworden.
„Nein, Elyons.“
Nun verschlug es dem Wyvern die Sprache. „Tatsächlich?“
Sie nickte. „Ja, eigentlich hatten wir eine Geheimwaffe, die sogar deinen gesamten Clan und alle anderen ausgelöscht hätte, doch da sie schwanger war, verließ sie uns kurz vor dem Kampf und ließ uns Menschenfresser zurück. Elyon wusste dies zu dieser Zeit nicht und ließ all seinen Frust an deinen Männern aus. Fünf Monate später lag ein Neugeborenes vor unserer Türe, welches zur Hälfte Vampir und Leopard ist. Sie ist sehr verspielt und lieber Leopard, als Vampir. Jedoch zuckersüß und hebt alleine wenn man ihr zusieht die Laune.“
Grinsend küsste Vauven Megumis Schulter und lösten ihren Bademantel. „Da kenne ich noch jemanden der meine Laune alleine mit ihrem Anblick hebt.“
Dafür bekam er einen Kuss und Megumi begann, ohne es zu bemerken, mit dem Schnurren.
Ihr erster Morgen alleine mit ihren beiden Männern. Hoffentlich würden noch viele weitere folgen. Megumi wünschte sich im Moment nichts sehnlicher, als jeden Morgen so verliebt zu verbringen.
- - - - -
Durial hatte die gesamte Nacht versucht Fay zu finden, doch sie schien regelrecht im Nichts verschwunden zu sein, doch tauchte morgens an der Seite von drei Ratsmitgliedern auf. Überrascht verfolgte er, wie sie abwechselnd alleine herumging, etwas recherchierte oder wieder mit denselben drei Ratsmitgliedern sprach. Gelangweilt verfolgte er sie und versuchte herauszufinden, was sich geändert hatte. Nichts schien anders zu sein. Ihre Bewegungen waren zwar etwas Steifer geworden von dem zusätzlichen Gewicht und sie seufzte bei jedem Medikament, welches sie schlucken musste, als wäre es nervig, doch selbst dies war typisch für sie.
Erst gegen Abend zog sie sich in die Flure der Ratsmitglieder zurück, was ihn ehrlich überraschte, da sie niemals auch nur einen Fuß hinein gesetzt hatte. Weit jedoch konnte er ihr nicht folgen, da dieses Gebäude nur so von Wachen wimmelte, daher gab er die Verfolgung hier auf und machte sich daran sich in Erinnerung zu rufen, welches Zimmer sie wohl bekommen hatte. Insgesamt gab es vierzehn Zimmer. Zwölf davon waren immer besetzt und die restlichen beiden dienten den Wächtern für ihre Pause. Jedes Betreten und Verlassen dieses Bereiches wurde dokumentiert und genauestens überprüft, sodass es ihr bestimmt auffallen würde, wenn er sich an- und abmeldete.
„Kann ich dir eventuell helfen, junge Mann?“ Überrascht fuhr Durial aus seiner Position hinter einer Bank hoch und blickte erschrocken einen alten Drachen an. An seinen Nägeln erkannte er, dass dies ein schwarzer Drache sein musste, und verneigte sich demütig vor dem greisen Drachen mit seinen tiefen Falten.
„Nun, ja. Wenn Sie eventuell wissen, weshalb man die schwangere Fay umquartiert hat, dann wäre mir sehr geholfen.“
Der Greis mit seinen langen weißen Haaren lächelte belustigt. „Ja, ja. Die Junge Liebe heutzutage ist Qual und sündige Freude zugleich.“ Bemerkte er vielsagend und ging weiter, ohne Durials Frage zu beantworten. Verwirrt blickte er dem alten Mann hinterher, welchen er bereits einige Male hier gesehen hatte und beobachtete ihn, wie er sich am Empfang anmeldete. „Kommst du denn nicht hinterher? Hat dir niemand beigebracht, dass man sich, um die alten Leute kümmert? So senil wie ich bin, finde ich bestimmt wieder einmal meinen Weg nicht!“ Rief der Greis plötzlich an Durial gewandt, welcher sich überrascht umsah. Er verstand nicht recht, dass der Mann ihn gemeint, hatte, doch folgte seiner Aufforderung, als dieser im winkte.
Ohne sich ausweisen zu müssen, wurde er mit dem alten Mann eingelassen, welcher sich frevelhaft einfach bei ihm einhakte und stützen ließ.
Panisch wollte er den alten Mann sofort loslassen, doch überlegte es sich noch einmal anders. Nun konnte er ohne Anmeldung hinein. Wie war das nur passiert? Geduldig wartete Durial, bis der alte Mann sämtliche Stiegen hinauf geschafft hatte, bevor dieser ihn endlich frei gab. „Danke junger Mann. Diese Treppe hier treibt mich noch in den Wahnsinn. Immer, wenn ich meinen Cousin besuchen will, muss ich sie erklimmen und danach hier übernachten. Ich sage dir... werde niemals alt.“ Ermahnte er Durial und brachte den weit jüngeren Drachen damit zum Lächeln.
„Im Gegenteil, ich danke Ihnen.“ Erwiderte Durial und verneigte sich noch einmal mit vollem Respekt vor dem alten Drachen.
„Keine Ursache. Manche Dinge müssen beschützt werden, denn auch wenn ihr Schein etwas getrübt wird, verlieren sie niemals an ihren Wert.“ Mit diesen Worten verschwand der Drache in einem Gang, und veranlasste Durial eine Augenbraue hochzuziehen. Durial war schon immer gut mit Worten gewesen, doch verstand trotz seiner dreihundertjährigen Lehrzeit mit seinen Büchern nicht, was dieser Mann ihm hatte sagen wollen.
Kopfschüttelnd tat er seine Verschwörungstheorien ab und versuchte den Geruch von Fay zu wittern. Ihr Duft führte ihn jedoch wieder hinab in den Empfangsbereich, wo er sich gekonnt an den Wächtern Vorbeistahl und folgte, wortwörtlich, seiner Nase, bis er vor einer Türe zu stehen kam, welche eindeutig ihr gehören musste. Zuerst wollte er klopfen, doch überlegte es sich anders und spionierte sämtliche Gänge aus, die verworren von einem Stockwerk in das Nächste reichte, beinahe als würde dieses Gebäude alleine aus Gängen bestehen. Als Durial einen sicheren Platz gefunden hatte, um sich zu verstecken, verweilte er die Nacht dort, bis Fay am frühen Morgen das Zimmer wieder vollkommen ausgeruht verließ. Verwirrt blickte er ihr nach, bis sie das Gebäude verlassen hatte, erst dann schlich er sich in ihr Zimmer.
Normalerweise würde er sie niemals so hintergehen, doch er hatte den direkten Befehl eines Wyvern bekommen, und schob seine eigene Neugierde kurzerhand auf Vauven.
Sobald sich die Türe hinter Durial schloss entspannte er sich und sog gierig ihren bezaubernden Geruch ein. In ihrem durchwühlten Bett fand er sogar noch einen warmen Abdruck, den er belächelte, bevor er stutzte. Musste sie etwa jetzt schlafen, da sie kein Ghul derzeit sein konnte?
Kurz überlegte er, ihr Bett zu richten, da sie ihr Zimmer im Grunde immer sauber hielt, doch verwarf den Gedanken, damit sie nicht bemerkte, dass er hier gewesen ist. Schnell überprüfte er alle Schubladen und Kästen, doch fand nichts Auffälliges. Selbst das im Badezimmer waren dieselben Utensilien wie immer und ihr Geruch war derselbe. Trotzdem veranlasste ihn irgendetwas zur Eile. Auf jeden Fall musste er fort sein, bevor sie wieder kam, ansonsten würde er nur einen neuen Streit vom Zaun brechen und mehr ertrug er einfach nicht.
Eben wollte er das Zimmer verlassen, da sah er, wie die Türklinke hinunter gedrückt wurde. Erschrocken tat er das erstbeste, was ihm einfiel und verkroch sich unter dem ungemachten Bett. Verärgert verkniff er es sich zu niesen, da dicke Staubflusen darunter zu finden waren und wunderte sich sofort ein zweites Mal. So unordentlich kannte er Fay tatsächlich nicht.
Die Türe fiel hinter Fay ins Schloss und sie seufzte erleichtert. „Dumme Heiler. Die immer mit ihrem nervigen Nadeln und viel zu lauten Geräten.“ Fluchte sie und klang dabei ganz nach sich selbst. Wieder etwas erleichtert durch ihre Aussprache, sah er ihr zu, wie sie ihre Schuhe achtlos neben der Türe abstreifte und fragte sich, was er nun glauben sollte. Wer ist diese Frau, die aussah wie seine geliebte Fay?
Seine Gedanken wurden abermals gestört, als es klopfte und sie begeistert in die Hände klatschte. „Na, endlich. Ich dachte schon du kämst überhaupt nicht mehr!“ Tadelte sie ein weiteres Paar Füße, die eintraten.
„Du bist doch diejenige die sich diesen Ort ausgesucht hat. Also, was willst du?“ Durial kannte die Stimme nicht, doch versuchte verzweifelt, ohne selbst gesehen zu werden, einen Blick auf den Neuankömmling zu werfen. „Nun, ja. Wo ist es sicherer als direkt im Rat? Ich lebe mittlerweile lange genug hier, sodass ich mir genaue Pläne habe machen können.“
„Pläne, welche ohne mich überhaupt nicht funktionieren würden!“ Meinte der Fremde und ließ sich auf einen Stuhl sinken.
„Du warst es doch, der mich tausend Jahre schlafen ließ!“
„Sieh es, als Rache dafür, dass du Evangelia ohne mich hochgenommen hast.“
„Wir konnten uns doch schlecht einen Körper teilen. Außerdem wusste ich, dass du ihn mir wegnehmen würdest. Du warst schon immer machtgieriger, als ich.“ Fay ließ sich auf den Schoß des Mannes sinken und kicherte verlegen.
„Und jetzt möchtest du in diesen Untoten Körper zurück? Dass kann ich mir kaum vorstellen.“
„Natürlich möchte ich das. Evangelia hat ihn mir gestohlen.“
Lachen ertönte. „Und wer hat damit angefangen?“ Tadelte er Fay... oder >nicht Fay.<
„Ich habe das lediglich für uns getan, das weißt du.“
„Ohne mir Bescheid zu geben!“ Schimpfte der Fremde abermals. Stöhnend schwang sie sich von seinen Beinen und stampfte über den Boden hin und her.
„Du bist ein miserabler älterer Bruder.“
„Und du eine egoistische kleine Schwester.“ Konterte dieser sofort.
„Na, und? Ich habe vom besten gelernt.“
„Offenbar nicht gut genug, denn Fays Schlosshund läuft hier schon wieder herum. Ich dachte, du hättest dich bereits um ihn gekümmert, sodass er ungesehen davon kommen konnte.“
„Er ist aber wieder zurück.“ >Nicht Fay< stampfte frustriert mit einem Bein auf. „Dieser hässliche... schleimige... Missratener Drache. Stünde er nicht in der Gunst dieses tyrannischen Wyverns, dann hätte ich ihn längst entsorgt. So schwach wie er ist, kommt er nicht einmal in meinem geschwächten Zustand gegen mich an.“
Der Fremde lachte. „Unterschätze niemals einen Drachen, kleine Schwester. Sie sind hinterhältiger, als sie aussehen und werden stärker je mehr du sie verletzt.“
„Du meinst wie Evangelia? Ich verstehe bis heute nicht, wie sie sich von meinen Bann hatte lösen können. Sie ist so tollpatschig gewesen, dass sie sogar an meiner Höhle damals vorbei lief. Ich musste sie regelrecht dazu zwingen zu mir zu kommen. Undankbares Balg!“ Durial ging nun endgültig ein Licht auf. Das war nicht Fay, doch... wie hatte er sich nur von ihr dermaßen ausnutzen lassen können? Er hatte einem Darach ein Kind geschenkt und sich in ihre Kaltherzigkeit verliebt. Er war doch so ein Idiot!
Abermals wollten Tränen ihn übermannen, doch da er seit seiner letzten Weinattacke nichts getrunken hatte, kamen keine neuen nach.
„Sie hat auch ihre eigene Schwester entführt. Darauf hättest du achten müssen, Dummkopf.“
Wieder stampfte der Darach auf.
„Nenn mich nicht so! Ich bin keine vierhundert mehr!“ Schrie sie ihren Bruder verärgert an.
„Aber auch nicht sonderlich viel reifer!“
„Dann hättest du Evangelia doch einmal früher wiederbelebt, dann hätten wir diesen Ärger nicht!“
„Du hast doch keine Ahnung, wie es bei den roten Drachen zu geht. Sie sind schwach und seit tausend Jahren in einem Dämmerschlaf. Diese verlogenen Ignoranten beschützen sie, als wären sie wichtig.“ Der Fremde redete, als wäre er selbst frustriert darüber.
„Für sie sind sie wichtig. Und für uns auch.“
„Nein, du kannst diese Idee vergessen, Schwester. Es gibt seit einigen Jahren keine Kinder mehr. Alle Drachen sind bereits zu alt, um den Ritus noch einmal zu vollziehen. Wir müssen gehen, so bald es möglich ist.“
„Müssen wir nicht!“ Erwiderte die Darach.
„Doch müssen wir! Die Drachen werden sich niemals erholen solange nicht alle Wyvern vollständig sind...“
„Das sind sie aber bald!“ Wieder ertönte begeistertes Klatschen.
„Das verstehe ich nicht.“
„Aber gleich!“ Der weibliche Darach hüpfte elegant, was Durial einer Schwangeren niemals zugetraut hätte, zu ihrem riesigen Bücherregal und ihr Bruder folgte ihr gemütlich.
Durials Herz schmerzte, als er daran dachte, was sie über ihn gesagt hatte. Hässlich und schleimig... Das aus ihrem Mund zu hören traf ihn härter, als alles andere und abermals überwältigte ihn dieses Gefühl der kalten Einsamkeit. Es verschlang ihn wie Fangarme eines Kalmars, die sich gierig um ihr Opfer wickelten.
„Was soll das bedeuten?“ Durial fiel erst jetzt auf, dass das Bücherregal aufgeklappt worden war und dahinter ein Hohlraum zum Vorschein kam, der über Räder heraus gezogen wurde und ein Bett zu Tage brachte, mit etlichen Geräten darum herum. „Was hast du ihr angetan? Oder sollte ich lieber >dir selbst< sagen?“
Der weibliche Darach in Fays Gestalt lachte belustigt. „Das? Das hat mir der Ausgestoßene Drache angetan. Wegen ihm kann ich niemals wieder in diesen Körper zurück, sieh dir an, wie aufgebläht sie... ich schon bin!“ Schimpfte die >Nicht Fay< und schien auf etwas zu deuten, was er nicht sehen konnte. „Mit was hast du sie vollgepumpt? Sie sieht aus, als würde sie nicht einmal mitbekommen, dass sie schläft.“
Der Darach lachte. „Ich? Ich habe sie so gefunden, im Park. Ich habe sie lediglich in das Zimmer hier gebracht und versteckt. Dann habe ich etwas von ihrer DNA genommen, um ihr Aussehen annehmen zu können. Ich vermute, dass es etwas mit diesem Ausgestoßenen zu tun hat.“
„Du meinst sie sind Gefährten?“ Hakte der Fremde nach.
„Ich vermute es.“ Gab der Darach zu. „Ich habe keine Ahnung, wie so ein Band funktioniert, aber wenn es meinen Körper derart mitnimmt, bin ich froh ein Darach zu sein.“
„Ich verstehe... das ist interessant.“ Meinte der Fremde und Durial konnte sich vorstellen, wie dieser über etwas lächelte.
„Was? Was ist interessant?“
„Nichts, das dich zu interessieren hat. Aber du hast recht. Du brauchst einen neuen Körper und ich denke, wenn du noch ein paar Jahre warten kannst, bekommst du den perfekten Körper. Sie wird stark sein.“
Die Füße des Darach verschwanden und das Bett wurde zurück in sein Versteck geschoben. „Ich weiß. Noch ein Wyvern und rate welche Farbe ihre Schuppen haben.“
„Bist du dir sicher?“ Fragte der Fremde seine Schwester ungläubig. „Du weißt, dass es noch nie vorgekommen ist, dass zwei Wyvern gleichzeitig geboren werden. Normalerweise liegen hunderte von Jahren zwischen den einzelnen...“
„Hör auf mich zu belehren. Ich bin überraschter, als du. Immerhin trägt mein Körper einen Wyvern aus.“
„Aber wieso hören die Drachen plötzlich auf, Kinder zu bekommen und alle anderen Wesen fangen an? Das ist...“
„Unmöglich?“ Beendete sie den Satz. „Mir brauchst du es nicht zu erklären. Ich wollte es selbst nicht glauben, doch du weiß,t dass meine Fähigkeiten mich noch nie belogen haben.“
„Ja, ich weiß. Deshalb bist du ja meine Lieblingsschwester.“ Kommentierte der Fremde und lachte gehässig.
„Und deine Einzige, daher finde ich dein Kommentar nicht sonderlich witzig.“ Meckerte der Darach wieder.
„Du bist einfach nur verwöhnt, das ist alles.“ Durial nahm an, dass der Darach noch etwas erwidern wollte, doch der Fremde schnitt ihr das Wort ab. „Aber jetzt muss ich gehen. Wenn ich zu lange weg bin, schöpfen die Druiden noch verdacht über meine Loyalität. Ich darf mir keine Fehler mehr leisten. Und du noch weniger!“ Sein Unterton ließ keinen Widerspruch zu und der Darach ging auf die Knie.
„Keine Sorge, ich werde mich um das Kind gebührend kümmern.“
„Gut, jetzt nimm Fays Gestalt wieder an und komm mit. Du musst noch weitere Ratsmitglieder umgarnen.“
Durial hörte sie schnauben und sah zu, wie sie sich die Schuhe wieder überstreifte, während sich ihr Gang änderte. „Besser?“ Fragte sie und öffnete die Türe, um den Fremden als Erstes hinaus zu lassen. Gemeinsam verschwanden sie hinter der Türe und Durial blieb alleine mit vollkommen verwirrten Gedanken zurück.
Es dauerte mehrere Minuten, bis er es wagte unter dem Bett hervor zu kommen und sein erster Weg führte ihn zu dem Versteck hinter dem falschen Bücherregal. „Fay?“ Flüsterte er gegen das Bücherregal und sein Herz wurde plötzlich schwer. Wie hatte er das nicht bemerken können? Fay... seine Geliebte und Mutter seines Kindes lag hinter dem Regal, alleine im dunkeln. Zusammengebrochen? Schon seit er fortgegangen ist? Das konnte er kaum glauben und dann wurde sie auch noch entführt von diesem... Monster.
Knurrend versuchte er das Bücherregal vor zu schieben, doch es schien fest verankert zu sein. Egal wie fest er zog, wie tief sich seine Krallen gruben oder wie hart er gegen das Regal hämmerte, es gab keinen Millimeter nach. Das perfekte Gefängnis.
„Ich hole dich hier hinaus!“ Versprach er und legte seine Stirn gegen das kalte Holz. Sie lag dort, bereits seit Tagen und niemand wusste es. Nicht einmal er selbst hatte es gewusst. Er hatte geglaubt, was Fay... die falsche Fay gesagt hatte. Jedes Wort hallte durch seinen Kopf und verhöhnte ihn. Der Darach hatte ihm genau das gesagt, was er immer hören wollte. Durial hatte niemals wahrlich glauben können, dass ihn jemand so lieben könnte, wie er Fay liebte und als sie es auch noch aussprach, zweifelte er keine Sekunde daran, dass dies ihre wahren Gefühle sein konnten. „Ich bin so ein Idiot... aber ich hole dich. Das schwöre ich dir. Und dann trennt uns beide nichts mehr.“
Durial blieb noch für einige Minuten an das Regal gepresst, dann stieß er sich ab und lief aus dem Zimmer, ohne auf die anderen Drachen zu achten, die ihm verwirrt hinterher sahen, eilte er durch die Gärten und Gänge, bis er die Wyverngemächer erreichte. Zuerst wollte er einfach hineinstürmen, doch dann erblickte er einen alten Drachen mit schütterem weißen Haar, der ihn von einem der Gärten aus musterte.
Erst da fiel ihm etwas auf. Den Drachen kannte er bereits. Nachdem er Fay das erste Mal getroffen hatte, hatte er ihn ebenfalls bereits gesehen. Damals hatte er jedoch purpurne Augen. Aber gestern? Durial versuchte, sich verzweifelt zu erinnern, und sprang aus dem Fenster, um zu dem Greis zu gehen.
„Wer bist du?“ Knurrte er den Drachen an, auf dessen rauen Lippen sich ein Lächeln stahl. „Immer derjenige für den ich gehalten werde, doch niemals etwas anderes, was meinem Wesen entspricht.“ Meinte dieser geheimnisvoll und deutete Durial, sich zu setzten.
„Ich weiß, das ihr vor beinahe einem Jahr, ein purpurner Drache gewesen seid und jetzt plötzlich ein schwarzer? Wie ist das möglich?“ Bohrte er nach.
„Möglich? Ja, wie ist das möglich, erklärt es mir Durial. Nie ist etwas so wie wir es gerne hätten und doch akzeptieren wir es, egal wie facettenreich es ist. Vielleicht solltest auch du endlich aufhören immer das zu hören, was du möchtest und dein Gehirn benutzen? Du bist ein kluger Drache und warst einst einer der stärksten. Du kannst es wieder sein, weißt du das?“
Durial dachte über die Worte nach und über alles, was seitdem passiert ist. Seine erste atemberaubende Begegnung mit Fay, ihre klugen Erwiderungen, ihr Charme und wie sie ihn verzaubert hatte. Anfänglich hatte er große Angst vor diesen Gefühlen gehabt, doch stärker noch war seine Neugierde gewesen, wie weit er gehen konnte. Immer wieder überraschte sie ihn, lachte ihn aus wegen seines Bartes, schimpfte wegen des Rollkragens und sagte ihm, dass er nackt in ihrem Zimmer herumlaufen solle. Sie zwang ihn dazu, sich selbst endlich wieder, als Person zu sehen, und überraschte ihn damit ihn so zu akzeptieren, wie er ist und nicht das, was die anderen aus ihm gemacht hatten. „Sie ist meine Gefährtin. Ich weiß das, aber...“
„Du denkst du verdienst keine? Wieso trägt sie dann dein Kind?“
Durial überraschte es in diesem Moment überhaupt nicht, dass der alte Drache über sie beide Bescheid wusste. „Also wacht ihr immer noch über die Drachen?“
„Jeder wacht über jeden. Das ist die Aufgabe einer Vielfalt.“ Meinte er geheimnisvoll und lehnte sich gemütlich zurück, als wäre dies nur ein Gespräch über das herrliche Frühlingswetter.
„Ich wünschte dies würden bestimmte Leute ebenso sehen.“
„Es ist nicht die Menge die einen Glauben ausmacht, sondern es sind die einzelnen Personen. Du brauchst im Grunde nur drei Menschen, um einen Krieg zu führen. Einen auf der einen Seite,“ er deutete nach links „einen auf der anderen Seite,“ der Greis deutete nach rechts „und einen der zwischen diesen beiden pendelt und Lügen erzählt. Schon werden Kriege geführt.“ Der Greis richtete sich plötzlich mit einem Schwung auf, welchen Durial ihm in diesem Alter niemals zugetraut hätte und streckte sich, als wäre er noch kaum hundert Jahre alt. „Aber nicht nur Außenstehende können uns zum Krieg führen, manchmal sind es auch unsere Gefühle die uns mehr Kraft verleihen, als wir bisher wussten. Denk einmal darüber nach, während ich mich um den jungen Mann kümmere.“
Mit einem Nicken verschwamm seine Gestalt und zurück, blieb nichts außer Luft. Der Druide hatte einfach seine Gestalt verschwinden lassen, als wäre er niemals hier gewesen. Oder hatte es sich Durial bloß eingebildet?
Irritiert sah er sich nach dem Mann um, doch konnte ihn nirgendwo entdecken. Durial hielt sich selbst schon für verrückt genug, und entschied sich erst einmal um Fay zu kümmern, bevor er noch anfing rosa Elefanten oder Schlimmeres zu entdecken.
„Durial? Du siehst... staubig aus.“ Kommentierte Vauven Durials Klopfen und brachte ihn damit dazu, sich selbst genauer zu betrachten. Leicht beschämt trat Durial von der Türe fort und klopfte seine Kleidung ab, bevor er eintrat und eine vierzig Kilo leichte Raubkatze mit zuckenden Schwanz und lautes Kinderlachen vorfand.
Irritiert sah er sich um, und entdeckte Conchar der lachend versuchte, den Schweif seiner Mutter zu erwischen, die ihn geschickt immer aus seiner Reichweite brachte und dabei für noch mehr Gelächter sorgte.
Automatisch musste auch Durial bei diesem heiteren Lachen des Kindes lächeln und fragte sich, wie oft er den Kleinen bereits zum Lachen gebracht hatte. Als Conchar ihn entdeckte, wurde seine Mutter für einen Moment uninteressant und der junge Wyvern kam auf ihn zu, als wäre Durial sein bester Freund. Etwas unsicher was er tun sollte, blickte Durial zu Vauven, welcher ihm auffordernd zu nickte und der kleine Prinz ließ sich von Durial hoch nehmen.
„Hallo, Conchar. Du hast wohl deine Mutter bereits ins Herz geschlossen.“ Scherzte er und deutete dabei auf die gefleckte Wildkatze.
„Matzi! Matzi! Matzi!“ Schrie er aufgeregt und wollte, dass Durial zu der Raubkatze mit ihm ging, doch Durial stellte ihn wieder auf seine eignen Beine.
„Später, kleiner Held. Erst muss ich mit deinem Papa sprechen.“ Sofort bekam er eine traurige Miene und Durial schnaubte. Conchar wusste bereits, wie er ihn herum bekam.
„Um was geht es?“ Fragte Vauven und folgte Conchar ebenfalls zu Megumi, die sofort ihr Spiel wieder aufnahm.
„Um Fay. Ich habe sie gefunden... also die richtige Fay...“ Vauven unterbrach ihn barsch.
„Wie bitte? Was meinst du mit >die richtige Fay<?“
Durial seufzte einen Moment, bevor er einfach weiter erzählte, als wäre er überhaupt nicht unterbrochen worden. „Sie ist in... einer Art Gefängnis. Und bewusstlos.“ Fügte er hinzu. „Ich bin gestern den gesamten Tag dieser >falschen Fay< gefolgt, nur wusste ich noch nicht dass sie... nun, ja nicht sie ist. Ein alter Mann, ich dachte er wäre von den schwarzen Drachen, hat mir geholfen in den Bereich der Ratsmitglieder zu kommen und dort hat Fay ihr neues Zimmer.“
Vauven nickte bestätigend. „Ja, sie fragte mich kurz nachdem du weg warst danach. Sie sagte, sie wolle einen besseren Weg finden sich hier einen Platz zu schaffen, mit dem sie leben kann. Mir war es gleich, Hauptsache sie tut nichts unüberlegtes.“ Meinte er abschätzig und strich zärtlich durch das Fell seiner Gefährtin, welche auf der Stelle zum Schnurren begann und ihren großen Kopf in seine Hand schmiegte.
„Das hätte die wahre Fay niemals gewollt. Sie wollte fliehen, sobald unser Kind alt genug wäre sie zu tragen. Niemals hätte sie sich noch enger eingesperrt, als sie es bisher schon war.“ Vauven tat so, als hätte er den Fluchtplan nicht gehört, und deutete Durial fortzufahren. „Auf jeden Fall, schlich ich mich heute Morgen ein, als ich dachte sie würde spazieren gehen, oder irgendetwas erledigen, nur kam sie früher zurück, als ich dachte und ich musste mich unter dem Bett verstecken.“ Vauven hob die Augenbrauen, da er nun den Staub verstand. „Nur eine Minute später kam ein Mann, er war offenbar ihr Bruder und sie sprachen über Evangelia, dass Fay den Körper des Darach besetzt und dass sie einen neuen Körper will und zwar den unseres ungeborenen Kindes. Auch sagten sie, dass es ein weiblicher Wyvern sein soll, was... ich jedoch nicht beurteilen kann.“
„Was!“ Vauven sprang so plötzlich auf, dass Conchar sich erschreckte und zu weinen begann. Sofort verwandelte sich Megumi, gab Vauven einen Klaps auf den Hinterkopf, während sie für ihren Sohn schnurrte, sodass er sich schnell wieder beruhigte. „Entschuldige...“ Meinte Vauven an Megumi gewandt, während er sich den Hinterkopf rieb und aus ihrer Reichweite trat. „Wie... Conchar ist der Wyvern. Es können nicht zwei nachfolgende Wyvern in einem Clan sein. So etwa ist noch nie vor gekommen.“
„Ungefähr so wenig, wie ein roter weiblicher Wyvern?“ Schlug Durial vielsagend vor und Vauvens Atem stockte gleichzeitig mit dem von Megumis.
„Was?“ Jetzt waren es beide, die laut aufschreien und nichts mit dieser Information anfangen konnten.
„Wie gesagt, es ist nur das, was ich gehört habe. Sie können sich auch irren.“
„Gewissheit haben wir erst nachdem das Kind auf der Welt ist.“ Bestätigte Vauven und blickte sich im Raum um, als würde er etwas suchen. Für mehr, als nur wenige Sekunden blieb sein Blick auf den Alkoholflaschen hängen, welche weit außerhalb Conchars Reichweite standen, und schnaubte dann entschlossen. „Du sagst Fay ist eingeschlossen?“
Durial nickte. „Ja, aber auch medizinisch versorgt, leider konnte ich sie nicht mitnehmen, da ich den Mechanismus nicht öffnen kann.“
„Dann bedeutet dass, die herumlaufende Fay, ist ein Darach... der Darach, nach dem die Druiden schon lange suchen?“ Durial erwog einen Moment, den Druiden zu erwähnen, den er getroffen hatte, doch verwarf diesen Gedanken. Vermutlich wäre dies etwas zu viel des Guten.
„Ja, ich hörte sie klar und deutlich über den Vorfall vor tausend Jahre sprechen.“ Antwortete er bestimmt und Zorn sammelte sich in ihm. „Gut, dann veranlasse ich, dass man Fay auf der Stelle zu einem Ratstreffen begleitet. Gibt es noch etwas was ich wissen sollte?“
Durial zählte noch einmal alles auf. „Fay liegt an Geräten angeschlossen hinter einem Bücherregal, drei der Ratsmitglieder scheinen Interesse an ihr gefunden zu haben und ich kann diese Identifizieren, der Bruder des Darach läuft noch frei herum, doch ich habe durch eine... Quelle erfahren, dass man sich bereits um ihn kümmert...“
„Welche Quelle?“ Fragte Vauven sofort.
Durial hob die Schultern entschlossen. Er glaubte nicht daran, dass sich der Druide ihm gezeigt hatte, damit er es herum posaunte. Daher schwieg er. „Eine zuverlässige. Eine, die mir geholfen hat Fay zu finden und die Wahrheit zu erfahren. Ich denke es war eine Quelle die schon immer auf uns alle acht gegeben hat.“
Scharf stieß Vauven die Luft aus und nickte überzeugt. „Gut. Mehr brauche ich nicht.“ Vauven wandte sich seiner Gefährtin zu. „Megumi, mach dich fertig. Du wolltest mir doch einheizen, oder?“ Megumi lächelte verschwörerisch und eilte zusammen mit Conchar in ein Zimmer, welches Durial bisher nicht aufgefallen war. Als sie kurz darauf wieder kam, war sie in die typische Drachenkleidung geschlüpft, welche aussah, als wäre sie ausschließlich für sie gemacht worden.
„Gehen wir, oder willst du mich noch weiter anschmachten?“ Fragte Megumi schnurrend Vauven und hauchte ihm einen süßen Kuss auf die Lippen, während Conchar bereits die Türe öffnete, und drängte zu gehen. „Also... wenn du mich so fragst, dann würden mir...“
„Geh!“ Knurrte Megumi und schob den König unsanft aus dem Zimmer.
„Wenn ihr mit mir weiter so umspringt, werde ich euch beide hinaus werfen!“ Drohte der Wyvern, doch lächelte, während er seine Frau in die Arme schloss.
Durial ging artig, wie es sich für ihn gehörte hinter den dreien, mit respektvollem Abstand und Vauven winkte einen Drachenwächter heran. „Ich will sofort eine Sitzung und holt Fay dazu. Ich will, das niemand fehlt!“ Befahl er streng und sofort verschwand der Wächter, ohne weitere Fragen zu stellen.
„So gefällt mir das.“ Lobte Megumi und küsste Vauvens Wange.
Vauven lächelte verliebt zu ihr hinab und sofort spürte Durial Eifersucht aufkeimen. Hatte er so etwas ebenfalls mit Fay gehabt? Hatte sie ihn auch so sehr geliebt? Hatte er sich das alles nur eingebildet? Wenn er darüber nachdachte, wollte er es überhaupt nicht wissen, da jede weitere Zurückweisung von Fay ihn nur noch mehr töten würde.
Durial musste sich eingestehen, dass er zwar früher gut mit Frauen gekonnt hatte, doch sein Beruf war ihm immer wichtiger gewesen. Niemals hatte es eine Frau gegeben, die er nicht gegen einen neuen Befehl seines Wyvern eingetauscht hätte oder gar sie vor einem Todesurteil hätte retten wollen.
Mit Fay war dies alles anders. Er hatte ihr von Anfang an ausreden wollen zu sterben, wollte ihr nahe sein und dabei vergessen, was wohl andere von ihrer >Freundschaft< denken würden. Auch wenn er sie mehr als einmal zurückgewiesen hatte, da ihre Nähe ihn zu sehr verwirrt hatte, bereute er jede Sekunde, in der er sie gemieden hatte. Wie hatte er nur so dumm sein können?
- - - - -
Kaum eine halbe Stunde später waren alle zwölf Ratsmitglieder, der Wyvern, seine Gefährtin mit ihrem gemeinsamen Sohn und Durial in einem Raum versammelt, dessen Inhalt Durial immer nur durch ein geheimes Versteck in den Wänden verfolgt hatte. Nach Jahrhunderten einmal wieder hier zu stehen, an der Seite des neuen Wyvern so wie des Zukünftigen, machte ihn etwas nervös. Er gehörte nicht hierher und das spürte der verbannte Drache zu deutlich.
Als dann auch noch Fay leicht irritiert eintrat, lagen seine Nerven blank und ein donnerndes Knurren löste sich aus seiner Kehle.
Vauven ermahnte ihn still zu sein und Durial sank auf seinen Stuhl, am Rande des Geschehens zurück, während mehrere Augenpaare ihn verachtend, anblickten.
„Gut, jetzt sind wir vollzählig. Wenn bitte die restlichen Platz nehmen würden?“ Bat Vauven in einem höflichen Befehlston und sofort saßen alle. Fay nahm auf der anderen Seite des Raumes platz und fixierte Durial mit einem tödlichen Blick. Offenbar ahnte sie, dass er etwas hiermit zu tun hatte.
„Sir, in aller Bescheidenheit. Dürften wir erfahren, was eine solche Dringlichkeit besitzt uns von wichtigen Aufgaben abzuziehen? Manche von uns...“
Vauven unterbrach den Drachen mit einer Handbewegung. „Ich bin euer Wyvern! Wem folgt ihr, wenn er ruft?“
„Dem Wyvern selbstverständlich!“ Erwiderte der Angesprochene bescheiden und senke den Kopf.
„Gut, etwas anderes wollte ich auch nicht hören.“ Bemerkte der Wyvern bestimmend und niemand wagte es mehr den Mund zu öffnen. „Sagt mir, seit wann bin ich euer Wyvern?“
Da niemand wusste, ob er sprechen durfte, oder ob es eine rhetorische Frage war, hoben lediglich drei Ratsmitglieder den Arm.
Vauven deutete auf eine der ältesten Drachenfrauen und gab ihr das Wort. „Seit mehr als dreihundert bereichernden Jahren, mein Herr.“
Vauven nickte. „Genau! Und vor einhundert Jahren, führte ich eine Bitte ein, wie sieht diese aus?“ Er fragte wieder dieselbe Frau mit ihrem strengen Dutt.
„Ihr wolltet einmal im Jahr, drei Wochen alleine auf dem Festland verbringen, Herr.“ Meinte sie etwas verwirrt.
„Richtig, jedoch war ich das letzte Jahr und dieses nicht aus, wisst ihr weshalb? Habt ihr euch jemals Gedanken darüber gemacht?“
Niemand wagte es, den Arm zu heben, daher wählte Vauven den Mann, der als Erstes seine Stimme erhoben hatte. Verunsichert sprach er, aus was er dachte. „Dieses Jahr, denke ich, dass es an Eurem Sohn lag und an den Pflichten ihm gegenüber.“ Vauven nickte bestätigend, was ihn etwas ermutigte. „Und in dem Jahr davor... dachte ich persönlich, dass es eventuell an euren Pflichten läge, oder dass Ihr einfach keine drei Wochen mehr von Eurem Volk getrennt sein wolltet.“
Vauven schmunzelte belustigt und strich sanft durch das hellblonde Haar von Megumi, dessen Conchars genauestens glich. „Dann habt Ihr falsch gedacht. Vor drei Jahren, traf ich Megumi. Sie war ein... bezauberndes und, ist immer noch, ein wunderschönes Wesen. Wir verliebten uns und verbrachten eine Woche zusammen. Ich ging, da ich annahm, meine Pflicht dem Volk gegenüber wäre größer, als jeder Schmerz den ich bei meiner Abreise empfand. Durch... die Fügung des Schicksals, oder einfach nur, dank ihrem Sturkopf...“ Megumi lächelte ihn belustigt an. „...fand sie mich wieder. Wir wussten auf der Stelle, was wir waren. Ich habe meine Gefühle zu ihr nicht einfach nur aus einer Laune heraus entwickelt, nein es war viel mehr. Es >ist< viel mehr.“ Betonte der Wyvern lautstark. „Ich dachte, ich könne das Band zwischen uns beschützen, indem ich sie vor eurem Urteil beschütze, da niemand aus dem Rat ein Wesen, als Wyverngefährtin akzeptieren würde, liege ich richtig in dieser Annahme?“
Sofort kam lautes Stimmengewirr auf und die Empörung über seine Worte war klar heraus zu hören. „Das dachte ich mir!“ Knurrte er verärgert und legte besitzergreifend seinen Arm auf Megumis Schulter. „Deshalb wagte sie es auch nicht, mir anzuvertrauen, dass sie ein Kind von mir empfangen hatte und als es geboren wurde, spürten wir alles es. Wir gingen und holten es uns. Ihr, da ihr es, als einen von uns haben wolltet und ich, da ich mich gekränkt und verraten gefühlt hatte. Leider passierte an diesem Tag etwas tragisches und ihr Bruder verstarb, als ich ihn aus der Gefahrenzone bringen wollte. Ich wusste Megumi würde es mir niemals verzeihen und ich konnte ihren Blick nicht ertragen, wenn ich ihr an einem Tag unser Kind und ihren Bruder nahm. Fay bot an, sich der ihrer statt zu opfern.“
Sofort wandten sich alle Blicke, außer der von Vauven, Megumi und Durial, an die anwesenden >Nicht Fay< und das Stimmengewirr wurde lauter. Durial hörte einzelne Beschwerden heraus und wie sich alle verraten fühlten, das brachte ihn abermals zum Knurren, doch dieses Mal hörte es niemand.
„Sir, das kann nicht möglich sein.“
„Wer ist denn jetzt die Mutter?“
„Eine Wandlerin? Das ist Absurd!“
„Lügen, das sind doch alles nur Lügen...“
Wüste Worte fielen und es dauerte beinahe fünf Minuten, bis Vauven die Aufmerksamkeit wieder zurückbekam. „Ich bin noch lange noch nicht fertig.“
„Gibt es etwa noch mehr Lügen? Geheimnisse? Verrat?“ Beschwerte sich ein anderer Drache. Vauven versuchte, dies zu unterbinden und sich aus seinen Lügen heraus zu winden, doch fing sich nur noch mehr Empörung ein.
Plötzlich sprang Megumi auf und sämtliche Aufmerksamkeit lag auf ihr. „Benimmt man sich denn so, seinem Wyvern gegenüber? Zeigt etwas mehr Respekt!“ Knurrte sie, die erschrockenen Drachen an.
Sofort wurde auch sie das Ziel der Fragen. „Sie ist kein Drache, sie dürfte hier nicht einmal teilnehmen.“
„Wenn sie einen Wyvern auf die Welt brachte, wieso wurde uns das verschwiegen?“
„Das ist doch alles ausgemachter Unsinn.“
„Ein Wandler hat hier ohnehin nichts zu suchen.“
„Jemand sollte sie hinauswerfen.“
Immer mehr Beschwerden wurden laut, sodass keiner mehr zu einer klaren Ansprache kam. Erst als Vauvens donnerndes Grollen durch den Raum drang, schafften es alle, sich wieder zu beruhigen und eine angespannte Stille kehrte ein. „Jetzt reicht es aber. Vergesst nicht, wer hier der Wyvern ist. Außerdem haben wir größere Probleme, als dieses alberne Machtspielchen! Darach leben wieder unter uns!“
Mehrstimmiges raunen ging durch den Raum. Vauven wartete geduldig, bis alle diese Information verdaut hatten. „Ich weiß, es ist lange her, seit wir die Druiden gesehen haben, doch vor kurzem wurde mir ein Dokument überreicht, das von meinem Vater stammte.“
Vauven legte das Dokument vor, welches er offenbar in seinem Mantel versteckt haben musste und ein Drachen verwandelte sich, um die Schrift den anderen vorzulesen. Durial verstand jedes Wort, während Megumi und Fay... die falsche Fay, lediglich leises Knurren und schnauben vernehmen konnten.
„Es ist wahr, darunter ist Vaters Siegel, also kann es nur er geschrieben haben.“
Sofort wurde Vauven ausgefragt, woher ausgerechnet er so ein wertvolles Dokument erhalten sollte und nicht die Bibliothek. Immer mehr und mehr Fragen kamen auf, sodass die gesamte Sitzung mehr als drei Stunden dauerte und Durial es beinahe überhaupt nicht mehr aushielt, wie sehr die falsche Fay die Streitereien und die Unstimmigkeiten zu genießen schien. Irgendwann reichte es Durial und er verließ den Sitzungssaal. Überrascht lief er beinahe in die Arme mehrere Wächter, die ihn verblüfft musterten.
„Entschuldigt, doch wir haben die Anweisung niemanden aus diesem Saal zu lassen.“
Durial nickte. „Könnte ich nur... eine Minute... hier stehen?“ Fragte er verunsichert, doch bekam ein kurzes nicken. Eigentlich hatte er etwas spazieren gehen wollen, um seine Gedanken zu klären, doch jetzt musste hier stehen reichen. Ständig musste er an Fay denken und wie sie in diesem kleinen >Gefängnis< ganz alleine im dunkeln lag und vor sich hin litt. Und er? Er saß hier und schlug sich mit Politikern herum? Als hätte er nichts Besseres zu tun!
Schnaubend machte er kehrt und knallte lautstark die Türe hinter sich zu. Sofort lag die gesamte Aufmerksamkeit bei ihm und jeder starrte ihn entsetzt an, als ob er den Verstand verloren hätte.
„Jetzt reicht es!“ Knurrte Durial wütend und entlockte Vauven ein positiv überraschtes Lächeln. „Was soll dieser ganze Unsinn hier? Ihr sitzt herum und diskutiert wie glaubwürdig >euer< Wyvern ist? Sagt mir, ist es denn verkehrt, dass man sich verliebt? Ist es verkehrt ein mächtiges Kind von einem Wesen zu bekommen? Denn ich sehe darin absolut keines. Sagt mir, wie lange ist es her? Wann wurde das letzte Kind geboren abgesehen von Conchar?“ Fragte er rhetorisch in den Raum. „Und... und wann war die letzte Schwangerschaft eines Purpurdrachen?“ Wieder eine rhetorische Frage. „Wie viele Gefährten haben sich unter allen Clans gefunden?“ Mittlerweile wandten viele einen betroffenen Blick an andere, doch keiner sagte etwas, das irritierte ihn etwas, doch er sprach weiter. „Sagt mir auch, wann der letzte Wyvern geboren wurde? Nach Vauven? Weiß das etwa jemand?“ Eisernes Schweigen folgte weiterhin. „Niemand? Ich kann es euch sagen. Es gibt genau drei Gefährten unter allen existierenden Drachen! Drei Paare! Von wie vielen Drachen? Hunderttausend? Mehr? Und jetzt gibt es ein viertes Paar, welches endlich Kinder bekommen kann. Drachenkinder, Wyvern! Kinder mit außergewöhnlichen Fähigkeiten, mit dem Charme eines Unschuldigen.“ Er deutete auf Conchar und jeder musste lächeln, sobald sie ihn ansahen. „Ist er etwa etwas schlechtes, nur weil eine Wandlerin ihn geboren hat? Seht sie euch an! Sie ist dünn, nicht besonders kräftig und wunderschön. Und was brachte sie hervor? Den perfekten und mächtigen Wyvern! Einen rechtmäßigen Nachfolger für euren Vauven! Aber was macht ihr? Ihr sperrt die Mutter ein und erwartete dass sie hundert von Kindern produziert, um unsere Rasse zu retten? Habt ihr sie denn schon einmal gefragt ob sie das überhaupt möchte? Vielleicht will sie nur alle fünfzig Jahre eines bekommen? Vielleicht öfter oder weniger? Sagt mir, wie sollen uns Wesen lieben lernen, wenn wir von unserem Herrscher verlangen seine eigene Gefährtin zu missbrauchen? Eine Gefährtin ist nicht nur ein Wesen dass unseren Wyvern an der Seite steht und hübsch aussieht. Sie unterstützt ihn emotional, erträgt jeden Wutanfall, jede Stimmungsschwankung und... vergibt den Tod.“ Sein Blick traf den von Megumi, in welchem Tränen standen. Sehnsüchtig blickte sie auf zu Vauven, der ihr sofort die Tränen fortwischte. „Ist das...“ Durial deutete auf die beiden „etwa, etwas dass man einsperren sollte? Seht ihr diese Liebe nicht? Liebe ist wie eine Blume die verwelkt sobald man sie einsperrt und bedrängt, oder erblüht, wenn man ihr die richtigen Nährstoffe gibt. Was wollt ihr? Einen unglücklichen Wyvern, der schwach ist? Oder einen mächtigen Wyvern, mit der Kraft sogar die Wesen auf seine Seite zu ziehen, wenn es nötig wäre? Einen Wyvern dessen Stütze, sein Anker und sein Herz immer am rechten Fleck sein werden, solange dieses wunderbare Geschöpf an seiner Seite bleibt? Ihr könnt doch nicht einfach zerstören, was andere mühselig aufrecht erhalten haben. Oder habt ihr nicht zugehört? Hört ihr denn jemals zu?“ Fragte Durial weiter und kam nun so richtig in Fahrt. Es gefiel ihm gehört zu werden. Vor einer Menge stehen und einfach reden, seinen Frust loswerden und seiner Meinung kundtun.
Das hatte er bereits so viele Jahrhunderte nicht mehr getan, dass er jetzt plötzlich überhaupt nicht mehr damit enden wollte. Es fühlte sich gut an... gehört zu werden. „Dieser Wyvern hat für sein Volk entschieden. Immer und immer wieder. Er hat gehandelt, bevor ihr sagen konntet, dass sie weg muss. Er hat sie zurück gelassen, da er wusste es würde genau dieser Streit entstehen, wegen dem wir nun bereits drei Stunden hier sitzen. Er ging darum sein eigenes Kind zu stehlen und verletzte dabei nicht nur die Mutter seines Kindes, die er mehr liebt, als sein eigenes Leben, sondern seine Drachen töteten dabei auch ihren Bruder und verboten somit jede Chance auf eine neuerliche Versöhnung. Fay opferte sich für die beiden, damit sie nicht unglücklich zusammenleben mussten und jedes Mal ein Stück mehr starben. Nein, sie gab ihnen die Chance über alles nach zu denken, sich alles zu verzeihen und sich nacheinander zu sehnen. Und jetzt? Was seht ihr hier? Eine von zwei glücklichen Wyvernfamilien. Von Zweien!“ Wiederholte er etwas lauter, damit seine Worte sacken konnten. Jedoch sprach immer noch niemand, bis auf eine. Diejenige, die er endlich vergessen hatte, als er eingetreten ist und alle immer noch über die Lügen des Wyvern sprachen.
„Durial spricht ein paar wichtige Punkte an. Euren Wyvern und seine Verbindung zu einem Wesen. Sie sprechen von Gefährten, doch... wer verheimlicht schon sein Kind vor seinem Gefährten? Wer bestiehlt seinen Gefährten, oder lässt ihn eiskalt zurück? Das ihr nur noch so wenige Familien habt und es keine Drachenkinder mehr gibt, ist ebenso schockierend, wie auch das perfekte Beispiel dafür, dass sich gerade der König mehr Mühe geben sollte, oder?“
Durial und Vauven knurrten gleichzeitig, da die falsche Fay versuchte, die Drachen gegeneinander aufzuwickeln und den eben sichtbaren Trumpf im Keim erstickte.
„Pass auf wie du sprichst. Jemand wie >du< hat unter den Drachen absolut nichts zu melden!“ Warnte Vauven die falsche Fay, die sich erschrocken an den Bauch fasste.
„Wie bitte? Eine Wandlerin und ein Ausgestoßener dürfen sprechen, aber ich nicht? Wyvern, dir ist doch bewusst, dass du...“
„Ich sagte genug! Zu dir komme ich jeden Moment.“ Verbot er dem Darach den Mund und sie ließ sich beleidigt auf den Stuhl zurücksinken. Abermals rief sich Durial ins Gedächtnis, dass dies nicht Fay ist, sondern ein Monster. Fay hätte Vauven die Stirn geboten und ihren Standpunkt vertreten, ohne auf ihre Aussprache zu achten. „Ich denke mir, dass wir unsere Diskussion ein anderes Mal fortsetzen können, was den Punkt über Gefährten und Lügen angeht. Jetzt haben wir etwas wichtigeres zu besprechen. Um zurück zu diesem Dokument zu kehren, es ist tatsächlich echt ich bin mir sicher, dass diese Geschichte mit dem Tod von Evangelia und dem Darach noch lange kein Ende hatte. Als mir dieses Dokument überbracht wurde, wurden mir zudem Gewisse Parallelen mitgegeben. Unter anderem die Frage... wie konnte ein einfacher Darach, ein dunkler Druide, welcher nur zu seinem eignen Wohlergehen handelt, einen zwar tollpatschigen und schwachen, jedoch einen Wyvern dazu bringen, unschuldige Kinder zu opfern?“
Bisher hatte niemand etwas gesagt, trotzdem wunderte sich Vauven, dass immer noch niemand sprach. „Der Darach wurde eindeutig weiblich beschrieben, oder?“ Einige nickten. „Also kann es kein Incubus gewesen sein. Nein, das einzige weibliche Wesen, welches gleichgeschlechtlich alles alleine mit ihrer Stimme betören und verführen kann, ist eine Sirene.“ Erklärte er und wartete auf ausbleibende Reaktionen, da jeder alleine an seinen Lippen zu hängen schien. „Doch damit nicht genug, ist sie auch noch eine Druidin gewesen. Jedoch eine eigensinnige und machtgierige Darach. Keine Güte, keine Gnade und vor allem kein Mitgefühl, das zeichnet einen Darach aus. Sie sind genau das Gegenteil von Druiden.“ Wieder machte er eine Pause. „Jedoch zusammen mit dem Darach und unserer geliebten Evangelia, verschwanden auch die Druiden. Sie ließen uns alleine, mit unseren Sorgen, unseren Ängsten. Unsere Geburten blieben aus und wir konnten zu niemandem gehen, um sie um Rat zu fragen. Unsere einzigen Vertrauten und Gleichgesinnten. Wohin sind sie verschwunden vor tausend Jahren? Nur wegen eines Darach? Ich glaube kaum, dass sie deswegen gingen, oder denkt ihr das?“ Sofort schüttelten einige den Kopf oder tauschte leise Theorien aus. „Nein, sie gingen nicht nur, weil ein jämmerlicher, verachtenswerter und noch dazu schwacher Darach starb.“
Durial beobachtete genau das Verhalten der falschen Fay und lächelte siegessicher, als sie die Fäuste ballte. „Der letzte rote Wyvern verstarb bei diesem Seelentausch, sie opferte das Leben ihrer Sippe, um alle anderen Clans zu retten. Wann habt ihr denn zuletzt einen roten Drachen gesehen? Wie viele von ihnen fliegen Jährlich über die Grenzen? Eine einzige? Immer zum Anfang des Jahres, sobald sich die Tore öffneten, kommt ein einziger roter Drache und dabei ist sie weder besonders alt, noch ein besonders mächtiger Drache. Ich gebe zu, ich habe auch nie sonderlich darüber nachgedacht, doch heute bereue ich es. Ich hasse mich und unser Volk dafür, dass wir unseresgleichen einfach so zurückgelassen haben. Verschreckt und verängstigt saßen wir in unseren Höhlen und warteten dass sich alles von selbst klärte. Und was passierte? Vor einigen Wochen, nachdem sich die Tore geöffnet hatten, griff sie Fay an!“ Vauven deutete absichtlich auf Fay, die erschrocken erstarrte. Durial erinnerte sich noch genau daran, dass einige Ratsmitglieder ebenfalls vor Ort gewesen waren und alles still beobachtet hatten. „Fay, jetzt kannst du frei sprechen. Erzähle uns doch, wie es gewesen ist. Es muss doch erschreckend gewesen sein, plötzlich von einer Fremden beschuldigt zu werden jemanden getötet zu haben, oder?“
Die falsche Fay nicke unsicher. „Ja... ähm... Ich habe mich etwas erschrocken.“ Manche tauschten Verwirrte blickte.
„Wir können doch alle froh sein, dass Conchar an diesem Morgen nicht dabei gewesen ist, oder? Ihm hätte das schlimmste passieren können. Ich bekomme heute noch Albträume davon.“ Log Vauven gekonnt und blickte traurig zu seinem Sohn hinab, dem die ganzen Ansprachen und Diskussionen vollkommen kalt gelassen hatte, und bereits schlief in den Armen seiner Mutter.
„Ja!“ Rief sie erleichtert, dass er ihr auf die Sprünge half. „Der Kleine hatte wirklich Glück, dass er nicht dabei gewesen ist. Ich will mir überhaupt nicht ausmalen, was alles hätte passieren können.“ Sie griff sich erleichtert an die Stelle unter welcher ihr kaltes Herz schlug und zum ersten Mal seit einiger Zeit ging wieder ein Raunen durch die Ratsmitglieder.
„Hat dazu jemand etwas zu sagen? Vielleicht der eine oder andere Zeuge?“ Half Vauven nach. Sofort wandte sich ein Mann an sie, der bereits am Beginn der Sitzung ungut angefangen hatte.
„Ich weiß nicht welches Spiel du hier spielst aber nicht nur ich, sonder auch andere hier, können sich noch erinnern, wie Duri... der Ausgestoßene Conchar in Sicherheit gebracht hat und Vauven holte. Er ebnete dir den Weg, damit du dich gefahrlos währen konntest. Leider hast du ja verloren.“
„Ach, so? War das so? Es war schon etwas erschreckend, wenn man plötzlich von einem Drachen angesprungen wird, der nicht einmal auf kleine Kinder achtete. Da kann man so etwas schon einmal verwechseln.“ Redete sie sich hinaus und plötzlich wusste jeder im Raum, dass etwas nicht stimmte.
„Immer mit der Ruhe, ich kläre dieses Missverständnis sofort auf.“ Versprach Vauven und der Darach wurde nun sichtlich nervös, während sie nach Fluchtmöglichkeiten Ausschau hielt. „Wie euch bestimmt aufgefallen ist, ist unsere... Fay heute nicht ganz bei der Sache. Oder gar bereits seit zwei Wochen? Wer weiß?“ Meinte er geheimnisvoll. „Um es kurz zu machen, vorletzte Nacht, bat ich Durial, um einen Gefallen. Ich bat ihn, Fay zu beschatten, da mir einige Ungereimtheiten aufgefallen sind. Leider fand er nicht sonderlich viel. Er folgte ihr, doch sie tat nichts was Fay nicht auch tun würde.“ Meinte er enttäuscht, obwohl dies nicht einmal stimmte. Durial fragte sich, was Vauven vor hatte, denn der Darach wurde immer nervöser. „Heute morgen jedoch, erzielte er einen überraschenden Erfolg. Er ertappte sie dabei, wie sie mit einem selbst genannten >Bruder< über Evangelia sprach...“
„Unsinn! Ich habe keinen Bruder, ich bin ein Ghul! Ich habe keine Vergangenheit!“ Schimpfte sie und unterbrach damit den Wyvern. Mehrstimmiges Knurren ging durch die Menge, besonders deshalb, da sie nicht fragte >Wer ist Evangelia?<.
Schlagartig war jedem klar, dass die Geschichte eine Art wahren Kern haben musste, auch wenn es unglaubwürdig klang.
„Wer zum Teufel ist das?“
„Soll dies ein schlechter Scherz werden?“
„Der Ghul macht sich wohl lustig über uns!“
„Sir, was sollen wir tun?“
Die letzte Frage beachtete Vauven ganz besonders, da es das erste Mal war, dass jemand im Rat diese Frage offen stellte. „Wir? Jetzt werden wir diesen Darach einmal einsperren, bis ihr Tarnzauber nachlässt und die wahre Fay holen. Durial weiß, wo man sie gefangen hält.“
Erschrocken zuckte er zusammen, als plötzlich eine dunkle Aura den gesamten Raum erfüllte. „Fay ist nicht gerade eine Person, die man gerne nachspielt...“ Kam auf einmal die leise Stimme einer Fremden und statt Fay stand eine weißhaarige Frau im mittleren Alter und lebendig hellen Augen vor ihnen. „Wie ihr unverkennbar sehen könnt, hat der verhinderte Seelentausch einen gewissen Tribut gefordert. Mein Bruder konnte meinen Körper... Evangelias Körper nicht finden, in welchem ich persönlich fest saß, daher musste er heimlich sie mit einem befreundeten Vampir auferstehen lassen. Leider überlebte er diese Kraftanstrengung nicht, da er nicht wusste, dass er nicht nur Evangelia, sondern auch mich wiederbelebte. Ich brauchte einen neuen Körper, doch die Seele stellte sich, als lästiger heraus, als ich dachte... Nun, ja. Ihr seht es ja selbst. Sich einen unvorbereiteten Körper zu nehmen, ist nicht so einfach, wie es aussieht und einen toten wollte ich nicht erneut. Aber dieses kleine... miese, Miststück... Sie kam einfach zurück... Ihr Weg führte sie abermals hierher, als würde sie magisch davon angezogen. Seelen sind schon interessante Dinge!“ Kicherte die plötzlich Fremde und warf arrogant ihr Haar zurück. „Denkt nur nicht, dass es schon vorbei ist. Mein Bruder ist mächtiger als ich, er wird mich heraus holen und...“
„Das wird er nicht.“ Unterbrach Durial sie kaltherzig. „Niemand wird mehr kommen, um dich zu retten!“ Ein donnerndes Knurren stieg aus seiner Kehle hoch, während sich das kränkliche Bild von Fay in seinem Kopf verfestigte.
„Vergleiche mich nicht mit dir. Dich würde niemand retten, wenn ich dich jetzt töte und das kann ich. Du bist bloß ein Ausgestoßener!“ Gab sie verächtlich zurück, während sich der gesamte Rat bedrohlich um sie sammelte.
„Weißt du, ich sollte dir dankbar sein, Darach. Du hast mich meiner ehemaligen Familie wieder näher gebracht und mir gezeigt, was ich wirklich will.“ Durial spürte ganz deutlich, wie seine Verwandlung begann, doch er wehrte sich zum ersten Mal seit Jahrhunderten nicht dagegen. Immer tiefer glitt er in den schuppigen Körper einer feuerspeienden Echse mit spitzen Rückenstacheln, so wie tiefen Narben und wandte sich von ihr ab. Demütig ging er in eine unterwürfige Position und sprach mit der Flammenzunge zu seinem Wyvern.
„Wyvern der Purpurdrachen? Ich weiß, ich habe vor vielen Jahrhunderten mein Wort und meine Krallen gegen den ehemaligen Wyvern gehoben, doch jetzt bitte ich den jüngsten... verzeiht, zweitjüngsten der Purpurdrachen und meinen rechtmäßigen König mich wieder...“
„Ja!“ Rief Vauven dazwischen und brachte damit Megumi zum Schmunzeln, da sie ahnte, was hier gerade geschah, so wie Durial zum Stutzen. Mit einer so schnellen Antwort hatte er mindestens so wenige, wie alle Ratsmitglieder gerechnet.
„Sir? Ihr wollt ihn einfach wieder aufnehmen, gegen das Wort, welches Euer Vater gegen ihn aussprach?“
Vauven nickte. „Ja.“ Wiederholte er, dieses Mal etwas ruhiger. „Durial hat sich, als vertrauenswürdig und loyal erwiesen. Außerdem schätze ich seine ehrliche Meinung. Also, ja. Ich will ihn wieder aufnehmen und in Sicherheit seiner Familie wissen.“
Lächelnd kam Durial wieder auf und fixierte den Darach. „Mein König? Darf ich?“
Vauven machte eine wegwerfende Handbewegung. „Aber töte sie nicht, vielleicht brauchen wir noch etwa von ihr.“ Das reiche Durial und er sprang auf die überraschte Darach hin, welche noch zum Schutz einen jämmerlichen Arm, hob, der im nächsten Moment durch die Luft segelte und mit einem dumpfen Geräusch gegen die Wand prallte.
Schreiend versuchte, sich der Darach von Durial wegzuziehen und einen Spruch gegen ihn zu benutzen, doch zwischen ihren Schmerzensschreien blieb ihr nicht genug Luft. „Das war für Evangelia!“ Brüllte er so tief, dass die Mauern leicht vibrierten. Der Darach streckte ihren noch heilen Arm nach ihm aus, um ihm einen Spruch entgegen zu werfen, doch er kaute darauf herum, als wäre es ein winziger Grashalm, welchen er einfach ausriss und dem ersten folgte. „Das! War für die Druiden und das Schicksal, welches du über sie, so wie uns brachtest!“
Gurgelnd versuchte, der Darach Luft zu bekommen, doch schien eine gebrochene Rippe ihre Lunge punktiert zu haben, was Durial wenig störte, da sein Drache nach mehr Blut rief. Er packte sie an den Beinen und schüttelte sie wie eine leblose Stoffpuppe, während das Blut seine purpurnen Schuppen bedeckte und den Steinboden, bis er nur noch zwei ausgerissene Beine zwischen seinen Zähnen hielt und sie angewidert ausspuckte. „Und das ist dafür, was du meiner Fay angetan hast, die Lügen die deinen Mund verließen und vor allem für die roten Drachen, denen du das wertvollste nahmst, was sie hatten!“
Heiler erschienen plötzlich neben ihm, mit einer Trage und legten den Gliederlosen Körper darauf. Ein Einzelner wollte die Gliedmaßen einsammeln, doch Vauven winkte ab. „Sie wird sie nicht mehr benötigen!“ Verkündete er kalt und nickte Durial zu.
Es war also vorbei? Die Druiden würden zurückkehren? Neue Wyvern würden sich erheben und die Drachen würden stärker werden, als jemals zuvor? Oder war dies erst der Anfang für Durials Geduldsprobe? Erleichtert, dass zumindest Gerechtigkeit denen widerfahren war, die es verdienten, seufzte Durial und sah zu, wie man den Darach ärztlich versorgte, sodass sie überlebte, doch sich niemals wieder würde Bewegen können.
- - - - -
Alle ihre Instinkte sagten ihr, dass sie einfach weiterschlafen sollte, doch ein störendes Gefühl, welches sie nicht beschreiben konnte, lief durch ihren Körper. Es fühlte sich an, als würde sich etwas in ihr bewegen und dagegen wehren weiterzuschlafen. Doch was war an Schlaf schon verkehrt? Dabei musste man an nichts denken und das Unterbewusstsein durfte machen, was es wollte. Oder war dies gar ihr Unterbewusstsein, welches sie weckte? Ist es etwa bereits morgen? Und wieso schlief sie überhaupt? Sie ist doch ein Ghul! Ihre störenden Gedanken brachten sie beinahe um den Verstand. Kaum war man wach, musste man so etwas Nerviges wie >Gedanken< ertragen. Stöhnend versuchte sie, die Augen zu öffnen, doch sie wollten nicht. Jedoch wurde das seltsamen Gefühl, welches sie geweckt hatte immer deutlicher, bis es sie übermannte und ein Krach ihre Sinne erfüllten.
Schlagartig waren ihre Augen offen und sie blinzelte gegen ein viel zu helles Licht.
„Da ist sie. Sie wirkt stabil!“ Ertönte eine fremde Stimme und eine fremde Hand presste sich an ihren Hals. Genervt schob sie diese weg und versuchte zu schimpfen, doch sie brachte keinen Ton hervor.
„Fay? Kannst du uns hören?“ Täuschte sie sich, oder war das...
„Me...i...Meg...“ Fay bekam nicht einmal ein einzelnes Wort hervor.
„Ja, ich bin es. Megumi. Ich bin hier und Durial ebenfalls.“
Durial? Aber er ist doch auf dem Festland. Ist er zurückgekommen? Ist etwa... Schlagartig war sie wach und erkannte alles klar um sich herum. Vauven, der mit Conchar im Arm dastand. Holzsplitter, die auf ihrer zerknitterten Kleidung lagen und überall verteilt, wo sie hinsehen konnte. Fays Hand wurde von Megumis gedrückt und ein Heiler stand neben ihr, während er ihre Vitalwerte hinunter ratterte. Jedoch das, was wirklich ihren Blick anzog, war ein riesiger Drache, welchen sie ganz anders in Erinnerung hatte. Seine purpurnen Schuppen waren immer noch von tiefen Narben durchzogen und seien Flügel hingen zerfetzt neben seinem Körper hinab, doch trotz allem schien er vollkommen anders zu sein. Größer, kräftiger, eleganter... „Du... Durial...“ Das erste Wort, welches sie hervorbrachte, bevor ihr jemand ein Glas mit einer süßen Flüssigkeit reichte.
Liebevoll murrte er, doch senke danach beschämt den Blick, bis er sich abwandte und einfach verschwand. Entsetzt sah sie ihm hinterher, wie er einfach fortging und sie alleine ließ. Tausend Fragen schwirrten ihr durch den Kopf, doch keine einzige konnte sie laut stellen, ohne für Verwirrung zu sorgen. Jedoch weshalb ging er einfach fort? Das verstand Fay nicht, doch ihr wurde ebenso nicht erlaubt, lange darüber nachzudenken, da man sie in ein Krankenzimmer brachte und Vauven ihr irgendeinen Unsinn über Darach und die roten Drachen erzählte. Das musste doch ein Traum sein, oder? Wer würde so einen Unsinn schon Beachtung schenken.
Geduldig wartete sie in ihrem Krankenbett, dass Durial endlich kam und ihr sagte, dass alle um sie herum verrückt seinen, doch er kam nicht. Nur Megumi kam und lauter fremde Gesichter. Sie erzählte Fay noch einmal dieselbe Geschichte und irgendwann durfte sie sogar eine Arm- so wie beinlose Frau sehen. Sie lag gefesselt mit ihren eigenen Verbänden bewegungslos und unter Drogen gesetzt in ihrem Bett und lachte, als sie Fay erblickte.
Immer wieder rief sie, dass dies alleine ihre Schuld sei während sie Fay die gesamte Zeit über Evangelia nannte.
Nach einigen Tagen Bettruhe reichte es Fay, sie hatte die Nase voll von dem ganzen Unsinn von wegen, sie musste sich ausruhen und müsste an sich und das Kind denken. Fay konnte es nicht mehr hören und schlich sich eines Nachts einfach hinaus. Sie war einfach nicht dazu gemacht, nur in einem Bett innerhalb weißer Wände zu liegen und auf die Geburt zu warten.
Zärtlich strich sie über die zarte Wölbung ihres Bauches, welche bereits stark der von Megumi glich, als sie sich im selben Monat befunden hatte. Wenigstens musste Fay nicht so etwas Schreckliches durchmachen, wie Megumi damals. Jedoch fühlte sie sich etwas verlassen, da der Mann ihres Herzens sich einfach nicht blicken ließ.
Niemand konnte ihr sagen, wieso er nicht kam und auch nicht, wieso er voller Blut gewesen war, als sie ihn das letzte Mal gesehen hatte.
„Durial?“ Sie erblickte ihn auf einem Stuhl zusammen gesunken in einem leichten Schlaf, der sehr ungemütlich aussah. Lächelnd ging sie auf ihn zu und kniete sich vor ihm hin. Sofort waren alle ihre Vorwürfe verschwunden und ihr Herz erfreute sich an seinem Anblick. Dass er überhaupt hier saß, wo ihn jeder sehen konnte, ließ ihren Stolz auf ihn nur noch wachsen.
Vorsichtig strich sie ihm eine bereits viel zu lange Strähne aus dem Gesicht und ertappte sich dabei, wie sie sich wünschte, dass er aufwachte und sie endlich in die Arme schloss. Wünschte sich, wieder mit ihm in der Bibliothek zu sitzen und über belangloses Zeug zu sprechen oder ihn einfach nur zu beobachten, wie sich seine Gesten veränderten ihr gegenüber.
Fays Hand fand die von Durial und er schloss diese sofort ein, um sie an seine Lippen zu ziehen und einen zärtlichen Kuss in ihre Handfläche zu hauchen. „Fay? Wieso bist du wach?“ Nuschelte er im Halbschlaf und streckte seinen steifen Körper.
„Weil du nicht da bist.“ Gab sie zu und beobachtete gespannt, wie er endlich die Augen aufschlug.
Erschrocken fuhr er zusammen und sah sich nach einer Fluchtmöglichkeit um, was Fay beinahe das Herz zerbrach. „Wieso... Wieso bist du hier draußen? Du sollst doch nicht aufstehen, geh bitte ins Bett zurück!“ Seine Stimme klang dunkel und knurrend, als ob er ganz vergessen hätte, wer sie ist.
„Dann komm mit, ansonsten übernachte ich hier mit dir!“ Antwortete sie stur und entzog ihm ihre Hand. Verwirrt blickte er ihrer Hand hinterher und räusperte sich verlegen.
„Das wird nicht möglich sein. Ich sollte eigentlich hier nur aufpassen, dass du nicht spazieren gehst, daher...“
„Dann bist du schlecht darin. Du hast geschlafen.“ Nörgelte Fay und verschränkte verärgert die Arme vor dem Brustkorb.
„Ja, ich weiß. Mein Fehler, jetzt geh endlich.“ Durial klang zunehmend ungeduldiger, was Fay nur dazu anspornte ihn weiter zu ärgern.
„Du bist ein schlechter Wachhund, Durial. Man sollte dich sofort wieder feuern.“
Nun wurde auch er verärgert und blickte sie verletzt an. „Keine Sorge, ich werde mich auswechseln lassen, sobald meine Schicht zu Ende ist und nicht mehr Wache stehen.“ Versprach er und schien damit das Gespräch beenden zu wollen.
„Gut, dann warte ich hier und berichte dem nächsten, dass du ein Faulpelz bist, der nichts auf die Reihe bringt.“ Demonstrativ ließ sie sich neben ihm auf den nächsten Stuhl sinken, sodass nun ein weiterer zwischen ihnen stand.
Irritiert musterte er sie. „Was soll das?“ Fragte er genervt.
„Nach was sieht es aus? Ich warte hier, damit du keinen Unsinn erzählen kannst.“ Log Fay, denn eigentlich wollte sie einfach nur in seiner Nähe bleiben.
„Du kannst nicht hier sitzen bleiben...“
„Dann musst du mich hineintragen und neben meinem Bett sitzen bleiben, ansonsten komme ich sofort wieder hinaus!“ Unterbrach sie ihn stur und brachte ihn damit zum Seufzen.
„Fay...“ Durial riebt sich frustriert das Nasenbein. „Was soll das werden, wenn es fertig ist?“
„Das fragst du mich?“ Gab sie verärgert zurück. „Du bist doch derjenige, welcher sich, wie ein Idiot benimmt.“
„Ich mache doch überhaupt nichts!“ Rechtfertigte sich Durial und sagte genau das, was Fay hatte hören wollen. „Genau das ist das Problem. Wenn du dich nicht für das Kind und mich interessierst, weil du deine neue Freiheit gewonnen hast, dann sag es direkt hinaus und verschwinde!“
Verletzt musterte Durial sie. „Natürlich interessiere ich mich für euch beide... aber es ist... kompliziert.“
„Wer ist dann das Problem?“ Riet Fay um ihn endlich dazu zu bewegen das zu sagen, was er eigentlich sagen wollte.
„Wer? Es gibt niemand anderen, wenn du das meinst. Ich halte mich nur von dir fern, damit du dich erholen kannst. Du hast viel durch gemacht.“
„Du meinst mit diesem ganzen >roten Wyvern Scheiß< oder die Sache mit der >verrückten Darach<? Es wäre nicht so, als hätte ich nicht bereits andere Dinge erlebt. Ich bin kein unbeschriebenes Blatt, Durial. Also behandele mich nicht so.“
Durial knurrte. „Es ist aber die Wahrheit! Alles was passiert ist. Willst du etwa so tun, als würdest du es nicht glauben?“
Nun lachte Fay belustigt auf. „Natürlich glaube ich. Ich glaube natürlich dass ich ein tausendjähriger Geist eines roten tollpatschigen Wyvern bin und wiederbelebt wurde von einem Darach der dachte er könne mein Baby benutzen. Wer würde das nicht glauben?“ Purer Sarkasmus sickerte aus jedem ihrer Worte.
„Ich weiß, was du sagen möchtest, aber es ist passiert. Alles!“ Schwor Durial verzweifelt. Wieso glaubte sie das nicht?
„Gut, dann glaube ich es dir. Wenn du es sagst, dann weiß ich, dass es die Wahrheit ist. Aber wieso musste ich all diesen Unsinn von den anderen hören?“
Durial bemerkte, dass er auf einen Trick hinein gefallen war, und seufzte noch schwerer, als davor. „Weil ich nach alldem nicht zu dir kommen wollte.“ Gab er zu, da er nun verstand, dass sie keine Lüge akzeptieren würde. Fay wusste scheinbar immer, welche Knöpfe sie bei ihm drücken musste, damit er endlich seine wahren Gedanken und Gefühlen offenbarte.
„Also bin ich dir tatsächlich so egal geworden?“
„Nein! Natürlich nicht. Ich bin halb wahnsinnig geworden als...“ Er verstummte und Fay streckte eine Hand nach ihm aus. Er ließ es zu, dass sie ihm über den Unterarm strich und verzog leidend das Gesicht. „Diese falsche Fay... sie sagte Dinge, von denen ich mir sicher war, dass sie stimmten. Es tat weh und ich wollte es so sehr glauben, dass ich keine Sekunde gezweifelt habe, dass ihre Worte der Wahrheit entsprachen.“
Fay hob überrascht die Augenbrauen und verstand nun, was ihn so sehr verletzt hatte. „Aber jetzt weißt du doch, dass ich, egal was sie gesagt hat, so etwas niemals denken würde, oder?“
Durial hob unsicher die Schultern. „Vielleicht, vielleicht bereust du es heute noch nicht, aber irgendwann wirst du mich doch satt haben. Ich bin nicht derjenige, der zu dir passt. Ich bin...“ Sofort kniff sie ihn in den Unterarm, sodass er sie empört ansah. „Au!“
„Du bist doch ein Idiot! Ich bin alt genug, um mir selbst auszusuchen wen ich Liebe und wen nicht, oder? Egal was dieser Darach gesagt hat, das war nicht ich. Ich! Durial...“ Sie zog an seinem Unterarm, sodass er sie nun wieder geknickt ansah. „Ich sitze direkt hier vor dir. Schwanger!“ Fügte sie hinzu, als wäre dies nicht offensichtlich. „Ich halte deine Hand und... du siehst mich an, Durial. Ich habe dich immer gesehen, weißt du noch? Nie habe ich meinen Blick von dir abgewandt, ich habe dir gesagt, was ich an dir mag und dich mit meinen Gefühlen kein einziges Mal belogen. Nie!“ Schwor sie und drückte seinen Unterarm so fest, dass es ihr bereits selbst weh tat.
„Ich weiß...“ Gab Durial zu. „Ich weiß es, darum schäme ich mich auch so, dass ich dir nicht mehr unter die Augen treten kann. Nach alldem, wie du mir geholfen hast und nach alldem, was ich für dich empfinde, habe ich jedoch sofort geglaubt, als die falsche Fay sagte, dass du mich nie geliebt hast. Ich habe es geglaubt ohne darüber nachzudenken und wollte es. Ich wollte, dass es wahr ist, denn... du bist das Beste, was mir seit Jahrhunderten widerfahren ist und ich weiß, dass ich dich nicht verdient habe.“
Fay lächelte glücklich darüber, als er ihr endlich gestand, was ihn so quälte und rutschte deshalb einen Stuhl auf ihn zu, sodass sie sich an seine Schulter kuscheln konnte. „Gut, dann wirst du ab jetzt dein mangelndes Vertrauen in mich wiedergut machen müssen.“ Scherzte sie.
„Was? Was soll ich machen?“
Fay tippte sich nachdenklich auf das Kinn. „Als erstes... mindestens hundert Küsse am Tag, weiteres stehst du nachts auf, wenn das Baby weint...“ Durial begann plötzlich herzhaft zu lachen, dass Fays Herz sich geradezu überschlug vor Freude und sie ein Lächeln nicht mehr verbergen konnte.
„Gut, ich verstehe, was du mir sagen willst.“ Er grinste erleichtert darüber, dass Fay es ihm nicht übel nahm, und beschloss ab jetzt jeden Tag zu nutzen, um Wiedergutmachung zu leisten. Nicht nur ihr gegenüber, sondern auch seinem Kind gegenüber. „Ich hätte niemals fortgehen sollen.“
„Aber wärst du geblieben, wer weiß was dir diese Verrückte angetan hätte?“
„Ich weiß, was sie dir angetan hat und das reicht.“ Verkündete Durial, während er seine Arme um sie schlang und genüsslich ihren Geruch aufnahm. Das hatte er wahrlich vermisst.
„Dann sollten wir uns wohl wichtigeren Dingen zuwenden, wie zum Beispiel, wie wir unsere Tochter nennen.“
Durial blickte sie verwirrt an. „Das hat man dir also ebenfalls bereits gesagt?“ Fay schüttelte den Kopf. „Nein, mir war langweilig, da habe ich in meinen eigenen Akten gestöbert.“
Stolz lächelnd, drückte Durial Fay fester, bevor er ihr einen Kuss auf die Lippen hauchte. „Du bis unverbesserlich.“ Tadelte er seine Gefährtin, dann fanden ihre Lippen seine automatisch wieder.
Ein Räuspern unterbrach die beiden Liebenden und sie blickten sich erschrocken um. Ein alter Greis stand in ihrer Nähe und blickte stolz auf sie beide herab. „Wie ich sehe, duftest du das wieder haben, was man dir genommen hat?“
Durial nickte. „Ich habe es mir geholt und der Darach liegt in einem sicheren Raum der Heiler. Sie... ist wohl etwas mitgenommen.“ Bestätigte er, wobei Fay kein Wort verstand. Außerdem... kannte sie diesen Greis nicht von irgendwoher?
„Ich weiß, wir haben es gesehen und können bestätigen, dass ihr Bruder ebenfalls in Gewahrsam ist.“
Durial lächelte erleichtert. „Also ist es nun zu ende?“
Der Greis schüttelte den Kopf und kam auf Fay zu. „Nein, eure Abenteuer beginnen erst.“ Meinte er vielsagend und strich ungefragt über den Bauch von Fay, in dessen Leib sich sofort etwas bewegte. Überrascht von der ersten Bewegung ihres Babys sog sie die Luft zischend ein.
„Also ist sie wirklich ein roter Wyvern?“
Der Druide nickte. „Ja, eine wahre Nachfahrin. Ich bin überrascht, dass ihr trotz allem Drachen bekommt und keine... Oh!“ Überrascht zog der Greis seine Hand zurück und blickte seine Handfläche an, als würde sie ihm die Zukunft sagen können. „Ihr bekommt wahrlich eine interessante Familie. Offenbar hat der Zauber, welchen der Darach aussprechen wollte funktioniert, nur nicht so, wie sie es wollte.“ Kicherte der Greis, während er sich an die Stirn griff, als würde das Leben ihn sogar heute noch überraschen.
„Was meint Ihr damit?“ Hakte Durial neugierig geworden nach.
„Nun, ja. Es ist so. Vermischen sich ein Drache und ein Wesen, so entsteht ein Drache, da er die stärken Gene besitzt. Vermischen sich zwei verschiedenfarbige Drachen, so setzt sich eines der beiden Gene durch und das Kind gehört alleine zu einer Farbe. Dieses Kind jedoch, wurde von einem purpurnen Drachen und einem Wesen gezeugt. Trotzdem ist es ein roter Drache. Aber ich spüre in diesem Geist, in Evangelias Geist, auch wenn du dich jetzt Fay nennst und keine Erinnerungen mehr an dein vergangenes Leben hast, das Geschenk, dass du niemals nur einen einfarbigen Drachen gebären wirst.“
Fay griff sich schützend an den Bauch. Sie verstand immer noch nichts. „Meint ihr damit, dass unsere Tochter nicht nur ein roter Drache ist, sondern ein Regenbogendrache?“
Der Greis schüttelte den Kopf. „Nein, ich meine damit, dass dieser Leib jede Drachenfarbe gebären kann, egal welchem Clan du angehörst.“ Meinte der Druide an Durial gewandt, dem es die Sprache verschlug. „Deshalb sagte ich, dass ihr eine interessante Familie haben werdet.“ Scherzte der Alte und löste damit wieder die Spannung.
„Also werde ich meine zukünftigen Kinder, an alle anderen Clans verlieren?“ Fragte Fay vorsichtig, da sie sich selbst wunderte, dass sie plötzlich mehr als nur ein Kind wollte. Wohin war nur die Fay verschwunden, die zum Sterben her gekommen ist?
„Nein, meine Liebe. Das Herz ist immer dort zuhause, für wo es schlägt. Ich sage damit lediglich, dass die Sorgen der Drachen endlich ein Ende finden.“ Versprach er und Fay verstand, dass er die Kindersorgen der Drachen damit meinte.
„Außerdem bin ich hier, um zu überbringen, dass die roten Drachen erwachen. Sobald das Kind auf der Welt ist, bitte ich euch den Vulkanberg aufzusuchen, damit sie neue Kräfte schöpfen können. All die Jahre haben wir sie beschützt, doch auch unsere Kraft neigt sich dem Ende zu.“
Fay nickte entschlossen und Durial lächelte stolz. „Alles was Ihr wünscht. Das sind wir den roten Drachen schuldig und noch viel mehr.“ Schwor Durial.
- - - - -
Es dauerte nicht lange und die ersten Drachenclans schickten ihre Heiler, Transporter mit Nahrung und alle möglichen, was die roten Drachen noch benötigten. In den letzten tausend Jahren waren nicht mehr als hundertfünfzig rote Drachen übrig geblieben, doch sobald Fay, mit dem frisch geborenen Wyvern eintraf, schienen sie doch wieder an Kräfte zu erlangen. Durial wusste, dass noch viel getan werden musste, besonders da die roten Drachen erst wieder Vertrauen finden mussten und dem neuen Anblick von Evangelias, welche sich ab nun Fay nannte, noch nicht vertrauen konnten, doch er war sich sicher, dass jeder seinen Platz finden würde, denn was hatte der Druide gesagt? Ihr Abenteuer begann erst?
Feste Schritte hallten durch die große trockene Höhle, in welcher man kaum die Hand vor seinen Augen sehen konnte. Seine nasse Kleidung hinterließ eine feuchte Spur auf dem kalten Stein und bildete matschige Pfützen zu seinen Sohlen. Mit einem einfachen Fluch erhellte er sich selbst, um den Raum zu bescheinen, welcher auf dem zweiten Blick überhaupt nicht mehr so groß wirkte. Nur zehn Meter vor sich erkannte er eine Reihe von spitzen langen Stalaktiten, welche regelrecht ein zugeschnapptes Gebiss bildete mit den aufsteigenden Stalagmiten zwischen ihnen. Ihm wurde sofort klar, dass dieses Gebilde nicht von selbst entstanden sein konnte, da es dafür einfach zu trocken in dieser Höhle war und das Tropfsteingebiss ein Gefängnis bildete.
Kopfschüttelnd streifte er seine Kapuze vom Kopf und brachte einen einfachen explodierenden Fluch an einem der >Zähne< an. Nur Sekunden darauf, erfüllte ein Knall den Raum. Die Stalaktiten kamen splitternd auf dem Boden auf, wo sie zu Staub zerfielen. Viel schien nicht mehr von diesem Gefängnis übrig zu sein und das machte dem dunklen Mann etwas Angst.
Mit knirschenden Schritte stieg er über die Reste des Stalaktiten und stand direkt vor einem Altar. Auf diesem Altar lag eine wenige Jahrzehnte alte Leiche, mit einem langen Beil im Brustkorb, den er vorsichtig entfernte, um den zerbrechlichen Körper nicht zu schaden. Achtlos ließ er die kalte Klinge, welche ihre Gier in seine Hand grub, fallen und wickelte den Leichnam behutsam in ein Leintuch, welches er mitgebracht hatte, bevor er die winzige Last auf seine Arme hob. Der Körper war so leicht, dass er dem Gewicht eines Kindes glich und ihn verärgert knurren ließ.
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Sechsundsiebzig Jahre waren nun vergangen. Fay lebte zusammen mit Durial bei den roten Drachen, seitdem sie ihre Tochter Ceara auf die Welt gebracht hatte. Durial fungierte als so etwas wie persönlicher Berater zweier Wyvern, da Ceara seit ihrem zwanzigsten Lebensjahr zur jüngsten Wyvern aller Zeiten gewählt wurde. Natürlich war ihnen auch nichts anderen übrig geblieben.
„Mama!“ Rief der noch junge Wyvern durch die Wyverngemächer und sofort standen zwei zerzaust aussehende Eltern vor ihr.
„Was ist Liebling?“ Fragte Fay ihre aufgebrachte rothaarige Tochter, welche empört einen rauchenden Stift in der Hand hielt. Durial, welcher sein Handtuch enger um sich zog, seufzte genervt, während Fay das Gesicht verzog. „Na, toll. Er hat sie gefunden.“
Irritiert blickte der noch junge Drache zwischen ihren ungleichen Eltern hin und her. „Wer hat was gefunden?“
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Megumi packte eben ihr sorgfältig ausgewähltes Geschenk ein, als neben ihr etwas schrill zu Pfeifen begann. Erschrocken schnitt sie schief in das Papier und fluchte nicht gerade damenhaft. „Was zum... Was ist das?“ Brüllte sie über den Lärm hinweg, den ebenfalls Vauven und deren einzigen Sohn angelockt hatte.
„Er muss sie gefunden haben!“ Bemerkte der derzeit regierende Wyvern und drückte auf den Knopf eines Kugelschreibers, welcher ungesehen zwischen mehreren anderen auf einem Schreibtisch stand.
„Was? Jetzt schon? Ich dachte sie hätte sich besser versteckt?“
„Du kennst ihn ja, er ist hartnäckig.“ Bemerkte Vauven und lächelte frech.
„Was war das für ein Krach?“ Fragte sein noch vollkommen verschlafener Sohn und blickte irritiert den Kugelschreiber in Vauvens Hand an. „Wieso hat das Ding dieses Geräusch gemacht?“
„Weil wir bald in die Krieg ziehen werden.“ Verkündete Vauven stolz und kuschelte sich zu seiner Gefährtin auf das Sofa, um sie zärtlich zu küssen.
„Igitt! Macht das bitte nicht immer vor mir. Vergesst nicht, ich bin euer einziger Sohn und ich tendiere bald zu Selbstmord.“
Das Paar lachte selig. „Dann sollten wir mal nach Hause fliegen, oder?“ Fragte Megumi ihren Mann, der stolz nickte. „Ja, das bin ich ihm schuldig.“ Conchar verstand kein Wort.
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Lenya öffnete verschlafen beide Flügel der Eingangstüre, als ihr Vater, gehüllt in einen dunklen Regenmantel, eintrat und ihr keuchend dankte. „Schon gut, ich war noch wach.“ Log sie und schloss die beiden Türen krachend hinter sich.
„Lenya! Wie oft noch? Die Türen haben Schnallen, welche man benutzen kann!“ Knurrte er verärgert, was den Vampir lediglich zum Lachen brachte.
„Ja, ja.“ Gab sie zurück und bekam dafür einen undankbaren Blick zu spüren, welchen sie bereits kannte. Zu gut.
„Was hast du dieses Mal gefunden?“ Fragte sie und betrachtete das große Bündel in seinen Armen. Normalerweise kam ihr Vater immer nur mit Dokumenten, Bücher, magischen Utensilien, oder Familienmitgliedern nach Hause. „Ist es wieder so ein Rauch... Dings?“ Fragte sie und erinnerte sich zu gut daran, wie das letzte magische Objekt ein Reinfall gewesen war und das gesamte Schloss verraucht hatte, als würde es brennen.
„Nein, dieses Mal habe ich keinen Drachenstein dabei.“
„Moment, speien Drachen nicht eigentlich Feuer?“ Fragte sie grinsend und sprang aus seiner Reichweite.
„Mach dich nützlich und räume den Esstisch ab, bevor ich dich über das Knie lege.“ Ein leichtes Schmunzeln war bereits auf seinen Lippen zu erkennen, daher hielt es Lenya wieder für sicher genug, ihren Vater weiter zu nerven. „Deck denn Tisch. Mach den Abwasch. Lass nicht deine Essensreste überall liegen. Und jetzt auch noch >Räume den Tisch ab<! Entscheide dich einmal.“
Seufzend gab es Elyon auf und hob einfach auf ein Ende des lange Tisches sein Bündel.
„Ach, herrje! Was stinkt denn hier so?“ Fragte Lenya und verzog angewidert das Gesicht. Elyon antwortete nicht, sondern rollte lediglich das Leintuch von dem Leichnam und entlockte Lenya einen angewiderten Laut. „Du weißt, dass Grabschändung einen ins Gefängnis führen kann?“ Noch einmal kassierte sie denselben Blick und hob entschuldigend die Hände. „Schon gut, ich halte den Mund.“ Versprach sie, doch schaffte es nicht länger als fünf Sekunden. „Wieso hast du überhaupt eine Leiche gestohlen?“
„Lenya! Hol einfach die Blutbeutel, die ich hergerichtet habe und sei einen Moment ruhig!“ Knurrte er verärgert woraufhin Lenya tat wie geheißen.
Nur Minuten darauf, kehrte sie mit einem fahrbaren Kühlgerät und frischen Nadeln, welche sie irritiert musterte zurück und reichte alles stumm Elyon.
„Danke.“ Murrte er und führte zwei Nadeln in die lederne Haut der Leiche ein. Danach hing er zwei Blutbeutel auf und verband beide Dinge mit einem Schlauch. „So, Liebling. Jetzt wird alles wieder gut werden.“ Murmelte er leise zu der Leiche und ließ Lenya überrascht die Augenbrauen hochziehen. „Papa? Ist das...“
Elyon nickte. „Ja, das ist sie.“
Staunend sog Lenya die Luft ein und stieß einen hohen Pfiff aus. „Sie sieht anders aus, als erwartet.“ Scherzte seine eigensinnige Tochter, doch wurde sichtlich nervös.
„Warte noch ein paar Stunden, dann sieht sie aus, wie ich sie dir beschrieben habe.“ Versprach Elyon und fühlte die Hand seiner Tochter an seinem Ellenbogen.
„Vermutlich etwas staubiger, als du sie beschrieben hast, oder?“
Elyon lächelte stolz. „Ja, vermutlich ein wenig.“
„Geht es ihr auch wirklich gut?“ Fragte sie mit Tränen in den Augen und wagte es keine Sekunde den Blick von ihrer Mutter abzuwenden.
„Sag du es mir? Wie wird sich ein Vampir nach siebzig Jahren ohne Blut fühlen?“
„Nun, ja. Nachdem ich bereits nach einer Woche einen unangenehmen Juckreiz am gesamten Körper bekomme, stelle ich es mir... schrecklich vor.“ Gab sie zu und Elyon legte einen Arm um seine Tochter.
„Deine Mutter besitzt eine unglaubliche Stärke. Immerhin hat sie das nur für dich getan.“ Er strich ihr zärtlich die Haare von der Stirn und entdeckte einzelne rote Rinnsale an ihren beiden Wangen.
„Ich weiß.“ Antwortete sie kurz und ließ sich dann auf einen Sessel neben ihrer Mutter sinken. Elyon ging erst einmal Duschen, da er vollkommen durchgefroren war und überließ es Lenya, die Blutbeutel zu wechseln, wenn es nötig wurde, derweilen aktivierte er zwei Flüche, welche er auf Kugelschreiber gelegt hatte. Einer würde vermutlich in diesem Moment in der Vulkangegend zu rauchen beginnen, der andere einen hohen Pfeifton ausstoßen, welcher jeder im ganzen Purpurschloss hören konnte.
Es dauerte noch mehr als zwölf Stunden, bis Celest endlich ihren Körper zurückhatte und frisch wie eh und jäh aussah. Nichts, bis auf den Dreck und die zerrissenen Kleidungsstücke an ihrem Körper, ließ mehr darauf schließen, dass sie jemals ausgeblutet gewesen sein könnte.
„Wann wacht sie auf?“ War das erste, was Lenya fragte, als sie mittags aus ihrem Zimmer kam und noch immer so aussah, als hätte sie kein Auge zu getan. Elyon vermutete, dass sie die gesamte Zeit auf der Treppe verbracht hatte, um sofort da sein zu können, wenn ihre Mutter erwachte. „Bald, Schatz. Lass sie sich erst erholen.“
„Aber erholt sich ihre Klinge denn nicht auch, wenn sie sich erholt?“ Fragte sie klug.
„Natürlich, deshalb dauert es auch so lange. Aber keine Sorge, du weißt dass wir vorbereitet sein werden.“
Lenya lächelte schwach. „Ich hoffe dass auch sie es ist.“ Unsicher strich sie über die zarte neu gebildete Haut ihrer Mutter und spürte durch ihre Vampirfähigkeiten deren innere Durchblutung. Jede Vene, jedes Organ so wie jeder Muskel hatte sich wieder entfaltet, und funktionierte genau so, wie es sollte. Zumindest wurde alles gleichmäßig durchblutet. Immer noch steckte eine Nadel in Celests Handgelenk und versorgte sie mit frischem Blut, doch trotzdem öffnete sie nicht die Augen.
„Versuch mit ihr zu sprechen. Sie kann dich bestimmt schon hören.“ Probierte es Elyon weiter und Lenya nickte etwas verschreckt.
„M...Mama?“ Begann sie unsicher. „Ich bin es, Lenya. Deine Tochter. Erinnerst du dich an mich?“ Lenya wartete etwas, doch Celest rührte sich keinen Zentimeter.
„Erzähl ihr etwas von dir.“
Lenya nickte und nahm nun endlich neben ihr Platz. Vorsichtig begann sie zu sprechen. Erzählte ihr, was Vater ihr über sie erzählt hatte und wie groß ihre Familie mittlerweile geworden war. Stolz belächelte Elyon seine beiden Herzensdamen und nahm auf der anderen Seite von Celest Platz, um ihre Hand in seine zu nehmen. Lenya redete stundenlang, sobald sie endlich einen Faden gefunden hatte und Elyon hörte einfach zu. Er sagte nichts, sondern lauschte einfach nur den Worten seiner Tochter wie sie ihrer Mutter verrückte Sachen erzählte, welche zum Teil wahr waren, oder verglich, wie verrückt sie sich selbst einschätzte.
Erst kurz bevor die Sonne unterging, entschied Elyon, dass es genug Blut gewesen sei, und brachte Celest hoch in sein Zimmer um sie dort in eine dicke Decke zu hüllen. Dass dabei sein gesamtes Bettzeug grau wurde, interessierte ihn kein bisschen.
Elyon drehte eben das Badewasser auf, um Celest zu waschen, als er einen erschreckten Aufschrei vernahm. Sofort eilte er zurück und fand einen fauchenden Vampir vor. „Du! Na warte, dieses Mal töte ich dich!“ Fauchte sie und stürzte sich auf Elyon, der sie einfach nur überrascht abfing.
„Moment! Warte, Celest! Was tust du da?“ Fragte er und wehrte ihre spitzen Fangzähne nur mühsam ab. „Ich werde dir lehren, dass man sich nicht mit mir anlegt! Denkst du ich falle darauf hinein? Ich bin nicht dumm! Ich kenne deine Tricks, Qual!“ Brüllte sie und versenkte ihre Zähne in seinem Unterarm. „Papa! Was ist hier los?“ Lenya stürmte ins Zimmer und fand seinen Vater am Boden liegend vor, während ihre Mutter ihre Fangzähne sichtlich schmerzhaft in sein Fleisch bohrte.
„Sie denkt sie halluziniert. Hilf mir, bitte.“ Rief er. Lenya ließ sich dies nicht zweimal sagen. Eilig warf sie sich auf ihre Mutter und zusammen kugelten sie in einem fauchenden Knäuel über den Holzboden.
„Mama! Hör auf!“ Rief sie und Celest erstarrte. „Mama?“ Fragte Lenya unsicher, da ihre Mutter tatsächlich gestoppt hatte und von ihr hinunter ging. „Was ist das nun wieder? Sonst quälst du mich nur mit Elyon, jetzt auf einmal tust du so, als wärst du meine Tochter? Ich sagte doch, ich glaube dir nichts!“ Fauchte sie wütend ihre Tochter an, welche hilfesuchend zu ihrem Vater blickte. Elyon kam mühselig hoch und presste seine Hand auf die blutenden Wunde. „Celest, mein Herz. Das ist deine Tochter. Das ist Lenya.“
Nun wandte sie sich fauchend an Elyon, nur um wieder irritiert zu Lenya zurückzusehen. „Mein... Mein Baby? Sie ist aber... so klein.“ Celest deutete eine Größe mit ihren Händen, so wie sie Lenya in Erinnerung hatte und schüttelte ungläubig den Kopf. „Nein, Celest. Es sind beinahe achtzig Jahre vergangen. Aber ich habe dich gefunden!“ Verkündete Elyon glücklich und ging noch vorsichtig auf sie zu. „Acht... Achtzig? Ich dachte eigentlich du würdest länger brauchen.“ Meinte Celest immer noch ungläubig. „Glaube mir, achtzig Jahre waren bereits viel zu viel. Ich habe dich viel zu lange leiden lassen, mein Herz.“
Celest legte den Kopf schräg und atmete tief durch. „Ich kenne diese Gerüche. Wir sind in deinem Zimmer. Und Blut? Habe ich dich verletzt?“
Elyon winkte ab. „Nichts ernstes. Du hattest Angst.“ Verteidigte er sie und lächelte fürsorglich. „Ich bin... draußen?“ Fragte Celest noch einmal vorsichtig. „Ja, bist du. Wir haben dich endlich gefunden.“ Versicherte ihr Elyon abermals. „Und deine... unsere Tochter ist ebenfalls beinahe erwachsen. Sieh sie dir an!“ Er deutete auf Lenya, die bereits wieder den Tränen nahe war.
„Sie ist, so groß.“ Bemerkte Celest. „Ja, und sie war eine große Hilfe, um dich zu finden. Sie wollte dich kennenlernen.“
Plötzlich zauberte sich endlich ein Lächeln auf Celests Lippen und sie warf sich ohne Vorwarnung in die Arme ihrer Tochter. Lenya wollte erschrocken von ihr fortspringen, doch schaffte es nicht mehr rechtzeitig sich vor der stürmischen Umarmung zu schützen und wurde gnadenlos gedrückt.
„So groß! So groß! So groß!“ Nuschelte Celest und drückte ihre viel größere Tochter noch enger an sich.
„Celest, langsam. Du tust ihr sonst noch weh!“ Versuchte er, sie zu beruhigen, doch es schien Celest egal zu sein, denn auch Lenya freundete sich endlich mit dem Gedanken, an endlich ihre Mutter im Arm zu halten.
Glücklich warf sie ihrem Vater einen dankbaren Blick zu und entspannte sich endlich. Erleichtert sank Elyon auf das Bettende und schnaufte zufrieden durch. Nach all der Zeit war seine Frau endlich zuhause. Celest hatte endlich ihren Weg zurück zu ihm gefunden, doch trotzdem wartete immer noch ein unheimliches Monster dort draußen auf sie.
- - - - -
Celest hatte beinahe zwei Stunden in der Badewanne verbracht, bis sie sich halbwegs sauber gefühlt hatte und endlich sämtlicher Staub aus ihrer Lunge gespült war. Elyon verbrachte die gesamte Nacht damit, sie einfach im Arm zu halten und sie anzusehen, ohne ein Wort zu sprechen. Dafür redete Lenya umso mehr. Celest wollte alles über sie wissen, somit verbrachte er mit seinen beiden Lieblingsfrauen eine Nacht voller Erinnerungen. Auch wurde besprochen, was nun weiter passieren würde, da Celest eigentlich das Einzige gewesen war, was den Dämon in der Klinge gehalten hatte, so wie all ihre Mütter und Großmütter vor ihr.
Elyon hatte bereits vor Beginn seiner Suche alles geregelt, daher dauerte es auch nicht lange, bis endlich alle ankamen.
„Ceara!“ Rief Lenya begeistert und fiel ihrer >beinahe< Cousine begeistert in die Arme. Jedoch im wahrsten Sinne des Wortes. Übermütig wie sie war, schloss sie Arme und Beine um ihr ausgewähltes Opfer ihrer übermütigen Freude und küsste sie laut schmatzend auf die Wange. Lachend nahm es Ceara mit Humor.
„Ich freue mich auch dich zu sehen, auch wenn es erst ein Monat her ist.“ Scherzte Ceara und drückte ihre Cousine genauso fest. Natürlich wussten beide, dass sie nicht durch ihr Blut verwandt waren, doch Cearas Mutter Fay, war wie eine Schwester für Megumi und Elyon sah sie ebenfalls, mehr als Schwester, als eine Freundin. Durial trat nun ebenfalls in das große geräumige Wohnzimmer ein und begrüßte Elyon mit einem Handschlag, während Lenya dies nicht ausreichte. Sie fiel auch ihrem Onkel begeistert um den Hals und schmatze ihm einen Kuss auf die Wange.
Er schob sie mit sanften Nachdruck von sich und tätschelte ihr liebevoll den Kopf. „Ich habe dich auch vermisst, kleiner Blitz.“ Meinte er vollkommen ernst, da er bereits länger nicht hier gewesen war, und trocknete seine Wange mit seinem Ärmel. „Also, wie ich riechen durfte, hast du sie gefunden?“
Sofort war Cearas Interesse geweckt. „Und, lebt sie noch?“ War ihre erste Frage. „Ja, ich lebe.“ Verkündete Celest etwas verwirrt darüber, dass man dies geglaubt haben konnte. Vor Celest stand ein rothaariger Drache, mit der Kraft eines Wyvern, doch wirkte viel zu jung, um einer zu sein. Neben ihr stand ein gut gebauter Mann, mit tiefen Narben, die auf eine interessante Vergangenheit schließen ließen und legte einen Arm um das junge Mädchen. „Celest? Es freut mich dich kennenzulernen. Ich bin Durial, Fays Gefährte und das ist unsere Tochter Ceara.“ Stellte er sich höflich vor.
Überrascht blickte sie zu Elyon, der zustimmend nickte. „Der Ghul konnte Kinder bekommen?“ Fragte sie irritiert, da dies gegen alles verstieß, was sie kannte.
„Sagen wir... unsere Familiengeschichte ist etwas anders, als die der anderen.“ Kommentierte Durial und entlockte jedem dabei ein wissendes Lächeln, da alle ein Lied von komplizierten Familien singen konnte.
„Außerdem hat sie drei Söhne und vor kurzem Zwillinge bekommen. Deshalb kann sie heute leider nicht hier sein.“ Erklärte Elyon, da er sah, dass Celest bereits wieder etwas Abwertendes über Fay sagen wollte. Zudem war Fay nicht hier, da sie Celest nicht mochte. Es beruhte offensichtlich auf Gegenseitigkeit. Jedoch ohne Fays Ghulfähigkeiten, wäre sie kaum zu etwas zu gebrauchen, da sie auch keinen Gesang gegen einen uralten Dämon benutzen könnte.
„Jetzt fehlt nur noch Megumis Familie.“ Begeistert klatschte Celest in die Hände. „Der Wandler hat es geschafft? Ihr habt mir überhaupt nichts darüber erzählt wie es mit ihr gelaufen ist.“ Meinte sie vorwurfsvoll und brachte damit jeden zum Lachen. „Es war... kompliziert.“ Meinte Elyon ausweichend.
Kurz darauf wackelten sämtliche Fenster im Schloss und kündigten das Ankommen eines Clans an. „Wie auf ihr Stichwort.“ Meinte Durial lachend und ging vor, um seine Sippe zu begrüßen.
Um möglichst kein großes Aufsehen zu erregen, flogen nicht mehr als zwanzig Drachen und trugen die restlichen Catharnach auf ihrem Rücken. An ihrer Spitze flog der größte und prächtigste aller Purpurdrachen und brüllte laut seine Freude heraus, wobei er behutsam landete, um seine wertvolle Fracht nicht abzuwerfen, bestehend aus Megumi und ihrem gemeinsamen Sohn Conchar.
„Durial, alter Freund!“ Begrüßte Vauven seinen mittlerweile engsten Freund.
„Mein König, es freut mich Euch zu sehen.“ Verkündete der Drache unterwürfig, bevor er breit grinste und Conchar in eine halbe Umarmung schloss. „Hallo, Onkel Durial.“ Begrüßte er ihn und kurz darauf warf sich ihm eine blonde Schönheit in die Arme.
„Durial, wie schön dich endlich wiederzusehen. Ich hörte du und Ceara wart auf einer langen Reise?“ Fragte sie sogleich.
„Ja, aber wir sind gerade rechtzeitig zurück. Ich dachte eigentlich Conchar würde beim Clan bleiben.“ Meinte Durial etwas unsicher.
„Das... war auch so geplant.“ Meinte Megumi etwas verärgert. „Aber er sagte er hätte zu viel Stress in den Drachenbergen und wollte zum Entspannen mitkommen.“ Sie äffte ihn nach, als wäre sie die Tochter und nicht die Mutter.
Unsicher kratzte sich Durial am Hinterkopf, während er leiser zu Megumi sprach. „Ich habe aber Ceara mitgenommen.“
Vauven und Megumi stießen gleichzeitig ein „Oh!“ aus und sahen sich unsicher an. „Dann lässt sich wohl jetzt nichts mehr ändern. Er wird bestimmt nicht zurückfliegen.“ Meinte Vauven und alle drei nickten.
„Elyon!“ Rief Megumi begeistert aus, um die anderen beiden Männer zu warnen, dass jemand gleich in Lauschnähe sein würde und sprintete los, um ihren ältesten und nur noch einzig lebenden Bruder zu umarmen.
„Hallo, Megumi. Es ist immer eine Freude dich zu sehen.“ Elyon schloss seine Schwester herzlich in die Arme, dann lag auch bereits Lenya in Megumis und gab auch ihr einen feuchten Kuss auf die Wange.
„Wirst du dir das jemals abgewöhnen?“ Fragte sie genervt, doch lächelte darüber.
„Niemals!“ Schwor Lenya und salutierte vor dem Wyvern, bevor sie auch ihn ansprang.
„Oh, je!“ Stieß dieser erschrocken hervor, doch tätschelte ihren Rücken. Ausschließliche Lenya wagte es, dem Wyvern vor all seinen Catharnach dermaßen überschwänglich zu begrüßen, natürlich ließ sie dabei ihren richtigen Cousin nicht aus, auch wenn er versuchte sich hinter Elyon zu verstecken.
„Komm her! Ich habe dich noch nicht begrüßt!“ Rief Lenya aus und jagte den flüchtenden über die Wiese.
Lachend begrüßte sich nun auch der Rest, bis auf Celest, die sich alles von weitem ansah. Offenbar fühlte sie sich etwas fehl am Platz, da sie noch nie so etwas wie eine Familie gehabt hatte, doch Lenya erlaubte es ihrer Mutter nicht, sich über so etwas Gedanken zu machen, sondern zog sie einfach zu den anderen, wo Elyon bereits mit offenen Armen auf sie wartete.
„Wie es aussieht, sind alle versammelt.“ Bemerkte Elyon, als Letztes nun auch Ceara zu ihnen stieß, mit geborgter Kleidung von Lenya.
Leicht verlegen über die lediglich dürftige Kleidung, die sie kein bisschen mochte, da es einfach nicht ihrem Stil entsprach, schloss sie sich der Gruppe an und verschränkte ihre Arme vor dem Oberkörper. „Du hättest mir ruhig etwas anderes geben können.“ Zischte sie Lenya zu, welche ihre Arme um sie schlang und lieblich anlächelte.
„Aber es steht dir so gut. Glaube mir, wenn ich dir sage, dass du mehr Haut zeigen kannst. Dann würden viel mehr Männer auf dich fliegen.“
Seufzend rieb sie sich das Nasenbein, was sie sich wohl oder übel von ihrem Vater abgesehen hatte, wenn dieser versuchte, Fays Launen zu ertragen in der Schwangerschaft. Wie er dies aushielt, verstand Ceara bis heute nicht. „Lenya, ich bin ein Wyvern. Man erwartet nicht von mir, dass ich mit jedem ins Bett hüpfe, sondern Traditionen vertrete und mein äußeres meinen Clan wiederspiegelt.“ Erklärte sie. Normalerweise vergrub sie sich hinter tausend Schriften, um alles über ihr Volk zu lernen, was sie wissen musste und ging lediglich nach draußen, wenn ihr Vater sie wieder einmal dazu überredete mit ihm durch den Vulkan zu fliegen und ihre Drachenmuskeln zu stärken.
„Tja, dann widerspiegelst du jetzt eben die heißen reize deines Clans.“ Zischte sie ihrer besten Freundin zu, die verlegen rot wurde und zu Boden blickte.
„Du bist unmöglich.“ Kicherte Ceara, doch fand sich damit ab, dass es ohnehin nicht mehr zu ändern sei.
Nun standen sie hier. Zusammen vereint durch einen neuen Gegner, welchen sie bisher nicht hatten einschätzen können. Vauven hatte beide Arme um seine Frau geschlungen und sie schnurrte gemütlich an seiner Brust, Conchar verzog das Gesicht bei so viel Liebesbekundungen und wandte sich suchend nach einem besseren Platz um, doch überall fand er bloß Pärchen. Vauven und Megumi, Celest glücklich lächelnd in Elyons Armen, Durial der eben mit Fay telefonierte und leicht rot wurde und natürlich seine beiden Cousinen in einer freundschaftlichen Umarmung.
Da sie beide das weniger große Übel waren und er Ceara seit ihrem vierten Lebensjahr überhaupt nicht mehr gesehen hatte, entschloss er, zu den beiden zugehen.
„Ist euch auch so schlecht vor lauter Pärchen?“ Fragte er und wurde sofort von Lenya auf die Wange geküsst. Angewidert wischte er den Kuss ab und seufzte ergeben.
„Hab ich dich doch noch erwischt!“ Verkündete sie stolz und brachte ihn zum Lachen.
„Ich bin ja auch selbst schuld.“ Gab er zu und sein Blick fiel auf Ceara. „Conchar.“ Stellte er sich vor, als er ihr die Hand reichte.
„Ceara.“ Verkündete sie mit geröteten Wangen und schüttelte nur kurz seine Hand, bevor sie sich wieder abwandte.
„Moment... kenne ich dich nicht?“ Fragte er und da fiel ihm wieder ein, woher er ihren Geruch kannte.
„Nun, ja. Wir sind mehr oder weniger Cousins, das letzte Mal sahen wir uns... da war ich vier?“ Überlegte sie und wich weiter seinem Blick aus.
„Nein! Ich kenne deinen Geruch, ich weiß.... wir müssen doch... Der Strom! Das warst doch du!“
Knurrend hielt sie ihm den Mund zu. „Sei ja leise!“ Vorsichtig sah sie sich um, ob auch ihr Vater nichts gehört hatte, doch dieser rieb sich eben das Nasenbein, daher wusste sie, dass er schon wieder ausgeschimpft wurde.
Genervt nahm er ihre Hand von seinem Mund. „Was ist daran so schlimm? Eigentlich sollte ich es nicht verraten, denn ich durfte nicht zum Vulkan.“ Schimpfte Conchar.
„Und ich hatte, was diesen Tag angeht gelogen, wenn mein Vater das erfährt, wird er nur wütend.“
Conchar lächelte spöttisch. „Also wenn...“ Sprach er lauter und Ceara hielt ihm sofort wieder den Mund zu und funkelte ihn wütend an.
„Halt den Mund!“ Bat sie.
Wieder nahm er ihre Hand vom Mund, doch dieses Mal ließ er ihren Arm nicht los. „Was habe ich davon, kleine Königin?“ Scherzte er schelmisch und bekam dafür ein knurren.
„Dein Leben!“ Antwortete sie zornig und entlockte ihm damit ein noch größeres Lächeln.
„Vergiss nicht das ich auch ein Wyvern bin, also sind wir gleich stark.“ Erinnerte er sie.
„Aber du bist nicht so, wie ich. Ich habe den starken Körper meines Vaters und die Größe eines Wyvern. Frag deinen Vater, ich bin sogar größer, als er!“ Drohte sie ihm und bemerkte erst jetzt, dass er immer noch ihr Handgelenk festhielt.
„Ähm... Conchar! Komm doch bitte her, du musst uns einen Gefallen tun!“ Rief Megumi, seine Mutter, die eben noch neben ihrem Mann gestanden hatte und jetzt erst bemerkte, wie die beiden stritten.
„Glück gehabt, kleine Königin.“ Zischte er ihr zu und brachte sie verächtlich zum Lachen.
„Kleine Prinzen wie du sollte ihren Mund nicht so weit aufmachen. Je höher man klettert umso tiefer fällt man.“ Philosophierte sie triumphierend, da sie wusste, dass sie jeden Kampf gegen ihn gewinnen würde.
„Dann scheinst du bereits Erfahrungen damit gemacht zu haben auf den Mund zu fallen?“ Hakte er nach und entließ ihr Handgelenk aus seinem festen Griff. Ceara war sich nur zu deutlich seiner Nähe bewusst und das ließ ihren Herzschlag unkontrolliert werden.
Verwirrt wandte sie sich einfach ab und entdeckte Lenya frech grinsend. Ceara wusste sofort, dass ihre Cousine bereits irgendetwas geplant hatte, daher freute sie sich auf die Ablenkung, um ihren plötzlich schwirrenden Kopf freizubekommen.
„Was war >das< denn?“ Wollte Lenya sofort wissen und Ceara wurde sofort rot. Noch eine schlechte Angewohnheit, die sie von ihrem Vater hatte.
„Was meinst du? Conchar? Wir sind vor kurzen einmal zusammen gekracht, als wir beide nicht dort waren, wo wir eigentlich sein sollten.“ Erklärte sie verlegen und griff sich an die Stirn. Ceara wusste, das Lenya niemals ein Geheimnis verraten würde, egal wie verrückt oder aufgeweckt sie auch war.
„Oh, nein! So einfach kommst du mir nicht davon. Ihr steht doch aufeinander, das sehe ich!“ Prophezeite Lenya und Ceara schüttelte irritiert den Kopf.
„Conchar und ich? Er ist mein Cousin. Außerdem habe ich ihn das letzte Mal gesehen, als ich vier war. Das ist Unsinn.“ Meinte sie gleichgültig und nahm neben ihrer besten Freundin platz, die jedoch noch lange nicht fertig war mit ihr.
„Tut, mir leid. Ich konnte Fay nicht dazu bringen.“ Erklärte eben Durial Megumi enttäuscht.
„Verdammt.“ Fluchte Megumi. „Es ist aber vermutlich so wie so bereits egal. Wir hätten die beiden nicht aus den Augen lassen sollen, sie haben bereits miteinander gesprochen.“
„Also hat sich der Zauber aufgelöst?“ Hakte Durial nach.
Megumi nickte. „Ich vermute es.“
Durial seufzte. „Dann ist es eben so. Wir haben sie lange genug voreinander beschützt. Etwas was nicht abzuwenden ist, sollte man nicht hindern.“
„Aber wenigstens konnten wir ihnen eine Gewisse Zeit ein freies Leben lassen.“ Bemerkte Megumi und blickte sehnsüchtig zu ihrem Sohn, der Ceara bereits wieder aus dem Augenwinkel musterte.
„Das sind harte Worte für jemanden der seinen Gefährten bereits gefunden hat.“ Bemerkte Durial und brachte Megumi zum Lachen.
„Du weißt, wie ich es meine, oder wäre es dir lieber gewesen, wenn sie schon seit damals verbunden gewesen wären?“
Sofort schüttelte er den Kopf. „Nein, es ist in Ordnung, wie es gekommen ist. Was füreinander bestimmt ist, findet sich nun einmal irgendwann. Das beweist doch am besten Elyons Geschichte, oder?“
Megumi nickte. „Ja, nur zwei Wyvern?“ Sie runzelte die Stirn.
„Viel schlimmer finde ich es, dass sie auch noch Fays Tochter und Vauvens Sohn sein müssen. Vermutlich werden wir mehr, als ein Gebäude wieder aufbauen müssen, bis sie sich endlich finden.“ Beide lachten und verstummten sofort, als Vauven fragend auf sie zu kamen.
„Ihr tuschelt schon wieder über mich, oder?“ Stellte er fest und küsste Megumi auf die Stirn.
„Dürfen wir etwa nicht lästern? Das hält die Seele jung.“ Scherzte sie.
„Eigentlich sprachen wir gerade darüber, dass der Zauber den die Druiden über die beiden gesprochen haben, gerade eben aufgehoben wurde.“ Erklärte Durial ausweichend.
Vauven nickte. „Ich weiß, ich habe sie auch gesehen. Aber ich habe euch von Anfang an gesagt, dass es eine dumme Idee ist.“
Megumi knurrte. „Sie waren Kinder! Kinder sollten doch ihre Erfahrungen machen und so frei wie möglich leben. So ein Band hätte dies niemals für sie beide zugelassen, dass sie sich unabhängig voneinander entwickeln.“
Vauven seufzte ergeben, so wie bereits damals. „Ja, ihr habt recht. Ich weiß das.“ Er hatte es bereits damals aufgegeben, als zum ersten Mal ersichtlich war, dass Ceara und Conchar eindeutig Gefährten waren so wie Vauven und Megumi, Fay und Durial, so wie Elyon und Celest. Damals hatten sie versucht, ihnen ein halbwegs freies Leben voneinander zu schenken und die Druiden um ein Mittel gebeten, dass die beiden auf Abstand voneinander hielt. Leider konnten sie lediglich einen Zauber auf die beiden legen, dass sie einander vergessen, bis sie sich das nächste Mal begegnen.
Durial, Fay und Megumi waren mehrstimmig dafür gewesen, während Vauven eher der Ansicht war, dass die beiden kein Band hätten, wenn sie nicht zusammen gehören würden, doch da er überstimmt worden war, hatte man das Band einfach >hinaus gezögert<. Es war nicht aus Bösartigkeit, oder Eifersucht geschehen, sondern einfach, da sie beide mit ihren eigenen Verpflichtungen bereits genug zu tun hatten. Besonders Ceara welche ihrem besonders notdürftigen Platz schnellstmöglich hatte einnehmen müssen und man ihr einfach nicht noch eine weitere Aufgaben, oder Verpflichtungen hatte aufbürden wollen. Jemanden zu lieben bedeutete immer, etwas von sich selbst aufzugeben und vom anderen zu übernehmen. Konnte man denn ausgerechnet Kindern so etwas zumuten? Vauven hatte es eingesehen, auch wenn er es nicht mochte, dass irgendjemand einen Zauber ausgerechnet über zwei Wyvern aussprach, doch am Ende stellte es sich, als die bessere Lösung heraus. Keines der drei Paare war ein besonders gutes Vorbild für eine harmonische oder besonders geglückte Partnerschaft, doch niemand von ihnen wollte etwas daran ändern, sondern es lediglich bei den eigenen Kindern besser machen.
„Er ist nicht mehr fern!“ Rief Elyon über den Platz und einige Catharnach zogen sich aus, um sich zu verwandeln. Auch Conchar folgte ihrem Beispiel und ließ die Verwandlung über ihn kommen.
Als prächtiger purpurner Drache stand er vor den Catharnach, den besten Soldaten des Königs, und brüllte zu einem Schlachtruf. Mehrstimmig folgten ihm die Catharnach mit demselben Ruf und auch Vauven reizte es, mit ihnen mit zu brüllen, daher hauchte er seiner Gefährtin einen letzten Kuss auf die Wange, da sie zurückbleiben würde, zusammen mit Celest, um sich um die schlimmsten Verletzungen zu kümmern. Dann verwandelte sich in einem eleganten Schwung in den größten der anwesenden Drachen.
Durial reichte Megumi eine Tasche. „Das habe ich von den Druiden mitbekommen. Darin sind Heilpflanzen und kühlende Salben. Bestimmt werden die einen und anderen etwas brauchen.“ Megumi nickte dankend und ging mit Celest hinein, um das Wohnzimmer auszuräumen.
Elyon kam zu Durial, der bereits nervös von einem Bein auf das andere sprang, da auch sein Drache nach den anderen rief. „Du bleibst in dieser Gestalt?“ Fragte er seinen Freund.
„Ja, ich dachte, so wäre es einfacher, mit dir in Kontakt zu bleiben und man muss sich nicht immer verwandeln, um mit dir sprechen zu können, oder mit den anderen drei Frauen.“ Fügte er hinzu, als ein schwarz gepunkteter Leopard, mit roten Augen an ihm vorbei schritt.
„Gute Idee. Und was ist mit Ceara? Sie ist doch der einzige rote Wyvern, hätte sie nicht zuhause bleiben sollen?“
Durial hob ergeben die Schultern. „Wir haben es versucht, doch sie hat sich mit Händen und Füßen gewehrt alleine mit ihren noch viel zu jungen Brüdern und Fay zurückzubleiben, als wäre sie noch ein kleines Kind. Sie wollte vermutlich einfach beweisen, dass sie auch der Wyvern sein kann, der sie eben ist, auch wenn wir alle noch immer das kleine Mädchen in ihr sehen.“
„Sie geht eben sehr nach ihre Mutter.“
Durial nickte. „Ceara hat zwar sehr viele Eigenschaften von mir, doch sie ist so unbarmherzig und Stur wie Fay. Das kann ich nicht abstreiten.“
Elyon lachte und klopfte dem vernarbten Drachen herzlich auf den Rücken. „Das macht doch erste eine Familie aus, oder nicht.“ Scherzte er und auch Durial lachte.
„Ja, das tut sie tatsächlich.“
Plötzlich bebte die Erde neben Durial und Elyon, während eine dicke Rauchschwade neben ihnen aufstieg. Etwas Rotes, in Flammen Stehendes, löste sich aus dem Rauch und brüllte laut ihre Anwesenheit hinaus.
Die Catharnach verbeugten sich, wie eine einzelne Person, höflich vor dem befreundeten Wyvern und auch Vauven nickte dem roten Feuerwesen respektvoll zu. Conchar dagegen klappte der Mund auf, als er Ceara, in Flammen stehen, erblickte. Anmutig schritt sie, mit angelegten Flügel an ihm vorbei und schnappte spielerisch nach ihm.
Er knurrte sie an, dass sie das lassen solle, doch sie dachte nicht daran. Eitel schüttelte sie ihre mächtigen Flügel auf, sodass einige Funken durch die Luft flogen, und versuchte ihn einzuschüchtern.
Conchar erholte sich schnell von dem überwältigenden Anblick und sprang mit einem großen Flügelschlag über sie hinweg. Lachend schnappte sie nach seinen Beinen, doch er zwickte sie lediglich in die schuppige Nase.
Durial schüttelte den Kopf über den jugendlichen Übermut, der beiden und wie sie sich spielerisch jagten, während Vauven stolz den beiden hinterher sah. „Muss ich etwas wissen?“ Fragte Elyon.
Durial hob unwissend die Schultern. „Sei einfach froh, dass du deine Tochter hast und nicht meine.“ Verkündete er lachend und folgte den bald kämpfenden, fort vom Schloss.
Lenya sprang laut brüllend auf den Rücken von Conchar und kletterte hoch, bis sie eine geeignete Stelle gefunden hatte, um sich in einen Vampir mit blutunterlaufenen Augen zu verwandeln.
Im nächsten Moment zogen dunkle Gewitterwolken auf und die Temperaturen schienen einige Grade abzukühlen. Elyon erkannte hinter einem Hügel einen dunklen Schatten, welcher sich langsam darüber erhob und einen schrillen Schrei des Zornes ausstieß.
„Hü, hopp! Beeil dich etwas Conchar, sonst verpassen wir noch unser erstes Abenteuer!“ Spornte sie den jungen Wyvern an, der sich sofort zu einem Wettlauf mit Ceara und etlichen anderen Drachen einließ, welche den Kampf mit einem echten Dämon ebenso wenig erwarten konnten.
Im nächsten Moment wurde Elyon und Durial von dem purpurnen Wyvern eingesammelt und nahmen auf seinem breiten Rücken Platz, als er sich selbst in die Höhe katapultierte und mächtige Flammen dem eisigen Dämon entgegenwarf. In kürzester Zeit war der Himmel erfüllt von Krieg, Blut und dem Geheul wütender Krieger die alles tun würden, um ihre Familien zu beschützen...
Tag der Veröffentlichung: 14.07.2015
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Danke, dass du bis zum Schluss der Geschichte durchgehalten hast ;) Vastia ist eine meiner aller liebsten Geschichten, auch wenn ich sie vor ein paar Jahren einmal heraus genommen habe. Jetzt überarbeitet & mit neuem Cover hoffe ich, dass es dir genauso unter die Haut gegangen ist, wie mir
MfG YY :*