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Kapitel I

Begeistert klatschte ich in die Hände, als ich nun zum zweiten Mal vor meiner neuen Schule stand. Sie bereits das dritte Mal zu sehen, ist vielleicht nicht mehr unbedingt sonderlich spannend, doch es war das erste Mal, dass ich sie bei Tageslicht sah. Als ich das erste Mal hier ankam, war ich gerade einmal erst acht Jahre alt. Jung und naiv. Denkend, dass ich hier die Antworten auf all meine Fragen finden würde... Aber heute! Heute ist mein erster offizieller Tag an dieser verrückten Schule.
Die Bäume um mich herum begannen sich plötzlich unter einem nahenden Sturm zu biegen, doch die vier Meter weiter unten, wo ich stand, tat sich unter der herunterbrennenden Sommerhitze kein Lüftchen. „Jadelyn Hofferson?“ Erklang eine Stimme über mir und ich winkte begeistert nach oben. Eine Frau mittleren Alters, landete vor mir, als wäre sie den gesamten Weg des Schulaufganges hinab geschritten und nicht gerade eben erst gelandet. Begeistert blickte ich sie an. Ob ich das auch bald machen würde? Einfach herumfliegen wie ich möchte?
„Ja, ich bin hier!“ Die ersten beiden Schulmonate musste ich leider auslassen und mir normale Arbeit suchen, da meine Kräfte so schwach waren, dass sie sich nur langsam aktivierten. Seit ich jedoch unsere kleine Gartenhütte in einem Wutanfall umgeblasen hatte, hielten es meine Eltern für angebracht, mich endlich auf die >Schule der Jahreszeiten< zu schicken. Auch wenn der Name nicht wirklich zu unseren Fähigkeiten passte, da wir die vier Grundelemente beherrschen und nicht die Jahreszeiten.
„Dein Zimmer wird auf…“ Die offensichtliche Direktorin öffnete eine Mappe und ließ sie in der Luft schweben. Sie war also wirklich eine der wenigen, die das Element Luft beherrschen, so wie ich. Sie schien noch nicht einmal zwanzig Jahre älter als ich zu sein, doch lag ein wissender Blick in ihren Augen, der einem sofort verriet, dass sie die Stelle als Direktorin unter keinen Umständen um sonst innehatte.
Jeder von besonderen Menschen beherrscht, seit seiner frühesten Kindheit jeweils ein Element. Ich beherrsche die Luft, was selten war. Feuer kam zwar beinahe noch seltener vor, doch Wasser und Erde beherrsch hier beinahe jeder zweite, daher unterrichtete man die beiden selteneren Elemente gemeinsam und die beiden stark vertretenen wurden in Sälen unterrichtet. Ich bin schon ganz neugierig darauf, wie der Unterricht werden würde. „Folge mir also.“
Oh, Mann. Sie hatte weiter gesprochen und ich hatte nicht zu gehört? Wie peinlich! Hoffentlich war es nichts Wichtiges.
„Wie eben erwähnt haben wir keine Zeit für eine großartige Führung, da du mitten im Unterricht erscheinst. Daher bitte einfach einen unserer vielzähligen Schüler, dich bei Gelegenheit herum zu führen. Aber bitte nur nach dem Unterricht!“ Mahnte sie mich noch einmal, was mich zum Lächeln brachte.
„Natürlich, Frau Direktorin. Normalerweise bemerkt man mich beinahe überhaupt nicht, da ich sehr still bin und mich nicht aufdränge, daher werde ich vermutlich selbst auf Erkundung gehen. Gibt es etwas, auf das ich achten muss, wenn ich mich umsehe?“
Die Direktorin lächelte mich wissend an, was mir einem Schauder über den Rücken jagte und deutete dann auf ein Gebäude mit dem einzigen Blauen Dach. „Dort drüben liegen die Zimmer der Lehrer. Dort hast du nichts zu suchen, außer es ist etwas ausgemacht. Spätnachts gehst du zu keinem Lehrer ins Zimmer, egal welchem Geschlecht er angehört und du musst jedem ab neun Uhr aus deinem eigenen Zimmer werfen. Schüler und Lehrer beiderseits. Schlafenszeit ist ab Zehn, dann sind die Lichter aus und ihr liegt alle brav im Bett. Nachtlichter am Bett sind erlaubt. Dachböden und Keller betrittst du niemals alleine und das Wichtigste. Nach dem Unterricht dürft ihr keine Elemente benutzen!“
Beim letzten Satz blickte sie mich an, als würde sie diesen Satz mehrmals täglich benutzen, was mich abermals zum Lächeln brachte. „Ich habe verstanden, Frau Direktorin.“
Lobend legte sie mir eine Hand auf die Schulter und ich merkte erst jetzt, dass wir vor einem Gebäude standen, das bei weitem das Zweitgrößte hier war. „Hier ist das Schlafgebäude. Frühstück, Mittagessen und Abendessen gibt es immer warm. Zwischendurch gibt es ein offenes Buffet, wo du dir, wenn es nötig ist, Brote schmieren kannst. Zu trinken kannst du dir jederzeit etwas holen, oder dir in einer leeren Flasche etwas mit auf das Zimmer nehmen. Essen ist am Zimmer verboten. Wie du hier herum läufst, ist mir egal. Ob im Abendkleid oder im Pyjama. Macht was ihr wollt, aber Elemente benutzen ist strengstens verboten, außer es wird ausdrücklich von einem Lehrer während des Unterrichts erlaubt.“ Anscheinend gab es hier genug Schüler, die sich nicht daran hielten. Nickend stimmte ich abermals zu und sie deutete auf einen Lift. „Die nächsten sieben Etagen findest du die Schlafräume von allen Schülern. Auf den Gängen wird nicht gerannt oder herumgelümmelt, dafür gibt es die Aufenthaltsräume. Bei weiteren Fragen melde dich bei den anderen Lehrern, die du immer irgendwo an speziellen Orten findest, oder frage einfach andere Schüler.“
>Irgendwo an speziellen Orten< Noch etwas ungenauer ging es wohl nicht, oder? Anstatt zu meckern, nickte ich ein letztes Mal und wir verabschiedeten uns, in dem sie mir die Mappe, die sie die ganze Zeit vor sich her getragen hatte, in die Hand drückte. „Und… mein Zimmer?“ Fragte ich noch, doch sie verschwand bereits über dem Schlafgebäude.
Fragend blickte ich die fürchterlich schwere Mappe an auf der mein Name, mein Geburtsdatum, meine Zimmernummer und meine Klassenraumnummer stand. Sogar mein zukünftiger Stundenplan stand an der Innenseite. Na, toll. Ich hatte noch fünf Stunden vor mir.
Verzweifelt sah ich auf mein Gepäck, das neben dem Lift stand, und machte mich auf den Weg mein Zimmer zu finden. In jedem Stockwerk befanden sich hundertfünfzig Zimmer, öffentliche Duschen die in männlich und weiblich eingeteilt waren und Aufenthaltsräume, an jedem Ende, gegenüber der Lifte.
Zimmer Vierhundert und fünf.
Als ich die Gänge entlang schlenderte im dritten Stock und mich fragte, ob wohl gerade alle in ihren Klassenräumen waren, lauschte ich meinen eigenen Schritten und dem Lärm den mein Koffer verursachte. Die Mappe in meiner noch verstauchten Hand lastete schwer und ich überlegte, einfach einmal alles Stehen zu lassen und ohne Gepäck nach meinem Zimmer zu suchen. Die Zimmernummern waren hier oben völlig willkürlich angelegt, was mich wunderte, da sonst alles beinahe symmetrisch angelegt worden war. Im Lift hatte ich den Grundriss des Gebäudes genauer betrachten können und tatsächlich lagen sämtliche Baderäume und Aufenthaltsräume übereinander. Sogar die privaten Zimmer der Schüler waren alle gleich groß und glichen einander vom Aufbau wie ein Ei dem anderem.
Vierhundert und vier! Begeistert sog ich die Luft ein, doch nur um sie im nächsten Moment wieder enttäuscht auszustoßen. Gibt es denn so etwas? Vierhundert und dreißig lag daneben.
Frustriert ließ ich alles Fallen, abgesehen von der Mappe und betete, dass mir jemand helfen würde. Es war in einem Labyrinth, wenn man keine Karte zur Hand hatte.
„Suchst du jemanden? Oder eher etwas?“
Erschrocken wandte ich mich um und sandte ein Stoßgebet zum Himmel. Hilfe ist hier! „Hallo, mein Name ist Lyn. Ich bin heute den ersten Tag hier und…“
„Den ersten Tag? Dann viel Spaß noch dabei, dich zu Recht zu finden.“ Überrascht blickte ich den beinahe hellblonden Jungen an. >Viel Spaß noch?<
„Ähm… könntest du mir…“ Doch er war bereits wieder verschwunden. Toll… doch keine Hilfe. Das Leben ist so ungerecht. Endlich fand ich jemanden, der mir helfen könnte und dann… Nein, ich würde mich dieses Jahr nicht so einfach abwimmeln lassen. Ich hatte mir selbst geschworen, auf mich mehr aufmerksam zu machen. „He! Du! Warte einen Moment!“ Ich ließ meine Sachen zurück und lief ihm um die Ecke hinterher. Ohne zu bremsen, lief ich um die Ecke und landete direkt in einem harten Körper. Ein Aufschrei, der schmerzhaft klang, erklang unter mir und ich hielt zischend die Luft an. Ich hatte mir an irgendetwas hartem den Kopf gestoßen. Verdammt das würde eine Beule geben!
„Wärst du so lieb von mir runter zu gehen? Ich brauche Luft zum Atmen.“ Luft? Das ist mein Element… Oh!
„Verzeihung! Ich wollte nicht… Geht es dir gut?“ So schnell ich konnte, kletterte ich von dem fremden Jungen, der gleichalt wie ich zu sein schien, hinunter und stellte mich auf. Meine Hand streckte ich ihm auffordernd entgegen, um ihm auf zu helfen, doch er stand aus eigener Kraft auf. „Ist alles in Ordnung? Habe ich dich schwer verletzt?“
Ich glaube mit dem >auf mich aufmerksam machen< hatte ich jetzt doch ein klein wenig übertrieben.
„Ja, schon gut. Was ist denn, dass du so durch die Gänge schreist?“
„Ich… ich finde mein Zimmer nicht. Die Nummern, sind alle vollkommen willkürlich. Ich bin am Verzweifeln und… du bist einfach weggegangen…“ Hoffungsvoll blickte ich zu ihm auf. Bitte! Er muss mir einfach helfen! Der Junge schien sich hier auszukennen und daher legte ich meine ganzen Erwartungen in ihn. Vielleicht konnte er mir ja ebenfalls helfen, mich hier zurechtzufinden?
„Okay! Okay. Aber hör bitte auf, mich mit deinen großen lila Augen so hoffnungsvoll anzublicken. Das ist ja nervig!“
Lila? Setzte ich etwa gerade mein Element ein? Fragend sah ich mich um, doch kein einziges Lüftchen strich durch die Gänge. „Entschuldige… ich kann mit meinem Element noch nicht so gut.“ Entschuldigte ich mich und versuchte, innere Ruhe wieder zu finden.
„Ja, komm, das interessiert mich nicht.“ Erwiderte er barsch. „Die Zimmernummern sind in der Siebener- Reihenfolge angebracht. Und jetzt muss ich wirklich zum Unterricht. Pass besser, auf was du tust.“
Damit verschwand er im Stiegenhaus und ich konnte mir die Hilfe abschminken. >Siebener- Reihe<?“ Was sollte denn das bedeuten? Kopfschüttelnd ging ich einfach zu meinen fallen gelassenen Koffern zurück und zog sie weiter hinter mir her. Was hatte denn das sein sollen? Wenn er es eilig hatte, konnte er doch etwas sagen, oder? Oder lag es etwa an mir? War ich zu aufdringlich gewesen? Lyn was denkst du denn da? Natürlich bin ich aufdringlich, immerhin hatte ich ihn nieder gerannt und zu Boden gedrückt. So etwas konnte doch niemand als >freundlich< empfinden.
Eine gefühlte Ewigkeit später stand ich endlich vor meiner Zimmertüre. Dankbar sie endlich gefunden zu haben, drückte ich auf den Knopf für den Fingerabdruck-Check und die Türe sprang einen Spalt auf. Mit der Hüfte schob ich sie auf und hievte meine Sachen in den Eingang.
Endlich angekommen! Stöhnte ich innerlich und öffnete die Türe links von mir. Leer? Das musste dann wohl meines sein. Ich begann sofort damit meine Sachen einzuräumen und mir etwas Frisches anzuziehen. Die Schuluniform würde wohl heute bereits unnötig sein. Also nur eine dünne Weste über mein Shirt und fertig. Lächelnd betrachtete ich mich selbst im Spiegel. Wieder blau. Das bedeutete dann wohl, dass ich mein Element gerade eben nicht benutze. Jeder Element-Nutzer verriet sich, indem sich dessen Augenfarbe je nach Element änderte, während er es nutzte. Luft-Elementarer wurden lila. Feuer-Elementarer rot. Luft-Elementarer türkies und die Erd-Elementarer grün. Selbst fühlte man nichts, wenn man seine Augenfarbe änderte, doch andere Elementarer zeigte dies ebenfalls, wie stark jemand war, je ausgeprägter die Augen leuchteten. Meine besaßen ein schwaches Helles lila, was bedeutete, dass ich schwach bin. Leider.
Seufzend setzte ich mich auf das Bett und überlegte, ob ich auf meine Mitbewohnerinnen warten sollte? Ich hatte einen kurzen Blick in deren Zimmern geworfen, dass man wohl eher als >die Zentrale der Unordnung< bezeichnen konnte. Als ich auf einmal das Geräusch an der Türe hörte, das bekannt gab, dass die Türe gleich aufspringen würde, wartete ich bereits gespannt, wie diese wohl aussehen würden. Meine ersten Mitbewohnerinnen. Als Einzelkind wusste ich nicht, wie es war mit gleichaltrigen, jüngeren oder älteren zusammen zu wohnen und war schon ganz neugierig wie die Tage wohl werden würden.
„Ja und hast du dann sein Gesicht gesehen! Das war einfach zum Brüllen!“ Lachende Stimmen kamen in den Hauptflur unseres kleinen Reiches. Also waren die beiden Freundinnen? Hoffentlich würde das nicht unangenehm für mich enden.
„Und wie blau er war. So witzig! Ich frag mich wirklich, von wem er das Veilchen hat. Verdient hat er es ja!“ Erklang eine zweite Stimme, die wesentlich tiefer war als die erste. Ein Junge? Ob ich lieber stumm in meinem Zimmer sitzen bleiben sollte? Vielleicht waren sie ja ein Paar, da störe ich sicher nur.
„Moment, warte einmal.“ Ein Klopfen an meiner Türe ließ mich zusammen schrecken. „Ähm… Ja, herein.“
Die Tür öffnete sich einen Spalt und ein Mädchen in meinem Alter streckte den Kopf hinein. Lächelnd winkte sie. „Hi! Du bist endlich da?“
Nickend deutete ich auf meine halb ausgeräumten Sachen. „Nun, ja. Beinahe. Aber noch nicht ganz. Ich muss noch den rest auspacken.“ Laut lachend öffnete sie ganz die Türe und jetzt konnte ich auch den Jungen erkennen, mit dem sie gerade noch gesprochen hatte.
„Hi, ich bin Ethan. Ebenfalls dein Mitbewohner.“ Grinste er und zwinkerte verschmilzt.
„Ähm… die Zimmern sind gemischt?“ Fragte ich nun etwas verwirrt.
„Ja sind immer zwei Mädels und ein Junge. Oder es sind drei Jungs in einem Zimmer. Aus Sicherheitsgründen. Könnte ja sein, dass wir Jungs etwas anstellen.“ Kicherte er noch einmal.
Sehr beruhigend war das nun nicht für mich.
„Schau nicht so. Ethan ist so wie so mit einem Mädchen aus dem fünften Stock zusammen. Und er ist eine treue Seele. Hat noch nicht mal mich angebaggert.“ Versuchte das Mädchen mich zu beruhigen und lächelte ebenfalls verschmilzt dabei.
Kichernd verkniff ich mir, dass es vielleicht nicht nur an seiner Treue lag, sondern auch vielleicht sein könnte, dass sie einfach nicht sein Typ war, aber ich hielt den Mund. Ich wollte nicht aus Versehen einen Streit provozieren.
„Ich verstehe. Ähm… ich bin Jadelyn. Aber nennt mich einfach Lyn.“
„Oh, ich bin Theresa. Nett dich kennen zu lernen.“ Freudig betrachtete ich meine beiden neuen Mitbewohner. Nun, ja eigentlich bin ja ich die neue, aber das ist mir egal. Vorerst schienen sie nett zu sein. Mal sehen was die Zukunft noch bringen würde.
„Sollen wir dich etwas herum führen?“ Begeistert nickte ich. „Ja, wenn es euch nicht von dem Unterricht, oder vom lernen abhält, gerne.“
Ethen winkte ab. „Wenn wir dadurch den Unterricht schwänzen könnten, würden wir dich sogar noch lieber herum führen. Du hättest schon in der Früh kommen müssen, dann hätten wir die Perfekte ausrede gehabt. Wir hätten dich einfach als Hilflos dargestellt und dann hätte das schon gepasst.“ Theresa nahm mich an der Hand und schob mich aus dem Zimmer. „Na, los ihr Plaudertaschen. Ich will endlich etwas essen.“ „Na, dann: Erster Halt, Fressstelle.“ Verkündete Ethan und schloss die Türe hinter uns. Entgeistert blickte ich mich um. Die Gänge waren voller Menschen in meinem Alter. Die einen sahen genervt aus, andere lachten, wieder andere warfen sich funkelnde Blicke zu. Es schien, als wäre ich plötzlich in einen ganz anderen Gang als zuvor gelandet. Sicher dass dies die richtigen Gänge waren?
Ich folgte meinen beiden Führern zu den Liften, wo wir zurück in das Erdgeschoss fuhren. Staunend sah ich den verschiedensten Menschen zu, wie sie warteten, lernten, sprachen, oder einfach nur in die Gegend starrten. Gab es denn so etwas? So viele Leute die so sind wie ich! Einfach toll. „Sag mal, Lyn. Welches Element hast du?“
„Luft.“
Ethan drückte Teresa einen Geldschein in die Hand, die ihn begeistert anfunkelte. „Na! Wer ist die Wettmeisterin?“
„Du bist es, Teresa.“ Gab er kleinlaut zu und sie schrie begeistert auf. Fragend blickte ich die beiden an, was sie verleitete, laut loszulachen. „Das ist ein Spiel hier. Bei Neulingen raten meistens diejenigen, die schon da sind, welche Fähigkeit dieser wohl mitbringen wird. Ich hatte Erde und Feuer. Teresa hat auf Wasser und Luft gesetzt.“
Verstehend gab ich einen Laut von mir. „Okay, das klingt lustig. Um was wettet ihr denn?“
„Die meisten um Zigaretten, Schokolade oder eben Einkaufsgeld. Dieses hier.“ Theresa hielt eine Karte in die Höhe, die wie Spielkarten aussah, doch das Logo der Schule trug. „Ist ja schräg! Und das benutzt ihr hier für was?“
Teresa zeigte auf ein Gebäude, das das niedrigste von hier war und nur einstöckig. Es stand so ziemlich am Anfang des Geländes und viele Leute gingen davor ein und aus. „Das ist ein Kaufhaus. In den Aufenthaltsräumen kannst du dir selbst etwas kochen oder backen, doch man darf es nicht mit auf das Zimmer nehmen. Man kann es beschriftet in den Kühlschrank stellen, oder eben unten in der Mensa essen. Und die ist genau hier.“ Präsentierte sie eine große offene Halle. Wir waren im Zentrum der gesamten Anlage. Tausende Schüler gingen hier herum und alles war Rumpel voll.
„Normalerweise, würden wir ja den großen Andrang abwarten, doch da du neu bist, wollten wir dir zeigen, was du verpasst.“ Witzelte Ethan und winkte in die Ferne.
Teresa und ich folgten seinem Blick und ein hübsches blondhaariges Mädchen kam auf uns zugelaufen. Stürmisch warf sie sich in seine Arme und küsste ihn. Offensichtlich seine Freundin. „Lyn, das ist meine wunderschöne, kluge und weise Freundin Sia.“ Präsentierte er diese stolz, als könne man das nicht oft genug über sie sagen.
Überrascht zog sie die Augenbrauen in die Höhe und lächelte dann. „Also bis du die neue Zimmerkollegin auf die sich die beiden schon so lange freuen?“ Scherzte sie und schüttelte mir die Hand. „Ja, anscheinend.“ Wieso waren alle so froh mich zu sehen? Das ist wirklich seltsam. Besonders da ich sonst normalerweise überhaupt nicht auffiel. „Gibt es etwa, etwas das ich wissen sollte?“ Fragte ich vorsichtig. Jedoch statt einer Antwort bekam ich nur wissende Blicke und freches Grinsen. Ich hatte eine furchtbare Ahnung. „Komm, zuerst sollten wir alle essen. Der Tag wird noch lange werden für einen Neuling.“
Wie sich herausstellte, gab es zum Mittagessen verschiedene Gerichte. Nichts schien zu fehlen. Essen für Diabetiker, für Vegetarier, Allergiker. Jeder kam hier auf seine Kosten. Lächelnd griff ich, als ich endlich dran war, zu.
Zum Frühstücken war ich im Zug auf meiner Herreise nicht gekommen, dafür musste ich zu zeitig aussteigen und mit dem Bus weiter fahren.
„Na, du hast ganz schön Hunger.“ Scherzte Sia. „Ja, entschuldigt, das tue ich für gewöhnlich nicht, doch ich habe eine zwölfstündige Herfahrt hinter mir. Das letzte Mal habe ich gestern Abend um neun etwas im Zug gegessen. Seither nicht mehr.“
„Du hast also den Nachtzug genommen? Ist nichts passiert?“ Verwirrt starrte ich Theresa an.
„Nein, was sollte passiert sein?“
„Die Nachtzüge werden üblicherweise nachts überfallen, da viele Geschäftsleute mit dem Zug fahren müssen.“
Kopfschüttelnd verneinte ich das. Mir war nichts Ungewöhnliches aufgefallen.
„Ähm… Lyn.“ Ich blickte verwirrt zu Ethan, der auf meine Augen deutete. „Oh, Verzeihung. Ich kann meine Kräfte nicht richtig kontrollieren. Ich bin ein Spontanelementarin. Meine Eltern sind beide menschlich.“ Erklärte ich woraufhin alle drei die Augenbrauen in die Höhe zogen. Oh, je. Was hatte ich jetzt wieder getan? Und wie komme ich wieder in meine Unauffälligkeit zurück?
„Ja, erzähl das besser nicht großartig weiter, sonst haben sie dich alle auf dem Kika. Spontanelementare sind hier nicht gerade in der Elite.“ Erklärte wieder Teresa.
„Sie sind noch nicht einmal Streber, oder Einzelgänger.“ Ergänzte Sia als wäre das noch wichtig. „Also Leute, ehrlich. Macht ihr keine Angst.“ Beschwichtigte Ethan. „Ehrlich, Lyn. Mach dir da mal keine Sorgen. Wir werden es nicht weiter sagen, und du solltest es nicht einmal der Lehrerschaft sagen. Es wird dir nichts außer ärger einbringen.“ Versuchte er mich zu schützen.
Nickend nahm ich auch das zur Kenntnis. Oh, je. Was musste ich denn nicht noch alles beherzigen?
Nach dem ausgiebigen Mittagessen machten wir uns auf den Weg zum Hauptgebäude, in dem sich mein größtes Interesse befindet. Die Klassenräume. „Sia!“ Ethan und Sia wandten sich wie ein Uhrwerk gleichzeitig die Augen verdrehend um. Teresa war die Einzige, die sich nicht nach der Quelle des Rufes umdrehte, sondern geradewegs hinter die nächsten Ecken verschwand.
„Kilian! Hi, was geht?“ Fragte Sia lächelnd und Ethan und der blonde Junge vom Gang vorhin klatschten einander ab. Kumpel?
„Mutter lässt fragen, ob du an unserem Geburtstag nach Hause kommen möchtest.“ Sie lächelte spöttisch zu dem Jungen auf, der ihr ziemlich ähnlichsah. Ob sie Geschwister sind? Die selben dunkelbrauen Augen und das helle Haar. Das einzige, abgesehen vom offensichtlichen, das sie beide unterschied, waren ihre Ausstrahlungen. Während Sia eher eine ruhige Aura besaß und freundlich lächelte, schien Killian eher der Typ zu sein, um den man sich ständig sorgen musste und Dummheiten anstellte. Vielleicht war es auch gut so, dass er mir an meinem ersten Tag nicht half. Das konnte mich nur in unangenehme Schwierigkeiten bringen.
„Als ob. Das weiß sie genau. Ich habe keine Lust auf ihre Dramen.“ Gab sie unverkennbar zu verstehen. Vielleicht waren sie sogar Zwillinge. Sie wirkten ziemlich gleich alt.
„Okay, danke. Habt ihr vielleicht Teresa gesehen?“ Ethan und Sia schüttelten gleichzeitig den Kopf. „Nein, keine Ahnung.“ „Sie muss wohl in ihrem Zimmer sein.“ Schlug Ethan vor.
„Oder sie lernt in der Bibliothek!“ Ergänzte Sia. Sie waren wirklich schlecht im Lügen und Kilian nahm es ihnen ebenfalls nicht ab. „Also Teresa hat mich vorhin gefragt, ob sie mir etwas von diesem seltsamen Einkaufshaus mitnehmen soll. Probiere es doch einmal dort.“
Ich lüge zwar nicht gerne, doch denen beiden schien es wichtig zu sein, dass er sie nicht fand. Der Junge, dessen Kinn leicht bläulich schimmerte, warf mir einen mahnenden Blick zu. „Du schon wieder?“
Ethan schien überrascht, genauso wie Sia.
„Ja… wohl oder übel. Ich… habe ihn wohl etwas zu Boden gerannt. Dafür wollte ich mich so wie so noch einmal entschuldigen.“ Erklärte ich Sia und Ethan, während ich Kilian hoffnungsvoll meine Hand zur Versöhnung darbot. Für eine Sekunde betrachtete er sie eingehend, als wäre sie der bissige Kopf einer Schlange. War er denn wirklich so wütend auf mich, weil ich ihn umgerannt hatte?
„Ja, schon klar.“ Er nahm meine Hand in seine und griff plötzlich viel stärker zu, als nötig war. Überrascht biss ich die Zähne aufeinander, doch anstatt los zu lassen, zog er mich noch einen Schritt auf sich zu. Plötzlich zog eine kühle Windböe über mich hinweg und seine Augen änderten sich in ein lebhaftes dunkles grün. Wieso benutzte er sein Element? Tat ich es etwa ebenfalls gerade eben?
„Sagte ich nicht, du sollst aufhören mich mit deinen lila Augen hoffnungsvoll anzusehen? Ich kann nichts mehr ab, als Schwächlinge wie du, die ihr Element nicht beherrschen.“
Ängstlich sah ich zu Boden. Wieso musste ich mir schon am ersten Tag Feinde machen?“
Sia unterbrach den Kontakt zwischen uns, indem sie seine Hand von meiner mittlerweile schlaffen löste. Ich taumelte benommen gegen Ethan, der mich stützend auffing. „Kilian! Was fällt dir ein? Sie ist heute den ersten Tag hier. Sie kann nichts für ihr Element.“ Keifte sie ihn an, doch anstatt etwas zu erwidern, starrte er mich weitere Sekunden an, bevor er sich einfach umdrehte und wegging.
„Dein böser Zwilling?“ Fragte ich scherzend. Sia reichte mir ein Tuch, mit dem ich mir den Schweiß von der Stirn wischen konnte. „Mein Bruder neigt zur Übertreibung. Er meint es nicht böse.“
„Sia, du kannst ihn nicht immer damit rechtfertigen. Er weiß, dass er sein Element nicht gegen andere einsetzen darf, außer im Sportunterricht, wenn es ausdrücklich erlaubt wurde.“ Nickend nahm sie das zur Kenntnis.
„Moment, mal. Er hat sein Element gegen mich verwendet? Wie denn?“
Sia blickte für einen Moment zu Ethan, der lediglich die Schultern anhob. „Hast du dich etwa nicht auf den Boden gedrückt gefühlt? Als würde dein Körper unter einer schweren Last leiden?“
Ich schüttelte den Kopf. „Nein, es war eher… mein Herz hat gerast und mir wurde etwas schwindelig. Ich habe auch mein Element um mich gefühlt, als würde es mich beschützen wollen, aber ich wollte ihn nicht angreifen!“ Beteuerte ich noch. Ich wollte nicht dass sie mich missverstehen, und denken ich wäre eine Schlägerin. Dafür wäre vermutlich mein immer schwächelnder Körper nicht einmal geeignet. „Schon gut, das glauben wir dir. Aber seltsam, vielleicht wollte er dich nur mit seiner Stärke einschüchtern.“ Ethan winkte ab, als wäre es so wie so schon egal.
„Kommt, wir sollten Teresa wieder aus ihrem Versteck holen.“
Ich fühlte mich wieder stark genug um auf zu stehen und folgte ihnen in eine Art Park, in dem ein paar knutschende Schüler saßen. War das denn erlaubt?
„Ähm.. dürfen hier Schüler so herumknutschen?“
Sia beugte sich zu Ethan, der ihr sofort einen dicken Kuss gab. „Natürlich. Wir sind volljährig, Lyn. Das Gesetz verlangt zwar, dass wir zwei Jahre diese Schule besuchen um unser Element zu bändigen und weitere Gesetzte zu lernen, doch das heißt noch lange nicht, dass wir nicht weiterhin Familie haben dürfen und das alles.“
Familie? In einer solchen Schule? Wir waren nun zwei Jahre eingesperrt, bis auf das Wochenende. Was musste man denn tun, wenn man Alleinerziehend war und hier her gerufen wurde? Oder wenn man ein Geschäft führt, dass man nicht verlassen kann?
Im Gefängnis… Immer mehr Szenarien spielten sich in meinem Kopf ab. Langsam fing ich an die Leute hier mit ganz anderen Augen zu sehen.
Also war es doch wahr? Ich war nun offiziell eine volljährige Schülerin, der Jahreszeiten Schule.
Ich strich mir das braune Haar aus dem Gesicht, das mir eine Windböe ins Gesicht wehte und blickte die Allee zurück zu den fünf Gebäuden, die sich vor mir erstreckten. Eine Schule mitten in einer unbewohnbaren Wüste, fernab von allem Leben. Wenn hier etwas passierte, würde es die Außenwelt erst nach Tagen erfahren.
Eine seltsam entmutigende Vorstellung, dass ich hier für ganze vierundzwanzig Monate gefangen sein würde durchlief mich.

Kapitel II

„Und dann hast du ihn wirklich umgerannt?“ Lachend griff sich Teresa an den Bauch, während sie versuchte ihr Getränk in ihrem Mund zu behalten.
„Ethan! Hör jetzt bitte auf, es ständig zu wiederholen, sonst bekommt Teresa noch einen Herzinfarkt wegen dir.“ Schimpfte Sia, doch musste sich selbst das Lachen verkneifen.
In den letzten Wochen hatte ich ihnen dreien immer und immer wieder erzählen müssen, wie ich aus ersehen Sias Zwillingsbruder umgerannt hatte an meinem ersten Tag hier an der Schule. Sein blauer Fleck am Kinn, war zwar schon verheilt, doch seine Blicke straften mich immer noch mit seiner Wut. Ob er mir das wohl irgendwann verzeihen würde, können? Persönlich schätzte ich ihn nicht so ein.
Andere hätten es bestimmt einfach lachend abgetan, doch Kilian war nicht gerade einer der gutherzigsten Menschen. Sia verteidigt ihn zwar ständig, dass er einfach den Umgang mit anderen Leuten nicht gewohnt war, doch selbst ich fand, dass es allmählich zur Ausrede wurde.
„Okay, dann erzählt mir doch endlich einmal, was genau zwischen dir und Kilian vor gefallen ist. Das ist ja nicht mehr normal, wie du die Beine in die Hand nimmst, wenn du ihn siehst.“ Ich wandte mich an Teresa, die plötzlich ihr Getränk, das sie immer noch in der Hand hielt, fürchterlich faszinierend fand. „Teresa!“ Forderte ich sie auf.
Wir hatten uns derweilen ziemlich gut angefreundet. Jedoch wie jedes Mal wehrte sie mich auch dieses Mal mit demselben Satz ab. „Vergiss es einfach, ist schon lange her.“
Kopfschüttelnd sah ich ihr nach, wie sie zum Hauptgebäude verschwand und vermutlich zurück in ihre Klasse ging. Teresa und Ethan beherrschten beide das Element Wasser, wodurch sie in dieselbe Klasse gingen. Sia jedoch das Element Erde, genauso wie ihr Zwillingsbruder. Ich wurde vollkommen abgeschieden unterrichtet, mit anderen die das Element Luft beherrschen. Insgesamt sind wir zwölf Leute in der Klasse, während die anderen zwischen Hunderten von Schülern aufgeteilt wurden.
„Ich geh mal auch zurück, hab noch Privatunterricht.“ Entschuldigte ich mich und lief ebenfalls zum Hauptgebäude. Im Eingang, der gewaltigen Flügeltüren blieb ich jedoch stehen. Lautes Gebrüll erklang in den Gängen, gefolgt von Jubelschreien. Fragend erblickte ich meinen Privatlehrer, der das Geräusch ebenfalls gehört hatte. Er deutete mir aus der Ferne derweilen auf unseren Übungsplatz zu gehen und ich nickte bestätigend. Hoffentlich war es nichts Schlimmes. Vermutlich prügelte sich wieder jemand, das kam des Öfteren vor. So reagierten sich die Schüler hier ab. Indem sie sich gegenseitig niederschlugen. Über ein paar blaue Flecken und Prellungen, ging es jedoch nie hinaus. Eine Stunde später, liefen jedoch die Kontrahenten wieder lachend Arm in Arm in den Unterricht.
Kopfschüttelnd ging ich in den Keller zu den Umkleiden um meinen Trainingsanzug anzuziehen und danach hinauf auf den Platz. Von den Schüler wurde er vormittags zur Elementübung benutzt. Ich jedoch musste ihn ebenfalls auch am Nachmittag verwenden, da ich es immer noch nicht schaffte, mein Element richtig zu beherrschen. Ich beneide diejenigen, die es bereits können. Das Element Luft ist zwar nicht so schwer zu kontrollieren wie Feuer, doch trotzdem musste man hart an sich selbst dafür trainieren. Erst musste ein Luftbenutzter sich selbst unter Kontrolle haben, bevor die Luft einem akzeptierte. Bei den einen lief es besser… bei Leuten wie mir, weniger.
Als mein Lehrer nach zehn Minuten immer noch nicht hier war, begann ich derweilen mit Dehnungsübungen. Mit dem Element Luft zu trainieren verursachte fürchterliche Nackenschmerzen. Daher musste ich immer als Erstes anfangen meinen Körper zu dehnen, damit er nicht allzu sehr verspannte.
„Jadelyn!“ Erklang plötzlich ein Ruf vom Hinterausgang der Schule. Ich winkte meinem Lehrer und verlor prompt mein Gleichgewicht. Wieso war Kilian hier? Mit einem Aufschrei und einem dumpfen Aufprall landete ich ungut flach auf dem Rücken und holte erschrocken Luft, die mir aus den Rippen gepresst worden war.
Der erschrockene Lehrer lief zu mir und half mir auf. „Ist alles in Ordnung?“ Nichts war in Ordnung. Ich habe mich beinahe zu Tode erschreckt. „Ja, klar. Ich habe mich nur erschrocken.“
Kilian stand neben dem Lehrer und lächelte belustigt zu mir herab. „Ein Drama mit dieser Erdanziehungskraft, oder nicht Lyn.“
Also hatte mich Kilian zum Stolpern gebracht? Wie gemein! „Danke, Kilian für deine aufmunternden Worte.“
„Immer zu Diensten.“ Versprach er mir und zwinkerte verschwörerisch. Mir entlockte es ebenfalls ein Lächeln, denn es war der erste freundliche Gesichtsausdruck, den ich bei ihm sah.
Mein Lehrer verdrehte die Augen. „Kilian, es ist nicht deine Privatstunde. Du darfst dein Element nicht verwenden, nur Jadelyn, wenn ich es ihr erlaube.“
Nickend tat er das ab und setzte sich unter einen Baum in der Nähe. Mein Lehrer begann wie jeden Tag mit unseren Grundschritten. Zuerst begann ich mit der gleichmäßigen Atmung, weiter ging es zu der Aufnahme der Energie um mich herum, was mir jedoch dieses Mal schwerer fiel, da Kilian ständig meinen Energiefluss störte. Jedes mal, wenn ich die Energie der Luft um mich herum fühlte, störte mich Kilian, indem er seinen Geist ebenfalls ausrichtete und mir, damit kleine Nadeln durch den Körper schickte. Die Energie, die von ihm ausging und mir zeigte um, wie vieles er stärker war, erschreckte mich jedes Mal, wenn ich ihm zu nahe kam. Als ich nach einer halben Stunde immer noch keinen Kontakt mit der Umwelt um mich herum hatte, fuhr ich verärgert zu Kilian herum. „Hör endlich auf mich zu sabotieren!“
Belustigt sah er zu mir auf. „Was? Ich mache doch überhaupt nichts.“ Verteidigte er sich, doch ich konnte den Spott in seinen Augen auf blinzen sehen. Ich ließ meinen Lehrer stehen und ging frustriert auf Kilian zu.
„Hör zu! Ich habe keine Lust, wegen dir meine heutige Stunde zu verschwenden. Ich habe keine Ahnung, weshalb du hier bist, und es ist mir auch sehnlichst egal. Aber misch dich bitte nicht ständig ein.“
Kilian richtete sich auf und blickte nun auf mich hinab. Jetzt war ich mir sicher, dass ich zu weit gegangen bin. Seine grünen Augen funkelnden bedrohlich auf mich hinab und brachten mein Herz verängstig zum Rasen. Wenn mein Lehrer nicht hinter mir stehen würde, würde ich sofort abhauen.
„Sonst was?“ Fragte er provozierend.
„Kilian, das ist keine Frage von >sonst was<. Du weißt, weshalb du hier bist und du wirst deine Stunden schön absitzen. Ansonsten kannst du zur Direktorin und die wird wesentlich schlimmere Aufgaben finden, als die, die du hast. Also mach dich entweder nützlich und hilf ihr ebenfalls, oder bleib sitzen und lass sie in Ruhe lernen.“
Die Augen verdrehend ließ er sich wieder auf den Boden sinken und betrachtete das Gras fasziniert. Vielleicht konnte ich mich ja jetzt besser konzentrieren.
Tatsächlich. Jetzt wo Kilian aufgehört hatte mich zu sabotieren, konnte ich mich auch endlich auf meine Aufgabe konzentrieren. Es fiel mir nun leichter, die Energie um mich herum zu fühlen, und Kilian wich meiner unkontrollierten Energie artig aus. Anscheinend musste die Drohung mit der Direktorin gewirkt haben. So schrecklich jedoch erschien mir Direktorin Hemsen überhaupt nicht. Nachdem meine Stunde um war, entließ mich mein Lehrer und Kilian ebenfalls. Er schien verwirrt zu sein, doch bevor er nachfragen konnte, verschwand der Lehrer telefonierend im Hauptgebäude.
„He, Kilian. Kann ich dich etwas fragen?“ Hielt ich ihn auf, als er dem Lehrer wortlos folgen wollte. Er schien zwar nicht sonderlich begeistert, was mich nicht sonderlich wunderte, doch blieb stehen und wartete, dass ich ihn einholte.
„Wieso warst du eigentlich heute hier?“
Kilian funkelte wütend zu mir hinunter. „Du bist doch eine Freundin von Teresa. Frag sie.“
Er wollte weggehen, doch ich packte ihn am Arm. Langsam fing es an, mich zu nerven, dass er mich immer stehen ließ. „Kilian! Bitte.“ Ich meinte es ernst. Teresa ist meine Freundin und ich wollte nicht, dass ich aus Versehen etwas Falsches tat, oder sagte, doch dafür brauchte ich Informationen.
Seufzend ergab er sich. „Wie lange kennst du Teresa jetzt schon?“ Ich dachte für einen Moment darüber nach.
„Seit drei oder vier Wochen.“
„Und ich kenne Theresa bereits seit weit mehr sieben Jahren. Sie ist Sias Kindheitsfreundin, wenn man das überhaupt noch so nennen kann. Sie beide haben jede Menge Streiche jedem gespielt, die ihnen auf die Nerven gefallen sind. Teresa konnte es sich bisher noch nicht abgewöhnen. Mit einem Streich ging sie bei mir zu weit und seitdem sind wir verfeindet. Sie läuft weg, wenn sie mich sieht und ich bin froh, wenn ich sie nicht sehen muss.“ Sein Gesichtsausdruck blieb die Ganze zeit unverändert ernst.
Überrascht sog ich die Luft ein. Teresa musste ja etwas unglaublich Schlimmes angestellt haben, wenn Kilian selbst jetzt noch wütend war. „Was hat sie denn gemacht?“
Kilian zog belustigt eine Augenbraue hoch. „Wenn sie es nicht zugibt, dann sehe ich ebenfalls keinen Grund es einer neugierigen Nase wie dir aufzubinden.“
Enttäuscht verzog ich das Gesicht. „Bitte! Ich will wissen weshalb sie, wie vom Erdboden verschwindet. Ich… Ich will nur nichts Falsches sagen, oder tun, dass sie auf mich böse wird.“ Wenn ich alles erfuhr, konnte ich vielleicht ihre Freundschaft wieder kitten. Vielleicht war es auch nur eine Reihe von Missverständnissen, die zu ihrem Streit führten.
Zustimmend legte er einen Arm um meine Schultern und ging mit mir im Arm langsam zum Hinterausgang der Schule, dass zu diesem Übungsplatz führt. „Okay, hör gut zu. Teresa ist eigentlich ziemlich okay. Ich habe nichts Spezielles gegen sie und sie ist die beste Freundin meiner Zwillingsschwester. Aber mit ihrem letzten Streich mir gegenüber hat sie es einfach übertrieben.“
Erwartend blickte ich zu ihm auf. Was wohl der Streich gewesen ist? Sie musste es ja echt verkackt haben, wenn er immer noch so sauer war. „Was hat sie getan?“
„Sie hat mir ihre Liebe gestanden.“
Ich blieb stehen und blickte völlig entsetzt zu ihm auf. Ihre Liebe? Sie ist in Kilian verliebt? Oder verliebt gewesen? Aber das ist ja nichts Schlechtes, oder?
„Und… dann?“ Fragte ich unsicher nach, denn mir ging noch immer nicht auf, wo genau jetzt der Streich lag.
„Dann, als ich sie höflich abgewiesen habe, hat sie das Gerücht verbreitet, dass ich mit meinem besten Freund zusammen wäre. Es hat beinahe ein halbes Jahr gedauert, bis ich meinen fürchterlich strengen Eltern versichern konnte, dass ich nicht auf Männer stehe.“
Ich stieß zischend die Luft aus. Das war wirklich nicht nett. „Oh, das tut mir leid. Aber du bist deshalb immer noch böse auf sie? Wie lange ist das jetzt schon her?“
Er hob eine Schulter überlegend. „Drei Jahre, oder so.“ Gab er zu und biss sich auf die Unterlippe. Und da war er ihr immer noch böse?
Als er meinen tadelnden Blick bemerkte, ging er weiter zum Ausgang und hatte mich derweilen weiter im Arm. Sollte ich ihn vielleicht darauf aufmerksam machen? Immerhin könnten das andere Schüler missverstehen, wenn sie uns so sahen. Andererseits war es ein angenehmes und wohliges Gefühl von ihm so gehalten zu werden. Es war eine Nähe, die ich normalerweise nicht so leichtfertig fand.
Überrascht fühlte ich, wie meine Wangen rot wurden. Auch wenn mir der Gedanke gefiel von jemanden >seine Freundin< genannt zu werden, kannte ich doch Kilian überhaupt nicht. Schnell musste ich mich auf andere Gedanken bringen, damit mein Herz aufhörte so verräterisch zu rasen. „Das heißt, also, du tust ihr nichts?“
Kilian blickte mich an, als hätte ich einen Dachschaden. „Ich wollte ihr nie etwas tun. Ich muss sie nur hin und wieder daran erinnern, dass sie zu weit gegangen ist.“
„Und… wie wäre es, wenn ihr es einfach einmal mit Reden probiert? Ich denke, dann könntet ihr sämtliche Missverständnisse ausräumen.“
„Sollte sie irgendwann den Mut finden, dann gerne. Ja.“
Begeistert machte ich eine passende Bewegung. „Sehr gut. Dann hätte ich wohl beinahe eine gute Tat für heute begangen.“
„Was meinst du?“ Fragte er verwirrt und ließ mich endlich los. Seltsamerweise fehlte es mir sogar von ihm gehalten zu werden. Oder es war einfach nur diese besitzergreifende Geste eines Jungen, die mir fehlte. Und das bereits wieder viel zu lange.
„Ähm… nichts. Ich muss jetzt so wie so auf mein Zimmer.“ Mit hochrotem Kopf lief ich hinunter in die Umkleide um mich umzuziehen und zu duschen. Zurück auf meinem Zimmer begann ich mit meinen Hausaufgaben und wartete auf Teresa. Ich wollte unbedingt so schnell wie möglich mit ihr reden.
Als sie endlich in unser Zimmer kam, musste Ethan sie stützen. „Ach du meine Güte! Was ist mit ihr?“ Ethan hievte sie in ihr Bett und hielt ihr den Mistkübel hin, in den sie sich laut übergab. „Das fragst du mich? Sie hat etwas von einem Arschloch gemurmelt und ist dann wütend in die private Sammlung der Lehrer eingedrungen. Sie hat eine Flasche Alkohol gestohlen und sich dann im Wald nieder getrunken. Ich habe es öfters versucht ihr wegzunehmen, doch sie hat mich mit einem Ast abgewehrt. Als sie dann endlich betrunken war, konnte ich sie schnappen und ins Wohnheim schmuggeln.“
Entrüstet blickte ich ihn an. „Wieso hat sie das getan? Hat sie was gesagt?“
Ethan schüttelte betroffen den Kopf. „Nein, sie hat nur gesagt, dass sie die dümmste auf der Welt ist und lauter so komische Sachen. Nichts Genaues also.“
Enttäuscht strich ich Theresa die Haare aus dem Gesicht, damit sie nicht ebenfalls voll wurden. Ich konnte nur hoffen, dass sie sich noch morgen daran erinnert, falls sie überhaupt auf kam.
„Ihr Kopf wird morgen explodieren, oder?“ Fragte ich lächelnd.
Ethan verzog das Gesicht zu einem verschwörerischen Ausdruck. „Und ich werde sie dafür leiden lassen.“ Er lachte gespielt diabolisch, was sogar mich zum Lachen brachte. Ja, morgen würden Sia und er sie fürchterlich quälen.
„Ich hoffe, das war es auch Wert.“ Meinte ich noch, bevor ein hektisches Klopfen an der Türe erklang. Ethan ging zur Türe und öffnete sie vorsichtig. Offensichtlich hatte er Angst davor, dass es ein Lehrer sein könnte. Doch ob sie so schnell merken, dass etwas aus ihrer Kammer fehlt?
Sia drückte sich an Ethan vorbei ins Zimmer und schloss sofort die Türe hinter sich. „Ihr müsst sofort Teresa verstecken.“ Flüsterte sie.
Fragend schüttelte ich den Kopf. Wo sollten wir denn eine Eins fünfundsiebzig große Frau verstecken?
„Was ist los, Sia?“
„Die Lehrer haben entdeckt, dass eine Flasche fehlt und sind nun auf der Suche nach alkoholisierten Schülern. In meinem Stock waren sie schon. Sie kontrollieren jetzt hier die Zimmer.“
Entsetzt blickte ich zur leeren Flasche. Oh… wir würden schwer in Erklärungsnot kommen. „Ähm… okay. Wir müssen logisch denken. Wir könnten sagen sie ist krank. Und… die Flasche…“ Ethan dachte frustriert nach.
„Was? Du willst sie auch noch decken? Dann kommen wir alle dafür dran. Nein! Ihr werdet schön erklären, dass sie schon so angekommen ist.“ Schimpfte Sia. Anscheinend wollte sie unter keinen Umständen da hinein gezogen werden.
Verdammt… Okay, ich würde ganz bestimmt helfen.
„Sia! Du hast ungefähr meine Größe. Du und Ethan bleibt hier und steckt Teresa unter den kalten Wasserhahn, dass es aussieht, als käme sie gerade erst aus den Duschen.“
Sia hielt mich auf, als ich die Flasche in die Tasche meiner Weste packte und sie über zog. Zwar trug ich Shorts, doch zum Glück war es draußen warm. Ich musste nur ungesehen hinaus kommen und die Flasche irgendwo verstecken.
„Lyn? Was hast du vor?“
„Ich helfe Teresa. Du bist doch ihre beste Freundin, oder? Dann gib dich als mich aus.“
Sia schüttelte den Kopf. „Das ist Unsinn, wir sehen uns nicht ähnlich und die Lehrer waren schon oben in meinem Zimmer. Vielleicht erkennen sie mich wieder. „Nein, zieh einen meiner Pyjama an. Ethan! Los jetzt.“
Er nickte und lief zu Teresa, um sie zu wecken.
„Und was machst du?“ Fragte Sia besorgt.
„Ich werde die Flasche hinaus schmuggeln und hoffen, dass mich keiner erwischt. Wenn ich draußen bin, werde ich sie verstecken.“
„Okay, aber tu dir selbst einen gefallen und versteck sie in der Nähe der Zimmer der Lehrer, so fällt der Verdacht von den Schülern ab.“
Nickend nahm ich das zur Kenntnis. Also hatte ich auch ein Ziel. Ein überraschter Aufschrei ließ uns beide lächeln. „Ethan, du sollst sie doch nicht ertränken, nur nass machen.“ Beklagte sich Sia, als ihre beste Freundin unter dem Wasserhahn gierig nach Luft schnappte. Das absurde Bild hätte mir vielleicht ein Lächeln entlockt, wenn ich nicht so viel Angst vor einer Strafe gehabt hätte.
„Steckt sie auch in einen Pyjama. Ich werde schon meinen Weg hinaus finden.“ Leise schielte ich hinaus auf den Gang. Bei uns hinten waren sie noch nicht, das ist gut. Mit einem letzten Blick zurück, konnte ich nur für Theresa beten, dass sie auch wirklich glaubten, dass sie schon schläft.
Als ich das Ende unseres Ganges erreichte, riskierte ich einen Blick um die Ecke. Drei Lehrer. Mehr nicht? Der Rest sucht vermutlich in anderen Stockwerken und draußen. Nun ja, unter dreitausend Schüler ist es bestimmt kein leichtes, jeden zu kontrollieren. Da einer der Lehrer bei den Liften stand, war es unmöglich dort hinunter zu fahren, oder die Treppen zu nehmen. Verdammt ich saß in der Falle. Zwei gingen gerade in zwei verschiedene Zimmer und ich ergriff meine Chance, mich in einen anderen Gang zu bewegen. Erleichtert stieß ich die Luft aus, als ich diesen sicher erreichte. Nun war ich direkt neben den Liften, die ein Lehrer bewachte, aber wie kam ich an ihm vorbei?
Jedoch lange konnte ich hier auch nicht stehen, denn einer der anderen beiden Lehrer, konnte mich jetzt ausgesprochen gut sehen. Und eine Weste mit einer Flaschen-ähnlichen Ausbeulung, war nicht gerade unauffällig.
Plötzlich packte mich jemand von hinten und hielt mir den Mund zu. Aufgeschrien hätte ich zwar nicht, da ich sonst die Lehrer auf mich aufmerksam gemacht hatte, doch das man mich in ein Zimmer verzog, war auch nicht gerade das, was ich wollte. „Wehe du schreist!“ Mahnte mich eine Stimme flüsternd. Ich kannte diese Stimme. Männlich und spöttisch. Der Geruch von einem scharfen Mundwasser stach mir in die Nase, da der Mund des Jungen direkt neben meinem Gesicht war. Der Geruch, der normalerweise von ihm aus ging, doch mir erst jetzt so richtig auffiel, ging ebenfalls von ihm aus und ließ mein Herz etwas rasen, als ich daran dachte, dass ich schon wieder in seinen Armen war. Ist das Lavendel? Oder Olive? Nein, das roch überhaupt nicht ähnlich. Was denke ich überhaupt?
Vorsichtig ließ er meinen Mund los und ich konnte mich endlich auch umsehen. Ich bin in einem anderen Zimmer. Es war genauso aufgebaut wie das von Theresa, Ethan und mir, doch war es von drei Jungs bewohnt, die mich alle verwirrt sowie erwartend anblickten.
„Wieso musst du mich so erschrecken, Kilian!“ Zischte ich ihn an und boxte ihn strafend, aber nicht fest auf die Schulter.
Erst jetzt wurde mir bewusst, wo ich ihn genau sehen konnte, dass er nur in einer Boxer Short vor mir stand, genauso wie die beiden anderen Jungs auch. Sie musste gerade von den Duschen gekommen sein, da ihre Haare noch etwas feucht waren. „Ach du… Zieht euch gefälligst etwas an!“ Mahnte ich sie und wandte den Blick ab. Verdammt sahen die alle gut aus.
„Wir? Wieso? Wirst du etwa nervös?“
Ich deutete auf die Zimmer. „Da ihr mich gerade in eure Zimmer verschleppt habt und halbnackt vor mir steht… Ja, ich werde etwas unsicher.“ Gab ich zu. Ich würde mich vermutlich nicht einmal gegen einen der dreien wehren können, wenn sie es darauf anlegen würden.
„Keine Sorge, ich würde dich nicht einmal mit meiner kleinen Zähe anfassen.“ Meinte Kilian spöttisch und musterte mich von oben bis unten.
Das wäre wohl auch etwas schräg… Kopfschüttelnd wandte ich mich wieder der Türe zu und lauschte. „Was tust du überhaupt hier? Willst du dich hinaus stehlen?“
Ich nickte. „Ja, ich muss die Flasche verstecken.“ Ich deutete auf das was ich unter meiner Weste versteckte.
Kilian öffnete sie einfach, ohne auf meinen Protest zu achten und nahm sie mir ab. „Den billigen Fusel habt ihr geklaut? Da hättet ihr auch etwas Besseres klauen können, wenn ihr euch schon ärger einbrocken wollt.“
Beleidigt nahm ich sie ihm wieder weg und schloss meine Weste dieses Mal mit dem Zip. „Ich war ja nicht einmal daran beteiligt. Ich wurde nur zufällig mit hinein gezogen, so wie deine Schwester.“
„Das bedeutet Teresa war es? Und… ah! Das ist alles deine schuld! Wieso bringst du mich auch dazu, mit ihr zu reden?“
Für einen Moment wusste ich nicht was mich mehr Schockierte, dass Teresa wegen ihm getrunken hatte, dass Kilian tatsächlich mit ihr geredet hatte, oder dass ich ihn dazu überreden konnte mit ihr zu sprechen. Verwirrt blickte ich zu den beiden Jungs, die das Spektakel offensichtlich genossen.
„Ich… Ich weiß gerade nicht, was mich mehr schockiert…“ Gab ich lächelnd, zu was mir einen verärgerten Blick eintrug.
„Sie leise. Ich habe nicht wegen dir mit ihr geredet. Glaub ja nicht, dass ich auf dich hören würde.“
Beschwichtigend hob ich die Hände. „Schon gut. Du wirst deine Gründe gehabt haben. Aber was hast du gesagt, dass sie sich angetrunken hat.“
Nun war er es der betroffen wegsah. „Du hast ihr doch wohl keine Vorwürfe gemacht, oder?“ Schimpfte ich und ärgerte mich, dass meine Stimme laut wurde.
„Vielleicht, ein wenig. Ich war eben wütend.“
Kopfschüttelnd schnippte ich ihn gegen die Stirn. „Also sitze ich nur wegen dir hier fest? Du bist ein Idiot!“ Zischte ich und wandte den Blick ab. Also wirklich. Jetzt hörte er endlich einmal auf jemanden und dann musste ausgerechnet ich diejenige sein, die es ausbadete.
„Ich denke, das ist etwas, was ich nicht mit dir besprechen möchte.“
„Wäre auch besser, wenn du es auch nicht mit Teresa besprichst, denn wie man sieht, bist du da auch nicht viel klüger. Was genau hast du ihr denn gesagt, dass sie das macht?“ Ich holte die Flasche wieder hervor und hielt sie ihm vor das Gesicht. Ich wusste nicht weshalb es mich so aufregte. Vielleicht, weil diese Situation zum Teil auch meine Schuld war. Denn das war sie offensichtlich.
„Ich… habe vielleicht erwähnt, dass wir das ruhig vergessen können.“ Das war ja nicht so schlimm. „Und das wenn wir jetzt wieder Freunde sind, dass sie nicht denken soll, dass ich sie jetzt mehr mögen könnte.“ Oh… das war schon fieser. Aber ich ahnte, dass noch mehr kommen würde. Auffordernd winkte ich. „Ja, okay, ich habe vielleicht eine dumme Meldung fallen lassen, da sie ja eine Spontnelementarin ist, sie und ich aus Prinzip keine Chance hätten. Es ist, als würde der König einen Hofnarren heiraten wollen. Das ist genauso absurd.“
Da kam es mir aus. Ich schlug ihm mit der flachen Hand klatschend auf die Wange. Für einen Bruchteil der Sekunde war er überrascht und hielt sich seine Wange, während die anderen beiden Jungs ein Lachen versuchte zu verbergen. Jetzt tat es mir nicht mehr leid, dass sie nicht mit ihm sprach. Ich verstand es sogar. So ein Mistkerl!
Aber nun wusste ich wenigstens, weshalb Theresa mich so gewarnt hat, niemanden zu verraten, dass meine beiden Eltern normale Menschen sind. In den Augen von jungen Elementarern, deren beide Eltern Elementarer sind, oder nur ein Elternteil menschlich, musste ich so etwas wie ein Mutant sein. Ein wahrer Verstoß gegen die Natur in eine menschliche Form gepresst und mit Hohn und Spott verschlossen.
Verletzt sah ich zu ihm auf und spürte seine Präsenz stärker als je zuvor. Seine Augen leuchteten grün und ich wusste dass meine ebenfalls dank meines Luft-Elements entsprechend lila leuchteten. Ich konnte mein Element plötzlich ganz deutlich um mich herum spüren und einen Druck von außen, als würde ein anderes Element versuchen mir meinen Platz streitig zu machen. Mir kam es vor als würden wir uns eine Ewigkeit anstarren und zutiefst konzentrieren. Ich erkannte, dass ihm genauso Schweißperlen auf der Stirn standen wir mir. Unser Element forderte seinen Tribut.
Plötzlich wurde mein Haar in die Höhe gerissen und Blätter flogen in der Luft herum. Die beiden Jungen, die sich mit Kilian ein Zimmer teilen mussten, hatten sich in einem Zimmer eingesperrt. Was sollte das überhaupt? Wir dürfen doch überhaupt nicht unsere Fähigkeiten einsetzten. Wenn sie uns jetzt, so, hier erwischen, dann könnten wir tatsächlich suspendiert werden, wenn nicht schlimmeres. Es reichte mir bereits wegen Teresa vielleicht Ärger zu bekommen, doch für Kilian würde ich nicht so schnell meinen Kopf riskieren.
Langsam bündelte ich mein Element und ließ es sich wieder beruhigen. Plötzlich unter dem Druck von Kilian leidend, brach ich auf den Boden zusammen und landete ungünstig auf der Flasche. Mir blieb die Luft weg und ich verlor das Bewusstsein. Wieso musste ich mich auch nur darauf einlassen?

Kapitel III

„Lyn? Lyn, hörst du uns?“ Nickend stöhnte ich und griff mir ans Brustbein. Das ist bestimmt ein Messer, das in meinem Knochen steckt, oder? Frage ich mich innerlich. Als ich die Augen öffnete, blickte ich in die Augen von einem der beiden Jungen, die ich noch nicht kannte. Außerdem lag ich in einem Bett. Aber wem gehört es? Es roch etwas nach Lavendel und ein typische, männliche Note lag ebenfalls darin. „Wie fühlst du dich?“
Ich deutete auf meinen Brustkorb. „Scheiße.“ Er lachte und ein zweites Gesicht erschien. „Wir dachten schon, ihr würdet euch gegenseitig umbringen. Was habt ihr euch dabei gedacht?“
Ich musste ehrlich zugeben, dass ich keine Ahnung hatte, was ich getan habe. Jedoch konnte ich das unmöglich denen sagen. „Ich weiß nicht mehr… Was ist denn passiert?“
„Sie muss sich den Kopf gestoßen haben, beim Aufprall.“ Bemerkte einer der Jungs. Langsam nervte mich das, ich ihre Namen nicht kannte, doch sie offensichtlich meinen.
„Wie heißt ihr überhaupt?“
„Ich bin Liam und das ist Luca. Kilian kennst du ja offensichtlich.“ Er deutete auf einen Punkt, den ich von meiner liegenden Position aus nicht sehen konnte. „Er hat sich eingesperrt und ist fürchterlich wütend auf dich. Er meinte, du hättest mitten im Kampf abgebrochen. Hast du das wirklich? Er hätte dich umbringen können.“
Kopfschüttelnd tat ich so, als könne ich mich nicht erinnern. „Ich weiß es ehrlich nicht mehr. Ich weiß nur mehr…“ Der Gedanke ihm eine gescheuert zu haben zauberte ein Lächeln auf meine Lippen. „… Ich habe ihm eine gescheuert.“ Kicherte ich und war unglaublich stolz auf mich selbst.
Den beiden Jungs zauberte diese Erinnerung ebenfalls ein großes belustigtes Lächeln auf die Lippen. „Ja, das hast du und der Schlag hat echt gesessen.“ Witzelte Luca, während Liam ein Lachen unterdrückte.
„Kann ich alleine mit ihr sprechen?“ Bat eine schroffe Stimme, die uns alle drei plötzlich verstummen ließ. Oh, je. Jetzt konnte ich mich sicher auf etwas gefasst machen. Kilian war nicht unbedingt der verzeihende Typ. Aber was für ein Typ war er den überhaupt? Ich kannte ihn kaum, abgesehen von den Gesprächen mit seiner Schwester. Seine dunklen Augen und sein helles Haar standen stark im Kontrast zueinander. Sein immer angespannter Kiefer, blickte selbst jetzt mahnend auf mich hinab, doch auf eine seltsame Art und weise konnte ich mir nicht vorstellen, dass er anders besser aussehen könnte.
Liam blickte mich fragend an, als ob er auf mein Einverständnis wartet. Als ich nickte, zog er Luca mit sich hinaus und sie schlossen die Türe hinter sich. Kilian setzte sich zu mir auf das Bett. Plötzlich wollte mein ganzer Körper einfach nur auf Abstand von ihm gehen, daher setzte ich mich auf und stöhnte unter den Schmerzen. Hatte ich etwa einen Muskelkater? Es fühlte sich so an.
„Ich wollte mich entschuldigen, für das, was ich vorhin gesagt habe.“
Welchen Teil davon? Und weshalb entschuldigt er sich bei mir? „Es ist aber Teresa, bei der du dich entschuldigen solltest, und nicht bei mir.“ Ich war noch lange nicht so gekränkt wie sie. „Nein, ich muss mich auch bei dir entschuldigen. Ich wusste nicht, dass du auch eine Spontanelementarin bist.“
Überrascht sog ich die Luft ein. Wie hatte er das erraten? „Ich weiß nicht, was du meinst.“ Log ich unverfroren und blickte ihm weiter starr in die Augen. Diesen Triumph über mich ein Geheimnis zu kennen, würde ich ihm nicht gönnen.
„Jadelyn, ich weiß es. Du hättest vorhin nicht aufgehört Gegendruck aufzubauen, wenn du gewusst hättest, was passieren könnte. Wäre ich vorhin nicht so zornig wegen deinem Schlag gewesen, dann hätte ich dich nie heraus gefordert und dich damit in eine solche Gefahr gebracht.“
„Und hätte ich gewusst, dass du mich umbringen willst, hätte ich mich nie darauf eingelassen.“ Gab ich zurück und wich der Frage weiterhin aus. Er brauchte über mich nicht genauso reden wie über Teresa. So etwas tat man einfach nicht.
„Lyn, das ist kein Witz!“ Meinte er ernst. „Ich finde es auch nicht sonderlich lustig, auf den Boden geschmettert zu werden.“
„Okay, dann erklär mir, was da vorhin passiert ist. Wieso hast du aufgehört, Gegendruck auszuüben.“
Ich spürte, wie Tränen sich ihren Weg hinauf bahnten, und ärgerte mich über mich selbst. Ich würde bestimmt nicht vor jemanden wie ihn zu weinen anfangen. „Wie du schon sagtest, ich bin ein Schwächling und eine neugierige Nase. Ich habe zu viele Fragen gestellt und trage nun die Konsequenzen. Mehr war da nicht.“
Mit knirschenden Zähnen wandte ich den Blick ab. Hoffentlich würde er jetzt endlich aufgeben.
„Du bist nicht nur schwach, sondern hast auch dein Element nicht im Griff. Bei deinen Übungsstunden hast du dich von jedem noch so kleinem Geräusch aus der Konzentration bringen lassen. Wenn du dein Element nicht so bald wie möglich in den Griff bekommst, dann werden sie dein Element bündeln, sodass du kein Risiko mehr bist, ist dir das klar?“
Bündeln? Im Sinne vom Wegnehmen? Ich könnte also mein Element für immer verlieren und könnte dann genau so leben wie meine Eltern, ohne ständig meine Augenfarbe zu wechseln, oder aus Versehen Windböen zu erzeugen? „Wieso… wieso hat mir das niemand gesagt?“ Fragte ich mich selbst. Dann müsste ich jetzt nicht hier sitzen und versuchen meine Herkunft zu verbergen.
„Weil es viel zu wenige von uns wirklich schaffen, ihr Element nicht zu bändigen. Wir Erde und Wasser Elementare haben es noch einfacher, aber Luft und besonders Feuer Elementare, beherrschen ihr Element perfekt erst, nach einigen Jahren der Übung.“
Erklärte er vorsichtig. „Das ist mir doch egal. Ich wollte den ganzen Blödsinn doch überhaupt nicht. Was denkst du, wie es ist in der Früh zu erwachen und in einem Saustall aufzuwachen. Jedes einzelne Möbelstück von meinem Zimmer ist an einem anderen Ort gelegen und meine Augen haben geleuchtet, als hätte man mir lila Glühbirnen in die Augen gesteckt und ich hätte zufällig in eine Steckdose gegriffen.“
Über den Vergleich musste er lachen und selbst ich musste etwas lächeln bei der Vorstellung. Jedoch war die Realität überhaupt nicht lustig gewesen.
„Und vor einem Monat, habe ich unsere Gartenhütte in die Luft gejagt und zu den Nachbarn geschossen, als ich einen Wutanfall bekam. Ich dachte schon, meine Eltern würden mich wieder zurück ins Waisenhaus tragen, doch dafür bin ich eindeutig schon viel zu alt.“
Kilian packte mich so abrupt an der Schulter, dass ich erschrak. „Du bist adoptiert?“ Ja… dieses Detail vergaß ich immer, da es mir vorkam, als wäre ich nie irgendwo anders gewesen. Ich konnte mich nicht einmal an das Waisenhaus erinnern, von dem sie mich hatten.
„Meine Eltern können keine Kinder bekommen, daher haben sie mich blind adoptiert.“
„Dann haben sie wohl einen Glücksgriff.“ Witzelte er, doch schien an etwas ganz anderes zu denken. Seine Hand lag immer noch auf meiner Schulter, was mich nicht sonderlich stören würde, wenn sein Griff nicht immer fester werden würde.
„Weißt du ob deine leiblichen Eltern Elementarer sind?“
Kopfschüttelnd schenkte ich ihm einen vorwurfsvollen Blick. „Woher denn, bitte? Ich bin froh, dass sie mir wenigstens einen Namen gegeben haben, bevor sie mich weggegeben haben.“
„Lyn, sieh das nicht so. Sie hatten bestimmt ihre Gründe, dass sie dich weggeben mussten.“
Ja, das hatten sie ja alle. Ich sprach die Worte nicht aus, doch in Kilians Blick erkannte ich, dass er wusste, dass ich daran zweifelte. Er wandte den Blick ab und zog mich plötzlich ruckartig zu sich. Überrascht landete ich steif vor Schreck an seiner Schulter und brachte kein Wort heraus. „Wenn du jemanden davon erzählst, werde ich es abstreiten. Klar?“
Er tröstet mich? Aber… ich war überhaupt nicht traurig. Ehrlich gesagt wusste ich nicht, was ich fühlte, abgesehen davon, dass mir diese Situation ausgesprochen peinlich war. Ich lehnte mit der Stirn gegen seine Schulter, doch wollte ihn unbedingt in die Augen sehen. Wieso tat er das? Weshalb versuchte er mich zu trösten? War er vielleicht doch netter, als dass er vor anderen zu gab?
Schwer schluckend versuchte ich mich zu entspannen, doch das war schwer, wenn man von einem Jungen im Arm gehalten wurde. Von einem Jungen, den man eigentlich seiner Freundin zuliebe hassen sollte. Und wohl auch zum eigenen Schutz, immerhin sah er mich als Abschaum an. Aber auch wieder nicht. Killian war so widersprüchlich, wie ich Zeit hatte, mein Element nach meinem Willen zu formen.
Da mir diese Position langsam unangenehm wurde, rutschte ich etwas näher an ihn heran, damit sich mein Körper nicht so anstrengen musste sich aufrecht zu halten. Kilian ergriff die Chance und zog mich gänzlich über sich. Mein Herzschlag erhöhte sich um ein vielfaches, als würde es selbst nicht fassen können, was gerade passierte. Mein Kopf alleine verstand es ja so wie so nicht mehr. Sollte ich ihn darauf ansprechen? Abgeneigt war ich ja nicht, oder gar angewidert. Im Gegenteil. Ich fand es seltsam beruhigend, wie sich seine langen Arme um mich legten, als würde er mich vor allem und jedem beschützen wollen. Sanft strich er mit seinen Fingerspitzen meinen Oberarm entlang und ich fing an, mich wirklich zu entspannen. Diese angenehme Wärme, die von ihm ausging lullte mich zu seinem Gunsten ein. Vielleicht hatte ich wahrlich zu voreilig geurteilt?
„Wie fühlst du dich?“ Fragte er leise an meinem Ohr und ich war froh, dass er hinter mir saß und somit mein hochrotes Gesicht nicht sehen konnte.
„Muss ich darauf antworten?“ Ich hörte selbst wie meine Stimme brach und einige Oktaven höher wurde als gewöhnlich. Ich klang definitiv unsicher und auch etwas ängstlich. Was er wohl jetzt über mich dachte?
Er kicherte hinter mir und vergrub sein Gesicht in meinem Haar, am Nacken. Sein Duft hüllte mich vollkommen ein. Es war beinahe berauschend. Er ist wie eine Droge für mich, die mich weit wegbrachte, in eine Welt, von der ich bisher überhaupt nicht geahnt hatte, dass sie existiert. Seit langem schlug mein Herz freudig in meinem Brustkorb und nahm jede Zuneigung von ihm auf wie ein Schwamm. Ich konnte nicht sagen, dass ich Kilian abstoßend fand, oder unattraktiv, aber wie lange hatte ich mich abgeschottet, damit mich nur niemand bemerkte und sagen konnte, dass ich ein Monster sei? Und jetzt… Jetzt lag saß ich hier und lehnte in den Armen eines Jungen, den ich nicht einmal gut kannte und eigentlich nicht leiden können sollte, doch stattdessen, fing ich langsam an mehr für ihn zu empfinden, als das es gesund sein könnte für mich. Ich verliebte mich in Kilian.

Kapitel IV

 Als ich erwachte, war das Erste, was ich spürte einen tiefen Frieden, gefolgt von einer unangenehmen Verspannung. Ich bewegte meinen Kopf und spürte, wie meine Muskeln das nur widerwillig zuließen. Aus war es mit meinem inneren Frieden.
„Entschuldige, ich wollte euch beide nicht stören.“ Lucas Stimme erklang vor mir und ich blickte ihn fragend an. Eine Hand an meiner Brust ließ mich zusammen zucken. Kilian war immer noch hier?
Ich packte seinen Arm, den er um mich gelegt hatte und schob sie hektisch weg. Sofort rollte ich mich aus dem Bett und blickte auf ihn hinab, als wäre er eine giftige Natter. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und mein Gesicht fühlte sich heiß an. Wir haben die ganze Nacht gekuschelt! Schoss es mir panisch durch den Kopf.
Lucas lächelte belustigt und Liam betrat das Zimmer lauthals gähnend. „Oh, du bist noch hier?“ Fragte er sichtlich überrascht. Jedoch nicht so überrascht wie ich es war. Was hatte ich nur getan? Das würde man bestimmt völlig falsch interpretieren. „Ähm… Ja, aber ich wollte eigentlich schon lange gehen. Ist es schon morgen?“
Liam nickte und Luca lehnte sich gegen einen Kasten. Liam sah fragend zu seinem Kumpel und dann zu Kilian. Mit einer aufkeimende Erkenntnis blickte er zu mir und fand da offensichtlich die Bestätigung, die er suchte. „Oh… hätten wir euch vielleicht nicht wecken sollen?“ Fragte er belustigt und ich warf ihm einen wütenden Blick zu.
„Es ist nicht so, wie ihr denkt. Ich bin eingeschlafen, das ist alles.“
„Und Kilian hat nur zufällig da gelegen?“ Fragte Liam belustigt.
„Nein… also… Vergesst einfach, was ihr gesehen habt. Er hat sich nur entschuldigt, dafür dass er gestern so übertrieben hat.“ Okay, ehrlich gesagt, klang das selbst in meinen Ohren falsch. Wieso gab es keinen Knopf, an dem ich zurückspulen konnte und das alles Vergessen?
„Ja, >entschuldigt<. Wir verstehen schon.“ Liam klopfte mir auf die Schulter und ich gab auf.
„Ach, glaubt doch, was ihr wollt. Ich muss zurück in mein Zimmer, ich hoffe, das die Lehrer weg sind.“
Liam nickte bestätigend. „Ja, sie sind irgendwann nach Mitternacht endlich alle gegangen. Du solltest sicher zurückkommen.“ Mit einem letzten Blick zu dem immer noch tief schlafenden Kilian öffnete ich die Türe und riskierte einen Blick nach draußen. Niemand war zu sehen, daher beeilte ich mich, zurückzukommen. So leise ich konnte, schlich ich in mein Zimmer, nur das Geräusch des Mechanismus der Türe war zu vernehmen. Jedoch dieser reichte aus, damit mich drei Augenpaare kritisch musterten. Dann fielen sie mir gleichzeitig um den Hals, und ich dachte, sogar ein Schluchzen zu vernehmen.
„Ähm… Leute? Alles in Ordnung?“ Fragte ich unsicher. Was hatte ich denn verpasst?
„Teresa hat dir etwas zu sagen.“ Gab Sia bekannt und zog Ethan mit sich in sein Zimmer. Hatte sie etwa die Nacht hier verbracht? Das die Schüler dieses von Teresa verursachte Chaos ausnützten, um sich gegenseitig aufzunehmen, ließ mich etwas schmunzeln. Sia trug sogar ein Hemd von Ethan, das ihr bis zu den Knien hing. Offensichtlich hatten sie ihre gemeinsame Nacht ausgenutzt.
„Lyn, es tut mir leid. Es ist alles alleine meine Schuld und ich werde gleich als erstes zu dem Lehrer gehen und alles gestehen. Ich will nicht das du wegen mir noch mehr ärger bekommst.“
Ärger? Wieso >noch mehr< Ärger? Man hatte mich doch überhaupt nicht erwischt, oder hatte mich jemand verpetzt? Wenn ja dann konnten es nur Liam, Lucas, oder Kilian gewesen sein. Obwohl Kilian, auch nicht, immerhin ist er mit mir die ganze Nacht zusammen gewesen. Oder hatte er sich etwa hinaus gestohlen? Das hätte mich doch aufgeweckt, oder? Kopfschüttelnd versuchte ich meine Gedanken zu ordnen. „Was meinst du Teresa? Hat mich etwa jemand verpfiffen?“
Nun war es Teresa, die verwirrt zu sein schien. „Nicht das ich wüsste… wir nahmen nur an, weil du die ganze Nacht nicht gekommen bist… dass sie dich gefangen haben.“
Ich verneinte dies. „Nein, nein. Natürlich nicht. Ich habe mich in einem anderen Zimmer versteckt, ich hatte Glück.“
Erleichtert stieß Teresa die Luft aus und Sia kam gefolgt von Ethan wieder aus dem Zimmer. Offensichtlich hatten sie gelauscht und waren genauso erleichtert wie Teresa. „Zum Glück. Ich habe mir schon das Schlimmste ausgemalt. Ich konnte die halbe Nacht nicht schlafen.“
Lächelnd blickte ich zu Ethan. „Sicher dass dein Schlafmangel nicht an etwas anderem lag?“
Sia wurde rot, doch musste kurz darauf ebenfalls grinsen. „Nun, ja. Vielleicht hatte Ethan auch einen kleinen Anteil an meinem Schlafmangel.“ Gab sie zu und Ethan wurde nervös.
„He! So einen >kleinen Anteil< hatte ich nicht! Ich war der Hammer.“ Protestierte er und versuchte sich selbst ins rechte Licht zu rücken.“
Sias Gesichtsausdruck nahm einen verliebten Ausdruck an und sie schmiegte sich an ihren Freund. „Ja, du warst wirklich der Hammer, mein Süßer.“ Sie hauchte ihm einen liebevollen Kuss auf die Wange und er fing beinahe an zu strahlen. Neidisch sah ich die beiden an. Wie gerne hätte ich ebenfalls diese Art der Nähe.
Plötzlich kam mir der schlafende Kilian wieder ins Gedächtnis und ich verfluchte innerlich Luca und Liam. Wieso mussten sie uns auch wecken?
Unterricht! „Oh, verdammt wir kommen zu spät. Los jetzt!“ Hetzte ich meine Freunde. Sia verabschiedete sich lediglich mit einem Winken und lief die Stiegen hinauf in den vierten Stock. Teresa warf sich beinahe auf die Toilette, wo der einzige Spiegel stand, und schrie erschrocken auf. „Wie sehe ich denn aus? Ich bin der Teufel in Person!“ Beklagte sie sich. Lachend stieß ich sie zur Seite und drehte den Wasserhahn voll auf. Ich brauchte dringen kaltes Wasser. Nach der Erfrischung lief ich zurück in mein Zimmer und zog meine Schuluniform an. Wenigsten die war nicht so zerknittert, wie ich vermutlich gerade aussah. Ich wagte es nicht einmal, in den Spiegel zu sehen.
Das Hemd, das ich tragen musste, ließ ich noch liegen, während Teresa und ich uns auf der Toilette ablösten. Ich band mein Haar hoch und trug etwas Schminke auf, als es mir auffiel.
Mit einem entsetzten Schrei realisierte ich, was ich auf meiner Schulter hatte. Ich verrenkte mich, um es besser sehen zu können. Eindeutig… ein Knutschfleck. „Wann hat er…“
„Alles in Ordnung, Lyn?“ Ich drehte mich weg, sodass Ethan und Teresa ihn nicht sehen konnten.
„Ja, ja. Klar. Ich habe mich nur erschreckt, weil ich so furchtbar aussehe. Heute passt mir einfach überhaupt nichts.“
Ethan ging sofort wieder in sein Zimmer zurück und murmelte etwas was klang wie >Mädchenkram< und Teresa lächelte mich mitfühlend an. Wenn sie wüsste… Sie würde mich töten…
Als ich sicher war, dass sie mich nicht sahen, huschte ich in mein Zimmer zurück und zog mein Hemd über. Das würde er mir büßen! Schwor ich mir selbst und packte meine Schulsachen zusammen. Wenigstens sah man ihn nicht, wenn ich meine Haare offen trug, oder ein Hemd an hatte. Zum Glück hatte er meinen Hals verschont.
In der Mittagspause, die zwei Stunden dauerte, mussten Ethan und Teresa, die Klassenzimmer in ihrem Gang der Schule putzen, als Strafe, dass sie zu spät gekommen sind.
Sia und ich waren glimpflicher davon gekommen und vor allem froh, nicht solche strengen Lehrer zu haben.
„Lyn! Warte!“ Überrascht in der Allee auf Luca zu treffen, wa
rtete ich auf ihn, dass er Sia und mich einholte. „Hallo, Luca. Wie geht es dir?“ Fragte ich höflich, als er laut schnaubend bei uns ankam. „Gut, danke. Liam, wollte etwas von dir wissen. Er sucht dich.“
Von mir? „Okay, wo ist er?“
Er deutete mir ihm zu folgen und Sia ging ebenfalls neben uns her.
Liam lag auf einer Picknickdecke mitten auf der Wiese um die Allee herum, wo andere Pärchen ebenfalls ihre Zeit nutzten.
„Ah, du hast sie gefunden! Stellte er fest. Hallo, ich bin Liam.“ Stellte sich Liam Sia vor, die ihm die Hand reichte und sich ebenfalls vorstellte.
„Bist du etwa, die Zwillingsschwester, von Kilian?“
Sie nickte beschämt und strich sich schüchtern die Haare aus dem Gesicht. „Ja, irgendwie.“ Kicherte sie. Was war denn mit ihr los? War ihr Kilian etwa peinlich? Oder umgekehrt?
Sie luden uns ein, sich zu ihnen zu setzten und wir nahmen sofort an. Irgendwie war ich es mittlerweile gewohnt immer zu viert zu sein. Sia und ich standen uns nicht so nahe, dass wir ständig und viel sprachen. Nicht, dass wir uns nicht leiden konnten, es war eher, eine Freundschaft, wegen uns näher stehenden Freunden.
„Ah, verstehe. Dann weißt du vermutlich schon von Kilians Rettungsaktion?“ Nahmen beide an und lächelten mich wissend an. Betroffen ließ ich den Kopf sinken. Nein! Wiesooo…
„Nein… welche Rettungsaktion? Was hat er schon wieder angestellt?“ Meinte sie lächelnd, da sie offenbar dachte, es soll ein Witz sein.
„Oh, entschuldige. Ich dachte, da ihr Freunde seid… und Kilian dein Bruder… Egal vergiss es einfach.“ Winkte Luca ab, während Liam immer noch versuchte, eine Ausrede zu finden.
„Lyn? Was meinen sie.“
Ergeben seufzte ich. „Die beiden Witzbolde hier, sind mit Kilian in einem Zimmer. Sie haben mich gestern gerettet, als ich versuchte die Flasche…“ Plötzlich erinnerte ich mich daran, dass ich mich ja um die Flasche kümmern wollte. „Verdammt! Wo ist die Flasche? Haben sie die Lehrer gefunden?“
Liam beruhigte mich. „Nein, du hast sie bei uns vergessen, nachdem du in Ohnmacht gefallen bist. Luca hat sie heute mit hinunter genommen und in der Nähe der Schule versteckt. Vermutlich finden sie sie bald, oder haben sie schon.“
Erleichtert stieß ich die Luft aus. Wenigstens das war geklärt.
„Du warst ohnmächtig?“ Stieß Sia erschrocken hervor. Nun, ja. Ich denke, nun muss ich ihr die ganze Wahrheit erzählen.
Als ich mit meinem Bericht endete, schien sie sichtlich erleichtert zu sein. Ein seltsam warmer Ausdruck lag in ihren Augen, den nur eine Schwester haben konnte. Fragend blickte ich sie an. „Hast du nichts dazu zu sagen?“
Sia schüttelte den Kopf. „Nein, nicht wirklich. Ich könnte jetzt nichts sagen, dass er mir später vorwerfen würde.“
Sie kicherte verschwörerisch und wandte sich von mir ab. Liam und Luca schienen ebenso verwirrt zu sein wie ich und wussten nicht mehr, was sie sagen sollten.
„Kilian!“ Rief Luca plötzlich und winkte ihn zu uns. Er war sichtlich nicht begeistert, dass wir bei seinen Kumpeln saßen, doch kam trotzdem zu uns. „Hi, Sia. Hallo… Lyn.“ Ich warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu, als ich mich wieder daran erinnerte, was er auf meiner Schulter hinterlassen hatte, und Sia umarmte ihn freudig.
„Kilian! Wie hast du geschlafen?“ Fragte sie und lächelte ihn spöttisch an. Anstatt etwas zu sagen, blickte er über ihre Schulter und sah nun mich vorwurfsvoll an. Ich deutete auf Liam und Luca, die sich sofort entschuldigten.
„Wir dachten, Lyn hätte ihr davon erzählt, da sie ja deine Schwester ist.“
Kopfschüttelnd schob er seine Schwester von sich und setzte sich zwischen sie und mich. Wieso… ich wollte doch bei Sia sitzen!
„Du weißtm dass ich vorhabe es dir heimzuzahlen.“ Murmelte ich ihm leise zu.
„Du hast es entdeckt?“
Ich nickte. „Was denkst du denn? Was sollte das überhaupt?“
Plötzlich lächelte er mich an und schien sich kaum beherrschen zu können, nicht in lautes Gelächter auszubrechen. „Das war nur die Strafe dafür, dass du eingeschlafen bist.“
Ich schnippte ihn verärgert gegen die Stirn. „Du doch auch, du Idiot.“
„Aber erst nach dir.“ Kicherte er und Sia strahlte, als würde sie selbst die Sonne sein.
„Sia… Will ich wissen was du denkst?“
Sia schüttelte den Kopf. Oh, Mann. Das wird ein langes Jahr.
Ethan und Teresa stießen etwas später ebenfalls zu uns, jedoch Teresa hielt viel Abstand von Kilian, der ihr nicht einen einzigen Blick schenkte, während Ethan und Sia in ihrer eigenen verliebten Welt versanken.
Neidisch starrte ich sie eine Weile an. Wie fies. Mein Blick glitt zurück zu Kilian und den beiden Jungs, die gerade von irgendeinem Lehrer sprachen, den ich nicht kannte und fühlte mich seltsam schwer. Ob ich sie wohl jetzt auch zu meinen Freunden zählen konnte? Luca und Liam schienen unglaublich nette Jungs zu sein, auch wenn sie wohl noch etwas in der Pubertät steckten, so wie sie sich verhielten. Sie blödelten herum, als würden sie sich alle schon ewig kennen, und zogen sogar Ethan und Sia auf, die sie >das perfekte Paar< getauft hatten. Sie hatten wohl oder übel ein Faible entwickelt Situationen, oder Personen einen eigenen Namen zu geben.
Kilian machte bei dem Spaß sichtlich begeistert mit, während Ethan ihnen gespielt beleidigte Blicke sendete. Sia stattdessen, wechselte hin und wieder mit Kilian einen Blick aus, den ich nicht deuten konnte. Hoffentlich hatten sie nicht wegen gestern Nacht jetzt einen Streit.
Nach dem Unterricht hatte ich noch eine Doppelstunde mit meinem Privatlehrer. Als auch diese endlich endeten, konnte ich es kaum erwarten in den Mädchenumkleiden zu duschen. Unten wartete jedoch eine beinahe schon unangenehme Überraschung. Verwirrt blickte ich sie an. „Teresa? Was ist los? Hast du auf mich gewartet?“ Fragte ich und schenkte ihr ein höfliches Lächeln.
Sie erwiderte es und nahm mich in den Arm. „Ich weiß zu schätzen, was du gestern getan hast.“ Murmelte sie und drückte mich ein Stück fester.
Überrascht sog ich die Luft ein. Was sollte das jetzt? Sie hatte sich doch schon heute Morgen bei mir bedankt und entschuldigt. „Schon gut. Ich war ja erst schuld daran. Immerhin war ich es dir, Kilian überredet hat, mit dir zu sprechen.“
Lachend ließ sie mich los. „Dummerchen. Ich meine ja auch, das von Kilian. Dass er nach den ganzen Monaten wieder mit mir gesprochen hat, hat mich glücklich gemacht. Ich war schon lange über ihn hinweg, eigentlich sobald er mir einen Korb gegeben hat. Ich weiß jetzt, dass ich nur in ihn verschossen war, weil ich meine Gefühle zu ihm vertauscht habe. Egal wie ich es drehe und wende, er ist und bleibt wie ein Bruder für mich. Wir sind zusammen aufgewachsen, auch wenn er mich in der Vorschule noch nicht gekannt hat. Erst nach dieser Abfuhr habe ich es endlich verstanden. Ich war so dumm.“
„Und… weshalb hast du dich dann betrunken?“ Hackte ich nach. Ich wollte einfach alles wissen.
„Weil er mir so unverfroren ins Gesicht gesagt hat, dass ich eine Spontanelementarin bin. Das ist wahr, aber es von ihm zu hören… so wie er es sagte, hat es mich verletzt. Ich bin mit Sia und ihm aufgewachsen, habe mit ihnen mein Element entdeckt und in die Schule gegangen. Ich habe mich nie als Spontanelementarin gefühlt. Gestern ist irgendwie alles hochgekommen. Meine Gefühle die letzten Jahre, meine Selbstvorwürfe… ich musste es einfach hinunter spülen. Ich weiß, nicht gerade die beste Art etwas zu verarbeiten, aber als ich ihn heute gesehen habe… es war so normal. Als wäre nie etwas passiert. Auch wenn ich ihn nicht ansprechen konnte… hoffe ich, doch dass wir wieder Freunde werden können, so wie früher.“
Freunde? Das hieß, Teresa war überhaupt nicht mehr verliebt in ihn. Eine seltsame Erleichterung durchströmte mich und ließ mich zusammen zucken. Das machte doch alles nur noch schwerer für mich. Kilian war alles andere als in meiner Liga. Ihn würde ich niemals als meinen festen Freund bezeichnen können.
Aber was jetzt einmal zählte, war etwas Normalität. Für Teresa und mich, war dies schon einmal ein weiter Schritt in eine Freundschaft, die zwar niemals mit der von ihr und Sia mithalten konnte, doch sie konnte zumindest eine der wenigen Personen werden, denen ich vertrauen könnte. Daher erzählte ich ihr auch von vergangener Nacht und selbst Teresa bekam dieselbe Art des Lächelns, die auch Sia vor ein paar Stunden noch aufgesetzt hatte.
„Okay… hör auf mich so anzulächeln und schlag mich, oder lach mich aus. Was soll dieses Lächeln überhaupt bedeuten? Sia hatte genau dasselbe, als ich es ihr erzählt habe.“
Teresa hob entschuldigend die Hände. „Schon gut, ist nicht so wichtig. Entschuldige, dass was du gerade geschildert hast, erweckt nur Kindheitserinnerungen von Sia und Kilian. Sia musste definitiv ebenfalls daran denken.“ Gestand sie, doch mir half es nicht einmal ansatzweise weiter.

Wieder wurde ich neidisch, nur dieses Mal, weil Sia und Teresa offensichtlich eine Erinnerung teilten, der ich nicht beiwohnen konnte, oder sie verstehen. Ergeben ging ich unter die Dusche und Teresa wartete auf mich. Nun, ja wenigstens hatte ich Teresa nicht als Freundin verloren.

Kapitel V

„Bist du soweit?“ Ich nickte und versuchte die Luft zum Zentrum meines Innersten zu machen. Vollkommen in meinem Element gehüllt, befahl ich ihm, mich in die Höhe zu tragen. „Sehr gut. Ein bisschen mehr.“
Der Schweiß stand mir zwar schon auf der Stirn, doch ich trieb mich weiter in die Höhe, bis ich meine zwei Meter erreicht hatte. Begeistert schwebte ich langsam wieder hinunter. „Ich hab es geschafft!“ Gab ich bekannt und konnte mein Glück kaum fassen. Ich hatte meine Zwischenprüfung bestanden, obwohl ich sonst immer ungeschickt auf meinem Hintern gelandet bin.
Mein Privatlehrer hatte mich schon aufgegeben, doch nun stand er völlig fassungslos vor mir und gratulierte mir. Als wir merkten dass wir denselben geschockte und zugleich freudigen Gesichtsausdruck hatten, fingen wir beide an zu lachen. Wir konnten es nicht fassen. Tatsächlich geschafft. Ich bin weiter! Meine Kräfte würden nicht gebunden werden und ich konnte an der Jahreszeiten-Schule bleiben! Wie toll war das denn?
Sia, Teresa und Ethan kamen mir entgegengerannt und fielen mir gleichzeitig um den Hals. Lachend versuchte ich, mein Gleichgewicht zu halten, in dem ich die Luft manipulierte und wurde positiv überrascht. Selbst das funktionierte mittlerweile.
Luca, schüttelte mir die Hand und Liam umarmte mich ebenfalls, jedoch nur zögerlicher als meine drei besten Freunde. Kilian lächelte nur und heuchelte Überraschung, dass ich es geschafft hatte.
Mittlerweile war ich Kilians gespielte Distanz bereits gewohnt. Auch seine hin und wieder etwas aufdringlichen Aktionen, wie wenn er um mich zu erschrecken, auf den Hintern klopfte. Er wusste, ich hasste es, doch er fand es witzig, wie meine Augen sofort boshaft zu leuchten anfingen.
Andere Mädchen, die ihm nahe standen, behandelte er jedoch genauso. Er fand etwas, was sie nervte, aber nicht, so dass sie zickig wurden, und machte es zu seinem Spiel es gegen sie zu verwenden. Doch heute würde ich mich nicht von diesem finsteren Gedanken beeinflussen lassen. Im Gegenteil. Sollte er doch flirten, wie er möchte. Ich versuche einfach, weiterhin über ihn hinweg zu kommen. Ich wurde einfach viel zu schnell eifersüchtig. Und vor allem unbegründet. Wir waren nicht zusammen, oder etwas auch nur Ähnliches. Es ist einfach frustrierend…
„He, hast du vielleicht Lust auf einen Kuchen. Ich lade dich auf einen ein.“
Mein Blick glitt zurück zu Liam und ich musste plötzlich lächeln. „Was? Backst du etwa?“
Etwas beschämt sah er weg und Luca antwortete für ihn. „Ach, was. Liam ist ein Multitalent. Er kann kochen, backen und grillen. Es gibt kein Gericht, was er nicht könnte.“
Ich stimmte wieder auf ihre gute Laune ein und sagte zu. „Ja, natürlich gerne. Aber nur unter einer Bedingung.“ Liam sah aus, als erwartete er das schlimmste, was mich zum Kichern veranlasste. „Ich darf dir dabei zusehen.“ Erleichtert griff er sich auf die Stelle, unter der sein Herz saß und spielte erleichtert. „Solange es nichts Schlimmeres ist.“
So plötzlich dass ich ihn nicht kommen hatte sehen, stand Kilian zwischen Teresa und mir und legte uns beide seine Hände auf die Schultern, als müsse er sich abstützen. „Das heißt dann wohl, dass wir einkaufen gehen müssen. Ich bezweifle, dass alle Zutaten oben sein werden.“ Sia war die Erste, die begeistert einwilligte und Ethan schloss sich ihr freudig an.
„Ich würde gerne auch einmal etwas für dich kochen. Macht es was aus, wenn wir alle gemeinsam einkaufen gehen?“ Der erste Satz war an Sia gerichtete und der zweite an uns alle. Begeistert willigte auch der Rest ein und wir machten uns einen Zeitpunkt aus. Da um sieben das kleine Kaufhaus schloss, gingen wir schon um halb sechs hin. Luca meinte, wir würden bestimmt länger brauchen, als eine Stunde und wir sollten die dort fleißig arbeitenden nicht aufhalten.
Jedoch als wir im Kaufhaus ankamen, erfuhren wir sofort, weshalb er unbedingt schnell dort hin wollte und offensichtlich jede Chance nutzte. Die hübsche Kassiererin hatte es ihm offensichtlich schwer angetan und das verschleierte er kein bisschen.
Wir nahmen zwei Einkaufswagen. Einen nahm Ethan und Sia, den Zweiten ich und Liam. Ohne Luca, der fürchterlich vertieft in ein Gespräch mit seiner Angebeteten war, kam es mir wie ein Dreier-Date vor. Ethan und Sia, die bereits ein paar waren. Kilian und Teresa, die sich schon lange kannten und sich nun wieder gut verstanden, als hätten sie nie gestritten. Und schlussendlich Liam und ich, der so überhaupt nicht mein Typ war.
„Lyn, kann ich dich etwas fragen?“ Ich griff gerade zu einem Päckchen Backpulver und nickte. „Ja, sicher. Was ist denn?“
„Ich weiß, dass dies jetzt nur falsch rüber kommen kann, aber… ich hoffe, du verstehst das alles mit der Einladung und so… nicht als ein Date, oder so…“
>Oder so< Wie witzig. „Oh, du hast es auch schon bemerkt!“ Ich stieß erleichtert die Luft aus. „Mir ist es jetzt erst als ein Dreier-Date aufgefallen, als Luca zu… seiner Angebeteten gegangen ist.“
Lachend schien auch er beruhigt zu sein. „Okay, dann kann ich ja jetzt auch viel entspannter sein. Schon seit ich die Worte mit dem Kuchen ausgesprochen habe, habe ich mich seltsam angespannt gefühlt und schuldig.“
Ich nahm seine Hände in meine und blickte ihm ernst in die Augen. „Liam… du bist ein echt netter Junge, aber so überhaupt nicht mein Typ.“
Mit einem breiten Grinsen räusperte er sich und wandte seine Hände so um, dass er nun meine hielt. „Lyn, so schwer es mir auch fällt, dir das zu sagen. Ich sehe es genauso.“
Prustend fingen wir an zu lachen und Ethan stieß gefolgt von Sia zu ihnen.
„Na, haben wir etwas verpasst?“ Fragte er belustigt und wir schüttelten nur den Kopf.
„Nichts Besonderes.“
Kurz darauf schaffte es auch Kilian Luca wieder zu uns zu bekommen und wir schlenderten weiter durch die Gänge. Schlussendlich hatten wir mehr Unsinn gekauft als nötig, doch wir hatten zumindest spaß. Zwar mussten wir die genervten Blicke der Verkäufer ignorieren, da wir uns aufführten wie Irre. Die Jungs warfen mit Dingen, die sie eventuell brauchten und dann doch wieder nicht und sie zurückgaben. Sia und ich konnten uns für die Art der Glasur nicht entscheiden, was zu einer etwas lauteren Diskussion führte, bis Liam uns beschwichtigte und entschied, einfach zwei verschiedene Torten zu machen. Eine Schoko-Creme Torte für Sia und eine Frucht-Sahne für mich.
Als er weg war, klatschten wir uns ab und zwinkerten verschwörerisch. Die Waffen einer Frau waren unerklärlich perfekt und vor allem effektiv.
Im letzten Gang, in dem wir uns Getränke holten, versammelten wir uns wieder, da wir uns zufällig abermals aufgelöst hatten. Als mich jedoch ein Schlag auf meinen werten Hintern traf, fasste ich es nicht. Selbst hier konnte er es nicht lassen? „Kilian! Hör endlich auf damit. Das tat echt weh!“ Ich rieb mir betroffen die Stelle und er sah mich völlig entgeistert an.
„Was? Wieso denkst du, dass ich es war. Ich bin gerade erst gekommen.“
„Und bis gerade eben hat mir keiner eine am Hintern geklopft. Außerdem tut es sonst keiner außer du.“
Kilian deutete auf Teresa, die wesentlich näher stand als er, doch ich war mir sicher, dass sie es nicht gewesen war. Immerhin ist kurz davor sein Geruch zu mir geweht, was meinen Herzschlage beschleunigt hatte, was ich ihm jedoch schlecht sagen konnte.
„Vielleicht war es ja Teresa um dich zu ärgern. Ich komme auf jeden Fall nicht an deinen Hintern ran, von hier aus.“
Demonstrativ lehnte ich mich vor. „Siehst du. Wenn du einen Schritt schnell zur Seite gegangen wärst, wäre es sich perfekt ausgegangen.“
„Das denkst du dir jetzt aus. Sieh her! Das funktioniert überhaupt nicht, ich würde doch das Gleichgewicht verlieren.“ Nun wo wir in unnatürlichen Stellungen verrenkten um uns gegenseitig vom Gegenteil zu überzeugen war ich ihm das erste Mal wieder nahe. Seine Hand lag neben meiner auf dem Einkaufswagen, als er sich abstützte und seine andere Hand laug auf meinem Hintern, was die Situation noch peinlicher machte.
„Aber du beherrscht das Element Erde, als bräuchtest du einfach nur die Erdanziehung etwas manipulieren und dann wärst du nicht umgekippt. Oder es hat dich jemand gehalten.“
„Ja… klar. Und was macht dich bitte so sicher, dass ich es war?“
Ich war drauf und dran zu sagen, >Weil ich deinen Geruch erkannt habe, als hättest du dich an mir vorüber bewegt, oder dich schnell zu mir gelehnt um mich zu ärgern< doch das kam mir fürchterlich absurd vor, dass ich auch nur einen einzigen Teil dieses Satzes heraus bringen könnte, und ließ es. „Weil ich mittlerweile deine Hand erkenne, so oft wie du mir schon auf den Hintern geschlagen hast. Außerdem erkenne ich, wenn du etwas anstellst. So gut bist du nun auch wieder nicht im Verschleiern deiner Taten.“
Plötzlich lag ein belustigter Funke in seinen Augen, und er schien mich herausfordern zu wollen. Nein! Wieso? Ich sollte einfach meinen Mund halten…
„Okay, wenn das so ist, dann möchte ich einen kleinen Test mit dir machen. Wir gehen jetzt alle um die Ecke… außer Luca. Er bleibt bei dir und passt auf, dass du nicht linst, oder versuchst zu erkennen, wer kommt. Du darfst deine Augen nicht öffnen, bis du einen Namen genannt hast.“
Einen Namen? Sollte das ein Spiel werden? „Moment, ich sagte nicht, dass ich einwillige!“ Protestierte ich.
Kilian schob die anderen vier bereits den Gang hinauf. „Und ich nicht, dass ich dir eine Wahl lasse.“
Seine herausfordernden Worte brachten mich zum Lächeln, und ich war angespornt, die Herausforderung anzunehmen. „Okay. Die Regeln sind einfach. Du darfst deine Augen nicht öffnen, bis du erkannt hast, welche Person vor dir steht. Die Person darf dich anfassen, küssen, oder umarmen, doch du darfst die Person nicht anfassen. Verstanden?“
Ich nickte und Luca hielt mir auf einmal einen Schal hin. „Darf ich?“
Ich nickte noch einmal und Luca band mir seinen dünnen Schal um, denn er irgendwie ständig trug. Bei Gelegenheit musste ich ihn unbedingt einmal darauf ansprechen. Als meine Augen verbunden waren, hörte ich Kilians Stimme, die >Los< sagte. Na ich war gespannt.
Als Erster würde er bestimmt nicht kommen, dessen war ich mir sicher, sonst würde die Herausforderung nicht lange andauern. Als Letztes konnte er ebenfalls nicht, das wäre zu einfach. Also wen würde er vorschicken?
Lange starke Arme legten sich von hinten um mich und knuddelten mich. Also ein Junge, da ich keine Brüste an meinem Rücken fühlte. Er war sehr groß, also konnte es nur Ethan sein. Belustigt tätschelte ich seine Arme, nachdem ich „Ganz klar Ethan.“ sagte.
Ethan tätschelte meinen Kopf belustigt und stellte sich zu Luca. Luca half mir meine Augenbinde wieder anzubringen und ich wartete auf die nächste Person. Da ich nicht sehen konnte, ob wer kam und auch nicht hören, musste ich warten, bis mich jemand berührte.
Als ich jedoch fremde Lippen auf meinen fühlte, sog ich erschrocken die Luft ein. „Teresa! Erschreck mich nicht so!“ Schimpfte ich und nahm die Augenbinde wieder ab. Abermals richtig. Begeistert klatschten wir uns ab. „Toll, du bist echt gut. Woher wusstest du, dass ich es bin?“
„Dein Parfüm. Ich konnte es riechen.“
Verärgert schlug sie mit der Faust in ihre Handinnenfläche. „Verdammt und ich dachte, du würdest denken, einer der Jungs nutzt die Situation aus.“
„Na, dann bin ich froh, dass du es warst und nicht einer der anderen.“
Lachend stellte auch sie sich zu Luca und Ethan und stille kehrte wieder ein. Blieben nur mehr Sia, Liam und natürlich Kilian. Entweder würde er jetzt, oder als Nächstes kommen. Ich musste vorsichtig sein, wenn ich die Herausforderung gewinnen wollte.
Ein plötzlicher kühler Lufthauch an meinem Hals entlockte mir einen überraschten Aufschrei. Mit weich werdenden Beinen sank ich zu Boden und mein Herz schlug mir bis zum Hals. „Kilian…“ brachte ich noch hervor, bevor mir auch schon die Augenbinde abgenommen wurde.
Teresa kniete besorgt vor mir. „Ist alles in Ordnung? Was war plötzlich?“
„Meine Beine waren… Ich habe mich nur so erschreckt, weil ich mich so konzentriert habe… Entschuldigt.“
Sie half mir wieder auf die Beine und hellgrüne Augen sahen mich an, als würde mir gerade ein Geweih wachsen. „Was ist?“ Fragte ich etwas beleidigt, dass mein Körper mich so hinterging. Wieso musste er so schwach werden, wenn Kilian so etwas tat.
„Ich… habe dich nicht einmal berührt.“ Brachte er abgehackt hervor.
„Aber angehaucht. Das hat mich erschreckt.“
Kilian blickte mich noch etwas länger an, dann wurden seine Augen wieder gewohnt dunkelbraun, wie die seiner Schwester ebenfalls waren.
„Okay, dann denke ich, hast du den Wettstreit gewonnen.“ Gab er zu und wandte sich ab. Die plötzlich eingekehrte Stimmung verwirrte mich. Was hatte ich getan? Panisch sah ich mich um, doch jeder abgesehen von Sia wich meinem Blick betroffen aus. Aber ich habe doch gewonnen. Weshalb war jetzt diese angespannte Stille? „Entschuldige, wenn ich lache, aber das ist das erste Mal, dass ich ihn verlieren sehe.“ Entschuldigte sie sich und hielt ein Lachen zurück.
Kilian blickte sie zornig an. „Das ist nicht wahr. Ich verliere häufig… hin und wieder einmal.“ Gab er kleinlaut zu, was mir eine Wärme ums Herz verursachte, dich mich nervös machte. Seit wann konnte er so niedlich sein.
„Nun, dann lädst du wohl jetzt die Siegerin des Spieles auf ein Getränk ein!“ Beschloss ich, um die Stimmung wieder ins gerade Licht zu rücken. Wie es Kumpel taten, legte ich einen Arm auf seine Schultern und hielt ihm meinen grünen Tee hin. „Komm schon du Baby. Wenn du jetzt losheulst, werde ich sicher nicht zurück in die Babyabteilung gehen, um dir eine Windel zu besorgen.“
Ich kassierte zwar einen warnenden Blick, doch erlangte ich ebenso ein belustigtes Lächeln von ihm. „Ha, dann will ich einmal sehen, wie du die mir dann auch anbringst.“
Brüderlich, oder in meinem Fall eben >schwesterlich< klopfte ich ihm auf die Schulter und schob ihn zu der Kasser. „Oh, glaube mir, das werde ich schaffen. Sia hilft mir sicher.“ Sia stimmte sofort zu und der Rest der Gruppe begann zu lachen. Offenbar hatten Luca und Liam noch das letzte Mal vor Augen, als Kilian und ich aufeinandergeprallt sind. Da hätte er mich beinahe getötet, da er noch nicht gewusst hatte, dass ich eine Spontanelementarin bin und beinahe nichts über diese Welt wusste.
Die Stimmung lockerte sich wieder und wir gingen Zahlen. Die Waren, die eindeutig viel zu viel waren, trugen wir in den dritten Stock und fingen an mit Kochen und Backen. Liam und ich begannen mit dem Teig, der relativ einfacher war, als gedacht. Sia, Teresa und Ethan kochten, während Luca und Kilian den restlichen Einkauf in den Kühlschrank stellte und beschriftete.
Als wir den ersten Kuchen in den Herd schoben, begann Kilian mit dem Abwasch und ich trocknete ab. Liam und Luca machten sich derweilen über das geschnittene Gemüse her, was Ethan ihnen versuchte wieder abzunehmen.
Lachend sah ich ihnen eine Weile zu, bis Kilian mich darauf ansprach. „Du siehst irgendwie anders aus.“
>Anders<? Sollte das ein Kompliment werden, wenn er es fertig umschrieben hatte, oder wollte er mich wieder ärgern? So etwas wusste man nie sofort bei ihm. „Was meinst du?“ Fragte ich halbwegs nicht misstrauisch.
„Ich weiß nicht. Alles einfach.“
Ich stieß ihn leicht gegen den Fuß und er warf mir einen verwirrten Blick zu. „Ich sage doch überhaupt nichts Böses!“ Beklagte er sich und spritzte mir Schaum ins Gesicht.
„Na, das kann man bei dir nicht wirklich voraussehen.“ Beklagte ich mich halbherzig.
„Was meinst du damit?“
„Nichts!“ Rechtfertigte ich mich in die Enge getrieben. Ich wollte jetzt vieles, aber ganz bestimmt keinen Streit.
„Lyn, willst du schon wieder streiten?“
>Schon wieder<? Okay, jetzt wurde es zum Streit! „Was soll heißen schon wieder? Ich habe noch nie einen Streit mit dir angefangen!“
„Doch oft genug.“
„Wenn, dann nur weil du undeutlich bist und mich immer verarscht!“
Wir standen uns Auge in Auge gegenüber und um uns herum wurde es abermals still. „Ich verarsche dich? Wenn es dir nicht passt, wie ich dich behandle, dann geh weg.“
„Du bist doch zum Abwaschen gekommen. Und ich habe es dreckig gemacht, also kann ich es auch abtrocknen!“
„Nein kannst du nicht. So viel ist es nicht, das kann ich selbst auch!“ Er nahm mir die Rührschale für den Teig weg und das Geschirrtuch und trocknete es selbst ab. Ich griff danach um es wieder zu bekommen, doch er wich mir aus. Dieser Miese…
„Leute! Streitet doch nicht!“ Versuchte Liam uns zu beruhigen. Gleichzeitig zuckte unser wütender Blick zu ihm und er wurde plötzlich kreide bleich.
Ohne ein weiteres Wort ging er weg und ich hörte nur, wie er murmelte: „Ich habe gerade dem Tod in die Augen geblickt. Sie sind einfach schrecklich, wenn sie einen so… mit ihrem mörderischen Blick durchbohren.“
Kilian hörte es offensichtlich ebenfalls und senkte die Hand, an die ich gerade versucht hatte zu kommen. Begeistert entriss ich ihm mein >Werkzeug< und lachte höhnisch. „Wieder gewonnen.“
Empört blickte er mich wieder an. „Von wegen. Glaub ja nicht, dass ich dich ein Zweites mal heute gewinnen lasse.“
>Gewinnen lasse< „Oh, also bist du auch noch ein schlechter Verlierer…“
„Mädels, wenn ich um das Tuch bitten dürfte, dann könnt ihr in Ruhe euren Streit fortsetzten, und zwar dort drüben.“ Luca nahm mir mein Geschirrtuch aus der Hand, das ich während meiner wilden Gesten um mich schleuderte, und Ethan schob uns beide zum Essbereich des Aufenthaltsraumes.
„Na, toll und das nur wegen deiner Ziererei!“ Beschuldigte mich Kilian.
Verdammt was tat ich hier eigentlich? Wieso streiten wir? „Kilian ich…“
Er hob die Hand und ließ meine Worte einfach abprallen. „Passt schon, lass es einfach.“ Er wollte zurückgehen, doch ich fing ihn an seiner Hand ab.
„Nein, ich meine es ernst. Kilian, es tut mir leid. Ich wollte dich nicht provozieren. Ich finde es nur ungerecht, wie du mich behandelst. Zu jedem bist du freundlich und einfach… du.“
Er lächelte bei dem Vergleich und zog mich ruckartig in die Ecke, wo man uns nicht sehen konnte. Die Wand, die diesen Raum zur Hälfte von der Sofaecke trennte, verdeckte uns. Auch meinen geschockten Blick als er plötzlich bedrohlich vor mir aufragte und mich sein Körper an der kalten Wand einsperrte. „Soll das etwa jetzt ein Liebesgeständnis werden?“ Fragte er und seine Belustigung war kaum zu überhören.
Für einen Moment wog ich meine Antwortmöglichkeiten ab und entschied mich für die zickigere Variante. „Würde ich dir ein Liebesgeständnis machen, dann bestimmt nicht, während ich voller Mehl und Schaum bin.“
Kilian rückte einige Zentimeter ab, um mir tief in die Augen sehen zu können. „Du gibst also zu, dass du mir gerne eines machen würdest?“
Ich wusste nicht recht, was mich mehr schockierte, mein plötzlicher Wille einfach ja zu sagen und dabei seine Reaktion beobachten zu können, oder das meine lila Augen sich in seinen dunklen spiegelten. Mist, ich habe schon wieder mein Element nicht unter Kontrolle.
„Es… ist nicht, dass ich dich nicht mag, oder hasse. Es ist nur so, dass ich mich einfach noch immer etwas ausgeschlossen fühle. Sia hat Teresa, dich und Ethan. Teresa dich und Sia, Ethan, Sia, du die beiden Jungs und die beiden Mädels, denen du nahe stehst. Deine beiden Mitbewohner dich und sich selbst aber ich… Ich habe heute mit Liam gesprochen, dass wir Freunde sind und dann musste ich über das alles nachdenken und…“
Ich merkte, dass ich immer hektischer um den Brei herum redete und holte daher erst einmal Luft. Jedoch wurde sie mir sofort wieder genommen, als Kilian mein Kinn anhob und mich küsste.
Geschockt stand ich wie eine Statue einen Moment da und konnte nicht anders, als ihn anzustarren. Seine Augen waren geschlossen, seine Hand ruhte unter meinem Kinn und die zweite an meiner Hüfte.
Ein Kuss? Im ernst? Kilian küsst mich? Wieso? Was hatte ich gesagt, dass er dies tat? Wollte er mich schon wieder ärgern, oder gar die Wahrheit so aus mir heraus bringen? Konnte ich ihm den anvertrauen, dass ich seit einigen, für mich rastlose, Monate für ihn schwärme? Konnte ich ihm trauen?
Gerade als er den Kuss nach drei Sekunden, die mir wie Minuten erschienen, beenden wollte, konnte ich wieder einen klaren Gedanken finden und zog ihn zu mir zurück. Er Gabe einen belustigten, so wie erschrockenen Laut von sich, doch dieses Mal würde ich ihn nicht einfach so davon kommen lassen.
Kilian Hutsen… Dieses Mal werde ich nicht aufgeben oder dich einfach machen lassen was du willst wie beim Letzten mal. Schwor ich mir innerlich und fühlte im selben Moment, eine Bestätigung seiner seits. Seine Arme legten sich um meinen Körper und seiner presste mich zurück an die Wand, wo ich mich kaum bewegen konnte, doch das war mir im Moment egal. Seine wilden Küsse, und sein hektischer Atem reichte mir derzeit als kleiner Sieg aus. Also konnte er doch Emotionen empfinden. Solche die nicht auf Witzen beruhten.
Als ich ihn von mir selbst überrascht etwas wegschob und in die Augen sah, erkannte ich in seinen Augen dieselbe Leidenschaft, wie ich sie verspürte. Im Moment wollten wir offensichtlich endlich einmal beide dasselbe.
In der Küche hörte ich Sia Stimme, die so klang, als würde sie näher kommen wollen. Zwar verstand ich den Satz nicht, doch Kilian war genauso unentschlossen wie ich. Ich wollte nicht, das dieser Moment endete und es komisch wurde. Aber ob ich weiter machen konnte, wusste ich ebenfalls nicht.
„Willst du…“ Er ließ den Satz unausgesprochen, doch ich wusste, was er fragen wollte. Ob ich weitermachen wollte, oder aufhören. Wenn ich nur selbst die Antwort darauf wüsste.
Es war spät und die Gänge waren leer. Daher würde uns niemand sehen, wenn wir in unsere Zimmer gingen, gemeinsam. Mit einem Nicken gab ich ihm zu verstehen, dass ich weiter machen wollte und er zog mich schnell mit sich. Überrascht von seiner so stürmischen Art wurde ich noch erregter.
Wir hielten an der Türe für einen Moment, die er mit einem Fingerdruck ungeduldig öffnete. „Lyn? Kilian? Wo seid ihr?“
Noch bevor Sia uns hätte sehen können, schob er mich in sein Zimmer und schloss die Eingangstüre. Danach öffnete er die Türe, in der ich mit ihm übernachtet hatte und stellte einen der beiden Sessel davor, an die ich mich noch verschwommen erinnern konnte. Kaum dass er sich wieder zu mir umwandte, streckte ich meine Arme nach ihm aus und unsere wilden Küsse gingen weiter.
Es war einfach, berauschend ihn zu küssen. Seine geschickten Hände, die meinen Körper entlang wanderten, seine Augen, die mir ganz ungeniert zeigten, was er wollte. Und das war ich!
Als ich plötzlich mit der Hüfte gegen den Tisch stieß, stöhnte ich auf. Verdammt, das wird ein blauer Fleck. Als Nächstes hörte ich einen Stuhl, der umfiel und Kilian fluchte. Sein Hemd war bereits verschwunden, so wie mein Shirt und mein BH.
Er machte sich gerade an meinem Hosenknopf zu schaffen, als wir gegen das Bett liefen und hinein fielen. Für einen Schockmoment starrten wir uns an und er schien zu erkennen, was er gerade im Begriff war zu tun.
Mein Bein war zwischen seinen beiden, daher fühlte ich, dass er genauso erregt war wie ich, also konnte es nicht sein, dass er mich abstoßen fand. Ob er wartete, ob ich es mir anders überlege?
„Was ist?“ Fragte ich etwas schärfer als gewollt, da ich schon so ungeduldig war. Ich wollte seinen nackten Körper sehen und fühlen. Ja, ich hatte ihn nur mit Boxer Short bekleidet gesehen und er sah unglaublich heiß damit aus. Und gefühlt hatte ich ihn auch, als wir die ganze Nacht nebeneinander geschlafen hatten, doch das war anders. Diese Nacht war anders.
Wir waren gerade im Begriff >es< zu tun.
„Ich weiß nicht.“ Antwortete er unfähig mehr zu sagen.
„Willst du aufhören?“ Stellte nun ich die Frage.
„Willst du denn?“ Stellte er als Gegenfrage. Zwar konnte ich ihn im halbdunklen Zimmer nicht gut erkennen, aber ich wusste das egal, wie er mich gerade ansah, ich ihn unbedingt wollte.
Selbst wenn es nur diese eine Nacht, oder gar nur der Abend sein würde. Nur dieses mal wollte ich ihn nicht teilen und ihn sehen lassen, was ich für ihn fühlte.
„Muss es denn von mir abhängen, ob wir weiter machen, oder nicht?“
„Willst du etwa jetzt streiten?“
„Wenn es zu Versöhnungssex führt, dann ja.“ Ich musste über seinen verärgerten Gesichtsausdruck lächeln, dafür veränderte er die Position so, dass ich nun unter ihm lag.
„Weißt du eigentlich, wie du mich nervst?“
„Wie denn wenn du nie mit mir redest.“ Nun, ja nie war übertrieben, doch ich wusste nicht, was ich sagte. Ich wusste nicht einmal, was ich denken soll.
„Willst du also jetzt über uns reden?“
Mein Herz setzte aus und ich sah wieder vollkommen klar in meinen Gedanken. >Uns< Zwar war es nur eine Illusion die mein Hirn spinnte, das ich annahm, er meinte >uns< in Bezug auf >Beziehung< und nicht auf >Freundschaft<, doch jetzt wollte ich es nicht hören. Mein Herz wollte ihn, mein Körper brauchte ihn und mein Hirn konnte ruhig ein paar Stunden Auszeit machen.
Mit einem geschickten Handgriff öffnete ich seinen Gürtel und konnte seine Hose einfach so hinunter ziehen. Offensichtlich war dies Antwort genug für ihn und sein Gesicht verschwand an meinem Hals, diesen er zärtlich liebkoste.
Jetzt war definitiv nicht die Zeit zu reden.

Kapitel VI

 Ich wusste nicht recht, wo ich mich befand. Alles um mich herum war dunkel und schien ein tiefer Abgrund um mich herum zu sein. Fragend sah ich mich um und konnte vereinzelt kleine Punkte ausmachen. Sind das Sterne? Wo war ich überhaupt. Ich versuchte mich aufzurichten, doch wusste nicht wo oben und wo unten ist. Verzweifelt drehte ich mich im Kreis und merkte, dass ich schwerelos war. Schwerelos im dunklen Nichts? Also bin ich im All?
Verwirrt suchte ich nach der Erde und prompt erschien sie vor mir. Weshalb sah ich sie erst jetzt? Sie ragte riesengroß vor mir auf wie ein Gigant, der darauf wartete seine Beute zu verschlingen. Mit rasendem Herzen begriff ich, dass dies ein Traum sein musste, und machte mich mit Schwimmbewegungen auf den Weg zurück zur Erde. Kaum hatte ich mich bewegt, stürzte ich auch schon in die Atmosphäre und fühlte, wie mein Körper brennend heiß wurde. Wie seltsam das doch war. Ich dachte immer, in Träumen konnte man nichts empfinden. Keinen Schmerz, keine Temperatur, keine Müdigkeit. Aber trotzdem fühlte ich Erregung als ich meine Augen erschrocken Aufriss und stöhnend nach Luft schnappte.
Vor mir verschwand die Erde und eine grüne Ewigkeit tat sich vor mir auf. „Kilian!“ Stöhnte ich überrascht und erkannte jetzt, dass meine Erregung durch ihn gekommen war. Ich konnte erkennen, dass es immer noch dunkel draußen war, doch bald nicht mehr. Mein Instinkt sagte mir, dass es kurz vor sieben sein musste und wir bald die Sonne hell im Fenster stehen haben würde. Die Sonne der ich gerade in meinem Traum entkommen war und nun hell in mir brannte. Und das alleine durch Kilian.
Mit einem letzten Stoß brach er abermals erschöpft auf mir zusammen und keuchte schwer. In meinem Innersten zuckte es stark und seine eigene Hitze erfüllte mich bebend. Zitternd legte ich meine Arme um ihn und streichelte sanft seinen Kopf. „Hast du überhaupt geschlafen?“ Fragte ich leise an seinem Ohr und hörte wie er schwach lachte.
„Wann meinst du? Während wir es getan haben, oder während wir immer wieder angefangen haben es noch einmal zu tun?“
Lächelnd küsste ich sein Haar und ersparte mir die Antwort. Ja, er hatte recht. Mich wunderte es selbst, dass ich für wenige Sekunden, oder Minuten eingeschlafen bin.
„Du weißt, dass heute ein langer Tag wird.“
Mühsam richtete er sich auf um mir ins Gesicht sehen zu können, und streichelte sanft meine Wange. Es fühlte sich alles so gut und perfekt mit ihm an. Diese Nacht sollte niemals enden!
Kilians grünen Augen wurden langsam wieder dunkelbraun und er rollte sich von mir hinunter. Die angenehme Wärme, die von ihm ausging verschwand und eine leere blieb in mir zurück. „Gehst du weg?“ Fragte ich, als er sich seine Boxer Short anzog.
Mit einem breiten Grinsen gab er mir einen Kuss und deutete auf den vor gestellten Sessel. „Nur auf die Toilette.“
Nickend nahm ich das zur Kenntnis und wälzte mich ebenfalls aus dem Bett. Im Halbdunklen suchte ich meine Kleidung zusammen und spürte eine Schwäche in meinen Beinen, die definitiv etwas mit den letzten Stunden zu tun hatte. Gerade als ich in meine Hose hinein schlüpfte, kam Kilian verwirrt wieder ins Zimmer. „Lyn? Wo gehst du hin?“ Fragte er etwas nervös.
„Na, was denkst du denn? In mein Zimmer. Bald wird die Sonne aufgehen und ich muss zurück sein, bevor Teresa und Ethan aufwachen. Außerdem muss ich duschen, ich möchte nicht die ganzen Stunden nach Schweiß und Körperflüssigkeiten riechen.“
Ich band mir gerade den BH wieder um und versuchte ihn am Rücken einzuhacken, als er mir zur Hilfe kam und sanft meine Schulter küsste. „Was sagst du ihnen, wenn sie fragen, wo du herkommst?“
Etwas unsicher, wagte ich es nicht, ihn anzusehen. Darüber hatte ich mir noch keine Gedanken gemacht. „Vielleicht etwas vom Weltall und Atmosphäreneintritt.“ Kicherte ich und bekam einen fragenden Blick. „Vergiss es. Ich bin übermüdet.“
„Ich verstehe. Und…“
Ein hektisches Klopfen erklang an der Türe und wir sahen sie an, als wäre sie ein beißendes Monster. „Kilian? Bist du wach? Kann ich rein?“ Liam? Nicht jetzt!
„Willst du dass…“ Ich schüttelte den Kopf. Nicht dass ich nicht wollte, dass jemand wusste, dass wir es getan hatten, doch ich wollte nicht, dass andere uns sagten, was wir nun waren, solange wir es selbst nicht wussten. „Versteck dich hinter der Türe und schleich dich hinaus, wenn ich mit Liam und Luca im Zimmer bin.“
Nickend stellte ich mich hinter die Türe und wartete, dass er ging. „Wieso hast du dich denn eingesperrt du Spinner! Wir haben uns Sorgen gemacht. Weißt du, wo Lyn gestern hin ist, nach eurem Streit?“
„Warte… warte. Rede nicht so schnell. Hast du schon einmal auf die Uhr gesehen? Lass mich wenigstens zuerst hinsetzten.“
Ich hörte, wie sie sich im Zimmer einschlossen und blickte um die Ecke. Das dritte Zimmer war leer, daher vermutete ich Luca ebenfalls im Zimmer von Liam, auch wenn ich ihn nicht hören konnte. Leise stahl ich mich hinaus auf den Gang und lief direkt zu den Duschen. Als ich mich halbwegs sauber fühlte, machte ich mich auf den Weg zum Zimmer.
„Lyn.“ Erschrocken unterdrückte ich einen Aufschrei, als plötzlich Kilian neben mir stand und frech grinste. „Du hast viel zu schnell geduscht.“ Bemerkte er und schob mich in die öffentlichen Duschen zurück.
Eine viertel Stunde und einer heftigen Diskussion später kam ich abermals frisch geduscht hinaus und Kilian ging zurück zu seinem Zimmer, als wäre nichts passiert. Breit lächelnd ging ich ebenfalls zu meinem Zimmer und ließ mich dort in mein Bett fallen. Siebzehn vor Sieben. Nein! Mein Schlaf! Innerlich verfluchte ich Kilian, doch konnte ihm nicht böse sein. Dafür war er einfach zu süß.
Gerade als mein Wecker läutete und ich verärgert darauf schlug, klopfte es an meiner Türe. „Nein! Geh weg!“ Schimpfte ich, doch dieser Wunsch wurde mir nicht erfüllt.
Stattdessen kam Ethan in mein Zimmer und blickte mich besorgt an. „Du bist doch noch gekommen? Wann denn? Wir haben sicher bis um zwei gewartet.“
Ich zuckte mit den Schultern. „Weiß nicht mehr, geh weg.“
„Du musst aber aufstehen, in einer Stunde beginnt der Unterricht.“
Ich zuckte noch einmal mit den Schultern und zog die Decke über meinen Kopf. „Ich geh nicht zum Unterricht, ich bin zu müde.“
„Sollen wir deinen Lehrern Bescheid sagen? Heute hast du so wie so nur einen halben Tag und deine Extrastunden fallen aus.“ Ich nickte und drehte mich zur Wand, sofort rollte der Schlaf über mich. Wenigstens der Unterricht blieb mir erspart.

Kapitel VII

„Lyn? Bist du wach?“ Kopfschüttelnd hoffte ich, dass die Stimmen verschwanden. Jedoch wurde mir schnell klar, dass dies wohl nicht der Fall sein würde. Erschöpft, doch nicht mehr übermüdet wandte ich den Blick zu meinem Wecker. Bereits nach drei. Ja, ich sollte tatsächlich bald aufstehen. Oder lieber sofort, denn meine Blase verlangte nach mehr Platz.
Ich sprang aus dem Bett, riss die Türe auf und sperrte mich in der Toilette ein. Eine Minute später kam ich erleichtert wieder heraus und Sia, Teresa, so wie Ethan blickten mich an, als wäre ich ein Gespenst. Verwirrt trat ich einige Schritte zurück und blickte in den Spiegel… AH! Ein dicker Bluterguss pragte schön sichtbar an meinem Hals und es gab nur einen, der das gemacht haben konnte.
„Ich werde ihn…“ Knurrte ich verärgert, doch sprach nicht weiter, da meine drei Wachhunde neben mir standen. Peinlich berührt lächelte ich und kratzte mich am Kopf. „Euch auch einen schönen Morgen.“
Gleichzeitig stahlen sich breite Lächeln auf den Gesichtern meiner Freunde aus und ich versuchte den Knutschfleck halbwegs zu verstecken, doch wusste selbst, dass es sinnlos war. „Also… erzählst du freiwillig, oder sollen wir dich dazu zwingen?“
Kopfschüttelnd gab ich auf. „Es ist nicht so wie es aussieht.“ Versuchte ich zu lügen, doch der Blick meiner Freunde ließ keinen Zweifel zu, dass sie mir kein Wort glaubten.
„Wer ist er?“ Fragte Teresa.
Ich verzog das Gesicht und ging in mein Zimmer zurück. Die drei setzten sich auf mein Bett und warteten gespannt auf meine Version des Abends. Während ich mich umzog, und Sia Ethan die Hände vor die Augen hielt, versuchte ich zu erklären, dass ich nur mit Kilian gestritten hatte und wir dann getrennte Wege gegangen sind.
„Und den Knutschfleck hast du dir selbst gemacht?“ Fragte Sia belustigt.
„Danke, aber so gelenkig bin ich auch wieder nicht.“ Wenn ich jedoch an letzte Nacht dachte, und was wir gemacht haben, dann musste ich wieder breit grinsen. „Oh… Bitte! Lass dieses Grinsen! Da kommen mir furchtbare Gedanken.“ Beklagte sich Ethan und Sia wurde rot. Oh… da gab es offensichtlich mehr als ein Geheimnis.
„Was denkst du denn wieder? Aber wie ich schon sagte, es geht euch nichts an. Ich bin selbst überrascht.“ Was genau ich damit meinte, ließ ich mir nicht entlocken. Zur aller erst musste ich mit Kilian darüber sprechen. War die Sache einmalig? Mochte er mich? Würden wir ein Paar werden? Nein! Ich durfte mir nicht jetzt schon großartige Hoffnungen machen.
„Sag schon! Wir wollen es wissen.“ Schnippisch geworden fuhr ich die drei an. „Lasst mich jetzt endlich in Ruhe! Ich weiß es ja selbst nicht. Es ist einfach passiert und…“
Teresa nahm mich sofort in den Arm. „Entschuldige, wir sollten dich nicht drängen. War es denn so schlimm?“ Kopfschüttelnd musste ich lächeln. Nein es war wunderschön.
„Um das geht es ja gar nicht. Ich weiß nur nicht, wo wir jetzt stehen und ich muss das erst einmal mit ihm klären.“
„Sagst du uns wenigstens seinen Namen?“
Ich schüttelte den Kopf. „Später vielleicht. Jetzt muss ich ihn erst einmal suchen.“ Demonstrativ band ich mir einen leichten Seidenschal um und schlüpfte in meine Schuhe. „Also wenn ihr mich jetzt entschuldigen würdet. Ein peinliches Gespräch wartet auf mich.“ Grinsend lief ich aus dem Zimmer und achtete darauf, dass sie mir nicht folgten.
Zögerlich klopfte ich an die Türe, die ich heute Morgen bereits einmal verlassen hatte. „Lyn? Geht es dir besser? Teresa sagte, du fühlst dich krank und bleibst daher im Zimmer.“
Ich winkte ab. „Ja, geht schon wieder. Nur mehr etwas Halsschmerzen.“ Log ich „Ähm… ist Kilian da? Ich muss mit ihm wegen unserem Streit sprechen.“
Luca nickte. „Er ist wieder hier, ja. Aber er hat gerade Damenbesuch und… Nun, Ja ich weiß nicht, ob er gestört werden möchte.“
>Damenbesuch< Mein Herz setzte für einen Herzschlag aus und etwas Zerbrechendes erklang in meiner Nähe. Etwas das nur ich hören konnte. „Oh, ja entschuldige. Ich sollte da wohl eher nicht stören!“ Bemerkte ich etwas unbeholfen und wollte wieder gehen.
Luca jedoch hielt mich am Arm fest und blickte mir eindringlicher in die Augen. „Warte, sag mir bitte, um was ist es gestern bei eurem Streit gegangen.“
Ich wusste nicht mehr genau, was ich sagte, denn alles bekam einen verschwommenen Schein. Meine Worte ergaben für mich selbst keinen Sinn und ich erkannte, dass ich mir alles wieder einmal nur schön geredet hatte.
Kilian ist eben, wer er ist und ich bin eben nur eine Spontanelementarin. Ich würde immer eine Spontanelementarin sein.
Plötzlich fand ich mich in meinem Zimmer wieder und blickte mich erschrocken um. Auf der anderen Seite der Türe erklang wildes Stimmengewirr, doch ich verstand kein Wort. Ich wusste nicht einmal, wem die Stimmen gehören, bis Sia mir gegenüber stand.
„Lyn! Wieso antwortest du nicht?“
Verwirrt sah ich an mir hinab und musste plötzlich lachen. Jedoch spürte ich Tränen ebenfalls meine Wangen hinablaufen und verstand überhaupt nichts mehr. „Wieso weinst du? Was ist passiert?“ Ethan reichte mir ein Taschentuch, und ich versuchte mich zu beruhigen.
„Ich weiß es nicht. Ich komme mir nur plötzlich so lächerlich vor.“ Lächerlich weil ich mir doch Hoffnungen gemacht hatte. Hoffnung auf eine dumme Idee, die nur in einem dummen Kopf wie meinen Existieren konnte.
„Was ist passiert? Wo warst du?“
Verzweifelt versuchte ich, meine Gedanken zu ordnen und die Scherben um mich herum aufzusammeln. „Weißt du was. Vergesst das einfach mit dem Typ von letzter Nacht. Ich war nur wütend und frustriert und habe mich einfach von meinen Bedürfnissen lenken lassen. Es war einfach nur dumm mich auf so etwas einzulassen.“
Meine Tränen versiegten langsam und ich nahm mir vor, ihn so schnell wie möglich wieder zu vergessen.
Sie sagten nichts, sondern schenkten mir nur Mitgefühl, indem sie mir die Reste von gestern Abend brachten und wir zusammen auf dem Zimmer aßen. Es war schön und wir lachten gemeinsam. Jedoch keine einzige Minute konnte ich davon genießen. Nicht solange Kilian immer noch in meinem Kopf spukte, doch das konnte ich jetzt nicht ändern. Es würde dauern, bis ich darüber hinweg sein würde.
Hektisches klopfen an der Türe ließ uns gleichzeitig zusammen zucken. Ethan öffnete die Türe und plötzlich ertönte Kilians Stimme. „Ist Lyn da? Ich muss mit ihr reden! Sofort!“
Offensichtlich ließ ihn Ethan hinein, denn plötzlich stand er in der Türe und blickte uns fragend an. Er verstand überhaupt nichts.
„Kilian! Hi, was gibt es denn?!“ Fragte ich höflich und lächelte ihn schräg an.
„Ich… Ich bin hier.“
Unverständlich nickte ich. „Das ist wohl offensichtlich. Wolltest du etwas Bestimmtes?“
Plötzlich erschien Luca hinter ihm und hatte ein blutiges Taschentuch in einer Nasenhöhle stecken. Teresa, Sia und ich sprangen gleichzeitig auf und sahen in bestürzt an. „Oh, mein Gott was ist passiert?“ Fragte Sia.
„Bist du gestürzt?“ Fragte ich.
„Oder etwa angelaufen?“ Hängte Teresa noch an.
Erschrocken hob er ab während die Arme. „Ähm, vergesst es einfach. Ist nicht so wichtig.“
Kilian sah schuldig zu Luca und ich zählte eins und eins zusammen. Spinnt er denn?
„Komm, das musst du abwaschen und Kühlen!“ Befahl ich, ging an Kilian vorbei ohne ihn anzusehen und zog Luca ins Badezimmer.
„Mach das mal ab.“ Wortlos ließ er sich von mir helfen und die anderen zogen sich Kilian befragend in mein Zimmer zurück.
„Du musst mit ihm reden, das weißt du doch.“ Meinte Luca plötzlich leise.
Fragend sah ich ihn an. „Wegen gestern Abend? Das hat Zeit. Oder möchtest du eine Schwellung haben?“ Scherzte ich und lächelte.
„Du weißt, dass ich dir nach deinem Blick von vorhin dieses Lächeln nicht abkaufe. Zuerst habe ich es nicht verstanden, doch als er mir dann dafür ins Gesicht geschlagen hat, wusste ich es. Du warst letzte Nacht bei ihm im Zimmer oder?“
Die Sekunden verstrichen und ich starrte einfach weiterhin das Waschbecken an, mit seiner leicht rosa Färbung. Was sollte ich darauf antworten? Luca hat unbedacht etwas gesagt, das mir schmerzen verursacht hat und Kilian schlug ihn einfach dafür. Wieso zum Teufel schlug er seinen Kumpel, wenn er doch selbst eine verpasst bekommen sollte?
„Lyn, ich bin nicht blind und Sia hat es ebenfalls schon bemerkt.“ Sia?
Überrascht blickte ich ihn wieder an. Würde sie etwas zu Kilian sagen? „Schau nicht so überrascht. Sia sieht mehr, als dass sie durchscheinen lässt. Ich kenne Kilian ebenfalls schon sehr lange. Er mag dich, auch wenn er es nicht zugeben würde.“
Ich blieb weiterhin stumm und nahm ein frisches Handtuch. Was sollte ich auch sagen? Was sollte ich überhaupt jetzt denken? Vielleicht war der schmerzvollste Weg der einfachste, denn wenn ich mir ehrlich war, dann würden Kilian und ich uns doch so wie so nur anfahren. Wir würden streiten und versöhnen und das auf die nächste Generation weiter geben.
„Luca, lass es einfach. Es war nicht mehr, als das was es gewesen. Eine Nacht.“ Ich wandte mich um und lief direkt in Kilian. Er hatte es also gehört? Sein Geruch umfing mich und alles von letzter Nacht kam wieder hoch. Der kurze Frieden in unserer eigenen Welt, die saften Küsse, die wilden Minuten, einfach alles. Und trotz allem wollte ich sie sehnlichst zurück. Wollte ihn wieder in meinen Armen.
Ohne ihn anzusehen, schob ich ihn aus dem Weg und drückte ihm das Handtuch in die Hand.
Im Zimmer griff ich sogleich zu meinem Teller und versuchte mich verzweifelt in die Gespräche einzuklinken und mich abzulenken, doch unter Kilians verärgerten Blick wurde daraus nichts, außer eine viel zu langen Zeit die beinahe endlos zu sein schien.
Als endlich auch Sia sich lieblich von ihrem Schatz verabschiedete und Ethan sich mit Teresa höflichkeitshalber zurückzog, blieb ich alleine mit Kilian zurück.
Gähnend schob ich das Geschirr unter mein Bett und betete, dass niemand das Fehlen bemerkten würde. Morgen würden wir es einfach zurückbringen und so tun, als hätten wir es nie geholt.
„Musst du nicht auch langsam ins Bett?“ Fragte ich vorsichtig und tat so, als würde ich etwas in meinem Kleiderkasten suchen.
„Zuerst müssen wir noch wegen letzter Nacht sprechen.“
Ergeben seufzte ich und schloss den Kasten, ohne etwas heraus zu holen. „Gut, aber mach die Türe zu.“
Er sprang regelrecht zur Türe und schloss sie.
„Also, mit was willst du anfangen.“
„Wieso du plötzlich so zickig reagierst, mit dem will ich anfangen.“
Lächelnd nahm ich neben ihm auf dem Bett Platz und lehnte mich an die Wand. „Ich habe einfach nur nachgedacht, du etwa nicht? Oh! Warte, stimmt ja. Du warst ja zu beschäftigt.“ Bemerkte ich spitz und blickte ihn erwartend an.
„Ja, ich hatte ein Mädchen im Zimmer, aber nicht, weil ich mit ihr rumgemacht habe. Sie hatte Probleme mit einer Übung. Ich habe ihr nur geholfen, weil wir in derselben Klasse sind.“
Ich glaube es zwar, doch irgendwie war ich einfach zu verletzt um es einfach beruhen zu lassen. „Oh, ja. Stimmt. So wie letzte Nacht. Ich hatte ja auch Probleme beim Umgang mit dir. Hast du mir also auch nur >geholfen<?“
Er schüttelte den Kopf über den Unsinn. „Nein! Natürlich nicht. Das weißt du genauso gut wie ich.“
„Ich weiß überhaupt nichts. Weder über das typische Verhalten von Elementarern, noch von dir. Ich bin nur zufällig hier gelandet und habe es mir nicht ausgesucht.“
„Hör auf abzuschweifen. Ich will nur von der Sache zwischen uns, vor ein paar Stunden sprechen. Es interessiert mich jetzt nicht, wie du aufgewachsen bist, noch welche Familie ich habe. Ich will nur klar wissen, was du…“ Er verstummte und wandte den Kopf ab. „Wie es zu letzter Nacht gekommen ist.“
Meine Gefühle? Was ich für ihn empfand? Nichts das ich ihm einfach so sagen konnte. „Okay, wenn es so ist… Ich weiß nicht, was ich gerade empfinde. Es ist vollkommen verworren und durcheinander, doch ich weiß, dass ich diese Scheiß Schule absitzen werde und danach in mein völlig ruhiges und Elementfreies Leben zurückkehre.“
Entschlossen wandte ich den Blick ab und erinnerte mich plötzlich daran, dass ich immer noch den Schal trug. Zögerlich griff ich an meinen Hals und warf ihm einen zornigen Blick zu. „Wenn wir gerade beim Thema sind, was sollte das über…“ Kilian war so schnell über mir, dass ich nicht reagieren konnte. Ich konnte mein Gesicht nicht abwenden, noch konnte ich die angehaltene Luft ausstoßen. Er verschloss meine Lippen mit seinen und ich fühlte mich wieder zurückversetzt in die Nacht davor. Wenn es nur jede Nacht so sein könnte. Jede Nacht das alles fühlen zu können. Alleine mit ihm zu sein. Doch wenn ich diese Nacht wieder mit ihm verbrachte… was würde es dann morgen sein? Weshalb würden wir uns morgen streiten, oder übermorgen? Und die andern? Sie würden uns verachten. Selbst wenn es mit uns nicht lange halten würde, selbst dann würde man über ihn reden.
„Nein!“ Ich stieß ihn von mir und kroch wieder aus dem Bett. „Geh jetzt, bitte.“ Mit dem Gesicht zum Fenster gewandt, wartete ich, dass sich seine Schritte entfernten. Als nur Stille einkehrte, drehte ich mich zurück und hielt erschrocken die Luft an. Sein Gesicht war nur Millimeter von mir entfernt und seine Augen leuchteten so grün, wie ein ganzer Wald. Mein Herz raste und ich bekam das Bedürfnis, ihn zu berühren um zu sehen ob er auch wirklich echt ist, stattdessen jedoch, hörte ich meine eigene Stimme fragen „Was empfindest du?“
Über eine Minute sah er mir in die Augen und mein Atem kam nur zögerlich. Was dachte er so lange nach? Wieso sagte er es nicht einfach? Wieso tut er nicht einfach das was ich mir am sehnlichsten wünsche?
Vergessen…
Das plötzliche Gefühl, das etwas anders war als noch vor einem Wimpernschlagerfüllte meinen gesamten Körper. Im nächsten Moment, landete etwas Schweres in meinen Armen und ich blickte in die verwirrten Augen meiner Direktorin. „Was hast du getan?“ Fragte sie vollkommen überfordert.
Ich blickte an mir hinab und erkannte, dass ich die Mappe in der Hand hielt, die ich vor einigen Monaten das erste und letzte Mal in meiner Hand gehalten hatte. Von dieser sah ich wieder auf und konnte es nicht glauben. Ein schlechter Witz… Alles geschah wie bereits einmal. Ich kam mit dem Lift im dritten Stock an und stieg aus. Meine Füße trugen mich wie automatisch meinen Weg zu meinem Zimmer, das ich nun wusste, wo es lag. Vor meiner Zimmertüre blieb ich stehen und blickte zurück. „Kilian…“ Entwischte es meiner Zunge und ein Junge blickte mich verwirrt an.
„Kennen wir uns?“ Die Worte, die ich niemals vergessen würde. Es waren nicht dieselben, wie das erste Mal, als wir uns getroffen hatten. Damals sagte er >Sucht du jemanden? Oder eher etwas<
„Du siehst neu aus. Suchst du jemanden? Oder eher etwas?“
Nickend versuchte ich mich zu erinnern, was ich gesagt hatte, doch im selben Moment in dem ich meinen Mund öffnete um den Satz zu wiederholen, fragte ich mich, ob er mich auch einfach wieder abweisen würde wie beim ersten mal.
„Ich suche mein Zimmer.“
„Welche Nummer?“ Fragte er kurz angebunden und blickte ungeduldig auf sein Handy.
„Nummer… Du bist doch Kilian, oder?“ Fragte ich, da ich hoffte, mich zu irren.
„Natürlich der einzig Wahre. Ich muss dann aber auch. Viel Spaß noch dabei dein Zimmer zu finden.“
Mein Zimmer? Ich blickte zurück, zu der Türe vor der ich stand. Ich hatte sie bereits automatisch gefunden.
Als ich zu ihm zurücksah, war er weg. Verschwunden wie am ersten Tag. Verzweifelt versuchte ich mich zu erinnern, was am ersten Tag passiert war, doch… der Sturz! Gerade als ich ihm nachlaufen wollte, fiel mir ein, dass ich ja bereits meine Türe gefunden hatte, es war nicht nötig ihm aufzuhalten. Unschlüssig öffnete ich die Türe und wusste, dass niemand hier sein würde. Ethan und Teresa würden erst in ein paar Minuten kommen und mich hinunter zur Kantine führen, wo wir auf Sia treffen.
Alles spielte sich Stück für Stück in meinem Kopf ab, als hätte jemand die Zeit zurückgedreht. Ethan und Teresa kamen tatsächlich lachend in unsere kleine Wohngemeinschaft und stellten sich lachend vor. Sie waren wieder begeistert von dem Gedanken, dass ich endlich hier war und mir die Zimmer mit ihnen teilte, stellten mir Sia vor und wir verbrachten einen informativen Tag.
Einen Tag, von dem ich hoffte, dass er morgen vorüber sein würde. Als wir nach dem Mittagessen auf Kilian stießen und Teresa wie vom Erdboden verschwand, hielt ich mich ebenfalls zurück. Ich positionierte mich so, als würde ich hier nur zufällig stehen, und wartete dass Sia und Ethan so schlecht logen, dass ich mir einfach auf die Stirn greifen musste. So süß sie auch als Paar waren, waren sie genauso schlecht im Lügen.
„Wieso kann ich euch das nicht glauben? Ach, ja. Du bist meine Schwester und ich kenne dich. Du mein zukünftiger Schwager und du nervst mich.“ Stellte er fest und ich stieß frustriert die Luft aus. Konnte es denn wahr sein, dass er schon von Anfang an unausstehlich gewesen ist? Hatte ich das etwa verdrängt? „Das ist Lyn, Teresas und Ethans neue Mitbewohnerin.“ Stellte mich Sia vor und ich blickte schockiert zu Kilian. Nein! Wieso?
„Lyn? Ein seltsamer Name.“ Bemerkte er und blickte mich eindringlich an.
„Ja, die Abkürz… Ähm, ja ist eben mein Name.“ Korrigierte ich mich und hackte mich bei Sia unter. „Wolltet ihr mir nicht noch das restliche Areal zeigen? Wo gehen wir jetzt hin?“ Drängte ich sie und Ethan folgte uns verwirrt.
Ich hatte mir gewünscht, dass er alles von uns vergas und nun war es so weit. Ich verstand nicht, wie ich hier her gekommen bin, oder ob ich es auch wirklich gewesen bin, die an dem Zahnrad der Zeit gedreht hat, aber eines wusste ich. Ich durfte Kilian nicht großartig auf mich aufmerksam machen. Denn das war ja mein Wunsch.
Vergessen.

Kapitel VIII

Gelangweilt vom Unterricht, da ich den Stoff der ersten fünf Monate bereits kannte, saß ich in einer Ecke der Schule und füllte mit Bleistift einige Aufgaben zum gefühlten hundertsten Mal aus.
Ah! Wieso verging die Zeit nur so langsam? Ich konnte mich zwar nicht mehr an jedes Detail erinnern, dass ich das letzte Mal gemacht, oder erlebt hatte, doch ich wusste dass die nächsten Tage etwas passieren würde. Aus irgendeinem Grund hatte das letzte Mal mein Privatlehrer Kilian mit zu meinem Einzelunterricht gebracht. Doch dieses Mal würde es nicht so passieren. Dieses Mal, hatte ich keinen Privatunterricht und würde auch nicht danach das erste Mal feststellen, dass ich in Kilian verliebt war.
Nein… Das wusste ich bereits und auch, dass ich mich fernhalten musste. Wann immer er in der Nähe war, suchte ich eine Ausrede um zu verschwinden, wenn er Sia und Ethan besuchte, was durchaus dieses Mal häufiger passierte als beim letzten Mal.
Ironisch dachte ich daran, wie dumm ich eigentlich war. Ich hielt mich absichtlich fern und doch schien es, als würde er plötzlich überall sein.
Frustriert schüttelte ich den Kopf und radierte die Lösungen wieder weg. Ist doch egal, ob es mir so vorkam oder nicht. Ich hatte die Chance alles anders zu machen, also tat ich es auch.
Ich packte meine Sachen ein und im selben Moment, hörte ich lautes Geschrei und Jubel. Überrascht musste ich lächeln. Jetzt würde bestimmt gleich mein Privatlehrer auftauchen und die Meute auseinanderhalten.
Neugierig geworden stellte ich mich auf den Anfang des Ganges und wartete, dass er erschien, als er nicht kam, und ein großer Krach erklang, machte ich mir doch etwas sorgen. Wieso kam er nicht? Er müsste doch hier vorbei kommen.
Verdammt, natürlich kam er nicht vorbei, da er jetzt keine Stunde mit mir hatte! Deshalb wartete er nicht auf mich und hörte nicht zufällig das Geschrei. Verärgert ließ ich meine Tasche stehen und nahm mir vor selbst der Sache auf den Grund zu gehen. Zwar bin ich kein Lehrer und hatte keine Autorität, doch mit meinem Element konnte ich sicher etwas für Verwirrung sorgen, besonders da mich jetzt noch niemand kannte.
Zwei Biegungen weiter stand ich vor einem der Klassenzimmer der Elementgruppe Erde. Fragend bahnte ich mir einen Weg durch die Menge an Leute und spürte plötzlich einen unangenehmen Druck auf mir. Jemand benutzte sein Element? Mitten in der Schule? Nach dem Unterricht? Ich griff instinktiv zu meinem Element und errichtete eine kleine Barrikade vor mir, damit das Element Erde nicht zu viel auf mir lastete.
Als ich endlich im Zentrum des Tumults angekommen war, erkannte ich Liam und Kilian, wie sie sich gegenseitig ihr Element um die Köpfe schlugen. Woher hatte Liam nur Wasser? Ich sah eine am Rand liegende Wasserfalsche und konnte Zorn in mir spüren.
„Kilian! Liam! Hört sofort auf! Ihr dürft hier keine…“ Ich wurde zur Seite gestoßen und jemand murmelte >Spielverderberin< Ich erkannte Luca, der vollkommen begeistert von dem Kampf zu sein schien.
„Na wartet!“ Knurrte ich verärgert und erzeugte einen Luftzirkel an der Decke. Langsam ließ ich ihn herunter gleiten und riss die beiden Jungs auseinander. Sie prallten stärker als geplant gegen die Spinde, die an den Wänden standen und stöhnten erschrocken auf. Kilian konnte ich zwar noch etwas bremsen, doch Liam traf es hart.
Sofort rannte ich zu ihm, doch er rieb sich nur lachend den Kopf.
„Alles in Ordnung? Hast du dir stark wehgetan?“
Lächelnd blickte er zu mir auf. „Nein, nein. Aber wieso musstest du uns unterbrechen? Jetzt war es gerade lustig.“
Verärgert schnippte ich ihm gegen die Stirn und sein Lächeln änderte sich zu Verwirrung. „Stellt euch nicht an wie Kindergartenkinder. Hätte euch ein Lehrer erwischt, dann könntet ihr jetzt erst etwas erleben!“ Schimpfte ich und kam mir dabei bescheuert vor. Erst jetzt glitt mein Blick zu Kilian. „Und was ist mir dir? Hast du dich verletzt?“
Er schüttelte den Kopf und half Liam auf die Beine.
Plötzlich erklang hinter uns eine strenge Stimme. „Was ist hier los?“ Die meisten Schüler verschwanden durch andere Gänge und nur ein paar wenige blieben zurück.
Plötzlich stand die Direktorin und zwei andere Lehrer vor uns und alle drei hielten ihr Element direkt unter der Haut.
Die Augen der Direktorin leuchteten lila, wie meine. Die der beiden anderen Lehrer grün, wie die von Kilian.
Nur Liams Augen waren noch immer Türkise für das Element Wasser. Wieso fiel mir das erst jetzt auf? Ich hatte immer angenommen, dass er ebenfalls Erde beherrscht.
„Wieder einmal typisch. Hutson und Eston. Was beschafft uns dieses Mal die Ehre, euch bestrafen zu dürfen?“ Fragte die Direktorin beinahe spöttisch.
Passierte das etwa öfter? Ich hatte sie eigentlich noch nie streiten gesehen.
„Das Übliche, Frau Hemsen. Natürlich das weibliche Geschlecht!“ Scherzte er und bekam eine Windböe gegen den Hinterkopf. „Jetzt ist keine Zeit für Scherze Herr Eston. Bewegen Sie und Herr Hutson sofort Eure Ärsche in mein Direktorat!“ Brüllte sie plötzlich verärgert. Ich wusste nicht recht weshalb, doch… „Entschuldigen Sie, Frau Direktorin Hemsen. Die beiden können nichts dafür. Ich bin alleine Schuld. Ich wollte einmal sehen, wie das traditionelle Krasim funktioniert.“ Redete ich die beiden heraus.
„Und die beiden haben es ihnen vorgeführt?“ Fragte sie skeptisch.
„Ja, ich habe sie dazu bestochen, weil ich fürchterlich neugierig bin. Bitte bestrafen Sie mich und nicht die beiden. Sie sind nur dumme Jungs, die mich beeindrucken wollten.“ Traurig senkte ich den Kopf und war mir sicher, dass sie es mir glauben würde.
„Gut, wenn das so ist. Dann erwarte ich sie drei, um punkt sechs Uhr in dem Büro der Hausmeister. Dort wird man Ihnen dreien das nötige Putzzeug zur Verfügung stellen. Das ganze Monat, werdet ihr die Fenster putzen, sämtliche Spiegel schlieren frei reinigen und die Holzböden wachsen. Viel Vergnügen.“ Sie drehte sich um und die anderen beiden Lehrer folgten ihr. Aber… Ein Schlag an meinem Hinterkopf ließ mich zusammen zucken.
„Au!“
„Bist du wahnsinnig! Wieso sagst du so etwas? Jetzt bist du auch mit dran!“ Beklagte sich Liam.
„Entschuldigte, wenn ich euch beide beschützen wollte!“
Nun bekam ich ebenfalls eine von Kilian. Empört blickte ich zu ihm. „Als hätten wir deinen Schutz gebrauch! Sie wusste ja nicht einmal, was wir getan haben. Wir hätten sagen können, dass wir versucht haben, eine Pyramide aus Leuten mitten im Gang zu bauen, oder dass wir sonst was gemacht haben. Aber da du ja unbedingt das Krasim erwähnen musstest, war es klar, dass wir die Elemente benutzt haben.“
Hm… da war wohl etwas Wahres dran. Also war ich selbst schuld, dass ich mit den beiden jetzt einen ganzen Monat putzen musste. So viel zum Vergessen…
Entschuldigend blickte ich die beiden an. „Entschuldigt, ich habe nicht nachgedacht.“ Liam klopfte mir freundschaftlich auf die Schulter und Luca erschien ebenfalls neben uns.
„He, du hast es ja nur gut gemeint. Mach dir nichts daraus. Es gibt alle paar Monate irgendwelche Vollidioten, die alle Fenster putzen müssen.“ Kicherte er und fing sich eine von Kilian ein.
„Du kannst uns ruhig helfen.“
Luca hob ab während die Hände. „Danke, ich verzichte. Ich bin nicht so eine Märtyrerin wie eure liebe Freundin hier.“ Kicherte er und deutete auf mich.
Danke… Murrte ich innerlich und verabschiedete mich einfach. „Ich muss mich noch umziehen, bevor ich zur Fensterputzsklavin werde.“ Scherzte ich und lief zum Wohngebäude zurück. Dort erklärte ich kurz, was passiert ist und sie wünschten mir viel Spaß.
Beleidigt zeigte ich ihnen die Zunge, doch lächelte dabei. Es musste ja so kommen, oder? Beim ersten Mal hatte ich es ebenfalls nicht geschafft mich von Kilian fernzuhalten und jetzt war ich kurzerhand wieder in seine Nähe gezwungen worden. Vielleicht, wenn ich es schaffte, dass er mich hasst wie Teresa…
Teresa! Beim ersten Mal, war es so, dass ich diejenige war, die Teresa und Kilian zur Versöhnung überredet hatte. Sollte ich es noch einmal tun? Um den Frieden der beiden willen?
Kopfschüttelnd machte ich mich zurück auf den Weg zum Büro der Hausmeister. Auf diesem riesigen Gelände wunderte es mich sogar etwas, das mir noch nie einer aufgefallen ist.
„Ah, da ist ja unsere Retterin!“ Scherzte Liam und legte mir eine Hand auf die Schultern. Überrascht lächelte ich zu ihm hoch. Liam war immer noch so unglaublich nett zu mir. Es war schön zu wissen, dass er doch ein Freund von mir war, auch wenn alles von neuen begonnen hatte.
„Hallo, Liam. Kilian…“ Kilians Namen, sagte ich nicht so begeistert und wartete, dass der Lift herauf fuhr.
„Sag mal, wie heißt du eigentlich? Und wieso kennst du meine Namen?“
Ähm… gute Frage. „Ich habe einfach ein gutes Namensgedächtnis. Ich habe schon öfters die Namen von dir und Luca bei anderen Mädchen gehört.“ Nun, ja vielleicht nicht die originellste Ausrede, doch ich musste mir auch keine Namen ausdenken, oder falsche Fährten legen, denn ich tat einfach so, als dürfte ich die Namen nicht sagen. Erleichtert, vor Liams Fragen endlich gerettet zu sein, klopfte ich an die Bürotüre, die sich im Lehrer Wohnheim befand.
„Ah, da sind ja unsere Straftäter. Wird auch Zeit, dass mal wieder jemand etwas anstellt. Die Fenster am Dachboden verstauben schon fast.“
Wie gemein!
„Ja, also wo dürfen wir anfangen?“
„Wir haben euch schon Leiter auf den Dachboden getragen. Ich denke, mit denen werdet ihr heute noch fertig. Ihr arbeitet bis um neun und dann dürft ihr die Sachen hier neben der Türe wieder abstellen. Wasser findet ihr auf jedem Gang, das wisst ihr ja.“
Wir bekamen Tücher, einen Besen für Spinnenweben und noch einige Putzmittel, die einen Totenkopf abgebildet hatten.
Ich stopfte die giftigen Mittel in meine Tasche und die Jungs nahmen den Rest.
Oben angekommen war ich negativ überrascht. Der Dachboden stellte sich als eine riesige Rumpelkammer heraus. Er reichte über das ganze Hauptgebäude und hatte sehr viele bereits stark verstaubte Fenster.
„Ich beginne mit den Spinnenweben.“ Erklärte ich. Die Jungs derweilen rätselten, was sie mit den restlichen Mitteln anfangen sollten. Ich wusste es, doch hatte kein Interesse daran, mehr Zeit als nötig mit Kilian zu verbringen.
Als ich sämtliche Spinnweben hinunter gekehrt hatte, waren die beiden gerade erst beim ersten Fenster und verschmierten mehr, als nötig.
Frustriert erklärte ich ihnen, dass sie erst den Staub hinunter kehren müssen. „Wartet, ich schau einmal, ob ich etwas unter dem ganzen Müll finde, was wir benutzen können.“ Nach wenigen Minuten fand ich auch schon eine alte Sprühflasche. Sie war zwar etwas verstopft, doch mit etwas Druck von meinem Element bekam ich es frei. „Hier, mischen wir hier etwas mit Wasser.“ Nachdem wir ein effektives Sprühmittel zusammen gemischt hatten, sprühte Liam Wasser auf die verstaubten Fenster und wischte den Staub ab, damit wir es mit den speziellen Fensterputzmitteln reinigen konnten. Leider zwang mich das, näher mit Kilian zusammen zu arbeiten.
Ich vermied jedes Gespräch und einige Stunden später waren wir auch schon fertig. Sogar Früher als geplant. Wir packten alles zusammen und stellten es wie gefordert neben der Bürotür ab.
Am nächsten Tag, trafen wir uns wieder um die gleiche Uhrzeit vor dem Büro.
„Wir haben gesehen, dass ihr Eure Aufgabe ausgesprochen ernst genommen habt. Mal sehen, wenn ihr die restliche Woche auch noch so fleißig und sorgsam arbeitet, dann sprechen wir mit der Direktorin, dass sie die Strafe früher beendet.“ Versprachen uns die Hausmeister.
Wie hatten wir das nur geschafft? Die anderen vor uns mussten ja wirklich schleißig gewesen sein.
Als Nächstes wurden wir in den Keller geschickt um dort Staub zu wischen und zusammenzuräumen. Für diese Aufgabe benötigten wir zwei Tage, doch das Resultat ließ sich sehen.
„Wir sind echt die Größten.“ Bemerkte Liam. Wir gönnten uns gerade auf der Treppe eine Pause und bestaunten unser Werk.
Kilian saß hinter mir, also sah ich seine Gestik nicht. „Wir müssten den Scheiß aber nicht machen, wenn uns jemand nicht verpetzt hätte.“
Wie jeden Tag ignorierte ich seine Worte. „Wir sollten eine Putzfirma aufmachen. Wir könnten sich er viel Geld verdienen.“ Scherzte ich und sah hinunter zu Liam, der sich zu uns umdrehte.
„Gib mal deine Hände her.“ Ich streckte sie ihm hin, ohne nachzudenken, und bekam ein beklemmendes Gefühl. „Solche schönen Mädchenhände, sollten aber nicht zu viel mit Putzmittel in Berührung kommen. Willst du denn keine Handschuhe anziehen?“
Kopfschüttelnd lehnte ich ab. „Danke, aber ich bin nicht so pingelig wie eine Tussi wie du.“
Empört sog er die Luft ein und sprach übertrieben hoch. „Also wirklich, solche perfekten Nägel wie meine müssen doch geschont werden. Du bist doch ohnehin nur neidisch!“
Lachend stieß ich ihn leicht in die Seite. „Du bist ein Idiot.“
„Nein, er ist eine Tunte.“ Scherzte Kilian und ich blickte gespielt überrascht zu ihm hoch.
„Was? Spannst du etwa? Du Perversling.“
Er streckte mir beleidigt die Zunge heraus. „Da spann ich lieber bei Mädchen, als bei einem Idioten wie ihm.“
„Oh, er ist ja doch ein Kerl!“ Witzelte Liam und fing sich einen Schlag ein. Da ich zwischen ihnen saß, kam mir Kilian viel zu nahe und sein Geruch ließ mein Herz unnatürlich schlagen. Die Sehnsucht packte mich so stark, wie bereits vor meiner ersten Zeit hier. Offenbar konnte ich zwar die Zeit zurückdrehen... jedoch vergessen wollte mein Körper ihn trotz allem nicht.
Als er sich zurücklehnte, blickte er mich verwirrt an. „Was ist?“
„Nichts, ich war nur überrascht.“
Mit einem spöttischen Lächeln lehnte er sich wieder zu mir vor und war nur wenige Millimeter von mir entfernt. In seinen dunklen Augen spiegelten sich abermals mein lila. Fasziniert konnte ich den Blick nicht abwenden.
Sein Mund öffnete sich, als würde er etwas sagen wollen, doch schloss ihn stumm wieder. Was ist das nur? Dieser Blick und seine Verwirrung. Ich hatte das alles schon einmal erlebt. „Lass diesen Blick.“ Murrte Kilian, als er sich zurücklehnte und die Stiegen hinauf blickte.
Der Blick? War es also dieser, mit dem alles begonnen hatte? Und fing es schon wieder von vorne an?
Zittrig und voller unsinniger Fragen stand ich auf und lief die Stiegen hinauf. Als ich die Türe öffnete, blickte mich einer der Hausmeister verwirrt an. „Ah! Seid ihr schon fertig?“
Ich nickte und schnappte meine Tasche. „Ja, entschuldigen Sie, aber ich muss noch für einen wichtigen Test lernen.“ Entschuldigte ich mich und lief zurück ins Wohnheim. Nein! Nein! Nein!
Ich machte doch das alles nicht durch, nur um dann wieder vor derselben Frage zu stehen. Wie standen wir zueinander?
Am nächsten Tag war alles wieder wie gewohnt. Wir trafen uns beim Büro und wurden sofort für ein Klassenzimmer eingeteilt, dessen Holzboden wir reinigen sollten. Zuerst fingen wir ganz unten an, damit wir dort die Tische und Stühle stapeln konnten.
„Okay, höher komme ich wirklich nicht mehr!“ Beklagte sich Kilian. Lächelnd sah ich hinunter und stellte den Sessel ab, den ich gerade hatte stapeln wollte. „Wie wäre es mit einem kleinen Zaubertrick?“ Fragte ich spöttisch und zwinkerte verschwörerisch.
„Du meinst Element?“
Ich nickte. „Natürlich.“
„Ich halte Wache, dass niemand kommt.“ Gab Liam bekannt und lief die Treppe hinauf um uns einen Wink zu geben.
„Okay und wie hast du dir das gedacht?“
„Gib mir einfach die Tische hoch.“ Ich übernahm die Kontrolle über mein Element und ließ mich hinauf schweben. Zwei Meter waren mittlerweile ein leichtes für mich. Aber hier musste ich vermutlich sogar etwas höher. Überrascht vom Gewicht des Tisches, kam ich etwas ins Stolpern.
„Pass bitte auf! Du brichst dir noch alles.“ Mahnte mich Kilian. Verärgert hievte ich den Tisch hoch und kippte ihn auf die anderen. „Tu nicht so als würde es dich sorgen.“
„Sicher tut es das, sonst müssen wir den ganzen Unsinn alleine machen.“
Ich ergriff den Nächsten und fluchte innerlich. Wurden die Tische nicht leichter? „Ach, was. Das hättet ihr euch überlegen sollen, bevor ihr zum Streiten anfängt.“
„Du hast uns ja verpetzt, schlussendlich.“
„Ich wollte euch helfen, du Idiot!“ Schrie ich ihn an und kämpfte mit dem Gleichgewicht. Kilian lenkte mich definitiv zu viel ab. Konnte er es nicht einfach auf sich beruhen lassen?
„Als hätte ich dich um Hilfe gebeten und jetzt muss ich jeden verdammten Tag, mit dir verschwenden. Denkst du, mich nervt es nicht hier zu sein?“
„Woher soll ich es denn wissen, was dich nervt, oder nicht. Sehe ich etwa aus wie Teresa, oder Sia? Ich kenne dich nicht einmal richtig.“
„Sia ist meine Zwillingsschwester, sie hat überhaupt nichts mit dir zu tun, und Teresa kennt mich ebenfalls nicht mehr!“ Beklagte er sich und ich gab auf.
„Das ist aber auch deine eigene Schuld! Denkst du, Jahre lang auf jemanden angefressen zu sein, der sich so wie so entschuldigt hat und seine Tat bereut, ist…“ Ich grummelte ärgerlich vor mich her. „Du bist einfach fürchterlich kindisch! Kein Wunder, dass man es nicht lange mit dir aushält. Sia ist so wie so die ärmste, sie muss dich lieben, weil sie deine Schwester ist.“
In einem Moment wollte er noch etwas verärgert erwidern und im nächsten war er verwirrt. „Moment, weißt du etwa, was Teresa getan hat.?“
Erschrocken hielt ich mir den Mund zu. Ich bin ja so dumm! „Ist doch egal, oder?“
„Nein, ist es nicht. Wer hat es dir gesagt? Sia oder Teresa?“
„Leute! Es kommt jemand.“ Liam kam die Stufen hinunter gerannt und schnappte sich ein Tuch. Kilian zog mich aus der Luft und fing mich auf.
Überrascht landete ich in seinen Armen und wusste nicht, was ich tun sollte. „Stell dich auf den Tisch und tu so, als würdest du schon ganze Zeit darauf stehen.“ Er setzte mich auf dem von ihm erwähnten Tisch ab und ich rappelte mich auf. Kilian hielt mir einen Tisch hin und ich hielt ihn fest, bis er zu mir hochkletterte.
„Ich sagte doch, dass es sich nicht mehr ausgeht!“ Rief Kilian lauter als nötig. Verwirrt sah ich ihn an, als hinter uns auch schon eine Stimme erklang. „Na, wie weit seid ihr?“ Fragte der Hausmeister, welcher sich bloß um die Ecke lehnte.
„Wir ärgern uns noch mit dem Stapeln.“ Beschwerte sich Kilian und lachte.
„Dann lasst das derweilen. Poliert zuerst die eine Hälfte und später die andere.
„Aber das würde bis morgen dauern. Wenn wir heute alles polieren, können wir morgen schon wieder alles zurückstellen.“ Korrigierte ich.
„Aber dann wärt ihr morgen fertig. Lasst euch bitte einfach Zeit!“ Damit ging er wieder und ließ uns alleine.
„Was meint ihr? Sollen wir es auf drei Tage machen?“ Fragte Liam und blickte sich nicht sonderlich begeistert um. „Den Raum braucht bis Montag niemand, also können wir uns auch Zeit lassen.“ Meinte Kilian und ließ den Tisch los.
„Dann wäre das entschieden.“ Stellte ich fest und wir fingen an, auf den Boden zu kriechen und uns von unten nach oben zu arbeiten, damit wir nicht noch einmal hindurch gehen mussten.
Als wir fertig waren, ließen wir die Putzmittel einfach im Raum und gingen wie immer um neun.
Am nächsten Tag, trafen wir uns direkt vor dem leeren Klassenzimmer. „Hallo Liam.“ Begrüßte ich ihn. Er stand alleine dort, und schien etwas ungeduldig zu sein.
„Hallo, Lyn. Heute fangen wir wohl alleine an.“
„Alleine? Wieso? Was hat Kilian schon wieder angestellt?“ Witzelte ich und wir fingen an die Tische wieder herunter zu stapeln und zurückzustellen.
„Weiß nicht genau. Er meinte, er kommt etwas später. Hat wohl noch etwas zu erledigen.“ Nickend nahm ich das zur Kenntnis und wir stellten derweilen alles alleine zurück.
Kilian kam erst eine Stunde später zu uns hinzu, was mich etwas ärgerte, aber ich sprach ihn nicht darauf an. Er konnte ja später länger bleiben, beruhigte ich mich selbst und arbeitete mit Liam.
„He, sag mal. Läuft da etwa zwischen euch?“ Die Frage kam so unvermittelt, dass ich den Stuhl wieder fallen ließ, den ich gerade angehoben hatte und er landete auf meinem Bein. Mit einem Aufschrei sprang ich rückwärts und landete ziemlich unelegant auf meinem Hintern. Verdammt… mein Herz raste, als wäre es ein Güterzug.
„Schon gut, nichts passiert, mach ruhig weiter.“ Beruhigte Liam Kilian, der lauthals lachte.
Etwas beleidigt, kam ich wieder hoch und richtete meine Kleidung. „Entschuldige, ich weiß es steht mir nicht zu fragen.“
„Nein! Nein, nein, nein. Schon gut.“
„Das waren etwas viele nein, meinst du nicht auch?“
Liam… was tust du mir an? „Was? Überhaupt nicht. Ich halte ihn für einen übertriebenen Egomanen und einen Miesepeter. Ich könnte mir wesentlich angenehmere Zeitgenossen vorstellen.“
Liam kicherte und nahm mir den Stuhl ab. „Okay, entschuldige das ich gefragt habe. Kaum hatte ich den Gedanken, ist er auch schon herausgerutscht.“
Kumpelhaft legte ich ihm eine Hand auf die Schulter und tätschelte sie. „Keine Sorge, auf der Liste, meiner Lieblings-Jungs, kommst du gleich nach Ethan.“
Laut lachend, drehte er sich zu mir und schüttelte den Kopf. „Eine Liste? Tatsächlich? Und ich bin auch noch an zweiter Stelle, wie lieb von dir. Liegt das etwa daran, dass ich einer der wenigen Jungen, abgesehen von Ethan, bin, mit denen du sprichst? Denn ich habe dich bisher nie mit anderen Leuten als Sia, Teresa, Ethan, Kilian und mir gesehen.“
Ich wollte noch Luca erwähnen, doch verkniff es mir. „Na, ja. Vielleicht können wir ja unsere Gruppe einmal vermischen. Dann müsste ich nicht immer zwischen der Sia-Teresa-Ethan-Gruppe und der Liam-Kilian-Gruppe pendeln.“
Lachend stimmte er dem zu. „Dann… morgen in der Mittagspause?“
Ich nickte begeistert. „Okay, in der Allee?“
„He, dort sind Luca, Kilian und ich immer, stoßt einfach zu uns.“
Unweigerlich fiel ich in meinen alten Trott wieder hinein. Manches war tatsächlich unausweichlich. Vielleicht mussten bestimmte Ereignisse erst geschehen, damit andere folgen konnten?
Während ich darüber nachdachte, ging ich zu meiner Tasche und trank etwas. Ich war jedoch so in Gedanken, dass Kilian erst mit der Hand vor meiner Nase winken musste, damit ich registrierte, dass er hier war. „Was? Was ist denn?“ Fragte ich verärgert, dass er mich schon wieder stört.
„Ich wollte mich eigentlich nur bedanken.“
Bedanken? Jetzt ritt er aber endgültig gegen eine Wand, oder?
„Was meinst du? Ich wüsste nichts, was ich getan haben könnte, dass du mir… dankbar… sein… Was hast du getan, Killian?“ Eine unheimliche Vorahnung keimte in mir. Bitte, nicht!
„Ich? Ich habe nichts getan, ich… habe nur irgendwie deinen Rat befolgt.“
Okay, jetzt war ich mir sicher, wo es hinführen würde. „Verdammt, sag nicht du hast mit Teresa gesprochen und etwas Dummes gesagt!“ Schrie ich ihn an.
„Nein… also, ja vielleicht etwas Dummes, aber ich denke wir haben und…“
„Toll! Danke! Und ich kann es zum zweiten Mal ausbaden! Du kleines Egoistisches…“ Ich holte tief Luft, um mich zu beruhigen, und packte meine Tasche wieder ein. „Liam, ich gehe früher, sagt dem Hausmeister… weiß nicht, sagt ihm, ich hatte zu starke Regelschmerzen, oder so etwas wo er nicht nachfragt.“
Ich lief los und ließ einen verstörten Kilian und einen verwirrten Liam zurück. So schnell mich meine Beine trugen, lief ich zum Wohnheim der Lehrer und blieb in der Türe stehen. Mehrere Lehrer hatten sich bereits um das aufgebrochene Schloss der Vorratskammer versammelt.
Nein! Verfluchte Ereignisse! Wieso musste ich auch damit Recht haben? Dass Kilian mir das ein zweites Mal antat, dafür würde er leiden müssen.
Noch bevor sie mich sahen, machte ich kehrt und lief in die Region des Waldes. Ethan hatte doch erwähnt, dass er sie dort gefunden hatte, oder beschützt? Irgendetwas, ich konnte mich nicht mehr richtig daran erinnern, da mir die Nacht, mit Kilian stärker im Gedächtnis geblieben war.
Es dauerte beinahe eine Stunde, bis ich die beiden fand. „Idioten! Was denkt ihr euch eigentlich? Ihr müsst sofort ins Wohnheim, bevor sie die Suche ins Innere verlegen!“ Schrie ich die beiden an.
Ethan, der gerade Teresa vom Boden aufhob, blickte mich verwirrt an. „Lyn? Was machst du hier?“
„Was denkst du denn? Natürlich eure Ärsche retten. Trag bitte Teresa zurück.“
„Und was machst du?“
„Ich verstecke die Flasche, natürlich.“
Ethan hob Teresa auf seine Arme und blickte mich erwartend an. „Kommst du nicht mit?“
Verneinend schüttelte ich den Kopf. „Nein, ich kann nicht. Okay und jetzt hör mit ganz genau zu.“ Ich ließ den Abend noch einmal Review passieren. Es musste genauso geschehen, wie ich es in Erinnerung hatte, sonst würde man Teresa erwischen und mich genauso als Mittäterin. „Wenn Sia zu euch ins Zimmer kommt, wird sie euch etwas sagen. Du wirst danach sofort Teresas Kopf mit kaltem Wasser im Waschbecken waschen, damit sie etwas Nüchterner wird und so aussieht, als käme sie erst vom Duschen. Sia, soll meine Sachen anziehen und sich für mich ausgeben. Hast du das jetzt ganz genau verstanden?“
Er schüttelte den Kopf und ich wiederholte es. „Lyn, Stopp, ja ich habe die Sätze verstanden, aber es ergibt keinen Sinn.“
„Das ist nicht wichtig. Wichtig ist, dass du es genauso machst, sonst sind wir alle vier dran, hast du das verstanden? Bitte vertrau mir, ich werde euch morgen, versprochen alle erklären!“
Nickend ging er los und trug sie zurück. Mist! Wie sollte ich das denn erklären? >Entschuldigt, aber ich habe mal kurz eine Zeitreise gemacht, damit sich Kilian nicht in mich verliebt und es nicht zu kompliziert für uns beide wurde< Ja, klar. Das würden sie mir bestimmt glauben.
Wichtig war es, zu aller erst ein gutes Versteck zu finden, und das war definitiv an einem Ort, an dem die Lehrer schon gesucht haben. Das Lehrerwohnheim! Ich lief dorthin zurück und lauschte, wie sie weiter vorgehen würden. Tatsächlich begannen drei Lehrer von oben nach unten das Schüler Wohnheim zu durchsuchen. Ein Vierter würde unten stehen und kontrollieren, wer zu spät kam, oder das Heim verlassen wollte. Der Rest der Lehrerschaft, bewegte sich kreisförmig um die Gebäude und durchsuchen das Areal.
Die ersten Taschenlampen gingen an und ich versteckte mich in Hecken. Hier würde zumindest vorerst niemand suchen.
Die Stunden strichen an mir vorbei und ich betete, dass Sia unser Zimmer erreicht hatte und Ethan das tat, was ich sagte. Mein Kopf brummte höllisch von den ganzen Gedanken, die mir durch den Kopf schwirrten. Ich brauchte jemanden, der mir erklären konnte, was ich getan habe und wieso alles noch einmal genau gleich passierte. Dringend!
Als Stimmen wieder in meiner Nähe erklangen, huschte ich aus dem Gebüsch und lief zurück zum Wald. Ich war mir sicher, dass sie ihn als Erster durchsucht hatten. Und ich wurde nicht enttäuscht. Die letzten Gruppen verließen gerade den Wald und gingen zur Allee, die gleich daneben lag. Mit rasendem Herzen wollte ich in den Wald laufen, doch wurde kurzerhand hinter Mülltonnen gezogen.
Mit hektischen Atem, betete ich, das mein Herz sich irrte. Es konnte einfach nicht wahr sein. Es passte überhaupt nicht. So sollte es nicht passieren!
„Sei leise.“ Flüsterte eine wohl vertraute Stimme an meinem Ohr und seine Hand deutete auf eine letzte Gruppe, die den Wald verließ, ohne Taschenlampen. Ich wäre ihnen direkt in die Arme gelaufen.
Als sie in einen kleinen Golfwagen stiegen und zu den Gebäuden zurückfuhren, ließ Kilian mich los. „Komm, wir müssen uns beeilen.“
Er nahm meine Hand und zog mich mit sich auf. So schnell wie ich konnte, folgte ich ihm in den Wald. Erst als wir beinahe an der Mauer ankamen, die die sengende Wüste und unser selbst erschaffenes Reich trennte, blieben wir stehen.
Keuchend ließ ich mich in seine Arme fallen und drückte ihn dankbar. Wie war das nur möglich? Eigentlich hätte ich ihm doch am Gang über den Weg laufen sollen und er mich beschützten. Aber jetzt war er hier! Bei mir!
„Lyn? Ist alles in Ordnung? Sie sind weg.“
Ich nickte in seinen Armen und vergrub mein Gesicht in seiner wohlriechenden Jacke. Niemals wollte ich dieses Gefühl mehr vermissen. Ich wollte ihn an meiner Seite haben, seine Nähe spüren… „Kilian… Es tut mir so leid. Es ist alles meine Schuld!“ Schluchzte ich und spürte, wie er mit mir zu Boden sank.
„Ist gut, ich bin ja hier…“
„Und genau das verstehe ich nicht. Wieso? Wieso bist du so ein Idiot und bist hier?“
„Wieso versteckst du dich mit einer Alkoholflasche, für die du doch nichts kannst?“ Stellte er als Gegenfrage und ich schlug ihn auf die Schulter. Lachend blickte ich zu ihm hoch und wischte mir Tränen aus den Augen.
„Du bist unverbesserlich!“ Beschimpfte ich ihn halbherzig.
Sein Blick wurde ebenfalls weicher und er umarmte mich fester. „Sagt die, die vollkommenen Unsinn redet.“ Ich nickte und setzte mich besser hin, sodass er mich völlig einschloss.
Killians Arme und Beine lagen um mich und wärmten mich. Nachts wurde es sehr kalt, damit die Schüler nicht auf die Idee kamen draußen zu übernachten. Jedoch sank die Temperatur höchstens auf fünf Grad, doch dank der Hitze tagsüber, war es fürchterlich unangenehm.
„Sia hat mich angerufen und gefragt, ob du bei uns bist. Wieso hat sie das?“
Sie hat ihn angerufen? „Warte! Ist Sia bei Ethan und Teresa?“
„Ja, sie sagte, dass du seltsam warst und Ethan gesagt hast was sie tun sollen. Die Lehrer haben es ihnen tatsächlich abgekauft, so wie du sagtest und… dann hatte sie das Gefühl, als sollte sie mich anrufen.“
Ein Frösteln, das nichts mit der Temperatur zu tun hatte, durchlief mich. „Was hast du gesagt?“
„Ich habe sie ausgelacht… Aber, es war seltsam. Kaum habe ich aufgelegt… Ich konnte einfach nicht schlafen und die Lehrer sind bereits im untersten Stockwerk gewesen und plötzlich… war ich einfach auf der Straße und sah dich hinter die Mülltonnen springen.“ Hätte ich mich umgedreht, hätte ich ihn also noch gesehen, oder jemand anders hätte mich erwischt. Ich konnte von Glück sprechen, das er hier war.
„Und jetzt bist du hier…“ stellte ich fest und er drückte mich fester an sich.
„Ja… es ist seltsam, oder?“
Ich nickte und sah zu ihm auf. Seine braunen Augen ruhten auf mir und ich fühlte mich wieder, als wären wir in seinem Zimmer und würden kuscheln.
„Was ist?“ Fragte er grob und wandte sein Gesicht ab. Durch die Schatten, welche die Bäume warfen, konnte ich nicht sagen, ob sein Gesicht rot ist, aber ich konnte es mir sehr gut vorstellen.
„Nichts… es…“
„… fühlt sich vertraut an?“ Flüsterte er und beendete meinen Satz. Sofort begann mein Herz wie wild zu hämmern.
„Kann ich dich etwas fragen?“
„Natürlich, solange es nichts Nerviges ist.“ Lachend ließ ich meinen Kopf auf seine Schulter zurücksinken und dachte erst gut über meine Worte nach, bevor ich meine Frage stellte.
„Kilian, denkst du… dass, wenn man durch die Zeit zurückreisen würde, sich alles noch einmal genauso wie beim Ersten mal wiederholt?“
Kilian schnaubte lachend. „Hypothetisch gesprochen?“
Ich nickte.
„Dann würde ich sagen… das sich bestimmte Ereignisse vielleicht… verändern lassen, aber das Ergebnis doch gleich bleiben würde.“
Das Ergebnis? „Was meinst du damit?“
„Zum Beispiel… nehmen wir einfach einmal diese Situation hier. Sagen wir Teresa möchte sich mit der Flasche umbringen. Du schaffst es in der Zeit zurückzureisen und schneller als sie zu sein und ihr die Flasche wegzunehmen. Sie würde einfach eine andere nehmen, oder zufällig vor ein fahrendes Auto laufen, ein paar Tage später. Wenn etwas passieren soll, dann kann man es vielleicht aufschieben, aber nicht verhindern.“
Aufschieben, aber nicht verhindern...
Das bedeutete also, dass diese Nacht, in der ich mit Kilian kuscheln, passieren sollte. Obwohl ich versucht habe ihn davon abzuhalten mir zu nahe zu kommen. Ich hatte ihn weggestoßen und trotzdem sind wir zusammen an einer Bestrafung gelandet. Wir haben geredet, und jetzt saßen wir hier. Das bedeutete also… in zwei Monaten würde ich wieder mit ihm schlafen? Eine Reihe von Ereignissen, die sich zwar aufschieben haben lassen, aber nicht verhindern… Drei oder vier Tage zuvor hätte Kilian mit ihr sprechen sollen, nach diesem Kampf, doch ich hatte es aufgeschoben.
„Ja, vermutlich lässt sich manches tatsächlich nicht verhindern.“
„Denkst du eigentlich an etwas bestimmtes?“
„Nein…“ Log ich und schloss meine Augen. „Aber… du solltest eigentlich nicht hier sein.“ Wiederholte ich flüsternd.
Er hörte es trotzdem. „Aber ich kann jetzt auch nicht zurück, sonst erwischen sie mich auch.
„Nach zwei können wir zurück, dann sind die Lehrer weg.“
Ich spürte ein Nicken und sank langsam in einen tiefen Schlaf. Ja, einiges musste so kommen, wie sein sollte.
Kilian weckte mich, indem er mit mir zur Seite auf den Waldboden sank und sich selbst erschreckte. „Verdammt, wir sind eingeschlafen!“ Fluchte er und blickte auf die Uhr. „Fast vier. Wir sollten zurück.“
Ich nickte und wir gingen los. Hinter dem Lehrerwohnheim ließen wir die Flasche in einem Kanal verschwinden und gingen in unser Wohnheim. Oben angekommen, begleitete er mich noch zu meiner Türe. „Bleib doch noch. Sia ist bestimmt auch noch da.“ Meinte ich und er nickte lächelnd.
Mein Herz überschlug sich bei seinem süßen schrägen Lächeln. Wie gerne würde ich ihn jetzt einfach küssen und mich entschuldigen dafür, dass ich ihn alles vergessen lassen wollte. Jedoch einfacher wäre es bestimmt gewesen, wenn er es tatsächlich vergessen würde und nicht einfach alles durch neue Erinnerungen ersetzt werden würde.
Als wir eintraten, kamen alle drei schlaftrunken aus ihren Zimmern. Nun, ja. Sia aus Ethans und Teresa aus meinem. Wieso verstand ich nicht ganz. „Du hast es geschafft?“ Ich nickte.
„Ja, dank Kilian.“ Teresa fiel mir um den Hals, wie auch schon beim ersten Mal und zog Kilian auch in die Umarmung. Sia wurde schwach und legte ihre Arme um uns drei und alle fingen wir an zu lachen. Ich über die Ironie, die nur ich verstand und die andere über ihre Erleichterung.
Wir setzen uns alle in Ethans Zimmer, da ich unbedingt wollte, dass sich zumindest ein bisschen in dieser Kuriosität änderte. Langsam erzählte ich ihnen, wie ich den Lehrern entkam und Kilian zu mir stieß.
„Also wirst du uns jetzt auch erklären, woher du wusstest, das Sia es herunter schaffen würde um uns zu warnen?“ Ethan klang zum ersten Mal, seit ich ihn kannte streng, das brachte mich zum Lächeln.
„Ich kann es euch nicht richtig erklären… ich verstehe es selbst nicht ganz, aber ich verstehe nun einen Teil davon. Kennt ihr das Gefühl… etwas bereits erlebt zu haben. Das sich alles wie in einem Traum wiederholt und ihr genau wisst was jetzt passiert?“
Sia nickte. „Ja, so ist es mir gegangen, als ich mich aus dem Zimmer gestohlen habe.“
„Aber die letzten Wochen, muss es euch doch öfters passiert sein, oder?“
Teresa und Ethan blickten sich wissend an. „Ja, als du angekommen bist. Ich bin sofort zu deiner Türe, weil ich wusste, dass du hier sein würdest.“
Das war mir überhaupt nicht aufgefallen und das, obwohl ich auf jedes Detail geachtet hatte.
„Und mir… kam es seltsam vor, als ich dich stehen lassen habe vor deiner Türe… es war als würde etwas fehlen. Ich habe an der Ecke gewartete, aber…“
Ich blickte sehnsüchtig zu Kilian. Er hatte auf mich an der Ecke gewartet, denn ich hätte in ihn hinein laufen sollen.
Jetzt wo alle zugaben, dass ihnen etwas fehlte, oder seltsam vorkam, blickte mich jeder erwartend an. Ich sah wieder aus dem Fenster zum heller werdenden Himmel und wählte meine Worte vorsichtig. „Ich denke, ich kann euch jetzt erzählen, dass ich irgendwie etwas angestellt habe. Ich kann es nicht erklären, wie es passiert ist aber in drei, oder zwei Monaten, werde ich… irgendetwas tun, oder habe ich irgendetwas getan, was mich an meinen ersten Schultag zurückgeworfen hat. Ich kann es nicht erklären, wie es passiert ist, aber von einem Moment auf den anderen, stand ich wieder vor der Direktorin und bekam meine Mappe in die Hand gedrückt. Ich bin hoch und alles passierte identisch noch einmal, wie schon davor…“ Weiter konnte ich nicht erklären, sondern wartete auf Fragen.
„Du meinst, du bist in der Zeit zurückgereist?“
Ich verzog das Gesicht und sah zu Ethan, der die Worte ausgesprochen hatte. „Sag es nicht so, da klingt es noch schlimmer!“ Beklagte ich mich.
„Aber es ist das, was du sagen willst, oder?“
Ich nickte bedrückt.
„Und wie… weißt du, was es ausgelöst haben könnte?“
Verwirrt sah ich zu Sia. „Ihr glaubt mir das?“
Alle nickten, und zuckten mit den Schultern. „Irgendwie, ja.“ Bekam ich die Antworten. „Also, erzähl wie es dazu gekommen ist.“
Ich wich den Blicken der anderen aus, denn die Wahrheit konnte ich ihnen nicht sagen. Nicht solange Kilian hier ist. „Es ist kompliziert. Es ist etwas passiert, über das ich sehr glücklich war, aber… es hat einfach nicht gestimmt. Ich… wollte jemanden beschützen.“ Brachte ich es endlich hervor. „Ich habe mir gewünscht, dass diese Person mich einfach vergisst, da ich…“ Plötzlich kam mir in den Sinn, dass niemand hier wusste, dass ich ein Spontanelementar bin. Vielleicht konnte ich ja so vom eigentlichen Geheimnis ablenken?
„Diese Person hat etwas über mich herausgefunden und mich… beschuldigt.“ Ach! Das klang, als wäre ich eine Schwerverbrecherin. „Nein… so stimmt es auch wieder nicht… Ich kann es euch nicht einfach so sagen.“
„Sollen wir raten?“ Schlug Kilian vor und fing sich einen Schlag von Teresa ein.
„Das ist nicht witzig!“ Beklagte sie sich, doch musste über den Gedanken lächeln.
„Ich will nur helfen!“ Rechtfertigte sich Kilian und nun musste auch ich lachen.
Sia kam zu mir und blickte mich ernst an. „Und du bist dir auch sicher, dass du es warst, die durch die Zeit gereist ist?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Also, ja ich bin mir sicher, dass ich… zurückgespult habe, aber ich könnte mir nicht erklären wie.“
„Okay, ich glaube dir das, denn ich habe definitiv schon davon gelesen.“
Gelesen?
„Kilian, erinnerst du dich noch an die Nachtgeschichten, die uns Mama immer vor gelesen hat?“
Er grunzte belustigt. „Vor, nach, oder während ihres Alkoholproblems.“
Sie schmunzelte. „Als wir noch drei, vier Jahre alt waren.“
„Also vor ihrem Problem.“
Sia nickte genervt. „Ja! Sie hatte so ein altes Buch, was sie uns vor gelesen hat. Es waren Märchen darin, wo angedeutet wurde, dass Elementarer auch die Fähigkeit haben könnten, durch die Zeit zu reisen.“
„Ja, aber das sind alles alte Märchen. Aberglaube.“ Tat dies Kilian ab. Sia deutete betonend auf mich. Nun verzog er das Gesicht und begann selbst darüber nachzudenken.
„Vielleicht könnten wir ja dieses Buch finden.“
„Wir können aber erst in zwei Monaten nach Hause. Und wenn du Mutter fragst, wird sie es sicher wieder vergessen.“ Bemerkte er kalt.
Sia nickte wissend. „Ja, na dann sehen wir eben selbst nach. Wir fahren einfach heim und nehmen Lyn mit.“
Lyn? Mich? Weshalb? „Wieso mich?“ Fragte ich regelrecht schockiert.
„Ich bin mir sicher, dass Onkel Hubi uns helfen kann. Er befasst sich gerne mit solchen alten Geschichten und Sagen den Elementarer.“
Kilian nickte. „Ja, keine schlechte Idee. Weißt du vielleicht ob deine Eltern etwas darüber wissen?“
Nun sahen mich alle erwartend an. Wäre mir die ganze Geschichte mit der plötzlichen Wiederholung nicht selbst passiert, so würde ich sagen, dass alle hier in diesem Raum einen Schuss hatten. Wie konnten sie mir nur so etwas Außergewöhnliches und Unvorstellbares glauben? Ich selbst würde mich ja sofort einweisen lassen.
„Nein… Nein, die wissen nichts von so etwas.“
„Kannst du sie nicht einmal fragen, vielleicht gibt es ja Gerüchte und…“
„Nein! Sia, akzeptiere bitte, dass ich sie dies bezüglich nichts fragen kann.“ Ohne eine Begründung ging ich in mein Zimmer und schloss mich dort ein. Wie sollten auch normale Menschen die Geheimnisse der Elementarer verstehen?
Bilder aus meiner Kindheit zuckten durch meinen Kopf. Ein Auto erschien vor mir, ein antikes Haus, das ich nur flüchtig sehen konnte und dann plötzlich das laute Hupen eines Autos. Meine nächsten Erinnerungen waren, Monate die ich im Krankenhaus bei anderen Kindern verbracht habe und danach gleich das Waisenheim. Ein Jahr später wurde ich dann von meinen jetzigen Eltern adoptiert und nun stand ich hier. Alleine weinend in einem Zimmer, dass mir aufgezwungen wurde, wie bereits der Verlust meiner Herkunft.

Kapitel IX

Zwei Monate später, stand ich wie aufgezwungen vor einem Flugzeug und ärgerte mich, dass ich mich doch zu diesem Unsinn habe überreden lassen. „Okay, also erklärt mir jetzt noch einmal jemand, weshalb ich hier bin?“ Fragte ich und verkniff mir ein genervtes Seufzen.
„Weil Ethan ebenfalls mitkommen musste.“ Rechtfertigte sich Sia.
„Aber er ist auch dein Freund und das bereits seit Jahren. Er kennt eure… Sitten und Gebräuche, doch dass ich an einer solchen Familienfeier auch noch teilnehmen muss!“ Der Geburtstag der Zwillinge Sia und Kilian stand an. Wie alt genau sie beide wurden, wusste ich noch nicht, denn bisher hatte ich noch keine Gelegenheit gefunden, sie beide darauf anzusprechen.
Ich wurde in die Rolle eines Doppel-Dates hinein gesteckt. Ursprünglich als Begleiterin von Kilian, doch irgendetwas schien jemand missverstanden zu haben und plötzlich musste ich seine Freundin spielen.
„Ich warne dich gleich, Mutter ist anstrengend, wenn sie keinen Alkohol hatte.“
Überrascht blickte ich zu Kilian, der still schmunzelte. Erwähnte er nicht etwas dass danach klang, als hätte sie aufgehört? „Sieh mich nicht so an. Wie die einen ihren Kaffee, oder ihre Morgenzeitung brauchen, so braucht sie ihren Wein.“
Wein? Mit dem kannte ich mich zum Glück aus. „Tatsächlich? Welchen bevorzugt sie?“ Fragte ich ehrlich interessiert.
„Es kommt darauf an, welchen sie gerade in ihrer Nachttischlade verwahrt.“
Sia schlug ihren Zwillingsbruder gegen den Brustkorb und er fing prustend zu lachen an. Ethan stimmte darauf ein, doch räusperte sich entschuldigend, als Sia ihn ermahnte. „Sie ist nicht immer betrunken…“
„Stimmt, wenn sie schläft, wird sie nüchtern.“ Unterbrach Kilian sie ein letztes Mal und sprang aus ihrer Reichweite.
„… Was ich sagen wollte, war, dass Kilian wieder einmal übertreibt. Mutter genießt das Familienerbe, das als Rezept von einem zum nächsten weiblichen Familienmitglied weiter gegeben wird. Da sie sich auch persönlich darum kümmert, dass jeder Wein der auf unserem Gut reift, in der Grundessenz bereits so manipuliert wird, dass er zu dem Endergebnis des guten Geschmacks wird, muss sie auch immer wieder nachkosten… doch dieses >Nachkosten< wurde mit den Jahren zu einer täglichen Ausrede, die wir als Familienmitglieder gewillt überhören.“
„Und auch alle Außenstehende!“ Korrigierte Ethan sie. Ja er gehörte noch nicht zur Familie, doch wurde durchaus als Solches bereits angesehen. Er hat seine eigenen Sachen in einem eigenen Zimmer mit seinem eigenen Schlüssel. Genauso konnte er ohne Anmeldung zu jeder Zeit erscheinen, wann es ihm beliebt. Sia war äußerst zuversichtlich, das sollten sie einmal heiraten, ihre Mutter vor Freude sofort in einer Ausnüchterungszelle landet. Persönlich verstand ich den Witz dahinter nicht, doch alle anderen schienen es zu dieser Zeit äußerst witzig zu finden.
„Lyn! Jetzt lächle doch endlich einmal. Ich habe dich, seit du deinen Koffer gepackt hast, kein einziges Mal lächeln gesehen.“ Beklagte sich Ethan und versuchte mich aufzuheitern.
„Vielleicht liegt es daran, dass ich ein ganzes Wochenende so tun muss, als wäre ich Kilians Freundin und wahnsinnig in ihn verliebt, oder weil ich auch noch dazu über alles von mir lügen muss. Meine Eltern sind keine reisenden Unternehmer, denen mehrere Immobilien auf der ganzen Welt gehören, ich bin lediglich eine dumme Elementarerin, die sich auf diesen Unsinn hier einlassen musste!“
Das gesamte letzte Monat hatte ich Kilian so gut wie möglich angeschnauzt und mich betont zickig gegeben um ja Abstand zu wahren. Ein einzelnes gebrochenes Herz sollte doch ausreichen, oder nicht?
Leider erwies er sich, je mehr ich ihn anging, hartnäckiger mir helfen zu wollen und zu erfahren, weshalb ich aus Versehen diesen >Sprung< gemacht habe. Vielleicht ahnte er ja etwas, wenn er sich auch oftmals auf der falschen Spur befand.
„Mach dir jetzt einmal darum keine Sorgen. Bei dem einzigen, dem du aufpassen musst, ist mein Stiefvater. Er wird bestimmt auch da sein, auch wenn seine Geschäfte ihn oft ins Ausland locken.“
„Toll, kann ich ihn nicht einfach abfüllen und mit eure Mutter in eine Bar schicken?“
Träumerische blickte Sia in die Ferne. „Wenn es nur so einfach wäre.“
„Wieso müssen wir denn überhaupt lügen? Ihr könntet doch einfach nach dem Buch fragen oder selbst suchen.“
Sia nahm mich an der Hand und führte mich etwas abseits. „Okay, ich war nicht ganz ehrlich zu dir.“ Gestand sie. Wieso wunderte mich das jetzt nicht? „Mutter ist schon lange darauf aus, dass Kilian endlich einmal ein Mädchen mit nach Hause bringt. Seine bisherigen Beziehungen waren kurz… oder einseitig.“ Seltsamerweise verstand ich, was sie meinte. Diese Ironie… „Und Ernest, mein Stiefvater, hackt deshalb schon seit Jahren auf ihm herum. Nennt ihn Träumer und Nichtsnutz. Er ist ihm ein Dorn im Auge und möchte lieber seinen eigenen Sohn, der jedoch jünger ist als wir, als zukünftigen Geschäftsführer. Also… bist du so etwas wie meine persönliche Retterin für meinen Bruder.“
Kopfschüttelnd blickte ich zu Kilian, der gerade offensichtlich etwas mit Ethan ausheckte.
„Ich weiß aber nicht, ob ausgerechnet ich die beste Wahl dafür bin.“ Gestand ich und blickte zurück zu Sia. In ihrem Blick lag etwas, das ich nicht deuten konnte.
„Lyn, ich bin weder dumm noch blind. Ich liebe Geschichten und bin eine große Anhängerin der großen Liebe. Ich habe meine in Ethan gefunden. Ich bin mir ziemlich sicher, dass du ihn ebenfalls bereits gefunden hast.“
Ich konnte ihren Worten nicht ganz folgen. Anhänger, der großen Liebe? Was sollte das sein? Ein Kult? „Sia, ich denke, ich kann dir hierbei nicht Folgen.“
„Dann beantworte mir nur eine Frage. Bevor du durch die Zeit zurückgesprungen bist, hatte der Auslöser vielleicht etwas mit Kilian zu tun?“
Was sollte ich darauf nur sagen? Meine Gedanken schrien >Nein!< doch mein Mund öffnete sich nicht einmal für einen Laut.
„Es reicht auch, wenn du nicht antwortest. Ich werde es ihm nicht sagen, doch sei dir sicher, dass er ebenso wenig dumm ist wie ich. Erd-Elementarer sind sehr von ihren Gefühlen abhängig. Sie handeln für die meisten Leute oft willkürlich und unvorhersehbar, doch hinter allem, was wir tun, steckt ein bestimmter Zweck.“
„Denkst du also, dass ich auch ein bisschen ein Erd-Elementarer bin? Immerhin behalte ich den Kernpunkt nicht wegen mir für mich. Ich will nur jemand anderen beschützen.“
Sia zog mich noch etwas weiter von den Jungs weg, sodass wir alleine sprechen konnten. „Nein, ich denke nicht, dass du das in dir hast. Ich denke eher, dass du ungestüm handelst wie ein Sturm und einfach alle in deiner Umgebung mit dir reist. Egal wovor du ihn beschützen willst, denkst du nicht, du fügst ihm mehr schmerzen zu, wenn er alles im Nachhinein erfährt, als wenn er es für sich selbst entscheidet?“
Kopfschüttelnd tat ich diesen Gedanken ab. „Nein, ich habe das erste Mal gefühlt, für was er sich entscheidet und da kannte er alle bisherigen Fakten über mich und ihn selbst. Es ist besser, ich leide einfach weiterhin alleine und lasse ihm den Spaß, den er derweilen haben kann.“
Sia kicherte, als wäre das alles ein Witz. „Wieso lachst du darüber?“
„Nichts, nichts. Ich… ehrlich gesagt weiß ich es nicht.“ Sie blickte mich ehrlich verwirrt an. Vermutlich hätte mich Sia jetzt zurechtgestutzt, wenn sie immer noch alle Fakten kennen würde. Ethan hätte ihr ebenfalls zugestimmt und mit Kilian wäre ich sofort wieder in einem Streit gelandet. Frustriert über mich selbst seufzte ich.
Nun konnte ich nur hoffen, dass der Abend besser wurde, als der Tag bisher gestartet hatte.
Nachdem wir endlich das Privatflugzeug verlassen konnten, und sich meine dreistündige Flugangst endlich gelegt hatte, war ich kurz davor den Boden unter meinen Füßen zu küssen. „Geliebte Erde! Wie habe ich dich vermisst!“ Seufzte ich und blickte sehnsüchtig zu einem Flecken Gras.
„Dafür dass dein Element die Luft ist, bist du sehr... bodenständig.“ Witzelte Kilian.
Ich warf ihm einen wütenden Blick zu. Wie konnte er nur! „Entschuldigte, aber ich bin noch nie in meinem Leben geflogen. Wieso konntet ihr mir das nicht früher sagen? Ich dachte, wir fahren weiter mit Autos!“
„Ja, deswegen sind wir auch vor einem Privatflugzeug gestanden.“
„Okay! Das reicht, meine Damen. Hört auf, beide!“ Hängte Ethan noch mit einer sehr strengen Stimme an, da ich gerade den Mund öffnete, um mich zu rechtfertigen. Beleidigt schloss ich ihn wieder, da Kilian so wie so nicht mehr zu hörte. Er sprang gerade in ein Cabrio, dessen… Extravaganz ich nicht ganz verstehen konnte. Auf der schwarzen Motorhaube waren Flammen abgebildet, die sich auch über die Seiten hinwegzogen. Stumpfe Nieten befanden sich an den Felgen, die in einer seltsamen rötlichen metallischen Farbe schimmerte.
Mit einem breiten Grinsen winkte Kilian mich zu sich. „Und was sagst du?“
„Am besten nichts, sonst streiten wir wieder.“ Enttäuscht blickte er wieder auf das Lenkrad und startete den Motor.
Mit einem flauen Gefühl im Magen stieg ich zu ihm ein. Ethan und Sia stiegen in einen silbernen Truck, der Ethan gehörte und ich wünschte mir inständig, dass ich doch noch bei ihnen mit fahren konnte.
„Mach dir nicht gleich ins Hemd. Das Auto ist das schärfste hier in der Gegend.“
Schwer schluckend nickte ich „Und definitiv das auffälligste.“
Lachend stimmte er dem zu und begann mit Ethan ein kleines Wettrennen über die Landebahnen. Als wir, endlich, mit dem Kindergarten aufhörten, fuhren wir über zwanzig Minuten über eine Autobahn, die schier kein Ende zu haben schien. Kilian überholte sämtliche Autos mit über hundertfünfzig und blieb dabei ständig ernst. „Kilian… merkst du eigentlich, dass du alle überholst?“
Kilian nickte lediglich gleichgültig.
„Könntest du dann bitte etwas langsamer fahren? Ich bin mir sicher, du bist mindestens durch drei Radar gefahren.“
Nun lächelte er. „Dann weiß Mutter ja, dass wir am Weg sind.“
„Und was ist mit Sia? Die hängen wir ja total ab.“
Jetzt blickte er mich belustigt an. „Hast du etwa Angst?“
„Angst davor, in jemanden hinein zu krachen und aus einem dachlosen Auto auf eine stark befahrene Autobahn geschleudert zu werden? Was denkst du wohl?“
Zwinkernd sah er wieder auf die Fahrbahn und mir fiel regelrecht ein Stern vom Herzen, als er den Wagen auf hundert drosselte.
An einer Autobahnabfahrt, die beinahe am Ende davon zu sein schien und doch noch Kilometer vor uns weiter ging, fuhren wir endlich ab. Kurz darauf erreichten wir einige Plantagen. Was sie behüteten, konnte ich nicht genau sagen. Vielleicht Weinreben, da seiner Familie doch ein Weingut gehört.
Endlich hatten wir das Ende der Plantagen hinter uns gelassen, und landeten prompt in einer Auffahrt zu einem Haus mit Aussicht zum Meer. Moment… hatte etwa dieses Haus eine eigene Autobahnabfahrt!?
Schockiert blickte ich die herrlich duftenden Blumen und ins Auge stechende Skulpturen an. Dieser Villa fehlte es an gar nichts. Große Fenster nahmen die ganze dreistöckige Villa ein und dahinter schien eine lange Terrasse zu sein.
Und hier würde ich mein Wochenende verbringen? Entweder würde es ein Albtraum, oder die schönste Zeit meines Lebens werden.
„Hier.“ Kilian hatte etwas vom Rücksitz geholt und drückte es mir nun in die Hand. „Gib du ihnen den Wein und ich ihr die Blumen.“ Wein? Verwirrt öffnete ich die Tasche, in dem die Flasche lag und zog scharf die Luft ein. „Was ist?“
„Du willst deiner Mutter, die eine bekannte Weinplantage besitzt im ernst Wein schenken?“
Kilian kicherte verschwörerisch. „Keine Sorge, ist nur ein Billiger, der wird bis zum Abendessen weg sein.“
Ebenfalls lachend stieß ich ihn in die Schulter, bevor ich ihm die Blumen abnahm und sie gegen den Wein austauschte. „Sag nicht, die sind auch noch von einer Tankstelle!“ Schimpfte ich, als ich erkannte wie billig sie gewesen mussten.
„Vielleicht, vielleicht auch nicht.“ Widersprach er mir mysteriös und lehnte sich soweit über mich, dass sich unsere Nasen berührten.
„Kilian! Was… was machst du?“
„Meine Mutter steht am Fenster und beobachtet uns. Also entweder küssen wir uns, oder du tust so, als würde ich gerade etwas Schmutziges sagen.“ Herausfordernd blickte er mich an. Küssen… seine weichen Lippen waren nur Millimeter von den meinen entfernt. In meinen Erinnerungen entfachte sofort die Fantasie darüber, was ich nicht in einer Nacht alles mit genau diesen Unverwechselbaren Lippen erlebt hatte.
Ich bemerkte es kaum, da lag meine Hand auf seiner Wange und ich streichelte sie sanft. Sein Blick wurde erwartender, als würde er immer noch auf eine Antwort von mir warten, doch auf welche Frage? Alles an was ich mich erinnern konnte, war, dass ich ihn unbedingt sofort küssen wollte.
Ein Hupen riss mich aus dem plötzlichen Gefühlsschub und wir wandten uns gleichzeitig um. Sia winkte uns durch die Windschutzscheibe, während Ethan hinter uns parkte. Offensichtlich war nicht er derjenige, der gehupt hatte.
Dankbar stieg ich nun auch aus und griff automatisch zu den Blumen. Auch wenn sie billig waren, waren sie immer noch ein höflicheres Geschenk, als der billige Wein.
Kurz bevor Ethan und Sia zu uns stießen, flüsterte er mir noch „Aber im Laufe des Tages müssen wir uns küssen, sonst schöpft sie Verdacht.“ zu. Gekonnt ignorierte ich seine Meldung. Ja, das war mir durchaus bewusst, doch ich würde extra Lippenstift tragen, damit ich immer eine gute Ausrede hatte.
„Also… bist du bereite für Mama-Wolf.“ Fragte Ethan lächelnd und Kilian schlug in seiner ausgestreckten Hand ein.
Okay, jetzt ging es darum einen guten Eindruck zu hinterlassen, das bedeutete, ich musste mich benehmen, als wäre ich in meiner Arbeit.
Zwar bin ich nur eine normale Kellnerin, die sich gerade zur Weinkennerin ausbilden ließ, doch davon wussten meine wiederholt besten Freunde nichts. Sie hielten mich für eine zweitklassige Kellnerin und wussten nicht, dass ich in einem bekannten Restaurant bediene. Hoffentlich würde mir die flüchtigen Gesten und Höflichkeitsfloskeln, die ich dort aufgeschnappt hatte, helfen.
„Ah, da sind sie ja endlich! Meine lieben Kinder und ihre Auserwählten! Wie schön euch endlich zu sehen!“ Zuerst umarmte eine hagere, beinahe völlig vom Fleisch gefallene Frau, mit einer äußerst von der Sonne gebräunten Haut ihre beiden Kinder. Herzhaft erwiderte Sia die Umarmung und Kilian schien betont genervt zu sein. Die Frau trug dieselbe Haarfarbe wie ihre beiden Kinder, doch die Augenfarben waren definitiv anders. Während Kilian und Sia eher dunkle Augen hatte, waren ihre von einem stechenden Grün, das beinahe so war wie vermutlich ihr Element die Erde. Wie faszinierend! Stellte ich fest.
Als Nächstes umarmte sie Ethan mütterlich, jedoch auch so diskret, dass man sah, dass sie beide sich nahe standen, doch nicht miteinander verwandt waren. Als ihr Blick zu mir glitt, sog sie scharf die Luft ein. „Mein Sohn hatte bisweilen einen schrecklichen Geschmack, was Frauen angeht, doch wie ich sehe, bessert sich dieser?“ Es war mehr eine Frage, die ich lächelnd abtat.
Sie wollte mich vermutlich testen, ob ich auf diese Lästereien einstieg. „Miss Hutson, es ist mir eine Ehre sie kennen zu lernen. Ich habe erst auf dem Flug hierher davon erfahren, dass sie die galante Eigentümerin der Willington Reben sind. Ich muss Ihnen ehrlich gestehen… ich kann es immer noch nicht glauben auf einem so bekannten und gut behüteten Gelände zu stehen. Ihre gesamten Weinreben sind in Plantagenhäuser eingehüllt, es muss doch ein riesiger Aufwand sein, von den Betriebskosten einmal abgesehen.“
Kaum dass ich merkte, dass ich dummes Zeug plapperte, dass man normalerweise erst später besprach, kam ich zu einem Ende. Begeistert klatschte sie in die Hände und legte einen Arm um mich. „Ja, mein Sohn könnte definitiv keine bessere Freundin finden. Kennen Sie sich denn mit Wein aus?“
Peinlich berührt winkte ich ab. „Ich bin wahrlich keine eingeschulte Meisterin wie Sie, doch ich habe während meiner Ausbildung zur Kellnerin meine Vorliebe für die Entstehung von Wein entdeckt.“
„Ausbildung? Sind sie etwa eine Kellnerin?“
„Natürlich, ich konnte meine Ausbildung, im Restaurant Fia de Meere machen.“
Überrascht sog sie die Luft ein. „Sie meinen Fia de Meere, wie das Restaurant mit dem bekanntesten und gefragtesten Koch Franko de Meere?“
Ich nickte lächelnd. Es wunderte mich überhaupt nicht, dass sie ihn kannte, vermutlich sogar persönlich, so wie ich sie einschätzte. „Natürlich. Sein Vater kannte meinen, bevor er ablebte und Franko erfuhr über meine Mutter, dass ich mich für die freie Stelle interessieren würde, doch noch zu jung bin. Ich bin die Erste und Einzige die er als Lehrmädchen aufgenommen hat und er hat mir sogar das Kochen beigebracht. Meine Eltern hielten dies für unmöglich. Doch mit ihm ist Kochen…“
„.. wie der Spaziergang an einem herrlich roten Sandstrand bei Sonnenuntergang.“ Beendete sie mein Schwärmen.
Lachend nickte ich. „Ja, er ist schon etwas Besonderes.“
Plötzlich erschien Kilian wie aus dem Nichts und drängte sich zwischen seine Mutter und mich. „Es tut mir leid, eure Schwärmerei zu stören, doch ich erlaube nicht, das Lyn für jemand anderen als mich schwärmt.“
Überrascht von seiner plötzlich abermals wechselnden Persönlichkeit legte ich beide Arme um ihn und küsste ihn auf die Wange. „Ach, Schatz. Du weißt doch, dass er viel zu alt für mich wäre. Außerdem habe ich nur Augen für dich.“ Versprach ich gespielt und beobachtete sein Lächeln, das sich auf seine Lippen stahl. Hoffentlich war dies Liebesbeweis genug für seine Mutter.
„Ach, ja. Und für mich zu jung.“ Beklagte sich seine Mutter und wir begannen wieder beide zu lachen. Also wäre damit das Eis gebrochen? Hatte ich Pluspunkte bei seiner Mutter? Wie gerne würde ich das alles Hinterfragen, doch Sia und Ethan gingen bereits die Treppen hinauf in die Villa. Ich nahm Kilians Hand und er führte mich, nach seiner Mutter, ebenfalls die Treppen hinauf, die gerade erzählte wie sie de Meere kennen gelernt hat.
Kaum waren wir im Haus, hielt sie auch schon ein Glas mit Wein in der Hand. Die Blumen ließ sie einwässern und den Wein kühlen.
Als Nächstes zeigte sie unsere Zimmer. Mehr oder weniger >unsere<. „So unangenehm es mir auch ist, doch leider bauen wir das Obergeschoss gerade aus, daher sind nur der erste Stock und das Erdgeschoss begehbar. Sia und Kilian sagten mir erst vor kurzem, dass sie euch mitbringen wollen und da hatten wir bereits mit den Umbauarbeiten begonnen. Aber, dafür könnt ihr euch jeweils Zimmern mit euren Liebsten teilen, das freut euch doch sicher.“
Gespielt freudig nickte ich. Juhu… Toll… Ein Wochenende mit Kilian in einem Zimmer. Ich sah jetzt schon Köpfe auf Speeren aufgespießt zwischen den Weinreben.
„Nun, macht euch einmal frisch. Meine anderen Gäste kommen erst ab fünf. Das sollte euch allen genug Zeit geben.“
Zeit geben? Es war erst ein Uhr. War etwa etwas geplant, von dem ich keine Ahnung hatte?
Peinlich betreten folgte ich Kilian in sein Zimmer, das seltsam normal wirkte. Es war hauptsächlich in weiche Brauntöne gehalten und unglaublich sauber. Beinahe schon penetrant perfekt.
„Ist das wirklich dein Zimmer? So sauber wie es ist, muss hier ja jeden Tag geputzt werden.“ Stellte ich erschrocken fest und ging zu einer Wand, an welcher mehrere Bilder abgerahmt waren. Die meisten waren von ihm, Sia, Ethan und Teresa. Man erkannte sofort, wie nahe sie sich waren. Auch ein Bild von seinem Auto, hing dort, doch hatte es ein anderes Kennzeichen. Musste er es denn öfters wechseln? Bei seinem Fahrstil wundert es mich nicht.
„Nein, ich habe diesen Tick. Ich lege sehr viel Wert auf Ordnung.“ Gestand er und wurde etwas rot. Lachend wandte ich mich ihm zu.
„Das glaube ich fast überhaupt nicht. Obwohl… doch dein Zimmer ist ja auch ziemlich ordentlich.“ Wenn ich so darüber nach dachte, hatten wir nicht einmal seine Bettdecke zerknüllen können, da sie sofort verschwunden war. So viel zu seinem Tick mit der Ordentlichkeit.“
„Moment… woher weißt du, wie mein Wohnheimzimmer aussieht?“
Ertappt wandte ich mich wieder den Bildern zu. Verdammt ist das peinlich. Wieso rutschte mir denn so etwas heraus? Ich musste vorsichtiger sein, wenn ich ihn weiterhin auf Abstand halten wollte. Auch wenn es ja bisher nicht viel gebracht hatte.
„Nein, also ich weiß nicht wie... Sia hat… also…“ ich suchte verzweifelt nach einer plausiblen Ausrede, doch Kilian kam bereits auf mich zu und blickte mich fragend an.
„Ich weiß dass du immer noch nicht alles erzählt hast, was vor deinem Sprung geschehen ist, doch ich werde trotz allem nicht das Gefühl los, dass es wichtig ist. Wieso sagst du es mir nicht einfach?“
Meine Gedanken glitten zu dem Gespräch mit Sia zurück. Sie hatte Recht, was ihn betraf. Auch er war nicht dumm, auch wenn er sich einfältig und arrogant gab.
„Weil ich es nicht kann. Kilian versteh einfach, dass es für mich eine außerordentlich große Rolle spielt, dass dieses Geheimnis auch wirklich ein Geheimnis bleibt. Das was ich getan habe, kann ich einfach nicht noch ein zweites Mal durchmachen. Verstehst du das?“
Zögerlich nickte er. Ich hörte Zähne knirschen, was mich jedoch nicht wirklich beruhigte.
Als ein Rumpeln ertönte, erschrak ich, während Kilian kicherte. „Was war das? Bauarbeiten?“
Kilian schüttelte den Kopf. „Nein, das war meine Schwester. Ihr Zimmer liegt direkt neben meinem.“
Schockiert sog ich die Luft ein und ging zur Türe. „Komm, wir müssen nachsehen, ob es ihr gut geht.“
„Das!“ Er stand so schnell vor der Türe, dass ich noch einmal erschrak. „Das solltest du lieber lassen. Wenn Sia ein Zimmer mit Ethan teilt, dann sind sie ziemlich lange beschäftigt.“
>Ziemlich lange beschäftigt< Ich denke ich wusste, auf was er hinaus wollte und blickte beschämt zur Seite. „Ja… da sollte ich wohl nicht stören.“
„Ja, das war auch der Grund, wieso Mutter meinte, dass wir so genug Zeit hätten.“
>Wir<? „Wieso wir? Denk nur nicht, nur weil Sia und Ethan es treiben, dass ich mich dir jetzt auch an den Hals werfe.“ Betont abgeneigt stieß ich diese Wörter aus und jedes schmerzte mir mehr, als ihm.
„Nein, das denke ich nicht, keine Sorge. Aber meine Familie ist… was >das< angeht ziemlich… fordernd. Oder eher ausgiebig.“ Fordernd uns ausgiebig? Bilder von unserer gemeinsamen Nacht liefen wie eine Wiederholung in meinem Kopf ab. Wie oft hatte ich diese Gedanken schon verdrängt und nun saß ich mit ihm tagsüber in einem Haus fest und nachts in einem Zimmer… in einem Bett. Sein Körper und seine Nähe ständig zu wissen, wird mich noch verrückt machen.
„An was denkst du?“ Hackte er sofort nach, als ich mich abwandte und zu meiner bereits hereingetragenen Tasche ging. „Dass ich dieses Gespräch eher nicht führen möchte und lieber meine Sachen auspacke, bevor sie zerknittern. Wo kann ich sie hintun?“
Kilian half mir mit meinen Sachen, wobei ich jedoch meine Unterwäsche von seinen Gemeinheiten retten musste. Kaum dass ich mich umgedreht hatte, probierte er bereits meinen BH an und fragte mich, ob >sie< dabei auf gepusht wurden, oder zusammen.
Nachdem ich endlich seine Gemeinheiten stoppen konnte, ließ ich mich in sein Bett fallen und mich von Erinnerungen einlullen, während er uns etwas zum Essen und Trinken besorgte. Sein Geruch lag neben dem vom Putzmittel in diesem Zimmer. Er hüllte mich ein und erinnerte mich ungeniert an das, was ich gehabt hatte, doch nun nicht mehr haben konnte. Trotz all der Pluspunkte, die ich sicherlich sammeln konnte, würde man eine Spontanelementarin niemals in so einer Gesellschaft dulden.
„Hi, ich wusste nicht, welchen Käse du magst, daher habe ich uns eine kleine Platte zusammenstellen lassen.“
>Uns< Wie schön das klang.
„Danke, das ist nett.“ Schweigend saßen wir uns einige Minuten auf seinem Bett gegenüber und sahen überall hin nur uns nicht an. Hin und wieder zuckte mein Blick zu der überaus teuren Flasche Wein, die ich mir nicht einmal in zwei Lohnmonaten leisten konnte. Irgendwann gab ich meiner Neugierde nach und nahm die Flasche aus der Halterung. Natürlich wusste ich bereits alles über die Flasche und den Wein darin, bloß daher das sich das Etikett sah, doch alleine sie zu berühren und über die feinen Schriftzeichen zu streichen erfüllte mich mit einer gewissen wärme.
„Hast du sie schon einmal gekostet?“
Ich nickte. „Ja, einer unserer Gäste hat sie bestellt, doch nur ein Glas damit gefüllt. Da sie zu teuer zum wegleeren ist, aber auch nicht noch einmal verkauft werden kann, haben wir sie nach dem Dienst unter den Angestellten aufgeteilt. Ich kann mich immer noch an diesen einzigartigen Geschmack zu erinnern.“
„Ja, auf Elementarer hat dieser Wein eine ganz besondere Anziehung. Mutter hat mir einmal erzählt, dass eines der Geheimnisse des einzigartigen Geschmacks ist, dass eine jede Traube ein Stück eines jeden Elements in sich trägt und es an den Wein weiter gibt.“
Lächelnd stellte ich die Flasche zurück. Eine liebe Geschichte, die ich gerne glauben wollte. Unter den anderen Köchen hatte es nur zwei gegeben, die sich ebenfalls sehr stark an dem Getränk erfreut hatten. Ich war die einzige der Kellnerinnen und der Rest war alles menschlich.
„Willst du sie köpfen?“
Eifrig nickte ich. „Bitte! Das wäre wie Weihnachten und Geburtstag am selben Tag.“ Sofort machte er sich daran den Wein zu öffnen. Während ich ihm dabei Beobachtete sah ich ihn genau an. Nichts an ihm hatte sich verändert. Kilian ist immer noch derselbe, den ich kennen gelernt habe und vor allem lieben. So wenig es mir auch gefiel, hier zu sein, gefiel es mir jedoch, in seiner Nähe zu sein. Sein Lachen zu hören stimmte mein Herz milde, zu allem, mit dem er versuchte mich zu ärgern und dadurch ich kam mir noch schäbiger vor.
Ohne etwas zu sagen, stellte ich mich hinter ihn, legte meinen Kopf auf seinen Rücken und meine Arme um seinen Körper. Überrascht versteifte er sich unter meinem so vertrautem Griff und ließ die Flasche neben sich sinken.
„Lyn? Ist alle in Ordnung?“
Kopfschüttelnd verbarg ich meinen Kopf zwischen seine Schulterblätter und genoss seinen Geruch und die Wärme, die er ausstrahlte. „Nein, das ist es schon lange nicht mehr. Alles ist einfach verdreht und passt nicht ineinander. Sag mir, wie kann man sicher sein, dass man die richtige Entscheidung trifft, wenn sie doch so schmerzt und falsch erscheint?“
Kilian wurde entspannter und legte seine freie Hand auf meine. „Es kommt darauf an, in welcher Position du dich befindest. Bist du diejenige, die den Schmerz abbekommt, oder austeilt?“
„Wohl oder übel beides.“
„Dann bist du der Idiot.“ Lachend ließ ich ihn wieder los, nur um einen Augenblick später von ihm umarmt zu werden. Erleichtert, dass er weder einen Scherz machte, noch verärgert reagierte, umarmte ich ihn meinerseits.
„Das bin ich dann wohl, oder?“
Ein nickte über mir. „Aber das kannst du auch ändern. Du kannst uns doch einfach einweihen, was so Schlimmes passiert ist. Immerhin sind wir deine Freunde und werden dir helfen, sofern wir es können.“
„Das könnt ihr aber nicht. Ich musste wohl oder übel feststellen, dass manche Dinge einfach unausweichlich sind, egal wie sehr man versucht sie aufzuhalten.“
„Dann haben sie aber einen Grund, weshalb sie passieren.“
Ich blickte zu ihm auf und erkannte, dass sein Element ihm direkt unter der Haut lag und sich in einem satten Grün seiner Iriden widerspiegelte. War er besorgt? Wütend? Konnte er denn ahnen, dass es um ihn ging?
„Nein, ich meine ja. Vermutlich haben sie einen Grund, dass sie sich wiederholen, doch ich habe nicht vor derselben Person noch einmal so wehtun zu müssen. Besser ich beende alles, bevor es anfängt.“
„Also geht es um einen Jungen?“ Scherzte er.
Lachend tat ich das ab. „Ach, was. Ich und ein Kerl? Da müsste erst die Hölle zufrieren, bevor es jemanden gibt, der mich erträgt.“
Kilian stimmte mit ein in meinen Scherz und schenkte uns beiden Wein ein. „Sicher dass du mich nicht mit dir selbst verwechselst?“
„Denkst du denn, wir sind uns so ähnlich, dass wir uns verwechseln könnten?“
Er reichte mir das Glas und wir stießen an. „Ich denke, dass wir nur immer aufeinanderprallen, da wir uns in manchen Dingen ähnlicher sind, als dass wir zugeben.“
Der erste Schluck dieses Weines brachte meine Geschmacksnerven beinahe zum Springen. Der süßliche Saft lief erfrischend meine Kehle hinab und ein wohliges Gefühl entfachte in meinem Magen. Ja, dies war wirklich der besondere Wein, den nur seine Familie erzeugte.
Als ich zu Kilian blickte, sah er genauso genussvoll drein wie ich. „Ehrlich gesagt wundert es mich, dass wir überhaupt noch miteinander reden, so viel wie wir streiten.“ Gab ich zu. Ich spielte schon seit längerem mit dem Gedanken, dass er etwas ahnt, oder ich bildete es mir nur ein.
„Nun, ja wir sind Freunde. Freunde verzeihen einem immer, auch wenn du immer mit dem Streiten anfängst.“
Ich? Nun, ja. Vielleicht, aber nur weil ich ihn auf Abstand halten wollte. Vermutlich sollte ich ja nicht einmal dieses Gespräch mit ihm führen. Ganz bestimmt sogar.
„Na gut. Genug davon. Was machen wir, bis die da drüben“ ich deutete auf die Zimmerwand, die uns von Sia trennte „endlich fertig sind.“
„Du meinst, wie wir beide uns zusammen die Zeit vertreiben?“ Scherzte er und trank noch einen Schluck von seinem Wein.
„Ha, ha. Du bist so lustig. Ich mein das ernst, Perversling!“ Schimpfte ich und räumte den Käse auf das Servierblech zurück.
„Ach, Mist!“ Schimpfte Kilian hinter mir. „Hast du dich angeschüttet?“ Fragte ich, doch kannte die Antwort.
„Ja! Na, toll. Das ist eines meiner Lieblingsshirts.“ Beklagte er sich. Lachend ging ich in das Badezimmer und befeuchtete ein Handtuch. Als ich zurückkam, hatte er es bereits ausgezogen und nahm mir das feuchte Tuch aus der Hand. Wie wild begann er auf dem Fleck zu reiben. „Warte! Kilian, du verschmierst es nur.“
„Nein, tue ich nicht. Ich kann das schon!“ Ich wollte ihm helfen, doch er ließ sich das Handtuch nicht von mir abnehmen. „Komm, schon. Du willst es doch wieder sauber haben, oder?“
„Ja, aber ich kann das selber.“ Er ließ sich nicht helfen, also gab ich auf.
„Mach doch was du willst.“
Schlussendlich führte ein einfacher Weinfleck wieder auf einen Streit hinaus und ich sperrte mich beleidigt im Badezimmer ein. Als er auf die Toilette musste, kam ich wieder hinaus und ließ mich quer über das Bett fallen, ohne weiter auf ihn zu achten.
„Rutsch auf die andere Seite.“ Meinte er und deutete auf die andere Bettseite. Ich lag zwei Minuten später immer noch an derselben Stelle und blickte sehnsüchtig zur Flasche Wein. „Wieso? Das Bett ist groß genug für vier Leute.“
„Du liegst aber auf meiner Seite.“ Beschwerte er sich und schob mich mit seinem Fuß an.
„Kilian, lass deine Stinkefüße bei dir!“ Beschwerte ich mich und setzte mich auf. Lächelnd ließ er sein Bein auf dem Bett abgestützt und beugte sich zu mir hinunter. Für einige Sekunden, die viel zu langsam verstrichen blickte er mich erwartend an und ich war mir nicht mehr sicher, was ich tun soll. Was erwartete er denn, dass ich sprang, wenn er pfiff? „Du weißt, dass ich nicht dein Hund bin, dass ich auf jeden deiner Befehle höre?“
„Wie du willst, dann wird es auf dieser Seite des Bettes eben eng werden.“ Er stieß mich zurück auf das Bett und schob mich an den Knien nach hinten. Erstarrt konnte ich nichts anderes, als ihm dabei anzusehen und erstaunt zu sein. Ohne etwas zu sagen, oder zu erklären, legte er sich einfach neben mich und legte einen Arm um meine Taille.
Was sollte das denn? Ich wusste nicht recht, ob ich beeindruck oder schockiert war von seinem selbstsicheren Verhalten. Beides irgendwie. Ich bin einfach viel zu stark zu beeinflussen, besonders wenn es Kilian ist, der mich so in Aufregung versetzt und wenn meine Erinnerungen an ihm, in einem Bett mein Hirn vernebelten.
Mit geschlossenen Augen lag er nun neben mir und tat nichts. Sein Atem ging ruhig und kein Ton erklang.
Als ich mich einigermaßen beruhigt hatte und mich über mich selbst ärgerte, dass mich so etwas anmachte, rutschte ich zur Seite. Er folgte mir sofort und streckte sich erleichtert aus. „Na geht ja.“ Freute er sich, dass er seine Seite des Bettes wieder hatte.
Seine Schulter berührte immer noch meine und seine Augen waren starr auf die Decke gerichtet. Wartete er auf etwas? Ich kam mir sogar beinahe schuldig vor, wie er so da lag und abwartete, was ich tun würde. Es juckte mich in den Fingerspitzen mich auf seine Schulter zu legen und dort zu ruhen, bis uns jemand aufjagen würde.
Jedoch es besser wissend, drehte ich mich weg von ihm und rutschte ganz auf die rechte Seite des Bettes. Jede einzelne Bewegung schmerzte mehr, als ihn einfach anzusehen. Ihn nicht sehen zu können und das obwohl er direkt neben mir lag, nur eine Armlänge entfernt, war einfach die Hölle. Der Einzige den ich jemals so sehr gewollt habe. Der Einzige für den ich je so viel empfunden und auch noch durchgemacht habe. Kilian der einzige Junge, für den mein Herz schlug
„Lyn?“
„Hm?“
„Hast du es meinetwegen getan?“

Kapitel X

 Mein Herz setzte für einen Moment aus, während ich um die richtigen Worte rang. Sofort war mir klar, was er meinte, doch... „Natürlich, du hast mich doch dazu gezwungen hinüber zu rutschen.“
Er seufzte tief, dann bewegte sich das Bett und ich fühlte, wie es herrlich warm an meinem Rücken wurde. Willkürlich lehnte sich mein Körper an seinen, als Killian seinen Arm um mich legte und seine Nase in meinem Haar vergrub, so wie er es bereits einmal getan hatte. Schaudernd genoss ich diese lang ersehnte Berührung.
„Waren wir ein Paar?“ Sofort erstarrte ich und wünschte mich abermals ganz weit weg. „Lyn, lüg mich nicht schon wieder an, ich kann eins und eins zusammen zählen. Also sag mir... bin ich der Grund, weshalb du die Zeit zurückgedreht hast?“
Mein Mund öffnete sich für eine weitere Lüge, oder eine Ausrede, doch meine verräterische Zunge spuckte einmal mehr die Wahrheit aus. „Ja... Es war irgendetwas zwischen uns. Es ist etwas, dass mich offensichtlich bis hierher verfolgt hat.“
„Deshalb auch deine Frage, damals im Wald.“ Killian stellte keine Frage, sondern sprach eine Feststellung aus, daher ging ich nicht darauf ein.
Plötzlich fühlte ich Killians Finger, die eben noch über meinen Oberarm gestrichen hatten, hinauf zu meiner Schulter wandern, von wo aus er meine Träger zur Seite schob. „Hier hattest du einen Knutschfleck von mir.“ Erinnerte er sich plötzlich und küsste unvermittelt die angesprochene Stelle.
„Killian...“ Stöhnte ich benebelt von dem aufkommenden Glücksgefühl. „Bitte lass das...“ Meine Stimme klang nicht unbedingt, als würde ich ihn zu etwas zwingen wollen, sondern viel mehr, als besäße ich ganz plötzlich keine Macht mehr über meinen Willen.
„Ich weiß auch... dass du mich umwirfst, als würde ein Sturm einen Felsen versetzten können, Lyn.“
Er kannte überhaupt nicht die Wahrheit hinter diesen Worten. Nicht nur bei unserem ersten Treffen hatte ich ihn umgerannt, sondern auch noch in der Wiederholung dieser verrückten Realität, schaffte ich es, mithilfe meiner Fähigkeiten ihn von den Füßen zu heben.
„Killian... Das klappt einfach nicht.“ Bettelte ich, doch bemerkte überhaupt nicht, wie meine Finger in seinem Haar verschwanden, während er meinen Nacken und meinen Hals liebkoste.
Plötzlich drückte er seine Hüfte gegen meinen Hintern und entlockte mir ein zufriedenes Stöhnen. „Für mich klappt das recht gut...“
Er musste doch wissen, dass ich nicht die Körperchemie zwischen uns meinte, denn die klappte überragend gut. Selbst nach den letzten sechs Monaten, wusste mein Körper noch wie Killian sich anfühlte, wie er roch und schmeckte.
Fluchend über meinen geringen Widerstand, nachdem ich die letzten Monate so hartnäckig dagegen angekämpft hatte, drehte ich mich herum und presste meine Lippen auf seine. Sofort fanden wir unseren ganz eigenen Einklang wieder, unsere Zungen hießen sich bereitwillig willkommen und wieder war da dieses Gefühl der Perfektion. Es war, als wäre alles wieder da, wo es hingehörte nachdem ich es zwanghaft, so lange voneinander fern gehalten hatte.
Frustriert erhob ich mich über Killian, den Tränen nahe. „Nein! Hör bitte endlich auf damit! Killian...“ Ich seufzte und betrachtete sein schönes Gesicht und diese leuchtenden Augen, die in einem sanften Grünton zu mir hoch schimmerten, als wären wir nicht mitten im Haus seiner Kindheit, sondern in einem Grasmeer, das von einer zarten Böe gewiegt wurde.
„Ich liebe dich. Und ich bin mir sicher, dass habe ich davor auch schon...“ Meine Lippen verschlossen seinen Mund, bevor er noch mehr sagen konnte und seine Hand wanderte wissend über meinen Körper.
Wie konnte dieser Egoist nur so etwas sagen? Ich hatte das doch alles für ihn getan, nicht wahr? Mit allem, was mir zur Verfügung gestanden hatte, habe ich gegen ihn gekämpft, um zu verhindern, dass seine Welt, wegen meiner Herkunft leiden musste. „Halt den Mund... Bitte halt verdammt noch einmal den Mund, Killian.“ bettelte ich an seinen Lippen, unfähig damit aufhören zu können ihn zu schmecken.
Quietschend landete ich auf dem Rücken und Killians Knie schoben meine Beine auseinander, bis er bequem zwischen ihnen lag. Altbekannt, legte sich meine Fersen um seine Hüfte und er stöhnte zufrieden.
„Das hatten wir doch alles schon, Lyn. Es fühlt sich an, als würde ich einer Sucht endlich wieder nach Monaten nachgeben, von der ich nicht einmal gewusst habe, dass ich unter ihr zerbreche.“
Ja... zerbrechen... Das war die richtige Wortwahl. Mühsam stemmte ich seine herrlichen Lippen von meinem geröteten Hals weg und kämpfte um Luft, die mir eigentlich zur Verfügung stehen musste. „Wir machen uns aber nur kaputt... Es wird wieder so, wie beim letzten Mal. Du weißt alles über mich, du liebst mich und meine... meine Herkunft wird alles kaputt machen... Es waren nur ein paar Stunden, nachdem wir miteinander geschlafen haben.“
Killian nickte zustimmend. „Und du dank meinen Mitbewohnern dachtest, dass ich mir gleich nach dir, irgendeine andere Braut aufs Zimmer hole, dabei war sie bloß der Hausarbeit meine zugeteilte Klassenkollegin. Und... falls es dich interessiert, sie interessiert sich kein bisschen für Schwänze.“
Mein Atem stockte, als ich erkannte, dass er sich bereits wieder erinnerte und ich begann laut über meine eigene Dummheit zu lachen. „Also... sind wir wieder dort, wo wir aufgehört haben?“
Killian lächelte mich verliebt an und senkte seine Lippen auf meine, für einen der zärtlichsten Küsse, die wir bisher noch nicht geteilt hatten. „Natürlich. Mir ist es immer noch egal, dass du eine Spontanelementarerin bist. Mir ist es ebenso egal, dass meine Mutter austicken wird, wenn sie davon erfährt. Und... ich wünsche mir, dass du so etwas, wie vor sechs Monaten... nie wieder über meinen Kopf hinweg entscheidest, ja? Du siehst ja, wo das hinführt.“ Er deutete auf unsere verschlungenen Leiber und ich begann aus vollem Herzen zu lachen.
Schmunzelnd streichelte Killian mir über die Stirn, um mir einige wild umhergeworfene Haare aus dem Gesicht zu nehmen, und küsste anschließend mein Ohr und Hals, bis ich völlig außer Atem war.
Irgendwie und irgendwann, verschwanden meine Kleider, genauso wie die Uhrzeit.
Erst nach einigen Stunden, bemerkte ich, dass es kurz vor fünf war und fluchte in den Kopfpolster hinein.
Mein gesamter Körper weigerte sich, sich zu bewegen, vor allem, da eine weitere Person ihn beschwerte und sich genüsslich auf meinem Rücken mit meinen Haaren kuschelte. „Killian?“
„Hm...“ Murrte er halb schlafend.
„Es ist fast fünf.“
„Erst?“ Seine Lippen strichen strafend, dafür dass ich ihn für so etwas Nerviges geweckt hatte, über meine Schulter und begannen eine zärtliche Spur zu ziehen.
„Deine Mutter sagte, wir sollen um fünf runter kommen, oder?“ Erinnerte ich ihn etwas drängender.
„Igitt... zukünftige Regel: Wenn wir miteinander im Bett sind, erwähnst du nicht meine Mutter!“
Ich lachte, als er von mir hinunter rutschte, um sich aufzusetzen. Ich tat es ihm gleich, wobei ich keinesfalls darauf achtete, mich zu bedecken.
„Autsch... Der Biss sieht schmerzhaft aus.“
Mit einem lauten Schrei, riss ich den Bettlaken hoch, um mich zu bedecken, doch es war ohnehin schon zu spät. Sia saß auf dem Stuhl, der sich neben dem Kamin befand und grinste uns spöttisch an, als Killian nach einem Polster angelte, um sich selbst zu bedecken.
„Der tut auch weh.“ Gab ich halb grinsend zu. Killian wirkte plötzlich stolz, als hätten wir ihn wegen irgendetwas gelobt.
„Was tust du hier drinnen?“ Fragte er seine Schwester.
„Und seit wann bist du hier?“ Fragte ich meinerseits.
Sia stand auf und grinste noch breiter. „Eigentlich habe ich dich geweckt, als ich die Türe aufgemacht habe, doch ich dachte mir, ich erschrecke euch mehr, wenn ich so tue, als würde ich schon ewig hier sitzen.“ Witzelte sie frech.
Das hatte sie geschafft. „Ich habe dich auch lieb.“ Fluchte ich und lehnte mich an Killian, da meine Augen einen bitterlichen Kampf führten, um nicht der Müdigkeit nachzugeben.
„Okay, ehrlich gesagt bin ich hier, um dir mit deinen Haaren zu helfen. Und wie ich feststellen durfte, kann das noch ein paar Stunden dauern.“
Killian hob ergeben eine Hand und schob seine Beine aus dem Bett. „Okay, ich bin raus. Mädchenkramalarm.“
Sia und ich kicherten, während Killian mir einen tollen Blick auf seinen Hintern gewährte, auf dem sich doch tatsächlich mein Handabdruck befand und rasch aus dem Staub, ins Badezimmer, machte.
Mit einem spitzbübischen Lächeln hüpfte Killians Schwester, die ich derzeit eher als den bösen Zwilling sah, anstatt ihn selbst, ins Bett und hob erwartend die Augenbrauen. „Also... Wann habt ihr geplant zu heiraten? Vielleicht können wir ja eine Doppelhochzeit ma...“ Ein Polster traf sie am Kopf und zerstörte damit ihre bisher, perfekt sitzende Frisur.
Als Sia erkannte, dass es der Polster war, der sich vorhin noch zwischen Killians Beine befunden hatte, schrie sie angeekelt auf. „Killian! Du bist so widerlich!“ Bösartig lachend, verschwand er wieder im Badezimmer. Kurz darauf ging die Dusche an.
Als wieder Friede einkehrte, wagte ich es, >die< Frage zu stellen. „Erinnerst du dich auch wieder, Sia?“
Sie legte den Kopf schräg. „Es kommt darauf an, was du erwähnst. Manchmal, wenn du mir etwas erzählst, habe ich das Gefühl, als kannte ich diese Information schon, oder wenn ich etwas erlebe, dann ist es wie ein Dé ja vú.“
Also würde sie sich irgendwann auch an alles erinnern. An mein kleines Geheimnis, an meine versucht verheimlichte Nacht mit ihrem Bruder, den Streit zwischen Teresa und Killian, den ich aus Versehen gleich zweimal gekittet hatte und meine zweifache Hilfe nach ihrem Trinkunfall?
Stöhnend warf ich mich ins Bett zurück. „Du hattest recht, Sia. Ich habe es wegen Killian getan, aber wie es scheint, sind manche Sachen unabwendbar.“
Sie kicherte und zog mich am Arm aus dem Bett. „Genug Trübsal für die nächsten sechs Monate! Komm jetzt und spul bitte den Tag etwas vor, und ja nicht zurück, ja.“
Lachend ließ ich mich von ihr zum Kleiderkasten ziehen und suchte zusammen mit ihr, frische Kleidung heraus. Nachdem ich ebenfalls duschen war und meine Haare saßen, gingen wir hinab ins Erdgeschoss, wo die Party gerade erst begann.
„Wisst ihr... durch all das Durcheinader bin ich überhaupt nicht dazu gekommen, euch Geschenke zu kaufen!“ Stellte ich schockiert fest. Immerhin ist das hier die Geburtstagsparty der Zwillinge! Und ich...
Hach... Ich bin eine mieserable Freundin.
Plötzlich beugte sich Killian zu mir hinab und küsste mich so innig, dass ich mich sofort wieder ins Bett zurückwünschte. „Also mir hat mein Geburtstagsgeschenk gefallen und ich hoffe, dass es heute Nacht weiter geht.“
Ich grinste verwegen, da ich genau wusste, was er meinte, wobei ich auch zugeben musste, dass seine Bissspur an meinem Rücken noch immer stark schmerzte, und küsste ihn abermals auf die Lippen. „Wie könnte ich dem Geburtstagskind irgendetwas abschlagen?“ Killian grinste noch breiter, wobei seine Hand sich langsam zu meinem Hintern verirrte, der von einem dünnen Sommerkleid verdeckt war.
„Und mir hast du bereits einen tollen Tag geschenkt, indem du Killian dazu gebracht hast, einmal an unserem gemeinsamen Geburtstag nicht zu schmollen, sondern sogar glücklich zu lächeln.“ Dafür bekam ich einen dankbaren Kuss auf die Wange.
Sia lehnte sich wieder zurück an ihren Ethan, der mir zufrieden zunickte. An wie viel er sich bereits erinnerte, konnte ich nicht beurteilen, doch hoffte ich, dass es mir noch etwas länger erspart blieb zu erklären, was mich geritten hat durch die Zeit zu reisen.
„Ah! Da seid ihr ja!“ Begeistert kam uns Sia und Killians Mutter entgegen. Hinter ihr ein Paar, das ihr lächelnd folgte. „Seht an, wer heute euren Geburtstag ehrt!“ Begeistert klatschte sie in die Hände, wobei sie offensichtlich ihr Getränk vergaß.
Fürsorglich nahm Sia ihrer Mutter das Glas Wein ab, während Killian die Gäste von dem kleinen Missgeschick ablenkte. „Frau Direktorin. Wie schön Sie und Ihren Mann begrüßen zu dürfen.“
Diese Lüge kaufte nicht einmal ich ihm ab. Trotzdem streckte auch ich ihr meine Hand entgegen, die sie für einen Moment ergriff, sich dann jedoch wieder zurückzog. Ich fragte mich, ob ich etwas falsch gemacht hatte, doch konnte mir nicht erklären, was dies gewesen sein sollte.
„Wie nett, dass du das behauptest, doch wir beide wissen, dass niemand seine Lehrer, oder Direktorin gerne auf seiner Geburtstagsfeier hat.“ Jeder lachte laut, da es auch simmte.
„Trotzdem freuen wir uns.“ Fügte Sia ein, als Killian sich weigerte dagegen zu protestieren.
„Um ehrlich zu sein, wollte ich mir Jadelyn für einen Moment ausborden... wenn ich darf?“ Fügte sie etwas nervös an.
Killian blickte mich fragend an, da wurde mir erst bewusst, dass tatsächlich ich gemeint war. „Ich? Ähm... Natürlich, Miss Hemsen.“
„Dann gehen wir doch etwas im Garten spazieren, von dort hat man einen herrlichen Ausblick.“ Nur widerwillig ließ ich Killians Hand los. Aufmunternd küsste er meinen Handrücken, dann schob er mich der Direktorin hinterher.
Mich räuspernd folgte ich ihr hinaus und blickte erstaunt dem Strand entlang. „Wow...“ Der Anblick war tatsächlich unglaublich.
„Ich besuche meine alte Freundin gerne. Dann sitzen wir meisten hier, plappern und sehen uns den Sonneuntergang an.“
Noch hatte ich etwas Zeit bis zu diesem und hoffte, an diesem Wochenende noch einmal eine Dämmerung über dem Meer sehen zu dürfen... Am besten in Killians Armen. „Ich verstehe, dass man diesen Ort hier lieben muss.“ Gab ich zu, auch wenn ich persönlich fand, dass es etwas auffällig erschien, seine Weinreben neben einem Meer zu ziehen.
„Erzähle mir etwas, Jadelyn. Wie hast du dich an der Schule eingefügt? Wie ich sehen durfte, sind deine Ergebnisse was deine Kontrolle über das Element Luft angehen, hervorragend. Überraschend... fortgeschritten.“
Verlegen trat ich einen Schritt von der Direktorin und ihrem strengen Blick zur Seite, und lächelte, in der Hoffnung ich wirkte nicht zu unsicher. „Ja... Ich hatte viel Übung und... habe versucht mir die größte Mühe zu geben.“
„Ah! Verstehe.“ Bemerkte sie, völlig nichtssagend, doch ich hoffte, sie würde es mir glauben. „Auf Erika scheinst du auch einen bleibenden Eindruck hinterlassen zu haben.“ Fügte sie nach einem Moment hinzu.
„Erika?“ Fragte ich verwirrt.
„Miss Hutson. Killians und Sias Mutter.“
Ach so heiß sie! „Oh, ja. Verstehe. Ja, sie ist eine wirklich nette Person und ich bewundere bereits seit langem die Marke, welche ihre Familie vertritt. Da ich selbst ein wenig von Wein verstehe und auch recht interessiert daran bin, hatten wir sofort ein gemeinsames Thema.“ Lächelte ich stolz darüber, dass es so einfach gewesen war, sie dazu zu bringen, mich zu mögen. Ein betrunkenes Stiefmonster war noch immer besser als ein Bösartiges.
„Ich bin mir sicher, dass sie sich ebenso freut, dass ihr Sohn ein wunderbares Mädchen, wie dich abbekommen durfte.“
Meine Wangen röteten sich ein wenig. „Ich hoffe doch so.“ War alles was ich dazu zu sagen hatte. Wenn seine Mutter wüsste, was ich bin, würde sie mich bestimmt nicht mehr so herzhaft aufnehmen.
„Jadelyn, Sie wissen hoffentlich, das mir Ihre... Spontanität durchaus bewusst ist, als Direktorin der Jahreszeitenschule.“
Überrascht blickte ich auf zu ihr, doch sah ich ein, dass es selbstverständlich für mich hätte sein müssen. „Natürlich muss es das.“
„Hast du denn schon jemals daran gedacht, deine leiblichen Eltern ausfindig zu machen? Vielleicht ist einer von ihnen ein Elementarer, dann wärst du aus dem Schneider.“ Schlug sie mir hilfsbereit vor.
Bisher hatte ich mir nicht besonders große Gedanken über meine leiblichen Eltern gemacht. Egal weshalb... sie haben mich weggegeben, in eine Familie, die mich mehr liebt, als sie beide es jemals konnten. „Meine Adoptiveltern, sind meine Eltern, niemand anderes. Auch als ich es erfahren habe, fühlte es sich niemals so an, als würde ich etwas verpassen, nur weil ich sie nicht suche.“
„Aber ich kenne Erika. Sollte die wahre Herkunft deiner menschlichen Eltern jemals zu ihr durchdringen, wird sie dir das leben zu Hölle machen. Zudem sage ich ja nicht, dass du sie kennen lernen musst. Ich möchte bloß vorschlagen, dass die Möglichkeit besteht, dass du sobald du ihre Namen hast, im Register der Elementarer nachsehen kannst, ob sie welche von uns sind.“
Nur die Namen, also? Das würde reichen, um meine Herkunft, zu den Elementarern zu beweisen und dadurch nicht schlechter dazustehen, als unbedingt nötig.
Dankbar blickte ich auf zu meiner Direktorn. „Danke für den Vorschlag, Direktorin Hemsen. Ich werde ihn auf jeden Fall beherzigen.“
Stolz lächelnd legte sie ihre Hand auf meine Schulter. „Komm ruhig zu mir, wenn du dabei Hilfe benötigst, oder Rat.“
Ich nickte zustimmend. „Vielen Dank, das ist wirklich nett von Ihnen.“
„Lyn!“ Sia winkte aus der Küche heraus und deutete mir, zu ihr zu kommen.
„Entschuldigen Sie bitte, aber ich scheine gebraucht zu werden.“
Lächelnd tat sie dies ab und ich lief zu Sia, welche meine Hand nahm und mich zwischen das wuselige Personal, zu einem Seitengang führte.
„Unser Stiefvater ist nicht da, also können wir ungestört in der Bibliothek stöbern.“
„Sollten wir das nicht nach eurer Feier machen?“ Fragte ich verwirrt. Immerhin hatten wir noch genug Stunden vor uns.
„Nein!“ Widersprach sie. „Er kommt morgen Früh und dann haben wir überhaupt keine Chance mehr, dass wir uns alle vier verdrücken können.“
„Ist er denn so streng?“
„Nein, das nicht. Aber er mag es nicht, wenn wir in seinem Arbeitszimmer herumkramen.“
„Aber es ist doch die Bibliothek des Hauses, oder?“ Hakte ich verwirrt nach.
„Ja, das schon. Aber da seit Jahren niemand mehr die Bibliothek benutzt, hat er sich dort einquartiert und meckert immer, wenn jemand hinudrchtrampelt.“
Kopfschüttelnd ließ ich mich von Sia in ein Zimmer führn, in dem nicht ganz so viele Bücher standen, wie angenommen. Vor allem hatte man Akten und Mappen anstatt von Deko und Büchern dorthin geschlichtet. Ein wenig enttäuschend für meinen Geschmack.
„Hi, Süße.“ Kaum war ich bei der Türe hineingekommen, erhielt ich auch bereits einen sanften Kuss auf die Lippen. Bereitwillig legte ich meine Arme um Killian und schmunzelte glücklich darüber, so liebevoll von ihm begrüßt zu werden.
„Ich war keine fünf Minuten weg.“
Er zuckte mit den Schultern. „Aber ich warte bereits seit einer halben Stunde, mein Geburtstagsgeschenk wieder auspacken zu dürfen.“
Beflügelt von seinen verführerischen Worten, streckte ich mich seinen perfekten, weichen Lippen erneut entgegen und seufzte tief, als Killian mich fest an sich zog. Leider wehrte unser gemeinsamer Moment nicht besonders lange.
„He, Leute! Ich glaube ich haben es!“ Verkündete Ethan, vom hinteren Teil der Bibliothek und kam mit einem sehr alt wirkenden Buch wieder nach vorne. Sia eilte ihm neugierig entgegen.
„Ja, das ist es!“ Strahlte sie begeistert und kämpfte sich hastig, durch die altbekannten Seiten.
„Dass ich das noch einmal wiedersehen würde.“ Grinste Killian. „Es ist sogar noch weinfleckenleer.“
Schmunzelnd stieß ich ihn dafür hinein. „Du bist wirklich gemein. Dir ist hoffentlich klar, dass Alkoholkrankheit ebenso eine Krankheit ist, wie alle anderen?“
Er nickte. „Natürlich, Frau Chefärztin. Wie hat mir das bloß entgehen können?“
Bevor ich erneut mit ihm schimpfen konnte, mischte sich Sia ein. „Die Elementarer...“ Seufzte sie und wirkte dabei etwas nostalgisch. „Kaum zu glauben, dass ich das alles schon wieder vergessen habe.“ Grinst sie.
„Worum geht es denn darin?“ Fragte Ethan neugierig, legte seine Arme um seine Freundin und sein Kinn auf ihre Schulter, um mitlesen zu können.
„Hauptsächlich geht es darum, wie einzigartig wir sind, es ist so zu sagen, eine Lobpreisung auf uns selbst und es wird auch behauptet, wie in jedem Märchen, dass manche Elementarer bloß die eine große Liebe finden und solchen Unsinn.“
„Klingt doch himmlisch.“ Grinste ich an Killian gelehnt.
„Nein, hier wird es übertrieben geschildert, von Wegen Liebe auf den ersten Blick, schicksalhafter Liebe und so etwas.“
„Was hast du gegen Liebe auf den ersten Blick?“ Beklagte sich Ethan leicht beleidigt.
Liebevoll küsste Sia ihren Freund auf die Wange. „Nichts für ungut, aber ich verliebe mich doch nicht in jemanden, nur wegen seines Aussehens.“
Dem konnte ich bloß zustimmen, wobei Killian bei mir selbst dieses Kriterium perfekt erfüllte.
„Aber an schicksalhafter Liebe, habe ich im Gegensatz zu dir nichts auszusetzen!“ Bemerkte Killian breit grinsend.
„Oh, da ist es!“ Rief Sia plötzlich aus, nachdem sie erneut umgeblättert hatte. „Hier wird auch behauptet, dass manche der elementarer ihre Fähigkeiten auch weiterentwickeln können.“
„Inwieweit?“ Erkundigte ich mich sofort.
„Der Wind weht die Zeit zurück. Der Fluss der Zeit, kehrt das Leben um. Die Kraft der Erde, verändert den Ort. Und die hitzige Flamme ist die Stimme der Gemüter.“
Verwirrt blickten wir vier einander an. Ob es überhaupt einer von uns verstanden hatte?
„Also... dreht ein Luft-Elementarer die Zeit zurück.“ Das war mir bereits klar gewesen.
„Ein Wasser-Elementarer kann das Leben zurücksetzen?“ Fragte Ethan, da er selbst einer war. „Vielleicht kommt daher ja die Legende über den Quell des Lebens.
Sia stimmte dem bloß zu gerne zu. „Ein Erd-Elementarer kann dann also von einem Ort seines Wunsches reisen.“
„Und was soll das dann bei den Feuer-Elementarern bedeuten? Die Stimme der Gemüter?“
„Vielleicht... kann derjenige Gedanken steuern? Oder Massen beruhigen und so etwas?“
„Also eine empathische Fähigkeit.“ Stimmte Sia meinem Gedankengang zu.“
„Genau, so etwas meinte ich.“
„Es klingt aber nicht so, als würde es ein jeder mit genug Übung können.“ Bemerkte Ethan danach.
„Irgendwo logisch, sonst wüssten doch alle davon.“ Stimmte ihm Killian zu, ließ mich los und begann im Raum auf und abzugehen.
„Und was sind die Kreterien, um so etwas zu können? Muss man besonders ungeschickt sein?“ Spottet ich über mich selbst.
„Wieso? Du beherrscht dein Element auch reichlich gut.“ Erinnerte mich Ethan.
„Ich habe auch bereits ein halbes Jahr an Übung voraus.“ Grinste ich, woraufhin er das Gesicht verzog.
„Du Schummlerin!“
Ich streckte ihm die Zunge heraus und lehnte mich danach ebenfalls zu Sia, um die Worte erneut zu lesen. „Luft und Zeitmanipulation, Wasser und die Lebensspanne, Erde und Teleportation, Feuer und Empathie.“ Wiederholte ich ein bisschen weniger kryptisch, als es im Buch stand.
„Tja, dann sollten wir wohl noch ein paar wie dich finden, was Lyn.“ Grinste Sia breit.
„Steht sonst nichts da? Woher diese... zusätzlichen Fähigkeiten kommen?“
„Du kannst dir das Buch gerne ausleihen, aber du wirst nicht viel mehr finden, als dass was du ohnehin bisher weist.“
Dankbar nahm ich es entgegen und entschied heut noch ein wenig darin zu lesen.
„Wollen wir noch ein wenig stöbern?“ Schlug Ethan vor und Killian stimmte sofort zu. Sia und ich setzten uns derweilen auf den Rand des Schreibtisches und blätterten gemeinsam in dem dicken Buch, in dem es hauptsächlich bloß um von bereits von den Menschen bekannten Geschichten ging, welche hier etwas abgeändert wiedergegeben wurden.
„Scheint fast so, als wärst du jetzt eine Superheldenin, oder so etwas.“ Scherzte Sia nach einem Moment.
„Nur weil ich aus versehen die Zeit zurückgedreht habe.“ Grinste ich.
„Nicht nur.“ Stimmte sie mir zu. „Auch weil du meinen Bruder so glücklich machen kannst, wie er es seit unseres Vaters tot nicht mehr war.“
„Woran ist er denn gestorben?“ Fragte ich.
„Ein außer Kontrolle geratener Überfall, hat uns die Polizei verraten.“
„Oh, nein!“ Rief ich geschockt aus. „Hat man denn die Mörder je gefunden?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein aber die Akte ist längst verjährt und niemand sucht mehr nach ihnen.“
Das fand ich gemein. Jemanden auszurauben, so schrecklich es auch war, so war der Verlust von Geld oder Gegenstände auswechselbar. Zumindest Großteils. Aber das Leben eines Familienvaters zu nehmen... „Das tut mir sehr leid für euch.“
„Schon gut. Es ist schon lange her. Killian und ich hatten einander, das reichte uns bisher immer vollkommen.“
Das Band von den beiden Zwillingen musste wirklich fest sein, stellte ich fest, als ich Sias Blick auffing. Sie liebte ihren Bruder, weit mehr als ihre Mutter, oder irgendjemand anderen, abgesehen von Ethan.
„Bisher?“ Fragte ich neugierig nach.
Sia lächelte mich liebevoll an. „Seit ich Ethan habe, war die Spannung zwischen Killian und mir... ziemlich ungut. Aber sie wurde besonders die letzten Wochen immer besser. Und ich denke, das war auch bereits die ersten sechs Monate so, bevor du zurückgespult hast, nicht wahr?“
„Das kann ich nicht beurteilen, wir standen uns nicht ganz so nahe, wie jetzt beim zweiten Durchlauf.“
„Wirklich?“ Fragte Sia überrascht. „Ich dachte eigentlich, dass ich dich davor schon richtig gern gehabt habe.“
„Du hast öfters versucht, mir Killian schmackhaft zu machen, ja.“ Gestand ich ein.
Sia grinste triumphierend. „Siehst du. Ich wusste doch, ich mochte dich schon immer.“
Lachend schloss ich das Buch, da ich mich ohnehin im Moment nicht darauf konzentrieren konnte und ließ meinen Blick zu Killian schweifen. Erneut kam mir der Gedanke, meine Eltern zu finden, in mir hoch, denn immerhin hatte Miss Hemsen recht. Wenn ich Killians Ethan bin... dann musste ich dringend beweisen können, dass auch in mir das Erbe der Elementarer steckt und ich nicht bloß eine spontane Mutation bin. Doch konnte es wirklich so einfach sein?
Durfte ich, nachdem ich es bewiesen, oder widerlegt hatte, einfach so mit Killian weitermachen, wie bisher? Und was hatte es mit diesen vier besonderen Fähigkeiten auf sich? Konnte ein jeder Elementarer sich soweit entwickeln? Gibt es bloß eine Handvoll besondere? Oder sind sie gar einzigartig?
Ich hatte nicht das Gefühl, als würde ich das unbedingt an diesem Wochenende alles herausfinden können, doch das war mir im Moment nicht ganz so wichtig, wie Killian selbst.
Nun, ja. Zumindest war ich mir sicher, dass ich mit Killian an meiner Seite, oder mit ihm im Bett, zumindest die Zeit wie einen Wimpernschlag vergehen lassen konnte, so wie anhalten, solange wir wollten.
Als Killian meinen sehnsüchtigen Blick bemerkte, lächelte er mich aus der Ferne an und kam auf mich zu. Er stützte beide Arme neben mir auf dem Tisch ab und stieß mit seiner Nase auffordernd gegen meine. „Was ist los, Süße?“
Sanft legte ich meine Arme um ihn und genoss einen langen Moment seine Nähe. „Ich habe dich wirklich vermisst.“ Gestand ich Killian.
„Aber ich dachte, es waren doch nur fünf Minuten.“ Zog er mich auf, wofür er einen Kuss von mir bekam.
„Viel zu lange >fünf Minuten<.“ Grinste ich.
Killian zog mich vom Tisch und gab mir einen langen, vielversprechenden Kuss. „Dann sieh zu, dass es nie wieder zu solch einer Verzögerung kommt, klar.“
„Versprochen... Vorerst.“
Lachend zog er meinen Körper an seinen und wir bewegten uns langsam, im Klang der gedämpften Melodie. Wann Ethan und Sia gingen, bemerkte ich überhaupt nicht, denn für uns beide herrschte erneut derselbe Zauber, welcher uns immer zu befallen schien.
Wenigstens hatte ich es nun gelernt. Ich konnte die Zeit noch so oft zurückdrehen, machen Dinge mussten einfach so, oder ähnlich geschehen, denn sie waren vom Schicksal genauso vorherbestimmt. Egal ob es ein zufälliger Unfall, ein unbewusster Rat, eine scheinbar unbedeutende Umarmung, oder einfach die ersten Gefühle waren. Manchmal zieht es einem, trotz jeglicher Widersprüche zu dieser einen Person hin, die einem das größte Glück der Erde bescherte.
„Ich liebe dich, Killian.“
Er schlang seine Arme noch fester um mich und küsste mich zärtlich auf die Stirn. „Ich liebe dich auch... immer wieder.“

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Tag der Veröffentlichung: 06.05.2017

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