Alle guten Märchen fangen mit einem: „Es war einmal...“ an. Doch nicht so dieses Märchen. Noch nicht... Diese Geschichte fängt in einem sehr alten Reich an. In einem Reich, wo Drachen die größten und mächtigste, feuerspeienden Urgewalten waren, wo es Menschen gab, die zwischen den Lebewesen mühelos wandelten und Königreiche. Königreiche voller Magie. Es waren damals sechs, in Frieden regierende, Königreiche auf einem riesigen Land umgeben von riesigen Wasserfällen. Jedes besaß an einem Gewürz, an einem Tier, an einem Material oder an einem Nahrungsmittel, mehr als das andere. Friedlich gingen Tauschhandel dahin.
Die Städte wuchsen, die Felder gediehen und die Magie erreichte den Höhepunkt ihrer wunderschönen einzigartigen Vielfalt. Eines dieser Königreiche, dass an Holz keine Mangelware fand, um dieses geht es hier. Es geht außerdem um einen jungen König, der gerade seinen erstgeborenen Sohn in die Hand nahm um einen jungen König, der bangte und zitterte um das Leben seiner wunderschönen, vom Volk und ihm selbst geliebten Königin. Er flehte den ganzen Tag und die ganze Nacht hinauf zu den großen Göttern, dass sie seine Frau und deren ungeborenes verschonen sollten. Der König fiel mit seinem prunkvollen Gewand auf den hölzernen Boden und betete für das unschuldige Leben in ihrem Leib und das aufrichtige Leben seiner über alles geliebten Frau.
Die Zeit ging dahin. Die Sonne ging unter und der große Vollmond trat hoch auf den Himmel. Durch das geöffnete Fenster, konnte er das Heulen der hundert Wölfe ertönen hören, die rund herum von seinem Königreich im Wald lebte. Sie stimmten mit ihrer einzigartigen Stimme in das Gebet des, noch jungen, Königs ein, der dankend hinab in den Wald blickte.
Langsam erhob sich sogar ein Stimmengewirr, die Burg hinauf. Plötzlich erkannte er, dass es kein Stimmengewirr war, sonder ein Singsang.
„König! Sehen Sie doch!“ Rief einer der Wachen und deutete auf den Balkon, der schon vielen königliche Kinder dem Volk Ehre erwiesen hatte. Er trat hinaus auf diesen und traute seinen Augen kaum. Zuerst konnte er lediglich seinen erstgeborenen Sohn erkennen, der vor der Götterstatue kniete und betete. Danach folgte sein Blick den Händen, die sich von den Schultern seines Sohnes aus in alle Richtungen fortbewegten und erkannte, dass sein gesamtes Volk aus der Stadt vor der Burg kniete und mit ihrem Herrscher um das Wohlergehen des königlichen Adels betete.
Die Brust des Königs drohte bei diesem wundervollen Anblick zu zerspringen. Jeder einzelne von ihnen, schickte von sich aus ihre magische Energie in den goldbraunen Stein, der sich im Maul des aus Stein gehauenen Drachens befand um mit ihm die Aufmerksamkeit des Drachengottes zu erbitten. Der König konnte es nicht fassen. Sein gesamtes Volk betete für ihn, für das Leben seiner großen Liebe und das Leben seines Kindes. Eine kalte Schnauze, riss ihm von diesem sagenhaften Anblick los und er blickte hinab in die treuen gelben Augen, des persönlichen Wolfswächter seiner Frau. Im nächsten Moment verwandelte der weiße Wolf sich in einen athletisch gebauten Mann mittleren Alters und blickte an dessen Seite hinab zu der Menschenmenge. Jeder einzelne hatte sich heraus geputzt um den Göttern zu gefallen. Jeder versuchte jeden zu übertreffen um die Aufmerksamkeit der Götter zu erlangen. Sofort fiel der König wieder auf die Knie, genauso wie es seine Untertanen tat und betete mit ihnen, mit geschlossenen Augen.
Als sich nach mehreren Minuten, ein seltsames Gefühl in ihm breitmachte, und alles vollkommen still wurde, öffnete der König die Augen und blickte in die rubinroten Augen des Goldenen Drachen, welcher sein Familienwappen zierte. Doch dies war kein normaler Drachen, wie diese, die man in den Hochgebirgen in der Mitte des Landes oder in den Seen rund herum um das Land fand. Nein dieser war wesentlich größer, mächtiger, furchterregender, so wie Prachtvoller. Jede Schuppe war so groß wie das Gesicht des Königs. Jede Pranke mit scharfen Klingen artigen Krallen bewaffnet und einem Kiefer, dessen Zähne so spitz waren, dass sie sogar ganze Felsen herausbrechen konnten. Dieses anbetungswürdige und einzigartige Geschöpf stand nun vor ihm und peitschte wild mit seinem Schwanz über die Dächer der Häuser. Es war ein Gott. Genauer gesagt der Gott aller Götter. Derjenige der dieses Paradies erschuf und ihnen bis heute zu Wohlstand und Liebe verhalf.
„Du bist also, der ernannte König, über dieses Volk, das vor meiner Statue kniet?“
Der König nickte und zitterte dabei am gesamten Leib, da er fürchtete, den Zorn der Götter beschworen zu haben, durch seine egoistische Selbstsucht.
„Was ist daran Selbstsucht, wenn man denjenigen beschützen möchte, den man liebt? Einen so starken menschlichen König zu treffen, der so sehr geliebt wird, ist mir eine besondere Ehre. Ich gewähre dir den Wunsch, zwei der drei Leben in deinen Gemächern zu retten, die im Sterben liegen. Jedoch eines muss ich natürlich nehmen.“
Für einen endlosen Moment herrschte im Kopf des Königs eisige Leere. Seine Frau gebar Zwillinge? Welch größeres Geschenk konnte er denn da erwarten? „Ich gebe dir einige Minuten um deinen Kopf zu klären, doch bedenke, dass eines dieser Wesen, nicht deinem königlichen Geblüt angehört. Aber entscheide schnell. Die Zeit steht zwar still, doch nicht ewig.“
Ein feuriger Bolzen durchbohrte das Herz des Königs. Eine untreue Königin? Ein Bastardkind? Sein leibliches Kind, würde er unter allen Umstände beschützen, dass stand außer frage. Doch andererseits, konnte das ungeborene Kind doch nichts für den Fehler den seine Mutter begangen hatte, oder? Wer war wohl der Vater des Kindes? Konnte er es überhaupt ertragen dies zu wissen? Und was würde nun um sein Herz geschehen, wenn seine Königin nicht mehr lebte? Der junge König, der sich plötzlich unglaublich alt fühlte, stützte sich am steinernen Geländer ab, der den Balkon umgab und kühlte seine erhitzte Stirn daran.
Konnte es tatsächlich möglich sein, dass seine so perfekte Königin ihn hinterging? Die Frau die er schon seit seiner Kindheit liebte wie niemand anderen? Sie hatte seinem werben erst nachgegeben, als er androhte, den ihm zustehende Thron zu entsagen um mit ihr an seiner Seite auf bürgerliche weise zu leben. Damals hatte sie laut lachend seine, Hände zärtlich in die ihren genommen und gedrückt. „Liebster. Natürlich sollte ich dieses Angebot auf der Stelle annehmen. Doch ich verspreche Ihnen, Eure Hoheit. Hier und heute, dass alleine Ihr es sein werdet, dem ich meine Kinder schenken werde, mein Herz und mein Leben. Ihr seid die Liebe meines Lebens und ihr würdet bestimmt sogar als Schweinehirte wie ein Gott aussehen und ich wäre weiterhin an Eurer Seite.“
Lachend hatte er sie damals geküsst. Der erste und einzige Kuss blieb dies jedoch für drei grausame Jahre. Sie verschwand noch in der selben Nacht um die Welt zu erkunden. Das einzige, das sie hinterließ war eine Nachricht, das sie noch einmal die Welt in ihrer natürlichen Form sehen wollte, bevor sie alles durch eine Brille der unendlichen Liebe sehen würde. Tatsächlich kam sie wieder und sie heirateten beinahe auf der Stelle. Ein Jahr darauf schenkte sie ihm einen gesunden großen Sohn, der die wahre Liebe widerspiegelte, die sie füreinander hegten. „Sorez. Erstgeborener und Thronerbe der Familie Chrestnik, unter dem Wappen des mächtigen goldenen Drachen.“ Verkündete damals der Hohepriester auf dem Balkon auf dem er nun stand, den Namen seines Sohnes, und ehrte mit heiligen Wasser aus den natürlichen Wasserfällen den kleinen, schreienden, nackten Jungen. Sein Blick glitt hinab zu seinem Erstgeborenen, der erstarrt für das Leben seiner Mutter und seiner Geschwister betete und plötzlich fiel ihm die Entscheidung überhaupt nicht mehr schwer. Er teilte dem Drachengott seine Entscheidung mit, dieser sich auf der Stelle scheinbar überrascht in eine goldene Echse verwandelte und hinein in das Gemach glitt, in dem seine Frau mit den beiden ungeborenen Seelen lag. Mit einem leisen Zischen nahm er eine der drei Seelen mit sich, wohin der König der Seele erst folgen konnte, wenn der Drachengott kam um seine zu holen. Jedoch bevor der Drache verschwand, hörte er das Flüstern der Bäume im Wind, die wieder begannen sich zu bewegen. „Von nun an musst du jedoch mit deiner Entscheidung leben.“
Siebzehn Jahre später, blickte der plötzlich veraltete und grau gewordene König hinab zu seinem in Silber gekleideten Soldaten. Jeder bis auf die Zähne bewaffnet und bereit für ihr Land bis in den Tod zu ziehen. Seit der Geburt seiner Tochter sah der König alles anders. Der einzigen Person, der er wirklich noch vertraute war niemand Geringeres als sie. Zwar hatte er das Leben seiner Frau gerettet und für dieses des Ungeborenen hergegeben, verzeihen konnte er es ihr bis heute noch nicht. Zu tief saß der Schmerz verraten und betrogen worden zu sein, von seiner einzig wahren Liebe.
Die Königin derweilen verachtete ihn für seine egoistische Tat. Sie sah zwar ein, dass sie einen Fehler begangen hatte, doch trauerte bis heute noch um die kleine unschuldige Seele, die sie unter ihrem Herzen getragen hatte, zusammen mit ihrer sehr lebendigen Tochter und ihrem tapferen Erstgeborenen Sorez.
Sein Sohn Sorez, der keinerlei Aufmerksamkeit mehr von seinem Vater bekam, hatte sich ebenfalls abgewendet von seinem Vater. Er hatte nach Jahren verstanden was sein Vater getan hatte. Einerseits war er glücklich seine Mutter noch zu haben, doch anderseits, fühlte er tief in seinem Herzen, das sein Vater niemand anderen mehr liebte als seine verwöhnte Schwester.
Sorez, der nicht tatenlos herum sitzen wollte, übte derweilen westlich lieber für den prophezeiten Krieg.
>Sechs Königreich, vereint durch die Liebe aller, doch versenkt in den dunklen Tiefen, durch das Leid eines Einzelnen!<
Wie der Krieg angefangen hatte, wusste bis heute niemand. Eines Tages war einfach ohne besonders ersichtlichen Grund, oder Vorwarnung ein Schwarzmagier in die südlichste Stadt eingefallen und hatte sie innerhalb eines Tages vollkommen eingenommen. Er hatte aus den Toten und Verletzten eine unantastbare übermenschliche Armee erschaffen. Sie besaßen Hörner, die die größten Bäume umstoßen konnten, Klauen, die Schwerter vierteilten und Hauer die einen Menschen in zwei Hälften zerrissen. Andere Kreaturen wiederum, Skelette und Untote, trugen wiederum schwere Waffen mit sich herum. Äxte, Hämmer, Hellebarden, Morgensterne, alles was Knochen zertrümmerte, ohne großartige Mühe. Sie wurden von allen gefürchtet und jeder flüchtete bereits nach Norden.
Königreich für Königreich fiel innerhalb einer einzigen Nacht. Weniger Stunden. Jedoch mit tausenden von Opfern. Waffen, die normale Menschen nicht einmal anheben konnten, sausten auf sie nieder, während der dunkle, gefürchtete Magier in seinem schwarzen Turm saß, hoch im Süden und spöttisch von dort auf die Menschheit hinab blickte. Wie Ameisen zertrat er sie unter seinen mächtigen Fellstiefeln.
Der betrübte König, dessen Königreich als letzter verblieben war, wusste, dass es nun an ihm lag, das Land zu verteidigen, selbst wenn es die Auslöschung der Menschen zuteilen wurde. Doch andererseits wusste er, dass er niemals Erfolg haben würde. Wieso auch, sollte er dort Erfolg haben, wo alle anderen Königreiche versagt hatten? Wie sollte man auch eine Armee von magischen Untoten besiegen?
Die letzte Möglichkeit, an die er sich klammerte, war das der Sturz des Nekromanten, der den Sturz der Ungeheuer mit sich brachte. „Ach... Bitte! Vater! Du weißt das ich genauso gut kämpfe, wie Sorez. Schließe mich nicht immer aus!“ Die Königstochter blickte hinauf zum Thron ihres Vaters und schüttelte frustriert den Kopf. So würde das niemals etwas werden. Er würde ihr niemals erlauben sich als Frau und auch noch als Adelige an einem so wichtigen Kampf zu beteiligen, dessen Todesrate unbeschreiblich hoch lag.
„Nein, das ist nicht gut genug.“ Murmelte sie frustriert. „Vater ich weiß um meine Herkunft und ja es ist eine riskante Mission, doch sie her... Bei Gefahr kann ich einfach davon fliegen und mir würden nichts passieren.“
„Nein mein Kind!“ Erschrocken folgte sie der tiefen Stimme und verdrehte genervt die Augen. Braune weiche Iriden, die sie, schon seit sie noch ein kleines Kind gewesen war, kannte, blickten sie belustigt an.
„Northan! Erschrecke mich doch nicht so! Ich werde noch eines Tages an einem Herzanfall versterben wegen dir.“ Tadelte sie ihn halbherzig, was ihr ein schelmisches Lächeln einbrachte, welches sie so sehr an im schätzte. Mit einem breiten Lächeln ging ihr Wolfswächter vor ihr auf die Knie.
„Eure wunderschöne Majestät. Bitte vergebt einem hinterhältigen Hund wie mir. Ich könnte es nicht ertragen, wenn Ihr mich von Eurer Seite stoßen würdet.“
Sie stimmte belustigt in sein Lachen mit ein, und deutete ihm sich zu erheben. „Du bist fürchterlich unverschämt und aberwitzig. Sag mir lieber warum ich dich nicht auf der Stelle in den Kerker werfen sollte?“
„Weil ich Euer demütiger und anbetungswürdige Weggefährte sowie Beschützer bin, meine über alles geliebte Prinzessin.“ Sie kicherte und ließ sich auf ihre Seite des Thrones fallen. Im Königssaal gab es insgesamt vier Throne. Den eisernen gepolsterten für den König vorgesehenen, den prächtig verzierten hölzernen, war für die Königin und die beiden an den Außenseiten für die Königskinder. Rechts neben dem König saß immer der Thronerbe, neben der Königin versammelten sich mit der Zeit die anderen Kinder. Doch dadurch das sie das einzige weitere Kind nach Sorez war, stand nur ihr Thron dort.
„Na wenn du meinst.“
„Prinzessin, ich weiß, mir steht es als persönlicher Wächter nicht zu, zu urteilen, doch ich denke nicht, dass das Schlachtfeld für eine so besondere Prinzessin wie Euch gemacht ist.“
Sie strafte ihn mit einem strengen Blick, doch wusste, dass er recht hatte und es lediglich gut meinte. Niemand würde ihr erlauben bei so einer wichtigen Mission dabei zu sein. „Northan! Ich denke ich habe die Lösung, doch dafür benötige ich deine unfreiwillige Hilfe.“
Der Wolf blickte sie mit einem sorgenvollen Blick an, doch sie ignorierte ihn gekonnt und sprach weiter. Einen Tag später, blickte sie triumphierend zu ihrem Wolfswächter auf und schenkte ihm ihr stolzestes Lächeln, doch bekam wie erwartet einen mahnenden Blick zu spüren. Die Prinzessin konnte ihr Glück kaum fassen. Sie hätte es tatsächlich geschafft sich gegen einen anderen Krieger auszutauschen, während sie sich hinunter schlichen in die Katakomben.
„Ich vermute nicht, das Ihr Eure Entscheidung bereut, junges Fräulein?“ Flüsterte Northan, doch kannte die sture Antwort bereits.
„Nein Northan. Ich bin der glücklichste Mensch aller Zeit. Ich kann mein Glück kaum fassen. Ich werde ernsthaft kämpfen! Gegen Untote! Welche Prinzessin kann schon einmal in ihrem Leben eine solche Erfahrung machen?“
Kopfschüttelnd deutete der Wächter ihr, vor ihm zu gehen. Sie machten immer das Schlusslicht und standen bei Rastpausen immer etwas weiter abseits, von den anderen entfernt. Doch diesen schien das überhaupt nicht bewusst zu sein. Sie schienen nichts anderes wahrzunehmen, als das Ziel ihrer Mission.
Es vergingen drei Tage, bis endlich der Turm des Nekromanten in Sicht kam. Da sie sich durch das schwer zugängliche Gebirge arbeiteten und nur langsam vorankamen, dauerte der ganze Weg länger als gedacht und das Essen neigte sich so langsam dem Ende zu. Der Königssohn ließ fünf seiner zwanzig Soldaten ausschwärmen, um auf die Jagd zu gehen. Jeder ging in eine andere Richtung davon. Da die Prinzessin ebenfalls auserwählt wurde, lief sie vor den anderen um möglichst weit von ihnen wegzukommen.
Mit ihrer, von dem Drachengott gegebenen Gabe, fand sie die hier ansässigen Eidechsen, Schlange, Wühlmäuse und großen Heuschrecken wesentlich einfacher und schneller, indem sie sie mit einem leichten magischen Schlag betäubte.
Alles was sie gefangen hatte, ließ sie vor einem kleinen Lagerfeuer, das lediglich für das Braten gedacht war, auf den Boden fallen und setzte sich in einem respektvollen Abstand neben Northan, der sie sichtlich nervös anblickte. „Ihr seid viel zu leichtsinnig! Wieso musstet ihr unbedingt so vieles bringen?“
Sie beobachtete die anderen Jäger, die lediglich mit ein oder zwei Reptilien kamen und sich erschöpft an das Feuer sinken ließen. Während des Essens musste die Prinzessin ständig ihren Bruder betrachten, der ebenfalls abseits von allen saß und den in der Ferne aufragenden schwarzen Turm nachdenklich musterte. Am liebsten, wäre sie auf der Stelle zu ihm geeilt und hätte ihm einen schwesterlichen Rat gegeben, was jedoch absurd für sie schien, da sie beide niemals sonderlich wie richtige Geschwister aufgewachsen sind.
„Weißt du... Kümmere dich einfach um deine Angelegenheiten. Deine Meinung ist hier nicht von bedarf.“ Zischte sie ihn an und setzte sich ein Stück weit von ihm weg, als er ihr bereits zum fünften Mal einen Vortrag hielt.
Kurz vor dem Morgengrauen wurden sie alle unsanft vom Prinzen geweckt. Unsicher kamen alle auf die Beine und folgten ihrem Herren bis zum Rande des Gebiets, an dem die Untoten herrschten und sich der Eingang zum Turm befand. Staunend besah sie sich den mysteriösen Ort. Es war genauso, wie es sich die Prinzessin vorgestellt hatte. Ein mächtiger Turm aus schwarzen Metall geschmiedet, erhob sich mitten auf einer ausgetrockneten Einöde in unvorstellbare Höhen. In solche Höhen wagten sich normalerweise ausschließlich Drachen, da sie den dort herrschenden Stürmen standhalten konnten. Dunkle schwere Wolken verhangen das Ende des Turmes, doch die Prinzessin zweifelte nicht daran, das er beeindruckend sein musste.
Sie beschlossen sich durch den Hintereingang, wenn man diesen als solchen bezeichnen konnte, hinein zu schleichen, was einfacher gesagt war als es tatsächlich sein würde. Der Eingang des Turmes war höher als zehn Männer, die man waagrecht übereinander gestapelt hatte und mehrere Fuß breit, sodass ein ganzes Heer hindurch marschieren konnte. Rund um den Turm, der gut bewacht von Untoten war, befand sich rein überhaupt nichts. Ungesehen würden sie niemals hinein kommen.
Die Prinzessin vernahm das leise Knurren ihres Wächters und stieß ihn in die Seite. „Ich gehe auf die andere Seite um sie abzulenken. Sag den anderen, sie sollen sich bereit halten.“
Ohne das er reagieren konnte, verschwand sie hinter einer Felsgruppe und brachte etwas Abstand zwischen sich und die Selbstmordeinheit. Hinter einem auffälligen Felsen, den sie sich gut merken konnte, entledigte sie sich ihrer Kleidung und versteckte sie, sodass sie nicht durch Zufall gefunden werden konnte. Dort verwandelte sie sich geübt in einen Adler und schwang sich mühelos durch die Luft. Ihre starken Flügel trugen sie in Windeseile durch das Gebirge und direkt zu einem dichten Urwald.
Begeistert landete sie auf dem Waldboden und verwandelte sich in ein vier Meter hohes Wollhaarmammut, das in den östlichen Ländern zumeist beheimatet war. Mit ihren mächtigen Stoßzähne grub sie sich mit wuchtigen Stößen durch den Wald, bis sie sich auf der glatten Ebene vor dem Turm wieder fand. Mit lautem Getöse ging sie auf die skelettartigen Untoten los und zerbrach diese wie gebrechliche Äste unter ihren vielen Tonnen von Körpergewicht. Wie von Sinnen ahmte sie eine in Panik verfallene Mammutkuh nach und walzte alles um, das nicht niet und nagelfest war.
Sobald sie kleine Schatten aus den Bergen huschen sah, begann sie sich auf die Hinterbeine zu stellen und kleine Erdbeben auszulösen, welche die Untoten zu Fall brachten. Der Großteil verlor seine Waffen, was sie zu ihrem Gunsten ausnutzte. Die Untoten selbst waren sich unsicher, wie sie auf einen außer Kontrolle geratenes Mammut reagieren sollten, daher schlugen sie einfach mit aller Kraft auf die verwandelte Prinzessin ein.
Jedoch fühlte sie kaum etwas dabei, da ihre Haut zu dick für die Klingen war. Mit weniger Schaden, als das sie gerechnet hatte, konnte sie sich langsam und unauffällig wieder in die dichten Wälder zurückziehen und verwandelte sich ungesehen in einen Adler zurück, um mit kräftigen Flügelschlägen schnell wieder um die Berge herum bis sie sich hinter dem Felsen wieder in ihre ursprüngliche Gestalt verwandelte und ihre Rüstung überzog, damit man sie nicht erkannte.
Der Prinzessin ihre langen Beine trugen sie mit schnellen Schritten, wie von selbst über das nun noch immer verlasse Feld. Lauthals lachend und unendlich glücklich das sie tatsächlich einen sinnvollen Nutzen für die anderen gehabt hatte und das ohne sich selbst zu verraten machte sie unsagbar stolz. Ihr Bruder hatte zwar eine gewissen Ahnung, das sie Magie wirken konnte, doch das sie wie Wolfswächter auch ihre Gestalt ändern konnte, davon wusste er nichts.
Davon wusste niemand außer natürlich Northan, der es ihr gezeigt hatte. Als sie nun vor dem großen Tor stand, hatte sie neuerdings ein Problem. Zwar befanden sich die sich nur schlendernd fortbewegenden Untoten noch auf der anderen Seite des Feldes, doch der Turm besaß so viele Eingänge und sie wusste nicht, durch welchen ihre Soldaten gegangen waren. Sie probierte es bei der näherten Türe, doch diese war verschlossen. Sie ging weiter zur nächsten, wieder verschlossen. Und der nächsten und der nächsten. Alle waren verschlossen.
Die Untoten, auch wenn sie sich nur sehr langsam bewegten, kamen unaufhaltsam näher, doch hatten sie noch nicht bemerkt. Verzweifelt lief sie auf die andere Seite der Säulen, doch auch dort hatte sie genau das selbe Ergebnis. Verschlossen. Da ihr langsam die Zeit ausging sich an allen Türen vorbei zu arbeiten, brach langsam die Panik in ihr aus.
Mit zittrigen Fingern und schnellem Atem, lief sie von Türe zur Türe, doch keine einzige reagierte auf ihre kläglichen Bemühungen. Verzweifelt hämmerte sie an einer Türe, da sie die knackenden und zischenden Laute der Untoten bereits vernahm. Zwar konnte sie einfach einen schnellen Aufschließzauber ausüben, doch das Risiko bestand, dass der Magier die nahe Magiebenutzung bemerken könnte und solange sie den genauen Standort ihres Bruders nicht kannte, wollte sie dieses Risiko auch unter keinen Umständen eingehen. Zornig probierte sie es an der nächsten und betrachtete abwesend dabei, die vielen anderen Türen, die noch vor ihr lagen. Plötzlich verlor sie das Gleichgewicht und fiel der Länge nach in einen leeren Raum, der von hellblauen Steinen beleuchtet wurde.
Die Türe schloss sich sofort hinter ihr und versiegelte sich von selbst. Wieso war sie auf gegangen? Hatte der Magier sie etwa doch bereits bemerkt und nun in eine Falle tappen lassen? Selbst wenn, zum Umdrehen hatte sie keine Zeit mehr und die Untoten würden bestimmt schon draußen vor den vielen Türen wache stehen. Vollkommen deprimiert von den anderen abgeschnitten zu sein und auch etwas ein geschnappt, da sie es hasste, wenn sie hinfiel, betrachtete sie die endlose schwarze Wendeltreppe, die sich hinauf in andere Gewölbe zog. Die Prinzessin putzte sich den Schmutz von der Rüstung und lief in einem gemütlichen Tempo die Stiegen hinauf. Irgendwo musste sie doch hinführen und vielleicht traf sie dort auch wieder auf ihre Gruppe. Nach Stunden der Strapazen schaffte sie die halbe Strecke und verfluchte innerlich mehrmals den schwarzen Magier, da er so viele Treppen gebaut hatte, um seine menschlichen Feinde zu ermüden, bevor sie oben ankamen.
Als sie einen Untoten traf, der langsam die Stiegen hinauf taumelte, schlich sie sich von hinten an und schubste ihn die endlose Tiefe hinunter. Zwar verursachte er einen gewaltigen Krach, doch das war ihr nun auch egal, da niemand vor ihr ging, der sie hören konnte, zumindest so viel sie erkennen konnte. Jedoch fragte sie sie wieso ein Untoter die Stiegen hinauf ging, wenn sie doch alle draußen Wache standen.
„Verdammt so komme ich doch niemals an....“ Zischte sie die Stiegen an, doch erhielt wie erwartet keine Antwort. Der Verzweiflung nahe, gab sie auf und entkleidete sich, packte all ihre Sachen in ihren Lederschutz, den sie um den Brustkorb trug und verwandelte sich in einen Haastadler. Jetzt war es so wie so schon egal, ob sie erkannt wurde, von den anderen oder nicht.
Sie wegzuschicken war zu riskant, jedoch weiter hinauf zum Magier zu gehen auch. Egal was ihr Bruder sagen würde, sie würde an seiner Seite bleiben. Vorsichtig packte sie mit ihren starken Krallen das kleine Paket und trug es mit ihren mächtigen zuverlässigen Flügel weit nach oben. Auf dem Weg hinauf, der nun viel schneller voranging, traf sie immer wieder auf Untote, die mühsam langsam die Stiegen erklommen. Je weiter sie nach oben kam, umso mehr wurden es.
Plötzlich wurde ihr bewusst, dass es sich vermutlich um diejenigen handelte, die abgestürzt waren. Als sie endlich eine Plattform erreichte, traute sie ihren Augen kaum. Ihr Bruder stand mitten auf dieser Plattform, umringt von mehreren Untoten, die alle wie wild auf die Soldaten des Königs einhackten. Die Plattform, war eindeutig ein Hinterhalt gewesen, der die so wie so bereits erschöpften Soldaten auslöschen sollte.
Empört gab sie einen kreischenden Aufschrei von sich und zog die Aufmerksamkeit auf sich. Nathan, der bereits am Boden lag und seinen Prinzen somit mit dem Leben schützte, brachte sie vollkommen in Rage.
Die ersten Untoten erreichten sie bereits und schlugen nach ihren wunderschönen gepflegten Flügel. Zornig fing sie an eine Windböe mit ihrer sieben Meter Spannweite zu erzeugen und katapultierte die Untoten wie Blätter von der Plattform.
Plötzlich kam ihr die Idee eine noch größere Windböe zu erschaffen und flog in eine günstige Position, die ihren Bruder und die übrig gebliebenen Soldaten schützte. Innerhalb weniger Minuten waren alle Untote auf ein Minimum reduziert und bewegungsunfähig gemacht. Das gerade noch volle Schlachtfeld war nun leer geräumt, nur die verwirrten Soldaten wussten nicht, wie sie auf den übergroßen Haastadler reagieren sollten, der scheinbar auch noch Magie nutzen konnte.
Die einzigen die keineswegs verwirrt zu sein schienen, waren der Prinz und Northan. Da Northan noch mit seinen Verletzungen kämpfte, kam er nur schwer auf die Beine, doch Prinz Sorez war mit langen Schritten schnell bei ihr. „Verdammt, Lilith!“ Was zur ewigen Dunkelheit suchst du denn hier? Du bist doch nicht mehr zu retten, oder? Wie oft haben Vater und ich dir erklärt, dass du nicht mit darfst?“ Seine Schimpftirade führte er noch weiter fort, doch die Prinzessin, die jedes Wort bereits auswendig kannte, hörte einfach nicht mehr zu, sondern ließ ihr Päckchen fallen und verwandelte sich wieder in das junge Fräulein, das sie war. Jeder einzelne, der Soldaten wandte den Blick respektvoll ab, während sie sich anzog, nur der Prinz ließ sich von ihrer Freizügigkeit kein bisschen ein bremsen. Er redete einfach weiter.
„Majestät!“ Unterbrach Northan den Prinzen und nahm das erste mal seit Tagen seinen Helm ab und fiel vor dem Prinzen und neben der Prinzessin auf die Knie. „Bitte vergebt Eurer Schwester, mein ehrenwerter Prinz. Ich habe es versäumt sie als ihren persönlichen Wächter auf zu halten. Bitte bestraft mich statt ihrer, da ich nicht fähig dazu war sie auf zu halten.“
Der Prinz blickte einen Moment zwischen dem demütigen Blick des Wolfswächters und dem sturen Blick seiner Schwester hin und her, bevor er die Hand erhob und zuschlug. Jedoch war es die Prinzessin, die den Schlag mit seiner flachen Hand abbekam und entsetzt Blut aus spuckte. Erst war es Northan, der den Prinzen umwarf und ihm drohend in seiner Wolfsform die spitzen Zähne an den Hals drückte, danach schnellten ungefähr genauso schnell mehrere Schwerter über Northan die ihm jeden Moment aufspießen würden, wenn er zubeißen sollte.
Gefolgt von der Prinzessin, die einen überraschten Aufschrei von sich gab. „Nimm deinen verdammten Wolf sofort von mir!“ Für einen kurzen schmerzvollen Moment, dachte sie ernsthaft über die Chancen nach, wie hoch sie wohl für Northan standen, doch rief ihn schlussendlich doch zurück. „Das wird ein ernsthaftes Nachspiel haben, wenn wir zurück sind! Habt ihr beide das verstanden?“ Der Blick des Prinzen lag dabei, mehr auf Northan, der sich wieder zurück in seine menschliche Form verwandelte.
Das versprechen, dass dies alles noch ein Nachspiel haben würde, war der Prinzessin bereits bewusst gewesen, als sie sich den Soldaten angeschlossen hatte und nun, da sie es laut hörte, ließ es sie genauso kalt, wie die Tage davor bereits. Sie war dort wo ihr Herz und sie hingehörten und das war für sie die Hauptsache. Das Einzige das sie wirklich bereute, war dass sie Northan, damit hinein gezogen hatte ohne darüber großartig nachzudenken. Andererseits, wusste sie genau, dass wenn sie es ihm verboten hätte, er ihr trotzdem bis ans Ende der Welt gefolgt wäre, ob sie es erlaubte oder nicht. Northan, war genauso wie seine Ahnen vor ihm ein loyaler Diener des Königshauses.
Gehörig, am Ende der Gruppe, folgte sie ihrem Bruder und den restlich verbliebenen Soldaten die kommenden, scheinbar endlosen Treppen hinauf. Jedoch war sie sich den vernichtenden Blicken der anderen durchaus schmerzliche bewusst. Die Prinzessin verurteilte sich innerlich dafür, dass sie noch vor einigen Stunden, geschwisterliche Liebe für ihren Bruder empfunden hatte und sich sehnlichst gewünscht hatte, ihm aktiver beizustehen. Nun hatte sie allen, zuerst am Feld, danach auf der Plattform das Leben gerettet und das einzige, das sie dafür bekam, waren verachtenden Blicke. Waren diese Soldaten etwa so stolz, dass sie, wenn sie von einer Frau gerettet wurden, lieber beleidigt weiter gingen? Oder lag es daran, dass sie dachtens sie würde ihnen nur im Weg stehen?
Als sie abermals auf Stiegen stießen, die endlos nach oben führten, seufzte die gesamte Gruppe schwer. Die Prinzessin, die noch kaum körperlich erschöpft war, kicherte und lief gemütlich vor den anderen her, während diese sich mühsam nach oben schleppten. Wieder dauerte es Stunden, bis sie die nächste Plattform erreichten und alle ließen sich erschöpft auf den Boden sinken. „Prinzessin, ich weiß dass Ihr Eure Magie nur äußerst ungern einsetzt, besonders vor anderen Menschen, die es nicht verstehen. Aber ich denke hier wäre es angebracht, wenn ihr etwas unternehmen könntet, damit wir etwas schneller voran kommen. Wir gehen nun bereits seit einem Tag in diesem Turm und kommen einfach nicht weiter.“
Sie seufzte schwer, doch erlaubte sich die Augen genervt zu verdrehen. „Wolf, du weißt doch selbst wie die Leute auf diese Art der Benutzung von Magie reagieren. Magie ist für das gesamte Volk zwar antastbar, doch wird lediglich benutzt um den großen Göttern zu huldigen, die uns beschützen und uns immer mehr lernen. Ich habe zwar die Gabe erhalten, mehr als sonst jemand auf diesem Land auf die Magie zurückzugreifen, doch ich tue es nur wenn ich es brauche und nicht für alltägliche Dinge wie Stiegen steigen.“
„Soll ich Euch daran erinnern, dass Ihr die Wendeltreppen hinauf geflogen seid?“ Seine Augen funkelten spöttisch. „Und soll ich dich daran erinnern, das du auf die Magie ständig zurück greifst, wenn du deine Form veränderst? Ich kann das fühlen, wenn jemand in meiner Umgebung Magie für etwas benutzt und ich merke ebenfalls, wie viel man dafür benutzt.“
Etwas beleidigt, blickte ihr Wächter wieder auf den Boden. Noch nie hatte sie mit ihm darüber gesprochen, wie viel Anstrengung es einem Wolf kostete, seine Form zu verändern und wie viel Magie sie dafür benutzen mussten. Die meisten Menschen dachten auch, dass die Wolfswächter überhaupt keine Magie gebrauchten um sich zu verwandeln, deswegen verstand die Prinzessin auch, warum Northan sich etwas distanzierte. „Erzähle es bitte nicht weiter. Es ist ein Geheimnis meines Volkes.“
Sie lächelte ihn mitfühlend an und konzentrierte sich auf ihre Umgebung. Das schwarze Metall, war vollkommen abschirmend, sodass sie die Magie über kleine Lücken wie den Bohrlöchern und ähnlichen durch die Wände speisen musste. Als sie genug Energie gesammelt hatte, verwandelte sie die Magie zu ihren Zwecken und ließ sie in die Körper, der erschöpften Soldaten fließen. Langsam erhoben sich wieder alle und schienen neue Kraft und Elan geschöpft zu haben. Die restliche Magie, ließ sie im Raum liegen, damit sie später bei bedarf, darauf zurückgreifen konnte.
„Na gut, Männer. Genug gerastet, ich denke wir sollten unseren Weg fortsetzen.“ Befahl der Prinz plötzlich und alle folgten ihm auf den Schritt. Auf der nächsten Plattformebne angekommen, tat die Prinzessin dasselbe noch einmal und schon nach wenigen Minuten setzten sie ihren Weg fort.
„Lilith! Komm zu mir an die Spitze.“ Hörte sie Stunden später die Stimme ihres Bruders, gerade als die nächste Plattform in Sicht kam. Die Männer ließen sich etwas zurücfkallen, während die Prinzessin die Entfernung zu ihrem Bruder rasch überbrückte. „Verstehe das nicht falsch. Ich weiß was du die letzten Stunden für mich und meine Männer getan hast. Das Mammut, der Adler, die Energie die du uns geschickt hast. Ich bin dir dafür unsagbar danke und ich bin mir sicher ohne dich wären wir niemals so weit gekommen, jedoch muss ich dich beim Willen des letzten verbliebenen Königs in diesem Reich bitten, geh nach Hause.“
Überrascht blickte sie ihn an. Mit dieser Bitte hatte sie nun nicht gerechnet. Eher mit Ablehnung und Trotz. „Lilith, ich meine das vollkommen ernst. Wenn Vater denkt, dass du bereits an meiner Seite gefallen bist, dann wird er erst überhaupt nicht in den Krieg ziehen. Das Hause Chrestnik wird fallen und die Bewohner in Untote verwandelt.“
So kalt es auch klang, die Prinzessin wusste, dass ihr älterer Bruder recht hatte. Ihr Vater war seit ihrer Geburt wie besessen von ihr. Ob sie es wahrhaben wollte oder nicht. Er lebte nur mehr, da sie auf der Welt war. „Sieh mich nicht so an. Ich weiß unsere Beziehung war niemals leicht und das war größtenteils meine Schuld. Du warst schon immer so klein und zerbrechlich... so unschuldig. Du hast schon seit deiner Geburt immer Aufmerksamkeit von Vater bekommen. Und eigentlich sollte ich genau das bekommen was du bekamst. Ich bereue es äußerst das ich immer so abweisend zu dir gewesen war und das als dein großer Bruder, aber ich könnte es nicht ertragen wenn du tot wärst.“ Er legte ihr beide Hände auf die Wangen und wischte die Tränen von ihrer Wange, die ihr unwillkürlich hinunter liefen.
Lilith wurde bewusst, dass dies der Abschied. War „Bitte sei Stark für unsere Familie! Ich Liebe dich.“ Die Prinzessin wusste plötzlich nicht mehr, was sie tat. So lange hatte sie gehofft dies eines Tages von ihrem Bruder zu hören. Sie hatte ihn in ihrer Kindheit immer versucht zu umschmeicheln, dass er sie beachtete. Immerhin war er ihr Bruder. Derjenige der ihr allerhand Blödsinn zeigen sollte. Derjenige zu dem sie aufsehen sollte. Stattdessen hatten sie sich gegenseitig Streiche gespielt und beleidigt. Lächelnd zog sie ihn zu sich herab und küsste ihn auf den Mund. Für einen Moment stand er überrascht da, doch dann zog er sie in eine Umarmung und auch ihm kamen die Tränen.
„Es ist nicht fair!“ Schluchzte sie an seiner Schulter.
„Ich weiß, Lilith. Ich weiß...“ Ein Poltern erklang und beide sprangen erschrocken auseinander und zogen halb die Klingen. Das Geräusch kam von direkt vor ihnen. „Geh jetzt, verdammt!“ Der Prinz sah sie zwar nicht mehr an, doch sie konnte den Schmerz fühlen der von ihm ausging.
Abermals zog sie Magie durch die feinen Risse und ballte sie zu einer kleinen Kugel, die sie wie einen schützenden Umhang über ihren Bruder legte. Er blickte für einen Moment überrascht zu ihr hinab, als er die Wärme fühlte, die sich um ihn herum ausbreitete, bevor sie kribbelnd in ihn über ging. „Was hast du getan?“
„Ich beschütze dich vor den Angriffen der Untoten. Sie können dir nun kein Leid zufügen. Komm bitte zurück!“ Mit diesen Worten drehte sie sich um und sprang von der Treppe. Hinab ins Dunkle. Weg von ihrem Bruder, von seinen Soldaten, von ihrem Wächter. Der Wind wehte ihre Haare nach oben und öffnete ihren Zopf. Mit einem gepolter kam sie auf der unteren Ebene an und sprang von dort direkt auf die nächste. Die Magie schützte sie vor dem Aufprall und auch vor den Klingen, die auf sie niederfuhren. Sie musste zugeben, dass sie noch niemals jemals zuvor so viel Magie auf einmal benutzt hatte. Mit gemischten Gefühlen, schlug sie ebenfalls auf die Untoten ein und sicherte somit die untersten beiden Ebenen, bis sie vor dem Gebirge stand und das Schlachtfeld hinter sich betrachtete.
Tausende Untote.
Ihr Blick folgte den großen Säulen hinauf, die den schwarzen Turm stützten und ballte noch mehr Energie. Als sie eine gewaltige Feuerkugel über ihrem Kopf schweben hatte, die brennend heiß wurde, ließ sie sie mit Schwung gegen die Säulen prallen, die wackelnd zu Boden gingen. Der gesamte Turm, stand nur mehr auf der Hälfte von den Säulen, die ihn ursprünglich gehalten hatten. Jetzt war es nur mehr eine Frage der Zeit, bis der ganze Turm fiel, wenn der Magier zu abgelenkt war um sie wieder aufzustellen. Mit Tränen in den Augen und fürchterlich erschöpft, verwandelte sie sich in einen Adler und zog in einem großen Boden zurück zu ihrer Stadt. Eilige Flügelschläge trugen sie über die Baumwipfel und das spitze Gebirge, während sie immer mehr Magie sammelte und jedes kampffähige Tier unter ihr in den Kampf rief. Langsam sammelten sich unter ihr immer mehr und mehr Raubtiere, bis sie ein leises Beben unter ihr vernahm. Eine Herde von den größten Bewohnern ihres Landes, schloss sich ihnen an. Sie zertrümmerten Felsen und brachten Bäume zu Fall, während sie wie wild geworden hinter ihr her liefen. Mit einem letzten zornigen Aufschrei überbrückte sie den letzten Hügel und fand sich auf dem Teil des Landes wieder, das ihrem Königreich gehörte. In wenigen Stunden hatte sie den weg zurückgelegt, den sie davor zu Fuß mit den Soldaten gegangen war und dafür drei Tage benötigt hatte.
Am Horizont konnte sie ihr Schloss bereits erkennen, doch konnte es nicht fassen, als dicke Rauchschwaden aus den Dächern aufstiegen. Empört stieß sie einen Schrei aus, der jeden Untoten, der sie hörte, verwirrt nach oben blicken ließ. Über deren Köpfe hinweg, flog sie, bis sie die Dächer der Bevölkerung erreichte. Dort angekommen, bekam sie den nächsten Schreck. Untoten fielen gnadenlos über die Bewohner her. Männer, Frauen, Kinder. Sie machten keinen Unterschied. Jedoch von den Wachen war weit und breit nichts zu sehen.
Die äußere Mauer die normalerweise die Stadt vor ungebetenen Jäger wie Wollhaartiger beschützte, war an mehreren Stellen bis auf den Grund niedergerissen, Dächer standen hell in Flammen und Schreie erklangen in den Straßen. Wenn sie nun in einer anderen Form gewesen wäre, hätte sie lauthals zu weinen begonnen. Wild kreischend ließ sie sich auf einen Aussichtsturm nieder, wo sie verwirrt von den Soldaten in ihren silbernen Rüstungen angestarrt wurde.
Lauthals fluchend verwandelte sie sich in ihre wahre Gestalt zurück. „Wie oft soll ich das jetzt noch sagen? Seid ihr denn alle Verrückt geworden? Hat euch der Nebel im Schlaf das Gehirn verdreht? Wieso steht ihr alle hier oben herum? Wo ist mein Vater? Wieso hat er euch nicht in den Kampf geschickt? Dort unten sterben unschuldige!“ Als sie kurz aufhörte zu schreien, um Luft zu holen, ergriff der General hektisch das Wort.
„Meine Prinzessin! Es tut uns ausgesprochen leid, aber Euer Vater ist nicht gekommen. Eure Mutter ist ebenfalls wie vom Erdboden verschluckt und wir wissen nicht was wir tun sollen.“
„Was ihr tun sollt? Seht ihr das denn nicht?“ Sie packte ihn, immer noch nackt, an der Schulter und warf ihn beinahe über die Burgmauer. „Seht genau hin! Das sind Unschuldige Menschen. Bauern! Mägde! Kinder!“ Bei jedem Wort wurde sie lauter. „Sagt mir nicht, das ihr alle keine Verwandten dort unten habt! Großeltern, Tanten, Onkeln! Die alle sterben, während ihr hier oben eure Schwänze einzieht. Los an die Arbeit. Wenn Vater keine Befehle geben kann, dann mache ich das nun!“
Die nächsten Stunden bis Sonnenuntergang, verbrachte sie damit, das Heer des Königs in den Kampf zu schicken, während sie von einer Dienerin eingekleidet wurde. Die Soldaten hinterfragten nicht, wieso sie als Adler erschienen war, oder wo der Prinz blieb. Alle kämpften tapfer bis auf den letzten Mann. Als die Soldaten langsam weniger wurden und die Untoten immer weiter in die Überzahl gelangten, kam der General, den sie Stunden davor, beinahe zu den Untoten hinab geworfen hätte. „Prinzessin, wir schaffen es nicht. Es sind zu viele. Was sollen wir tun?“
Die Prinzessin erhob sich von ihrem königlichen Stuhl im Empfangssaal und zog im Vorbeigehen ihre Kleidung wieder aus. Als sie halb aus ihrem Kleid war, verwandelte sie sich in einen graubraunen Tiger und fletschte gereizt die Zähne, als die Wächter sie verwirrt anblickten. „Prinzessin Ihr könnt doch nicht in dieser Gestalt kämpfen. Die Untoten...“
Ein mächtiges Gebrüll ließ ihn für eine Sekunde erstarren, bevor er sich daraus löste und seiner Prinzessin hinterher eilte. Der Geruch von Tod schlug ihr in die Nase, als sie in den Vorgarten kam, der von einer großen Steinmauer geschützt wurde. Mit einem leisen Knurren deutete sie auf das große Tor, gegen dies unzählige Untote schlugen. „Prinzessin! Ihr werdet uns alle töten!“ Schrie der General, doch plötzlich verstummte das Schlagen gegen das Tor. Verwirrt blickten sich die Soldaten an, die plötzlich keine Gegenwehr mehr hatten, als abermals ein Kampfgetöse erklang. Abermals fauchte die Prinzessin. Gehörig, jedoch mit zitternden Händen öffneten die Wächter das Tor und sie lief voran, direkt in die Klauen eines gehörnten Riesen, der aus vier Leichen bestand. Sie krallte sich in seine Schultern und enthauptete ihn mit ihrem tödlichen Biss. Als ein kleiner Ansturm von Untoten erschien um in das Schloss zu stürmen, verwandelte sie sich in ein Mammut und zertrümmerte diese einfach unter ihrem Gewicht. Mit einem magischen Befehl schickte sie die Tiere los, die immer noch im Wald auf das Kommando warteten. Sofort stürmten auch diese los und innerhalb weniger Stunden, brach die Prinzessin in vollkommener Erschöpfung zusammen.
Sie wusste nicht, wie sie in ihr Zimmer gekommen war, doch als Northans Gesicht neben ihr erschien, musste sie lächeln. „Was hast du in meinem Gemach verloren?“
Er lächelte liebevoll zu ihr herab und reichte ihr ein Glas mit frischen Wasser. „Ihr wisst doch, meine Prinzessin. Ich folge euch überall hin, sogar in den Tod.“
Plötzlich verschwamm das Bild und eine besorgt aussehende Magd stand über ihr. „Hört Ihr mich? Prinzessin?“
„Schrei nicht so! Mein Kopf schmerzt so fürchterlich.“ Die Magd schüttelte den Kopf und legte ihr ein kühles Tuch auf die Stirn. „Ihr habt geträumt, meine Prinzessin. Ihr habt euch viel zu sehr überarbeitet. Wie viel Magie habt ihr denn benutzt? Als man Euch her brachte, wahrt ihr dem Tod näher als dass es gut für Euch war!“ Die Prinzessin schob die helfende Hand von sich und trank das kühlende Wasser auf einen Schluck aus.
„Wäre ja nicht das erste mal...“ Murmelte sie vor sich hin. „Hat jemand meinen Vater gefunden? Und wie steht es um meine Soldaten?“
„Langsam! Holt bitte erst einmal Luft, Eure Hoheit. Nein man hat Eure Eltern noch nicht gefunden, aber es wird gemunkelt, das sie sich in ihren Gemächern eingeschlossen haben, doch sie reagieren nicht. Und was die Soldaten angeht, jeder, egal mit welchem Stand, wurde erst einmal in das Schloss geholt. Jeder aus der Stadt ist heimatlos und es herrscht ein brausendes Chaos. Die Untoten sind zwar alle tot, zumindest scheint es so. Man hat bereits damit begonnen alles zu verbrennen, jedoch wir wissen nicht was wir machen sollen, wenn der Magier auftaucht.“
Ihr Vater verschwunden, der Kampf gewonnen und doch hatten alle Angst. Jetzt begann der Krieg erst richtig. „Wie lange habe ich geschlafen?“
„Nur einen Tag. Ihr solltet Euch weiter ausruhen. Bei Magie bezahlt man immer einen Preis. Ihr solltet Euch vorsehen.“
Einen Preis? So hatte sie das noch nie gesehen. Vermutlich hatte die Magd recht. Vielleicht hatte sie die Magie tatsächlich zu sehr benutzt. Magie war in ihrem Volk ein Geschenk der Götter. Sie gaben es den Göttern über ihre allmächtigen Statuen zurück, durch das einfließen in das Trinkwasser und durch das Säen der Felder. Alles hier stand unter Magie. Jedoch es so offen zu benutzen, für den Alltag oder den Krieg, gehörte sich nicht. Magie war ein Geschenk, das man bekam und wieder zurückgab. Es war ein ewiger Wechsel, der den Menschen zu einem langen Leben verhalf und den Göttern zu großer Macht.
„Ich werde beten gehen.“
„Prinzessin, Ihr...“ Die Magd brach ihren Satz ab, als die Prinzessin aus dem Bett stieg und ließ sie gehen. Die Prinzessin fühlte, wie schwach ihre Beine noch waren und das sie sie nicht lange tragen würden, doch bis zu der Götterstatue, die unter dem Balkon der Segnung stand, schaffte sie es. Dort angekommen, ließ sie sich auf die Knie sinken und fing an zu beten. Sie betete für alles. Für ihren Bruder, für ihre verschollenen Eltern, für Northan, für ihr Volk. Niemals würde jemand diesen Krieg vergessen, oder den kurz errungenen Sieg.
„Prinzessin, ich bin wegen der Ehrung hier.“ Die Prinzessin, gab lediglich mit der Hand ein Zeichen und die Dienerin, ging hinter ihr ebenfalls auf die Knie um die Zöpfe zu binden. In ihrem Land war es üblich, für jeden den man getötet hatte, einen Zopf zu binden. „Wie viele, darf ich binden, meine Prinzessin?“ Sie dachte über die Frage nach. Wie viele Zöpfe sollte sie bekommen? Wie viele hatte sie als Mammut in der Nähe des Waldes getötet? Im Turm? Außerhalb des Turmes? Und vor allem wie viele waren es hier in der Stadt gewesene?
„Ich... weiß es nicht. Macht einfach...“ Tränen stiegen in ihren Augen auf und sie musste sich zusammenreißen, um nicht laut zu weinen. Jetzt wo sie die Tage zählte, konnte sie es nicht fassen. „Macht einfach achtzehn. Damit ich mich immer an den heutigen Tag erinnere.“ Die Dienerin schluckte schwer, doch begann mit ihrem Werk, während die Prinzessin wieder in ihrem Gebet versank.
So viel Laster, lag nun auf ihr. Eine Bürde die schwerer als jedes Gewicht war und ihr Herz mir eisigen Krallen umschloss. Als die ersten Sonnenstrahlen ihr Gesicht trafen, blickte die Prinzessin erschrocken auf. Vor ihr auf dem Geländer, an dem sie eingeschlafen war, saß eine geflügelte Echse und blickte sie mit einem schräg liegenden Kopf an. Überrascht von diesem bizarren Anblick, den die roten Augen baten, strich sie über die gerippten Schuppen der Echse.
„Bitte verzeiht. Ich habe wie ein dummes Mädchen gehandelt. Ein dummes Mädchen das ich auch bin. Ich habe mich von meinen Gefühlen leiten lassen und habe die Magie über ihren Sinn hinaus benutzt. Ich werde von nun an jeden Tag Vergeltung üben. Bitte bestraft mich, wie Ihr es für recht anseht. Es tut mir so unendlich leid... alles...“ Den letzten Satz murmelte sie nur mehr und wagte es nicht mehr die Echse anzusehen.
Die Echse, die ihr das Leben geschenkt hatte und die es jederzeit wieder nehmen konnte, blickte sie immer noch auf dieselbe weise an und schüttelte ihren geschuppten Körper. „Der Regen fällt auf die selbe weise, in jedem anderem Teil des Planeten. Orientiere dich daran, wenn du orientierungslos scheinst.“ Die Prinzessin blickte, die geschuppte Echse verwirrt an... Hätte sie, wenn sie noch da gewesen wäre. Die junge Prinzessin sprang eilends auf und versuchte sie irgendwo zu erkennen, doch sie war fort. Fort, so wie ihre Hoffnung.
Mit einem Tränenschleier kehrte sie zurück in ihr Schlafgemach, wo sie sich bequeme Kleidung anzog. Ein klopfen riss sie aus ihrer Trance. „Ja?“
„Prinzessin, ich bin es. Der Oberste General.“
„Kommt herein.“ Sie betrachtete gerade ihre Zöpfe. Niemals wieder würde sie mit offenen Haar durch die Straßen laufen, niemals mehr würde sie diese verfluchen, wenn sie wieder an einem Ast hängen blieb. Von nun an, musste sie sich an das schwere Gewicht der Ehre gewöhnen, die diese Zöpfe mit sich brachten.
„Es tut mir leid, Euch beim rasten zu stören, aber... Wo wollt Ihr hin? Ihr solltet euch ausrasten!“ Die Prinzessin, ging an ihm vorbei die Gänge hinab. „Prinzessin, ich bin hier um schlechte Neuigkeiten weiterzugeben.“
Sie deutete ihm, ihr zu folgen, während sie die breite Stiegen hinab schritt, die zu den Festsälen führten. „Prinzessin, wirklich Ihr solltet anfangen auf mich zu hören. Prinzessin!“ Das letzte Wort sagte er genauso laut, wie sie vor wenigen Tagen auf der Mauer, als sie ihn bedroht hatte und außer sich vor Zorn und Trauer war.
Sie blickte zu ihm hoch und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „General... Es tut mir leid. Ich versuche nur meine Stellung hier zu finden und ich habe absolut keine Ahnung wie es nun weiter gehen sollte. Ich bin mir durchaus bewusst, dass es nicht nur mir so geht, aber bitte... Sagt mir diese schlechte Neuigkeit, wenn ich etwas gutes voran gebracht habe. Egal ob es Wunden verbinden, oder Essensreste wegräumen, ist. Ich muss etwas tun und bin zur Zeit nicht wirklich auf schlechte Neuigkeiten zu sprechen.“
Für einen kurzen Moment, sah sie in seinem Gesicht ein beschwichtigendes Lächeln aufkommen, bevor sein Gesichtsausdruck traurig wurde. „Es tut mir leid, doch dies kann nicht aufgeschoben werden. Eure Eltern konnten gefunden werden. Es tut mir leid, doch sie wurden ermordet.“ Ermordet? Die Welt fing sich an, vor ihr zu drehen. Das konnte doch nicht wahr sein. Ihre Bürde wurde immer größer und größer. Die Last schien sie gar erdrücken zu wollen. Verwirrt, wie sie reagieren sollte, wandte sie sich kurz ab, bevor sie durchatmete und den General mit gefühlskalten Augen anblickte.
„Wo sind sie?“
„Unten in den Katakomben, zur Aufbewahrung.“ Die Katakomben, waren Grabstätten, wo Könige und Königinnen zu Grabe getragen wurden, wo ihre Ahnen lagen und wo auch sie einmal ihre ewige Ruhe finden würde. „Sagt den Priestern, sie sollen alles Vorbereiten. In drei Tagen werden wir eine Beerdigung machen. Draußen auf dem Festplatz. Zu ehren der Götter, deren Schutz und um dem Volk... oder zumindest dem Rest davon... zu zeigen, das wir weiter machen werden, trotz unserer Verluste. Wir sind zwar am Boden, aber wir haben genug Kraft um uns wieder zu erheben. Solange bis ein geeigneter Thronfolger gefunden wird, werde ich regieren.“
Lächelnd blickte er zu ihr hinab, doch sie konnte erkennen, dass es kein fröhliches war. Es war mehr mitfühlend.
Die nächsten Tage vergingen wie im Flug für sie. Sie benutzte Magie nicht, außer sie betete. Das Begräbnis und das verschließen, der Gräber übernahmen die Priester sowie das Verbrennen der Toten. Die Gedenktafeln, ließ sie, vor das Abbild des Drachengottes setzten. Trotz allem gab sich die Prinzessin alle Mühe, nicht vor allen zusammen zu brechen, auch wenn sie sich nachts in den Schlaf weinte, alleine.
Langsam dehnte sich der Mond auf seine volle Größe aus und nahm genauso langsam wieder ab. Jeden Abend kurz vor Sonnenuntergang, betete sie bis tief in die Nacht hinein. Flehte und hoffte. Als sie jedoch eines Mittags, mitten beim essen in einen traumlosen Schlaf sank, konnte sie sich jedoch vorstellen, dass sie langsam einmal wieder anfangen musste zu leben. War das alles, was bisher passiert ist, denn gesund? Für immer einem gefühlskalten eigens gebauten Gefängnis leben? So tun, als ob man alles unter Kontrolle hätte und doch jede Nacht sich in den Schlaf zu weinen? War das eine gerechte Welt? Eine Lebenswerte?
Nein!
So durfte sie niemals denken. Sie durfte nicht aufgeben. Wollte nicht. Sie musste stark sein, für ihren Bruder, der am Ende doch zugegeben hatte, das er sie liebt, für ihre Eltern, die ihr das Leben geschenkt hatten, für ihr Volk, das auf sie zählte. Das Leben war nun einmal das, unter dem sie es kannte. Das Leben.
Ein Warnsignal ertönte und es riss sie aus einem traumlosen Schlaf. Verwirrt blickte sie auf und zog ihre Felldecke enger um sich. Sie war nun alleine im kleinem Speiseraum, in dem sie normalerweise immer Morgens frühstückte. Seite an Seite als Königsfamilie.
Die Prinzessin folgte dem Signal hinaus und blickte vom Balkon, über der Götterstatue hinab auf die Stadt. Im ersten Moment erkannte sie überhaupt nichts, bis sie mehrere Gestalten in die Schatten der Hausmauern huschen sah. Es waren ihre Soldaten, die sich vor irgendetwas versteckten. Ein Blick hinauf auf die Burgmauer sagte ihr, dass die Bogenschützen bereits Position bezogen hatten und lediglich auf ein Signal warteten. Langsam wurde sie ungeduldig. Was hatten ihre Männer nur gesehen, dass sie so verängstigte?
Die Außenmauer war provisorisch wieder aufgebaut worden, um zu verhindern, dass Raubtiere des Nachts einfielen, also konnte es dies nicht sein. Je mehr Möglichkeiten sie ausschloss, umso mehr Angst bekam sie. Konnte es möglich sein? Etwa der schwarze Magier? Nein... wenn er es wäre, hätte er sich doch schon längst dafür gerecht, hätte nicht gewartet, das sich ihr Volk wieder erholte.
„Prinzessin! Prinzessin! Prinze....“ Der Schrei verklang in einem gurgeln, dann fiel ihr General vorne über und ertrank in seinem eigenen Blut. Ein Pfeil? Es steckte keiner in seinem Körper, soweit sie sehen konnte und auch die Bogenschützen schienen verwirrt zu sein. Als plötzlich eine schwarze Gestalt aus dem Schatten trat, konnte sie es nicht fassen. Es war tatsächlich der schwarze Magier.
Das hieß, dass ihr Bruder es nicht überlebt hatte. Mit sicheren Schritten glitt er wie von selbst über denn Backsteinpflaster. Die Kapuze hatte er tief über das Gesicht gezogen, sodass man sein Gesicht nicht sah.Seine Schritte trugen ihn bis auf den Festplatz, vor der Götterstatue. Dort blieb er stehen und eine kräftige Stimme erklang. „Wo ist der Magier? Liefert ihn mir aus und ich gehe, ohne euch Schaden zuzufügen.“
Die Prinzessin, vergewisserte sich mit einem nicken, das die Bogenschützen ihn im Visier hatten, bevor sie zu ihm hinunter schrie. „Von welchem Magier redet Ihr? Habt ihr meinem Volk nicht schon genug geschadet? Verschwindet sofort! Ihr seid hier nicht erwünscht.“ Lautes Gelächter erklang und plötzlich, von einem Wimpernschlag zum nächsten, stand sie direkt vor ihm. Er hatte sie zu sich teleportiert.
Anstatt verwirrt dreinzusehen, blickte sie in das tiefe Schwarz, das die Kapuze auf sein nicht sichtbare Gesicht warf. „Als würde mich dies beeindrucken, Magier.“ Das letzte Wort sagte sie mit so viel Abscheu, sdass der Magier provokativ einen Schritt näher trat.
„Wenn Magie dir keine Angst einjagt, kleines Mädchen, dann muss ich es wohl auf herkömmliche weise versuche.“ Lauthals lachend, wandte er sich ab und deutete auf eine im Schatten liegende Gestalt. Er bündelte etwas Magie und hob damit das Wesen empor, das völlig schlaff dalag. Entsetzt sog sie Luft ein und unterdrückte einen Aufschrei. „Sorez!“ Schrie sie und wollte auf ihn zu laufen, doch stieß auf eine unsichtbare Barriere. Wie schnell hatte er diese denn erbaut? „Du Dunkler! Was hast du ihm angetan?“
„Nichts was ich nicht auch dir antun würde, kleine Prinzessin. Liefere ihn mir aus und du kannst die Leiche deines Bruders wieder haben. Er hat mir alles erzählt, was ich wissen wollte, bevor ich ihm das Leben nahm.“
Den Wunden und Narben zu folge, die sie erkennen konnte, war ihr Bruder nicht sonderlich kooperativ gewesen. Oder der Magier hatte einfach daran gefallen gefunden, ihn zu quälen. „Ich weiß nicht von wem du sprichst. Hier gibt es keinen Magier.“ Bluffte sie.
Er schien nicht überzeugt. „Ich habe gerade deinen General getötet, deinen Bruder gefoltert und dir kann ich noch wesentlich schlimmeres antun. Halte mich nicht für dumm, du Göre!“ Mit zusammen gezwickten Augen blickte sie ihn an. Anscheinend hatte ihr Bruder vor seinem Tod nicht alles erzählt. Er hatte sie tatsächlich bis in den Tod beschützt. Der Bruder, mit dem sie jeden Tag gestritten hatte, der sie verachtet hatte für die offensichtliche Bevorzugung, die Vater ihr gegeben hatte und nicht ihm. Dem Thronfolger.
„Du kannst mir antun was du willst. Ich habe nichts als offensichtliche Verachtung für dich über. Niemals würde ich dir verraten ob es einen Magier unter uns gibt, selbst wenn ich ihn kennen würde. Ich will nichts anderes als dass du mein Volk in Ruhe lässt. Ich will das du verschwindest! Für immer.“ Mit jedem Wort war sie ihm näher gekommen. Bei jedem Wort wurde sie zorniger und wollte nichts mehr, als ihn leiden zu sehen, für das, was er getan hatte.
> Der Regen fällt auf dieselbe weise, in jedem anderem Teil des Planeten. Orientiere dich daran, wenn du orientierungslos scheinst< Die Stimme des Gottes klang so laut in ihrem Ohr, dass sie dachte, er stünde direkt neben ihr.
„Als würde ich auf das alberne Geschwätz einer Prinzessin hören. Ich bin ein allmächtiger Magier und ich werde dich das Fürchten lehren, wie du es niemals zuvor kanntest.“ Plötzlich fühlte sie, wie sich seine dünnen Finger um ihren Hals schlossen und instinktiv wollte sie weglaufen, doch ihre Beine wurden durch Magie daran gehindert. „Dein Volk und du ihr werdet für alles Bezahlen, das ihr getan habt. Ihr seid alle so rücksichtslos und bestialisch!“ Sein Gesicht war so nahe vor ihrem, das sie seinen warmen Atem auf ihrem spürte, doch trotzdem konnte sie sein Gesicht nicht erkennen. Auf alle Fälle war er menschlich, das wusste sie nun, doch trotzdem missbrauchte er die Magie schlimmer als sie selbst.
„Was wir getan haben? Wir beten jeden Tag zu den Göttern, geben unsere Magie jeden Tag ab um diese zu stärken und langes Leben zu bekommen. Und du hältst uns für bestialisch, obwohl du doch alle abschlachtest wie Vieh? Sie in Untote verwandelst und in dem Blutbad herum stolzierst. Du widerst mich so an!“ Sie fühlte wie ein nervöses kribbeln durch ihren Körper ging. Sie wusste dass sie ihm nicht die Stirn bieten konnte. Er war viel mächtiger und geübter in Magie als sie. Aber was hatte die Magie ihm gebracht? Abscheu, Furcht und den Tod. Wie konnte er das nicht sehen? Sie packte seine Hand um ihre Luftröhre frei zu bekommen, da er sie viel zu fest zusammen drückte. Plötzlich kam ihr eine Idee.
„Verzeihe... mir...“ Keuchte sie und blickte hinauf in den Himmel. Sie streckte die linke Hand in die Richtung der Götterstatue aus und krallte sich mit aller Kraft in den Unterarm des dunklen Magiers. Langsam begann sie die Magie aus ihn zu beziehen. Normalerweise entzog sie der Natur oder dem Wasser die Energie um Magie zu erhalten, doch nun zog sie die reinste Form, die nur in einem menschlichen Körper existierte aus ihn und schickte sie in die Götterstatue. Sein Griff wurde lockerer und sie konnte hören wie er erschrocken die Luft einsog. Menschen gaben normalerweise durch einen Instinktive Reaktion bei einem Gebet Energie in die Statue ab, die über den Tag wieder erneuert wurde, wie bei Blutverlust. Es wird immer wieder nachproduziert, doch nun entzog sie mit Absicht einem anderen Körper Magie, mehr als das er besaß. Sie fühlte wie er seinen Geist in die die Umgebung ausdehnte und die Magie aus der ganzen Stadt abzog, ebenfalls entzog sie ihm diese und schickte sie hinein in Statue. Immer schneller und mehr Magie strömte durch ihre verbunden Körper und wurde in einem langsam immer gleißenden Licht über die Statue gegen den Himmel geschickt.
„Du wirst uns alle Töten.“ Schrie der Magier, während er sich verzweifelt gegen sie stemmte.
„Magie ist das was dir deine Kraft gibt. Ohne Magie bist du nichts anderes als wir alle auch sind. Ein normaler Mensch.“ Sie klammerte sich so fest in seinen Arm, dass sie sein warmes Blut bereits durch ihre Finger sickern fühlte.
„Du bist verrückt. Du wirst alle Magie aus dem Land entfernen. Wir werden alle sterben.“ Vermutlich hatte er recht. Aber sie hatte auch die gesamte Magie in ihrem Körper benutzt und auch noch zusätzlich welche, durch die Energie des Waldes neue erzeugt und trotzdem hatte sie überlebt.
„Wir werden nicht sterben. Aber ich bin es wirklich leid. Besser wir beide, die einzigen Magiebenutzer sterben und die Welt ist rein, als das alle unter deiner dunklen Herrschaft leiden müssen. Für mein Volk würde ich mein Leben jederzeit Opfern.“ Den letzten Satz flüsterte sie nur mehr, da sie langsam in die Knie gezwungen wurde. Ein unbändiger Wind wurde von der ganzen Energie ausgelöst und sie saßen im Zentrum.
Sie konnte nicht mehr sagen, wo mittlerweile oben und wo unten war. Sie wusste noch nicht einmal, ob sie sich überhaupt noch in der Stadt befand. Immer mehr blies der Wind um sie und die Magie floss mittlerweile so stark und unbändig durch ihren wunden Körper, das sie nicht wusste, ob ihr heiß oder kalt war. War sie verletzt? Lebte sie überhaupt noch. Als der Magier aufhörte sich gegen sie zu währen und gegen sie sackte, wusste sie, dass er bewusstlos geworden war, doch sie war trotz den Schmerzen immer noch hellwach. Innerlich zerriss es sie. Sie wollte aufhören und für ihr Volk weiter leben, doch sie konnte nicht. Die Magie hatte Besitz von ihr ergriffen, dehnte sich in ihrem Körper aus und zog sich zusammen. Sie war wie ein Gefäß, das die reinste Energie in Magie verwandelte und direkt in den Himmel schoss.
Die Prinzessin konnte nicht sagen, wie lange sie bereits so da kniete, wie lange die Magie durch ihren Körper schoss, doch plötzlich explodierte ein Schmerz in ihrem Rücken als sie getroffen wurde. Ein Pfeil? Hatte einer ihrer Bogenschützen sie endlich erlöst? Tränen traten in ihre Augenwinkel und der nächste Schmerz explodierte, dieses mal in ihrem Kopf. Immer schneller und öfter schmerzte eine andere Stelle ihres Körpers, bis sie bewegungslos und eingezwängt da stand, oder kniete, oder lag sie etwa? Sie konnte noch nicht einmal mehr die Augen öffnen. Das Einzige das sie konnte, war schmerzerfüllt zu schreien.
Ein Zittern ging durch ihren Körper, als sie zum ersten mal Luft holte. Ihre Lunge dehnte sich aus und ein ekelerregender Brechreiz breitete sich in ihrem Bauch aus. Überrumpelt von der plötzlichen Empfindung erbrach sie sich und sank auf dem Boden neben der Pfütze zusammen.
Sie lebte? Gerade so. Aber wie hatte sie das geschafft?
Der Magier!
Erschrocken setzte sie sich auf, doch sah ihn nirgends. Das Einzige das sie sah, war die Spiegelung von sich selbst. War sie das überhaupt? Ihre Haut war voller Dreck, ihre Haare, die normalerweise pechschwarz bis über ihre Hüften fiel und seit kurzer Zeit mit Perlen verziert zu Zöpfen geflochten war, waren eine Mischung aus rot und braun. Sie krabbelte näher an ihre Erscheinung und erkannte an ihren Armen mehrere Wunden, die bereits Schorf auf hatten. Ihre grünen Augen, die genauso aussahen wie die ihres Bruders, waren von schwarzen durch Schlafmangel entstandenen Schatten untermalt, was sie beinahe zum strahlen brachte. Sie dachte an ihre Baderäume und wie gerne sie jetzt einfach darin versinken würde.
Verzweifelt ließ sie ihre Wange gegen die Spiegelung sinken, als sie merkte, dass sie ganz kalt war. Ein frösteln lief durch ihren Körper und sie gestand sich ein, dass sie bei ihrer nächsten Aktion, die so große Kraft benötigte eine Decke mitnehmen würde. Kopfschüttelnd stand sie auf um sich genauer umzusehen, als ihr Kopf gegen etwas hartes stieß und sie vor schmerzen wider auf die Knie sank.
Wo war sie hier? Überall um sie herum war eine magische unsichtbare Barriere, die sie einsperrte. Angsterfüllt, dass der Magier sie vielleicht eingesperrt haben könnte, versuchte sie, mit roher Gewalt, gegen die Barriere anzukommen. Das einzige das sie erreichte, war das sie Kopfüber von einem kleinen Podest fiel und in spitzen Stacheln landete. Schreiend befreite sie sich aus den Pflanzen und blickte sich um. Sie stand mitten auf einem Rasen der prachtvoll mit verschiedenfarbigen Blumen geschmückt war. Um sie und ihr >Gefängnis< waren Gebüsche mit herrlich duftenden Blumen, die jedoch spitze Stacheln besaßen. Sie befreite sich davon und stolperte über eine Kettenabsperrung auf einen Schotterweg, der ihre Hände aufschürfte.
In was für einer Gegend war sie hier nur gelandet? Sie schien bewohnt zu sein, doch niemand befand sich in ihrer Nähe. War das gut oder schlecht? Der Geruch von schwerer Luft lag sich auf ihre Lungen, was sie husten ließ und in der Ferne konnte sie seltsame ihr unbekannte Geräusche hören. Ob das vielleicht eine Siedlung war? Oder etwa eine Stadt? Ihre Stadt vielleicht?
Mit taumelnden Schritten kam sie auf die Beine und lief los. Sie folgte einfach dem Schotterweg, bis sie auf einen unglaublich hohen Zaun mit scharfen Spitzen traf. Sie umging ihn und landete in einem Wald. Von dort aus stolperte sie über das viele Unterholz, da es viel zu dunkel war um irgendetwas zu sehen. Als das Dickicht sich legte traf sie auf eine gerade Straße aus schwarzem Stein. Also lebte der Magier doch noch? Konnte das sein? Hatte sie ihn nicht besiegt? Wie lange hatte sie denn geschlafen? Zweifel ob sie sich überhaupt noch in ihrer Zeit aufhielt machten sich breit, bevor ein helles Licht sie mit einem hohen Ton auf sich aufmerksam machte. Danach spürte sie große Schmerzen in ihrem Becken und ihrem Kopf.
Sie lag wieder im Gras, so viel konnte sie erkennen, doch ihre Beine ließen sich nicht bewegen und ihr Kopf drehte sich in einer unaufhaltsamen Spule. „Bleiben Sie ruhig liegen. Ich rufe die Rettung. Sie sind schwer Verletzt?“
Die Prinzessin verstand bloß teilweise, was dieser Mensch sagte und wandte den Kopf ab. Sie erkannte das sie in der Nähe des Waldes lag und entzog ihm etwas Energie, um sich selbst zu heilen. Als ein Schmerz einsetzte, der sie zum Aufschreien brachte, wusste sie, dass ihre zertrümmerte Hüfte wieder ganz war. Auch ihre wahrscheinliche Gehirnerschütterung legte sich. Als sie wider alles fühlte und das rauschen in ihrem Kopf aufgehört hatte, blickte sie in zwei graue Augen, die sie unsicher betrachteten.
„Seht euch das an!“ Es war eine andere Stimme, die die blauen Augen von ihr fortlockten in die Richtung des Waldes. Sie folgte den blauen Augen und sprang erschrocken auf. War sie das gewesen? Hatte der Heilungsprozess deshalb so lange gedauert?
Sämtliche Pflanzen, auf die sie zugegriffen hatte, waren tot. Die Bäume hingen schlaff, die Blätter regneten verdorrt auf den Boden und das Gras war braun geworden. Eine plötzliche magische Leere machte sich in ihr breit und sie sank bewusstlos auf den Boden zurück. Sie hatte sich magisch verausgabt, obwohl sie wusste, dass das nicht möglich war. Für die Magie die sie für ihr zertrümmertes Becken gebraucht hatte, die Schürfwunden und das Hirntrauma, brauchte sie nur die Hälfte ihrer Magie, wenn sie noch Energie von ihrem Umfeld abzog.
Verwirrt wachte sie in einem hell erleuchteten Raum wieder auf.„Sie ist wach!“ Wieder dieselben blauen Augen von vor ein paar Stunden.
„Großvater! Hörst du mich?“
„Wer könnte Euch bei diesem Geschrei schon überhören.“ Dies war keine Frage, sondern eine Feststellung. Der blauäugige lächelte und wurde etwas rot.
„Entschuldige. Er hört etwas schlecht, doch ansonsten ist er ein guter Arzt. Wie heißt du?“ Die Prinzessin setzte sich auf und blickte sich um.
„Mein Name ist Prinzessin Lilith der Familie Chrestnik. Wie lautet Ihr Name und wo befinde ich mich?“ Sie sprach mit fester Stimme, auch wenn sie sehr unsicher war. „Ich... ähm... Mein Name ist Alexej, aber nenne mich einfach Al. Du befindest dich in Moskau, die Hauptstadt von Russland. Kommst du gerade von einer Comiccon? Zumindest sieht du stark danach aus.“
„Aber sie riecht auch danach, ich denke nicht das sie von einer Comiccon kommt. Außerdem ist keine in unserer Nähe.“ Die Stimme kam von der anderen Seite des spärlich, jedoch sehr sauber eingerichteten Zimmers. Sie folgte der Stimme und blickte in zwei beinahe schwarze Augen, die sie mit erhobenen Blick musterte.
Plötzlich meldete sich ihr Stolz und sie erhob ebenfalls den Kopf. War er ein Prinz? Seine Ausstrahlung ließ sie das zumindest vermuten. „Was soll das sein?“
Die Jungen sahen sich für einen Moment verwirrt an. „Jonas, du hast sie zu stark angefahren.“ Bemerkte Al und lächelte höflich.
Die machten sich ernsthaft über sie lustig. „Hört auf herum zu albern. Mir geht es gut. Ich habe mich bereits geheilt und wesentlich wichtigeres zu tun. Sagt mir sofort wie ich in mein Königreich zurückkomme.“ Die Jungen warfen sich noch einen Blick zu, als ein alter Mann herein kam und leise die Türe hinter sich schloss.
„Was ist denn hier für ein Geschrei?“ Es hatte niemand geschrien und Al winkte ab. „Ah! Unser Patient ist wach. Wie fühlst du dich denn, junges Fräulein?“ Die Prinzessin blickte den Mann verwirrt an.
„Was soll das? Werde ich gefangen gehalten?“
„Was? Nein natürlich nicht. Ich bin Doktor Alexej Fedor. Ich bin der Großvater von Alexej. Ich bin Mediziner und habe meine eigene Praxis. Ich weiß nicht an wie viel du dich erinnerst, aber meine Jungs haben dich mit dem Auto angefahren und das mit neunzig Stunden Kilometer. Sie haben sich gewundert wie du dort unverletzt heraus gekommen bist und ehrlich gesagt... ich auch.“
„Moment, Al! Du heißt Alexej Alexej? Du hast im Vor- so wie im Nachnamen den selben Namen?“
Al blickte den Schwarzäugigen fassungslos an. „Das fällt dir erst jetzt auf? Wie lange kennen wir uns denn schon?“
Jonas mit den schwarzen Augen winkte beiläufig ab. „Ist ja auch egal, redet ruhig weiter.“ Al, der mit den eisblauen freundlichen Augen lächelte zu ihr hinab. „Tut mir leid. Er ist etwas begriffsstutzig.“ Was bedeutete das?
„Ähm... Ich verstehe. Aber, was ist ein Auto? Ich kann mich nur an zwei helle Lichter erinnern, die sehr schnell auf mich zu gekommen sind und danach das ich im Gras lag, wo alles verdorrt war.“ Natürlich konnte sie sich auch noch daran erinnern, wieso das so gewesen ist, doch sie konnte schlecht sagen, dass sie Magie benutzt hatte. Immerhin wusste sie nicht wie diese, ihr völlig fremden Leute darauf reagieren würden. Aber sie schätzte, dass sie ebenfalls Magie benutzten, da die Geräte die um sie herum standen ständig irgendetwas nieder schrieben und eines sogar ihre Herzschlag anzeigte.
„Ja, das mit dem verdorrten Gras können wir uns auch nicht erklären. Die Jungs schwören jedoch, dass das einige Sekunden davor noch nicht war. Meine Meinung jedoch ist, das sie einfach zu betrunken waren um etwas mitzubekommen.“
„Wir haben überhaupt nichts getrunken!“ Beschwerte sich Al.
„Das stimmt. Ich bin der einzige Volljährige und ohne mich wären die beiden nicht einmal zu dem Clubbing gekommen. Glauben Sie mir. Ich habe sie ziemlich mit Cola und Mineralwasser gequält.“ Al warf seinem Freund einen funkelnden Blick zu. Die Prinzessin erkannte jedoch sofort, dass er log. Es wunderte sie, das der Großvater von Al es nicht bemerkte.
„Wo ist Backe überhaupt?“ Erkundigte sich der Großvater, der erst jetzt zu merken schien, dass sein zweiter Enkelsohn nicht anwesend war.
„Der sitzt draußen und raucht eine. Ihm war das warten zu langweilig.“ Verwirrt blickte die Prinzessin zwischen den vollkommen sinnlosen Gesprächen hin und her. Beinahe nichts, von dem was sie sagten, ergab einen Sinn.
„Ach, ja. Ich wollte so wie so fragen, welche Sprach das war, die du letzte Nacht gesprochen hast.“ Al blickte sie plötzlich sehr interessiert an und ihr Herz begann zu rasen.
Eine andere Sprache? Sie sprach wie immer, war etwa etwas seltsam daran?„Ich... Ich weiß nicht was du meinst.“
„Mädchen, wenn du uns nichts erzählst, dann können wir deine Eltern nicht verständigen, wo sie dich finden.“
Sie blickte mit sturen Blick zu dem alten Mann. „Meine Eltern sind vor einem Mondzyklus verstorben. Mein Bruder erst vor wenigen Tagen. Sogar mein Wolfswächter ist verschollen. Ich habe niemanden den man Kontaktieren könnte, jedoch hätte ich die Bitte, das Sie mich einfach ohne Fragen gehen lassen. Ich habe wichtige Verpflichtungen zu Hause. Ich muss mich um Verletzte kümmern, bestimmt denken sie ich bin tot. Ich bitte Sie!“
Lilith blickte jedem fest in die Augen, bevor Jonas in brechendes Gelächter ausbrach und etwas murmelte das wie „Das muss ich Backe erzählen“ klang, bevor er aus einer hellbraunen Holztüre verschwand.
„Ähm... Mädchen ich denke du hast ein paar schwerere Verletzungen als angenommen. Würde es dich stören, wenn ich schnell einen Hirnscann mache?“
„Niemand macht irgendetwas mit meinem Hirn! Das werde ich niemals erlauben!“ Schrie sie empört auf und rollte sich aus dem Bett.
„Schon gut Lilith. Leg dich bitte wieder hin. Wir werden nichts machen, das du nicht erlaubst. Versprochen.“ Das war Al, der ihr vorsichtig eine Hand auf die Schulter legte. Ein kleiner Energiestoß traf sie und ein Kribbeln ging durch ihren Körper. „Du bist ein Wolf? Wo ist deine Herrin? Ich muss sofort mit ihr sprechen.“ Al und sein Großvater blickten sich irritiert an. Hatte sie etwa etwas Falsches gesagt?
Der Arzt, deutete auf die geöffnete Türe und Al schloss sie ab. „Woher weißt du das?“ Die Prinzessin schüttelte verwirrt den Kopf, als wäre das das Logischste auf der Welt. „Ich bin eine Thronerbin, mein Wolf ist verschwunden. Warum denkst du wohl dass ich das weiß? Ich kann natürlich die Magie fühlen die dein Körper abgibt, wenn du deine Fähigkeiten benutzt.“
Wolfswächter hatten unter den körperlichen Attributen außerdem manchmal die Fähigkeit andere Menschen zu beeinflussen oder sehr selten sogar aktiv Magie zu wirken indem sie sich selbst Teleportieren können oder die Erde beeinflussen können. „Wir... Bitte was? Was für eine Magie?“ Al schien beinahe panisch zu sein, das sie wusste, was er war.
„Alexej, bitte beruhige dich. Es ist alles in Ordnung. Bring ihn nicht so durcheinander!“ Der Großvater schien ehrlich verärgert zu sein und versuchte seinen Enkel zu beruhigen, der kurz davor war sich zu wandeln. Wie sollte sie ihn denn durcheinanderbringen? „Al, bitte beruhige dich. Du kannst dich nicht mitten in meiner Praxis verwandeln. Komm runter, es ist alles in Ordnung.“
Sie verstand plötzlich, was los war. Wölfe, die keine Herrin besaßen, wurden oft als >wilde Wölfe< bezeichnet. Sie hatten die Magie in ihrem Körper niemals richtig unter Kontrolle. Unter anderem konnten nur die männlichen Nachfahren selbst sich verwandeln. Die Weibchen waren menschlich und lebten meist mit den Kindern in kleinen Siedlungen und die Männchen gingen, nachdem sie in der Pubertät waren an das Schloss um sich dort als Wolfswächter ausbilden zu lassen. Alte Wölfe, die sich nicht mehr verwandeln konnten, gingen wieder zurück in die Siedlungen und zeugten dort neuen Nachwuchs bis zu ihrem Lebensende.
„Warte ich mache das schon.“ Sie ging an dem alten Mann vorbei zu Al, der bereits die Krallen ausgefahren hatte und dessen Augen gelb leuchteten. Aus Erfahrung wusste sie, dass hier gleich ein aggressiver Wolf mitten im Zimmer sitzen würde, also erschreckte sie ihn, indem sie ihn zu sich zog und einfach küsste. Erstarrt stand er für mehrere Sekunden einfach so da und ließ diesen Eindruck auf sich wirken, während sie langsam etwas Magie aus seinem Körper zog, damit er nicht wild wurde. Als sein Herzschlag sich langsam legte und aus einem anderen Grund anfing, schneller zu schlagen, lehnte sie sich wieder zurück und lächelte ihn höflich an. „Ähm... Danke... wie hast du...das gemacht?“
Al, dessen Körper immer noch vollkommen erstarrt war und ihr so tief in die Augen sah, dass sie einfach nicht lügen konnte, oder sich herausreden. Es war so, als würden seine hellblauen Augen sie geradezu dazu zwingen ihm die Wahrheit zu sagen, jedoch nicht auf magische weise. Es war einfach seine Ausstrahlung, die sie ihren Schutzwall herunter fallen ließ.
„Das können alle Frauen in meiner Familie. Ich sagte doch, das Wölfe eine Herrin brauchen die sie am Boden hält, damit das Tier in einem nicht durchgeht.“ Al, der immer noch beide Arme um sie gelegt hatte, zog sie langsam und sehr widerwillig zurück. Plötzlich wurden seine Augen größer und auch sie fühlte einen Schmerz in ihrem Rücken explodieren.
„Ach du meine Güte! Es tut mir so leid! Das wollte ich nicht.“ Entschuldigte sich Al, während sein Großvater ihr befahl sich auf das Bett zu legen. „Schon gut, ich heile das schon selbst.“ Sagte sie beschwichtigend und zeigte die zehn Kratzer her, die er ihr mit seinen langen Fingernägeln zugefügt hatte. Nur wenige Sekunden später, waren die Kratzer verheilt und ihre Haut so makellos wie zuvor. „Seht ihr? Das war es schon.“
Die nächsten Minuten waren Al und sein Großvater wesentlich freundlicher zu ihr, und schienen sie sogar etwas zu mögen.
„Also um ehrlich zu sein, hat unsere Rasse noch nie etwas davon gehört, dass wir uns in Gegenwart vom königlichen Adel vernünftiger benehmen. Unsere Jungtiere hatten schon immer das Problem, dass sie instinktiv einfach handeln und bei großem Stress oder bei Aufregung sich einfach verwandeln. Jedoch legt sich das im Alter. Die Menschen haben uns in den letzten Tausend Jahren unzählige Namen gegeben. Manche nannten uns Skinwalker, Dämonen, Teufel, Bestien und besonders in diesem Jahrhundert nennt man uns einfach Werwölfe. Halb Mensch, halb Wolf. Und das ist ein Traditionelles erbe. Wir leben in kleinen Familienverbänden, meist mit einem großen Haus in dem viele Wölfe platz haben und mehreren Hektar Land dazu. Viele Rudel bekämpfen sich seit Generation und wieso, das wissen sie sogar überhaupt nicht mehr. Mein Enkel Al und sein älterer Bruder Backe, sind vor wenigen Jahren zu mir gezogen an mein Landhaus, da mein ältester Sohn bei einem Clankampf verstorben ist. Die Mutter hatte zu viel Angst, da sie ohne ihren Gefährten nicht wusste, wie sie den Kindern beibringen sollte was man als einen Wolf von ihnen erwartete. Somit hat sie mich ausfindig gemacht und aufgesucht. Ich wusste sofort was los war, als sie mit den beiden Jungtieren vor meinem Grund stand. Seitdem ziehe ich sie groß und Lizbeth haben wir niemals wieder gesehen. Wir wissen jedoch selbst, das es riskant ist einen Menschen in unser Geheimnis einzuweihen, doch Lizbeth... sagen wir einfach, sie war schon immer etwas anders. Wäre sie als Mann geboren, wäre sie ein treuer Beta geworden.“
Prinzessin Lilith die beinahe alles verstand, was gesagt wurde nickte verstehend. „Beinahe alles klingt so wie in meinem Land. Jedoch leben wir Seite an Seite mit unseren Wölfen. Wir verachten sie nicht, denn sie sind unsere treuesten Gefährten. Ich verstehe aber nicht, warum ihr eure Herkunft geheim haltet. Das ist doch gegen die Natur eines Wolfes. Ihr könnt nicht jagen, nicht ungestört heulen, euch amüsieren und herumtollen. Das sind alles Dinge die ich als ich noch klein war gemeinsam mit meinem Wolfswächter gemacht habe. Er ist mein Kindheitsfreund, meine bessere Hälfte und mein persönlicher Beschützer. Es gibt niemanden dem ich mehr vertraue. Das ist alles so traurig.“
Al, der einen verträumten Gesichtsausdruck bekam, meldete sich nun auch einmal zu Wort. „Das klingt so wunderschön. Ich wünschte ich wäre in deinem Land geboren.“
„Was meinst du damit, dass du mit ihm getollt hast?“ Das war wieder der Großvater, der sehr verwirrt, jedoch auch erstaunt zu sein schien.
Die Prinzessin stand auf und drehte sich von den beiden Männern weg, um sich das geliehene Shirt über den Kopf auszuziehen. Als sie ihre Hose von den Hüften gleiten ließ, ließ sie sich gleichzeitig vorfallen und verwandelte sich in einen Tiger. Knurrend schüttelte sie ihr zotteliges Fell und bemerkte unwillkürlich, das diese Gestalt, wohl etwas zu warm eingepackt war, für das beheizte Zimmer. Sie griff nach ihrem zweiten Lieblingstier und verwandelte sich in einen Adler. Beide Wölfe schienen überaus überrascht zu sein und knurrten sie warnend an. Mit einem Lächeln verwandelte sie sich zurück und zwinkerte den beiden zu. „Ihr braucht keine Angst vor mir zu haben. Obwohl ich mich verwandle, bin ich immer noch ich selbst. Ich ändere nur meine Gestalt, nicht mein ganzen Wesen so wie ihr.“
„Aber wie machst du das? Und könntest du dich vielleicht wieder anziehen?“ Der Arzt hielt seinem Enkel die Augen, zu der empört versuchte, etwas zu sehen, während sie sich lachend wieder etwas überzog. „Entschuldigt, aber ich bin es von den Wölfen gewohnt, das ihnen so etwas egal ist und meinem Volk zeige ich mich normalerweise niemals so. Nur wenige wissen bestimmt, dass ich Magie aktiv benutzen kann.“
„Heißt das ihr benutzt Magie?“
„Nicht direkt. Wir produzieren Magie selbst, jeden Abend, beten wir vor unseren Götterstatuen und senden überschüssige Energie dort hinein. Von den magischen Steinen, die sich im Herzen einer jeder Statue befinden, wird diese Magie hinauf zu den Göttern unseren Landes geschickt und das bewirkt wiederum auf uns, das wie lange leben. Viele über fünfhundert Jahre. Äußerst wenige, so wie ich und ein Mann den wir schwarzen Magier nennen, können ebenfalls Energie aus unserer Umgebung abziehen und diese in unserem Körper sehr schnell in Magie umwandeln. Jedoch auch nur begrenzt, da diese Wandlung genauso Energie aus unserem Körper benötigt, wie zum Beispiel laufen oder klettern. Nur sind wir eben geistig erschöpft, jedoch nicht körperlich.“
Al und Fedor, die wie gebannt an ihren Lippen hingen, blickten sich nun äußerst erstaunt an. Es schien, als wollten sie es glauben, doch es war beinahe unfassbar für sie. „Das klingt so himmlisch. Aber es klingt nicht so als wäre das alles auf unserem Planeten möglich. Wie hast du gesagt, wie nennt man euer Land? Außerdem dieser Tiger und der Adler, sie sind bestimmt von unserem Planeten. Ich kann das kaum glauben.“
„Sie sind in meinem Land die besten und schlausten Jäger. Abgesehen vom Wollhaarmammuts sind sie die beeindruckendsten Lebewesen. Zumindest für mich.“ Den letzten Satz fügte sie eher schüchtern hinzu, da es ihr peinlich war, dass sie so offen für ihre Vorliebe für die Natur sprach. „Mammuts? Die gibt es schon seit tausenden von Jahren nicht mehr. Wenn das wahr ist und wir sagen, das du bestimmt nicht von einem anderen Planeten kommst, dann kannst du eigentlich lediglich aus der Vergangenheit kommen. Was ist als letztes passiert, an das du dich erinnerst?“
Die Prinzessin erzählte alles von dem Moment an, als sie vom schwarzen Turm geflohen ist, bis das, was sie in den letzten Tagen erlebt hatte. Als sie endete, merkte sie erst, wie träumerisch die beiden Männer sie anblickten. Als würden zwei kleine Kinder der Geschichte einer alten Frau lauschen. Wenn es stimmte, was sie dachten, dann konnte das wohl auch möglich sein. Aber wie bewies man so etwas?
„Würde es dich stören, wenn ich einige Bluttests bei dir mache? Es wird nicht mehr weh tun, wie ein kleiner Stich in deine Vene. Dann nehme ich in fünf kleine Plastikgefäße etwas Blut ab und lasse es untersuchen mit einer Maschine.“ Nickend akzeptierte die Prinzessin die Prozedur. „Es wird die ganze Nacht dauern, also Schlaf gut. Ich werde meinen Enkel um etwas zu essen für dich suchen. Auch wenn du vielleicht in deiner Zeit oder in deinem Land, sagen wir lieber so, eine Prinzessin warst, haben wir leider in der Praxis nichts anderes als Krankenbettessen.“ Witzelte Doktor Alexej, mittlerweile wusste sie, wie sie ihn ansprechen sollte, und wünschte ihr eine gute Nacht.
Al, der ihr gezeigt hatte, wo sie sich waschen konnte und ihr half die Dusche an und ab zu stellen, lächelte sie belustigt an, als sie das Gesicht verzog bei dem Anblick von Fischstäbchen und Petersilerdäpfel. „Ich weiß, es ist vermutlich nichts das du kennst. Aber lass es dir trotzdem schmecken. Ich muss leider jetzt nach Hause, aber wenn du Gesellschaft willst, ich kann dir Jonas vorbei schicken.“
„Jonas? Das ist der mit den schwarzen Augen, oder? Der Junge der vorhin hier war.“
Al nickte und dunkelte das Licht ab. „Ja, er ist etwas gewöhnungsbedürftig, jedoch an sich ein echt netter Kerl. Jedoch, ist er nicht wie Backe, unser Großvater und ich und würde daher nicht verstehen über was wir sprechen. Ich würde dich also bitten, wenn er dabei sein sollte, das wir unsere Gespräche über Werwölfe... und auch Wolfswächter, oder unter welchen Namen du solche Wesen wie uns noch kennst, bitte nicht zur Sprache bringst.“ Prinzessin Lilith verstand, was er meinte und gab ihr Wort darauf, das sie ihre Zunge hüten würde und niemanden, natürlich ohne seine Einwilligung nichts erzählen wird. „Gute Nacht, wir sehen uns morgen.“ Al schien noch etwas sagen zu wollen, doch schloss die Türe hinter sich, als würde er es nicht wagen aus zu sprechen.
Plötzlich ging die Türe wieder auf und er starrte sie für einen Moment unsicher an. „Was möchtest du wissen, Al?“
Sich lachend entschuldigend, setzte er sich neben sie. „Es tut mir so unglaublich leid, aber... ich möchte so gerne mehr über mich erfahren. Jeder sagt immer Wolf zu sein sei eine Ehre und eine Bürde. Man wüsste erst was es bedeutet ein Wolf zu sein, wenn man es selbst probiert hat und so weiter. Ich... verstehe es aber nicht. Ich kämpfe jeden Tag gegen den Drang an in den Wald zu sprinten und dort etwas zu töten. Ich rieche so viele Sachen und...“
„Al, das sind Dinge, für die ich nicht die richtige Ansprechpartnerin bin. Das solltest du mit deinem Großvater klären.“
Al wirkte verzweifelt, als er neben sie auf das Bett glitt und sie bettelnd anblickte. „Bitte. Ich würde nicht jemanden fragen, der viel traumatisches erlebt hat und in eine Welt gestürzt kommt, von der sie keine Ahnung hat und die über mich selbst ausfragen, wenn ich zu meinem Großvater gehen könnte. Er ist ein alter, sehr alter Wolf und hat diesen Jagdtrieb und alles bereits verloren. Er versteht das nicht. Er ist in einer anderen Zeit als ich aufgewachsen.“
„Sagte dein Großvater nicht etwas davon, dass die älteren Wölfe ein großes Land besitzen, auf dem sie laufen könnten?“ Al bestätigte dies und erzählte ihr von dem Haus in dem er seit seine Mutter ihn und seinen Bruder abgegeben hatten, lebte. „Kannst du mir... ein kleines Tier zeigen, das ich werden kann und das in deine Tasche passt? Aber bitte nichts mit Panzer, oder Schuppen, das ist echt schwer zu produzieren.“ Al holte ein leuchtendes Gerät aus seiner Jackentasche und sein lächeln wurde plötzlich breiter. „Das Haus ist nur zehn Minuten von hier entfernt, da keine U-Bahnen mehr fahren, müssen wir wohl zu Fuß gehen. Ich zeige dir ein Tier, das nicht auffallen wird, wenn ich damit herum gehe. Aber du musst an meiner Seite bleiben, egal was passiert in Ordnung?“ Er zeigte ihr ein Bild von einem vierbeinigen Tier, welches er einen Collie nannte und nur wenige Minuten später, waren sie unten am Empfang angekommen und verließen ein vierstöckiges Gebäude. Die Schwester die heute Nachtschicht, an der kleinen Allgemeinklinik hätte, war über einem Buch eingeschlafen und schnarchte dabei laut.
Nach mehr als dreißig Minuten erreichten sie das umzäunte Gelände, das ungebetene Gäste wie andere Menschen fernhalten sollte. „Vierwandel dich in einen Vogel und warte in der Nähe, ich komme dann als Wolf.“ Sie verwandelte sich in einen Adler, der die Flügelspannweite von sieben Meter besaß und ärgerte sich darüber, das die Bäume in diesem Wald viel näher standen, als in denen, in denen sie für gewöhnlich flog. Lachend machte sie Loopings und genoss das Gefühl der kalten Luft über ihren dichten Federkleid.
Als sie sich lachend von einem Baum fallen ließ, beobachtete sie einige Tiere, wie sie sich durch das Unterholz ohne Probleme bewegten. Plötzlich ertönte hinter ihr das Geräusch von Schritten und zwei Jungen standen hinter ihr. Der eine war der blond haarige Al und der andere war vermutlich sein Bruder Backe, der nicht sonderlich erfreut schien, so spät in der Nacht aus dem Bett gezogen zu werden. „Ich habe ihm grob erzählt das du uns etwas über Wölfe zeigen wirst. Was wird es sein?“
Al war aufgeregter, als vermutlich gut für ihn war, doch sie lächelte darüber. „Verwandelt euch einfach einmal. Den Rest erledige ich für euch. Ich muss zuerst eure Wölfe kennen lernen bevor ich an euch arbeiten kann.“
Al begann sofort damit sich aus zu ziehen. Backe hingegen, verschränkte abweisend die Arme vor dem Oberkörper. „Also... bin ich hier der einzige der denkt, das sie uns nur verarscht. Vermutlich will sie nur irgendetwas und erzählt uns dafür was wir hören wollen. Ich vertraue der ganzen Sache nicht.“
Lilith stellte sich direkt vor ihm hin und sah, wie Röte in seine Wangen stieg, als er im Mondschein bemerkte, das sie nackt war. „Hör zu. Euren Wolf zu zügeln ist keine Lösung. Der Wolf ist ein Raubtier. Er ist ihr und ihr seit er. Der Wolf liegt bei euch zu nahe unter der Haut. Er sollte in eurem Herzen sitzen, nicht in eurem Kopf. Er sollte euch zustimmen bei dem was ihr tut und ihr solltet ihn akzeptieren wie er ist. Man kann von einem Mammut nicht erwarten dass es sich auf die Hinterbeine stellt und Leckerlis entgegen nimmt, wenn es nicht seine Art ist. Ebenso ist es beim Wolf. Der Wolf ist ein Jäger, ein Kämpfer ein wahrer Krieger. Er ist treu und ergeben, wenn ihr es ebenfalls euch gegenüber seit. Ich werde euch heute eurem Wolf näher bringen, als das ihr es jemals wart. Wenn du zu viel Angst davor hast dich selbst in den Schwanz zu beißen, dann dreh dich um und geh weg. Unwilligen kann man keinen Verstand eintrichtern und ich habe keine Zeit dafür. Ich will euch helfen weil ihr ungesund lebt. Ein Adler kann nicht von Gras leben, wenn er Fleisch isst sein ganzes Leben lang. Ihr müsst lernen... was es bedeutet ein Wolf zu sein.“ Die Augen von Backe, die im Mondlicht beinahe grau erschienen leuchteten gelb auf, als er wütend wurde und er knurrte drohend, während er sein Shirt über den Kopf zog und es provokativ zur Seite warf. Abermals bewunderte sie den perfekten Körper eines Wolfes. Sie hatte die athletischen perfekt geformten Körper von Wölfen schon als Kind beneidet. Sie war immer mager erschienen und hatte ihr Spiegelbild dafür gehasst. Heute war es ihr egal. Ihre Ansichten hatten sich alle geändert, als der Krieg begann.
Als zwei graue Wölfe vor ihr standen und ungeduldig um sie herum liefen, flüsterte sie. „Fangt mich.“ Und verwandelte sich in ein Kaninchen, dass sie vor einigen Minuten panisch hatte in ein Loch verschwinden sehen. Wie angenommen war der Körper perfekt für das Unterholz geformt und sie glitt über den Waldboden wie ein Windzug. Als der erste Wolf sie langsam einholte, änderte sie ihre Taktik, indem sie gegen die Bäume sprang und durch die Geschwindigkeit, die sie aufgebaut hatte, weiter springen konnte, sodass sie den Wolf verwirrte. Die Prinzessin tauchte einige Meter hinter ihnen auf und schüttelte den Kopf, als sie die beiden Wölfe orientierungslos ihre Spur aufsuchen sah. Sie verwandelte sich in einen kleinen braunen Wald bewohnenden Vogel und setzte sich oben in ein Geäst. Oben nahm sie ihre wahre Gestalt an und flüsterte nach unten.
„Ihr seid lahm. Ihr seid wie verwundete Wölfe die man getreten ausgesetzt hat. Wo ist euer Stolz?“ Eilig flog sie auf einen anderen Baum. „Wo ist euer Wille? Lasst den Wolf frei. Vertraut ihm. Er ist euer Freund. Versteht ihn. Lasst ihn laufen.“ Sie verwandelte sich ebenfalls in einen Wolf, den den sie von Northan kannte und sprang Backe auf den Rücken. Sie drückte ihn mit den Zähnen auf den Boden und knurrte bedrohlich. Sie wusste, dass in Backe ein Rudelführer steckte, das konnte sie fühlen. Er hatte auch kraft und war gewillt dies zu beweisen, doch er unterwarf sich einfach. Sie zwickte ihn strafend in das Ohr und stieg von ihm herunter. Knurrend umrundeten sie sich und er warf sich auf sie. Ungeschickt wie er war, konnte sie ihn in der Luft abfangen und er landete mit einem dumpfen Aufprall wieder unter ihrem Gebiss. Sie zwickte ihn wieder und wieder, bis er so wütend war, das er sie abwarf und sie gegen den nächsten Baum prallte.
Lachend, doch mit einem geprellten Rücken, kam sie als Mensch auf die Beine. „Da ist er ja! Du bist ein Rudelführer Backe! Es wäre eine Tragik, wenn du nichts aus dir machen würdest. Lass ihn hinaus! Sei keine feige Waldmaus. Sei der Jäger dieser Maus!“ Sie verwandelte sich wieder in das Kaninchen und lief abermals los. Diesmal war Backe tatsächlich schneller. Kurz bevor er sie erwischte, verwandelte sie sich in einen Wolf und rang ihn wieder nieder.
„Lerne aus deinen Fehlern. Du kannst kein Wolf sein, wenn du nicht kämpfen kannst. Du bist schwach, wenn du alleine Kämpfst. Dein Wolf kennt doch die Bewegungen. Wieso lässt du nicht los?“ Backe verwandelte sich keuchend in einen Menschen. „Scheiß Schlampe! Du hackst nur so auf mir herum, weil du denkst das ich ein Arsch bin. Du kennst mich überhaupt nicht.“ Er holte tief Luft, als würde er versuchen nicht sofort loszuweinen. „Sind wir nicht hier, das du Al zeigst was ein Wolf ist? Es interessiert mich nicht. Ich will nicht töten! Ich kann es nicht.“ Backe kniete immer noch auf allen vieren und sie setzte sich neben ihm in das Gras. Ihr Instinkt sagte ihr, das Al sie beide immer noch suchte. Al hatte nicht gelogen, als er sagte, dass sein Großvater ein sehr großes Gebiet besaß.
„Ich sage auch nicht das du mich töten sollst. Ich habe dieses Geschöpf nur gewählt, da es den besten Körper hatte um sich hier sicher zu bewegen. Ich kenne den Wald nicht, aber ich weiß wie man läuft. Dein Körper weiß es ebenfalls. Dein Wolf weiß alles was man braucht um mich zu fangen und zu unterwerfen. Jetzt ist es an dir dies zu zu lassen. Wenn du möchtest laufe ich in einer anderen Gestalt, ich kann mich in jedes Tier verwandeln. Aber du kannst auch aufhören. Es liegt ganz bei dir. Vielleicht wird dir irgendwann einmal jemand zeigen wie man ein Wolf ist, das weiß ich nicht. Aber nutze deine Chance.“
„Wieso weißt du so viel über Wölfe?“
„Meine bessere Hälfte war einer. Er verschwand vor kurzem... mehr oder weniger. Er war schon von klein auf mein Wächter. Er wurde dazu ausgebildet und mir wurde gezeigt was es bedeutete seine Gefährtin zu sein. Ich habe mit ihm zusammen gelernt, auch wenn ich nur eine... ein Mädchen bin.“
„Wieso ist er verschwunden?“ Backe blickte sie zwar nicht an und atmete immer noch schwer vom laufen und schien mit etwas zu ringen.
„Ich... das ist schwer zu erklären, da du es nicht glauben würdest.“
„Ich habe gerade gesehen wie du dich ohne mühe von einem Tier in das nächste verwandelst. Ich glaube dir in nächster Zeit mehr, als es Gesund für mich wäre.“
Lächelnd fing sie an zu erzählen. „Ich habe ihn zu einer Dummheit überredet. Mein Bruder war der Anführer einer kleinen Einheit, die einen sehr bösen Mann töten sollte. Wir schlichen uns in seinen Trum ein und schafften es gemeinsam hinauf zum Ende seines Turmes. Dort angekommen hat mich mein Bruder zurück geschickt. Er meinte mein Volk braucht mich und ich sollte mich um sie kümmern da unser Vater... nun ja, er ist alt und vom Leben enttäuscht. Ich bin gegangen ohne mich umzudrehen. Ich hatte Angst und habe mich wie ein kleines Mädchen verhalten. Ich bereue es, aber... ich kann es leider nicht ändern und das ist es was mir am meisten zusetzt. Ich vermisse ihn sehr.“
„Hast du probiert ihn zu finden?“ Sie schüttelte betroffen den Kopf. „Ich habe es nicht gewagt. Ich wollte ihn nicht tot vor finden. Ich wollte... Ich hatte andere Verpflichtungen.“
„Ich verstehe.“
„Ich nicht. Ich bin schon immer der Typ Mensch gewesen, der das tat, was andere von ihm erwarteten. Ich bin gegangen weil es meine Pflicht war, ich habe mein Volk aufgebaut, weil es von mir erwartet wurde und trotzdem habe ich mich Nachts in den Schlaf geweint, da ich die dabei verloren habe an denen mein Herz wirklich hängt.“
Backe setzte sich nun hinter sie und sie konnte hören, wie sein Atem ruhiger wurde. „Hast du ihn denn geliebt?“
Sie dachte darüber nach. Natürlich hatte sie ihn nicht auf die übliche Weise geliebt. Er war wer er war. Lachend antwortete sie. „Wie könnte ich? Ich bin eher der Standhafte Mensch und Wölfe sind nicht gerade für ihre eheliche Treue bekannt. Unter anderem, ja ich habe ihn auf eine andere Weise geliebt. Ich habe ihn als Bruder, als meine bessere Hälfte geliebt, aber niemals wie eine Frau einen Mann lieben sollte.“
Sie hörte ein räuspern und seine Stimme war plötzlich tiefer, als würde er selbst mit seinen Worten kämpfen. „Denkst du denn, das ein Wolf es wärt wehre ihn zu lieben? Und damit meine ich nicht nur bis in ein paar Jahren, bis sie eventuell Kinder will und man zu viel Angst hat plötzlich vor einer Entscheidung zu stehen das dem ganzen Rudel schaden kann.“
Plötzlich verstand sie, wieso er seinen Wolf nicht akzeptieren wollte und es war, als fiele ihr ein Stein vom Herzen. „Ich denke dass, ein jeder, egal welcher Abstammung es wert ist geliebt zu werden. Jedoch muss man vorher sich selbst akzeptieren, bevor jemand anders einen akzeptieren kann. Wieso sollten andere eine Seite an einem lieben können, wenn man nicht einmal selbst bereit ist dieser Seite eine Chance zu geben?“
„Da seit ihr ja! Ich suche euch schon die ganze Zeit.“ Lächelnd blickte sie zu Al auf.
„Dann bist du kein sonderlich guter Wolf. Backe hat bereits Fortschritte gemacht, er konnte mich zwar noch nicht besiegen, aber fangen. Jetzt bist du dran.“ Sie lief ohne ein weiteres Wort einmal um ihn herum, sodass er ihre Witterung aufnahm und dann weiter und tiefer in den Wald hinein. Knurrend folgte er ihr. Als er nach schon sehr kurzer Zeit ihre Witterung wieder verlor, verwandelte er sich wieder in einen Menschen und brüllte durch den Wald. „Verdammt wie soll ich dich denn finden? Du bist viel zu schnell!“
„Du bist nur nicht genug Wolf um mich zu fassen!“
Erschrocken das ihre Stimme so nah war, drehte er sich um die eigene Achse um sie zu finden. Genau blickte er tief in den dunklen Wald und versuchte einen Schatten zu finden, der zu ihr gehören könnte. „Wenn ich nicht genug Wolf bin, warum trainierst du dann mit mir? Ich dachte du würdest mir helfen ,das einzige aber das du tust, ist mich verspotten!“
Das Krächzen einer Eule erklang in seinen Ohren, bevor lange Krallen tief in seine Wange eindrangen und ihn aufschnitten. Mit einem Aufschrei versuchte er die Eule zu finden, als er merkt,e dass es Lilith gewesen war, die ihn provozieren wollte. „Jeder Wolf hat einen anderen Charakterzug. Jeder hat ein anders Wesen, etwas das ihn ausmacht. Etwas das ihn verwandeln lässt. Ihn zum Tier macht. Bei vielen ist es sexuelle Erregung. Aber bei dir denke ich ist es Aggression.“
Plötzlich biss ihn etwas ins Bein und brachte ihn zu Fall. Erschrocken keuchte er auf, doch fing sich mit den Armen ab. Erschrocken, das seine Arme sich tatsächlich schon wieder in Wolfsklauen verwandelten, versuchte er einen klaren Kopf zu bekommen. „Bemüh dich nicht. Ich bringe dich schon noch zu deinem inneren Wolf.“ Wieder Flügelschläge.
Er hörte, dass sie hinter ihm kamen, doch plötzlich traf ihn ein Stein auf dem Kopf. Vor Zorn fing er an zu jaulen und sein Bruder stimmte darauf ein. Al ließ die Verwandlung zu. Fühlte wie sich seine Knochen verschoben und sein Rückkrad sich in eine waagrechte Position brachte. Fell spross aus seinen Poren und ein langer buschiger Schwanz erschien an seinem Hinterteil, der ihm half die Balance zu halten, wenn er eilig um eine Kurve lief. Seine starken Hinterpfoten katapultierten ihn in Windeseile über den Waldboden und sorgten für einen sicheren halt.
„Niemand kann sich an einen Wolf heranschleichen und trotzdem habe ich in wenigen Minuten dich und deinen Bruder zu Fall gebracht. Wie erbärmlich.“ Al spürte, wie er wütender wurde. Eine unglaubliche Kraft, die ihm Angst machte, breitete sich von seinem Herzen aus. War es etwa das was sie meinte? Seine wahre Kraft? Aber wenn sie tatsächlich so groß war, dann hatte er angst sich darin zu verlieren. Niemanden sollte man so eine wilde Kraft in die Hände legen und sie unbedacht einfach verwenden. Wollte sein Großvater ihn etwa davor warnen? Davor sich in seiner eigenen Macht, seiner Wildnis zu verlieren.
Ein Ruck ging durch seinen Körper und plötzlich konnte er es ganz deutlich erkennen. Mit einem Satz war er auf dem Ast und biss ihn durch. Überrascht, fiel Lilith in ihrer Menschlichen Gestalt auf den Waldboden, doch ankommen tat sie auf vier Pfoten und einem spöttischen lächeln im Gesicht. Sie hatte ihm das gebracht was er wollte. Plötzlich drang eine andere Macht an ihn, eine die er kannte und doch so fürchterlich fremd war. Sein Bruder trat aus einem Schatten und knurrte ihn an. Zuerst sträubte er noch das Fell, doch nur eine Sekunde später, lag er unter ihm und konnte die festen Zähne an seiner weichen Kehle spüren. Ohne zu wissen, warum, unterwarf er sich einfach. Sein Instinkt sagte ihm, dass er das tun musste. Dass es seine Pflicht war, sein Wesen. Und nun verstand er. Er selbst war ein Betawolf, einer der loyal seinem Alpha gehorchte und diesem sich auch unterwarf. Und sein Bruder war ein solcher.
Backe verwandelte sich und ließ sich rückwärts erschöpft auf den Boden fallen. Lilith, lehnte an einem Baum und schien äußerst stolz zu sein. Ob auf sich selbst oder auf seinen Bruder und sich selbst wusste er nicht.
„Was grinst du so?“ Backe brachte es unhöflich über die Lippen, wie es seine Art war, doch Lilith, schien das überhaupt nicht zu bemerken.
„Ich bin nur stolz auf euch, das ihr an einem Abend mehr geschafft habt, als viele Wolfswächter, oder wie ihr sagt Werwölfe in ihrem halben Leben. Ich bin ehrlich beeindruckt.“ Beide Jungen blickten sie erschrocken an, doch dann warfen sie sich ein brüderliches Lächeln zu. Sie spürten, das Lilith die Wahrheit sagte. Abermals blickte er in die grünen Augen, die ihm schon im Wald, als Jonas, der am Steuer gesessen war, sie angefahren hatte.
Ihr Blick, ihre Art, ihre Bewegungen. Alles war für ihn einfach faszinierend. Sie schien, auch wenn sie direkt vor ihm stand, unendlich weit entfernt zu sein. Zu seinem eigenen erstaunen, konnte er sich selbst nicht eingestehen, dass er sich zu ihr hingezogen fühlte. Mit einem breiten Lächeln ließ er sich in das hohe Gras fallen und horchte auf die Geräusche des Waldes. Das Rauschen der Blätter, die Flügelschläge von Vögel und Fledermäuse, das knistern von verdorrten Laub. Alles gehörte zu seinen Sinnen. War ein Teil davon. Ein Teil von ihm selbst.
Als Lilith am frühen Morgen mit einem Frühstück aufgeweckt wurde, war sie von der letzten Nacht noch immer erschöpft. Sie fühlte immer noch den Matsch, der unter ihren Fußsohlen klebte und konnte sich vorstellen, dass ein halber Wald in ihrem so genannten Bett lag. „Guten Morgen, junge Dame. Ich hatte nicht gerechnet, dass du so lange schläfst. Ich lasse das Essen hier und komme in einer Stunde noch einmal, wenn du möchtest.“
Dankend schlang sie das Essen sehr schnell hinunter. Seltsamerweise fühlte sie sich hungriger als sonst. Ob es etwas mit ihrer seltsamen Zeitreise zu tun hatte? Sie konnte sich nicht wirklich einen Reim darauf machen, doch zur Zeit hatte in ihrem Kopf andere Fragen Prioritäten. Sie musste nach Hause und das dringend. Vermutlich hätte sie in der Nacht etwas Sinnvolleres tun sollen, als Jungwölfen zu helfen ihren Weg zu finden, doch so hatte sie zumindest ihr Vertrauen gewonnen, und konnte hoffentlich auf deren Hilfe zählen. Als sie mit etwas Magie, das Laken und die Decke vollkommen rein bekommen hatte, sprang sie unter die Dusche. Dieses mal, jedoch ohne Hilfe.
Kurz darauf erwartete Als Großvater sie bereits ungeduldig. „Ich denke, wir sollten gemeinsam jemanden besuchen. Ich weiß du möchtest so schnell wie möglich nach Hause, jedoch können wir nicht wissen, ob du tatsächlich aus der Vergangenheit kommst. Ich habe jemanden angerufen, der uns dabei weiter helfen könnte, jedoch ist sie ein Omega und sehr unfreundlich.“
Lilith winkte ab. „Das tut hier nichts zur Sache. Ich kann mit Wölfen umgehen. Immerhin bin ich mit ihnen aufgewachsen.“
„Siehst du , genau hier liegt das Problem. Die Wölfe die du hier kennst, wir sind etwas eigen... Wir sind bestimmt nicht so gut erzogen wie die Wölfe die du kennst, oder kanntest. Ich möchte dich nur im Vorhinein warnen. Sie ist äußerst wild und alt, aber sie kann uns mit Bestimmtheit sagen, wer du bist. Wenn sie es nicht kann, dann kann es niemand.“
Lilith glaubte nicht, dass Wölfe sich großartig geändert hatten. Jedoch kam in ihre plötzlich die Frage auf, wie viel hatten diese Wölfe hier, mit denen aus ihrer Heimat gemeinsam? Stammten sie demselben Geschlecht ab? Hatten nicht vielleicht nur die Wölfe überlebt, sondern Nachkommen aus ihrer Heimat ebenfalls? „Gut wir gehen besser sofort los, sonst denke ich zu viel nach.“
Lachend legte der Arzt ihr einen Sack mit Kleidungsstücken hin. „Mit denen wirst du nicht so viel auffallen, hoffe ich. Al hat sie heute morgen für dich geholt, keine Ahnung warum er überhaupt so früh auf war.“ Die Stimme des Arztes wurde leiser, während er den Raum verließ und vor der verschlossenen Türe auf sie wartete.
Die Prinzessin, schüttete die Kleidungsstücke auf dem Bett aus und seufzte schwer. So etwas zogen die Mädchen heutzutage an? Sie besah sich die schlicht, jedoch kurz gehaltenen Röcke, es waren drei. Einer in einem dunklen Blau aus einem seltsamen dicken Stoff, ein weißer, der Knielange war und einfach um ihre Beine strichen und ein schwarzer, diesen man an der Seite mit einem Reißverschluss zu machte. Ebenso gab es zwei Hosen, die sie jedoch sofort wieder in die Tasche zurück stopfte, da sie unangenehm steif waren und ihr an unangenehmen Stellen zwickte. Nun blieben noch schalenartige Stoffkleidungsstücke, die wie sie vermutete für ihre Brüste gedacht waren. Es dauerte zwar etwas länger, doch schlussendlich bekam sie einen davon an. Sie musste Al zugestehen, dass er ein recht gutes Auge besaß. Sie wählte den schwarzen Rock, da er sich angenehm an ihre Beine schmiegte und bei bedarf hochgeschoben werden, und damit sie schneller laufen konnte. Dazu zwängte sie sich in Trägerhemd, die sie noch niemals in ihrem Leben gesehen hatte, doch da es weiß war, gefielen ihr die Rüschen am Kragen und die Knöpfe. Beides Sachen, die ihr vertraut waren. Als sie noch die bequemen flachen grauen Schuhe anzog, überlegte sie, was sie noch tun konnte. Zweifelnd blickte sie in den Spiegel. Konnte sie sich tatsächlich so unter Menschen wagen? Lilith erkannte sich kaum wieder. Ihre dichten Haare hingen zu klappernden Zöpfen geflochten über ihre Schultern, das weiße Hemd zeigte mehr, als das ihr persönlich recht war und der Rock wurde ihr plötzlich ebenfalls unangenehm störend. Ein Klopfen an der Türe riss sie von ihrem Spiegelbild los. Panisch lief sie die fünf Schritte zur Türe und öffnete sie. Ein ungewöhnlich bekannter Geruch schoss ihr in die Nase und sie fühlte, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte. Jedoch war es niemand, den sie kannte.
Enttäuscht, dass ihre Nase sie in die Irre führte, verzog sie das Gesicht. „Ich bin auch nicht erfreut hier zu sein, aber du könntest wenigstens so tun, als würde es dich freuen jemanden zu sehen, den du kennst, auch wenn es nur jemand ist, dessen Auto du kaputte gemacht hast.“
Lilith blickte in die tiefen unergründlichen schwarzen Augen und lächelte entschuldigend. „Es tut mir leid, aber mir schwirrt zur Zeit viel im Kopf herum.“ Der schwarzäuge, Jonas wie sie sich wieder erinnerte, blickte sie für wenige Sekunde an, bevor er ihr deutete, dass sie ihm folgen sollte. „Die Kleidung hat Alexej ausgesucht.“ Sie hörte an seiner Stimme, dass dies keine Frage sonder eine Feststellung war.
Nickend fragte sie ihrerseits. „Woran hast du das bemerkt?“ Plötzlich blieb Jonas mitten im Gang stehen, beugte sich über sie und griff mit der Hand über ihre Schulter. Sie fühlte, dass er am Saum der Kleidung herumspielte und mit einem spöttischen lächeln im Gesicht sich wieder zum Gehen wandte.
„Weil es keine Markenkleidung sondern biologische Produkte sind. Seine Familie hat diesen Tick.“
„Ist das schlecht?“ Sie blickte fragend zu ihm auf, doch er schüttelte lediglich den Kopf.
„Warum sollte das schlecht sein? Es ist gut für die Umwelt, doch geht genauso wie Markenkleidung in das Geld.“
Sie verstand immer noch nicht den Unterschied zwischen Markenkleidung und biologischer, doch sie hatte Angst dumm da zu stehen, wenn sie fragte, was der Unterschied überhaupt war. Sie kannte noch nicht einmal die Bedeutung für >Markenkleidung<. Gab es denn etwas Besonderes daran?
„Du verstehst überhaupt nichts davon, was ich gerade gesagt habe, oder?“ Überrascht blickte sie zu ihm auf. War sie so durchschaubar? Hatten etwa die Menschen hier eine bessere Beobachtungsgabe als sie damals? „Schau nicht so schockiert. Der Doc sagte bereits, dass du dir den Kopf ziemlich schlimm gestoßen hast und einen Großteil deines Vokabulars verloren hast. Aber ich finde, du kommunizierst ziemlich gut, dafür dass du auf den Kopf gefallen bist.“
Sie funkelte ihn etwas beleidigt an. So wie er es sagte, klang e,s als hätte sie nicht alle ihre Geister zusammen. Plötzlich fiel ihr wieder etwas ein. Sie hatte letzte Nacht vor Aufregung und Erschöpfung überhaupt nicht gebetet. Doch zu was sollte sie überhaupt beten? Sie hatte noch keinerlei Statuen gesehen. Nichts dass annähernd darauf schließen ließ, ob diese Menschen gläubig waren. War es, überhaupt noch für sie möglich Magie zu ihrem Gott zu schicken, und war er auch hier? Frustriert rieb sie ihre Schläfen.
„Koffein?“
Sie blickte ihn verwirrt an, als sie mit dem Lift in das Erdgeschoss fuhren. „Was bedeutet das?“
„Ob du Kaffee gebrauchen könntest? Du siehst ziemlich fertig aus.“ Sie nickte und hoffte, dass sie keinen Fehler machte. Im Erdgeschoss angekommen, das wesentlich belebter unter Tags war, als nachts, bestellte der Junge, der älter als sie zu sein schien einen Karamellkaffee und einen Cappuccino. Sie wusste bei beiden Getränken nicht, um was sie sich handelten, doch war bereit beide zu kosten. Zuerst kostete sie den Cappuccino und gab ihn Jonas zurück. Danach den Karamellkaffee und verzog angeekelt das Gesicht.
„Ich glaube ich habe noch niemals etwas ekelerregenderes getrunken.“
Jonas der gerade selbst den Cappuccino trank, blickte sie überrascht an. „Oh, tut mir leid. Normalerweisen schmecken Mädchen, süße Getränke besser. Ich wusste nicht wirklich was dir schmeckt daher habe ich etwas wahrscheinlicheres genommen. Hier, du kannst den Cappuccino haben, wenn du möchtest.“
Sie nahm ihn dankend entgegen und reichte ihm den anderen zurück. Mit einem breiten Lächeln trank er aus dem Becher und schüttelte den Kopf. „Was? Habe ich etwas seltsames getan?“
Er deutete auf den Ausgang. „Egal, gehen wir. Wir haben noch einen anstrengenden Weg vor uns.“ Sie verstand nicht, was er sagte, doch nickte, als würde sie es verstehen. Dieses mal, ging sie nicht zu Fuß zu einem Anwesen, sondern zu einem riesigen metallenen Etwas, das sie nur noch mehr verwirrte, mehr als die Gespräche, die rund um sie herum geführt wurden.
„Jonas!“ Jonas seufzte angestrengt und schloss die Türe auf, ohne sich umzudrehen. Lilith hingegen war sehr interessiert, wem die Stimme gehörte, da sie immer noch die leise Hoffnung in sich trug ein bekanntes Gesicht zu sehen. Ein blondes Mädchen, das sehr helle blonde Haare trug, lief mit einem breiten Lächeln auf sie zu. Als sie hinter Jonas stand, umarmte sie ihn. „Jonas! Wieso ignorierst du mich?“
Jonas befreite sich, sichtlich genervt, aus ihrem festen Griff. „Lidija! Lidija! Bitte verschwinde einfach.“
„Wieso sagen so etwas? Hatten doch so unglaublich viel Spaß. Was ist los?“ Ihre leuchtend roten Lippen fanden die seine und er blickte verwirrt drein.
Angewidert stieß er sie von sich und wandte sich einfach an Lilith. „Steig ein.“ Er wischte sich die rote Farbe vom Mund und öffnete auf ihrer Seite die Beifahrertüre, als sie nicht einstieg.
„Ähm, es ist nicht höflich jemanden einfach so stehen zu lassen. Besonders nicht wenn es eine Dame ist.“
Jonas blickte Lilith an, als hätte sie ihm gerade ein Gebet aufgesagt. „Glaube mir, Lilijana ist alles andere als eine Dame und jetzt steig ein.“ Sie blickte die überaus verärgerte Dame an, doch bemerkte ziemlich rasch, dass nicht er, sondern sie selbst die wütenden Blicke bekam. Hatte sie etwas Falsches gesagt?
Verwirrt von der unerklärlichen Aktion gerade eben, ließ sie sich >anschnallen< wie er sagte und hielt sich erschrocken fest, als er mit quietschenden Reifen davon fuhr. „Mach so etwas niemals wieder, verstanden!“
Ihm stand die Verärgerung ins Gesicht geschnitten. Doch sie verstand nicht, was sie falsch gemacht hatte. „Du denkst vielleicht dass du etwas besseres bist, da du in deiner Heimat über allen anderen gestanden hast, doch hier bist du nichts anderes als alle anderen. Zur zeit bist du sogar niemand. Du hast keine Registrierung, du hast keine Familie, kein Zuhause, noch nicht einmal jemanden dem du vertrauen kannst. Also nimm dich gefälligst zusammen und erkläre mir nicht nach tausenden von Jahren wie ich mich zum benehmen habe!“
Lilith verstand absolut kein Wort. Jedoch wurde ihr unangenehm bewusst, dass er sie kannte. War dies gut oder schlecht? „Ähm, es tut mir leid, aber ich... wovon redest du?“
Jonas warf ihr einen funkelnden Blick zu. „Tu nicht so. Ich weiß das du mich kennst.“
„Nein, ich kann mich leider nicht an dein Gesicht erinnern, es tut mir leid. Warst du in meiner Garde?“
Für einen Moment blickte er sie fassungslos an, bevor er sich für einen längeren Schweigemoment auf die Straße konzentrierte auf dem sich immer mehr und mehr andere >Autos< versammelten. Lilith beobachtete ihn derweilen genauer. Er trommelte ungeduldig auf das Rad, mit dem er das Auto lenkte, seine Augen zwinkerten immer drei bis vier mal, was sie seltsamerweise faszinierend fand, jetzt im Sonnenlicht, bemerkte sie sogar, das seine Iriden nicht komplett schwarz waren, sie hatten zwar einen sehr dunklen Braunton, doch sie konnte erkennen, dass er einen leichten Schimmer von Grün darin trug.
Sein Blick zuckte wieder zu ihr und für einen Moment blickten sie sich beide störrisch an. „Du sagst also, du kannst dich nicht an mich erinnern?“
Lilith schüttelte den Kopf. „Das erklärt, warum du nicht sofort versucht hast mich zu töten.“ Murmelte er und blickte zurück auf die Straße.
„Hätte ich das denn sollen?“
„Du hättest es vermutlich gekonnt, das weiß ich nicht. Aber bevor ich sage wer ich bin bedenke, wir sind auf einer Straße unterwegs auf der ich gerade neunzig stunden die Kilometer fahre. Wenn du mich unter der Fahrt tötest stirbst du ebenfalls, denn es gibt hier weniger Magie als dass du für ein Schutzschild benutzen könntest.“
Nun wurde sie unsicher und ihre Gedanken führten sie in eine gefährliche Zone. Sie fühlte, wie sich wieder ein fester Anker mit stählernen Krallen um ihr Herz legte und ihr die Atmung schwerer machte. „Wenn du die Worte aussprichst, vor denen ich mich zur Zeit am meisten fürchte, dann wäre es mir lieber wir sterben beide.“
„Schon wieder? Das hat beim letzten mal genauso schlecht geklappt. Vermutlich würde dich irgendein Arzt wieder zusammen nähen, egal was für schaden du davon trägst, immerhin haben ja leider die Dümmsten das größte Glück.“
Ihr Herz hörte für einen Moment auf zu schlagen, bevor es in einem ungesunden Rhythmus seine Tätigkeit wieder aufnahm. „Über so etwas macht man keine Witze. Sag mir sofort die Wahrheit. Bist du der schwarze Magier den ich töten wollte?“
Sie blickte ihm so intensiv an, dass er irritiert für einen Moment auf die Straße blickte und in einem Gebiet, das sie bereits kannte, heran fuhr. „Ja. Das bin ich. Mein richtiger Name ist Raivis, Ich weiß ein seltsamer Name für diese Welt, doch meine Mutter war eine... nun ja keine beständige Frau. Sie war sehr viel auf reisen und das nicht unbedingt in der Welt in der wir beide aufgewachsen sind.“
„Du meinst, sie ist durch die Zeit gereist?“
Er nickte und lehnte sich zurück. „Ja, so wie du. Ich vermute das sie irgendwie mit dir verwandt sein muss. Ich habe niemals jemanden getroffen, der so mit der Magie umgehen konnte wie sie. Dann fühlte ich das jemand durch meinen geschützten Turm, der Magie völlig ausschließt, trotzdem Magie erzeugt. Ich dachte zuerst es sei meine Mutter die zurück gekommen ist. Dann kam dieser Schwachmat von deinem Bruder und ich habe Tage vergeudet ein einziges Wort aus ihm heraus zu bekommen...“ Ein plötzlicher Schmerz fuhr durch seine rechte Gesichtshälfte. Fassungslos blickte er sie an. „Hast du mich geschlagen?“
„Ja! Habe ich. Das ist mein Bruder von dem du sprichst du Bastard!“ Plötzlich schloss sich eine feste Hand mit dünnen Fingern um ihren Hals und sie fühlte sich in die Zeit vor ein paar Tagen zurückversetzt. Wieder war eine schwarze leere Kapuze vor ihr. Sie schloss die Augen um das Bild loszubekommen, doch das einzige das sie damit erreichte war, dass die höllischen Bilder in ihrem Kopf noch realer wurden.
Wieso? Wieso musste dieser Albtraum ausgerechnet ihr passieren. Sie hatte niemals darum gebeten von den Göttern gesegnet zu werden, hatte niemals darum gebeten anstatt ihrer Zwillingsschwester zu leben. Die bürde eine Prinzessin zu sein für sie beide zu tragen. Vater sprach zwar niemals von ihr, doch wenn sie hin und wieder nachts zu ihrer Mutter am Abend in das Zimmer gehuscht ist um sich eine Gute Nachtgeschichte anzuhören, dann erwähnte sie immer ein mysteriöses Mädchen, das immer an ihrer Seite sein würde. Eine Körperliche Seele die sie vor allem üblem beschützen würde. Doch dies waren nichts als Märchen. Niemand beschützte sie. Niemand passte mehr auf sie auf und sie war auch kein Mädchen mehr. Sie war beinahe volljährig in ihrem Land und musste sich um ein Volk kümmern. Ein Volk, um dessen Existenz sie besorgt war.
Lilith griff in ihr innerstes um die Magie in ihrem Körper zu benutzen und verbrannte den schwarzen Magier, der die ganze Zeit bereits auf sie einsprach. Zischend zog er seine Hand hinfort und fluchte Wörter, die sie nicht kannte, doch deren Bedeutung unverkennbar war.
„Fass mich niemals wieder an.“
„Versprochen. Das nächste mal wenn ich dich in einer finsteren Nacht im Halbschlaf anfahre, dann lasse ich dich liegen!“ In seinen Augen lag purer Hass. Aber was bezweckte er damit? Wieso hatte er sie gerettet, wenn er sie doch tot sehen wollte? Wieso brachte er es nicht jetzt sofort hinter sich, oder war er etwa genau deshalb hier her gefahren? Um das zu beenden, was er vor einigen Nächten nicht konnte?
„Wieso hast du mich denn überhaupt mitgenommen? Du wolltest mich bereits in meinem Land töten und jetzt hast du mich angefahren. Es wäre beides ein leichtes für dich gewesen!“ Sein dunkler Blick glitt wieder zu ihr und es schien, als würde er mehr sagen wollen, als er dann tatsächlich tat.
„Damals... hast du mich überrascht. Das einzige mal das ich jemals überrascht wurde und dann hast du uns in einen Magiewirbel gezogen. Du dumme Gans weißt ja noch nicht einmal was du damals instinktiv getan hast. Und als mich dann auch noch dein dummer Köter, kurz nachdem wir die Zeitreise begonnen hatten hinaus gezogen hat, bin ich tagelang im Meer geschwommen und wusste nicht wie, oder wann ich wieder auf festen Boden kommen würde. Dann... Jahrhunderte musste ich mich durch so viele sinnlose Kriege kämpfen und habe mehr gelernt, als das es gesund ist für einen Menschen. Und jetzt, wo ich seit einigen Jahren endlich normal vor mich hin lebe und extra weit weg vom Atlantik bin, bist du wieder da. Seit ich dich getroffen habe verfolgst du mich ständig. Ich habe Albträume, noch heute von dieser Verfluchten Zeitreise. Und jetzt sind wir alle drei gestrandet und dazu verdammt so lange zu leben, bis wir wieder in die Vergangenheit zurückgehen. Ein Mensch kann in einem kurzem Leben ja zu vielen Dummheiten verleitet werden, doch was du gemeistert hast, ist glatt ein Pokal wert!“
Er sprach von Zeitreisen und das ihr Wolf noch lebte. Meinte er etwa Northan? Ihr Northan sollte noch leben? Und wie hatte sie es überhaupt geschafft so eine Zeitreise zu... „Lüg mich nicht an. Ich weiß das Zeitreisen nicht möglich sind. Das ist einfach lächerlich.“ Bis vor ein paar Stunden hatte sie zwar selbst noch so etwas vermutet, doch nun wo er es sagte, klang es in ihren Ohren so lächerlich, als könnten Menschen, ohne Hilfe über Berge fliegen.
„Lächerlich? Weißt du was lächerlich ist? Lächerlich...“
„...bist du!“ vollendete sie seinen Satz. „Du bist das lächerlichste was mir jemals unter gekommen ist. Du hast meine Eltern getötet, meinen Bruder geschändet und auf mein Volk gespuckt. Und jetzt beschwerst du dich, dass dein Leben schwer ist? Ich habe alles verloren das mir etwas bedeutet und du tust so als wäre das alles unwichtig.“ Sie konnte einfach nicht anders, als mit den Händen auf ihn ein zu schlagen. Tränen liefen ihr wie Wasserfälle die Wangen hinab und zum ersten mal seit Monaten wagte sie es endlich, ihre Gefühle zu zeigen. Jedoch war gerade er der Grund, wieso sie so am Boden war. Der Dorn in ihrem Fuß, der ihr das Leben schwer machte. „Ich hasse dich!“ Schrie sie ihn an, bevor er ihre Hände endlich unter Kontrolle brachte und sie zitternd in ihrem Sitz zusammen brach.
Wenn der Gurt nicht gewesen wäre, war sie sich sicher, dass sie sich am Boden des Autos zusammen gekauert hätte und darauf gewartet hätte in einem tiefen schwarzen Loch zu verschwinden. Ihr war bewusst, dass sie irgendwann zusammen brechen musste unter dem gewaltigen Druck, doch das es ausgerechnet jetzt passieren musste, war ihr fürchterlich peinlich und brachte sie nur noch mehr zum Weinen. Sie hörte wie er ausstieg, doch sehen konnte sie nichts. Ihre Augen waren voller Tränen, die nicht mehr enden wollten.
Als ihre Türe ebenfalls geöffnet wurde, blickte sie auf und erschrak, als er sich durch die geöffnete Autotüre hinein lehnte und über sie hinüber langte. Ein Klick ertönte und der Gurt wich von ihrem Brustkorb, der drohte in hundert Einzelteile zu zerspringen. „Komm, mit. Ich zeige dir wo du erwacht bist.“ Er hielt ihr die Hand hin, um ihr beim Aussteigen zu helfen, doch sie schlug sie angewidert beiseite. Kopfschüttelnd wartete er darauf, dass sie ausstieg und schloss hinter ihr die Türen ab.
„Ich verspreche, dass ich nichts tun werde, okay?“ Die Prinzessin zuckte abweisend mit den Schultern und wartete darauf, dass er weiter ging. Er führte sie über einen Feldweg durch den Wald, bis sie vor einem riesigen Gebäude aus dem Dickicht traten.
„Das war ein Wanderweg, über den viele Naturfreunde ihren Weg zum Geschichtsmuseum finden. Ich selbst gehe ihn seit ich in Moskau lebe einmal die Woche um in die Natur zu kommen. Hier!“ Er deutete auf einen riesigen Platz, der von Autos nur so wimmelte. Lautes Gelächter kam aus dem großen aus Stein gehauenen Gebäude und Kinder liefen zwischen den Autos hin und her. „Das sind Oldtimer. Jeder hat seine eigene Geschichte und irgendeine Besonderheit.“ Alle Autos waren von einem Zaun umgeben und Lilith fragte sich, wie man diese benutzen sollte, wenn sie alle nur dort eingesperrt herum standen.
„Hier, das ist der so genannte >Garten Eden<. Hier werden Statuen in einem großen Glashaus mit einigen Springbrunnen vor der Witterung beschützt. Dort stehen die besten und kreativsten Sachen, die du dir nur vorstellen kannst. Im Gebäude gibt es sogar Gemälde und eine uralte Bibliothek, die bis in die Fotografien reichen, die man von der Höhlenmalerei gemacht hat. Und dort hinten...“Er führte sie einmal um das riesige mehrstöckige Museum herum. Sie erkannte die Hecke sofort wieder, durch die sie sich mehrere Schnitte zugefügt hatte. Nun war das ganze Gebiet von einem gelben Band abgeriegelt. „...hier bist du erwacht. Du bist zu einer Statue geworden, als du durch die Zeit gereist bist. Du musst wissen, dass man normalerweise ein Loch in der Zeit erschafft, durch dieses man geht, doch du hast es irgendwie anders bewerkstelligt. Du hast dich mit Steinen in so eine Art Kokon gehüllt und mich beinahe auch. Mir tut mein Kopf heute noch weh, als die ganzen Steine gegen uns geprallt sind.“
„Die Steine? Du hast sie auch gespürt?“
„Ja, einige. Ich bin bewusstlos geworden und kurz darauf haben sich Zähen in meinen Arm gegraben und ich landete mitten im Meer.“
„Northan! Wo ist er?“
„Mach dir um deinen Schoßhund keine Sorgen. Dem geht es besser, als er verdient. Jetzt bleiben wir noch kurz bei unserem kleinen Ausflug und danach kannst du alles über den Welpen fragen was du möchtest.“ Sie nickte, auch wenn es sie wahnsinnig machte, nichts über Northans zustand zu wissen. Auf alle Fälle lebte er und das war für sie die Hauptsache. Alles andere würde sich später noch genauso gut klären lassen.
„Gut, ich bin im Meer erwacht und so weiter. Auf alle Fälle war es Jahrelang still um unser Land. Ich wusste nicht wo ich war und wie ich wieder zurückkam. Andererseits wusste ich mit Sicherheit, dass du uns in die Zukunft befördert hast.Northan hat sich schon in den ersten Monaten von mir abgewandt und ist auf eigene Faust los. Da wir beide keine Magie wirken konnten, waren wir gleich stark. Ich blieb in der Nähe des Wassers, da ich mich dort viel sicherer fühlte, doch Northan wollte lieber das neue Land erkunden. Daraufhin verloren wir uns für Jahre aus den Augen. Jedoch etwas was mir Jahrhunderte zu schaffen machte, war... unser Land... es war ein eigener Kontinent. Im Gegensatz zu den anderen Kontinenten war es das Utopia der Natur persönlich. Es herrschte Jahrelang Frieden, keiner war Arm an Nahrung und Arbeit, doch durch den Magieverlust, den wir hervor gebracht haben, ist sie versunken. Ich weiß nicht wie weit du uns in die Zukunft mit genommen hast, doch das Land war bereits im Meer versunken. Was ich so aus der Ferne gesehen habe, gab es unglaubliche Stürme am Meer. Irgendwann, begann dann die Seefahrt und ich konnte von dem Land, das ich damals mehrmals auf und ab gegangen bin endlich auf die heutige Europäischen Inseln hinüber. Ich arbeitete mich über alle Kontinente um einen Anhaltspunkt zu finden, wo unser Land sein könnte. Oder wie wir wieder zurück kommen könnten. Ich hörte Gespräche mit an, bezahlte Leute und später beobachtete ich sogar über den Fernseher dauerhaft die Nachrichten. Vor ein paar Jahren, ging die Eilmeldung hindurch, die mich stutzig machte. Es wurde auf einer Insel, die man heutzutage Irland nennt, eine Statue gefunden. Die Archäologen gaben ihr die Namen >die schreiende Schönheit< Niemand wusste warum jemand so etwas machen sollte. Nicht einmal Künstler wagten sich dafür zu melden. Irgendwann fandest du schlussendlich deinen Weg nach Russland in das Museum und ich habe dich die ganze Zeit verflucht. Überall hättest du hin verschifft werden können. Überall! Aber nein ausgerechnet in Moskau bist du hinaus gekommen und nun bin ich dich auch noch angefahren!“
Seine Stimme hatte sich bei den letzten Worten immer mehr erhoben. So wie er das alles erzählte, fühlte sie etwas Schuld in sich aufkommen, doch andererseits hatte er doch mit dem allen begonnen. „Selbst schuld! Du hast auch tausende von Menschen abgeschlachtet. Da geschieht es dir auch nur recht das du tausende von Leben leiden musst!“
„Ich angefangen? Ich hätte tausend bessere Sachen mit meinem Alltag anfangen können! Aber nein, es musste ja ausgerechnet ich davon betroffen sein, wer denn sonst?“ Raiven, oder Jonas oder wie auch immer er sich nun nannte, warf die Hände frustriert in die Luft, als würde sie dadurch verstehen, was er sagte.
Als er Lilithd verwirrten Blick bemerkte, winkte er ab, als wäre es plötzlich unwichtig geworden. „Vergiss es. Ich hatte meine Gründe wütend zu sein. Einigen wir uns einfach darauf, das wir alle beide zurück wollen.“
„Nein! Ich will sofort wissen wieso du mein Volk so sehr... bedrängt und bedroht hast.“ Sie zog ihm am Arm zurück, als er fortgehen wollte und er seufzte schwer.
„Nimm es einfach hin, das einer der Könige etwas furchtbares getan hat und ich dadurch leiden musste. Ich habe mich revanchiert und nun stehen wir beide hier und wissen nicht was wir tun sollen.“
„Also ich weiß, dass ich dich töten sollte!“ Sagte sie bestimmt und meinte es genauso. „Tu dir keinen zwang an. In ein paar Jahren sehen wir uns wieder und dann töte ich dich.“
„Ach, so wie du mich die letzten beide male getötet hast!“ Sie spielte damit auf die Zeit vor ihrer Zeitreise und den Autounfall an.
„Ich hätte es bei beiden malen gekonnt, wenn ich nicht beim ersten mal überrascht gewesen wäre und beim zweiten mal zwei Zeugen dabei gehabt hätte!“
„So eigensinnig wie du bist, wieso hast du die beiden nicht auch gleich getötet und danach vielleicht auch noch die ganze Stadt übernommen?“ Zuerst stockte er für einen Moment, als er merkt,e dass er sich zu sehr in die Diskussion hinein steigerte, die ja doch zu nichts führte und griff instinktiv zu ihren Zöpfen um sie daran zu ziehen.
„Mein Angebot steht immer noch, kleine Göre! Ich bin mittlerweile tausende von Jahren alt und habe die meisten davon gelebt und geforscht, im Gegensatz zu dir. Du hast in deinem kleinen Kokon alles verschlafen und denkst, du könntest dich einfach hinstellen und mir Befehle erteilen? Vergiss es. Ich lasse mich weder von dir noch von sonst jemanden herum schubsen. Niemals mehr!“
Ihre Hand schnellte vor und sie drückte ihn auf einen Nerv in seiner Schulter, die seinen rechten Arm bewegungsunfähig machte. „Verdammt, was soll das?“
„Ich lasse mich von niemanden behandeln wie ein kleines Mädchen. Dafür habe ich ebenfalls schon genug durch gemacht!“
Raivis wollte die andere Hand nach ihrem bereits geröteten Hals ausstrecken, doch ließ ihn dann doch sinken. „Willst du jetzt ernsthaft mit mir streiten, wer mehr schuld auf seinen Schultern trägt? Oder wer von und mehr durch gemacht hat?“
Sie verschränkte abweisend die Arme vor dem Oberkörper. „Also schuld trägst du eindeutig mehr und ich habe wesentlich mehr als du durch gemacht.“
„Ach deswegen habe ich ständig das Bedürfnis jemanden zu töten, wenn ich deinen Namen höre. Ich glaube eine größere Göre als dich, habe ich noch nie getroffen und ich habe bereits viele Bekanntschaften gemacht in den Jahren.“
Ihr Herz fing zu schmerzen an. Er hatte in diesem Sinne ja recht, sie benahm sich wie ein kleines zickiges Kind. Aber er brachte sie so sehr auf, dass sie am liebsten alles um sich herum in Kleinholz verarbeiten möchte. „Dann geh doch zu deinen Bekanntschaften und lass mich in Ruhe. Ich will nur zurück zu meinen Ahnen, das ist alles.“
„Fahren wir zurück, Alexej sucht bereits nach dir.“ Er drehte sich um und hielt sich den Arm solange, bis er wieder ein Gefühl darin bekam.
Am Krankenhaus angekommen, blieben sie noch eine Minute schweigend, wie bereits die gesamte Fahrt, im Auto sitzen, bis Lilith doch ihrer Neugierde nachgab. „Was ist aus Northan geworden?“
„Er hat mich ein paar male getötet und als ich nie starb, hat er es aufgegeben.“
„Und die Magie? Wieso ist sie so wenig?“ Sein Blick wurde etwas sanfter und sie konnte so etwas wie Mitgefühl in seinen Augen erkennen. „Man gewöhnt sich daran.“
„Es ist meine Schuld.“ Hätte sie an diesem Tag nicht instinktiv die gesamte Magie zu den Göttern geschickt um den Magier machtlos zu machen, dann wäre sie nun überhaupt nicht in dieser Situation.
„Nicht gänzlich.“ Ohne dies weiter zu erläutern, stieg er aus und wartete, dass sie ihm folgte.
Hintereinander gingen sie dies mal die Stiegen hinauf und Lilith wurde dort stürmisch begrüßt. „Lilith! Du bist wieder da! Wo warst du denn? Ich... Wir haben uns so sorgen gemacht!“ Der große menschliche Wolf löste sich wieder von ihr und ging sofort einen Schritt zurück.
„Du musst Al verzeihen, er ist etwas anhänglich. Mehr ein Schmusehund.“ Backe zwinkerte ihr verschwörerisch zu und richtete seinen Blick dann auf Jonas, oder Raivis.
„Es tut mir leid, dass ich sie so einfach entführt habe, aber wir hatten noch einiges zu klären.“
„Jonas? Was ist passiert?“ Die Stimme gehörte zum Arzt, der Al und Backes Großvater war. „Nennt mich bitte Raivis. Ich hasse diese neumodernen Namen, sie sind so... einfallslos.“ Al knurrte bedrohlich und schob Lilith hinter sich um sie zu beschützen.
„Schon gut, Köter. Ich bin nicht an dir interessiert. Mich interessiert nur die kleine Prinzessin.“ Ihr Blick zuckte zu Raivis, der sie spöttisch betrachtete. Was er von ihr wollte, waren bestimmt ihre einzigartigen Kräfte. Aber sie würde ihn niemals mitnehmen, wenn sie es schaffen sollte einen Weg zurückzufinden.
„Und was genau willst du von ihr?“ Al, hatte bereits die Krallen ausgefahren und Lilith legte ihre Hand auf seine. Erschrocken blickte er auf ihre, im Gegensatz zu seinen riesigen Klauen, kleinen Fingern und er fühlte wie sich sein Herzschlag beschleunigte. Niemals würde er zulassen, dass ihr jemand etwas antat.
„Nicht das was du offensichtlich von ihr willst. Nein, ich bin eher dahinter her, dass ich wieder in mein Land zurück möchte und viel zu lange darauf warten musste.“
„Er ist der schwarze Magier.“ Bestätigte die Prinzessin auf die fragenden Blicke hin. „Er ist derjenige der Schuld an einem Massenmord von Unschuldigen ist.“
„Verdreh hier einmal nicht die gesamte Wahrheit, kleine Göre. Du weißt...“
Die Luft entwich seinen Lungen so schnell, wie Al sich vorwärts bewegte um Raivis den Ellenbogen in den Brustkorb zu rammen. Lilith wusste, wenn Raivis nicht einen schwachen Wall vor sich projiziert hätte, wäre es schlimmer für ihn aus gegangen. „Nenn sie niemals mehr eine Göre!“ Al zog sich hinter seinen Bruder zurück, um sich zu beruhigen.
Backe selbst hatte einfach nur tatenlos dabei zugesehen. „Wieso hast du ihn nicht abgehalten?“ Das war wieder die Stimme von Doktor Alexej.
„Es sind seine Gefühle, ich bin zwar ein zukünftiger Alpha aber nicht dazu berechtigt ihn zu sagen was er darf und was nicht. Ich gebe Befehle und versuche seine Gefühlslage unter Kontrolle zu behalten. Der Rest liegt an ihm.“
Sein Großvater legte den Kopf kurz schräg, doch schien sehr stolz auf seinen Enkel zu sein. „Sehr gut. Aber bei Alexej musst du etwas härter durchgreifen. Wir sind in der Öffentlichkeit. Los ins Zimmer.“ Alle drei Wölfe gingen der Rangordnung entsprechend in das Zimmer, das für Lilith reserviert war und Raivis folgte ihnen langsam.
„Ich glaube du benötigst bald ein neues Zimmer.“ Bemerkte Backe nebenbei und ließ sich auf dem Fensterbrett nieder.
„Also, was machen wir jetzt?“ Lilith senkte den Kopf und dachte darüber nach. Sie hatte keine Ahnung, wie sie das alles verdauen sollte. Ihre Gedanken schweiften wieder einmal zu Northan, dessen lässiges Lächeln sie immer glücklich machte. Plötzlich erinnerte sie sich an etwas. Etwas das sie gelernt hatte bei den Wölfen. „Backe, kannst du eine Botschaft übermitteln?“
„Ja, natürlich. An... besser gefragt, wie meinst du?“
„Wölfe kommunizieren durch Laute. Die Wölfe in meinem Land, konnten über ihr Jaulen Mitteilungen bis ans andere Ende des Landes tragen.“
Backe legte den Kopf schräg. Eine Angewohnheit, die er wohl von seinem Großvater hatte und lauschte Liliths kurzer Anweisung, dass sie eine Mitteilung an Northan schicken wollte. „Und warum denkst du, sollten es die anderen Wölfe weiter tragen? Und was sagt dir das er auf diesen Kontinent ist?“
Nichts, das war ja das Problem, doch sie wollte sich nicht unterkriegen lassen. „Wenn er nicht auf diesem Kontinent ist, dann habe ich es zumindest versucht und was das andere angeht, das ist ein Instinkt. Botschaften durch Kot oder durch Laute weiter leiten. Sie werden überhaupt nicht anders können, als ihm zu folgen. Du musst lediglich als Alpha einen Befehl weiter leiten. Ich weiß das Northan kein Alpha ist und ich weiß dass er auch niemals einer wird. Du brauchst lediglich seinen Namen weiter leiten und den Befehl das er zu dir kommen soll. Wenn er auf diesem Land ist, dann wird er kommen.“ Sie war sich plötzlich ihrer so sicher wie niemals zuvor. Northans Vater war ein Alpha gewesen, doch Northan selbst niemals. Die Wolfwächter waren sich niemals sicher gewesen, was diesen Instinkt auslöst, doch Alpha waren die Stärksten ihrer Gruppe und sie hatten die Kontrolle über alle anderen.
Backe nickte. „Gut heute Abend auf unserem Grund.“
„Gut, dann müssen wir wohl nur mehr besprechen, wie wir der alten Wölfin erklären, wieso wir nicht gekommen sind. Niemand kommt unbeschadet von ihr weg.“ Fedor der nun mitten im Zimmer stand hatte eine drohende Ausstrahlung an genommen. Etwas schien ihm ernsthaft Angst ein zu jagen.
„Moment, sagtest du dass es eine Frau ist?“ Den beiden anderen Wölfen schien es auch gerade eben erst auf zu fallen.
Interessiert blickten sie ihren Großvater an. Dieser schien noch Beunruhigter als zuvor zu werden. „Ja... Also, sie ist nicht gerade einfach. Sie ist …. kein richtiger Mensch. Sie wurde als Wolf geboren und kann sich im Gegensatz zu uns lediglich verwandeln, wenn der Mond am vollsten ist. Sie ist als Frau sehr an den Mondzyklus gebunden und sie ist auch... sehr... mürrisch.“ Es schien, als würde er damit ringen die Worte richtig zu formulieren und Lilith musste lächeln.
„Ich verstehe. Ich werde ebenfalls als Wolf zu ihr gehen. Backe du hast heute Nacht eine Verabredung mit dem Mond, wenn er voll zu sehen ist und der Wolf am stärksten wird. Fedor, du bringst mich zu dieser Wölfin und Al... Du kannst eigentlich machen was du möchtest.“
„Ich komme natürlich mit dir, das steht außer Frage.“
„Und ich ebenfalls. Ich kann nicht riskieren, dass dich eine verrückte auffrisst, oder ein Wolf dich in seiner Geilheit anspringt.“ Raivis Blick glitt zu Al, der ihn seinerseits wütend anblickte.
„Ich wusste ja schon immer das du ein Arsch bist und habe nie verstanden wieso Backe mit dir herumhängt, aber jetzt habe ich wenigstens eine Erlaubnis dich auf zu fressen, wenn du mir auf die pelle rückst.“
„Na wenn du meinst. Ich wollte schon immer einen Wolfsteppich in meinem Zimmer haben.“ Die beiden schienen sich beinahe mit den Blicken zu töten, als sich der Großvater wieder einmischte.
„Lasst das jetzt. Lasst uns zumindest bis die Sonne unter geht darüber sprechen, was genau wir mit Lilith derweilen machen. Die nächsten Stunden verflogen beinahe überhaupt nicht. Al, der ständig nach ihrem Zustand fragte, tänzelte wie ein Diener um sie herum, doch Lilith musste sich als Prinzessin eingestehen, dass sie es genoss. Die letzten Monate waren hart gewesen, doch nun schien beinahe so etwas wie ein Lichtblick durch die dunklen Wolken zu stechen. Je mehr Zeit sie mit diesen Wölfen verbrachte, umso angenehmer empfand sie diese. Sie waren in der Tat völlig anders als die Wolfwächter, mit denen sie aufgewachsen ist.
Raivis war derweilen vollkommen von der Oberfläche verschwunden. Er hatte lediglich gemeint, dass er noch Sachen zu erledigen, hatte und war dann einfach aus der Türe hinaus. Ihr ganzer Körper war seitdem viel entspannter. Sie hasste seinen Anblick. Ständig tauchten Bilder von Toten vor ihren Augen auf und sie wollte am liebsten nichts anderes als weg von ihm. Jetzt wo er jedoch endlich fort war, schien sich ihr Kopf langsam wieder zu beruhigen. Sie hätte sich nicht gedacht, dass sie sich einmal so wohl fühlen würde. Und das in der reinen Umgebung von Wölfen.
Als Al sie plötzlich aus den Schlaf riss, musste sie verdutzt lächeln. Sie hatte es tatsächlich geschafft, die Augen zu schließen und zu schlafen. Das wunderte sie etwas. Jedoch als zwei stechende schwarze Augen, ihren Blick auffingen, setzte für einen Moment ihr Herz aus. Purer Hass legte sich wie eine schleimig ätzende Substanz um ihre Lungen und erschwerten ihr das Atmen. Er erwiderte ihren Blick genauso hasserfüllt, was es ihr etwas erleichterte, ihren Blick auf etwas angenehmeres zu lenken. „Al? Können wir endlich los?“
„Ja, komm.“ Auf der Autofahrt, die bis weit nach Mitternacht dauerte und sie dabei die beeindruckende Stadt Moskau weit hinter sich ließen, sprach niemand ein Wort. Nur Doktor Alexej gab hin und wieder Anweisungen in welche Richtung Raivis fahren solle.
Als sie vor einer kleinen Hütte am Rande eines kleinen Dorfes hielten, wehte ihnen der Geruch von warmen Essen direkt in die Nase. „Hier wohnt sie?“
Fragte Raivis und war mindestens genauso erstaunt wie sie selbst.
„Ja, sie genießt die Anwesenheit von anderen Menschen, da sie diese mag. Gegen Wandler wie uns... ist sie nicht sonderlich aufgeschlossen.“
Al schüttelte den Kopf und lächelte dabei. „Sie klingt ja richtig freundlich.“
„Das will ich einmal überhört haben, da du dich zum ersten Mal auf meinem Grund befindest, kleiner Welpe!“ Überrascht, sogen Al und sein Großvater die Luft ein. Raivis undLilith jedoch wandten sich beinahe synchron in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Ihre Magie war beinahe greifbar. Es war als würde sie selbst aus Magie bestehen. Am liebsten wollte Lilith die kurzhaarige Frau anfassen, nur um zu wissen, wie sich Magie anfühlen würde, wenn sie einen Körper besitzen würde.
Sie fühlte eine Hand an ihrer Schulter und blickte erschrocken in die schwarzen Augen, die ihr so fürchterliche Schmerzen zugefügt hatten. Langsam schüttelte er den Kopf und sie merkte, dass es ihm genauso schwerfiel wie ihr selbst, nicht zu der Wölfin zu gehen.
„Zwei Wölfe und zwei Magiebenutzer. Was verschafft mir diese morgendliche Freude?“
Die Augen der Frau die die gesamte Zeit gelb leuchteten wie bei einem Wolf, der kurz davor war sich zu verwandeln, fixierten sie und Raivis sehr interessiert. Was die Wölfin wohl über sie dachte?
„Es tut mir Leid, dass wir dich stören, doch wir haben so etwas wie einen kleine... Zeitverschiebungsnotfall.“
„Zeitverschiebung?“ Ihr Kopf zuckte so schnell, dass sie dachte, er würde ihr jeden Moment vom Hals brechen und die junge Prinzessin ging einen Schritt zurück, der sie direkt gegen Raivis laufen ließ. Ein spöttisches Lächeln legte sich auf seine Lippen und sie verspürte große Lust ihm dieses Grinsen aus dem Gesicht zu wischen.
„Also gibt es doch noch andere Leute die dir mehr Angst machen als ich?“ Er flüsterte es leise, während Als Großvater mit der Wölfin sprach.
„Wer sagt das ich Angst vor dir habe? Ich empfinde lediglich abgrundtiefen Hass und gesunde Abneigung dir gegenüber.“ Zischte sie ihm zu und entfernte sich dabei noch demonstrativ einen Schritt von ihm.
„Abneigung kann gesund sein?“
„Nun, ja. Meine ganze Familie ist dank dir verstorben. Also kann es nur gesund sein, wenn ich mich von dir fern halte. Immerhin habe ich bisher überlebt.“ Lilith, ganz die Prinzessin, die sie war, hob sie störrisch den Kopf in die Höhe und rümpfte übertrieben die Nase.
„Kommt bitte hinein. Drinnen redet es sich angenehmer.“ Im Haus selbst, war es angenehm warm und das Frösteln wich von Liliths Schultern. Sie fühlte sich zwar noch lange nicht entspannt, doch die angenehme Atmosphäre und die hell gehaltenen Räume wirkten durchaus einladend. Damit hätte sie eigentlich überhaupt nicht gerechnet. Fedor und Al schienen ihrerseits etwas verwirrt zu sein. „Also, was führt einen alten Wolf und einen Welpen, ohne Alpha in mein Haus? Das die beiden Reisenden wünschen, wieder nach Hause zu kommen, das verstehe ich ja noch.“ Ihr gelber forschender Blick lag auf den beiden Wölfen, und schien sie beide beinahe in die Knie zwingen zu wollen.
„Wir sind, freunde von Prinzessin Lilith. Raivis hat sich unter falschem Namen und Vergangenheit mit meinem ältesten Neffen angefreundet. Zufällig sind sie alle drei über Prinzessin Lilith gestolpert, als sie in unserer Zukunft angekommen ist und haben sie zu mir gebracht. Sie hatten keine Ahnung wer sie war, genauso wenig wie ich. Das Raivis sie bereits davor kannte, haben wir selbst erst heute erfahren.“
„So wie ich das rieche, scheint sich eure Bekanntschaft nicht gerade unter einem grünen Zweig zu befinden?“ Die Stimme der Wölfin klang etwas knurrend und Al rückte ein Stück näher an Lilith, als wollte er sie vor ihr beschützen.
„Grüner Zweig? Wohl eher in den Tiefen des Ozeans wo auch meine Heimat liegt. Sobald wir wieder in unserer Heimat sind, werden wir uns weiter versuchen zu töten.“ Raivis Stimme klang seltsamerweise erheitert.
Lilith verstand nicht, was daran witzig sein sollte. „Hör auf dich über mich lustig zu machen. Dies ist eine ernste Angelegenheit. Ich bin nicht hier um irgendwelche Spielchen zu spielen, verstehst du das nicht? Du könntest mich von mir aus sofort hier auf der Stelle töten, nur glaube mir ich würde mich wehren und dich auf alle Fälle mitnehmen.“
„Danke, aber wenigstens in meinem kalten Grab möchte ich meinen Frieden von dir haben, kleine Göre.“ Lilith konnte die Blitze beinahe sehen, die sie sich gegenseitig aus purem Hass zu warfen. Die Wölfin jedoch stand so plötzlich vor ihr und schnupperte an ihrem Hals, dass für einen Moment ihr Herz aussetzte, bevor sie näher an Al heran rutschte, um der seltsamen Kreatur auszuweichen.
Als Nächstes ging sie zu Al und schnupperte ebenso an seinem Hals, während dieser bedrohlich knurrte. Danach ging sie zu Raivis, der sie lediglich abweisend musterte. Als Letztes ging sie zu dem ältesten der Gruppe und schnupperte nur kurz an dessen Hals, bevor sie kicherte. „Eure Schicksale sind tatsächlich sehr eng miteinander verschmolzen. Mädchen, du bist doch eine Prinzessin. Von wo wenn ich das fragen darf.“
„Meine Familie trägt den Namen Crestnik und steht unter der Flagge des goldenen Drachen, der unser Gott und Schutzheiliger ist. Er ist auch der Beschützer meiner Seele und für meine wunderbare Gabe verantwortlich. Ich bin außerdem die letzte Verbliebene...“ Ihr Blick zuckte für einen Moment warnend zu Raivis, der beschwichtigend die Arme hob. „...meines Erbes und unser Grund liegt auf der ewig währenden Erde des Landes Atlactia. Diese Erde wurde in sechs Reiche aufgeteilt und um unser Land liegen noch eine große Ansammlung von kleineren Inseln, die von unseren Fischerfamilien bewohnt werden.“
Während sie die Worte sprach, war ihr Herz immer schwerer geworden, so sehr vermisste sie die alte Pracht ihrer Heimat. „Und du, Junge? Wie lautet dein Name?“
„Mein Name lautet kurz und Knapp Raivis. Unter den Leuten in unserer Heimat, bin ich wohl eher unter dem Namen >Schwarzer Magier< bekannt.“
„Ich kann fühlen dass du sehr viel mehr verschweigst. Etwas das vermutlich wichtig für mich wäre.“
Kopfschüttelnd zuckte der Kopf der Wölfin abermals zu ihr. „Du. Mädchen, du scheinst keine Angst vor Wölfen zu haben und ich muss ehrlich gestehen, dass man sich als Wolf sehr zu dir hin gezogen fühlt. Wieso ist das so?“
Zu ihr hin gezogen? So hatte Lilith dies noch niemals gehört. „Ich... In meinem Reich ist es üblich, das jede Prinzessin einen Wolf als Leibwächter bekommt. Egal welchem Königshaus man angehört. Unsere Familien sind sehr auf das Wohlergehen meiner Schwestern, Mütter und Cousinen bedacht. Wir binden uns bereits in frühen Jahren an einen jungen Wolf und wachsen mit ihm an unserer Seite auf. Wir werden das gelehrt, was wir über Wölfe wissen müssen, doch dürfen es niemals an außenstehende weitergeben. Außerdem heben sich die... Gegensätze wischen uns somit auf. Wir Prinzessinnen, entziehen unseren Wölfen ständig eine kleine Menge an Magie, die sich in ihren Körpern befindet und ihnen somit die Macht gibt, sich zu verwandeln. Sie werden dadurch ruhiger und disziplinierter. Wir wiederum werden dafür fruchtbarer und uns ist ein noch längeres Leben beschert als unseren männlichen Familienmitgliedern.“
Die Wölfin grunzte belustigt. „Jedoch wüsste ich nicht, wie uns all das weiter helfen sollte. Ich hatte eigentlich die Hoffnung, das Ihr uns sagen könntet, wie wir die beiden wieder nach Hause bekommen. Sie gehören in ihre...“
„Nicht so voreilig. Natürlich weiß ich dass nur sie alleine...“ Ihr langer Finger deutete auf Lilith „... sie wieder zurück bringen kann. Jedoch nur unter der Bedingung, dass genauso viele die das Tor beim ersten mal durchquert haben auch wieder verlassen. Und zum zweiten dass ihr wesentlich mehr Magie dafür brauchen werdet, als das euch zur Verfügung steht.“
Verzweifelt ließ Lilith ihren Kopf sinken. Das konnte doch beim besten Willen nun nicht wahr sein, oder? Die erste Hürde war nun einfach zu bewältigen, doch wie sollten sie Magie benutzen, die nicht hier ist? „Keine Sorge, wir finden einen Weg, egal was geschieht, ich bleibe bis zum Schluss an deiner Seite.“
Als ermutigende Stimme erklang an ihrem Ohr. Seufzend nickte sie. „Gut, dann sollten wir zuerst Northan finden. Den Rest... um den machen wir uns danach Sorgen.“ Seine hellblauen Augen ruhten aufmunternd auf ihr.
„Meinen Sie, etwa, dass wenn man nicht genug Magie zur Verfügung hat, man nicht durch die Zeit wandern kann?“
Die Wölfin legte den Kopf abermals schräg. „Nicht unbedingt. Es kommt darauf an, in welche Zeit man reist, natürlich. Je weiter der Sprung umso höher der Aufwand.“
„Und wenn man, sagen wir, man schafft es in die Zukunft und man trifft wie hier auf viel zu wenig Magie um wieder zurück zu kommen...“
„Dann strandet man. Ja. Auf was möchtest du hinaus?“ Raivis schien bereits in seinen eigenen Gedanken versunken zu sein und ignorierte die Wölfin vollkommen. Lilith erinnerte sich plötzlich an das, was Raivis einfach so beiläufig im Zorn gesagt hatte. Er hatte erwähnt, dass seine Mutter ebenfalls durch die Zeit gesprungen ist. Genauso wie Lilith selbst.
Und... „Moment, was hattest du heute beim Museum gesagt wegen deiner Mutter?“
Seine Augen verdunkelten sich plötzlich in ein so tiefes schwarz, dass ihr für einen Moment ein Kloß im Hals saß. „Nichts das dich etwas an ginge.“
„Du sagtest sie sei eine Zeitreisende gewesen, wie ich. Sag mir sofort was du weißt.“
„Ich bin zur Hölle noch einmal nicht dein Gott verdammter Diener, geschweige denn einer dieser Tölen die an dich gebunden sind. Ich lasse mich von niemanden herumkommandieren und schon überhaupt nicht von dir, Göre!“
Lilith sprang überrascht auf und Raivis tat es ihr nach. Für mehrere Sekunden bündelten sie ihrerseits Magie. Lilith wusste, dass sie nicht auf die Energie auf ihrer Umgebung zugreifen konnte, ohne sie zu beschädigen, also blieb ihr nur ihre eigene. Ein kalter Schauer glitt über ihren Rücken, als seine Magie tastend auf ihre traf. Nun wusste sie es sicher. Sie waren gleichermaßen an Magie gesegnet.
„Und ich lasse mich nicht von mordenden arroganten Besserwisser anschreien. Eigentlich sollte ich diejenige sein, die ein Messer in deinen Rücken rammt, während du dich von mir abwendest. Aber ich will zurück und daher rate ich dir...“
„Du mir raten? Wenn du nicht der Grund wärst das ich hier bin und das schon seit Jahrtausenden dann...“ Sein Blick wurde von einem Moment auf den anderen nachdenklich.
Es schien, als hätte er gerade etwas gesagt das ihm einen Geistesblitz beschert hatte. Da er dabei seine Magie zurückzog, zog sie auch die ihre zurück und musterte ihn nur still. „Wenn man sagen wir, durch die Zeit reist und das zum Beispiel alleine und gestrandet ist, wie lange kann man leben?“ Die Wölfin zuckte gelangweilt mit den Schultern. „Sehe ich etwa aus wie eine wandelnde Zeitreiseanleitung? Akzeptiert, dass es nicht auf alle Fragen Antworten gibt. Oder zumindest keine, die man gerne hören möchte. Du bist immerhin der lebende Beweis hier, oder etwa nicht.“
Im Blick der Wölfin lag so viel Wissen, dass man sich jeder seinerseits fragte, was die die Wölfin eigentlich alles wusste. In einem Moment erschien sie einem so wild und unbändig nur um im nächsten kluge und bewusste Ratschläge zu geben. Lilith, die noch immer nichts von Raivis Gedankengänge verstand, ging zum Fenster und beobachtete den Sonnenaufgang. Bald würde die Wölfin wieder das sein, was sie eigentlich schon immer gewesen war. Eine stillschweigende intelligente Jägerin im grauen Pelz.
Viele Fragen donnerten durch Liliths Kopf, als sie sich die Kleider in ihrem neuen Zimmer ansah. Nichts das davon im Kasten hing, war etwas, dass ihrem Kleidungsstil auch nur nahe kam. Keine traditionelle Farbe erfreute ihre Augen und kein gewohnter Stoff glitt durch ihre Finger. Alles war entweder rau oder dick an zu fassen.
Mit einem dünnen Seidenschal band sie ihre mittlerweile zotteligen Zöpfe hoch und seufzte schwer. Wie sehr wünschte sie sich den Reichtum und die Vielfalt ihres Reiches zurück. Die geschickten Diener, die talentierten Arbeiter und die unzähligen Möglichkeiten, die sich ihr dort boten. Alles war verloren. Sie war nun bereits zwei Wochen hier und noch immer, hatte sie nichts von Northan gehört. Konnte es denn sein, dass er bereits gestorben ist? Kopfschüttelnd wandte sie sich von ihrem mageren Spiegelbild ein und lief direkt gegen Raivis.
„Was machst du hier?“
„Ich wohne hier. Außerdem wollte ich nach dir sehen. Wie fühlst du dich?“ Blinzelnd blickte sie in die plötzlich wieder blitzblauen Augen und dessen mitfühlenden Lächeln. Ihr Herzschlag beruhigte sich und sie schob diese Erinnerung aus ihrem Kopf. Solange sie sich auf diesem Grundstück befand, musste sie sich keine Sorgen um ungebetene Gäste machen. Raivis war es verboten, auch nur einen Fuß auf das Grundstück zu setzen, solange er weder eingeladen war, noch wenn sie hier war. Trotzdem spukte das unheimliche Bild seines Gesichtes in ihrem Kopf herum.
Es gab so viele Menschen in ihrem Land und doch musste sie ausgerechnet zufällig mit ihm eine Zeitreise antreten. Deprimiert darüber, dass sie sich immer in solche Schwierigkeiten brachte, legte sie ihre Stirn gegen das Brustbein von Al und beruhigte sich durch seinen starken ruhigen Herzschlag. Wolfwächter hatten schon immer eine unglaubliche beruhigende Aura auf sie ausgeübt. In deren Nähe schaffte sie es mehr einen kühlen Kopf zu behalten, als wenn sie ein warmes Bad nahm. Sie fühlte, wie sich Als Arme zögerlich auf ihren Rücken legten und sie beruhigend streichelten. Erst als sie den Kopf hob und dankend zu ihm hoch lächelte, bemerkte sie, dass seine Augen gelb geworden waren und sein Wolf direkt unter seiner Haut lag.
„Geht ihr wieder laufen?“ Al und sein älterer Bruder Backe, gingen mittlerweile jeden Abend auf dem Grundstück laufen. Es brachte sie ihren Wölfen näher und sie selbst lief ihrerseits auch sehr gerne mit. Es lenkte ihre Aufmerksamkeit zurück zur Natur und beruhigte ihren Geist. Hin und wieder fragte sie sich ob sie wohl, wenn sie ein Junge geworden wäre, ebenfalls ein Wolfwächter hätte sein können. Vielleicht in einem anderen Leben. Einem schönerem. Lebenswerteren.
„Ja. Wir gehen sofort los. Backe wird auch noch einmal versuchen Northan zu erreichen. Vielleicht kommt er ja bald.“
So sehr Al auch daran glaubte, oder zumindest so tat um ihr zu imponieren, genauso glaubte sie nicht daran, dass er hier war. Alle drei Tage probierte es Backe noch einmal und niemals kam eine Antwort. Entweder war Northan nicht auf diesem Kontinent, zu abgelegen, um ihn zu erreichen, oder Tot.
Jedoch hatte sie so viel Angst vor der Antwort, sodass sie nicht wagte nähere Fragen zu stellen. „Ja... vielleicht...“
Als Gesichtsausdruck wurde Sorgenvoller. „He, fang ja nicht an zu zweifeln. Wir finden ihn bestimmt.“
Bestimmt? Unter allen Umständen? Sicher wie die Nadel im Heuhaufen? Nichts von allem traf auf ihre Gefühle zu. Was sollte sie denn ohne ihn machen? Northan war immer, wirklich immer an ihrer Seite gewesen. Es gab bisher keinen Moment, den sie nicht ohne ihn erlebt hatte. Nun ja... beinahe jedes Ereignis... Lilith wandte sich ab, um unauffällig eine Träne wegzuwischen. Sie konnte jetzt nicht weinen. Dafür war nicht der rechte Zeitpunkt.
„Ja, bestimmt.“ Murmelte sie und ließ ihren Blick aus dem Fenster schweifen. Langsam ließ sie ihre erhitzte Stirn gegen die Glasscheibe sinken. In den letzten Tagen hatten die Wölfe ihr vieles beigebracht. Wörter, die sie nicht kannte, Redewendungen die völlig absurd klangen und vieles aus der Geschichte Russlands. Aber nicht nur Russland, auch viele andere Städte und Länder hatten ihre Neugierde geweckt und sie ertappte sich selbst oft dabei, sich Zeit zu lassen und sich die Welt anzusehen.
Northan und Raivis hatten tausende von Jahre Zeit um unendlich viele Erfahrungen zu machen, Menschen kennenzulernen, Kulturen zu studieren, die Welt zu sehen. Und was hatte sie getan? Sie war als Steinklotz in der Welt herum geschickt worden und war im Meer herum gespült worden und für was? Um für sich selbst und andere einen Weg heimzufinden.
Sich selbst mahnend, dass sie nicht so denken sollte, sondern Verpflichtungen hatte, ging sie zum Wandschrank und zog eine dicke Jacke heraus. „Wo willst du hin?“
„Ich möchte einen kleinen Spaziergang zu dem See machen, der nördlich von hier liegt. Ich muss etwas meine Körper abkühlen.“
„Bist du wahnsinnig? Es hat höchstens zehn Grad draußen. Du wirst dir eine Lungenentzündung holen!“
Kichernd schlüpfte sie in ihre dicken Stiefel, die wie sie zugeben musste, wesentlich bequemer waren, als die Fellstiefeln, die sie normalerweise trug. „Mach dir darüber keine Gedanken. Deswegen habe ich doch eure Tierbücher studiert. Ich bin immer bereit neue Gestalten auszuprobieren.“
Al versuchte sie noch, umzustimmen, bestimmt da er wollte, dass sie nicht alleine herumlief, doch er wusste genauso gut wie sie selbst, dass sie niemanden brauchte, der sie in dieser Welt beschützte.
Eine kalte Windböe schlug ihr direkt ins Gesicht, als sie aus der Haustüre trat. Es hatte zwar noch keine Minusgrade, doch Backe behauptete, dass es bald Schnee geben würde. Als Prinzessin war es ihr niemals erlaubt gewesen im Schnee herum zu spielen, doch wenn sie behauptete sie würde mit Northan lernen, dann hatten sie sich immer als Tiere hinaus geschlichen und die Schneeflocken gezählt. Zumindest so weit sie es geschafft hatten. Gedankenverloren schlenderte sie zum Teich, an dem sich viele Enten befanden und Leute tagsüber diese immer fütterten. In einem Strauch versteckte sie ihre Kleidung und verwandelte sich in eine Ente. Gemütlich watschelte sie zum Ufer und ließ sich langsam ins kalte Wasser gleiten. Auf der Wasseroberfläche ließ sie sich eine Weile treiben, bis ein aufgebrachtes Entenpaar sie wegscheuchte.
Innerlich kichernd tauchte sie in eine Ansammlung von Schilf um sich in dessen Schutz in einen Fisch zu verwandeln, der selbst eine Ente verschlingen konnte und tauchte gekonnt unter. Wasser war neben Fliegen ihr Element. Seltsamerweise fand sie es sogar etwas ironisch. In beiden Elementen konnte man sich frei bewegen und war auf nichts als sein eigenes Können angewiesen. Mit kräftigen Schwanzschlägen bahnte sie sich ihren Weg durch das Wasser und tauchte bis zur tiefsten Stelle des Sees.
Allmählich wurde ihre innere Stimme stumm. Die Stimme, die immer sagte, sie sollte mehr an sich selbst denken, doch wie könnte sie? Es war für sie, als würde sie eine Pause von all dem Unglück in ihrer Welt machen. Aber was würde geschehen, wenn sie wieder zurück war? Konnte sie denn so weiter machen wie bisher? Würden Northan und der schwarze Magier sich erinnern, was passiert war? Und wie würde sie auf den schwarzen Magier reagieren, wenn sie wieder vor ihm stünde?
In einem Duell waren sie gleich stark und lediglich auf ihren Verstand angewiesen. Sie beide hatten ihre Stärken und Schwächen. Kopfschüttelnd trieb sie wieder an die Wasseroberfläche und kam als Ente an die kalte Luft. Entschieden, lange genug herum gealbert zu haben, paddelte sie wieder an das schräge Ufer und watschelte, so schnell ihre kurzen Beine sie trugen, in das Gebüsch, wo ihre Kleidung gut versteckt... fort war... erschrocken sah sie sich um, doch konnte keine Menschenseele erblicken.
Im Schutz der Deckung nahm sie die Gestalt eines Wolfes an und schnupperte in der Luft. Knurrend zuckte ihr Blick zu einem Baum in der Nähe. Der Geruch, der ihr in die Nase stieg war vertraut, doch irgendwie anders.
Ihr Herzschlag beschleunigte sich als sie näher an den Baum heran trat und versuchte im Dickicht der Tanne etwas zu erkennen. „Schade, ich hätte dich so gerne endlich wieder nackt gesehen.“
Erschrocken fuhr die Prinzessin in ihrer Wolfsgestalt herum. Northan stand so plötzlich hinter ihr, dass sie ihn an knurrte. „Was denn? Verstehst du nach so langer Zeit meinen Humor nicht mehr?“
Niesend verwandelte sie sich in einen Menschen und fiel ihm um den Hals. „Du bist es wirklich! Ich habe dich so vermisst. Ich hatte Angst und habe dich so oft rufen lassen. Bist du in Ordnung? Lass dich ansehen!“ Sie schob ihn eine Armlänge von sich um zu sehen, ob er noch so war wie damals.
Nichts hatte sich verändert, außer seiner Ausstrahlung. Sie war zwar immer noch spöttisch und arrogant wie eh und jäh, doch es lag auch etwas Dunkles darin. Etwas das sich nur in tausenden von Jahren bildete. Erfahrungen. Negative Erfahrungen.
„Ist schon gut, zieh dich erst einmal an Prinzesschen.“ Empört schnaufend riss sie ihm die Kleidung aus der Hand und schlüpfte so schnell hinein, wie sie konnte ohne dabei umzufallen.
„Also... wie geht es dir?“ So schnell konnte sie nicht reagieren, wurde sie an ihn gezogen und seine Lippen lagen auf ihren. Erschrocken riss sie die Augen auf, als er sie hochhob und gegen einen Baum drückte. Was sollte das? Wieso küsste er sie so? Ein Kuss war in ihrem Land ein Zeichen der Zuneigung, doch so wie er sie gerade küsste, war es nicht die Art wie man ein Familienmitglied oder einen guten Freund küsste. Es war viel intensiver und ließ ihren Herzschlag schneller werden. Als er merkte, das Lilith erstarrt zwischen ihm und den Baum eingezwängt war, ließ er sie hinunter und blickte erschrocken über sich selbst auf den Boden.
„Es tut mir leid, ich weiß so etwas gehört sich nicht. Ich wollte dich nicht erschrecken. Ich habe nur.... Es... Es ist so lange her. Ich war so...“ Seine Stimme brach ständig, während er sprach.
Nun eher darüber schockiert wie aufgelöst er war, legte sie beide Arme um ihn und umarmte ihn herzlich. „Es ist alles meine Schuld. Ich habe uns alle in diese Situation gebracht und ich verspreche...“
Northan unterbrach ihre Entschuldigung, indem er sie noch einmal küsste, doch dieses mal lediglich, um sie zum Schweigen zu bringen. Die nächsten Stunden verbrachten sie damit plaudernd nebeneinander herzugehen, im Park. Eine Hand von ihm lag während der gesamten Zeit immer auf ihrem Rücken. Ihr kam es dabei so vor, als würde er sicher gehen wollen, dass sie nicht wieder aus seinem Leben verschwand. Einerseits freute sie das ehrlich, doch andererseits fragte sie sich, was hinter dem allem steckte.
Noch nie hatte er sich ihr gegenüber so verhalten. Immer hatte ein Diskretionsabstand zwischen ihnen existiert. Sie beide wussten, wo sie hingehörten. Sie hatten beide Verpflichtungen und Versprechungen, die sie gehorsam einhielten. Beziehungen zwischen Wolfwächter und Prinzessinnen waren undenkbar, so wie unpraktisch. Prinzessinnen und Wolfwächter hatten ihren eigenen Zweck in der Gesellschaft und vermischten sich daher niemals. Doch so wie Northan sich nun verhielt, erinnerte es sie an Al.
Al verhielt sich genauso wie ein verliebter Welpe, der er auch war. Es störte sie nicht, doch sie würde ihm, wenn er zu weit ging aufklären, dass solche Beziehungen nicht angebracht waren. Vielleicht würde er es nicht verstehen, doch er kam aus einer anderen Welt. Einer Welt mit anderen Ansichten. Anderen Gewohnheiten. Und sie? Sie gehörte an ihren rechtmäßigen Platz als Prinzessin. Sie musste ihr Familienerbe fortsetzen. Sie wollte es. Niemals hatte sie andere Möglichkeiten in Betracht gezogen. Das würde sie auch niemals. Dafür liebte sie ihre Ahnen zu sehr.
Kopfschüttelnd bemerkte sie, dass sie bereits vor dem Anwesen der Familie Alexej stand, und ihr Herz begann unregelmäßig zu schlagen. Panik legte sich um ihre Lunge und sie musste sich für einen Moment konzentrieren, um sich zu beruhigen.
Erst als Northan neben ihr zu knurren begann, sah sie ihn. Er stand im Schatten eines Autos und zog sich die Kapuze weiter ins Gesicht, während dicke schwere Rauchschwaden von seinem Gesicht aufstiegen. Als er näher kam, warf er etwas Glühendes in eine kleine Pfütze und es erlosch zischend. „Was machst du hier?“
Sie funkelte ihn wütend an. „Er hat mich geholt. Wir sind immer in Kontakt geblieben für den Fall dass du wieder auftauchst, damit wir uns gegenseitig erreichen können.“
Lilith blickte von Northan zu dem schwarzäugigen Magier, den sie mehr hasste, als das es vermutlich gesund war. Raivis lächelte spöttisch unter seine Kapuze hervor. „Und wieso konntest du das nicht schon früher sagen? Stattdessen lässt du uns Tagelang nach ihm rufen?“ Sie konnte sich einen angeekelten Laut nicht verwehren. Dieser Bastard dachte nur an sein eigenes Wohl. Immer.
„Man sollte doch meinen, das so in arroganter Mistkerl wie du in tausenden von Jahren dazu lernen sollte, aber du schaffst es doch immer wieder mich zu überraschen und mir zu zeigen das du noch tiefer sinken kannst.“
Kichernd kam er so nahe, dass sein stickiger Geruch einen Hustenreiz in ihren Lungen auslöste. „Göre, du musst dringend mehr Alkohol trinken. Du bist so übertrieben verklemmt.“
Sie funkelte wütend zu ihm auf und ignorierte das kratzende Gefühl in ihrem Hals das seine Nähe auslöste. „Besser verklemmt als ein mieser, stinkender Mammuthaufen so wie du.“
„>Mieser, stinkender Mammuthaufen<? Anscheinend wirst du doch endlich einsichtiger das du nur eine Prinzessin bist und keine hochgepriesene Königin.“
Ein Knurren erklang aus dem Wald aus Tannen, neben dem sie standen und die Prinzessin erkannte die Fellzeichnung von Backe. Natürlich verteidigte er das Revier seiner Familie.
Plötzlich davon überrascht das sie Raivis so nahe war, das sie bereits mit einem ihrer gepflegten Finger auf dessen Jacke tippte, sprang sie beinahe einen Schritt zurück. Er tat es ihr gleich und versteckte sein Gesicht wieder unter seiner Kapuze. „Wer ist das? Dein neuer Wolf?“
Nun warf sie auch noch Northan einen funkelnden Blick zu und erkannte erst da dessen Eifersucht in seinen Augen. Irgendetwas lief hier gewaltig schief. „Neuer Wolf? Als wäre das möglich. Bis zu deinem Ableben bist du mein einziger Wolf und danach genauso. Ich würde niemals einen anderen Wolf haben wollen. Außerdem würde ich niemals mehr jemanden wie dich finden. In keinen der tausend Leben die es hier gibt oder irgendwo anders.“
Northans Gesichtsausdruck wurde wieder weicher und er zog seine angebetete Prinzessin in eine Umarmung. Das war nun wieder der Wolfwächter, den sie kannte. „Meine teuerste! Wie ehrt es mich diese einfühlsamen Wörter aus Eurem entzückenden Mund zu entnehmen.“ Ja... da war er wieder.
Kichernd deutete sie auf Backe „Das ist Northan, mein Wolfwächter. Jetzt sind wir alle zusammen und können einen Weg nach Hause finden.“ Backe wackelte begeistert mit dem Schwanz und setzte ich freudig neben sie. Kurz darauf konnte sie auch noch Als Augen aufblitzen sehen in den dunklen Schatten der großen Bäume.
„Nein können wir nicht. Northan gib mir sofort die Schlüssel!“ Northan kramte in seiner Jackentasche herum und warf Raivis tatsächlich einen Schlüssel zu. Beinahe ungeduldig hielt er den Schlüssel in das Licht einer Straßenlaterne und schien sie zu überprüfen. „Gut, und die Adresse?“
„Der Anhänger. Er hat einen Mechanismus den man öffnen kann. Den Rest wirst du von selbst schaffen müssen.“ Raivis nickte und spielte an dem Schlüssel herum.
„Sieh mich nicht so an. Dich geht das nichts an. Er wird wieder da sein, wenn wir soweit sind.“
Lilith schüttelte den Kopf. „Falls wir das jemals sein werden. Wir können ihn doch nicht einfach so gehen. Lassen. Wenn er nicht mehr kommt, oder...“
„Prinzessin. Wirklich! Lass ihn jetzt das erledigen was er noch zu erledigen hat. Er wartet schon seit Jahren auf deine Rückkehr und das wir alle nach Hause können. Jetzt braucht er vielleicht eine Woche bis er wieder hier ist. Wir werden auch unsere Zeit brauchen bis wir endlich eine Möglichkeit...“
Die Prinzessin hörte schon überhaupt nicht mehr zu, so wie so oft, wenn ihr jemand etwas zu sagen versuchte, was sie nicht hören wollte. Sie fühlte, wie Raivis ein magisches Schild um sich herum schuf, das ihm erlaubte sich an jede Stelle der Welt zu Teleportieren, wo er schon einmal war. Das würde sie verhindern!
Lilith war so nahe daran, das sie wieder nach Hause konnte. Sie würde jetzt nicht schon wieder den Fehler begehen sich auf etwas zu verlassen das sie nicht kontrollieren konnte.
„Sucht einen Weg!“ Schrie sie und lief direkt in Raivis hinein. Im selben Moment wo er seine Magie aktivierte, um sich zu teleportieren, packte sie ihn an der Jacke und fühlte wie seine Magie automatisch auf sie über griff.
Einen Augenblick später schlug ihr eine Hitze entgegen, die ihr für einen Moment den Atem raubte. Als Nächstes erklang ein ohrenbetäubender Knall und Lilith fühlte, wie sie und Raivis übereinander gegen etwas hartes knallten. Hustend kam sie auf und blickte sich um. Sie lagen in irgendeiner Hintergasse. Die Abgase der Stadt lagen schwer auf ihren Lungen und die Geräusche hinter dem Eingang der Gasse war beinahe unerträglich. In welchem der Götter verlassenen Welt befanden sie sich bloß?
Raivis schob stöhnend einen Müllsack von sich und blickte unendlich wütend zu ihr auf. Sie konnte sich ungefähr vorstellen, was in seinem Kopf vor sich ging, denn egal was es war, es konnte nichts Gutes zu sein.
„Ich wünschte ich könnte aufstehen und dir jetzt auf der Stelle den Hals um drehen. Ich hoffe das weißt du auch!“ Seine Stimme war zwar leise gehalten, doch lag seine Stimmlage so tief, dass es beinahe wie das Knurren eines wilden Tieres klang. Sein Atem schlug ihr ins Gesicht. Es war wie eine Druckwelle voller Hass und Verachtung, die sie nur zu gut nachempfinden konnte.
„Warte ich gebe dir etwas Magie, damit du dich schneller erholst.“ Lilith legte eine Hand auf seine Schläfe, doch er packte sie und sie konnte das Zittern spüren.
Für ihn war schon alleine das Heben seiner Hand anstrengend. „Wage es am besten nicht. Ich verspüre den großen Wunsch dir den Hals umzudrehen.“
Sie drückte ihn wieder auf den Boden und schüttelte den Kopf, während sie ihm Magie gab. „Wir haben für diese Kindereien keine Zeit. Wir müssen zurück und du musst vorher etwas erledigen. Denkst du, dass ich noch extra Zeit verschwende indem ich warte bis sich deine Magie geladen hat?“ Als sie mit dem Sprechen endete, nahm sie ihre Hand von seiner Schläfe und wollte aufstehen.
Plötzlich wurde sie von ihm zurückgezogen und er presste ihr eine Hand auf den Mund,d amit sie nicht schreien konnte. „Scht!“ War das Einzige, das sie hörte, bevor sie sah, wie mehrere Männer lachend um die Ecke kamen. „Habt ihr die gesehen? Die scheiße Schlampe dachte doch tatsächlich, das ich ihr helfen würde.“
Lautes Gelächter wurde breit und Raivis zog sie noch tiefer in den Schatten. Plötzlich kam eine spärlich bekleidete Frau mit einem Messer in der Hand um die Ecke und brüllte die Männer lauthals an. Diese machten sich jedoch nur über sie lustig. Sie verspotteten sie und fingen sogar an ihr mit Stöcken eine über den Kopf zu schlagen. Lilith war drauf und dran auf zu springen, um der Frau zu helfen, doch Raivis hielt sie weiter fest und schüttelte den Kopf mahnend.
Ihr war es jedoch egal, was er sagte. Man ging so mit niemanden um. Sie riss sich los, doch er zog sie wieder zurück und nun war sie es, welche unter ihm lag. Durch seine Körpergröße brachte er mehr Gewicht zusammen und schaffte es, dass sie sich nicht mehr bewegen konnte. Ihr Blick zuckte wieder zu der hilflosen Frau, die bereits mit blauen Flecken am Boden lag.
Nein! Das konnte er doch nicht zulassen. Er musste doch etwas tun. Die arme Frau würde noch sterben! Mit etwas Magie verwandelte sie sich in einen Wolf, was Raivis dazu zwang sie aufstehen zu lassen, ansonsten würde er ihre Krallen und Zähne zu spüren bekommen.
Jedoch war der Nachteil, dass ihre Kleidung nun auch hinüber war. Schüttelnd befreite sie sich von den Kleidungsstücken und sprang knurrend über die Mülltonnen hinweg, die wie ein großer Haufen übereinander lag. Die Männer blickten für einen Moment überrascht auf, doch fingen nur einen Moment darauf an, spöttisch zu lachen. „Was für ein hübscher Köter. Der macht sich sicher gut an meiner Seite. Denkst du wir sollten ihn einfangen Boss?“
Ein Glatzköpfiger mit vielen Narben im Gesicht lachte laut auf. „Er könnte unser Maskottchen werden! Ich wüsste ein paar Säcke die er fressen könnte.“ Lachend ließen sie von der Frau ab, die sich zu ihrer Handtasche schleifte und zogen spitze Gegenstände aus ihren Hosentaschen und Gürteln. Auffordernd sie anzugreifen gab sie ein Jaulen von sich, das die Männer für einen Moment erstarren ließ, doch der erste nahm die Herausforderung sofort an. Sein Angriff war so taumelig und offen, dass Lilith ihn mit den Zähnen auffing und ihn gegen die Hausmauer schleuderte. Mit einem geübten prüfenden Blick zu dem Man, wusste sie dass er bewusstlos für die nächsten Stunden sein würde und wedelte aufgeregt mit dem Schwanz.
Der nächste der Angriff war vorsichtiger doch genauso unbeholfen. Wie es schien, hatten diese Menschen überhaupt keine Kampfausbildung. Weder deckten sie eine Seite ihres Körper ab, noch schienen sie zu wissen, was sie da taten. Muskulös waren sie zwar, doch das war auch schon alles. Kraft war in einem Kampf förderlich, doch behinderte einem genauso wenn man nicht wusste wie man diese Kraft einsetzte.
Als nur mehr einer stand ging die Wölfin langsam auf in zu. Stotternd lief dieser Weg und sie vernahm, wie die angeschlagene Frau mit jemanden telefonierte. Vermutlich mit jemanden der ihr helfen würde, denn Lilith selbst konnte es nun nicht mehr.
Sie trabte zurück zu den Mülltonnen und verdrehte unter dem zornigen Blick von Raivis bloß die Augen. Im Schutz der Mülltonnen verwandelte sie sich in einen Menschen und überprüfte ihre Kleidung. Alles war durch ihren plötzlichen Wandel zerrissen und unbrauchbar. Sogar ihr dicker Mantel hatte Rissstellen von ihren Krallen.
„Ich muss dir doch nicht sagen...“ Sie unterbrach ihn einfac,h indem sie ihm ihren Mantel ins Gesicht schlug.
„Nein musst du nicht. Lass uns hier verschwinden.“ Lilith verwandelte sich in eine kleiner Hunderasse, die sie von den Bildern aus Büchern kannte die Al ihr gegeben hatte und trabte an seiner Seite los.
„Kannst du dich nicht in eine andere Hunderasse verwandeln, wie einen Schäfer, Boxer, Pittbull oder eine große Dogge? Es gibt so viele Hunderassen die weniger Peinlich wären, als ein Pudel.“
Sie warf ihm einen verwirrten Blick zu, doch verwandelte sich in eine andere Rasse. „Huskey, das finde ich besser.“ Sie verstand zwar nicht, was peinlich daran war mit einer so eleganten Rasse wie einen Pudel gesehen zu werden, doch sie tat das lediglich um nicht allzu sehr aufzufallen. Nicht, um dem schwarzen Magier einen Gefallen zu tun.
Raivis führte sie durch mehrere Wohnbezirke und über etliche stark befahrene Straßen. Wohin sie beide gingen, wusste die Prinzessin nicht. Sie hatte so eine Stadt noch niemals gesehen. Riesige Gebäude, die bis hoch in den Himmel gebaut waren, standen um jede Ecke. Aus Wohnhäuser gingen Menschen ein und aus und schrien sich in verschiedenen Sprachen an. Autos hupten abwechselnd und das die ganze Zeit über, wo sie unterwegs waren.
Als Raivis sie an stupste, um auf ein hell erleuchtetes Gebäude aufmerksam zu machen, sollte sie sich in eine kleine braun weiße Hunderasse verwandeln, die sie noch nie gesehen hatte, aber unglaublich süß fand. „Es tut mir leid, und ich verspreche ich lasse dich sofort wieder hinunter, wenn wir oben sind.“
Überrascht japste sie auf, als Raivis sie hochhob und im Arm hielt. Knurrend wollte sie wieder nach unten, doch er hielt sie unerbittlich fest. „Lass den Unsinn. Nur drei Minuten, dann sind wir in meinem Penthouse.
Lilith funkelte ihn, bis sie in der Lobby waren die ganze Zeit über wütend an. Erst in der Lobby, welche sie staunend betrachtete, war sie von allem und jedem abgelenkt. Frauen mit seltsamen Hüten gingen ein und aus. Gut gekleidete, von Parfüm verpestete Personen gingen an ihnen vorbei und der Geruch von Putzmittel stach ihr bedrohlich in die Nase. Der Lift in den sie stiegen, war innen verspiegelt und das Bild, das ihr entgegen stach machte ihr Angst.
Ihr Herz begann sich zu beschleunigen, als sie sich als Hund in seinen Armen sah. „Mach nicht so ein Gesicht. Das fällt auf.“
Sie knurrte ihn einmal zornig an, dann stiegen Leute zu, die ihn freudig begrüßten. „Miss Sunshine. Wie lange ist das her? Wie war es in Japan?“ Die Frau begann in einem seltsamen Dialekt zu sprechen und küsste ihn sogar zum Abschied auf die Wange. Angeekelt sträubte sie das Fell. Wie konnte man nur als so böser Mensch, so beliebt sein? Im achtzigsten Stock stieg er aus dem Lift und ließ sie sofort auf den Boden. Sich schüttelnd und niesend ging sie ein paar Schritte von im weg. „Benimm dich. Wir müssen nur mehr ins Zimmer, dann... Mister Charles. Es ist schon lange her!“
Der schwarze Magier sprach beinahe eine geschlagene Stunde mit dem seltsamen Mann, der sogar älter zu sein schien, als Doktor Alexej. Als es ihr zu lange dauerte, zog sie Raivis am Hosenbein und winselte ungeduldig. „Entschuldigen Sie bitte. Mein Beagle hat schon Hunger. Ich muss dringend in mein Apartment.“
Sobald Raivis die Türe hinter sich abgeschlossen hatte, verwandelte sie sich in einen Menschen und begann mit ihrer Schimpftirade. „War das unbedingt nötig? Drei Minuten? Sieh mich an. Ich bin von oben bis unten voller Dreck und dabei habe ich mich nicht einmal am Boden gewälzt. Außerdem glaube ich habe ich mir an irgendeiner Straße einen Floh eingefangen. Ist das überhaupt möglich? Sich auf der Straße einen Parasiten einholen...“
Ein Handtuch traf die junge, nackte Prinzessin im Gesicht und sie funkelte den verachtenswerten Raivis wütend an. „Ich bin an der Bar unten. Wenn ich dich heute wirklich die ganze Nacht ertragen muss, dann will ich wenigstens etwas Alkohol intus haben.“ Er schloss die Türe murmelnd hinter sich und sie seufzte schwer. Ja sie konnte schon anstrengend sein, das wusste sie nur zu gut. Doch vor jemandem wie ihm musste sie sich doch im ernst nicht rechtfertigen. Beleidigt stampfte Lilith durch die Zimmer, bis sie die Dusche fand und fluchte darüber, dass sie keinen Wasserregler hatte. Was sollte sie jetzt tun? Alles hier war so sauber und sie lief hier herum wie eine Irre. Sie zog ihr Handtuch, das sie beinahe zweimal um sich wickeln konnte, enger um sich und kuschelte sich auf die Bank.
Erst jetzt merkte sie, wie müde sie eigentlich war, doch schlafen wollte sie auch nicht. Was sollte sie nur tun? Sie wollte Raivis Aufenthalt eigentlich beschleunigen. Vielleicht hätte sie ihn tatsächlich einfach gehen lassen sollen, so wie Northan es gesagt hatte.
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Als Raivis, weit nach Mitternacht und ordentlich angeheitert mit dem Lift nach oben fuhr, staunte er nicht schlecht. Die kleine Prinzessin, die ihn schon bei ihrem Anblick auf die Palme brachte, lag zusammengekauert auf dem braunen Ledersofa und schlief tief und fest. Immer noch dreckig und immer noch nur in ein Handtuch gehüllt. Wieso war sie nicht duschen gegangen? Als Prinzessin war sie es doch gewohnt jeden Tag zu Baden, oder?
Kopfschüttelnd hockte er sich vor das Sofa und wollte sie wach rütteln, als er bemerkte, dass sie am ganzen Körper zitterte. Vorsichtig, um sie nicht zu wecken, strich er mit dem Handrücken über ihren Oberarm und erkannte wieso sie fröstelte. Die Klimaanlage war automatisch eingestellt. Wenn man so wie in ihrem Fall nur in einem Handtuch da lag, konnte es schon sehr kalt werden.
Willkürlich war ihm zu lächeln zu Mute und er wandte schnell den Blick ab. In einem seiner Stauräume, konnte er eine Decke finden, die er über die naive Prinzessin legte. Genau in diesem Moment öffnete sie erschrocken die Augen. „Du bist nicht weggegangen?“ Ihre Stimme klang erschöpft, als wäre sie noch nicht vollkommen wach. Doch was meinte sie mit >nicht weggegangen<? Wo hätte er denn hinsollen?
„Nein, ich bin natürlich hier. Wo sollte ich denn sein?“
„Ich weß es nicht. Ich dachte du würdest etwas holen. Deswegen bin ich doch mit. Sonst verschwindest du und wir sitzen fest.“ Sie sprach mit geschlossenen Augen, das brachte Raivis nun doch zu lachen. Sie redete im Schlaf? Das war interessant.
Er hätte ja mit vielem gerechnet doch bestimmt nicht mit so etwas. „Keine Sorge. Ich will genauso sehr heim wie du. Ich werde nichts dummes anstellen, bis wir einen Weg finden.“ Er sank vor der Bank auf den Boden und fühlte wie eine Hand nach seiner griff.
Was machte sie da?
Raivis wusste, dass sie ihn hasste und doch suchte sie im Schlaf nach ihm? „Lass mich schlafen.“ Murmelte sie noch, bevor sie die restliche Nacht in einem tiefen Schlaf verbrachte. Lächelnd betrachtete er die schlafende Göre. Sie war nur ein paar Jahre jünger als er und hatte alleine wegen ihm so viel durchgemacht. Vielleicht hätten sie beide sich ja doch in einem anderem Leben gut verstanden. In einem anderen Leben wäre er auch bestimmt nicht so ein Arschloch geworden. Seufzend verschränkte er seine Finger mit ihren und genoss das Gefühl ihrer Magie, die sich durch seine wob.
Magie hatte Raivis schon immer fasziniert. Schon als Kind, als er merkte, dass er Magie beherrschen konnte, war er wie gebannt von ihr gewesen. Magie unterschied niemals, ob jemand gut oder schlecht war. Magie bestimmte nicht von selbst, wie sie auf jemanden reagiert. Magie war für jeden da. Brachte einem durch den Tag, beschützte einem bei Nacht. Nun verband sich seine Magie mit ihrer. Im Grunde gab es doch überhaupt keinen Unterschied zwischen ihnen. Ob sie in der Zukunft lebten oder in der Vergangenheit. Wer ihre Eltern waren, spielte auch keine Rolle. Eigentlich... Das war das Problem an allem. Natürlich spielte in der Realität dies alles eine Rolle. Zur Zeit befanden sie sich in einer Art Pause. Einer Pause vor sich selbst und ihrem traurigerweise geteilten Schicksal. Vor allem jedoch vor ihren Taten, die er in all den Jahren alles andere als vergessen hatte.
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Lilith wachte schon früh am Morgen auf, da das ständige Gehupe von vorne begann. Als sie sich aufsetzte, schreckte sie erst einmal auf. Raivis lag vor ihr auf den Boden und sah dabei aus, als wäre er im Schlaf einfach zum Boden gesunken. Wie viel hatte er denn getrunken letzte Nacht? Sie hatte nicht einmal mitbekommen, dass er überhaupt wieder in das Apartment gekommen war.
Verdutzt betrachtete sie die Decke, die auf ihr lag und schüttelte den Kopf. Wenigstens war er noch nüchtern genug gewesen, um ihr eine Decke zu besorgen.
Gerade als sie die Beine auf dem Boden abstellte, schreckte Raivis aus dem Schlaf und blickte sich suchend um. Als er sie erblickte, schien er noch verwirrter zu sein, als davor. „Du bist endlich wach?“ War seine erste Frage. Sie seufzte gereizt und deckte ihre Beine ab und dabei warf sie sie >aus Versehen< über seinen Kopf. „Bei deinem geschnarche kann doch niemand in ruhe schlafen.“ Das war zwar eine Lüge, doch sie reichte um seinen gewohnten wütenden Blick wieder auf sich zu spüren.
„Das kommt ausgerechnet von dir. Du redest so viel im Schlaf, dass...“
Lilith wandte sich geschickt um und rammte ihm das Knie gegen das Brustbein, sodass er hustend wieder auf dem Boden aufschlug. „Wehe du wagst es irgendjemanden zu sagen was ich im schlaf rede, dann...“
Raivis zog sie am Bein, sodass sie wieder auf das Sofa zurückfiel und blickte sie wütend an. „Hör auf mit der scheiße. Ich muss ehrlich sagen, dass du wesentlich angenehmer bist, wenn du schläfst. Da bist du wenigstens nicht so eine verwöhnte Göre wie jetzt.“ Daraufhin er warf ihr die Decke ebenfalls ins Gesicht und verschwand im Schlafzimmer, welches sie letzten Abend entdeckt hatte. Hatte er sich etwa, als sie geschlafen hatte, mit ihr unterhalten? Was hatte sie nur gesagt, dass er dachte, sie könnte ihn doch leiden? Das musste sie sofort klären.
Mit einem argwöhnischen Blick nach unten atmete sie einmal tief durch, um sich zu beruhigen. Nein, zuerst sollte sie sich zurechtmachen. Immerhin hatte er sie nun an der Seite und musste noch etwas erledigen. Jetzt war vermutlich nicht der rechte Zeitpunkt sich aufzuregen, schon wieder.
Als sie erneut einen Versuch starten wollte, hörte sie das Wasser darin rauschen. Vorsichtig klopfte sie an die Türe. „Raivis? Bist du drinnen?“
„Nein, hinter dir.“ Erschrocken drehte sie sich um.
„Ähm.. könntest du vielleicht... das Wasser... also ich habe gestern nicht...Ich... lass bitte einfach das Wasser an wenn du fertig bist.“ Schwer schluckend wandte sie sich von dem einerseits faszinierenden andererseits erschreckenden Anblick seines Oberkörpers ab und stolperte aus dem Schlafzimmer zurück ins Wohnzimmer.
Was war das nur? Liliths Herz hatte ganz plötzlich angefangen wie wild zu schlagen und am liebsten hätte sie die vielen Narben, die sich über seinen ganzen Oberkörper zogen, mit Magie verschwinden lassen. Sie wusste, dass er sich selbst heilen konnte, also wieso ließ er sie? Besonders auffällig war die Bissspur an seinem rechten Unterarm. Es sah so aus, als hätte man ihm die Haut mit Zähnen herabgezogen und einfache beiläufig wieder verheilt. Ließ er die Narben etwa mit Absicht? Um sich zu erinnern? Oder konnte er sie einfach nicht heilen?
So viele Fragen schossen schon wieder durch ihren Kopf. Sie hatte zwar erkannt, dass er einen sehr ansehnlichen Körperbau hatte, doch die Narben... Sie machten ihr Angst und faszinierten sie im gleichen Maße. Aber wovor hatte sie denn Angst? Es waren Narben und keine bissigen Nattern. Nun, ja. Vielleicht nicht äußerlich, doch innerlich hatten sie bestimmt eine Art Gift hinterlassen, die ihm zu dem unausstehlichen Kerl gemacht hatten, der er heute ist.
Lilith musste sich eingestehen, das ihre seelischen Narben sie nicht zu dem gemacht hatten, was sie heute war. Sie war schon immer etwas zickig und fürchterlich launisch gewesen. Ausschließlich Northan hatte ihren Charakter ertragen. Ob aus Pflichtgefühl, oder von sich selbst aus, war nun die Frage.
Im Park hatte er sie begrüßt wie eine alte Liebe, die er vermisst hatte. Aber sie hatte sich gefreut, endlich wieder jemanden zu haben den sie kannte und vertraute. Mehr war für sie nie gewesen. Eine Träne bahnte sich ihren Weg ihre Wange hinunter und sie wischte sie eilig weg.
Raivis hielt ihr ein frischen Handtuch hin und tat so, als wäre er vom Kamin, der mitten im Raum stand sehr fasziniert. Dankend schlüpfte sie in das Badezimmer und setzte sich direkt unter den Duschstrahl. Wenigstens das Wasser, das angenehm beruhigend auf ihren Kopf prasselte, verdeckte die dicken Tränen, die ihre Wange hinab liefen.
Sobald sie sich endlich wieder gefangen hatte, kam sie wieder aus der Dusche und wickelte sich in ein frisches Handtuch. Bevor sie die Türe jedoch öffnete, atmete sie noch einmal tief durch und setzte ihre Maske auf, die sie ein Monat nach dem Tod ihrer Eltern getragen hatte. Sie durfte es sich nicht leisten jetzt einzuknicken. Sie hatte noch so viele Aufgaben zu bewältigen. So viele Jahre standen noch vor ihr, in welchen sie wichtige Entscheidungen treffen musste. Entscheidungen die tausende von Menschen betreffen würden.
Als diese Last sich abermals in ihren Rücken legte, öffnete sie die Türe und staunte nicht schlecht. Das Schlafzimmer war voll von Kleidung. Raivis und zwei sehr gepflegte Frauen standen ebenfalls im Raum und berieten sich über irgendetwas. Als diese Lilith bemerkten, liefen beide Damen sofort auf sie zu. „Oh, Miss. Da sind sie ja endlich. Ihr Bruder hat uns schon von der misslichen Lage berichtet. Es ist einfach tragisch, diese Fluggesellschaft heutzutage verliert aber wirklich alles.“
Fluggesellschaft? Wovon redete sie?
„Ähm, ich denke meine Schwester ist noch etwas mitgenommen von dem langen Flug. Bitte entschuldigen Sie sie. Komm doch her Lilith, such dir etwas aus.“ Raivis sprach auf einmal so unglaublich freundlich, dass wenn sie ihn nicht kennen würde, tatsächlich annehmen würde das er immer so freundlich und offenherzig war.
„Ach, das verstehen wir. Kommen Sie bitte Miss. Ich bin Frau Schneider und das ist Frau Hale. Ihr Bruder wollte sie überraschen, was ihm wohl sichtlich gelungen ist.“ Lachend schickten sie Raivis aus dem Raum und zum ersten mal wünschte sie sich, dass er hierblieb. Die beiden Frauen redeten ohne Unterbrechung und zeigten ihr wahrlich einzigartige Kleidungsstücke.
Als Lilith sich auch endlich entscheiden durfte, was sie wohl anziehen würde, ließ sie sich sieben Outfits zusammen stellen, die sie auch wirklich tragen würde... vorübergehend... Sie vermisste bereits jetzt die kalte Luft von Russland und die dicken Mäntel, die sie wie ein Kokon einhüllten. Die Kleidung, die ihr hier >untergeschoben< wurde, war wohl eher für die herbstlichere Zeit ausgewählt. Zumindest hatte sie das aus den vielen Büchern heraus gelesen, die ihr Al zu lesen gegeben hatte. Die Welt heutzutage bestand aus vier Jahreszeiten. Winter, Frühling, Sommer und Herbst. Jede dieser Zeiten hatte ihre eigenen typischen Temperaturen und Eigenschaften. Als die Frauen endlich mit ihren Kleiderwägen wieder abzogen, blickte sie zuerst prüfend zu Raivis, was er wohl sagen würde.
Er jedoch warf ihr nur einen kurzen Blick zu und nickte. „Sehr gut. Du wirst nicht auffallen, aber würde es dich stören etwas mit deinen Haaren zu machen? Die sehen beinahe wie Dreadlocks aus, jedoch sehr schlecht gemachte.“
Lilith griff in ihre zerrupften achtzehn Zöpfe und verzog das Gesicht. „Ich weiß nicht. Ich würde sie ja gerne wieder flechten, aber ich weiß nicht wie das geht.“
„Dein ernst? Du trägst die ganze Zeit Zöpfe aber weißt nicht wie man flechtet?“
„Woher denn? Wir Frauen tragen normalerweise unsere Haare offen. Hin und wieder bekommt eine Frau in unserer Stadt zwar einen einzelnen dünnen Zopf, wenn sie jemanden getötet hat, doch ich habe bereits so viele getötet, das ich sie nicht mehr gezählt habe. Schlussendlich habe ich einfach beschlossen, das ich mir achtzehn Zöpfe machen lasse.“
Raivis Blick wurde etwas trauriger oder mitfühlender. Sie wollte ihn bei diesem Thema nicht direkt ansehen, da sie Angst davor hatte, etwas zu sehen das sie fürchtete. „Und wieso achtzehn?“
„Weil ich, als der Krieg endlich vorbei war, meinen achtzehnten Geburtstag feiern hätte sollen mit meiner Familie. Darum habe ich mir achtzehnten Zöpfe flechten lassen, um mich bis zu meinem Lebensende daran zu erinnern, dass ich mit jungen achtzehn Jahren, bereits alles verloren hatte, was mir etwas bedeutete.“
„Ich an deiner Stelle hätte es lieber vergessen wollen.“
„Gut das du dann der Auslöser für alles warst, ansonsten hätte man das ehrlich in Betracht ziehen können. Aber ich finde das es viel besser ist sich zu erinnern. Was nützen diese Erfahrungen, wenn man sie doch wieder vergisst?“
Raivis nickte verstehend und seine linke Hand zuckte plötzlich zu seinem rechten Unterarm. „Wenn du vergessen willst, wieso behältst du dann die Narben?“
„Weil sie mich an meine Heimat erinnern. So vergesse ich niemals, das ich hier nur zu Gast bin.“
Überrascht stolperte Lilith über den weichen Teppich und blickte den verwirrten Raivis überrascht an. „Die ganzen Narben sind noch aus unserer Heimat? Ich dachte die hättest du im laufe der Jahre erlangt.“
Raivis rutschte auf der Bank zur Seite und deutete ihr, sich zu setzen. Wenigstens musste sie ihn somit nicht mehr direkt ansehen. „Nein, die habe ich alle von meiner Mutter. Sie war... etwas eigen wenn es um Erziehung ging. Sie wollte dass etwas Gutes aus mir wird. Sie wollte nicht das ich so werde wie sie. Abhängig von Magie und... Sie war sehr streng.“
Die Prinzessin fühlte, dass Raivis nicht alles erzählte, doch konnte es ihm nicht verübeln. Wieso sollte er sich ihr auch anvertrauen? Sie hatten so etwas wie eine Blutfehde.
„Du hast gesagt, dass deine Mutter ebenfalls durch die Zeit gereist ist und du denkst, dass sie mit meiner Blutlinie irgendwie verwandt sein muss. Wie hast du das gemeint?“
„Das wird sie dir selbst erzählen, sobald ich sie gefunden habe. Dein kleiner Wachhund, hat sie gefunden und sie gezwungen alles zu erzählen was sie über Zeitreise wusste. Dann hat er sie weggesperrt, damit sie niemals wieder durch die Zeit reisen konnte. Sie war so zu sagen seine Versicherung, dass ich ihm Bescheid gebe, wenn ich dich finden sollte.“
Das sollte Northan getan haben? Das klang alles überhaupt nicht nach ihm. Wollte Raivis sie etwa aufhetzen? Nein, oder doch? Aber was würde ihm das bringen. Er wollte seine Mutter zurück und das konnte sie ihm nicht verübeln. Aber es konnte gut sein, dass Northan tatsächlich schlimme Dinge getan hatte. Wieso auch nicht.
Er lebte seit tausenden von Jahren. Darauf angewiesen auf sie zu warten. „Und dieser Schlüssel ermöglicht dir, sie wieder zu finden?“
Raivis blickte sie ehrlich überrascht an. „Du glaubst mir das? Ich meine, da Northan doch dein Vertrauter ist und...“
„Du musst verstehen, dass... ich kenne Northan schon so lange und ich weiß wie die Zeit einem verändern kann. Er ist ein Wolf. Er ist genauso Tier wie er Mensch ist. Natürlich würden Menschen alles tun um zu überleben. Also warum nicht auch anderen Quälen?“
„Das heißt ich könnte dir nun jeden Dreck erzählen und du würdest ihn mir glauben?“
Lilith kicherte und schüttelte den Kopf. „Nein, natürlich nicht. Aber... ich wollte meinen Bruder vor dir beschützen, ich kann es zwar nicht mit den tausend Jahren von euch vergleichen, doch ich kann es verstehen. Ich verstehe das man alles tun möchte um zu überleben. Und um zu beschützen.“
„Weißt du, wenn du ausgeschlafen bist, bist du eigentlich überhaupt nicht so zickig.“
Sie rümpfte die Nase und zwinkerte ihm zu. „Das liegt aber nur daran, das ich selbst merke, das wir nicht voran kommen, wenn ich dich ständig angehe. Darum versuche ich mich zusammenzunehmen, sodass wir schneller wieder nach Hause kommen.“
Kopfschüttelnd stand Raivis wieder auf und ging zur Türe. „Na, dann sollten wir keine Zeit verlieren und uns endlich auf die Suche machen. Immerhin sind wir in den vereinigten Staaten und müssen hinauf nach Kanada.“
„Kanada? Ist das weit von hier?“
„Ach... nur ein >paar< Kilometer. Du hast Glück das ich die Zeit genutzt habe um viel Geld zu verdienen, sonst wäre ich jetzt ernsthaft wütend.“
Sie warf ihm einen gespielten trotzigen Blick zu und sie fuhren hinab in die Lobby. „Ach, ja. Was sollte das Gerede mit Schwester? Wir sehen uns nicht einmal ähnlich.“
„Irgendetwas musste ich ihnen doch sagen, oder? Und ich konnte schlecht erzählen, dass ich mich mit Magie her teleportiert habe und du mich durch einen zusätzlichen Körper mitten in Mülltonnen geworfen hast.“ Sie musste darüber lächeln. Nein, das würde hier vermutlich niemand glauben.
Raivis und Lilith saßen nun bereits seit einigen Stunden in einem Taxi und fuhren zu einem Bekannten von Raivis. Es wunderte sie mittlerweile nicht mehr, dass er so viele verschiedene Leute kannte, doch andererseits wurde er ihr immer suspekter. Als sie vor einem alten sehr baufälligen Haus mit Rädern standen, staunte die junge Prinzessin nicht schlecht. „Das ist ein Wohnwagen. Hier befindet sich eine Wohnwagensiedlung wo sich viele fest niedergelassen haben und nichts bezahlen müssen für ihren Standort.“
Lilith betrachtete das unwirkliche >nicht-< Gebäude und schüttelte den Kopf. Wie konnte man nur in so einem >Haus< wohnen? „Und... Ist das auch sicher? Es sieht sehr... alt aus.“
Raivis zog die Brauen hoch und klopfte dreimal an eine schmale Türe. Kurz darauf kam ein beinahe Glatzköpfiger Kerl aus der Türe heraus und spuckte direkt vor ihnen auf den Boden. Dicke Rauchschwaden drangen aus seinem Mund und er hustete als wären seine Lungen rein von Rauch umgeben. „Alter... Sag ja nicht du bist das Mann. Was suchst du denn hier? Willst du das Jenna dich verprügelt?“
Jenna? War das etwa eine Frau? „Als würde der mir irgendetwas anhaben können.“ Behauptete Raivis und lächelte breit dabei. „Dann komm rein Johnny. Silv hat gerade eine frische Bong aufgesetzt. Lust?“ Raivis schüttelte den Kopf und folgte dem Kerl in einen fürchterlich stinkenden Raum. Lilith versuchte, gegen ihren Brechreiz anzukämpfen und beschwor dafür etwas Magie. In welchem armen Teil der Welt hatte er sie denn hier her gebracht?
„Du, ich kann nicht lange bleiben. Meine Freundin braucht einen Stempel und wir haben es eilig. Weißt du wo wir Ben finden?“ Der Kerl zündete sich eine Zigarette an und lehnte sich auf einer Bank zurück. „Ben? Alter den haben sie vor über einen Monat hochgenommen. Ist nur mehr eine Frage der Zeit bis die Schnüffler auch an meiner Türe stehen.“
„Und wieso haut ihr nicht ab?“ Plötzlich kam eine Frau aus einem anderen Abteil des seltsamen Hauses und lächelte breit, als sie Raivis erkannte. „John? Das ist aber schon lange her.“ Sie umarmte ihn kurz und Raivis stieß einen hohen Pfiff aus.
„Ach du meine Güte. Gratuliere. Jetzt sehe ich wieso ihr nicht weg könnt. Wann ist es denn so weit?“
„In drei Monaten. Es wird vermutlich eine Hausgeburt.“
„Genug mit der Flirterei. Johnnys Freundin braucht einen Stempel, aber Ben ist weg. Kennst du noch jemanden, der vielleicht einen Herstellen würde?“ Die Frau, die völlig unterernährt zu sein schien und bestimmt schon seit Tagen nicht mehr geschlafen hat, blickte Lilith ohne jegliche Gefühlsregung von oben bis unten an.
„Also ich hätte ehrlich gerechnet, dass du einen besseren Geschmack hättest, kleiner.“
Raivis lachte laut auf. „Nein, nicht so eine Art Freundin. Wir sind wohl oder übel zwei Menschen die ein gemeinsames Ziel haben. Bestimmt nicht mehr. Und Silv, hast du vielleicht jemanden in der Familie?“ Silv legte den Kopf schräg und dachte angestrengt nach.
Lilith musste sich eingestehen, das sie überlegte wie das Gehirn so einer Frau funktionierte. Es schien nicht mehr so gut in Form zu sein wie das von normalen Menschen. „Onkel Herbert?“
„Der ist doch letztes Jahr verstorben.“ Bemerkte der seltsame Mann.
„Stimmt... Vielleicht kennt seine Tochter jemanden. Ich gehe einmal Telefonieren.“
Lilith seufzte aus Versehen etwas zu laut und blickte betreten auf den Boden. „Ich warte draußen. Ich fühle mich nicht so gut.“ So schnell sie konnte, trat sie hinaus an die frische Luft und atmete dort einmal so tief durch, dass ihre Lungen wieder frei von dem kratzenden Rauch war. Wenige Minuten später kam Raivis lachend aus dem Wohnhaus. „Okay, wir können los. Es ist alles Fertig, sobald wir dort sind.“
„Was genau holen wir eigentlich?“
„Einen Reisepass für dich. Ich habe dutzende an unterschiedlichen Verstecken. Aber wenn wir über die Grenze wollen, dann brauchst du ebenfalls einen.“
„Nicht nötig, ich kann auch fliegen. Ich bezweilfe dass die Menschen irgendetwas erbaut haben, was ich nicht überfliegen könnte.“ Bemerkte Lilith und sah zum ersten mal einen überraschten Ausdruck in Raivis Gesicht. Anscheinend hatte er das alles überhaupt nicht bedacht.
„Warte einen Moment.“ Raivis ging wieder hinein und keine Minute später war er wieder da. „Nun denn. Dann sollten wir uns auf den Weg machen.“
„Kannst du dich etwa nicht wandeln? Ich habe dich dabei noch niemals beobachtet.“
„Natürlich nicht. Meine Hauptmagie liegt in der Nekromantie und bei optischen Täuschungen. Hast du etwa einmal versucht einen Toten wieder zu erwecken?“
„Als würde eine Prinzessin so etwas versuchen!“ Gab sie etwas beleidigt zurück.
„Siehst du. Da hast du deine Antwort.“ Verwirrter als zuvor folgte sie ihm zum wartenden Taxi. Kurz davor bat er sie sich jetzt schon zu verwandeln und packte ihre Sachen in einen Rucksack. „Flieg hinter uns her und ich werde hinter der Grenze bei einer Raststätte stehen bleiben. Dort treffen wir uns hinter dem Gebäude wieder und wir wechseln das Taxi, verstanden?“
Sie nickte und nur wenige Sekunden später erhob sie sich in luftige Höhen. Mehrere Kilometer flog sie hinter dem Taxi her, während sie der magischen Energie von Raivis immer folgte, wenn sie das gelbe Auto einmal aus den Augen verlor. Hin und wieder setzte sie sich auf einen Baum am Straßenrand, damit er wusste, dass sie noch hier war. Als sich langsam wieder der Himmel dunkler färbte, machte sie eine Pause und lief auf allen vieren weiter.
Ständig in einer Form zu stecken, die nicht die Eigene war, konnte auf Dauer anstrengend werden. Gerade als sie einen Feldweg entlang trabte, erklang nur eine Sekunde davor, ein unglaublicher Schmerz in ihrem Brustkorb einsetzte ein Ohrenbetäubender knall. Ihr gesamter Körper wurde für einen Moment taub. Zwar konnte sie die Schmerzen empfinden, die durch ihren Körper zuckte, doch sie konnte es nicht mehr kontrollieren, als sie langsam zur Seite kippte und dumpf auf dem Boden aufschlug. Mit ihrem letzten Atemzug versuchte sie noch vergebens nach ihrer Magie zu greifen, bevor alles um sie herum dunkel wurde.
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Raivis, döste gerade im Taxi, als ihm ein unsagbarer Schmerz durch die rechte Lungenhälfte zuckte. Für eine Sekunde konnte er nicht atmen und seine Lungen fühlten sich, als hätte etwas Heißes sie verbrannt. Als der Schmerz nach ließ und er dunkles Blut seinen Oberkörper hinab laufen sah, befahl er dem Taxifahrer zu stoppen. Dieser fuhr sofort rechts ran und fragte stotternd, ob alles in Ordnung war. Raivis sprang sofort aus dem Auto und blickte abermals an sich herab. Doch nichts war mehr zu sehen. Kein Blut, keine Schusswunde, keine Verletzung und vor allem keine Schmerzen mehr.
Aber was war das gewesen? Seine Magie schien genauso in Aufruhr zu sein wie er selbst, doch dies hatte er so noch nie erlebt. Seine Magie war normalerweise wie bei jedem anderen ein ruhiger Fluss, doch stärker ausgebildet als bei anderen Menschen in seinem Volk und er konnte auch aktiv danach greifen so wie Lilith.
„Liltih!“ Sein Blick zucke über den Himmel und in die Bäume, doch er konnte sie nirgends erkennen. „Lilith!“ Sein Schrei wurde durch den Wind weit über die Felder getragen. Sie konnte doch nicht den Fehler begangen haben und sich in einen Wolf verwandelt haben. Hier mitten auf Feldern? Wo lauter schießwütige Irre ihr Vieh und ihr Land beschützen wollten. „Lilith!“ Abermals trug der Wind seinen Schrei weit hinaus. Raivis weitete seine Magie aus und fühlte ihre rasch schwächer werdende nur mehrere hundert Meter mitten auf einem Feldweg. So schnell ihn seine Beine tragen konnten, lief er zu dieser Stelle und konnte bereits einen Farmer erkennen, der auf einen scheinbar toten Wolf eintrat und mächtig schimpfte.
Eine mächtige Magiewelle sammelte sich in seinem Körper an und er gab sie geballt als eine Kugel wieder frei. Die Kugel flog mehrere Stundenkilometer durch die Luft und traf den Mann im Kopf. Sein Kopf explodierte wie eine gesprengte Wassermelone direkt neben dem Wolf, der sich langsam in eine Frau zurückverwandelte.
Vollkommen unfähig etwas zu fühlen, warf er sich vor ihr auf den Boden und konnte nichts anderes tun als sie an zu sehen. Warum? Warum jetzt? In einem anderen Leben wollte er nichts lieber als ihren Tod. Doch mit den Jahren erkannte er, dass er sie brauchte, um wieder nach Hause zu kommen.
Aber jetzt? Jetzt lag sie direkt vor ihm, mit einer riesigen Schusswunde im Körper. Das Blut sickerte direkt auf seine Hose und er konnte ihr nicht helfen. Ihre Magie sickerte mitsamt dem Blut aus ihrem Körper.
Wieso heilte sie sich nicht? Für sie war es doch ein leichtes sich zu heilen. Zögerlich legte er ihr beide Hände auf den Körper und betrachtete die Wunde genauer. Der Farmer hatte sie direkt in der Seite getroffen und es waren bestimmt noch Metallteile in ihrem Körper. Was sollte er nur tun? Er hatte keinerlei medizinische Ausbildung. Auf erste Hilfe hatte er aus Prinzip immer verzichtet, da er kein Interesse daran hatte anderen zu helfen. Aber das war etwas anderes. Das war Lilith! Eine unschuldige Prinzessin aus einem längst vergessenen Königreich. Einer Thronerbin, die wegen ihm hier war. Die Person nach der er schon seit Jahren suchte. Jetzt hatte er sie gefunden und verschwendete ihre kostbare Zeit damit sie durch verschiedene Staaten zu schleifen.
Raivis fühlte, wie sich Tränen in seinen Augenwinkeln sammelten, während er seine Stirn auf ihre legte und sich dazu zwang nicht zu weinen. Was würde nun aus ihm werden? Was sollte er nur tun? Er konnte sie doch nicht einfach sterben lassen.
Mit einem Mal fühlte er sich fürchterlich machtlos und konnte nichts anderes tun, als sie an sich zu ziehen und leise zu weinen. „Lilith... Verdammt. Dumme Göre! Was hast du nur getan? Du kannst doch nicht als Wolf über die Felder bewaffneter Farmer laufen. Du bist... Du bist der fürchterlichste Mensch, dem ich jemals begegnet bin. Bitte komm wieder zurück. Hör bitte nicht auf zu kämpfen. Ich brauche dich doch. Ich...“
„Sire? Ist alles in Ordnung?“
Überrascht blickte Raivis auf. Was war gerade passiert? Er saß immer noch im Taxi und fuhr gerade auf die Straße auf. Mit einem prüfenden Blick vergewisserte er sich, dass Lilith immer noch in seiner Nähe flog. Genau in dem Moment wo er nach draußen sah, konnte er sehen, wie sie in Landeanflug ging. „Stoppen sie sofort das Auto. Mir geht es nicht gut.“
Der Taxifahrer zog die Augenbrauen in die Höhe, doch stoppte. Als das Auto noch langsam rollte, sprang er hinaus und suchte die Gegend nach dem Feldweg ab. Da! So schnell er konnte, lief er hin. Und das nicht zu spät. Er entdeckte den Farmer, wie er gerade auf den Weg einbog, auf welchem ein grauer Wolf sich genüsslich streckte.
„Lilith!“ Sie blickte ihn äußerst erschrocken an. Noch bevor der Farmer zielen konnte, schickte er Magie in durch die Luft, die die Seite des Farmers traf und daraufhin durch die Luft gewirbelt wurde, mitten auf sein Feld hinaus. Lilith, die erschrocken dem ganzen Spektakel zusah, verwandelte sich wieder in einen Menschen und sog erschrocken scharf die Luft ein, als Raivis seine Arme um sie warf. Er konnte es nicht glauben. Er hatte tatsächlich gerade eine Zeitreise gemacht. Wie war das möglich? Er hat sie gerettet. Er hat Lilith gerettet.
Laut schickte er ein dankendes Stoßgebet an alle Götter egal ob sie existierten oder nicht und umarmte das verwirrte Mädchen noch fester. „Ich hatte solche Angst. Ich dachte... Ich dachte ich würde dich verlieren. Da war so viel Blut auf dem Boden und...“ Erschrocken ließ er sie los.
„Wovon redest du? Ich bin nicht verwundet. Er hat noch nicht einmal geschossen, und das dank dir. Aber wieso hast du gehalten?“ Raivis erzählte ihr von dem, was ihm im Auto passiert war und was er beobachtet hatte, bis hin zu dem Moment, als er abermals im Auto erwachte. Nur zwei Minuten bevor es abermals passierte. „Was? Wieso? Ich dachte du kannst nicht durch die...“
„Konnte ich auch nicht. Es muss an deiner Magie liegen. Ich wette du kannst nun auch das tun was ich kann. Komm mit.“
Er nahm sie an der Hand und führte sie zu dem toten Farmer. Lilith verstand genau überhaupt nichts, während in Raivis Kopf dutzende von Gedanken und Schlussfolgerungen ratterten „Lass deine Magie nach ihm greifen und sag ihm das er aufstehen soll.“
Sie betrachtete den dunklen Magier, als wäre er verrückt. Nun gut er musste zugeben, das dachte er über sich selbst auch irgendwie. Raivis konnte es ihr absolut nicht verübeln. „Sieh mich nicht so an. Probier es bitte.“
Resigniert den Kopf schüttelnd, griff sie tatsächlich mit der Magie nach ihm und gab dem toten Farmer, mit dem gespaltenen Kopf, den stillen Befehl aufzustehen. Plötzlich stand der Farmer tatsächlich auf und hing kraftlos vor ihnen.
Es funktionierte! Er hatte recht gehabt! Begeistert blickte er die Prinzessin an, doch sie schien mehr entsetzt zu sein, als begeistert. „Lilith?“
„Was.. Was hat das zu bedeuten? Was hast du getan?“ Er getan? Letzte Nacht! Das musste es sein. Aber wie sollte er das erklären, ohne das sie sich wieder von ihm Entfernte?
Offensichtlich gab sich Lilith ernsthaft jede Mühe nicht mehr so launisch zu sein und war wesentlich angenehmer zu ertragen als sonst immer. Aber wenn er... Was dachte er eigentlich da? Er hasste sie doch. Sie war die Einzige, die sich ihm in den Weg stellen konnte. Es sollte ihm egal sein, was sie über ihn dachte.
„Es war eigentlich nichts. Zumindest dachte ich mir nichts dabei. Als ich dich letzte Nacht zu gedeckt habe, da hast du mich angesprochen und warst recht überrascht, dass ich nnicht weg gegangen war. Ich habe dich gefragt wo ich hin etwa hin gehen sollte und du hast wieder geantwortet. Ich fand es ziemlich faszinierend mit dir zu sprechen während du schläfst. Irgendwann...“
Die nächsten Worte fielen ihm schwer, da sie nicht ganz die Wahrheit waren, doch was sollte er sonst tun? Er wollte nicht wieder dieselbe Abscheu in ihren Augen sehen, die sie ihm seit ihrer ersten Begegnung, zu recht, empfunden hatte. „...hast du mich wohl für Northan gehalten und hast nach meiner Hand gegriffen. Du hast deine Magie automatisch nach mir ausgestreckt und ich wusste nicht was ich tun sollte, um dich nicht zu wecken. Irgendwann bin ich auch eingeschlafen und... dann hast du mir die Decke ins Gesicht geworfen.“
Lilith betrachtete ihre Hände, als wären diese schuld an allem und plötzlich... lachte sie. Raivis verstand nicht wieso. Wieso sollte sie darüber lachen? Er hatte mit vielem gerechnet, doch nicht mit dem. „Okay, ich sagte dir doch das ich dir in einigen Punkten glauben würde.“
Irgendetwas sagte ihm, dass jetzt ein >aber< folgen würde.
„Aber so etwas würde ich niemals tun. Nicht einmal wenn ich glauben würde es ist Northan. Wenn mir Northan wirklich einmal so nahe gekommen wäre, dann hätte ich ihm einen Tritt verpasst. Also sag mir sofort was wirklich passiert ist.“
Im ernst? Nach all dem was er über Prinzessinnen und Wölfe mit bekommen hatte? „Das ist mein ernst, na gut ich wollte es nur etwas... anders formulieren, da ich es selbst nicht glauben konnte, aber du hast wirklich nach mir gegriffen.“
„Wieso sollte ich so etwas tun?“
„Was weiß ich denn? Schau ich etwa so aus, als könnte ich in deinen Kopf hinein?“
Sie schnaufte beleidigt und hob das Kinn etwas an, wie sie es immer tat, wenn sie wieder zickig wurde. „Als würde es mich interessieren, was du alles kannst. Also, was machen wir jetzt? Wir können nicht ewig so herumstehen. Und was deine Magie angeht, habe ich absolut kein Bedürfnis dazu sie auch nur ein einziges weiteres mal an zu wenden.“
„Ach mach doch was du willst. Flieg von mir aus wieder zurück, aus welchem Loch du auch immer gekrochen bist. Ich fahre weiter und suche sie. Ob es dir gefällt oder nicht.“
Mit stampfenden Schritten entfernte Raivis sich von Liltih.
Er konnte es einfach nicht ertragen. Was nützte es, wenn man versuchte ehrlich zu sein, wenn einem ja doch niemand glaubt. Die letzten hundert Jahre, hatte er versucht, in Russland normal zu leben. Er hatte sogar eine Freundin gehabt, doch nur für sieben Jahre. Danach war er etwas in Erklärungsnot gekommen, was Kinder und seine Alterung an ging. Ja, die Wahrheit brachte ihn nirgendwo hin. Sie war so nutzlos wie das Leben selbst. Zornig warf er die Autotüre hinter sich zu und betrachtete den Rucksack, wo Liliths Kleidung darin steckte und einiges von seinem Bargeld. Verdammt diese Göre würde ihn noch in den Wahnsinn treiben, bevor sie wieder in ihrer alten Heimat waren.
Der Taxifahrer war zwar sichtlich verwirrt, doch fuhr ohne sich zu beschweren, weiter. Immerhin verdiente er hier gutes Geld und musste nichts anderes tun als zu fahren. Hinter der Grenze ließ Raivis sich direkt bei der erstbesten Haltestelle absetzen und ging hinter das Gebäude.
Lange musste er nicht warten, da landete eine kleine Eule vor seinen Beinen und verwandelte sich direkt wieder in einen Menschen.
„Es tut mir leid.“ Lilith blickte so ernst und schuldig zu ihm auf, dass es etwas dauerte, bis er die Worte auch verstand. Was hatte sie gerade gesagt? Hatte sie sich etwa entschuldigt?
„Was meinst du?“
Sie warf ihm einen funkelnden Blick zu. „Natürlich das was ich vorhin gesagt habe. Der Zeitsprung vorhin. Ich kann mich langsam wieder erinnern, aber es ist als wäre es einfach nur ein Traum gewesen... ein fürchterlich erschreckender. Und... Ich glaube dir das auch, das ich meine Magie mit deiner verwoben habe. Gib mir bitte deine Hand.“
Er wusste nicht, was ihn härter traf. Dass sie ihm glaubte, oder das er nicht damit gerechnet hätte. Er streckte mit der Handfläche nach oben seinen Arm aus und verschränkte ihre Finger abermals mit seinen. Dieses mal war er derjenige, der seinen Geist nach ihrem ausstreckte und sie akzeptierte es einfach. Er konnte fühlen wie ihre Magie wie von selbst in seine über ging und direkt in seinen Körper drang. Es war, als wäre es seine eigene Magie die durch ihn floss, genauso musste sie sich gerade fühlen. Er öffnete die Augen wieder und plötzlich sah er alles viel klarer. Es war, als würde Liliths Aura selbst ihn umhüllen. Genauso wie seine Lilith. Magie war schon etwas Wundervolles. Sie machte Dinge viel intensiver und konnte unmögliches möglich machen. Ihr ganzer Körper schien in gelben und roten Tönen zu baden. Er sah an sich selbst hinab und konnte violette und grüne Töne an sich erkennen. Die Farben ihrer Familien und ihrer Herkunft.
Lilith öffnete nun auch die Augen und er konnte sehen, wie ihre Augen beinahe strahlten. Der Grünton in ihren Augen schien beinahe gänzlich verblasst zu sein und der goldene Kreis, der immer um ihre Pupille zu sehen gewesen war, nahm beinahe ihre ganze Iris ein. Plötzlich ertönte ein lautes Knurren über ihnen und Lilith ließ Raivis Hand erschrocken los. Er selbst ging ebenfalls einen Schritt zurück und sah sich verwirrt um. War das etwa Einbildung gewesen?
„Hast du das gehört?“ Sie blickten sich verängstigt um, als würde sie dieses Geräusch nicht zum Ersten mal hören. „Ja. Woher kam das?“
Lilith sah ihn nun überrascht an. „Es war das knurre eines Drachen.“
Auf einmal war es an ihm überrascht zu sein. Eines Drachens? Drachen hat es in ihrer Heimat wie Sand am Meer gegeben. Doch sie flogen immer hoch am Himmel und kamen beinahe nie auf die Erde. Der Körper eines Drachen war nicht dazu gemacht sich auf der Erde fortzubewegen. Sie waren schlangenähnliche über zwanzig Meter lange Geschöpfe mit schuppen und einem flossen ähnlichem Schwanz. Sie bewegten sich schnell durch die Luft und tauchten bis zum Grund des Meeres. Sie ernährten sich ausschließlich von Magie der Menschen.
Seit jedoch ihr Land, das voll von Magie war, versunken ist, sind auch die Drachen verschwunden. Zumindest hatte er keinen Einzigen jemals mehr gesehen. „Bist du dir sicher? Du weißt doch das Drachen ohne Magie nicht leben können? Und ich habe seit dem Untergang unseres Landes keinen einzigen mehr gesehen.“
„Das sagst du mir? Ich kenne das Geräusch. Wenn man ein einziges mal in seinem Leben einen Drachen knurren gehört hat ist es etwas das man niemals wieder vergisst. Es ist... schrecklicher als das Knurren eines Wolfwächters, oder das trampeln eines Mammuts. Es geht tiefer als das schrecklichste Gefühl und man hört es, egal wo man sich befindet, wenn es auf einen gerichtet ist. Es ist über Länder und Welten zu hören. Es ist einfach...“
Lilith suchte nach dem richtigen Wort. Raivis half ihr dabei. „... einzigartig? … unverkennbar? ...unvergleichbar?“ Sie lächelte nickend zu ihm auf.
„Ja. Ungefähr so würde ich es beschreiben. Aber ich glaube kaum, das wir ausgerechnet hier einen Drachen finden werden.“ Ihr Blick war genauso fragend und unsicher, wie er selbst. Aber wieso sollte ausgerechnet ein Drache sie beide an knurren?
„Ich verstehe aber nicht, wieso ein Drache uns bedrohen sollte, falls es tatsächlich einer war.“
„Vielleicht, hat es ihm nicht gefallen, das wir beide unsere Magie verwoben haben.“
„Das ist doch Schwachsinn. Wieso sollte einem Drachen so etwas interessieren? Der Drache unter dem mein Familienwappen steht, hat mich, als ich meine Magie zu oft wegen dir verwendet habe, auch nicht ermahnt. Er hat mir bloß gesagt...“ Lilith fühlte auf einmal wieder die roten Augen auf ihrer Haut brennen, und die Schuppen der kleinen Echse unter dem Mondlicht sanft schimmern. Die knurrende Stimme erklang abermals in ihrem Kopf und der Satz wiederholte sich wie eine Schleife in ihrem Kopf. > Der Regen fällt auf dieselbe weise, in jedem anderem Teil des Planeten. Orientiere dich daran, wenn du orientierungslos scheinst<
Sie wiederholte diesen Satz einmal laut und er klang dabei vollkommen absurd. Was sollte das überhaupt bedeuten?
„Was? Das ist ja äußerst hilfreich. Hat er sonst noch etwas gesagt? Zum Beispiel das wir regelmäßig unsere Unterwäsche wechseln sollen? Uns gesund ernähren?“
Sie konnte den Spott in seiner Stimme lautstark heraushören und blickte ihn lediglich finster an. „Gesunde Ernährung? Ja das wäre einmal etwas, das wir auf unsere Top- Liste der heutigen Tätigkeiten schreiben könnten. Gib mir bitte meine Kleidung.“ Kopfschüttelnd reichte er ihr das Kleid und überprüfte sein Bargeld. „Ich muss später an einem Banktomaten halten. Ich muss meine Scheine wechseln.“
Lilith nickte und folgte ihm hinein in die Gaststätte. Diese war gemütlich aufgebaut und selbst vom Eingang recht überschaubar. „In den oberen Stockwerken sind kleine Andenkenläden. Wenn du möchtest, können wir dann noch etwas Kleidung und Essen für Unterwegs holen.“
Lilith nickte wieder zustimmend. Was sollte sie sonst tun? Raivis Nähe verunsicherte sie derweilen, da sie nicht wusste, was das Knurren des Drachens bedeuten sollte. Oder hatte sie sich das lediglich eingebildet? Ein Drache in einer Magie freien Welt? Nun, ja. Zeitreisen waren auch nicht möglich, oder die Fähigkeiten von anderen Magiebenutzer zu kopieren. Wer wusste da schon, was alles noch möglich war.
„Auf was hast du Lust?“ Lilith beugte sich über die Bestellkarte, um etwas zu sehen. Raivis deutete auf ein vegetarisches Gericht. „Das ist richtig gut. Es besteht aus den heimatlichen Gemüse mit Käse überbacken und dazu Zwiebackbrötchen. Klingt nicht nach viel, aber es ist richtig sättigend.“
„Ja. Klingt tatsächlich gut. Und bitte nur einen Orangensaft mit Fruchtfleisch. Ich mag diese übersüßten Sachen nicht.“
Raivis lächelte und deutete auf eine Vitrine mit Kuchenstücken. „Dann möchtest du wohl keine Nachspeise?“
Sie schüttelte den Kopf und dachte daran, wie sich Raivis Augen verändert hatten. Sie wollte es nicht ansprechen, da sie angst hattem was es wohl bedeutete. Nun waren seine Iriden wieder so dunkelbraun, beinahe schwarz mit diesem einzelnen grünen Splitter neben seiner Pupille. Vorhin jedoch, als sie beide von ihren eigenen Augen umgeben gewesen waren. Sie hatten so hellgrün gestrahlt. Es war noch intensiver gewesen als ihre eigene Augenfarbe. Beinahe erschreckend. Ob es etwas mit der Magie zu tun gehabt hatte? „Alles in Ordnung? Du siehst mich so an, als würdest du etwas sagen wollen.“
„Das möchte ich auch... irgendwie. Aber, ich weiß nicht wie ich es beschreiben soll.“
Raivis Hand lag plötzlich auf der von Liliths und drückte sie aufmunternd. „Keine Sorge. Wir nehmen sich hier ein Zimmer und reden später bei einer Tasse Tee. Magie ist alles andere als einfach, wenn es das ist worüber du sprechen möchtest.“
Sie nickte und einige Minuten später aßen sie. Ausnahmsweise war sie einmal bei guter Laune, während sie ihm gegenüber saß. Vielleicht konnte er doch nett sein, wenn er sich zusammennahm. Sie hatten beide ihre anstrengenden Charakterzüge. Ob sie es sich eingestehen wollte oder nicht.
„Also gut. Hier, er ist nicht gesüßt.“ Lilith nahm dankend eine Plastiktasse entgegen und blies auf den heißen Tee. Er roch gut nach frischen Kräuter und sie fragte sich, wie die Menschen so etwas nur erschaffen haben können. Wenn sie zu Hause Tee bekam, dann lagerten sich am Boden immer die Kräuter an. Diese konnten zwar öfter benutzt werden, doch nur am selben Tag.
„„Was ich sagen wollte... Es geht um deine Augen.“ Überrascht kippte Liliths unfreiwilliger Zeitreisebegleiter beinahe seine Tasse um, als er sie abstellte und blickte die junge Prinzessin überrascht an.
„Hat sich meine Augenfarbe etwa auch geändert?“
Nun war es an ihr überrascht zu sein. „Ähm, ja. Meine etwa ebenfalls?“
Raivis nickte. „Ja sie hatten einen intensiven Goldton. Sie glühten richtig und das grün deiner Augenfarbe war beinahe überhaupt nicht mehr zu sehen.“ Lilith hatte ihn eben nicht direkt angesehen und sie konnte sich nicht erinnern, ihm jemals so lange in die Augen geblickt zu haben, das er sich die ihre merken konnte.
„Woher weißt du was meine Augenfarbe ist?“ Ihre Stimme klang etwas zickiger, als sie wollte, doch das konnte sie nun nicht mehr ändern.
„Ich... Ich habe sie verglichen, als sie nicht mehr Gold waren.“ Abgehakt und vollkommen unehrlich. Das merkte sie sofort. Er hatte sich tatsächlich ihre Augenfarbe gemerkt? Aber wieso? Sie konnte aus seiner Stimmlage hören, dass er sie angelogen hatte, gerade eben, aber wieso war ihm das unangenehm? Auch ihr war von Anfang an seine schwarzen Augen aufgefallen. Aber genauso kannte sie die Farbe von Al, Backe und Northan ebenfalls. Oder die ihrer Eltern und... Wenn sie so darüber nachdachte, konnte sie sich Augenfarben tatsächlich einfach merken.
„Möchtest... Möchtest du es vielleicht noch einmal probieren?“
Raivis blickte sie für einen Moment forschend an. Sie selbst wiegte das für und wieder immer wieder in ihrem Kopf ab. Aber wenn sie tatsächlich einen Drachen gehört hatte, dann musste sie es einfach noch einmal probieren.
Raivis nickte und sie schoben die Möbel auf die Seite, sodass ein großer freier Raum entstand. „Warte, der Spiegel.“ Lilith deutete auf eine zwei Meter hohen Spiegel, der neben einem Kleiderkasten stand. „Stell ihn dort an das Regal, vielleicht sehen wir durch ihn etwas, das wir vorhin nicht gesehen haben.“
Gehörig stellte Raivis den schweren Spiegel um, sodass sie beide darin zu sehen waren, mit dem gesamten Raum, in dem sie saßen. Danach kniete er sich in dieselbe Position wie Lilith und streckte seine Arme aus.
Sie griff danach und diesmal befanden sie sich sofort in der magischen Zone, welche sie erschaffen hatten. Staunend betrachteten sie die Auren um sich herum und Lilith mussten dabei kichern. Raivis grellen grünen Augen, blickte sie mahnend an. „Das ist kein Spaß. Sieh in den Spiegel.“
Lilith folgte seiner Anweisung. Tatsächlich Liliths Augen leuchteten so Gold wie die Schuppen des Drachen, dessen Geburt sie verdankte. „Der Drache, dessen Geburt ich verdanke. Er hat mich gerettet. Er muss... eine magische Spur auf mir hinterlassen haben.“
„Ein Drache? Wieso sollte er dein Leben retten wollen?“
Lilith erzählte ihm von der Geschichte, die ihr Vater ihr ein einziges mal erzählt hatte und Raivis nickte verstehend. „Hast du eigentlich schon einmal darüber nachgedacht, dass es vielleicht eine Lüge vom Drachengott sein hätte können? Ich meine... Ich denke nicht dass er was Leben angeht, damit spielen würde, aber es klingt... nun, ja. Schon irgendwie wie... Ich weiß nicht...“
„Du meinst, es könnte eine Prüfung gewesen sein?“
Sollte ihn der Drachengott prüfen sollen? Wir dienen unserem Gott schon, seit wir denken können. Wir geben ihm unsere Magie, dafür gibt er uns ein friedliches Leben und ein langes. Ich kann mir einfach nicht vorstellen...“
„Vielleicht... Ich möchte dir ehrlich nichts einreden, aber du hast recht. Zwischen den Königreichen herrscht schon seit Jahrhunderten Frieden. Die Welt blüht und gedeiht. Vielleicht wollte der Drachengott einfach nur wissen, ob wir es überhaupt wert sind.“
Lilith ließ ihren magischen Blick durch den Raum schweifen. Sie ließ Raivis los und erhob sich. Die Energie im Raum blieb gleich und es schien, als würde alles nur aus diesen Farben bestehen. Rot, Lila und Gold so wie Grün.
„Lilith... Wir haben ein Problem.“ Lilith wandte sich zu Raivis um. Und da saß sie. Sie saß immer noch mit geschlossenen Augen direkt vor Raivis. Sie sahen aus wie Statuen und so etwas wie ein kleines magische Band schien sie zu verbinden. Raivis, stand neben sich selbst und blickte erschrocken durch den Raum. „Wir haben unseren Geist vom Körper getrennt. Aber wie?“
Wollte der Drache sie etwa davor warnen? Lilith machte einen Bogen um ihre zwei am Boden knienden Körper und versuchte Raivis mit einem Finger zu berühren. Entsetzt schrie er auf.
„Bist du wahnsinnig? Das tat höllisch weh.“ Er rieb sich die Schulter und funkelte sie wütend an.
Lächelnd betrachtete sie ihren ebenfalls schmerzenden Finger. „Wir bestehen aus Energie. Das ist... Das ist unsere Macht. Ich glaube, dass wir tatsächlich reisen können. Wir müssen nur am Heimweg so viel Energie aufnehmen, wie wir können. Dann sollten wir den Sprung eigentlich schaffen.“
„Trotzdem ich finde das nicht sicher. Es ist einfach zu riskant. Sieh uns an. Wie sollen wir wieder in unsere Körper zurück?“
„Das ist einfach. Wir benutzen unsere Magie durch Konzentration. Wir brauchen nur erschreckt werden oder abgelenkt sein, dann sind wir wieder in unseren Körpern.“
Raivis beugte sich zu Lilith hinab und klopfte ihr auf den aus Energie bestehenden Kopf, während er mit der andern Hand auf ihre Körper deutete. „Hallo! Bin ich der einzige von uns beiden, der merkt, dass wir unsere Körper nicht steuern können? Wir sind...“
Lilith schob seine Hand weg, doch nutzte ihre Chance. Ohne darüber nach zu denken was sie eigentlich tat, beugte sie sich ihm entgegen und legte ihre Hand auf seine Wange. Überrascht blinzelte er sie durch seine grünen Augen an. Als er begriff, was sie machen wollte, versteifte er sich und blickte sie unverwandt an.
Kurz jedoch, bevor sie einen wirklichen Fehler begehen konnte, war er auch schon verschwunden und sie wandte sich zu seinem Körper um. Raivis saß im Raum und blickte vollkommen schockiert auf Liliths beinahe leblose Hülle. Er entzog der Prinzessin seine Finger und blickte sie an, als würde er sie zum ersten mal sehen.
Hatte Lilith ihn denn tatsächlich so sehr erschreckt? Lilith bezweifelte, dass er die letzten tausend Jahre auch nur ansatzweise Abstinent gewesen war. Aber was hatte ihn dann so erschreckt? Eigentlich hatte sie nicht vor gehabt ihn wirklich zu küssen, doch wollte ihn nur so sehr ablenken, dass er wieder in seinen Körper gezogen wurde.
Raivis kniete noch für einen Moment auf dem Boden, bevor er sie sanft schüttelte und Lilith ihre richtigen Augen öffnete. Doch etwas war komisch. Ihr ganzer Körper glühte, als wäre sie gerade durch eine Feuersäule spaziert. Ob das Nachwirkungen von dem magischen Ausflug waren? Ihr Herz raste so schnell, dass sie Angst bekam, das es gleich aus ihrer Brust drang und einfach so davon liefe, ohne sie. Mühsam stemmte sie sich hoch und ging zum Waschbecken um sich kaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen. Als sich Liliths Puls langsam beruhigte, trocknete sie sich ab und ging zurück in das kleine Zweibettzimmer. Raivis war gerade dabei alles wieder an seinen rechtmäßigen Platz zu schieben und sie half ihm dabei.
Während sie nebeneinander schweigend arbeiteten, fragte sie sich, ob sie ihn vielleicht auf diese magische Erfahrung ansprechen sollte. Aber wie sollte sie es beginnen? Sie wusste ja selbst nicht einmal, wie sie sich fühlen sollte. Es war unvergleichbar gewesen, das musste sie sich eingestehen. Aber neben diesem Hochgefühl hatte sich noch etwas eisiges um ihr Herz gelegt. Es fühlte sich... enttäuscht an. Aber was hatte sie denn erwartet? Das ein Drache kam und ihr alles erzählte, was sie wissen wollte? Ein Drache machte das, was ihm gefiel und vor allem, wann es ihm gefiel. Das war schon immer so gewesen. Niemand kannte die Wege eines Drachen. Sie waren unergründlich so wie unerreichbar.
Am nächsten Morgen, brachen die Prinzessin und der schwarze Magier bereits vor Sonnenaufgang auf. Raivis sprach ausschließlich das nötigste mit ihr und saß im Taxi sogar vorne am Beifahrersitz, anstatt hinten bei ihr. Einerseits wusste sie nicht wieso er plötzlich so distanziert war, doch andererseits störte es sie im großen und ganzen nicht. Lilith nutzte die Zeit um noch etwas zu schlafen und über das geschehene nach zu denken. Sie konnte nicht behaupten, dass ihr Leben langweilig war, jedoch auch nicht wünschenswert.
Lilith konnte keine einzige Minute damit verbringen nicht an ihre Familie zu denken, oder ihre Heimat. Oftmals fragte sie sich, ob sich ihr Leben großartig ändern würde, wenn sie sich nicht in die kleine Gruppe eingeschlichen hätte, die den Turm gestürmt hat. Jedoch hatte sie andererseits auch Angst vor der Antwort, denn wenn sie im Schloss gewesen wäre, dann hätte der schwarze Magier sie ebenfalls getötet.
Raivis...
Lilith gestand sich ein, dass sie mittlerweile überhaupt keine Ähnlichkeiten mehr mit dem schwarzen Magier und Raivis finden konnte. Das Einzige was sie beide wirklich gemeinsam hatten, waren ihre dünnen kräftigen Hände und ihre Arroganz. Raivis trug derweilen nicht einmal etwas Schwarzes. Sie hatte ihn eigentlich auch bisher nur in Jeanshose, Turnschuhen und einem T-Shirt gesehen. Außer in Russland, da hatte er einen dicken grauen Mantel getragen. Nein, Raivis war alles andere als der schwarze Magier, den sie von damals kannte. Aber was würde sie machen, wenn sie wieder in ihrem Königreich stand?
Kopf an Kopf mit dem schwarzen Magier.
Wenn sie Raivis Gesicht sah? Sich an den erinnerte, den sie heute kannte. Hätte sie die Kraft ihn trotz allem zu töten?
Das Taxi hielt, und Raivis deutete ihr auszusteigen. „Wir sollten... eigentlich... Dort. Komm mit.“ Er deutete auf eine Poststation, von wo aus sie sich eine Landkarte holten, um sich zurechtzufinden. Zusammen erreichten sie ein Bankgebäude, von wo aus sie sich mit dem Schüssel und dem Losungswort, das auf dem beiliegenden Zettel stand, einen Brief abholten.
Frustriert, knüllte Raivis das Papier zusammen. „Wenn wir zurück sind, dann werde ich diesem verdammten Köter kastrieren. Eigenhändig!“ Seine Stimmlage verriet, dass Lilith ihn wohl nicht darauf aufmerksam machen brauchte zu erwähnen, dass sie dabei jedoch Northan beistehen würde, sondern nahm ihm lediglich den Brief aus der Hand. Eine Adresse...
„Wo ist das?“
„Noch etwas weiter nördlich. In einem Gebiet, dass von Werwölfen nur so wimmelt. Es ist ein ganzes Dorf voller Köter. War ja klar, dass er sie bei seinen Nachkommen versteckt!“
Lilith ließ den Brief aus Versehen fallen, doch konnte nicht anders als Raivis entsetzt an zu sehen. „Was meinst du mit Nachkommen?“
„Die Wölfe. Sie sind das Produkt seiner Hurerei. Kleines, er ist ein Tier, ob du es wahr haben willst oder nicht. Es hat in keinem der fremden Länder jemals Wölfe gegeben. Erst ein paar tausend Jahre später, bin ich Menschen begegnet, denen er lehrte wie man das Gleichgewicht zwischen Wolf und Mensch findet. Irgendwann traf ich dann auf Menschen, die mehr Wolf als Mensch waren und das zog sich so weiter, bis zu unseren heutigen Hauswölfen, die dir so ergeben dienen.“
Lilith funkelte Raivis wütend an, doch er beachtete sie überhaupt nicht. „Sie dienen mir nicht. Sie sind Leute, denen ich zufällig begegnet bin und die mir helfen wollen. Leuten denen ich wegen dir begegnet bin, da du mich angefahren hast.“
Raivis wandte sich so schnell um, dass sie beinahe in ihn hinein lief. „Ach, ja? Wenn das alles also meine Schuld ist und du mich so sehr hasst, was sollte... Wieso folgst du mir dann überhaupt noch?“
„Weil ich wieder nach Hause muss. Und um nach Hause zu kommen, muss ich dich und Northan mitnehmen. Und du hast dir ja eingebildet noch irgendetwas fürchterlich mysteriöses zu suchen, während wir eigentlich etwas besseres zu tun hätten!“
„Von mir aus könntest du mich gerne hier lassen. Ich bin nicht sonderlich erpicht darauf wieder in das stinkende Loch zurückzukehren, dass du Heimat nennst.“ Raivis wandte sich wieder ab, doch Lilith hielt ihm am Ärmel fest. Dieses Gespräch würde sie nicht einfach so enden lassen. Er musste mit. Ohne ihn konnte sie nicht nach Hause zurückkehren.
„Aber ich will zurück. Und Northan will zurück. Du bist leider überstimmt worden. Gib wenigstens zu, dass du einfach nur Angst hast wieder zurückzukehren.“
„Angst? Vor was sollte ich denn Angst haben? Unendlich reichende Magie, die ich nutzen könnte um eine kleine Prinzessin wie dich und deine, wie viele verbliebenen? Tausend? Tausendeinhundert? Mehr Leute hast du doch überhaupt nicht mehr. Und die bestehen hauptsächlich aus Frauen und Kindern. Ich weiß ja überhaupt nicht was du dort überhaupt willst. Es ist ein Drecksloch und wir stehen auf der Evolutionsstufen nicht einmal hoch oben. Für damals, ja. Da waren wir bereits weit. Aber erkläre mir, wieso sollte ich noch einmal anfangen? Ich habe hier mehr als das man sich wünschen kann.“
„Und was ist mit meinen Wünschen? Denkst du ich habe keine? Denkst du mich führt diese Welt nicht ebenfalls in Versuchung? Aber das hier.“ Lilith machte eine Bewegung, was alles mit einschließen sollte. „Das alles ist nichts als eine Welt wie sie wäre, wenn unser Volk tatsächlich...“
„Unser Volk? Wohl eher >dein< Volk. Ich weiß zwar nicht wie es in deinem Königreich abläuft, aber ich glaube kaum, dass es Magiebenutzer wie meiner Familie wesentlich besser geht. Wir konnten im Winter lediglich mit Glück überleben. Jeder hat uns Verachtet und wir wurden mit faulem Obst beworfen. Du hattest ja wenigstens Glück. Du bist eine Königstochter. Da sieht man darüber hinweg!“ Deswegen hat er das also getan. Um sich auch einmal zu behaupten.
„Raivis... I-Ich wusste nicht...“
Er riss sich los und wandte den Blick ab. „Woher denn auch. Als würde sich jemand wie du für uns Ausgestoßene Interessieren. Du hattest vermutlich andere Sorgen. Zum Beispiel welches Seidenkleid du wohl zu Mittag anziehen wirst, oder was dein Daddy sagt, wenn du einmal statt einem knick, dich verbeugst. Ach... Was weißt du schon...“
Ausgestoßene? Lilith hatte schon viele Gerüchte gehört, doch niemals welche gesehen. Sie lebten meist als Heimatlose um die Berge herum, in der Mitte des Landes. Dem einzigen freien Fleck, der niemand gehörte, da sich dort nichts außer Felsen und Echsen befanden. Dort lebten sie, meist mit einem Mal im Gesicht, da sie die größten und schwersten Verbrechen begangen hatten. Mord am Königshaus, öffentliche Magiebentzung oder Massenmord. Anscheinend wurde ein Ahne aus seiner Familie verbannt und hatte sein Blut draußen in der härte des Berges weitergegeben. Und Raivis hatte sich gleich sämtlicher großen Schandtat genüge getan. Er hatte alle Königshäuser ausgelöscht, hatte Massenmord an mehreren tausend Unschuldigen begangen und hatte seine Magie für jedem zur Schau gestellt.
Raivis tat recht daran sich zu fürchten. Er würde bestimmt nicht mehr in die Berge zurückgeschickt werden. Er würde gehängt werden, und sein toter Körper an Aasfresser verfüttert.
Darüber hatte sie noch überhaupt nicht nachgedacht. Auch wenn er sich in den letzten tausend Jahren geändert hatte, war, er sobald sie zurückkamen in jedermann Augen der gefürchtete schwarze Magier. Lediglich Northan, und sie selbst würden über alles Bescheid wissen. Aber wie konnte man vielen verängstigten Menschen so etwas nur beibringen? Niemand würde ihr glauben.
Sie könnte sich nicht einmal selbst glauben. Irgendetwas musste sie doch tun können. „Aber es kennt doch niemand dein Gesicht. Du könntest einfach vom Erdboden verschwinden und unter einem anderem Leben weiter machen.“
„Und was dann? Nehmen wir an ich hätte einen anderen Namen und ich würde in einem neuen Königreich leben. Was dann? Ich könnte niemals mehr meine Magie benutzen. Ich müsste immer nach Gesichtern Ausschau halten, die mich vorher bereits kannten, oder gekannt haben könnten. Ich müsste über den Krieg lügen und immer darauf aufpassen, was ich sage.“
Lilith musste ihm wieder zustimmen. „Dann komm zu mir ans Schloss.“
Das schien Raivis tatsächlich aus dem Konzept gebracht zu haben, denn er blickte sie einige Sekunden einfach nur verwundert an. Als er seine Stimme wieder fand, klang sie wahrlich so, als würde er sich zwingen die Worte aus zu sprechen. „Und als was sollte ich deiner Meinung nach dort leben?“
„Mein persönlicher Berater. Ich werde vorübergehen Königin sein, bis ich einen ehelichen Sohn gebäre und er alt genug ist, kann ich deine Hilfe beim Aufbau des Reiches gebrauchen. Du kennst die anderen Länder besser als ich.“
„Ach, ja. Dein persönlicher Berater. Und wie wird das ablaufen? Werden wir uns wie hier fünfzehn Stunden am Tag Zanken und die restlichen schlafen?“ Die beiden waren sich oft uneinig und durch ihre starken Charakterzüge, krachten sie andauernd aneinander. Damit hatte der schwarze Magier recht. Weder Raivis noch Lilith konnten nachgeben, oder zugeben, wenn der andere recht hatte. Aber trotz allem würde sie nicht ohne ihn gehen.
„Von mir aus. Wenn es nicht anders geht. Lieber streite ich den ganzen Tag und die gesamte Nacht mit dir, als ohne dich zurückzukehren.“
„Was ist, wenn ich nicht dein Berater sein möchte? Wenn ich lieber weiterhin meine Magie benutze wie es mir gefällt? Wenn ich lieber weiterhin der böse sein möchte, vor dem sich alle fürchten? Was ist dann? Wirst du mich dann töten?“ Seine Stimme hatte einen drohenden Unterton angenommen und die Prinzessin wusste, dass sie nicht lügen konnte, selbst wenn sie es gewollt hätte. Andererseits konnte sie auch nicht einfach das sagen, was sie wollte.
Stattdessen stellte sie die gleiche Frage. „Würdest du es denn? Würdest du mich töten, wenn ich mich weiterhin gegen dich stelle?“
Sein plötzliches Schweigen beantwortete seine eigene Frage, so wie ihre Gegenfrage seine. Nein, sie könnten es beide nicht mehr. Nicht nachdem, was sie beide verband. Nach einigen Sekunden in denen sie sich einfach nur anstarrten, legte Raivis der sturen Prinzessin lächelnd eine Hand auf den Kopf, woraufhin sie ein unsagbares Glücksgefühl empfand.
Vermutlich hatte dieser Streit ihrer Freundschaft ungemein geholfen. Sie wussten nun beide, dass sie sich selbst nicht eingestehen konnte, wie wichtig sie einander waren. Lilith konnte nur hoffen, dass sie irgendwann einmal den Mut dazu finden würde, ihm zu sagen, was sie empfand. Obwohl er so unausstehlich war, war sie drauf und dran sich an ihm zu verlieren. Und sie hatte keinerlei zweifel, dass er es ebenfalls wusste. Doch wie stand es wohl um ihn?
„Wir sollten wohl endlich weiter zu meiner Mutter aufbrechen. Sonst kommen wir ja nie hier weg.“ Raivis holte sich einen Mietwagen von einem Autohaus in der Nähe.
„Wieso bist du eigentlich nicht schon von Anfang an selbst gefahren?“
„Weil man einen Mietwagen zurück verfolgen kann. Aber ein Taxi unter tausend anderen nicht ganz so einfach. Außerdem ist es einfacher mit einem Taxi über die Grenze zu kommen. Und dort wo wir jetzt hin fahren, sind Augenzeugen nicht sonderlich erwünscht.“
Lilith erkundigte sich auf dem Weg, der lediglich drei Stunden dauerte nach den Wölfen in dieser Gegend. Anscheinend lebten sie lieber als Familiengruppen auf einem Grund. Sie konnte es ihnen nicht einmal verdenken. Die Länder hier waren viel reicher an Wald als alles, was sie in letzter Zeit gesehen hatte. Natürlich hätte sie noch viel mehr zu besichtigen, aber dafür blieb ihr keine Zeit.
„Ist alles in Ordnung? Du siehst so traurig aus.“
Lilith nickte. „Ja. Ich finde es nur traurig, dass ihr so viel Zeit hattet und ich... Ich habe all diese Zeit verschlafen. So zu sagen...“
Raivis lachte und lenkte über eine Kreuzung. „Mach dir darüber keinen Kopf. Wir werden wenn wir zu Hause sind noch genug Zeit haben um darüber zu sprechen.“
Lilith war nicht zu lachen zumute. Natürlich wollte sie viel lieber nach Hause. Doch dort wartete die harte Realität auf sie. Eine Realität, die sie zum Weinen bringen wird. Eine Hand auf ihrem Oberschenkel schreckte sie aus ihren Tagträumen. Raivis sah sie zwar nicht an, doch hatte ihr die Hand auf den Fuß gelegt. Sie fühlte wie sich ihr Herzschlag beschleunigte und verschränkte ihre Finger mit seinen, sah dabei jedoch aus dem Fenster während sich ein Lächeln auf ihre Lippen stahl.
Sie hatte keine Ahnung, weshalb sie plötzlich so lächeln musste, doch es tat gut einmal etwas anderes zu fühlen als ihre übliche Ungeduld und ihren Schmerz, den sie wie eine zweite Haut trug. Innerlich fragte sie sich, ob er gerade dasselbe fühlte, doch hatte zu viel Scheu davor zu ihm zu sehen. Vielleicht würde er auch überhaupt nicht lächeln. Oder er...
Nein, sie durfte sich jetzt nichts einreden. Er spendete ihr lediglich Trost durch seine Anwesenheit. Das war alles. „Was denkst du gerade?“
Starke Nervosität breitete sich in Lilith aus. War das eine ernst gemeinte Frage? Ihr Herz raste wie noch nie und sie fühlte, dass sie ihr Lächeln immer noch nicht aus dem Gesicht bekommen hatte. Zu allem Überfluss fragte er auch noch, was sie dachte.
„Ich weiß es nicht. Mein Kopf.. fühlt sich so leer an. Und auch irgendwie nicht. Ich weiß es nicht. Ich bin verwirrt. Das ist alles.“
„Dir ist doch bewusst, das wir bereits seit sieben Minuten auf einem Parkplatz stehen.“
Überrascht sah sich Lilith bewusst um. Tatsächlich! Sie standen auf einem beinahe leeren Parkplatz von einem Einkaufszentrum.
„Oh...“ War alles, was sie dazu sagen konnte, bevor sie seine Hand losließ und ausstieg. In einem gemütlichen, von schweigen geplagten, Tempo gingen sie hinein in den kleinen Einkaufsmarkt und holten sich etwas zum Trinken und zum Essen.
Lilith wünschte sich auch noch einige Beeren, die sie im Auto naschen wollte. Jedoch verbot Raivis ihr Sachen mit denen sie Kleckern konnte und er auch noch dazu eine Reinigung zahlen müsste. „Aber wehe du machst Flecken mit den Brombeeren. Hier nimm noch Tücher, sonst wischt du dich etwa noch im Sitz ab.“
Er tat gerade so, als würde er mit einem kleinen Kind sprechen. „Im Grunde sollte ich dir das ja auch noch zum Fleiß machen.“
„Wieso zum Fleiß?“ Sie lächelte und nahm ein Päckchen mit Feuchttücher aus dem Regal. „Weil du mich immer damit nervst, das ich etwas Dreckig mache. Dabei habe ich bis jetzt noch nicht einmal etwas angebröselt.“
„Siehst du, genau da ist das Problem. Es ist noch nichts passiert. Also verlässt du dich darauf und wirst unvorsichtiger.“
„>Unvorsichtiger<? Ist das überhaupt ein Wort?“
„Natürlich ist das eines. Und jetzt gehen wir Zahlen, sonst kaufst du mir den ganzen Laden auf.“ Raivis legte Lilith beiläufig einen Arm auf den Rücken und schob sie in die Richtung, wo die Kasser mit einer gelangweilten Frau stand.
Dort angekommen, räumte Lilith den Wagen aus, während Raivis ihr dabei zusah. „Was ist los?“
„Nichts, ich denke nur nach.“ Kam seine Antwort, während er nach Kaugummis im Regal griff.
„Über was?“
„Vieles.“ War seine ausweichende Antwort.
Lilith stemmte eine Hand in die Hüfte und blickte ihn mahnend an. Vor den beiden kamen noch zwei andere Kunden dran, daher hatte die neugierige Prinzessin noch Zeit Raivis auszufragen. „Du weichst meinen Fragen aus.“
„Vielleicht weil es nichts ist, das man hier besprechen könnte.“ Er deutete auf die Menschen um sich herum, die jedoch mehr mit sich selbst beschäftigt waren.
Lächelnd änderte sie die Sprache in die von ihrem Land. „Ich schätze das werden sie nicht verstehen.“
Schmunzelnd legte der Magier ihr eine Hand auf den Kopf und wuschelte durch ihre Zöpfe. „Scherzkeks.“
Nachdem sie bezahlten, schob Lilith den Einkaufswagen zum Auto und Raivis ging so nahe neben ihr, dass sich ihre Schultern hin und wieder berührten. Wenn sie daran dachte, dass sie gestern noch seine Nähe nicht ertragen konnte, fragte sie sich, wieso es sich jetzt auf einmal so gut anfühlte.
„Lilith.“ Sie blickte fragend zu ihm auf.
„Wir sollten für heute eine Rast einlegen.“
„Was? Es ist noch nicht einmal Mittag.“ Sie waren bereits seit dem Sonnenaufgang unterwegs und sie wusste zwar nicht, wie weit sie es noch hatten, jedoch schien es nicht mehr allzu weit zu sein.
„Ich weiß. Aber ich bin müde vom Fahren, das kostet mehr Energie als das man denkt.“
Lilith nickte und schloss den Kofferraum. „In Ordnung. Nicht das wir noch in einem Graben landen, weil du am Steuer einschläfst.“
Eine halbe Stunde später öffnete sie die Türe zu einem geräumigen gemieteten Zimmer, welches sie bis morgen früh haben würden.
„Ist alles in Ordnung? Du siehst so... nervös aus.“ Lilith hielt dem Magier eine Hand auf die Stirn. Fieber hatte er keines.
„Ja, danke.“ Er nahm ihre Hand von seiner Stirn und legte sie sich auf die Schulter. „Ich wollte nur endlich ungestört mit dir sein.“ Ihre Augen weiteten sich überrascht. So nahe war sie ihm noch niemals zuvor gewesen. Ihre Arme lagen in seinem Nacken und sie fuhr mit den Fingerspitzen durch seine stirnlangen braunen Haare. Sie glitten seidig hindurch und ihr Herz begann wieder eilig zu schlagen.
Raivis Arme lagen um ihre Hüften und hielten sie fest. Lilith wusste, dass sie den Halt verlieren würde, wenn er sie jetzt losließe. Aber wieso fühlte sie sich von ihm so stark angezogen. Lag es an der Magie, die durch sie floss? Ihre magische einzigartige Fähigkeiten, hatten die seine angenommen und umgekehrt.
„An was denkst du jetzt?“ Die Frage kam unerwartet und sie konnte in seinem belustigten Gesichtsausdruck erkennen, dass er das mit Absicht machte.
„Das du unverschämt bist.“ Gab sie kichernd zurück.
Raivis lachte ebenfalls und strich ihr zärtlich mit einer Hand über die Wange. „Wieso bin ich unverschämt?“
„Weil du einer Prinzessin so nahe kommst, wie es nur ihrem Zugesprochenem erlaubt ist.“ Sie biss sich auf die Lippe, da sie plötzlich Angst hatte, dass sie ihn damit vergraulte.
Stattdessen zog er sie noch näher an sich, sodass sich ihre Körper perfekt aneinander anpassten. Sie konnte seinen ganzen Körper an ihrem Eigenen fühlen und trotzdem war es ihr nicht genug. Sie wollte ihn ganz für sich.
„Ach, ist es einem ausgestoßenen schwarzen Magier, etwa nicht erlaubt um den ersten Kuss einer Prinzessin zu bitten?“
Lilith legte den Kopf schräg und lachte laut auf. „Ach, für so kindlich hältst du mich? Ich habe bereits hunderte von Leben beendet und sogar eine Zeitreise mit einem nervigen Kerl begonnen. Da denkst du allen ernstes, dass ich meinen ersten Kuss noch nicht verschenkt hätte?“
Jetzt wirkte Raivis etwas gekränkt, doch er wich immer noch nicht von ihr zurück. „Oh, die kleine Göre denkt etwa sie ist erwachsen.“
„So habe ich das nicht gemeint. Aber gib nicht so an. Du bist höchstens drei Jahre älter als ich.“
„Aber trotzdem älter.“
Lilith hob störrisch das Kinn, was ihm ein noch breiteres Lächeln entlockte. „Du weißt dass ich dich hasse?“
Lilith spielte überrascht, was ihn dazu veranlasste die Augen zu verdrehen. „Ach, deshalb bringe ich dich so leicht zur Weißglut. Das werde ich mir sofort notieren, damit ich es für später nicht vergesse.“
„Gut, dann werde ich dich und dein Notizbuch derweilen alleine lassen, Eure Hoheit.“ Er löste sich geschickt von ihr und sie fiel beinahe hin. In einer eleganten Bewegung verbeugte er sich vor ihr und wollte gerade in das Badezimmer verschwinden.
„Halt! Ich bin eine Prinzessin, und eine Prinzessin lässt man nicht einfach so stehen.“ Lilith verschränkte gespielt beleidigt die Arme vor dem Oberkörper und streckte das Kinn königlich vor. „Komm sofort zurück!“ Sie klopfte an die Badezimmertüre, doch er antwortete nicht.
Lilith fühlte sich, als hätte sie vielleicht übertrieben mit ihrer Neckerei? Sie hatte die ganze Zeit angenommen, dass er an der Neckerei Spaß hatte, doch das er sie jetzt so einfach stehen ließ, verletzte sie etwas.
„Entschuldige, aber ich brauche etwas zwischen uns.“ Kam eine gemurmelte Stimme von der anderen Seite der Türe.
Nun verstand de junge, beinahe noch unschuldige Prinzessin überhaupt nichts mehr. „Habe... Habe ich etwas falsches gesagt? Wenn ja, dann tut es mir ehrlich leid. Ich wollte dich nicht...“
„Nein, nein! An dem liegt es nicht. Nur... ich wollte schon die ganze Fahrt über mit dir alleine sein. Nein, eigentlich bereits seit letztem Abend. Aber... Du hast völlig recht. Du bist eine Prinzessin. Hier bist du es vielleicht nicht amtlich. Aber es liegt in deinem Blut. Alles an dir sagt einem, dass du über jedem stehst. Dein selbstsicheres Auftreten, deine wissenden Augen, sogar deine Stimme. Alles an dir schreit geradezu... dass du königlich bist. Und wir gehen in ein paar Tagen, Wochen oder Monaten wieder in die Zeit zurück, wo du ein ganzes Volk hast, das dich respektiert, ehrt und sogar liebt. Du wirst mich verbannen oder hinrichten müssen, wenn du die treue deines Volkes nicht verlieren willst. Und in beiden Fällen... Ich könnte nicht... Ich möchte nicht das...“
„Du meinst, das du meiner nicht würdig bist?“ Lilith lauschte mit der Stirn gegen die Türe gelehnt auf das leiseste Geräusch, welches aus dem kleinen Raum drang. Doch sein Schweigen war Antwort genug. Er hatte irgendwie recht. Sie konnte unmöglich in ihr Königreich zurückkehren und jedem erzählen das sie ihn... ja was denn überhaupt? Sie konnte nicht behaupten, dass sie ihn liebt. Aber auch nicht, dass sie sich nicht zu ihm hingezogen fühlte. Vielleicht lag es nur an der Magie, dass sie sich ihm verbunden fühlte. Jedoch jetzt wo sie von ihm getrennt, nur durch eine schmale Türe stand, fühlte sie sich einsamer als jemals zuvor. Sie vermisste jetzt schon seine Berührungen. Selbst das kleinste Lächeln löste in ihr eine Freude aus und ihr ganzer Körper kribbelte, wenn nur sein Blick sie streifte.
Vielleicht liebte sie ihn jetzt noch nicht, jedoch war auf direkten Weg dorthin. „Ich... sollte dich Hassen.“ Flüsterte sie an die Türe.
„Dann tu das.“ Kam eine monotone Antwort. Lilith ging einige Schritte zurück und wartete, bis ein Klick ertönte. Es kam erst nach beinahe einer viertel Stunde, doch als sie es hörte, drückte sie ihrerseits sofort die Klinke hinunter und blickte in seine überraschten schwarzen Augen.
Anscheinend hatte er nicht damit gerechnet, dass sie immer noch vor der Türe stand. „Ich möchte dich aber nicht hassen. Ich möchte dass es wieder so ist wie vorhin, als wir durch das Geschäft gegangen sind und als wir an der Eingangstüre gestanden sind. Alleine dafür das du dieses Gefühl überhaupt in mir auslöst, kann ich dich nicht hassen. Ich werde dich nicht hassen.“
Ohne auf eine Reaktion von ihm zu warten, überbrückte sie die zwei Schritte zwischen ihnen und er kam ihr bereits auf halbem Weg entgegen.
Für Lilith lief plötzlich alles in Zeitlupe ab. Sie sah dieselbe Sehnsucht in seinen Augen aufblitzen, welche sie in ihrem Herzen trug. Seine Hände umfassten ihr Gesicht mit einem Griff, der ihr bewusst machte, dass sie bloß noch ihm gehörte. Vielleicht hatte er tausend von Jahren in einem Zeitsprung festgesteckt, doch jetzt war Raivis angekommen.
Und Lilith ebenfalls. Sie würde für ihn kämpfen. Koste es, was es wolle. Die letzten Millimeter überwand sie, indem sie ihn zu sich zog und er überrascht aufatmete. Seine Lippen trafen ihre so unvorbereitet, und das, obwohl sie ihn schon die ganze Zeit spüren wollte. Tausende Empfindungen drangen durch ihr Herz, doch alle drehten sich ausschließlich um ihn. Wie gut seine Lippen schmeckte, wie weich seine Haare sich anfühlten und wie gut sich sein Körper an ihrem anpasste. Wenn sie Perfektion beschreiben sollte, dann wäre es dieser eine Moment mit Raivis.
„Wir sind da. Das ist das Haus. Und wehe es ist wie bei einer Schnitzeljagd, dann ziehe ich ihm den Pelz ab.“ Raivis schlug die Autotüre zu und Lilith betrachtete das Backsteingebäude, das aussah wie ein Gebäude aus dem Königreich der Familie Ostrik aus dem östlichen Königreich. Ob das wohl seine Heimat war? Oder gewesen wäre, wenn seine Familie nicht verstoßen worden wäre?
„Was ist eine Schnitzeljagd?“
Raivis setzte zur Antwort an, doch winkte ab. „Nichts dass einer Erfahrung wert wäre. Nur ein extrem lästiger Zeitvertreib von alten Leuten, die nichts mit ihrer Zeit anzufangen wissen.“ Er rümpfte die Nase und schüttelte den Kopf, als ein kleines graues Tier empört schimpfend von einer Mülltonne weg lief.
„Also das perfekte Spiel für dich?“ Lilith zwinkerte Raivis zu und erkannte sofort das sich, dessen Laune sofort wieder hob.
„Ich dachte das ich nicht so alt wäre?“ Lilith lächelte ihm zu, bevor sie ihm in einigem Abstand zum Zaun des Gebäudes führte. Er drückte auf einen Knopf und ein klingelndes Geräusch erklang im inneren des Hauses. Raivis und Lilith blickten sich nach einiger Zeit verwirrt an, als niemand öffnete.
Im Moment, in dem Raivis ein zweites mal läuten wollte, öffnete sich die Türe langsam und ein Wolfsjunges sprang heraus. Knurrend bellte es sie beide an und Lilith musste unwillkürlich darüber lächeln. Das Wolfsjunge war einfach zu niedlich. Hinter dem Jungtier trat eine hochgewachsene Person aus der Türe und blickte mit einem strengen Blick zu Raivis. Die Frau trug den selben dunklen Blick, den auch Raivis trug, ansonsten ähnelte sie ihm kein bisschen. Sie war stämmig aber nicht dick, sondern kräftig. Sie stemmte beide Hände in die Hüften und dabei wirkte sie als, könnte sie selbst Berge alleine durch ihre Anwesenheit dazu bringen sich selbst zu versetzten.
Ein unsicherer Blick zu Raivis sagte Lilith, dass er selbst ebenfalls unsicher war, und das, obwohl er der Frau so starr entgegen starrte, als wäre sie lediglich ein kleiner Käfer unter seinem Schuh.
„Was suchst du hier?“ Ihre kräftige Stimme ließ darauf schließen, dass sie keine Ausreden duldete.
„Meine Mutter. Aber anscheinend kann ich wieder gehen.“ Lilith war verwirrt. Das war doch seine Mutter, oder? Wieso sollte Raivis den ganzen Weg auf sich nehmen, nur um an der Türschwelle wieder umzukehren?
„Gut, und nimm den Schmutz gleich mit den du aus dem Königshaus mitgezerrt hast.“ Jetzt war Lilith aber tatsächlich beleidigt. Was fiel der Frau ein, so über sie zu sprechen?
„Kehr erst einmal in deinem eigenem Vorgarten, bevor du dich über den von anderen beschwerst.“
Raivis öffnete den Gartenzaun, indem er einfach darüber griff und aufsperrte. „Du könntest wenigstens so tun, als wärst du froh deinen einzigen Sohn wiederzuhaben. Immerhin hast du ihn vor ein paar tausend Jahre einfach so in den Bergen verlassen mit den Worten >Mach dir keine Sorgen. Ich bin nur einen Wimpernschlag weit entfernt.<“ Er äffte ihre Stimme übertrieben nach. Anscheinend hatten sie keine sonderlich gute Beziehung.
„Ist ja nicht meine Schuld, dass ihr unseren Kontinent versenkt habt. Wäre er noch da gewesen, in der Zeit in der ich wieder Gestalt angenommen habe, dann wäre ich sofort wieder zurück gewesen.“
Raivis, der sich ihr gegenüber an den kleinen Stiegenaufgang lehnte, funkelte wütend zu ihr auf. Lilith selbst stand immer noch an der Grundstücksgrenze und wartete, das sie beide ihren Streit, den sie schon vor Jahren hätten führen sollen, endlich regelten. „Hättest du nicht erst mit den Zeitreisen begonnen...“
„Ich habe nicht mit den Zeitreisen begonnen. Es gab schon seit jeher immer eine Frau die durch die Zeit gereist ist. In jeder Generation wird eine gesegnet, die dem Land helfen sollte. Alleine deswegen bin ich verbannt worden. Tu nicht so als hätte ich uns damit nicht oft genug geholfen!“
Raivis hob abweisend die Schultern und wirkte dabei wieder so unerreichbar wie vor ein paar Wochen, als Lilith ihn zum Ersten mal gesehen hatte. Das machte ihr Angst. „Gut, denn dort drüben steht die neue Zeitreisende. Weder sie noch ich haben eine Ahnung wie es funktioniert. Hilf uns.“
Die Frau blickte nun zum Ersten mal Lilith direkt an. Ihre Mimik war starr, als hätte sie überhaupt keine Gefühle. Zumindest keine, welche die Prinzessin erkennen konnte. Plötzlich fiel die Frau in lautes Gelächter, als hätte ihr gerade jemand einen Witz erzählt. „Im ernst? Im Königshaus der Chrestnik? Normalerweise nehmen sie sich Menschen die unauffällig leben. Die eine andere Sicht auf Dinge haben, als die Könige die nichts als Frieden und Reichtum im Sinn haben.“
„Wer ist >sie<?“ Raivis wirkte plötzlich so drohend, das Lilith angst bekam, dass er sogar mit Gewalt alles aus ihr heraus bekommen würde.
„Niemand, dem du begegnen möchtest, mein Sohn. Wie heißt du keines?“ Ihr Blick ruhte wieder auf Lilith.
Diese hob störrisch ihr Kinn und funkelte die Frau an. „Lilith. Die Zweitgeborene und letzte verbliebene Erbin des Thrones.“
„Letzte verbliebene? Was habt ihr angestellt?“
Raivis ballte die Fäuste und knurrte abgehakt „Ich habe alle Königshäuser ausgelöscht. Lilith ist die einzige die... überlebt hat.“ Er schien diese Worte überhaupt nicht sagen zu wollen und zwang sich sie auszusprechen.
„Und da lebst du noch? Du musst ja ordentlich Buße getan haben. Trotzdem erklärt das nicht wieso ihr hier seid.“
„Ich bin bereits einige tausend Jahre hier, Mutter. Danke für dein Mitgefühl.“
Sie winkte lediglich ab, als wäre ihr das egal. „Mach nicht so einen Trubel darum. Es gibt schlimmeres. Aber wenn ihr hier seid und das alte Reich immer noch am Meeresgrund liegt, dann heißt das, dass ihr in einer Zeitschleife fest hängt und nicht wisst wie ihr zurück kommt. Liege ich da richtig?“
Raivis nickte, wirkte dabei jedoch nicht sonderlich begeistert. „Das ist doch ganz einfach. Man reist weil man es will und je mehr Magie man verwendet umso weiter kann man reisen. Wo liegt da das Problem?“
„Das Problem liegt darin dass sie lediglich spontan reisen kann.“
„Ja, das ist ein Problem.“ Bemerkte Raivis Mutter klug und versank in ihren eigenen Gedanken. Plötzlich kam sie die Stiegen hinab und beugte sich über Lilith, die absolut keine Ahnung hatte, was die Frau von ihr wollte. „Der goldene Drachengott? Sieh an. Er war noch nie talentiert darin seine Kinder zu unterrichten. Es liegt auch nicht in seinem Talent zu reisen. Damit hättest du dich an einen Wasserdrachen halten sollen und nicht an einem Himmelsdrachen.“
„Ich hatte bis auf zwei male überhaupt keinen Kontakt zu Drachen und bei beiden malen ging es um mein Leben.“ Lilith sprach nun zum ersten mal, und obwohl sie nicht damit gerechnet hatte, klang ihre Stimme unerschütterlich.
Die Mutter von Raivis unterzog sie einem forschenden Blick. „Du hast also keine Ahnung, woher deine magische Kraft kommt, die dir hilft zu reisen und sonstige Dinge zu tun?“
„Nein, woher denn auch. Drachen und Menschen haben nicht sonderlich viel Kontakt, was ich bisweilen gehört habe.“
Raivis Mutter fing lautstark zu lachen an. „Keinen Kontakt? Du könntest nach einer Zeitreise deinem Drachen nicht näher sein. Egal ob du nur ein paar Stunden reist, oder mehrere Jahre. Du tust es auf dem Rücken eines Drachen. Metaphorisch gesprochen, natürlich. Magie wird mit einem geboren und kommt ursprünglich von den Drachen. Kind, dein Vater war ein Drache, ob es dir gefällt oder nicht.“
Lilith war sprachlos... Etwas Lächerlicheres hatte sie noch nie gehört. „Jetzt spinnt Ihr aber Lügengeschichten. Es ist noch nicht einmal überliefert worden dass...“
„Das was? Dass ein Drache sich einer menschlichen Frau bemächtigt hätte? Das sie die Gestalt wechseln können wie sie wollen?“
Lilith musste an die goldene Echse mit den roten Augen denken. „Liebes. Drachenblut fließt durch deine Adern, wie durch meine und durch die meines Sohnes. Es wird von Generation zu Generation weiter gegeben. Deine Mutter muss dies gewusst haben und ebenfalls Magie benutzen.“
„Meine Mutter hat niemals Magie benutzt. Kein einziges mal.“
„Vielleicht kein einziges mal seid du auf der Welt bist, da du es gefühlt hättest.“ Die Frau vor ihr zog wissend eine Augenbraue in die Höhe. Konnte so etwas denn wahr sein?
Einen Drachen als Vater zu haben? Nein! Das war lächerlich. Lilith kannte diese Frau nicht einmal. Vermutlich war sie in den Jahren einfach verrückt geworden.
„Mutter! Hör auf solchen Unsinn zu verbreiten. Vermutlich hat der Alkohol in den Jahren dein Hirn vernebelt.“ Raivis trat so plötzlich zwischen Lilith und seine Mutter, dass die Prinzessin vor Schreck beinahe einen Satz nach hinten gemacht hätte.
„Wer sagt, dass ich Unsinn verbreite. Ich habe oft genug mit dem Drachen gestritten, der starr behauptet dein Vater zu sein. Genauso wie meine Mutter vor mir. Und auch deine zukünftige Tochter wird wieder ein Drachenblutgeborenes austragen. Das ist seit jeher so, wie dass das so genannte >Volk< ihre magische Energie hinauf zu den Drachen schickt.“
Raivis war es bei der Bemerkung, dass er irgendwann einmal Kinder haben würde, kalt den Rücken hinab gelaufen. Er konnte sich nicht vorstellen einmal ein Kind zu haben. Es jahrelang aufzuziehen, dessen Launen zu ertragen und es auch noch dafür zu lieben. Von den Windeln ganz zu schweigen. Langsam glitt sein Blick zu Lilith, die vor Angst beinahe erstarrt war. Würde sie ebenfalls einmal ein Drachenkind austragen? Lilith mit einem Babybauch ließ ihn plötzlich innerlich lächeln. Ihre vom Kampf hagere Gestalt, ihre blasse Haut und ihr trotziges Auftreten, weitergegeben an eine kleine Ausgabe von ihr selbst. Diese Vorstellung ließ sein Herz mysteriös anschwellen. Verdammt er wäre verloren, wenn das Kind von einem Drachen kommen würde. Er würde diesen Drachen finden und vermutlich dabei sterben, jedoch nicht ohne ihn mindestens einmal dafür getreten zu haben.
Ein Knurren, das dem glich, welches sie an der Lichtung der Raststadtion bereits einmal gehört hatten, ertönte plötzlich so nahe, als wäre ein Drache genau neben ihm.
Verwirrt blickten sich alle drei gleichzeitig um und der kleine Wolf, der immer noch auf der Veranda gesessen hatte, war im Haus verschwunden. „Habt ihr das gehört?“ Fragte Lilith und ging unbewusst einen Schritt auf ihn zu.
Raivis fühlte das Verlangen die Prinzessin in den Arm zu schließen, so wie er es die gesamte letzte Nacht getan hatte, einfach nur, um sie zu halten. Er würde niemanden, nicht einmal einen Drachen an sie heranlassen.
„Kinder, ihr braucht euch nicht umzusehen. Wenn wirklich ein Drache hier wäre... Moment... Was habt ihr angestellt?“ Lilith und Raivis blickten sie gleichzeitig verwirrt an. Was sollten sie schon getan haben? Außer vielleicht gegen ein paar Naturgesetze verstoßen.
„Nichts! Wieso sollten wir schuld sein?“
„Weil ihr so ausseht, als hättet ihr dieses Knurren bereits schon einmal gehört.“
Das hatten sie beide ja auch. „Ja, haben wir, wieso?“
„Was habt ihr da getan?“ Der Blick von Raivis Mutter wurde skeptischer. Lilith blickte betreten zu Boden und Raivis fand plötzlich den weißen Gartenzaun höchst interessant. Er fragte sich, wie lange man wohl zum Streichen eines solchen Zaunes benötigte.
„Raivis!“ Beide Zeitreisende schreckten unter der mahnenden Stimme zusammen. Wieso kam sich Lilith plötzlich wieder wie ein kleines Kind vor?
„Wir haben unsere Kräfte irgendwie verbunden und wir vermuten dass wir dafür an geknurrt wurden. Dann vor zwei Nächten, wollten wir es noch einmal probieren um zu sehen, was wir da eigentlich gemacht haben. Aber es kam nicht noch einmal vor, das wir angeknurrt wurden!“
Lilith versuchte mit dem letzten Satz, das immer roter werdende Gesicht von Raivis Mutter, vergeblich, zu beschwichtigen. Plötzlich änderte sich ihr rotes Gesicht zu einem Verwirrten.
„Moment, wollt ihr damit sagen, das es funktioniert hat? Ihr konntet in der Magie wandeln?“
„Ja.“
„Das habe ich noch nie gehört. Energie wird von den Wasserfällen, die rund um unser Land sind erzeugt. Und auch von den Bäumen und allem anderen, Hauptsächlich jedoch vom Wasser. Diese Energie nehmen wir unbewusst mit jedem Atemzug und jeder Nahrung auf, da Wasser überall ist. Unser Körper baut diese Energie in Magie um und diese geben wir im Normalfall in geringen Mengen an eine Statue ab, die in jedem Haushalt steht, in unserem Land. Die Drachen ernähren sich von dieser Magie und speisen sie als Energie wieder in das Wasser ab. Es ist wie ein Kreislauf, ein unendlicher Kreislauf. Doch diejenigen, die von einem Drachen gezeugt auf die Welt kommen, diese Kinder haben einen ganz anderen Bezug auf die Magie. Sie können sie aktiv benutzten und zu dem Formen, was ihnen im Blut liegt. Bei dir Lilith ist es das Wandeln. Ob zwischen den Gestalten, oder in der Zeit ist hier völlig irrelevant. Und bei dir Raivis ist es das beeinflussen von Lebewesen, die gerade verstorben sind. Oder einfach kurz >Nekromantie<. Zumindest das was wir damals tatsächlich für Nekromantie gehalten haben. Heute ist es wesentlich weiter fortgeschritten und der Begriff beinhaltet viel mehrere einzelne Begriffe. Aber trotz allem, ist Magie nichts das körperlich ist. Ein Drache ernährt sich zwar davon und besteht großteils daraus, jedoch sind sie für uns immer noch sichtbar. Und Menschen ernähren sich nicht von Magie, was ihnen daher auch nicht erlaubt in der Magie zu wandern, was ihr aber tatsächlich geschafft habt.“
Von dem Kreislauf zwischen Drachen, Wasser und Menschen hatte Lilith bereits oft gehört. Ob es tatsächlich so stimmte, wie es nachgesagt wurde, hatte noch niemand bewiesen, doch es gab etliche Thesen darüber. Aber was hatte es dann zu bedeuten, dass sie durch die Magie wandern konnte?
„Es ist weniger, das wir durch die Magie wandern, es ist eher so das unser Geist, oder unsere Energie sich fortbewegt, während unsere Körper in höchster Konzentration zurückbleiben. Und wir konnten uns auch berühren, also unser geistigen >Ich<. Aber wir haben ständig Schläge davon bekommen.“
„Nicht immer!“ Bemerkte Raivis und blickte aus seinem höchst konzentrierten Blick auf. „Weißt du noch, als du mich... Ähm... Als du mich erschreckt hast um mich aus meiner Konzentration zu reißen, da habe ich keine Schockwelle bekommen.“ Zumindest keine die er hier laut erwähnen wollte.
Lilith wurde etwas rot bei der Erinnerung, doch nickte zustimmend. „Ja, stimmt ich habe auch keine bekommen. Jetzt wo du es erwähnst kommt es mir doch recht seltsam vor.“
„Gut... Und was genau hast du gemacht?“
Raivis betrachtete plötzlich wieder vollkommen geistesabwesend den Gartenzaun und Lilith warf ihm dafür einen vernichtenden Blick zu. Wieso drückte er sich vor solchen Antworten immer?
„Ich habe... Also ich wusste das man sich aus einer Konzentration löst, wenn man abgelenkt wird, oder sich erschreckt. Also habe ich meine Hand an seine Wange gelegt und so getan, als würde ich ihn küssen wollen. Nur eine Sekunde später, war er wieder in seinem Körper und hat mich ebenfalls wachgerüttelt.“
„Ach, deshalb ist dieses bedrückende Gefühl zwischen euch. Ihr habt noch nicht darüber gesprochen?“ Raivis Mutter sprach diese Worte aus, als wäre dies vollkommen offensichtlich und Lilith fühlte, wie ihre Wangen bereits glühten. Eigentlich hatte sie ja auch recht. Sie hatten noch nicht darüber gesprochen, weder von dem Händchenhalten, von den Küssen im Zimmer oder ob das alles überhaupt eine Zukunft hatte. Doch Raivis war für sie durch die Zeit gereist, nur um sie nicht von einem dummen Farmer erschießen zu lassen. Auf dem Weiterflug hatten sich ihre Erinnerungen langsam wieder erholt und sie konnte sich wieder an alles erinnern, was er gesagt hatte. Auch an die Tränen, die er vergossen hatte. Nur ob diese Tränen speziell ihr gegolten hatten, dessen war sie sich noch immer nicht sicher.
„Ist auch im Moment nicht so wichtig. Ich bin eigentlich nicht wegen unserer Experimente, sondern wegen dir hier. Ich will dass du mit uns kommst.“
Lilith war für einen Moment so erschrocken, dass sie nicht wusste was sie tun oder sagen sollte. Wie wollte er denn seine Mutter mit nehmen, wenn diese doch überhaupt nicht mit Northan, ihm und ihr selbst her gekommen war.
„Was? Deswegen bist du hier? Nur weil du mich mitnehmen willst? Das ist doch absurd. Sobald ihr durch die Zeit zurück reist, euer Vorhaben abbrecht und den Kontinent nicht versenkt, dann komme ich nicht mitten im Ozean zu mir, sondern werde ein paar Stunden, oder Minuten nach euch zu euch stoßen. Die Raum und Zeitverschiebung wird mich zurück werfen und die Geschichte wird etwas anders wieder neu geschrieben. Ich verstehe nicht wieso du hier bist.“
Raivis fing an, unruhig mit einem Fuß auf den anderen zu treten. „Das ist etwas was wir lieber unter vier Augen besprechen sollten.“
Seine Mutter blickte von Raivis zu Lilith und nickte dann. „In Ordnung. Drinnen findest du Plätzchen. Bediene dich wenn du willst, aber lass die Finger von Lulu wenn du deine Finger behalten willst. Sie ist recht bissig.“
Die Frau führte ihren Sohn in den hinteren Teil des Gartens und Lilith konnte nicht anders als verdutzt dreinzusehen. Jetzt war sie ihm schon den ganzen Weg gefolgt und sie hatten sich sogar geküsst. Und dann schloss er sie aus? Vielleicht hatte es ja etwas mit seiner Vergangenheit zu tun. Bisher hatte sie noch überhaupt keine Gelegenheit gefunden ihn darüber zu fragen. Ob alles in Ordnung mit ihm war?
Mit einem schweren Herzen ging sie in das gemütlich eingerichtete Haus und fand die Küche sofort. Gedankenverloren setzte sie sich aus einen Stuhl und nahm sich eines der Plätzchen. Lilith empfand es als frustrierend, dass sich ständig ein Problem löste und daraufhin dutzende von neuen Problemen auftaten. Hatte das alles denn überhaupt kein Ende?
Ein Knurren erregte ihre Aufmerksamkeit und sie folgte dem Geräusch in das grün gehaltene Wohnzimmer. Auf dem Sofa saß ein kleiner Wolfswelpe und knurrte das Fenster an. Als Liltih näher kam, erkannte sie, dass der kleine Welpe die beiden miteinander redenden Leute anknurrte, die im Garten standen. Seufzend setzte sie sich auf das andere Ende des Sofas und schloss die Augen, um sich zu entspannen. Lilith konzentrierte sich auf ihre innere Energie und plötzlich fand sie sich in der Energiewelt wieder, die sie die letzten beiden Male mit Raivis betreten hatte. Ein knisternder Wind zog über ihre Haut und Lilith empfand alles wesentlich intensiver als beim letzten mal. Es war, als würde die Energie hier viel stärker sein, als an anderen Orten. Lächelnd schritt sie durch das Zimmer und fuhr über das prickelnde Fell des Welpen. Dieser schien das überhaupt nicht zu bemerken, sondern knurrte weiterhin hinaus in den Garten. Ob sie wohl die beiden belauschen konnte in dieser Gestalt?
Vorsichtig glitt sie durch die Wand und fand sich im Garten wieder. Die Worte der beiden waren zwar etwas verzerrt, doch sie verstand sie vollkommen klar. „...habe ich immer.“ Das war Raivis Stimme.
„Und wieso konnte er dich dann erpressen?“ Von wem sollte er erpresst worden sein?
„Kann dir doch egal sein, du warst ja nicht da.“
Die Mutter von Raivis stemmte die Hände in die Hüften und knurrte beinahe, so wütend war sie. „Ach, ja. Denk darüber nach wessen Schuld das ist. Ich habe dir doch gesagt, das deine Macht leicht ausgenutzt werden kann. Und was machst du? Du läufst damit sofort zu ihm! Wie viel Dummheit kann eigentlich in einem Menschen stecken?“
„Ich bin nicht sofort zu ihm gelaufen. Außerdem... hat das doch... ist doch egal. Aber ich kann nicht zurück. Er ist tot und das ist gut so. Er ist mit den anderen ertrunken, soviel ich mitbekommen habe, und ich habe mich niemals sicherer gefühlt, als seit ich in diese Welt gestolpert bin. Ich kann nicht wieder zurück. Du weißt wie er ist. Hat man einmal einen Deal mit ihm, dann...“
Raivis Mutter legte ihrem Sohn eine Hand auf die Schulter und drückt diese aufmunternd. „Keine Sorge, wir regeln das schon. Du und das Mädchen, ihr geht erst einmal nach Russland zurück. Ich borge euch das Privatflugzeug der Wölfe. Dort werdet ihr erst einmal genug Energie...“
„Lorjette. Du verstehst das nicht. Er hat mich dazu gezwungen das alles zu machen. Wenn ich zurück gehe und... Ich kann das einfach nicht.“
„Ist es wegen der Prinzessin? Sag ja nicht du magst sie. Süßer, Frauen wie sie...“ Sie deutete auf ihr Haus, in dem sich Liliths Körper gerade befand. „... entscheiden sich niemals für Männer wie dich. Dein Großvater wurde von ihnen verbannt und das nur weil er Magie praktizieren konnte. Meine Mutter wollte wieder zurück und beweisen, dass sie nicht so war, doch sie gaben ihr keine Chance. Sie wurde ausgelacht, verspottet und angespuckt. Wir sind dort nicht erwünscht.“ Seine Mutter erhob langsam immer mehr die Stimme und Lilith erkannte woher Raivis sein Temperament hatte.
„Nein, Lilith ist nicht so. Sie sieht die Dinge völlig anders. Sie ist ebenfalls eine Drachengeborene. Sie benutzt Magie wie ich. Wir haben uns verbunden, ich kann nun Dinge die sie kann und anders herum. Und ja, sie bringt mich fürchterlich auf die Palme und manchmal wünschte ich sie hätte die Zeitreise nicht instinktiv begonnen. Aber jetzt ist das nicht mehr so. Ich finde sie ist ein wundervoller Mensch. Sie hat die reinste Seele die ich jemals getroffen habe und ich werde ihr das nicht antun. Ich werde sie vor diesem Mistkerl beschützen. Ich dachte du würdest mir helfen, aber du bist nicht anders, als das ich dich in Erinnerung habe. Einfach nur ein Drecksstück.“
Mit stampfenden Schritten, eilte er fort von seiner entsetzten Mutter. Lilith konnte hören wie er die Stiegen der Veranda hinauf ging und sie konnte sehen, wie sich dicke Tränen in den Augenwinkeln seiner Mutter bildete, bevor sie erschöpft auf dem Boden zusammenbrach und Lilith ihre Augen öffnete. Überrascht blickte sie an sich hinab. Der kleine Wolfswelpe Namens Lulu hatte sich an ihre Seite gekuschelt und schlief tief und fest.
„Komm jetzt wir gehen.“ Lilith ließ sich von ihm aufhelfen und sich von ihm aus dem Haus ziehen. Sie konnte es nicht fassen, was sie gerade gehört hatte. Wieso konnte jemand der eine so unglaubliche Macht besaß, sich von einem Anstößigen so benutzen lassen? Aber konnte sie ihn dass denn fragen? Er würde wissen, das sie ihn ausspioniert hatte. „Was haben wir jetzt vor?“ Lilith stieg auf der Beifahrertüre ein und schnallte sich gerade an, als Raivis mit quietschenden Reifen davonfuhr.
Mehrere Minuten schwieg er bevor er seufzend und mit überraschend ruhiger Stimme antwortete. „Wir fliegen wieder nach Russland. Von dort werden wir uns einen Weg nach Hause suchen.“
„Nach Hause? Also du willst jetzt doch heim?“
Raivis warf ihr einen spöttischen Blick zu. „Vielleicht habe ich ja doch meine Meinung geändert.“
„Raivis! Ich bin eine Prinzessin und ich habe meine Mittel und Wege Dinge zu erfahren, ob sie dir gefallen oder nicht. Also sag mir wieso du zuerst nicht und jetzt plötzlich doch nach Hause willst, sonst glaube mir, ich werde es aus dir herauszwingen.“
Raivis warf Lilith plötzlich einen so liebevollen Blick zu, dass ihr für einen Moment ihr Herz einen Schlag aussetzte. „Das würde ich liebend gerne einmal ausprobieren. Aber bestimmt nicht heute. Zuhause werden wir genug zeit finden um uns etwas zu unterhalten.“
Sie wusste, ein Streit war hier unvermeidbar. Daher beschloss sie, ihn direkt darauf anzusprechen. „Raivis, machen wir uns in diesem Punkt bitte nichts vor. Ich weiß das du deine Vergangenheit hast und ich weiß dass du mich beschützen willst. Aber ich bin eine Prinzessin und ich habe Kräfte, die die der anderen bei weitem übersteigen. Und daher bitte ich dich mir zu sagen, was dich davon abhält, wenn wir wieder zuhause sind, an meiner Seite zu bleiben.“
Schweigen breitete sich für mehrere Minuten zwischen ihnen aus. Lilith wartete auf eine ehrliche Antwort und Raivis blickte auf die Straße. Was er gerade sah, wusste ganz alleine nur er und das fand sie schrecklich. Sie wollte, dass er ihr jeden Gedanken sofort erzählte, seine Erinnerungen mit ihr teilte und ihr beichtete was ihn beschäftigte. Diese Zeitreise würde viele Opfer kosten, die gesamte Geschichte wie bisher umschreiben und sie würde entscheiden, ob er wirklich bei ihr bleiben wollte. Lilith konnte Raivis Ängste, was seine Vergangenheit betraf verstehen und natürlich auch, dass er sich schämte, für die Morde. Aber sie bot ihm hier eine neue Identität und wenn ihm dies irgendjemand nehmen wollte, so würde sie diesen dafür hinrichten.
Ein wütendes Knurren schreckte sie aus ihren Träumen. Die Fahrt über zum Flughafen und das Warten auf das Flugzeug hatte sie mehr als nur gut überstanden. Doch der Jetlag der sich nun auf ihren Kopf legte und es ihr erschwerte Ruhe zu finden, brachte sie beinahe um den Verstand.
Raivis hatte eine Nachricht an Backe geschickt, dass sie bald ankommen würden. Als sie endlich in Russland angekommen waren, war sie Northan in die Arme gefallen und beinahe auf der Stelle eingeschlafen. Er hatte sie im Anwesen der Alexej in ein Bett gelegt, das für sie eingerichtet war. Lilith öffnete die Augen und verdrehte sie sofort genervt. Al und Northan, die anscheinend die ganze Zeit an ihrer Seite über sie gewacht hatten, knurrten sich gegenseitig an, wie zwei Wölfe, die um einen Knochen stritten. Sie warf den Polster nach den beiden und sofort waren sie neben ihr am Bett und bombardierten sie mit Fragen. >Wo wart ihr?< >Ist alles in Ordnung mit dir?< >Hat er dir etwas angetan?< Und etlichem mehr, dem sie nicht antworten wollte.
Sie beantwortete sämtliche Fragen halbherzig und schlürfte aus dem Bett. „Das nächste mal fliege ich die Strecke selbst.“ Schwor sie sich laut und schloss sich im Badezimmer ein, um sich kalt zu duschen. Wieso hatte ihr niemand gesagt, wie fürchterlich so ein Flug werden konnte. Wenigstens hatte sie mehr als genug Energie sammeln können um genug Magie für einen Zeitsprung zusammenzubekommen. Raivis hatte ebenfalls seinen Teil dazu bei getragen, jetzt war nur mehr die Frage, wie sie das am besten machten. Sie hatte immer noch keine Ahnung wie sie ein Zeitportal, oder einen Zeitwirbel oder sonst etwas erschaffen sollte. Wenn sie Genauer darüber nach dachte, war es dumm gewesen, nicht gleich mit Raivis Mutter darüber zu sprechen. Doch wann hätte sie sie darauf ansprechen sollen? Vor ihrem Streit mit ihrem Sohn, oder danach?
Seufzend schritt sie einige Minuten später die Stiegen ins Erdgeschoss hinab, wo Backe und Raivis vor dem Fernseher saßen. Ihr selbst machte dieses Ding noch immer zu viel Angst, als das sie es mehr als eines kurzen Blickes würdigte. „Backe könntest du bitte deine beiden Wölfe dort oben davon abhalten mich mit Fragen zu bombardieren?“
Er lächelte und schaltete das Gerät auf stumm. „Was, denn. Du hast dir eingebildet dass du mit diesem Lügner um die Welt reist. Jetzt hast du die strafende Treue zweier verliebter Wölfe.“
Lilith lächelte belustigt. „Rede doch nicht von so einem Mist. Al kennt mich nicht einmal und Northan ist wie meine zweite Hälfte.“
„Trotzdem wirst du bald die Sache aufklären müssen, ob du einen der beiden mehr als einen Freund magst.“
Lilith legte den Kopf schräg und dachte für einen Moment darüber nach. „Nein, das könnte ich niemals. Sie sind beide Wölfe. Prinzessinnen und Wölfe haben ihr eigenes Schicksal, als dass sie sich auf diese weise verbinden könnten.“
Backe stand auf und tätschelte ihr liebevoll den Kopf. „Prinzessin warst du in deiner alten Welt. Ob du hier bleibst oder nicht, ist deine Entscheidung, doch einem der beiden, oder überhaupt beiden wirst du das Herz brechen müssen, kleine Herzensbrecherin.“
Lilith lächelte schelmisch zu ihm auf. „Ach, jetzt bin ich plötzlich eine Herzensbrecherin? Habe ich deines etwa auch schon errungen?“
Er küsste sie auf die Wange und zwinkerte ihr belustigt zu. „Mein Herz wurde schon lange vor dir gestohlen, aber keine Sorge. Wenn daraus nichts wird, bist du auf meiner Kurzwahltaste.“ Lachend verließ er das Wohnzimmer und Lilith schüttelte den Kopf. Backe hatte schon einen Humor für sich.
„Und, für wen der beiden wirst du dich entscheiden?“ Raivis Stimme klang so kalt, dass es ihr einen Schauer über den Rücken jagte.
„Natürlich für keinen der Wölfe. Du müsstest eigentlich meine Einstellung dazu kennen.“ Er nickte lediglich und stellte den Fernseher ganz aus. „Aber in der Heimat wirst du dich dann für jemanden entscheiden müssen. Das wird von dir erwartet werden. Auch dass es eine Hinrichtung gibt.“
Lilith lächelte ihn an und er wandte sofort den Blick ab. Sie wusste bereits, das sie sich schon entschieden hatte. Leise trat sie an die Rückseite des Sofas und legte beide Hände um seine Schultern. „Denk nicht an so einen Unsinn. Du weißt dass ich mich längst entschieden habe. Und was die Hinrichtung angeht, so werden sie genau diese bekommen.“
Seufzend lehnte der Magier sich mit den Kopf in ihre Arme und küsste ihren Handrücken. „Northan wird das aber nicht gefallen.“
„Aber er wird es akzeptieren, da es mich mehr als nur glücklich macht.“ Sie kniff ihn mit den Zähnen in den Hals und entlockte ihm ein Lächeln.
„Und wen wirst du hinrichten?“
„Jemanden der es verdient hat. Wenn wir zuhause sind, werde ich den Wirbel aufrecht erhalten, du wirst dich verwandeln und ins Schloss fliegen. Dort wartest du auf mich, bis ich dich holen komme. Danach werde ich einen Suchtrupp losschicken, der erfolglos zurückkommt. Der Rest ergibt sich von selbst.“
Raivis zog sie so abrupt auf die Bank, dass sie überrascht aufschrie. Lachend ließ sie sich von ihm in den Arm nehmen und ignorierte dabei das Knurren im Hintergrund. „Du bist mit Abstand die seltsamste Frau der ich jemals begegnet bin.“
Das war das erste mal, dass er sie Frau und nicht Göre nannte. Das gefiel ihr recht gut. Mit einem begeisterten Lächeln küsste sie ihn und genoss das Gefühl, welches er in ihr auslöste, während seine Finger durch ihr Haar glitten.
Überrascht nuschelte er an ihren Lippen. „Du trägst sie ja offen.“
Sie nickte und küsste sein stoppeliges Kinn. „Ja, ich wollte einmal etwas anderes probieren.“ Raivis erinnerte sich daran, das er ihr einmal gesagt hatte, dass sie zum Frisör müsse und dass Frauen in ihrer Heimat normalerweise immer die Haare offen trugen. Nun tat sie es tatsächlich. Dass er so einen Einfluss auf sie hatte, machte sein Herz schwerer und er musste sie unbedingt noch einmal küssen.
Erst als sie beide kaum noch Luft bekamen und ein dringliches Räuspern hinter ihnen erklang, löste sich Lilith von ihm. „Entschuldigt, wenn ich euch störe. Aber ich denke wir sollten jetzt da du ja wach bist, endlich darüber reden, wie es weiter geht.“
Raivis beugte sich noch einmal vor um ihr etwas ins Ohr zu flüstern, das sie zum Lachen brachte und sie rollte sich von ihm hinunter. Als sie sich mit den anderen Wölfen im Esszimmer bei einem großen Buffet trafen, hielt Raivis immer Abstand zu ihr. Sie konnte es zwar nicht befürworten, dass er nicht mehr an ihrer Seite war, doch um den Frieden mit den Wölfen zu wahren, hielt sie sich ebenfalls von ihm fern.
Als alle zu essen hatten, begann eine endlose Diskussion. Im Grunde hatte Lilith alles, was sie für ihren Zeitsprung benötigte. Die beiden, die mit ihr her gereist waren, auch wenn es nur einige Jahre waren und die Energie, die sie für den Sprung benötigte. „Wir sollten das aber auf einem großen Feld machen. Bei dem Wirbel den du beim ersten mal erzeugt hast, ist es sicherer wenn wir nur zu dritt dort sind und niemand anders.“
„Ist das nicht egal?“ Warf Backe ein. „Immerhin werden wir so wie so sterben, sobald ihr weg seit.“
Lilith warf ihm einen mahnenden Blick zu. „Nein, ihr werdet nicht sterben. Die Zeit wird lediglich zurück gedreht und für uns beginnt sie wieder von neuem. Ihr werdet für uns einfach wieder neu geboren werden, jedoch als völlig normale Menschen und nicht als Wölfe.“
„Wieso nicht?“ Das war Al, der höchst beunruhigt zu sein schien.
„Weil ich derjenige bin, der die ersten Wölfe mit Frauen gezeugt hat. Das bedeutet, wenn wir die Zeitreise abbrechen, werde ich mich niemals auf den anderen Kontinenten mit Menschen vermischen und die Werwölfe werden niemals existieren. Ihr werdet aber bestimmt wieder geboren werden, jedoch als normaler Mensch und ihr werdet euch an nichts erinnern. Verständlicher weise.“
Die drei Alexej-Wölfe blickten Northan argwöhnisch an. „Ich nenne dich aber ab jetzt sicher nicht Opa, oder so etwas.“ Das war wieder Backe, der dabei breit lächelte.
Northan winkte ab. „Das würde ich auch nicht wollen. Du bist ein weit entfernter Uhrgroßneffe von meinem Uhrgroßsohn, oder sonst etwas. Ich habe schon vor Jahren den Überblick darüber verloren.“ Alle Wölfe lächelten darüber, da sie es verstehen konnten.
Raivis warf Lilith einen spöttischen Blick zu und sie fragte sich, ob ihre Beziehung zu Raivis auch einmal so weit reichen würde, sodass sie auf ihre gemeinsamen Enkel hinauf sehen würden. Sie fühlte bei diesem Gedanken, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte und versuchte sich sofort wieder auf das Essen zu konzentrieren. Ja eine Beziehung mit Raivis würde schwer werden, da sie beide voreinander nicht zugeben würden, was sie empfanden.
„Um wieder zurück auf das Thema zu kommen, an welches Feld habt ihr gedacht?“ Fragte Raivis nun an Fedor gewandt.
„Nun, ja. Einige Gehminuten von uns entfernt, liegt der Filevskiy Park. Neben an fließt der Fluss rund um ein Gebiet in dem eine kleine Siedlung steht und der Rest besteht eigentlich lediglich aus gähnender Leere. Ich habe einen Bekannten in der Regierung, der viel Einfluss hat. Ich könnte ihn beten das Gebiet aufgrund eines Gaslecks zu evakuieren. Danach haben wir gut zwei Stunden Zeit um euch nach Hause zu schicken.“
Lilith nickte zufrieden, so wie Northan und Raivis.
Das würde reichen um niemand unnötig zu verletzen oder Leute großartig zu erschrecken. Gesagt getan, bekamen sie noch am selben Tag die Bestätigung, dass sie genau eine Stunde Zeit hatten um sich dort einzufinden. Da sie so viele waren, beschlossen sie zwei Autos zu benutzten, auch wenn Lilith nicht verstand wieso unbedingt Backe und Al mitkommen mussten. Sie hätten sich auch am Anwesen verabschieden können. Das machte ihr selbst den Abschied nur unnötig schwerer.
Al, Backe und Fedor würden sie für immer vergessen. Doch sie selbst würde diese drei Wölfe niemals vergessen. Zeitreise hin oder her. Sie würden immer in ihren Erinnerungen einen besonderen Platz besitzen.
Eine Hand auf ihrer riss sie aus ihren dunklen Gedanken. Northan, der mit ihr auf der Rückbank saß, lächelte sie liebevoll an. Sie lächelte zurück und drückte seine Hand ebenfalls. „Es wird alles gut werden. In ein paar tausend Jahren, kannst du einen Blick auf sie werfen und dich vergewissern, dass es ihnen gut geht.“
Fedor, der den Wagen fuhr, lächelte in den Rückspiegel. „Mir tut es leid dass wir dich vergessen werden. Du bist wirklich eine nette junge Dame.“
Lilith legte ihm eine Hand auf die Schulter und kicherte. „Nicht wenn du mich besser kennen würdest.“
Northan fing ebenfalls laut an zu lachen, so wie Fedor. Gerade Northan musste wissen, wie anstrengend ihr sturer Prinzessinnenkopf sein konnte. „Was ist eigentlich mit mir, werde ich vergessen?“ Northans stimmte klang beinahe flehentlich.
„Vermutlich. Ich weiß es nicht.“ Das war ihr ernst. Das sie sich nach dem kurzen Zeitsprung noch erinnerte, was passiert war, hatte vermutlich damit zu tun, dass sie selbst die Zeitreise beherrschte. Und das sich Raivis Mutter erinnern würde, da war sie sich ebenfalls sicher, da sie genauso die Zeitreise beherrschte, jedoch nicht das ansammeln von Energie so wie Raivis. Das war wohl einer der Nachteile den man als Zeitreisende hatte. „Und was ist mir Raivis?“
„Er wird sich ebenfalls erinnern, so wie ich.“
„Du weißt das ich das so nicht meinte. Ich bin nicht blind, Lilith und ich kenne dich. Was wird sein, wenn ihr zurück seid. Du wirst ihn jetzt nicht mehr töten können.“
„Lass das meine Sorge sein, Wolfwächter. Wir haben bereits einen Plan.“ Nur ob dieser auch funktionierte, würde sich mit der Zeit klären. Irgendwann würde der Kerl auftauchen, der Raivis dazu gezwungen hatte die Morde zu begehen. Er würde bestimmt Rechenschaft fordern und dann würde Lilith ihn als den schwarzen Magier identifizieren, seine >Kräfte bannen< und hinrichten lassen. Mit diesem Kerl würde der schwarze Magier endgültig bezwungen werden. Und Raivis konnte für immer an ihrer Seite bleiben. Wenn er das auch wollte.
Aus irgendeinem Grund hatte sie viel zu viel Angst vor der Antwort. Würde er das denn überhaupt wollen? Vorerst konnte sie so wie so keine richtige Beziehung mit ihm vertiefen, da sie ein Königreich hatte, dass sie wieder errichten musste. Danach würden alle Fragen stellen wegen der Fortsetzung der Erben des Königshauses.
Es waren keine Prinzen aus irgendeinem Königreich mehr übrig. Vielleicht... Nein, so durfte sie nicht denken. Sie war die Prinzessin. Es gab höchstens noch zweitausend Menschen, die alle Unterkunft und Verpflegung benötigten. Nun würde niemand mehr über die alten Regeln nachdenken. Sobald sie sahen, das Lilith glücklich mit einem einfachen Bürgerlichen war, vielleicht würden sie es einfach akzeptieren. Auch für ihre Kinder würde es keine rechtmäßigen Partner geben. Auch sie würden sich denjenigen aussuchen dürfen den sie liebten.
Es würde Generationen dauern um alle Königreiche wieder aufzubauen und zu bevölkern. Aber dieses mal würde es nach Lilith Willen geschehen. Und sie wollte jede Hilfe dabei in Anspruch nehmen, die sie konnte.
Lächelnd betrachtete sie das Land, auf dem sie standen und sie nickte zufrieden. Nun würde der Abschied kommen, vor dem sie sich bereits die ganze Zeit fürchtete.
„Ist alles in Ordnung? Du siehst so blass aus.“ Al legte ihr eine Hand auf die Schulter und eine kühle Brise wehte ihr durch das Haar.
„Ja... Ja, es ist alles in Ordnung. Ich bin nur etwas nervös. Was wenn es nicht klappt?“ Al nahm sie in den Arm und drückte sie so fest, dass sie beinahe keine Luft mehr bekam.
„Du schaffst das, das wissen wir alle.“
„Und ich werde dich leiten.“ Erschrocken wandten sich alle Blicke zu einer beinahe zwei Meter großen Frau, die mit einem dunklen Blick alle missmutig ihrerseits alle einzeln anblickte.
„Mutter? Wie kannst du so schnell hier sein?“ Raivis trat vor und funkelte sie wütend an.
„Na was denkst du wohl. Ich will sichergehen, das alles zwischen euch geklärt ist und außerdem hatten Lilith und ich keine Zeit bisher miteinander über Zeitreisen zu sprechen.“
Lilith nickte verstehend und ging zu der Frau, die ihr eine Heidenangst einjagte. „Was muss ich wissen?“ Sie starrte der Frau entgegen die Raivis anscheinend großes Kopfzerbrechen bereitete und errang dabei ein Lächeln von dieser.
„Gleich zur Sache, das finde ich gut.“
„Selbst wenn nicht. Ich muss zurück und mein Volk retten, bevor sie im Meer ertrinken.“
Raivis Mutter nickte und fing an seltsame Runen auf in die Erde zu ritzen mit einem Stock, den sie aufgehoben hatte. „Normalerweise mache ich das professioneller, doch wenn du es so eilig hast, dann ist es besser, wenn du ein normales Portal erschaffst. Diese Technik hat mir mein Vater gezeigt. Es hätte dir eigentlich auch deiner zeigen sollen, doch anscheinend hat er dies versäumt.
„Der Drache, der mich gezeugt hat, hat so einiges versäumt. Also spielt das hier wohl keine Rolle mehr.“
Sie lächelte Lilith an und fuhr fort damit einen Kreis zu zeichnen. „In diesem Kreis wirst du deine gesammelte Energie, oder die eben von Raivis, bündeln und ihr deinen Willen aufzwingen. Eine Rückreise ist eigentlich einfacher als eine Reise in die Zukunft. Doch du nimmst auch noch zwei Passagiere mit, das wird der Magie nicht sonderlich gefallen.“
„Deswegen auch der Wirbelsturm. Die Energie hat sich geweigert so schnell verbraucht und umgewandelt zu werden.“
„Das ist ebenfalls meine Vermutung. Wie gesagt, so einen Sprung habe ich noch niemals gemacht. Auch wenn es lediglich aus versehen geschehen ist, es hätte euer Tod sein können.“
Lilith half ihr ihrerseits mit dem Kreis und musste plötzlich lächeln. „> Der Regen fällt auf dieselbe weise, in jedem anderem Teil des Planeten. Orientiere dich daran, wenn du orientierungslos scheinst<“ als Prinzessin stieß sie einen nicht sonderlich begeisterten Ton aus, doch lächelte dabei.
„Der goldene Drache war noch niemals sonderlich gut mit Worten. Und vor allem nicht mit Redewendungen. Ich glaube ich habe drei heraus gehört, wenn ich mich jetzt nicht irre. >Der Regen fällt auf Jedermanns Köpfe gleichermaßen, egal welchen Rang oder Rasse er angehört< das zweite war, denke ich >Der hellste Stern am Himmel führt einem immer nach Norden< und... nein das war es eigentlich. Es waren doch nur zwei.“
Liltih hatte noch von keinem der beiden gehört. Konnte es denn wirklich sein, dass jemand die Drachen so gut kannte? Eine normale menschliche Person?
„So, das war es. Eigentlich könnt ihr beginnen.“
Die Wölfe und Raivis traten näher und betrachteten das Werk. „Ich wusste überhaupt nicht das Pentagramme früher schon benutzt wurden.“ Bemerkte Doktor Fedor und runzelte seine faltige Stirn.
„Nun, ja. Für damals waren wir die am weitest fortgeschrittene Spezies. Ihr durchschnittlichen Menschen ward lediglich am Anfang eurer Existenz.“
Fedor musterte für einen Moment Raivis Mutter intensiver und begann danach laut zu lachen. „Endlich einmal eine Frau nach meinem Geschmack, nach all diesen Jahren und dann muss ich sie auch gleich wegen der Zeit verlieren.“
Raivis Mutter Blick wurde sanfter, als ihr Blick zu ihrem höchst konzentrierten Sohn wanderte. „Ich musste ebenfalls bereits viele mir kostbare Menschen zurücklassen. Auch wenn ich es nicht wollte.“
Raivis wurde durch ihre Worte aus seiner Konzentration gerissen und blickte ihr beinahe beleidigt in die Augen. „Dann wärst du nicht durch die Zeit gesprungen.“ Sie warf ihm einen verärgerten Blick zu und wandte sich danach ab. Lilith wollte schon zu Raivis laufen und ihn trösten, doch hielt sich zurück. Dies waren seine Dämonen mit denen er sich selbst auseinandersetzten wird müssen. Als würde er ihren Blick auf sich spüren, sah er zu ihr und lächelte schwach, bevor ihm Fedor eine Hand auf die Schulter legte.
Ihrerseits fühlte sie eine Hand an ihrer Wange und blickte auf zu Al. „Al...“ Flüsterte sie den Tränen nahe, bevor er sie an sich zog und innig küsste. Für einen Moment wusste sie nicht ,was sie tun sollte, als tat sie einfach nichts. Ihm jetzt bevor sie sich endgültig von ihm trennte das Herz zu brechen, brachte sie nicht über sich. Stattdessen legte sie beide Arme um ihn und drückte ihn liebevoll, als er den Kuss abbrach.
„Ich werde dich vermissen.“ Gab er zu und sie erkannte die Röte an seinen Wangen.
Lächelnd wischte sie ihm eine Träne von der Wange und versprach ihm, dass sie einander wiedersehen würden. „Und ich werde dich Jahrtausende vermissen. Aber ich verspreche dir, ich werde ein Auge auf deine Familie haben, jetzt nachdem ich weiß das dort draußen noch etwas außer uns existiert.“ Er nickte und lies sie los, damit sie sich zu Backe wenden konnte.
„Na, Prinzessin. Da waren wohl deine Bemühungen umsonst.“ Sie dachte an die eine Nacht, in der sie mit den beiden Wölfe geübt hatte, was es bedeutete, ein Wolf zu sein und sah dies nun ebenfalls mit anderen Augen.
Wolfwächter waren nicht nur die familiären Diener und Leibeigene. Sie waren mehr als das. Sie bildeten solch besondere soziale Gruppen, dass sie es selbst nicht einmal fassen konnte. Wenn sie alleine wuchsen und gediehen, dann kamen sie in Rudeln zusammen, in Gesellschaften und entwickelten sich bis an äußerste ihrer eigenen Vorstellungskraft. Lilith war mit dem Gedanken aufgewachsen, dass die Königsfamilien nur mit einem Wolfwächter an ihrer Seite leben konnten und Wolfwächter nur an stärke und Führung gewinnen konnten, an der Seite der Königsfamilien. Wenn sie daran dachte, was für ein eigenständiges Volk sie werden könnten. Krieger, Männer, Frauen, Kinder, Gelehrte und Liebende Persönlichkeiten.
Wie sehr hatten die Königsfamilien sich nur darauf verlassen von einem Wolf beschützt zu werden. Wie viele Liebschaften waren deshalb schon in die Brüche gegangen. Und vor allem wie viele Verlusten hatten sie beiderseits dadurch erfahren. Das alles sah sie nun, als sie Backe betrachtete.
Als sie ihn das Erste mal sah, war er ein aufmümpfiger Junge, der alles nur widerwillig tat und Al, sein jüngerer Bruder ein Junge voller Lebensfreude, der nichts damit anzufangen wusste, was in ihm schlummerte. Nun besaß Backe die Ausstrahlung eines Alphas und Al war ein junger Krieger, dem die ganze Welt offen stehen würde.
„Nein, das waren sie nicht. Nichts von alldem war umsonst. Ihr werdet euch vielleicht nicht erinnern, doch ich weiß dass ihr beide die innere Stärke besitzt um euch noch einmal zu dem zu entwickeln was ihr heute seid. Und ich weiß nun was wir seit Generationen falsch gemacht haben. Aber ich verspreche, dass wir euch so wie ihr euch entwickelt in Ruhe lassen werden. Ich verspreche euch, aus den Fehlern unserer Vergangenheit zu lernen.“
Backe streckte ihr zum Abschied seine Hand entgegen, doch sie umarmte ihn einfach lächelnd. „Pass gut auf ihn auf.“ Flüsterte sie noch und wusste, dass er verstand. Ein Alpha kümmerte sich immer als erstes um sein Rudel.
Als Letztes trat sie vor Fedor. Der alte Wolf mit seinem wirren beinahe gänzlich weißem Haar tätschelte sanft ihre Wange. „Pass gut auf dein Rudel auf.“
Liliths Herz schlug für eine Sekunde höher, da Rudel bloß ein anderes Wort für Familie war. „Das werde ich.“
„Und dass du mir, sobald ich wieder geboren bin, ein paar alte Dokumente zusteckst.“
Lilith lachte auf über den Gedanken, dass er sich heimlich noch einen wissenschaftlichen Vorteil angeln wollte, bevor sie ging. „Ich verspreche, dass ich alles in meiner Macht stehende tun werde, damit eure Familie nicht als wahnsinnig angesehen wird, wenn sie über ein versunkenes Reich spricht.“
Fedors Gesichtsausdruck wurde betrübter. „Es wird trotz allem versinken. Ihr kehrt zurück. Ihr bringt doch die Magie wieder an seinen Platz zurück und dann werden irgendwann Seefahrer...“ Lilith schüttelte betroffen den Kopf. Atlantis würde versinken. Da war sie sich sicher. Magie, die bereits Entladen war, konnte man nicht einfach so zurückgeben, wie einen benutzten Lappen. Verbrauchte Magie, war verbrauchte Magie. Dagegen konnte sie nichts machen, jedoch würde sie mit ihrem Volk untergehen. Vielleicht konnte sie ja doch ein kleines Stück davon retten.
Mit schweren Herzen ging sie zu dem Pentagramm und hörte hinter sich, wie sich Autotüren öffneten. Ein letztes Mal blickte sie zurück zu der Familie Alexej, der sie sehr viel zu verdanken hatte. Besonders, dass sie sie nicht in eine Irrenanstalt gesteckt hatten, nachdem was sie erzählt hatte.
Traurig sahen sie ihnen nach, als sie fortfuhren. „Gut, bist du bereit?“ Fragte Raivis Mutter.
Lilith schüttelte den Kopf. „Nein, aber ich möchte endlich nach Hause.“ Mit einem Lächeln auf den Lippen sagte sie die Worte, die Lilith, Raivis und Northan wieder in ihre Heimat bringen würde.
Zurück in die Vergangenheit vor über zehntausend Jahren. In ein Königreich, das bereits ausgelöscht wurde, zu einem in den Boden gestampften Volk, das auf Hilfe angewiesen war und zurück auf einen Kontinent, der kurz davor war von Tonnen von Wassermassen erdrückt zu werden.
„Gut. Wenn ich dann fort bin, wirst du Liliths Hand nehmen und deine Energie in sie fließen lassen. Northan, du wirst deine Hand auf Raivis Schulter legen, damit die Energie dich nicht trifft. Dann sprichst du, Lilith, die Worte, die ich dir gelernt habe und richtest deinen Fokus auf das Pentagramm. Sobald der Sturm anfängt, oder du fühlst dass sich etwas tut, betretet ihr Gleichzeitig den Kreis und werdet sofort dorthin gezogen, von wo ihr gestartet seid.“
Raivis blickte zu Lilith. „Aber, das bedeutet dass ich dann wieder versuchen werde dich zu töten.“
Sie hob abwertend die Schultern, als wäre dieser Aspekt der Situation unwichtig. „Lilith, tu nicht so als wäre das kein wichtiger Grund, über den wir nicht sprechen müssten.“
„Nein, das nicht, doch das ist lediglich ein Hindernis, das wir überwinden müssen, doch noch lange kein Grund es nicht zu tun.“
Raivis wurde wütend und fuhr sie an. „Bist du denn lebensmüde. Wenn du aufhörst mich in der Vergangenheit als Energieschleuse zu benutzen, werde ich nicht zögern und dich töten. Ich werde mich erst nach ein paar Stunden erinnern. Genau wie du, als der verdammte Farmer dich...“
Er verstummte, da Northan nun neben ihn trat und aufmerksam ansah. „Was. Sprich nur weiter. Was wolltest du gerade sagen.“
Raivis presste die Lippen aufeinander und seine Mutter trat nun ebenfalls an deren Seite. „Was? Du bist als Passagier durch die Zeit gesprungen. Mit wem?“
Lilith blickte mahnend zu Raivis. „Niemanden. Es war nur aus Versehen. Und es kommt bestimmt niemals wieder vor.“ Eine Spannung breitete sich über ihnen aus und keiner der letzten vier anwesenden wusste recht, wer zuerst nach geben würde. Eine eigensinnige und sture Prinzessin, ein eingebildeter schwarzer Magier, ein stolzer Wolf, der seine Prinzessin beschützen wollte und eine arrogante, von den Jahren mitgenommene Frau starrten sich nun gegenseitig prüfend an.
„Ich werde nicht gehen, bevor ich nicht weiß, was passiert ist, meine Prinzessin.“ Überrascht blickte sie auf zu Northan. Der arme Krieger war nur hier, da er versucht hatte sie zu retten und jetzt. Jahrtausende ohne einen bestimmten Lebensgrund hatte er hier wegen ihres Fehlers verbracht. Wäre sie nur bei ihren Eltern geblieben, dann hätte sie die beiden vielleicht retten können, oder sie wäre an deren Seite gestorben. Andererseits...
„Raivis...“ Flüsterte sie beinahe flehend und er seufzte schwer.
„Ein Farmer hat sie angeschossen, da sie als Wolf durch die Felder gelaufen ist, als wir dich gesucht haben, Mutter. Ich saß in einem Taxi, als plötzlich ein Schmerz in meinem Bauch explodiert ist. Von einem Moment auf den andern, wusste ich dass etwas passiert sein muss mit Lilith und fuhr einfach noch einmal an der selben Stelle vorbei, wie nur wenige Sekunden davor. Ich sagte dem Fahrer, dass er stoppen solle und stieg aus. Ich habe sie auf einem Feldweg gefunden, wo gerade der Farmer auf sie gezielt hat und habe ihn getötet. Ich weiß nicht wie es passieren konnte, doch es ist so.“
„Ihr hattet doch eine Magieverbindung.“ Raivis blickte vielsagend zu Lilith, die jedoch stumm blieb und betroffen auf den Boden sah. Anscheinend verstand Raivis Mutter mehr, als sie beide zusammen. „Es gibt nur noch äußerst wenige aktive Magiebenutzer. Und die wenigsten davon können eine... Art Verbindung mit jemanden eingehen und gemeinsam mit der Person ihre Fähigkeiten übernehmen. Was sie dabei sehen ist unterschiedlich. Es... „Das knurren eines Drachen.“ Unterbrach Lilith.
„Was?“
„Wir hörten das Knurren eines Drachen. Es war als würden wir als Geister neben unseren Körper stehen und uns eigenständig bewegen. Niemand sieht oder hört uns, doch unsere Körper bleiben Schutzlos dabei zurück.“
Die nun wieder bedrohlich wirkende Frau nickte, da sie bereits wusste, wovon Lilith sprach, doch Northan wirkte noch immer verwirrt. „Das ist so etwas wie die Verschmelzung zwischen Magiebenutzer. Sehr begabte Leute können dies nur und selbst wenn sie es tun, ist es gefährlich. Ihre Gefühle und ihr ganzes Wesen muss auf die andere Person abgestimmt sein. Nach ein wenig Übung, können diese beiden Magiebenutzer auch über weite Strecken kommunizieren, die Magie des anderen beherrschen und seine eigene dazu. Sie sind wie zwei Körper mit einer Verbindung.“
Nun war es Raivis, der auf den Boden starrte und ungeduldig mit dem Schuh am Boden scharrte. Anscheinend war es ihm genauso unangenehm über so etwas zu sprechen wie Lilith. Doch sie mussten es einfach wissen und Northan musste die ganze Wahrheit erfahren, auch wenn er es vielleicht wieder vergessen würde.
„Und was bedeutet das nun.“ Fragte Northan unruhig geworden.
„Das bedeutet, dass wenn Lilith jemals wieder durch die Zeit reist, Raivis unweigerlich mit nimmt. Sie wird spüren, wenn er seine Gabe benutzt und umgekehrt. Eigentlich... könnt ihr beinahe nichts voneinander verheimlichen. Weder wo ihr seid, was ihr tut, oder welche Entscheidungen ihr trefft.“ Sie wandte sich wieder Lilith und Raivis zu, denen unwohl bei diesem Gedanken zumute war.
„Gut, dann sollten wir wohl besser darüber sprechen, sobald wir zurück sind. Ich denke wir haben wesentlich wichtiger Entscheidungen bezüglich von Atlantis zu besprechen, als was wir nun mit unseren Gaben anstellen können.“ Entschied Raivis.
Raivis Mutter schnaubte abfällig über seine Worte. „Stell dich bitte nicht so dumm, mein Junge. Hör doch endlich einmal zu, wenn ich etwas sage. Ihr beide seid miteinander verbunden. Wenn sie jetzt durch die Zeit springt, wirst du mitgehen, ob du sie nun berührst oder nicht. Ihr werdet nur Magie für Northan aufbringen müssen. Ihr werdet euch beide sofort erinnern.“
„Sofort?“ Wiederholte Lilith fragend und ein Strahlen glitt über ihre Lippen. Selbst Raivis verärgerte Miene wich einer erfreuten. „Das ist doch toll, dann wirst du nicht versuchen mich zu töten.“
Raivis streckte einen Arm nach ihr aus und sie wollte ihn ihrerseits umarmen, doch wurde von Northan zurückgerissen. „Nein! Du nimmst uns die Prinzessin nicht fort. Ich habe nicht tausende von Jahren versucht dich zu töten, nur um dann festzustellen, dass ich es nun nicht mehr nur nicht kann, sondern plötzlich auch nicht mehr darf. Du bist am Untergang überhaupt erst Schuld. Wir werden eventuell von Wassermassen verschlungen. Tausende sind deinetwegen gestorben. Das alles hätte überhaupt nicht erst passieren sollen.“ Ein tausend Jahre alter Schmerz klang aus Northans Stimme, den sie nicht trösten konnte. Niemand konnte dies, abgesehen von der Zeit selbst. Genau in dem Moment als sie es dachte, handelte Raivis. Er packte Northan am Arm und zog ihn aus Liliths Reichweite. Mit der anderen Hand umfing er ihre und schickte seine gespeicherte Energie in sie. Lilith sprach die Worte, bevor sich Northan wehren konnte und von einem Moment auf den anderen war alles Still.
Für Sekunden, die ihr ewig vorkamen, standen Northan und Raivis Mutter wie erstarrt da. Die ganze Welt schien aufgehört haben, sich zu drehen. Raivis starrte verwirrt umher und Lilith verschränkte ihre Finger mit seinen. Was würde jetzt passieren? Würden sie nun zurück kehren? Würde alles aufhören zu existieren und sich einfach vor ihnen auflösen? Würde die Gegenwart einfach zersplittern, oder erlöschen?
Ängstlich blickte sie Raivis an, um den sich plötzlich ein dunkler Schleier legte, der stark nach dem dunklen Umhang aussah, den er vor Jahren getragen hatte, als sie ihm das erste mal begegnete. Sein Griff verstärkte sich und plötzlich war es so, dass sie vor ihm stand und sein Handgelenk krampfhaft fest hielt.
Raivis Mutter verblasste, löste sich vor ihren Augen auf und selbst Northan war verschwunden. War er überhaupt mitgekommen? Hatten sie das Portal betreten? Was ist hier nur los? Blut lief ihre Finger hinab. Blut das Raivis gehörte. Sein Gesicht verschwand hinter der Kapuze und im nächsten Moment blies ihr ein starker Wind direkt ins Gesicht. Erschrocken wollte sie Raivis los lassen, doch er fing ihren Arm ab, damit die Verbindung nicht abbrach. „Es ist noch nicht vorbei!“
Seine Aussprache war krampfhaft und Lilith spürte wie Energie durch seinen Körper in ihren schoss. Die Verbindung war noch aktiv. Sie saugte unaufhörlich Energie durch ihn auf. Es war wie ein Wasserrohrbruch, der einfach nicht versiegen wollte. Ein immer stärker werdender Druck breitete sich in ihrem Kopf aus und sie wusste es war so weit. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Sie war zuhause und musste sie alle beschützen. Ihr Volk, ihre Heimat, ihr eigenes Leben und das von Raivis.
So schnell würde sie ihn nicht wieder gehen lassen. Sie riss sich los und wurde selbst zum Katalysator der Energie. Mit einer herrischen Geste schickte sie ihn fort und spürte wie der Druck in ihren Knochen immer größer wurde. Die Anziehung der Erde schien sich gegen sie selbst zu stemmen. Raivis konnte nichts tun, außer verschwinden, damit man ihn nicht auslöschte. Schreiend brach sie auf den Boden zusammen. Und innerhalb eines Wimpernschlages stand ein grauer Wolf vor ihr. Er trug das Wappen ihres Schlosses auf seiner Stirn und knurrte bedrohlich.
Raivis war bereits fort. Er wartete bestimmt im Schloss auf sie. Nun lag es an ihr, der Energie Einhalt zu gebieten. Nur mit Mühe und Not, versuchte sie die immer schneller strömende Energie zu versiegen. Die Wirbelstürme um sie herum wurden, je mehr sie sich bemühte, immer stärker und zogen an ihrer Kleidung und an ihren Haaren, während ihre Knochen gegen den Boden gezogen wurden. Es schien, als versuche die Natur selbst sie auseinandezrureißen.
„Komm schon.“ Nicht jetzt...Angst breitete sich um ihr Herz aus. Sie war nicht stark genug. Sie konnte dem immensen Druck einfach nicht standhalten. Was würde nun aus ihrem Reich werden? Ihr Volk zählte auf sie und sie musste noch Rache an der Person nehmen, die für all dies zuständig gewesen war. Mit ihrem letzten Willen, schaffte sie es die Energie, die durch sie schoss zu verschließen. Doch welchen Preis würde sie dafür zahlen. Wieder tausend Jahre als Statue eingeschlossen sein? Nein, das konnte sie nicht noch einmal.
Arme legten sich um sie und zogen sie hoch. War es das was andere als den Tod bezeichnen. Die Energie schwappte ab und ihr Körper war wieder leichter. Erschöpft brach sie an einem weichen Körper zusammen und ihr Blick wurde langsam dunkler. „Komm schon Lilith. Mach jetzt nicht schlapp. Das Wasser wird über uns zusammen brechen, sobald du nachgibst. Wach auf!“
Überrascht zuckte sie zusammen und riss die Augen wieder auf. Es war überhaupt kein Sturm, der noch über ihr tobte. Es waren schwere Gewitterwolken, die hier bei ihnen überhaupt nichts zu suchen hatten.
„Die Luft um dich hat sich mit Wasser angesammelt. Wir müssen eine Kuppel erschaffen. Ich brauche dafür deine Hilfe.“
Irgendwo in der Ferne spürte sie eine warme Energie, die durch sie strömte und konnte endlich wieder richtig die Augen öffnen. Der weiche Körper, der sie aufrecht hielt, gehörte Raivis Mutter. Sie nahm den Platz ihres Sohnes ein. Aber wieso?
„Lilith, konzentriere dich!“
„Was soll ich tun?“ Fragte sie und ein Schwindel brach in ihr aus. Sie wies ihr an, wohin sie ihre Energie leiten solle und von einem Moment auf den anderen legte sich der Sturm.
„Wie fühlen Sie sich, Prinzessin.“ Es sprach sie jemand an. Aber wer? Wieso lief jemand in diesem Sturm überhaupt herum?
Voller Fragen setzte sie sich auf. Überrascht erkannte sie, dass sie sich in ihrem eigenen Bett befand.
Raivis saß vor ihr, in einer Medizineruniform. Neben ihm stand ihr besorgt aussehender Northan und noch zwei Freiwillige, die gerade ihr Bettzeug gewechselten haben mussten.
„Northan... wo bin ich?“ Sie wollte lieber mit Raivis sprechen, doch wusste nicht wie.
„Ihr seid in Eurem Gemach, meine Prinzessin. Ihr habt Euch völlig verausgabt. Jedoch muss ich leider zugeben, dass uns der schwarze Magier entwischt ist. Ihr habt Euch wegen uns umsonst beinahe geopfert.“
„Was soll das bedeuten?“
„Hoheit, Eure Verletzungen waren äußerst Lebensgefährlich. Ich konnte nur mit viel Mühe Eure Organe davor bewahren, dass sie nicht versagen. Euer gesamter Körper weist starke Quetschungen auf. Ihr solltet Euch in den nächsten Wochen ausruhen und ja keinen Finger rühren.“
Beinahe belustigt blickte sie zu Raivis auf. Also hatte er sich die ganze Zeit um sie gekümmert.
„Und was ist mit der Frau? Da war... jemand, der mir geholfen hat.“
Northan schüttelte betroffen den Kopf. „Es tut mir leid. Sie ist statt eurer gestorben. Sie hat Euch vor dem Tod bewahrt.“
Vor dem Tod? Deshalb war sie da. Sie wusste, dass die schiere Energie auch ein Opfer forderte. „Was ist mit ihr passiert?“
Northan hob die Schultern, als könne er es nicht sagen, also übernahm dies Raivis für ihn. „Es tut mir leid. Sie ist versteinert.“
Wie Lilith selbst einst. Wie gerne würde sie fragen, was nun weiter mit ihr geschehen würde, doch konnte nicht. Niemand außer Raivis selbst wusste von dem, was passiert ist.
„Jedoch haben wir ein anderes Problem. Wir sitzen unter Wasser fest.“ Unwillkürlich musste die Prinzessin lächeln.
„Majestät, dies ist kein Scherz. Wir sitzen...“
Lilith drehte den Kopf weg und blickte tief in die leicht verärgerten schwarzen Augen von Raivis. „Lasst mich nun alle alleine. Ich muss noch etwas mit meinem Heiler besprechen.“
Sofort verneigten sich die beiden Frauen und Northan, dann verließen sie den Raum und Raivis schloss hinter ihnen ab. „Wie fühlst du dich?“
„Ironisch.“ Gab sie sanft lächelnd zurück.
„Nun sind wir tatsächlich das Atlantis, von dem die Menschen einmal sprechen werden.“
Raivis lehnte sich breit grinsend über sie und gab ihr einen sanften Kuss auf die Wange. „Ich habe mir sorgen um dich gemacht.“ Gab er halb laut zu, doch blickte ihr dabei tief in die Augen.
Sie verstand, was er eigentlich sagen wollte, doch nicht konnte. „Das brauchst du ja nun nicht mehr. Jetzt kannst du mich ja verwöhnen. Immerhin bin ich deine Prinzessin.“
Vorsichtig versuchte sie sich aufzusetzen, doch ihr Körper weigerte sich. „Du musst noch liegen bleiben. Wie gesagt du hast Quetschungen und nur durch den Eingriff mit Magie, konnte ich deine Organe retten. Du brauchst viel ruhe und Schlaf.“
Ergeben hörte sie auf sich zu bewegen und atmete tief durch. Selbst das tat höllisch weh. „Was genau ist passiert?“
„Also...“ Setzte Raivis an und setzte sich neben sie auf das Bett, vermied es jedoch, sie zu berühren. „... ich kann mich daran erinnern, dass du mich los gelassen hast, damit ich verschwinden konnte. Ich bin direkt in das Zimmer der alten Könige, das ist der einzige Ort den ich kannte. Dort fand ich in einem Nebenraum, diese Kleidung. Der Wirbelsturm ist immer kräftiger geworden und als ich mich auf einem Balkon orientieren wollte um den Verletzten zu helfen, hat mich ein Ziegelstein bewusstlos geschlagen.
Als sie mich fanden, bot ich sofort meine Hilfe an und... nun ja. Irgendwie bin ich wohl in der Schiene gelandet, dass sie mich als Heiler einsetzten. Bis ich endlich unten war um nach dir zu sehen, lagst du in den Armen meiner Mutter. Sie hat dir die Bürde abgenommen und sich selbst geopfert.“
Liliths Augen füllten sich mit Tränen. „Es tut mir so leid. Könnte ich, hätte ich mit ihr getauscht. Sie...“
Raivis unterbrach sie, indem er ihr eine Hand auf die Wange legte und sie sanft streichelte. „Nicht, Lilith. Lass es bitte. Du kannst nichts dafür. Ich denke nicht, dass meine Mutter und ich das zwischen uns noch einmal hätten richten können. Ich hielt sie schon einmal für tot, daher ist es für mich erträglicher, dass ich nun weiß wieso sie gestorben ist. Und besonders für wen.“ Mit Mitleid in den Augen, den eigentlich sie für ihn empfand, wischte er ihr einige Tränen aus dem Gesicht.
„Komm schon, Lilith. Mach dir jetzt bitte nicht so einen Kopf darum. Sie hatte ein sehr, sehr langes Leben. Sie hat mehr erlebt, als dass sich andere vorstellen können.“
Lilith lächelte nun über diesen Gedanken. „Aber wir können das, oder? Immerhin wissen wir, was sie alles erlebt haben muss.“ Er nickte und beugte sich vor, um sie endlich wieder zu küssen. „Ja, wir beide.“
„Bleibst du bei mir?“
„Wenn du das möchtest. Doch sie werden sich bestimmt wundern, wenn ich als Heiler länger als nötig bei dir...“
Die Prinzessin schüttelte den Kopf. „Das meinte ich nicht. Ich meine in Zukunft. Nach allem was passiert ist...“
„Das steht außer Frage.“ Sein Unterton lies keinerlei Protest ihrerseits zu. „Natürlich bleibe ich bei dir. Egal für was du mich brauchst.“
Das Versprechen vergaß Lilith die nächsten Monate nicht. Es verging beinahe ein ganzer Monat, bevor Raivis ihr erlaubte, wieder aus dem Bett zu steigen. Danach noch einen, bevor sie wieder vollkommen belastbar war. Die gesamte Zeit über, verließen Raivis und Northan ihre Seite nicht. Im Gegenteil, es war beinahe ein Wetteifern zwischen ihnen, wer der beiden bei ihr bleiben durfte.
Wie geahnt, hatte Northan alles der letzten Jahre vergessen. Die einzigen die nun noch Bescheid wussten, waren Lilith und Raivis, doch beide schwiegen. Wie vorausgesehen, wurden Reiter dem schwarzen Magier nach geschickt, doch wie geplant wurde er nicht gefunden. Raivis erfand ein freier Heiler aus einem anderen Königreich zu sein, der, dadurch dass er Magie benutzte nicht sonderlich beliebt war. Somit stellte niemand genauere Fragen und er konnte weiter seine Tarnung aufrecht erhalten.
Der einzige der nicht sonderlich begeistert von dem neuen Heiler war, war Northan. Wie jeden Tag schockte es Lilith aufs neue, als sie vor die Tore ihres halb in Stücke gerissene Schloss trat. Der neue Anblick der Stadt, und besonders des Himmels machten ihr immer noch Angst. Hin und wieder passierte es, dass sich ein Fisch durch das neu entstandene Feld schlich und auf den Boden stürzt. Den hungrigen Leuten, kam dies wie gerufen.
„Wie weit, denkst du, sind wir unter Wasser.“
Raivis hob die Schultern unwissend.
„Wenn Ihr so weit seid, dann nehme ich an, dass Ihr es herausfinden werdet, Eure Hoheit.“ Lilith lächelte zu Northan hoch, der statt Raivis geantwortet hatte.
„Da kannst du dir sicher sein, mein kleiner Wolf.“ Knurrend wandte er sich von der Nebelwand ab, die sie umgab.
„Bestimmt so tief, dass wir niemals wieder die Sonne sehen werden.“ Lilith zwinkerte Raivis zu.
„Das ist deine Meinung, Raivis. Ich weiß nicht wie es dir geht, doch ich werde bestimmt von Zeit zu Zeit hinaufschwimmen.“ Raivis warf ihr einen mahnenden Blick zu und Northan winkte ab.
„Solange Eure Energie nicht vollkommen aufgefüllt ist, könnt Ihr... Prinzessin! Was tut Ihr?“
Lilith war direkt auf die Wand zu gelaufen, die das Wasser ferhnielt und war ohne Probleme ein getaucht. Das Wasser um schwemmte ihren Körper sofort und der Druck um ihren Körper nahm einen unangenehmen ausmaß an. Lilith verwandelte sich in ein Wasserlebewesen und sog erleichtert Luft ein. Oder in ihrem Fall Wasser, das ihre Kiemen sofort verarbeiteten. Sie sah gerade noch, wie Raivis hinter ihr ins Wasser eintauchte, um ihr zu folgen, doch sie schwamm bereits mit einem neuen Ziel davon. Die Wasseroberfläche. Als sie oben ankam, verwandelte sie sich wieder in ihre ursprüngliche Gestalt und nahm einen tiefen Atemzug.
Die Sonne brannte unangenehm auf ihren nassen Kopf, doch das war ihr egal. Das ist also die Welt, wie sie zehntausend Jahre zuvor war, bevor sie mitten in eine mechanisch angetriebene Welt gestolpert ist.
„Lilith! Lilith! Wo bist du?“ Seufzend schwamm sie zu Raivis und legte beide Beine um ihn.
„Das ist aber nicht nett, die Magie eines Mädchens zu kopieren.“ Sie hatten in den letzten Monaten zwar keine Verbindung zugelassen, doch trotzdem war ihre Vereinigung weiter voragneschritten.
„Das spielt keine Rolle. Du kannst nicht einfach so fortlaufen. Dein Volk wird sich Sorgen machen. Wir haben immer noch nicht alles überstanden. Wir...“ Sie unterbrach ihn, indem sie ihn küsst und so aus dem Konzept brachte. „Du bist anstrengend.“
Gespielt empört, drückte sie ihn unter Wasser und er holte eilig Luft, als er wieder auftauchte.
„Was soll denn das?“ Raivis drückte seine Prinzessin ebenfalls hinunter, was sie nur noch weiter in seine Arme trieb.
„Lilith...“ Etwas unterkühlt, doch überglücklich endlich einmal nicht überall Augen zu vermuten, küsste sie zärtlich seinen Hals.
„Was?“ Fragte sie interessiert nach.
„Wir sollten zurück, sonst macht sich Northan noch mehr sorgen.“
„Also ich wäre dafür, dass wir auf eine Insel schwimmen und unser gemeinsame Zeit genießen. Du kannst es ja auch später auf mich schieben, dass du mich nicht fangen konntest.“
Neckisch biss sie ihn ins Kinn, was ihn nur zum Lachen brachte. „Nun, gut. Einen Abend. Aber das ist der einzige.“ Lilith versprach zwar, dass es eine Ausnahme sei, doch das wurde es nicht. Raivis musste ihr immer öfter auf eine Insel folgen, doch auch wenn er ein schlechtes Gewissen Northan gegenüber hatte, so war er glücklich seine geliebte Lilith für sich zu haben.
Als Heiler, da sie nun wieder gesund war, konnte er nicht ständig bei ihr sein. Er war bei Geburten dabei, bei Amputationen und bei alltäglichen Verletzungen. Niemand wollte darauf verzichten zu helfen. So bauten sie innerhalb eines Jahres die Stadt wieder auf. Bauern, versuchten Tiere wieder zu züchten, damit die Leute etwas zu essen bekamen und jeder half jedem. Den mildernden Umständen entsprechend, musste Lilith niemanden heiraten.
Sie durfte sich einfach ohne Mann als Königin bezeichnen. So hatte sie nun auch keine Angst mehr ihre Zuneigung zu Raivis offen zu zeigen. Zu seiner Belustigung schien niemand darüber überrascht zu sein, sondern im Gegenteil, es schien, als würde man sogar erwarten, dass sie beide zusammen waren.
Wochenlang musste er gut gemeinte Witze auf seine Kosten ertragen, doch das war ihm egal. Er konnte Wiedergutmachung leisten, indem er den Kranken und Verletzten half und durfte bei seiner Königin bleiben.
„Weißt du schon etwas?“ Raivis schüttelte den Kopf und trat neben sie auf den königlichen Balkon, der sich direkt über der heiligen Statue des goldenen Drachen befand, zu der er jeden Abend zusammen mit Lilith betete. Zumindest bis auf die letzten Monate.
„Nein, ich kann mich einfach nicht entschieden. Ich würde sie einfach Göre nennen.“
Strafend kniff sie ihrem ehemaligen schwarzen Magier in den Oberarm, was ihn lediglich zum Lachen brachte.
„Was denn, wenn sie so wird wie du dann...“ Lilith lies Raivis erst nicht fertig sprechen, sondern kniff ihn so lange, bis er sie in den Arm nahm, sodass sie sich nicht mehr bewegen konnte. Die leichte Wölbung ihres Bauches, versuchte er zu meiden, um ihr nicht weh zu tun.
„Du bist gemein zu mir.“ Flüsterte sie liebevoll in sein Ohr.
„Nein, ich bin nur ehrlich. Das war ich bis jetzt immer.“ Schwor er und fing sich noch eine. Glücklich lächelnd blickte sie hinab zu der Statue, zu der sie seit sechs Monaten nicht mehr beten hatte können, da wenn man schwanger war, einem übel davon wurde.
Außerdem war es nicht gut für das Kind und dessen Wachstum wenn man ihm Energie, oder in diesem Fall >Magie< entzog.
„Aber wenn es ein Junge wird, kannst du ihn nicht Göre nennen.“
Der neue König zuckte einfach mit den Schultern. „Dann nenne ich ihn einfach Nervensäge.“
Lilith hatte nun seine volle Aufmerksamkeit. „Du bist unverbesserlich.“
„Sonst würdest du mich auch nicht lieben, wenn ich perfekt wäre.“
Gespielt wütend sah sie ihn an. „Wer sagt denn das ich dich liebe.“
Seine Hand glitt an ihren Bauch, den er zärtlich lächelnd streichelte. „Ich denke das ist das Produkt daraus, was wir für einander empfinden.“
Lilith legte ihre Hand auf seine und verzog nachdenklich den Kopf. „Wer sagt denn das es deines ist. Vielleicht habe ich ja noch jemanden.“ Raivis lehnte sich vor und küsste sie flüchtig auf die Nase.
„Glaube mir, wenn ich dir sage, dass es niemanden unter den zweitausend Überlebenden gibt, der dich so ertragen könnte wie ich es jeden Tag tue.“
Schnell verschwand er aus ihrer Reichweite und entlockte ihr somit ein lautes lachen. „Warte nur, wenn ich dich erwische.“ Versprach sie, doch beide wussten, dass er recht hatte. Nicht dass niemand anderes sie ertragen könnte, doch es war sein Kind und ja sie liebte ihn über alles. Für sie würde es niemals jemand anderes geben und diese Gewissheit hatte sie auch von ihm. Sie kannte keine andere Person, die er so ansah wie sie. Und jeder konnte dies sehen. Auch wenn vieles zwischen ihnen stand, hatte dieses Unglück, das über dritte Hand über sie gebracht worden war, sie trotzdem zusammen gebracht. Hatte ihnen den Weg auf eine glückliche Zweisamkeit geebnet.
Traurig dachte sie daran, wann wohl dieser Kerl auftauchen würde, der Raivis dazu gezwungen hatte diesen Schrecken über ihr Volk zu bringen. Raivis hatte bereits selbst nach ihm gesucht, doch erfolglos. Sie nahmen an, dass er untergetaucht ist. Vielleicht aus Angst vor Rache, oder vielleicht schmiedete er auch gerade einen Plan, um noch das letzte verbliebene Königspaar zu stürzen. Lilith wusste es nicht und wollte es auch nicht allzu bald erfahren. Vorerst war ihr nur ihr Volk und ihre Familiengründung wichtig.
„Komm gehen wir endlich ins Bett. Du bist bereits erschöpft.“ Sie hörte auf Raivis und folgte ihm zurück in ihr gemeinsames Gemach. Trotz allem, was sie bereits durchgemacht hatten, lies sie das unbestimmte Gefühl nicht los, dass noch bestimmt etwas auf sie beide zukommen würde. „Denk nicht so viel nach um diese Uhrzeit. Sonst bekommst du nur graue Haare.“
Raivis Hand strich liebevoll über Liliths Kopf, was sie zum Lachen brachte. Nein, sie konnte tatsächlich nichts mehr vor ihm verheimlichen, doch dies war auch nicht mehr wichtig. Es gab nichts zu verheimlichen. Nicht vor ihm.
Tag der Veröffentlichung: 13.10.2014
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