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Beathang der Gefallene Engel

Beathag 

 

Bea hatte es sich im Trainingssaal gemütlich gemacht und las ein Buch. Ihr Morgenstern hatte sie angewiesen mehrere Stunden täglich in der Übungshalle zu verbringen und das tat sie auch. Wenn auch nicht ganz so wie er es gemeint hatte. Lächelnd überflog sie den Prolog des zweiten Teiles einer Romanserie und ließ sich in die Fantasie des Buches geleiten. Es ging um einen Krieger, der in die Schlacht zog um seine Familie zu rächen, die Monate davor bestialisch abgeschlachtet worden war, während er selbst gerade in der Stadt Lebensmittel verkauft hatte. Sie verstand nicht richtig warum er sie unbedingt rächen wollte, da es sie nicht mehr zurückbringen würde. Sie hoffte, dass es im zweiten Teil vielleicht erläutert wurde.
Nun saß sie schon drei Stunden auf dem harten Dielenboden und erwartete freudig das letzte Kapitel. Verärgert schlug sie es zu, da er dort starb und zwar ein ganzes Königreich gerettet hatte und seine Frau und Kinder gerächt, doch gebracht hatte es ihm selbst nichts anderes als den Tod. „Wie lächerlich. Dieser jämmerlicher Idiot.“ Seufzend stand sie auf und ließ das Buch achtlos am Boden liegen. Einer der Diener würde es später wegräumen, da sie ja sonst nichts anderes zu tun hatten, als ihr nach zu räumen. Sie saß nun schon sechs Wochen in der abgeschiedenen Burg fest und konnte weder hinaus, noch darin irgendetwas machen.
Innerlich verfluchte sie den Morgenstern, der sie hier gefangen hielt und selbst nicht anwesend war. Sie starb fast vor Langeweile.
„Lady! Ihr Mittagessen ist fertig.“ Bea betrachtete den niederen Dämon von oben herab und folgte diesen ins den Speisesaal, in dem bequem mehrere hundert Menschen platz hatten. Sie überholte den Dämon auf halben weg und ließ ihn hinter sich zurück. Sie wollte so wenig wie möglich mit den menschlich aussehende Dämonen zu tun haben, solange sie hier war. Der Morgenstern hatte ihr versprochen, das es nur für wenige Wochen wäre, doch diese so genannten wenigen Wochen dauerten ihr bereits viel zu lange. Sie war ein gefallener Engel und keine Hauskatze. Sie setzte sich an den einzigen gedeckten Tisch in der Mitte der Halle und betrachtete die angeführten Gerichte. Alles ihre Lieblingsspeisen und doch schmeckte alles so fade als würden die Dämonen keine Gewürze kennen. Nun ja sie hatten auch keine Gefühle oder Seele, ganz zu schweigen von Geschmack. Sie hatte den Dämonen einmal aus Langeweile angewiesen ein menschliches Äußeres anzunehmen und sie dann aus Spaß eingekleidet. Das hatte ganze zwei Tage gedauert, dann war ihre Freude daran verflogen. Verärgert biss sie in das halb, gare Fleisch und spuckte es angewidert auf den Boden. Danach schnappte sie sich eine Banane und genoss den süßen Geschmack. „Ihr müsst unbedingt Kochen lernen Kinder. Habt ihr den keine Kochbücher hier?“ Der Dämon rechts von ihr mit den roten kurzen Haaren verneinte. Sie überlegte kurz und zeigte dann auf ein kleines Mädchen, das neben dem Mann stand und ihr als Dienstbote diente. „Du geh Kochbücher kaufen und lerne sie auswendig. Danach lerne es den anderen. Heute Abend will ich etwas Ordentliches haben.“ Das Mädchen verschwand indem ihr äußeres Verblasste und der rothaarige Dämon begann abzuräumen. Sie nahm sich noch eine rohe Karotte und stampfte schmatzend hinaus auf den Gang.
„Na, so schnell gelangweilt mein Engel?“ Bea betrachtete den hochgewachsenen Mann mit seinen glatten Gesichtszügen. Natürlich war es nicht sein wahres äußeres, sondern das, dass er in Besitz genommen hatte um sich selbst zu schützen.
„Nun, ja. Du bist ja nicht da. Was soll ich sonst hier machen, als versuchen dich zu töten?“
Er kam strahlend auf sie zu, als hätte sie etwas unglaublich nettes gesagt und schloss sie in die Arme. Sie atmete genüsslich seinen Geruch ein und streckte sich ihm entgegen um ihn zu küssen. Ihr Morgenstern. Zu ihm würde sie immer und immer wieder zurückkehren. Egal wie oft sie starb. Lächelnd löste er sich von ihr und überreichte ihr ein Päckchen. „Du sollst mir doch nichts mitbringen.“ Tadelte sie ihn, nahm es ihm dennoch aus der Hand und packte es aus. Sie hielt ein in Leder gebundenes Buch in der Hand, in dem alte Runen aufgelistet waren. Ihr Lieblingsbuch. „Danke mein Morgenstern. Ich habe es schon vermisst.“ Sie drückte es an sich und ließ die Verpackung achtlos am Boden liegen. „Nun gut. Wie ich sehe hast du deine Erinnerungen wieder vollends zurück?“
Sie nickte. Das hatte sie tatsächlich. Nur drei Wochen nachdem sie hier angekommen und sich wie jedes mal gewährt hatte, hatte er sie drei Tage ins Koma geschickt und dort hatte er ihr ihre Erinnerungen zurückgebracht, die ihr genommen worden waren. „Dachte Tataros tatsächlich, dass es mir sie endgültig nehmen kann? Einem Engel wie mir?“
Der Morgenstern lachte und küsste sie im Gehen auf den Scheitel. „Mich fragst du? Ich hatte im Gegensatz mit dir niemals etwas mit dem Reich zu tun. Ich lag mehrere Schichten darunter begraben und bin nur daran vorbei und nicht hindurch.“ Er sprach immer so beiläufig über sein Gefängnis, als wäre er nur ein paar Tage in einem Gefängnis gesessen und dann nach Hause getrampt. Irgendwie bewunderte Bea ihn dafür und fürchtete ihn zugleich. Normalerweise würde sie diese seltenen Momente nutzen um ihn über seine Gefangenschaft auszufragen, jedoch hegte sie zum ersten Mal nach Jahren nicht einmal das leiseste Interesse dafür. Sie drehte sich eine ihrer selbst gemachten Locken um den Finger und blickte ihren Morgenstern lächelnd an. „Was machen wir heute mein Lieber?“ Er blickte sie einmal kurz verwirrt an, als hätte er nicht damit gerechnet, dass sie das Thema wechselte, räusperte sich dann und antwortete ihr. „Ich dachte mir wir könnten den Tag im Garten verbringen.“ Bea blickte gelangweilt zu ihm hoch und gab ein pupsendes Geräusch von sich indem sie die Zunge heraus streckte. „Langweilig!“ Meinte sie gedehnt und streckte sich ausgiebig. „Nun, gut... möchtest du gegen mich kämpfen? Ich hoffe doch das du jeden Tag brav trainiert hast?“ Bea kicherte. „Du hast lediglich gesagt, dass ich jeden Tag ein paar Stunden in der Trainingshalle verbringen sollte. Mehr nicht und mehr habe ich auch nicht getan. Ach, ja. Du brauchst mehr Bücher, wenn du mich beschäftigen willst.“
Plötzlich fühlte sie eine eiserne Hand in ihren Haaren, die sie brutal zurück zogen. „Azriel! Du kleines Miststück! Denkst du denn, ich behalte dich hier um dich zu beschäftigen? Einfach so aus einer gut gemeinten Laune heraus? Du kennst mich schon seit ich geboren worden bin! Benimm dich anständig und trainiere so wie ich es dir auftrage, sonst wird dein Aufenthalt hier qualvoller als jeder anderer zuvor.“ Bea wandte sich aus seiner eisernen Umklammerung und spuckte ihm ins Gesicht. Erschrocken riss er die Augen auf und wischte sich die Spucke aus dem Gesicht. „Eigentlich dachte ich du hättest in den letzten Jahren mehr gelernt.“ Hart schlug er ihr ins Gesicht und sie hörte etwas in ihrer Wange knacken. Doch sie empfand keinen körperlichen Schmerz, sondern nur Genugtuung. Sie hatte ihn einmal schon so weit gehabt, dass er sein wahres Gesicht zeigte. In diesem Leben würde sie es schaffen und nicht wieder einknicken. Lachend zog sie sich an der Wand auf die Beine. „Das war schon alles? Du wirst langsam sentimental kleiner verstoßener Engel! Erinnere dich an deinen Platz!“ Zischte sie und kassierte einen Schlag in die Magengrube. Blut spuckend sank sie wieder zurück auf den Boden und begann laut und unkontrolliert zu lachen. „Lächerlich!“ brachte sie mühsam hervor.
„Bleib einfach da liegen wie ein jämmerlicher Wurm. Ich werde dich schon noch in die Knie zwingen.“ Damit drehte er sich um und verschwand um eine Ecke.
Bea genoss den Geschmack ihres Blutes im Mund und fühlte das leichte prickeln der Heilung in ihrem Gesicht. Niemals würde er das von ihr bekommen was er wollte. Niemals würde sie ihm helfen diese Welt zu zerstören. Und niemand anderes außer ihr konnte ihm helfen. Kein Mensch wäre so dumm sich selbst zu zerstören und er hatte nicht genug Dämonen um gegen alle Menschen zu gewinnen, dafür waren sie zu zahlreich. Das was er wollte, war eine ganze Welt unter seiner Knechtschaft. Er wollte peinigen und zerstückeln und ihrem Macher beweisen, dass er nicht allmächtig war wie er immer tat. Doch dazu würde Bea sich niemals herab lassen. Niemals würde sie den Schöpfer so hintergehen, egal wie sehr sie den Morgenstern liebte. Es gab eine Macht die war einfach größer als er. Und der Tod selbst fügte sich ausschließlich dieser Macht.
Als der Schmerz verebbte erhob sie sich und humpelte in die Küche. Sie brauchte Messern, wenn sie trainieren wollte.
„Ich helfe Ihnen Miss.“ Bea schlug die Hand des Dämonen weg, der ihr helfen wollte und zischte ihn barsch an, dass er verschwinden solle. Sie zog zwei Messern aus der Schublade und humpelte in den Trainingssaal, in dem sie schon unendlich viele Stunden trainiert hatte. Blut, Schweiß und Wille war das was sie mit diesem Raum verband, auch wenn es sie abstieß. Wütend warf sie die beiden Messer zielgenau in die Trainingspuppe und humpelte hin um sie wieder heraus zuziehen. Dann positionierte sie sich wieder an ihren Ausgangsort und warf sie erneut. Das tat sie beinahe die ganze Nacht hindurch, bis alle zehn Trainingspuppen aussahen als hätten sich mehrere Männer mit Schwerter an ihnen vergriffen. Zwischendurch waren immer wieder Dämonen gekommen um ihr etwas zu essen und zu trinken zu bringen, doch sie warf entweder ein Messer nach ihnen oder gleich die ganze Puppe. „Verdammte Engel! Verflucht sollt ihr alle sein!“ Fluchte Bea und warf das Messer, das mittlerweile abgestumpft war durch die letzte Trainingspuppe hindurch. Es blieb vibrierend dahinter in der Wand stecken und sie musste lachen. Verbittert wie sie sich eingestehen musste.
„Guten Morgen meine Liebste! Heute übst du aber schon fleiß...“ Nereos blieb mitten im Eingang stehen und betrachtete das Massaker aus Holz, Stoffen und Stroh. „Wie ich sehe, übst du wohl schon die ganze Nacht?“
Bea zog das stumpfe Küchenmesser aus der Wand und warf es achtlos zu den anderen Waffen, die fein säuberlich geschärft und sortiert an der Wand und auf mehrere Regale aufgelistet waren. „Braves Mädchen!“ Sie ließ sich in seine ausgebreiteten Arme fallen und er hob sie hoch. Müde kuschelte sie sich in seine Arme und genoss die Wärme die von ihm ausging. Zu erschöpft um ihm eine barsche Antwort zu geben küsste sie ihn auf sein Kinn und er lächelte glücklich zu ihr hinab, während er sie auf ihr Zimmer trug. „Mein kleiner rebellischer Engel. Wie erquickend, dass du deinen Humor wohl niemals verlieren wirst. Das macht mein verdammtes Leben etwas freudiger. Mein kleiner dunkler Streifen am Horizont, der mich tadelnd anblickt. Sag mir, warum ich dich nicht einfach immer töten sollte und das so lange, bis du keine Leben mehr übrig hast?“
Bea kicherte und streichelte seine Halsbeuge. „Weil du es nicht kannst. Ich bin das einzige das dich hier beschützt mein Geliebter. Außerdem brauchst du meine Kraft um deine Rache zu üben, jedoch wird es noch weitere Jahrtausende dauern bis ich auch nur darüber nachdenke einfach nachzugeben.“
Sie spürte sein Lachen durch ihren ganzen Körper vibrieren und erschauderte. Ein Bild wurde in ihrem Kopf klarer. Dunkelblaue Augen die sie starr musterten und ihr Trost spendeten. In Gedanken umfasste sie das Gesicht besser um es nicht zu verlieren. Das war ihre einzige Chance um nicht verrückt zu werden. Sie spürte das er sie auf etwas Weiches legte und seufzte zufrieden. „Bleib bei mir mein Morgenstern.“ Nuschelte sie und fühlte einen Kuss auf der Wange. Neben ihr senkte sich das Bett etwas unter dem Gewicht des zweiten Engels und sie rollte sich herum um sich an ihn zu kuscheln. „Warum möchtest du mir meine Rache nicht einfach lassen?“ Bea griff nach seinem Hemdsaum und spielte sich damit während sie überlegte was sie nicht schon alles gesagt hatte. „Warum hörst du nicht einfach auf mit deiner Rache und ergibst dich demütig?“
Ein grunzen, das sagte er wie abwegig er es fand. „Du bist wirklich amüsant. Willst du mir denn irgendetwas erzählen? Bist du meiner den schon überdrüssig?“
„Natürlich nicht.“
Mehrere Minuten vergingen und Bea dachte an Thorik. Ob er sie wohl suchte? Wahrscheinlich nicht. Bestimmt wurde er von seinem Rudel überstimmt, wer würde sich auch auf so eine waghalsige Aktion freiwillig einlassen. Plötzlich stieg Trauer in ihr auf.
„Du lügst. Engel sollten nicht Lügen! Erzähl mir von dem Werwandler.“ Bea versteifte sich. Was sollte sie sagen?

„Ich habe dort viele kennen gelernt, welchen meinst du?“
„Der, der mich so wütend angestarrt hat als würde er mich gleich fressen. Ich denke es war ein Bärenwerwandler.“
Verdammt er meinte tatsächlich Thorik. Sie konnte ihm doch unmöglich die Wahrheit erzählen. Wenn man nicht Lügen konnte musste man eben ausschweifend Antworten. „Er ist an sich ein guter Werwandler und starker Krieger. Er hat mich vor einem alten Wolf gerettet. Das war der alte Rudelführer. Seine Tochter hat mich geboren und er gab mir die Schuld an deren unschuldigen Tod und eben das übliche, das kennst du ja schon. Chattan nahm mich auf und von da an war ich beschützt und unsichtbar. Niemand hat mich jemals gesehen, bis auf Chattan. Er ist ein Vogelwandler und sehr gebildet. Er hat mich viel Neues gelehrt.“
Der Morgenstern schob Bea von sich und richtete sich auf um sie ansehen zu können. „Ach, deshalb bist du nicht als Kämpferin ausgebildet. Dein Großvater in diesem Leben hätte dich eigentlich stählern sollen, aber da er aus dieser Generation gerissen wurde, wurdest du unweigerlich gebildeter erzogen.“
Bea verstand sofort auf was er hinaus wollte. Es war üblich dass sie in eine Familie geboren wurde, die für den Kampf lebte. Gerade Werwandler waren darin sehr erfahren. Jedoch hatte sich Chattan als Eulenwerwandler, die eine Ausnahme bildeten, natürlich den Büchern und deren Wissen verschrieben und sie dadurch in diese Richtung erzogen. Lächelnd dachte sie an die riesige Bibliothek, die nichts im Gegensatz zu der vom Morgenstern war. Sie war dort sechs Jahre lang aufgewachsen und hatte jedes Buch wie einen Schwamm aufgesogen. Natürlich hatte sie das. Es war ihr Wesen alles zu lernen was es zu lernen gab. Sie hatte auch viele Bücher langsam berichtigt, da ihre Angaben bereits veraltet waren. Chattan hatte sie dafür immer getadelt. Wie ihr jetzt erst auffiel hatte sie zwar ein Wissen von tausenden von Leben, jedoch bezog sich fast alles davon auf Kämpfen und Geschichte. Die einzelnen Arten hatten sie nie sonderlich interessiert, weil ihr niemals die Gelegenheit dazu geboten worden war. Selbst Chattan hatte das Buch über die Verhaltensweisen der Werwandler verborgen gehalten und ihr erst offenbart, als er merkte dass sie umworben worden war ohne es selbst aber zu verstehen.
„Witzig. Ich bin der Tod. Ich nehme Seelen und bringe sie auf die andere Seit,e weil es meine Pflicht ist. Aber ich habe niemals darüber nachgedacht, was es für ein Wesen gewesen sein musste, dass ich da in den Händen hielt. Das bestürzt mich traurigerweise. Niemals habe ich darüber nachgedacht ob der Körper gewaltsam aus dem Leben gerissen worden ist oder ob er friedlich im Schlaf gestorben ist. Wie egoistisch.“
Der Morgenstern lachte als hätte er noch niemals etwas Lustigeres gehört. Bea saß neben ihn und fühlte sich etwas hintergangen. Er lachte sie einfach aus, obwohl sie ein schlechtes Gewissen hatte.
„Ach meine Liebe. Du bist einfach zu lustig, weißt du das. Warum sollte es dich denn auch interessieren? Es sind bloß Seelen und nicht so wichtig wie wir.“ Bea war verleitet ihn zu schlagen, hielt sich jedoch zurück. Verärgert ballte sie ihre Hände zu Fäusten und drehte sich auf die Seite. „Vermutlich. Ich bin müde und denke wirr. Gute Nacht.“
Bea versuchte ihre Tränen zu unterdrücken und vergrub sich tief unter der Decke. Als sie das klicken des Lichtschalters hörte, lugte sie durch das Zimmer, doch der Morgenstern war weg. Bestimmt ging er wieder seine Rachepläne durch.
Sie musste unbedingt mehr lernen. Vielleicht wenn sie sich wieder umbrachte, so wie beim letzten Mal... Nein das konnte sie nicht. Sie wollte Thorik noch ein letztes mal sehen. Und Chattan. Sie fehlten ihr. Jeder Faser ihres Körpers schrie nach den beiden wertvollsten Männern in ihrem Leben, die sie jemals kennen gelernt hatte. Tapfer wischte sie ihre Tränen weg und ging zum Fenster. Der Wind peitschte sofort wie wild hinein und trieb ihr die Tränen wieder in die Augen. Ein Zauber war mehrere hundert Meter um die Burg errichtet, der Verhinderte das irgendjemand fliegen konnte. Nicht einmal sie als gefallener Engel schaffte es dagegen an, sie war schon mehrere Male dagegen gescheitert und an den felsigen Klippen aufgeschlagen. Verbittert blickte sie hinab zu den tosenden Wellen, die sich erbarmungslos gegen die Klippen warfen und wie wild aufschäumten. Die Welle zog sich wieder zurück und offenbarte spitze Felsen die von unten nach oben ragten. Sie waren nicht natürlich entstanden, das sah man ihnen an.
Fluchend schloss sie das Fenster unter mühen und Ruhe kehrte ein. Verdammt was sollte sie nur machen? Es zog sie in zwei völlig unterschiedliche Richtungen. Einerseits wollte sie nur den Morgenstern und für immer an seiner erleuchtenden Seite sein, jedoch wurde diese Tatsache langsam zur Illusion. Eine Stimme in ihrem Kopf schrie sie beinahe den ganzen Tag an. Immer wenn sie an ihn dachte oder in seiner Nähe war, schrie ihr diese Stimme Sachen zu, die sie nicht glauben konnte. Sie bemerkte plötzlich eine Bewegung um Augenwinkel und stellte sich Kampfbereit hin. Jedoch war ihr Feind sie selbst. Ihr Spiegelbild blickte ihr Drohend entgegen und schien sie zu verhöhnen.
Bea lockerte sich wieder und stellte sich vor den zwei Meter hohen Spiegel. Traurig betrachtete sie sich selbst. Ihre schwarzen Flügel waren im dunklen Zimmer beinahe unsichtbar und überragten sie wie ein schwarzer Schein. Ihre schwarzweißen Haare waren zu einem Zopf seit der Trainingshalle zurück gebunden während ihre dunklen Augen aussahen als würden sie, sie rügen wollen. Das Gesicht, das ihr so fremd und doch so vertraut war, das sich in jedem ihrer Leben änderte, jedoch irgendwie gleich war, wirkte rau und angespannt. Verzerrt durch Schmerz und Wut. Plötzlich bewegten sich im Spiegelbild ihre Lippen zu einem zärtlichen Lächeln und ihre Augen wurden sanfter. Überrascht stieß sie einen unkontrollierten Aufschrei aus.
„Beathag... Schön das du mich endlich sehen kannst. Das heißt du fängst endlich an dich zu verändern.“
Verwirrt blickte sich Bea um, ob das nicht vielleicht ein Streich war. Jedoch fiel ihr jetzt erst auf dass ihr Spiegelbild sich verändert hat. Es war viel dunkler als sie selbst gerade. Keine weißen Strähnen und kein Strahlen mehr. Ihr war gar nicht bewusst gewesen wie hell sie selbst ist, erst als sie sich mit dem Spiegelbild verglich, merkte sie wie matt sie gewesen war. „Du sprichst mit mir? Wer bist du?“ Das Spiegel-Ich lachte. Aber es war kein fröhliches Lachen. „Natürlich tue ich das. Ich versuche schon seit Jahrtausenden mit dir in Kontakt zu treten, doch du warst nie offen dafür. Du warst zu sehr auf Luzifer fixiert.“
Unsicher blickte sie zur Türe. Würde nicht jeden Moment ein Dämon hervorspringen und „Überraschung“ brüllen, so würde sie es in Erwägung ziehen in Ohnmacht zu fallen.
„Was meinst du? Wer bist du?“
„Ich bin du. Ich bin dein erstes Leben. Als du noch ungeschliffen und glanzlos warst. Wie ich sehe, reifst du nun langsam mein junges Ich.“
Bea griff vorsichtig auf die Spiegeloberfläche, fühlte jedoch nur kaltes Glas. „Warum sprichst du mit mir? Bin ich verrückt?“
Lächelnd schüttelte sie den Kopf und ihre schwarzen strähnigen Haare flogen um ihren Kopf herum. „Nein! Natürlich nicht. Du begreifst nur langsam dein Urteil. Diese Leben sollten doch nicht einfach nur eine Strafe sein Azriel. Du bist der Tod, doch weißt überhaupt nichts über das Leben meine Liebe. Du musst lernen und dann kannst du auch wieder zurück. Du kennst doch die Prophezeiung?“
Bea nickte und sagte sie Auswendig auf. Es war in ihrem Hirn eingraviert wie das Wort >Mama< und >Hunger
„Richtig. Aber höre auf mich, denn Wissen ist Mach. Nur die dummen glauben zu Wissen und die Gebildeten werden ersticken an ihrem eigenen Papier das sie zu häufen wissen.“ Plötzlich verschwamm die Gestalt und sie sah wieder ihr eigenes entsetztes und verwirrtes Gesicht. Ihre Augen wirkten trauriger und doch heller als zuvor. Langsam beugte sie sich vor und betrachtete ihre Augen. Kleine goldene Sprenkel waren darin erschienen. „Wie der Sterne bedeckte Himmel.“ Flüsterte sie und blinzelte ein paar Mal in der Hoffnung das sie sich das nur einbildete. „Verdammt ich muss dringend schlafen, sonst steht demnächst ein grüner Elefant im pinken Tütü in meinem Zimmer.“ Verärgert warf sie sich ins Bett und zog die Bettdecke abermals über den Kopf in der Hoffnung einen raschen Schlaf zu finden. Jedoch war es ihr nicht vergönnt, da sich in ihrem Kopf ständig verschiedene Szenarien von ihrer derzeitigen Situation und ihren Zukünftigen abspielten. Verbittert biss sie sich auf die Lippe bis sie blutete. Kalte Tränen rannen ihr über die Wange während sie an ihr Was-Wäre-Wenn dachte. Sie ist ein gefallener Engel, der sein Leben für einen verbannten Engel weggeworfen hatte. Den hellsten Stern, der ihre dunkle Aufgabe erhellt hatte.
Sein Auftreten war immer schon machtvoll und bewundernswert gewesen, doch irgendetwas war diesmal anders. Letztes mal hatte er die Burg von einer sehr mächtigen Passiv – Magierin beschützen lassen und sie hatte sich nach einhundertfünfzig Jahren hinunter in den Tod gestürzt, als es ihr hier zu langweilig wurde. Sie war schon immer arrogant und Uneinsichtig gewesen, das wusste sie. Es hatte sie die Meinungen der anderen niemals interessiert. Oder deren Verbleib. Nicht einmal zu den Dämonen war sie jemals nett gewesen. Doch in diesem Leben packten sie mittlerweile doch Schuldgefühle. Sofern sie ihren Schmerz in der Brust richtig deutete.
Verdammtes Rudel! Irgendetwas haben sie an mir verändert. Etwas ist anders und ich werde herausfinden was dieses etwas ist.

Überaschungen

Chattan

Die Sonne ging gerade am Horizont auf und tauchte das gesamte Tal in einen orangen Schleier. Die letzten Nächte hatte es viel geregnet obwohl es warm ist, jetzt lag alles
in einem feuchten Nebel gehüllt. Man konnte kaum Atmen, darum waren alle Glücklich,
dass die Bauarbeiten mittlerweile fertiggestellt waren. Alle Häuser waren nun voll eingerichtet und stabiler als zuvor.
Vor ein paar Monaten hatte ein riesiger Wasserdrache einen Feuerregen über das Tal ergossen und mehr als ein Dutzend waren im Feuer umgekommen. Zu dieser Zeit waren die Rudelkrieger in einem fehlgeleiteten Feldzug gegen eben diesen Drachen, der sie in die Irre geführt hatte und der Rudelführer, der an diesen Drachen seine Zukünftige verloren hatte, war seitdem nicht mehr der selbe. All seine Gedanken hingen lediglich an der Rettung eines gefallenen Engels. Eine siebzehnjährige unsterbliche, die gegangen ist um das Rudel zu schützen.
Er selbst war unglaublich stolz auf das Mädchen, das davor misshandelt worden war und er aus Gutmütigkeit sie in seine Obhut genommen hatte um sie vor den zornigen Fängen des ehemaligen Rudelführers zu schützen. Leider gelang Chattan das sehr schlecht, da er die meiste Zeit nur in der Bibliothek verbrachte und nicht wusste wie man sich um eine zehnjährige kümmerte. Ein Jahr später war Thorik, der jetzige Rudelführer aufgetaucht und hatte den alten Rudelführer gestürzt und dessen Platz eingenommen um das kleine Mädchen zu schützen und das Rudel wieder zum Leben zu erwecken. Er war so etwas wie der weiße Prinz der eine riesige Familie von einem Fanatiker gerettet hatte, zumindest würde es Beathag so sehen.
Traurig dachte er an die Zeit zurück in der er seine Beathag jeden Morgen drei Stunden unterrichtet hatte um mehr über sie zu erfahren und sich besser um sie kümmern zu können. Schluss endlich war es nach drei Jahren darauf hinaus gelaufen, dass sie sich um ihn gekümmert hatte und sein Herz mit nur einem Augenaufschlag sofort erobert hatte. Sie war zwar als ein Rudelmitglied geboren worden, jedoch schlummerte in ihr ein viel älteres und mächtigeres Gen, als in allen anderen. Sie ist der Engel, der Gefallene Engel. Das war ihm immer egal gewesen. Sie war nun mal seine Tochter, auch wenn sie die Erinnerung an tausende von vorherigen Leben hatte, war sie seine Tochter. Als etwas anderes konnte er sie nicht sehen. Nun saß er da. Weit oben in den steilen Bergen, die das Tal umgaben und beschützen vor der Außenwelt. Ihr kleines behütetes Reich, das doch so viel durchmachte. Erschüttert von einem Herzschlag.
„Hier steckst du also.“ Chattan betrachtete seine blonde Schönheit, die vor ihm Stand und ihn forschend musterte. Vor drei Monaten war sie gegangen um Verbündete für einen Kampf zusammen zu sammeln, jedoch wurde dieser Krieg ständig von den Vampiren verschoben, da sie sich strikt weigerten an der Seite von Werwandler zu kämpfen. Leider war ihre mächtige Anzahl sehr wichtig und entscheidend für die Armee. Die Magier würden Kämpfen, so hatte Thorik ihnen es übermittelt, genauso wie die dunklen Hexenmeister und eine gewaltige Anzahl von Elben würde sich nur anschließen wenn die Vampire zustimmten. Die Gestaltwandler hielten sich gar ganz heraus, da sie keinen Vorteil darin sahen, falls sie gewannen. Sie hofften auf Gnade, falls die menschliche Armee versagte.
Verärgert kreischte er auf und sträubte sein Gefieder, dann stieß er sich ab und glitt zu ihr auf einen hervorstehenden Felsen. Sie selbst besaß die Macht ihren Körper durch den Raum zu bewegen ohne größere Anstrengung. Für ihn als Vogelwerwandler war das schon beeindruckend, da er selbst Flügel dazu benötigte.
Er landete vor ihr und verwandelte sich in seine Menschengestalt in der er sie wütend anblickte. „Was tust du hier?“ Fragte er und unterdrückte ein knurren.
„Ich habe dich gesucht.“ Vermittelte sie kurz und blickte unsicher auf den Boden. Plötzlich kam ihm wieder ins Gedächtnis wie sie ihn vor drei Monaten ohne ein Wort des Abschiedes einfach verlassen hatte.
„Ich wollte dich sehen. Thorik meinte, dass du vielleicht hier bist.“ Verlegen spielte sie mit dem Saum ihrer Kutte. Chattan wusste das sie zwar sehr mutig war, doch ihm gegenüber fürchterlich schüchtern. Er verstand nur nicht warum. Sie hatten miteinander geschlafen und sich in aller öffentlich geküsst. Genauer gesagt hatte sie diese Schritte eingelenkt, nur dann wenn sie mit ihm reden sollte oder begrüßen, dann war sie wie ausgewechselt. Geduldig stemmte er die Hände in die Hüfte und sie wirkte noch zerbrechlicher.
Langsam ging sie ein paar schritte auf ihn zu und legte eine Hand auf seine Wange. Da konnte er nicht mehr anders und musste sie einfach küssen. Überrascht schnappte sie nach Luft nur um im nächsten Moment zu kichern und seinen Kuss zu erwidern. Das ist ja schon besser. Wenn sie tatsächlich meine Braut werden sollte, dann durfte sie keine Scheu vor mir haben. Dachte Chattan und zog sie eng an sich. Gleich darauf schob sie ihn etwas von sich und betrachtete ihn liebevoll. Irgendetwas an ihr war anders, fiel ihm auf. Nur konnte er sich nicht erklären was es ist.
„Ich wollte mich ehrlich gesagt entschuldigen, dass ich vor drei Monaten einfach verschwunden bin. Ich dachte, es würde nicht so lange dauern, aber die Magier haben mich bevor sie zustimmten sehr strengen Befragungen unterzogen. Dort konnte ich nicht weg. Dann wollten sie mich von euch fern halten und jemand anderen schicken... Ich konnte einfach nicht anders als hier her zurückkehren. Ich musste hier her zurück!“ In ihren Augen lag so viel bedauern das Chattan nicht anders als lächeln konnte. Sie hatte sich seinetwegen über die Befehle der Magier hinweg gesetzt. Das ließ sein Herz wie wild springen.
„Ich habe dich vermisst mein Mäuschen.“ Sie verzog angewidert das Gesicht aber grinste dabei. „Der Kosename ist ekelhaft. Soll ich dich etwa mein Täubchen nennen?“ Belustigt ließ er seine Eulenaugen aufblitzen was sie etwas erschreckte wie immer wenn er etwas tat dass auf seine zweite Art hindeutete. „Wenn du tatsächlich denkst das ich eine verseuchte Taube bin die anderen auf den Kopf scheißt... Dann ja, kannst du mich so nennen.“
Überrascht von seiner Zustimmung prustete sie los. „Ach, du meine Güte. Das werde ich bestimmt nicht sagen. Und nenne mich ja nicht in Anwesenheit von anderen Mäuschen!“ Warnte sie ihn und umhüllte ihn mit ihren Flammen. Sie waren zwar nicht heiß, doch er spürte ihre Wärme über seinen ganzen Körper gleiten. Sie hatte ihn mit einem Feuerschutz überzogen.
„Aber das ist noch nicht alles. Ich muss noch etwas mit dir besprechen. Eigentlich... bin ich genau deswegen hier.“ Sie löste sich von ihm und ihr Ausdruck wurde wieder unsicher.
Chattan hasste es, wenn sie sich von ihm löste und ihn dadurch beinahe von sich stieß. Verärgert zog er sie wieder an sich und umarmte sie. Sie stand einige Sekunden wie vom Blitz berührt da, erst da begriff er. Ihr Geruch hatte sich verändert.
Plötzlich schlug Angst über ihm ein. Sie hatte doch nicht etwa jemand anderen? Knurrend blickte er ihr in die Augen. „Nach wem riechst du? Dein Geruch ist anders. Hast du dich mit jemand anderen verbunden?“
Der Geruchssinn eines Vogelwerwandler war nicht so gut ausgeprägt wie bei anderen Werwandler, jedoch stark genug um so etwas mitzubekommen.
Miranas Gesichtsausdruck änderte sich nicht, sie blickte ihn immer noch unsicher an. Beinahe traurig. Verzweifelt packte er sie an den Schultern und schüttelte sie. „Antworte!“
Sie zuckte überrascht zusammen und versuchte sich zu befreien, doch sein Griff war zu stark. „Bitte! Chattan, beruhige dich. Es geht nicht um einen anderen Mann. Nun gut... Das kann ich noch nicht sagen ob es um einen Mann gehen wird oder um eine Frau... Aber...“
Chattan musterte sie genauer, hoffte irgend ein Indiz in ihrem Gesicht zu finden, das ihm sagte was mit ihr los war.
Plötzlich änderte sich ihr Gesichtsausdruck als wäre ihr schlecht. Er ließ sie los und strich ihr besorgt durchs Haar das offen über ihre Schultern hing.
„Warte...“ Sie drehte sich um und stieß auf, woraufhin eine kleine Flamme aus ihrem Mund schoss. Erschrocken sprang er zurück und sah sie von oben bis unten an.
„Tut mir Leid. Das passiert mir schon seit einer Woche ständig. Chattan... Wir haben ein Problem.“
Chattan nickte, denn er ahnte schon was das Problem war. „Du bist schwanger!“ Mit knirschenden Zähnen stieß er das hervor und spuckte es beinahe aus als wäre es giftig.
Das traf Mirana wie ein schlag ins Gesicht, das sah er ihr an. Doch das hieß eindeutig das sie ihn betrogen hatte. Und das traf ihn noch härter. Nun, gut. Er musste sich eingestehen, dass sie nie darüber geredet hatten ob sie nun ein Paar waren oder wie treu sie sein mussten und ähnliches. Jedoch hatte er gehofft, dass sie ihn respektierte. Zumindest so weit um ehrlich mit ihm umzugehen.
„Ich... weiß ich hätte schon früher kommen müssen. Aber... ich hatte Angst das du genau so reagierst... Weil ich beschlossen habe das Kind zu behalten. Und...“
In Chattan zerbrach plötzlich etwas. „Rede ja nicht weiter. Verschwinde einfach... Verschwinde und komm nie wider. Ich ertrage deinen Anblick nicht!“ Damit sprang er vom Felsen und verwandelte sich noch im Sprung in eine Harpyie. Er ignorierte ihre Schreie hinter ihm und flog einfach weg.
Er hatte keine Lust sie jemals wieder zu sehen.
Bei jedem Flügelschlag, bei jedem Atemzug brannte seine Lunge und es schien als würde er jeden Moment einfach zerbrechen.
Er wünschte es sich sogar. Einfach abstürzten und niemals jemals etwas fühlen. Keine Schmerzen mehr. Er hatte ja schon viele schmerzhafte Ereignisse gehabt... Aber das. Chattan fühlte sich hintergangen und betrogen.
Auf einem Wipfel gut verborgen in einer Tanne saß ein Adlerwerwandler und sah ihm nach, wie er wild schreiend flog. Er war zwar noch lange nicht so stark wie ein ausgebildeter Kämpfer, doch er brauchte sofort einen Kampf. Kreischend ließ er sich in den Wipfel fallen und rammte den überraschten Wächter. Kämpfend stiegen sie in den Himmel auf, nur um sich kurz darauf zu verheddern und aufeinander ein hackend abzustürzen.
Der Wächter schrie freudig auf. Anscheinend gierte es ihn auch nach einem Kampf. Was hatte er sich eigentlich all die Jahre nur gedacht? Er hatte Klauen an Händen und Füßen, kräftige Gelenke die jeden Sturz abfederten und einen scharf gebogenen Schnabel der Knochen zerbrechen konnte. Warum war er all die Jahre eingekerkert wie ein Singvogel in seinem goldenen Käfig aus Büchern gesessen und hatte nie gekämpft. Der Süße Schmerz wenn eine Kralle sich in seine Seite bohrte und das Gefühl des warmen Blutes das über seinen Körper floss. Er erlangte die Chance dem Wächter in den Oberarm zu beißen und riss ein ordentliches Loch in dessen kräftigen Muskeln bis hinab zum Knochen. Schreiend kamen sie auf dem Erdboden auf und er fühlte Knochen knacken. Er selbst war hart mit dem Kopf aufgeschlagen. Erst jetzt wo er sich nicht mehr bewegen konnte fühlte er so etwas wie Frieden.
Neben sich spürte er einen Körper näher kommen und danach einen Arm auf der Schulter. „Geht es dir gut? Du Vollidiot!“
Lachend blickte Chattan in die Augen seines Kameraden, der ihm in keinster Weise wütend erschien. Ganz und gar nicht, er lachte sogar breit. Jetzt musste auch Chattan lachen. Seine Wirbel schoben sich wieder an die richtigen Stellen und er konnte sich aufsetzen. Zischend griff er sich auf die tiefe Fleischwunde an seiner Seite und zog die Augenbrauen hoch. So etwas hatte er zwar schon sehr oft gesehen, doch nie selbst getan.
„Tut mir Leid, Alter. Ich wollte dich nicht so überraschen.“ Der Werwandler winkte ab und schlug ihm auf die Schulter.
„Schon Okay. Ich war nur überrascht, das ausgerechnet du jemanden zum Kampf aufforderst. Was ist passiert?“
Chattan sah nun zum ersten Mal wirklich in das Gesicht des Werwandlers vor ihn und erkannte ihn wieder. Das war einer der ruhigeren des Clans. „Ich habe mich gerade von der Magierin getrennt.“ Er spuckte das Wort aus und verzog angewidert das Gesicht.
„Tut mir Leid, Mann. Ich dachte ihr wärt... Oh! Ich denke ich geh dann einmal!“ Der Wandler kletterte auf einen Baum zurück und Chattan blickte sich unsicher um. Als vor ihm eine hellgrüne Kutte erschien, hörte er ein Klatschen und danach fühlte er einen kräftigen Schmerz im Gesicht.
„Bist du von allen guten Geistern verlassen? Du Arschloch! Du Idiot! Du verdammter Idiot. Ich dachte du würdest dich jetzt in den Tod stürzen!“
Er brauchte gar nicht aufblicken, denn es wahr im bewusst wer da vor ihm stand. „Hast ja sichtlich wenig dagegen unternommen.“
Klatsch. Jetzt schmerzte auch seine andere Wange. Verdammt hat die eine kräftigen Hand! Fluchte er innerlich, ließ sich aber nichts anmerken.
„Chattan! Ich weiß warum du so schnell weg bist. Aber ich kann dir unter dem Namen der großen Mondgöttin schwören, dass ich mit niemand anderen außer dir geschlafen habe!“
Chattan stieß ein abfälliges Schnaufen aus. „Ja und ich bin Mutter Theresia. Mirana! Verdammt noch einmal. Lüg mich nicht an! Vogelwerwandler können sich nur unter ihresgleichen Fortpflanzen genauso wie Wolfswerwandler sich nicht mit Katzenwerwandler verpaaren können!“
Das schien auch sie zu überraschen. Taumelig ließ sie sich auf einen Baumstumpf sinken und blickte unsicher an sich hinab.
„Aber.. wie? Das wusste ich nicht. Ich... Oh meine Göttin! Was hast du mir angetan? Was ist da nur los?“
Überrascht das sie so entsetzt darüber reagierte schleifte er seinen ermüdetet Körper zu ihr und legte beide Arme um sie. „Mirana!“ Sie ließ sich weinend in seine Arme sinken. „Aber.. ich habe doch nur mit dir geschlafen. Davor habe ich seit hundert siebzig Jahren nicht mehr... Ich versteh das nicht... Ich war nur in der Burg. Ich...“ Chattan unterbrach sie indem er sie küsste. Sie klammerte sich an ihn als wäre er ihr Rettungsboot.
Schluchzend löste sie sich von ihm und blickte sich unsicher um.
„Du lügst nicht, oder? Ich versteh das nicht!“ Chattan hatte noch nie von einer Kreuzung gehört. „Das ist biologisch überhaupt nicht möglich! Das Baby würde als Harpyie auf die Welt kommen und dafür muss sich die Mutter selbst in einen Verwandeln. Anders geht das überhaupt nicht.“
Mirana ließ traurig den Kopf hängen und griff sich liebevoll auf den Bauch. Noch war nichts zu sehen aber in ein paar Monaten würde sie mit einer großen Kugel herum laufen. Mit seinem Leben wie ihm nun bewusst wurde. Etwas das er geschaffen hatte. Lächelnd strich er ebenfalls mit den Fingerspitzen darüber und kicherte. „Das war tatsächlich ich! Das ist mein Kind... Ich...“ Tränen rannen ihm über die Wange, doch er bemerkte es nicht. Mirana strich sie ihm lächelnd weg und küsste seine Stirn. Das jedoch bemerkte er ebenfalls nicht. Er war zu fasziniert von dem kleinen Wesen was darin wuchs.
„Spürst du schon etwas?“ Innerlich tadelte er sich für diese kindische Frage, da es ja noch viel zu früh dafür war. „Ja! Überraschender weise schon. Es ist aber mehr... Etwas wie ein kribbeln. Seit ich dich gesehen habe, fühlt es sich an als wäre das kleine Knäul in Bewegung und jetzt wo du deine Hand darauf liegen hast, ist es erst ruhig. Ist das normal?“
Chattan nickte und konnte nicht mehr reden vor Glücksgefühlen. Das Kind hatte noch vor ihm gewusst das sie zusammen gehören. „Chattan?“ Das riss ihn aus seinem erstaunen und er blickte hinauf in die unendlich schönen Augen seiner Magierin. „Ja. Das ist normal. Das sind die Schwingen die du fühlst. Dein Körper ist nicht dazu gemacht so ein großes Geschöpf auszutragen, daher fühlst du selbst die kleinste Bewegung. Komm du musst dringend etwas essen!“ Er raffte sich auf und zog sie mit sich auf die Beine.
„Ich bin aber nicht hungrig!“
„Ist mir egal. Das Kind hat aber bestimmt Hunger. Du wirst bald merken, das du einen unglaublich hohen Kalorienverbrauch hast. Das ist vom Kind, weil es so stark wächst.“ Sie ließ sich von ihm schweigend in das Dorf zurück führen während er die ganze Zeit auf sie einredete auf was sie achten musste und was sie tun musste und... und... und... Sie verkniff sich ein lächeln und war einfach nur froh dass er sich freute. Auch wenn der Stress jetzt erst beginnen würde.

Schangerschaften und deren Eigenheiten

Im kleinen notdürftig eingerichteten Ärztezimmer schob Chattan Mirana auf einen Untersuchungstisch und sie verdrehte die Augen. Strafend blickte er sie an und küsste sie am Mundwinkel. „Du nervst jetzt schon!“ Murmelte sie leise, da ein kleiner Kojote gerade herein schlenderte. Wenige schritte vor ihnen verwandelte sich dieser Kojote in eine braunhaarige Ärztin und schüttelte ihnen zur Begrüßung die Hand. Jedoch verharrte sie bei Mirana etwas länger und schnupperte verwirrt in der Luft. „Oh! Verstehe. In welchem Monat?“ Die Ärztin ging zu einem riesigen Gerät das sehr Kompliziert für Mirana aussah und schaltete es ein. Chattan erzählte ihr die ganze Geschichte und die Kojotin nickte freundlich. Sie verströmte eine herzliche und freundliche Aura, was vermutlich förderlich war für ihren Beruf.
„Ich freue mich für euch. Aber euch muss bewusst sein, das das Werwandlergen sehr dominant ist. Also, ich möchte ehrlich nicht unhöflich klingen, aber ich muss ehrlich reden mit euch, aber...“ Chattan unterbrach sie mit einer erhobenen Hand. „Ja das wissen wir. Aber Mirana kann bereits das Kind spüren so wie die anderen Vogelwerwandler immer berichten. Wir machen uns lediglich Sorgen. Was ist... wenn...“ Chattan konnte nicht weiter sprechen und Mirana legte ihm eine Hand auf den Unterarm. „Ist schon gut. Ich denke wir sollten die Ärztin ihren Job machen lassen und dann sehen wir weiter. In Ordnung?“ Chattan nickte und küsste sie wieder. Die Ärztin lächelte liebevoll und sagte ihr dass sie sich hinlegen und die Kutte aufmachen müsste. Danach schmierte sie eine kalte durchsichtige Masse auf ein Kegelförmiges Objekt und suchte das Kind über einen Bildschirm. Es dauerte mehrere Minuten bis sie es fand, da es etwas kompliziert lag. Die Ärztin runzelte die Stirn und drehte den Kopf herum während sie ständig die Position von dem Gerät änderte. Mirana fühlte plötzlich wieder einen druck im Bauch und rülpste währenddessen eine kleine Stichflamme aus ihrem Mund schoss. Die Ärztin schrie erschrocken auf, sprang zur weit entferntesten Wand und verwandelte sich halb in einen Kojoten. Knurrend blickte sie zwischen dem Bildschirm und Mirana hin und her und Mirana bekam Angst. Was hatte sie da gesehen?
„Was ist? Was ist mit meinem Baby?“ Sie setzte sich auf und musste noch einmal rülpsen woraufhin abermals eine grüne Flamme aus ihrem Mund schoss und den Saum von Chattans Hemd versengte.
Entschuldigend löschte sie die Flamme mit einem Wink und blickte unsicher in das Gesicht von Chattan.
„Ich denke... Nein, ich muss euch das über den Bildschirm zeigen. Das kann ich selbst kaum glauben. Ihr haltet mich sonst für verrückt!“
Die Kojotin atmete ordentlich durch, bevor sie den Kopf des Kegelförmigen Objekts wieder auf Miranas Bauch legte und drehte den Bildschirm so herum das Chattan und sie es sehen konnten.
„Also... Das ist die Fruchtblase darin liegt das Kind. Hier ist die Nabelschnur die zum Kind führt und daneben ist eine Schnur die zu deiner Speiseröhre ganz eindeutig führt. Ich konnte es mir bevor du aufgestoßen hattest nicht erklären. Bitte entschuldigt meine Reaktion.“ Mirana und Chattan nickte während Mirana Chattans Hand so fest drückte, dass kein Blut mehr in seine Finger kam. Er sagte aber kein Wort.
„Hier ist die Wirbelsäule, das heißt das Baby liegt mit dem Rücken nach oben. Um ehrlich zu sein sieht der Embryo für mich aus als wäre er bereits in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft, aber … egal das bereden wir später. Auf alle Fälle, wenn ihr nun euren Kopf etwas nach links neigt dann erkennt ihr hier der Kopf.“
Überrascht sog Chattan die Luft ein, doch Mirana war nicht so gefasst wie er. Sie schrie so laut auf, das die Kojotin überrascht aufsprang. Mirana riss sich von Chattan los und blickte noch immer das Standbild an. Langsam ging sie darauf zu. Sie hörte um sich ein Stimmengewirr, doch es klang als wäre es in weiter Ferne. Mit zitternden Händen fuhr sie die Konturen der kleinen zarten Schwingen nach, sie endeten in kleinen Klauen, die jedoch nicht so gut über das Ultraschallgerät zu sehen war. Zärtlich fuhr sie über das Bild zu der Schnauze des kleinen etwas. Durch das Ultraschallgerät sah man die Ansätze der Zähne, von denen sie wusste sie würden einmal Rassiermesserscharf werden. Die kleinen Hinterbeine die aus seinem Körper ragten waren eng an den Körper gepresst und der schwielige Schwanz rund um den zarten kleinen Körper gelegt.
Sie fühlte Chattans nähe bevor sie seine Umarmung fühlte. „Ich weiß nicht ob ich verängstigt, verwirrt oder erstaunt sein soll. Wie fühlst du dich?“
Wie sie sich fühlte? Entsetzt, erstaunt und seltsamerweise glücklich. Sie wiederholte das noch einmal laut konnte jedoch die Augen nicht abwenden. „Ich denke wir haben das Mysterium der Entstehung von Drachlingen gelöst. Aber...“ Ihre Gedanken überschlugen sich geradezu als sie versuchte sich an jede Einzelheit zu erinnern das sie über Drachen wusste. Sie wusste über ihre Stärke, ihre Anatomie, ihre Schwächen und ihre typischen Charakterzüge die sie damals auswiesen. Jedoch war die Entstehung, woher sie kamen und wie sie geboren worden, ein ewiges Geheimnis. Eines das von Generation zu Generation von einem Drachen zum anderen weitergegeben hatte. Sie mussten nie etwas niederschreiben, da all ihr wissen in ihrem Erbgen enthalten war. Auch beherrschten sie angeblich auch in ihrer Drachenform die macht der Telepathie. Ihre Bilder und Gefühle konnten sie angeblich über Gedanken vermitteln.
„Schatz? Bist du noch bei uns?“
Mirana fuhr herum und blickte ihn wissend in die Augen. „Natürlich! Wie dumm waren wir alle? Das ist doch naheliegend! Drachen haben verschiedene Schuppenfarben die sie dem jeweiligen Clan zuwiesen. Es gab immer einen Drachenkönig und mehrere Clans. Er herrschte über sie und war der größte. So zu sagen, der Vater oder die Mutter der jeweils anderen. Niemand wusste wie alt er war oder woher er kam. Er war mächtig und nahezu und verwundbar. Nicht einmal die Götter konnten ihn besiegen, darum lebten sie friedlich neben ihm her. Nereos ist der letzte lebende Drache und hat das Wissen der vorherigen Drachenlinie in sich vereint. Das macht ihn automatisch zum neuen König. Sobald der alte König stirbt sterben auch alle anderen. So hat Fearchara aus Versehen alle Drachen ausgerottet. Nur Nereos hat überlebt, aber nur weil ein verstoßener Engel ihn übernommen hat. Das heißt, dann... Das sobald Luzifer seine Hülle verlässt auch der letzte Drache stirbt, doch der letzte Drache kann sich nicht fortpflanzen da er A: nicht mehr lebt und B: weil Engel unfruchtbar sind und den Drachen auch automatisch unfruchtbar gemacht hat, wenn er nicht schon über dem Abgrund des Todes hängen würde! Papier!“ Die Ärztin drückte ihr einen Block und einen Stift in die Hand und sie schrieb alles auf was ihr plötzlich einfiel. Später würde sie es dann genauer niederschreiben.
„Also wenn wir der Ahnenreihe folgen... Waren die Drachen lange vor den Magiern auf der Welt. Sie herrschten schon Generationen davor. Es wurde durch unsere Macht die Flammen in verschiedenen Farben zu kontrollieren angenommen das wir theoretisch vielleicht sehr weit verwandt mit ihnen sind. Natürlich, das sind unsere Clanfarben. Ich habe die Farbe grün, deshalb muss ich dem Smaragd-Clan angehören. Damals war das ein sehr friedfertiger aber nicht sehr vertretener Clan. Sie hielten sich beinahe aus allem raus und interessierten sich gerade einmal für sich selbst, weshalb sie fast ausgestorben waren.
Verdammt deswegen auch das Aufstoßen. Die Smaragd-Clanmitglieder waren Pflanzenfresser, oder Weidetiere und deswegen stoße ich auch immer auf. Wir Menschen haben diesen erhöhten Gasaustausch so wie die Wiederkäuer nicht, deshalb hat sich eine zusätzliche Röhre für das Bedürfnis des Babys entwickelt...“ Mirana nuschelte noch über eine Stunde irgendwelche Theorien hervor, bevor ihr Block voll mit irgendwelchen Kritzeleien waren und Chattan bereits Kopfschmerzen bekam.

„Was habt ihr jetzt vor? Ein menschlicher Körper wie ihrer ist nicht dazu gedacht einen kleinen Drachen heraus zu pressen.“ Chattan konnte darauf nicht wirklich etwa erwidern, denn sie hatte vollkommen recht. „Wir werden darüber nachdenken. Immerhin haben wir das ganze Wissen von einer Magierfalmilie und einem Werwandlerrudel.“ Meinte er mit einem aufgesetzten Lächeln, doch die Ärztin tätschelte ihm nur die Schulter und wirkte nicht ganz so begeistert.
„Macht euch auf alles bereit. Mein Gefühl sagt mir, dass das noch nicht alles war. Immerhin sind Drachen unglaublich mächtig. Wie wird das erst in der Pubertät.“ Das entlocke Chattan doch ein lächeln. Werwandler waren in der Pubertät unberechenbar und das ganze Rudel musste auf die Jugendlichen aufpassen. Sie testen ihre Stärken untereinander und verführten am laufenden Band die Frauen. Plötzlich machte sich ein mulmiges Gefühl in ihm breit. „Ist das Baby... Ein Mädchen oder ein Junge?“
Die Ärztin zog verwirrt die Augenbrauen hinauf. „Schätzchen, frag deine Bücher. Ihr seid hier die Allwissenden, ich bin lediglich die Ärztin!“
Mirana wurde bei dem Wort >Schätzchen< auf und fixierte die Ärztin mit einem forschenden Blick.
Glücklich das Mirana endlich von ihren Notizen aufblickte setzte er sich neben sie auf den Untersuchungstisch. „Zeig einmal.“ Er nahm ihr unter Protest den Block weg und überflog ihn. Bestimmt würde sie später einmal ein Buch darüber verfassen.
„Ich bin beeindruckt. Du solltest dir ein Tagebuch anlegen, damit du alles festhalten kannst. Immerhin bekommt man nicht alle Tage ein Drachenjunge.“ Mirana gab entschuldigend eine Stichflamme von sich und Chattan kicherte. „Ich bin gespannt was das Junge noch alles macht, bis es da ist.“
Mirana blickte zur Ärztin. „Was denkst du, wie lange die Schwangerschaft noch dauert?“
Sie hob die Schultern. „Ich würde vorschlagen... Ein oder zwei Monate noch. Ich kann aber nur raten. Vielleicht kommt es morgen schon auf die Welt oder erst in einem Jahr. Ich weiß das die Tragezeit bei Drachen über ein Jahr beträgt, aber das Kind scheint mir recht gut entwickelt. Und du bist ganz offensichtlich kein Drache, daher schließe ich diese Möglichkeit auch wieder aus.“
Mirana nickte und war schon wieder in ihren Gedanken. Chattan schüttelte stolz den Kopf und küsste sie auf die Wange, was ihr sogar ein kleines Lächeln auf die Lippen zauberte.
„Also, wenn ich raten müsste... Drachen leben ja bis sie getötet werden. Jedoch ist ihre Vermehrungsrate nicht ganz so hoch, da sie... eigen sind. Sogar untereinander, können sie sich oft gegenseitig nicht ausstehen.
Also wenn wir einmal davon ausgehen, dass die normale Tragezeit, eineinhalb Jahre wäre. Und es gibt nun schon seit über einhundert Jahre keine Drachen mehr, dann kann es nur logisch sein, dass das Gen nur darauf gewartet hat neu heraus zu brechen. Eigentlich bin ich sogar die erste Magierin, seit dreihundert Jahren, die schwanger ist.
Wir Magier leben nicht sehr lange... Nein ich glaube nicht das die Tragezeit über ein Jahr betragen wird. Immerhin muss sich das Gen anpassen an denjenigen, der es Austrägt. Ich meine ja, die Mutter wäre in dem Fall nicht wichtig, da sie nur ein Organismus ist, der Austragen soll. Vielleicht ja doch nur neun Monate oder weniger?“
Die Ärztin nahm der wild kitzelnden Mirana den Block weg und lenkte damit ihre Aufmerksamkeit auf sich.
„Anweisung deiner zukünftigen Ärztin! Iss endlich etwas! Du und das Kind brauchen Nahrung. Und vor allem Ruhe. Dein Körper wird sich sonst selbst verzehren. Also raus jetzt!“
Mit einer Handbewegung zur Türe setzte sie die beiden vor die Türe. „Zu Mittag kommt ihr wieder, bis dahin soll sie ordentlich essen. Am besten ohne Pause, aber nicht zu schnell. Dann sehen wir uns den Verbrauch an. Und es ist egal was sie isst, außer zu fette Sachen, sonst geht sie uns auf wie ein Germteig!“
Mirana und Chattan schritten Arm in Arm hinaus und lachten fröhlich. Als Esters steuerten sie in die neu eröffnete Küche in der sie freudig erwartet wurden. Ein paar neugierige hatten sich bereits dort versammelt und grinsten breit als Chattan und Mirana eintraten. Chattan rief ihnen etwas Unhöfliches zu und wurde sofort von Mirana getadelt. „Chattan! Benimm dich! Ich dulde keine bösen Wörter in der Nähe des Kindes!“ Chattan zuckte zusammen und lachte schrill auf. „Schatz, es ist noch nicht einmal auf der Welt!“
Mirana hob die Schultern und schob sich mit erhoberner Nase an ihm vorbei. „Mh! Das duftet aber lecker, was ist das?“ Eine brünette die halb in ein Katzenwesen verwandelt war strahlte über beide Ohren. „Das ist mein berühmter Fleischauflauf, möchtest du etwas?“
Mirana nickte und ließ sich von ihr gleich einen ganzen Haufen auf den Teller geben. „Chattan deine Außerwählte gefällt mir!“ Chattan trat an Miranas Seite und sah ihr zu wie sie eine Gabel nach der anderen in sich hinein Schob. „Dein Wort in Gottes Ohr Ivy“
Die Brünette lächelte kokett und schritt fleißig mit den Hüften schwingend zu einem riesigen Ofen, der eindeutig dazu gemacht war dass man zu dritt daran kochen konnte. Mindestens. Mirana spürte ein kribbeln im Magen und im nächsten Moment flog auch schon aus ihrem Mund ein kleiner Feuerball und prallte neben der Werwandlerin gegen die Wand, wo es einen schwarzen Fleck hinterließ. „Oh mein Gott!“ Schrie Mirana auf und Ivy blickte sie schockiert an. „Das tut mir ja so leid! Das wollte ich nicht! Ich...“ Chattan drückte sie auf den Sessel zurück und alle lachten laut. „Es tut mir leid, aber ich kann das nicht Kontrollieren!“
Ivy blickte skeptisch zu dem Brandfleck und kicherte abwinkend. „Tja. Kinder haben nun mal ihren eigenen Willen!“
Ein rothaariger nahm ihr gegenüber platz und grinste breit. „Da hast du dir aber eine feurige Frau angelacht!“
Chattan legte sofort besitzergreifend einen Arm um Mirana und versteifte sich. Mirana vermutete das er den Rothaarigen nicht sonderlich mochte. „Ja das stimmt Katerchen. Was willst du? Gar nicht mehr auf der Flucht?“
Der angesprochene lächelte noch breiter und warf einen Blick hinter sich, wo natürlich alle in gebürtigen Abstand saßen, aber dennoch gut hören konnten.
„Ich denke dich geht das am aller wenigsten an. Eigentlich habe ich mich nur von Thorik überreden lassen, da er meinte sobald die kleine Magierin da, wieder hier ist, solle ich auch auf der Stelle zurück kommen. Aber wie es aussieht, bist du nicht hier um die Kriegstrommel zu schlagen, oder?“ Der rothaarige lächelte sie breit an und musterte sie von oben bis unten.
Chattan wusste das Wolfswerwandler und Katzenwerwandler einen sehr feinen Geruchssinn hatten und deshalb wahrscheinlich schon von weitem gerochen hatte, das sie Schwanger ist.
„Nette Geschichte. Aber was machst du hier, auf dem Sessel?“ Chattan deutete auf den Verkehrt herum hingestellten Sessel auf dem dieser gemütlich balancierte.
Der Rothaarige stahl sich mit einer Gabel etwas vom Teller und lachte spöttisch. „Wir haben ausgelost und ich habe verloren.“ Er deutete mit dem Daumen hinter sich auf die anderen Versammelten. „Es interessiert uns alle mächtig... Was du da unter deinem Herzen trägst. Ein Eulenwerwandler kann es ja nicht sein.“
Mirana blickte immer noch wütend auf die Stelle hinter der ihr Essen verschwunden war und spürte eine Welle in sich aufkommen. Überrumpelt drehte sie sich weg und versuchte das Feuer zu unterdrücken.
„Und eindeutig ein Magierkind auch nicht...“ Murmelte der Rothaarige.
Chattan kümmerte sich gerade um Mirana, deshalb antwortete er nicht. Mirana übernahm den Part liebend gerne. „Das geht nur Thorik, Chattan und mich etwas an. Bevor Thorik nicht etwas Gegenteiliges sagt, geben wir keine Informationen weiter.“ Mittlerweile war der Teller leer und Mirana stach nur Millimeter von dem Rothaarigen seinen Fingern in die Tischplatte, sodass die Gabel vibrierend stecken blieb. „Und in Zukunft lass die Finger vom Essen einer Schwangeren.“ Hinter ihr brach Ivy in lautes Gelächter aus, während die kleine Gemeinschaft vor ihr sie entrüstet anstarrte.
„Wird auch einmal Zeit das dir eine Frau grenzen setzt mein Lieber.“
Er warf ihr einen wütenden Blick zu, der nur dazu führte das sie noch mehr lachen musste.
Mirana stand auf und lief beinahe aus der Küche, während sie noch „Danke für das Essen Ivy!“ Hinter sich brüllte und Chattan ihr leise kichernd folgte.
An der frischen Luft atmete sie einmal tief durch, bevor sie eine Wasserflasche von Thorik entgegen nahm. „Danke. Du ahnst ja gar nicht wie sehr ich den Geschmack von Russ auf meiner Zunge hasse.“
Noch bevor sie einen Schluck trinken konnte schob er ihren Arm weg und küsste sie bis ihre Beine nachgaben. Lachend hielt er sie und blickte sie unendlich liebevoll an.
„Huch! Für was war das den?“
Chattan hob grinsend die Schultern. „Einfach nur so. Einfach nur, weil du so perfekt bist. Weil du so stark bist, stärker als viele anderen Rudelmitgleider und weil du so Willensstark bist.“
Chattan hatte es geflüstert, doch da er so nah vor ihr stand und ihr immer noch in die Augen blickte, hatte sie es gehört als würde er es ihr ins Gesicht brüllen. Peinlich berührt schob sie ihn etwas von sich und trank um sich abzulenken. Ihr war bewusst das er drauf und dran war sich in sie zu verlieben, doch konnte sie das selbe von sich behaupten? Er stand zu ihr und unterstützte sie bei allem. Er beschützte sie vor den anderen, obwohl sie keinen Schutz brauchte und unterstützte sie obwohl das mit dem Kind absolut nicht sein Problem ist.
„Chattan... Wir sollten reden. Bald!“ Erwiderte sie noch als sie seinen Blick sah, der ihr sagte das er noch Termine hatte. „Wie wäre es... Ich muss jetzt noch zu Thorik und ihm von..., du weißt schon erzählen, falls er es nicht ohnehin schon weiß. Dann treffen wir uns zu Mittag beim Ultraschall, falls du dabei sein willst und reden danach über uns.“
Chattan nickte fleißig. „Natürlich möchte ich beim Ultraschall dabei sein! Aber ich müsste auch zu Thorik, würde es dich stören wenn ich mitkomme?“
Mirana legte den Kopf schräg. „Chattan bitte, lass mich erst mit ihm Sprechen, ich brauche das. Er ist der einzige hier dem ich wirklich vertraue, da es im übrigen auch in seinem Interesse ist, das niemand etwas Genaues über das Kind weiß.“
Chattan verzog das Gesicht und ging einen Schritt zurück. „Ich habe schon verstanden. Wir sehen uns später.“
Ihr war zwar bewusst, dass er sich krämte, da sie ihm nicht so sehr vertraute, doch wusste er das sie es nicht böse meinte. Sie war nun mal eine Magierin. Kopfschüttelnd ging sie in Richtung Zentrum, wo sich Thoriks Büro befand.

Kräfte einer Mutter

Mirana

 

Wie es der Zufall so wollte, stand er gerade Gedankenverloren in der Eingangstüre. Er bemerkte ihr kommen nicht, da sie gegen den Wind kam und erschrak als sie vor ihm stand. „Erschrecke mich nicht so! Und wie geht es euch? Wie hat Chattan reagiert?“ Thorik blickte ihr Entsaften besorgt ins Gesicht als würde er versuchen aus ihrer Mimik schlau zu werden.
„Zum Anfang... Überhaupt nicht gut. Ich wusste nicht das sich Werwandler nicht überkreuzen können. Warum hast du mir das Verschwiegen?“ Sie hatte es zwar nicht so vorwurfsvoll rüber bringe wollen, doch er wirkte ernsthaft schuldbewusst. „Komm erst einmal rein, ich mache uns einen Tee.“
Er führte sie in sein Büro in dem die Fenster weit offen standen und schenkte ihr einen Früchtetee ein bevor er sie schloss und sich in seinen Sessel sinken ließ.
„Tut mir Leid. Ich weiß ich hätte dir als du kamst und dich mir anvertraut hattest, sagen müssen was es mit unserer Art auf sich hat. Jedoch ist es ein großes Geheimnis. Fast niemand abgesehen von unseren Rudelmitglieder weiß davon. Außerdem, hatte ich das Gefühl du würdest kneifen wenn du es von mir erfährst, bevor du mit Chattan sprichst.“
Da musste sie ihm recht geben, sie wäre wahrscheinlich schreiend davon gelaufen und hätte nie mehr zurück geblickt. „Da hast du wohl recht, aber du konntest ja nicht wissen ob es tatsächlich von ihm ist. Immerhin spricht alles dagegen.“
Mirana strich sich zärtlich über die kleine Wölbung an ihrem Bauch, den andere gar nicht bemerken würden.
„Stimmt, ich hatte bedenken. Jedoch kenne ich dich nun mittlerweile ziemlich gut, denke ich, um zu wissen wann du lügst. Hättest du ihm ein Kind unterjubeln wollen, dann wärst du zuerst zu ihm und hättest ihn beschuldigt, oder sonst etwas. Aber da du ängstlich warst und dich mir nur anvertraut hast, als ich dich direkt darauf angesprochen habe, wusste ich das du nicht lügst. Mirana versteh es jetzt nicht falsch. Aber obwohl du so eine große Klappe anhängst, bist du doch fürchterlich schüchtern und das ist eine bemerkenswerte Eigenschaft. Du bist klug, weißt was du willst und wie du es bekommst und du kannst Leute perfekt einschätzen und von dir weg stoßen. Aber du hast so unglaublich viel Respekt und Angst ebenso, dass ich mir nicht vorstellen könnte, das du jemanden etwas Derartiges wie Kinder unterjubeln oder seelisch verletzen mit Absicht machen würdest. Außerdem halte ich euch Magier nicht wirklich für... Ich denke nicht das ihr mit jedem ins Bett hüpft der nicht bei drei auf einem Baum ist. Dafür seit ihr zu sehr in eure eigenen kleine Welt vertieft.“
Mirana lächelte schwach. „Dafür das wir uns so gut verbergen und abschotten, weißt du ganz schön viel über uns.“
Thorik winkte ab und lachte. „Das ist alles Teil meiner Recherche.“
Mirana lachte und schüttelte den Kopf. „Ja... Klar!“ Sie nippte an ihrem Tee und schmeckte sofort die heilenden Kräuter heraus die sich darin befanden.
„Aber jetzt im ernst. Es ist ja offensichtlich kein Werwandler. Aber ein Magierkind scheint es auch nicht zu sein, also...“ Mirana blicke sich unsicher um. Sie hatte Angst es tatsächlich laut auszusprechen. Immerhin ist es so unrealistisch wie es wahr ist. „Es gibt eine Theorie unter uns Magier. Wir beherrschen das Feuer in verschiedenen Farben und Eigenschaften. Angeblich sollen es vor unendlich langer Zeit einen Drachen gegeben haben, der sich in eine Menschenfrau verliebt hat. Er bat den mächtigen Drachenkönig ihn für nur ein paar Jahre in einen Menschen zu verwandeln. Nur einen einzigen Zyklus lang. Die Frau verliebte sich ebenfalls in ihn und sie waren glücklich. Jedoch eine Woche nach ihrer Hochzeit, wurde der Drache von einem Eifersüchtigen Nebenbuhler getötet und somit wieder in einen Drachen zurück verwandelt. Neun Monate später, gebar die Witwe eine Tochter. Sie trug schwarze Schuppen und beherrschte das Element Feuer. Sie war beinahe unsterblich so wie ihr Vater. Ihre Mutter zog sie im abgeschiedenen groß. Als die Mutter des Kindes verstarb, machte sie sich auf den Weg ins Reich der Drachen um ihren Vater Rechenschaft zu erfordern. Er führte sie in die Rituale der Drachen ein und sie gebar ebenfalls wieder Kinder von einem anderen Drachen. Diese Kinder und Kindeskinder verpaarten sich mit Menschen und Drachen im gleichen Masse und damit entstanden die ersten Magier. Sie hatten ein langes Leben und konnten die Flammen beherrschen, sich jedoch nicht mehr in Drachen verwandeln. Natürlich alles nur Aberglaube, doch... Alle Drachen sind nun ausgestorben nur durch den Tod des letzten Drachenkönigs. Selbst Luzifer bewohnt nicht mehr als eine leere Hülle. Der Wasserdrache ist zusammen mit seinem Ahnenherren gestorben so wie alle anderen. Jedoch... trage ich nun einen Drachen in mir.“
Thorik hatte bei der kurzen Geschichte gespannt zugehört, doch beim letzten Satz viel seine Tasse die er gerade angehoben hatte, scheppernd auf die Untertasse zurück und er blicke sie entgeistert an.
„Bitte was? Hast du gerade gesagt, das du... da drinnen ...“
Mirana nickte. „Ja. Ich war vorhin beim Ultraschall und da haben wir es ganz deutlich gesehen. Es wissen nur die Kojotenärztin, Chattan und ich davon. Und jetzt eben auch du. Wir dachten es wäre klüger diese Information erst einmal für uns zu behalten.“
Thorik wischte etwas verschütteten Tee weg und nickte. „Ja! Das war sehr klug. Aber wie ist das möglich? Ich meine wie konnte das passieren? Nein, die Frage war dumm. Ich meinte wie ist es möglich dass das Drachengen in dir erwacht?“
Mirana hatte sich darüber bereits Gedanken gemacht, doch sicher konnte sie sich nicht sein. „Nun, ja. Das weiß ich nicht genau. Aber ich vermute einmal, das es daran liegt, dass seit fast dreihundert Jahren ich die erste Magierin bin die ein Kind erwartet. Ich Glückspilz...“ Nuschelte sie und verdrehte die Augen. „Aber, das ist ja ein Wunder. Ich meine, klar ist es eine große Verantwortung und du und das Kind braucht jeden Schutz den ihr bekommen könnt. Wenn es tatsächlich ein Drachenkönig ist, dann muss es unglaublich viel Kraft besitzen.“ Thorik schien in seinem Kopf noch weiter zu reden, doch äußerte nichts mehr Laut sondern war ganz hin und weg.
„Thorik?“ Er blickte verwirrt auf als würde er sich fragen was sie hier suchte. „Tut mir Leid, ich habe mich mitreißen lassen. Aber in letzter Zeit passiert so viel hier. In unserem Rudel sind Paarbindungen so selten geworden wie im Winter Blätter auf den Bäumen wachsen und plötzlich blitzen zwei auf in nur wenigen Wochen. Ein Engel wird in unseren Reihen geboren und jetzt auch noch ein Drache. Eine Magierin hilft unserem Rudel und wir ziehen bald in den Krieg. Irgendetwas machen wir falsch oder?“
Mirana überlegte und schüttelte den Kopf. „Nein, es kommt mir mehr wie ein Segen als ein Fluch vor. Einen Engel und einen Drachen in der Familie haben ist doch genauso beeindruckend, wie gefährlich. Ich glaube eher das dein Rudel dazu bestimmt ist den entscheidenden Krieg zu führen. Immerhin wünscht sich hier jeder Frieden und wie ginge das zwischen verschiedenen Arten besser als einen verstoßenen Engel zur Rechenschaft zu ziehen, der es eigentlich verdient hat.“
Thorik hob anerkennend das Kinn. „Du meinst, dass die Engel uns ihren Segen geschenkt haben?“Mirana zuckte mit den Schultern. „Ob es die Engel waren, Götter oder der Schöpfer selbst ist doch egal. Aber es ist kein Zufall das so lange kein Magierkind mehr geboren worden ist, das die Drachen in der selben Zeit durch einen Gefallenen Engel aussterben und alle drei in einem einzigen kleinen ruhigen abgeschiedenen Rudel wiedervereint werden, oder?“
Beide nickten verstehend und dachten darüber nach. „Seltsame Zufälle.“ Murmelte Thorik scherzend. „Was für ein Zufall das ich nicht an Zufälle glaube!“ Mirana lachte laut auf. „Wie wahr!“
„Nun, denn. Dann sollten wir uns für einen Kampf rüsten. Immerhin müssen wir einen Engel befreien und einen anderen töten.“
Mirana kicherte verschwörerisch, als ihr ein ungewöhnlicher Geruch auffiel. „Was riecht da so?“
Thorik hob ebenfalls den Kopf und ging Richtung Fenster. Er öffnete es und Mirana stach der Geruch beinahe in der Nase. Sie folgte ihm und bemerkte einen riesigen Schatten der über die Erde wanderte. Fasziniert folgten sie dem Schatten, bis er hinter Bibliothek verschwand. „Was ist das?“ Thorik knurrte nur zur Antwort und stapfte aus dem Büro. Mirana folgte ihm auf dem Fuß und gemeinsam blickten sie sich um, doch sahen nichts mehr.
„Wo ist es hin?“
Mirana konzentrierte sich und schnupperte. „Nach Osten! Schnell!“ Thorik war zwar um einiges schneller als sie selbst doch hängte er sie nicht ab, sondern passte sich ihrer Geschwindigkeit an. Als sie um die Bibliothek herum waren, trafen sie unmittelbar auf eine große Masse die sich auf der anderen Seite versammelte hatten. Thorik bahnte sich einen Weg hindurch und riss erstaunt die Augen auf. An der Außenwand saß ein langer blauer Wasserdrache und knurrte böse zu der kleinen Masse hinab die wie Mirana jetzt erst bemerkte Schwerter und Bögen gezogen hatten. Manche waren bereits in ihre Tiergestalten verwandelt und zum Kampf bereit. Der Anblick des mächtigen Wasserdrachen verängstigte sie mittlerweile nicht mehr so wie damals. Da wäre sie bei jeder Begegnung am liebsten schreiend davon gelaufen. Doch jetzt ließ der Anblick der langen gebogenen Krallen sie völlig kalt. Die grünen Augen die zu schlitzen gezogen waren, blinzelten suchend herab während die Dolchartigen Zähne in der morgendlichen röte aufblitzten. „Wo ist euer Anführer?“ Knurrte er anscheinend nicht zum ersten Mal, da er ziemlich ungeduldig aussah. Thorik stieß die vorderste Reihe auseinander und trat als Mensch vor den Drachen. „Was willst du?“ Knurrte er zurück und der Drache schnupperte in die Luft während sich ein Halbkreis um den Rudelführer bildete. Mirana begriff das sie alle lieber sterben würden, als zuzulassen das dem Rudelführer etwas passierte.
„Ich will dein Leben. Im Gegenzug lasse ich Azriel frei.“ Der Drache stieg kopfüber die Wand herab und wartete mit ungeduldig wedelnden Schwanz.
„Als würde ich darauf vertrauen können, das du sie frei lässt. Vorher töte ich dich eigenhändig!“ Brüllte er ihn wütend an und verwandelte seine Hände in weiße klauen. Mirana hatte Thorik bereits in seiner Eisbärenform gesehen. Er war größer als sie selbst und fällte Bäume alleine mit seiner Kraft.
„Dann trau dich doch Formwandler, und ich fresse dich in einem Happen, dann musst du qualvoll in meiner Magensäure verrecken!“
Thorik war schon halb verwandelt und Mirana trat an seine Seite. Besänftigend legte sie ihm eine Hand auf die Schulter und spürte die Anspannung unter seiner Haut. Zur Zeit war er mehr Tier als Mensch, also bezweifelte sie das er ihr zuhören würde. Funkelnd wandte sie sich an den blauen Drachen der drauf und dran war das ganze Rudel zu töten.
„Morgenstern!“ Schrie sie über das Knurren der anderen Krieger hinweg und ein rießiges Auge fixierte sie.
„Magierin! Das heißt dann wohl du hast deinen Vertrag und ich darf dich vor Gericht bringen? Oder besser noch! Ich fresse dich gleich, den Rest lasse ich von meinen Dämonen erledigen.“ Freudig leckte er sich mit seiner gespaltenen Zunge über die schuppigen Lippen.
„Nein! Ich habe ihnen nichts gesagt, was sie nicht bereits wussten. Außerdem stehen sie unter meinem vertraglichen Schutz! Das heißt greif sie an und ich darf alle deine Geheimnisse verraten!“
Thorik schob sich halb schützend vor sie, doch ohne den Drachen aus den Augen zu lassen. Irgendwo in der Ferne hörte sie ein empörtes Geschrei einer Eule und lächelte.
„Das kann ich verhindern indem ich dich als erstes Fresse kleine Magierschlampe! Du riechst schon nach diesen Tieren hier und lässt dich von ihnen beschützen! Dafür solltest du vor Gericht stehen du Verräterin!“
Natürlich wusste er über sämtliche Gesetze Bescheid und eignete sich jegliches Wissen, wie ein Schwamm das Wasser, an. Er könnte sie jederzeit vor das Magiergericht bringen, doch wusste er auch, dass sie danach keinen Grund mehr hatte seine Geheimnisse zu hüten, außer er tötete sie vorher.

„Ich hätte bereits jetzt jedes Recht dich zu töten, da du dich auf fremden Territorium befindest! Du darfst auf das Grundstück der Werwandler nicht ohne vorherige Ankündigung betreten, geschweige den ohne eine Genehmigung des Rudelführers oder seines Assistenten! Das besagt das Gesetz! Hiermit wiederhole ich es laut, sodass alle Anwesenden meine Zeugen sind, dass ich dir deine Rechte zitiert habe.“
Zugestimmtes Knurren ertönte hinter ihr und erzeugte bei ihr eine Gänsehaut. Alles in ihr schrie dass, sie so schnell wie möglich hier weglaufen sollte, doch konnte sie nicht. „Ich scheiße auf das Gesetz der Werwandler, ich stehe nicht mit ihnen in einem Bündnis und interessiere mich nicht für das Kleingetier. Ich stehe mit absolut niemanden im Bündnis! Ihr werdet alle Brennen! Ihr kümmerlichen menschlichen Wesen werdet in meiner Rache schmoren, bis die Engel persönlich herunter kommen und dann werden sie Brennen! Ich werde der alleinige Herrscher.“ Verärgert brüllte er und einige Häuser in der Umgebung wackelten gefährlich.
„Die Engel werden nicht herunter kommen, du Ignoranter Vollidiot! Sie halten sich strikt an ihre Gesetze! Sie dürfen egal was passiert hier auf der Erde nicht eingreifen. Lediglich flüstern, aber niemals selbst Hand anlegen. Du siehst ja was aus dir und Azriel geworden ist! Du bist auf ewig verdammt und der Engel des Todes muss etwas lernen, das nur sie kann. Es ist aussichtslos. Die herrliche Welt und unsere kleine Erde sind alle gegen dich! Nur deine kleine Heerschar an Dämonen steht unter deinem Einfluss. Aber ansonsten bist du alleine! Sieh es ein Luzifer! Du bist ein nichts!“
Mirana war aufgebracht und sie war so nah an den Drachen herangetreten, dass sie seinen mächtigen Atem spüren konnte.
Sein Schwanz peitschte so schnell durch die Luft, dass man nur ein pfeifen hörte, doch Mirana löste sich so schnell auf, dass er sie um Haaresbreite mit seinen Stacheln verfehlte.
Lachend materialisierte sie sich wieder auf dem Dach der Bibliothek und blickte mit reiner Abscheu zu ihm hinab. „Du hast recht Drache. Von oben wirkt alles viel kleiner und mickriger, selbst du siehst nur mehr aus wie eine Made! Eine Made auf die ich mit Freuden darauf trete!“
Wütend brüllte er auf und folgte ihr hinauf auf das Dach. Kurz bevor er sie erreichte schwebte sie weg und brachte sich außer Reichweite seiner Klauen. Von unten Brüllten die Wandler ihr unverständliches zu, doch sie hörte es überhaupt nicht. Hier oben peitschte ihr der Wind durch das Haar, sodass sie nur mehr die Tiefe brummende Stimme des Wasserdrachen hören konnte.
„Was? Das ist alles was du kannst kleine Magierin? Kläglich große Töne spucken und davonlaufen. Wie jämmerlich. Schon vergessen das ich allmächtig bin!“
Mirana beobachtete wie sich sein Magen aufblähte und sein Hals zu leuchten anfing. Er würde eine Feuerwelle zu ihr schicken, dessen war sie sich bewusst.
Sobald er seinen Mund öffnete, löste sie die Levitation und ließ sich herab fallen. Sie fiel nur wenige Sekunden, bevor sie starke Arme spürte, die sich um ihren Körper schlossen und sie wenige Meter vor dem Boden auffingen. Lächelnd schmiegte sie sich in das weiche Federkleid von Chattan und küsste seine Schulter. „Danke mein Held!“ Flüsterte sie leise und sah einen kleinen Funken durch seine Augen blitzen bevor er eine scharfe Kurve flog um einem Feuerball auszuweichen.
„Also du hochmütiges Weib! Was ist dein Plan?“
Mirana verkniff sich eine sarkastische Bemerkung. „Wieso denkst du das ich einen Plan hätte? Ich wollte ihn lediglich von Thorik ablenken. Er würde bei einem Kampf nicht lange leben!“ Bemerkte sie und hielt sich kreischend an ihm fest, als er sich ins Dickicht des Waldes fallen ließ. Der Drache flog nun über ihnen und Mirana spürte das es Chattan schwer fiel in dieser Gestalt, die wesentlich größer war als seine Eulengestalt, durch die Bäume zu navigieren.
„Okay, lass mich fallen, und locke ihn zu den Felsen, ich werde ihn etwas sprengen!“
Chattan blickte sie unsicher an, doch nickte. Genau in dem Moment als er Mirana los ließ und sie sich am nächstbesten Ast festhielt, attackierten Adlerwerwandler den Drachen und dieser brüllte vor Schmerzen auf. Chattan hängte sich an das Bein des Drachen und zog mit seinen mächtigen Krallen daran, sodass er die Bäume streifte und ins Straucheln geriet.
Mirana ließ sich von der Kiefer herunter gleiten, landete leichtfüßig auf den Beinen und lief los. So schnell sie ihre Beine tragen konnte flitzte sie in Richtung der Berge. Über sich hörte sie Kampfgeräusche und hin und wieder einen Feuerball der ins Leere ging. Sie würden ihn nicht lange so beschäftigen können.
Sie blieb stehen und griff zu der Macht die in ihr ruhte. Mit einer kleinen Handbewegung entmaterialisierte sie sich und materialisierte sie sich in einer kleinen Höhle bei den Bergen.
„So, und wie bekomme ich jetzt seine Aufmerksamkeit?“ Fluchend trat sie aus der Höhle und folgte dem Felsen, bis sie die Kämpfenden sehen konnte. Stur fixierte sie den Drachen und formte ihre Magie. Sie griff auf die kleinen Flammen über, die immer um sie als Schutz herum flackerten und gab ihnen Energie, um sie zu nähren. Langsam wurde diese Flamme um sie größer, bis sie, sie in ihren Händen zu einem Ball sammelte und formte. Dann gab sie dem Ball einen kleinen magischen Schub woraufhin er davon flitzte, wie ein Fußball. Der Drache schnappte gerade nach dem Flügel eines Werwandler, während er in seinen vorderen Krallen einen Bewusstlosen hielt. Der Ball traf ihn genau auf der Schnauze, noch bevor er dem Werwandler einen Flügel abbeißen konnte. Die Flamme züngelte über seine Schuppen und Mirana schickte noch eine Welle, woraufhin sich der Ball ausdehnte und das Maul des Drachen wie ein Seil umspannte und zusammen zog.
Wütend schlug der Wasserdrache auf die Flammen ein, die langsam immer kleiner wurden. Doch Mirana durfte nicht noch mehr macht dorthin schicken, da sie ihre Kräfte brauchte um einen Felsen auf ihn stürzen zu lassen.
Die Adlerwerwandler brachten sich alle in Sicherheit, als der Magen des Drachen sich aufblähte und wieder zu leuchten anfing. Der Drache stieß die Flammen durch seine Nasenlöcher aus, sodass ihre eigenen Flammen davon verschlungen wurden.
Wütend blickte er sich nach ihr um und flog genau auf sie zu. „Magierin! Das wird deine Freunde nicht retten! Ihr werdet brennen!“ Sie sah wie sein Maul sich schloss und sein Bauch diesmal heller leuchtete als davor. Er musste gerade eine unglaubliche Macht bündeln, wenn das bis jetzt noch nicht so stark war. Sie beobachtete wie in Zeitlupentempo sich das Maul des Drachen abermals öffnete. Sie konnte die Flamme sogar beobachten wie sie seinen Rachen hinauf kam und sich an seinem Speichel entzündete.
Mirana hatte vor Jahren einmal von diesem Phänomen gehört. Die Geschichte begann so als jemand behauptete, dass im Speichel der Drachen sich eine hoch entzündliche Mischung befand, die bei der Berührung die eigentliche Flame formt und schleudert. Natürlich konnte man das niemals nachweisen, denn die einzigen die jemals nahe genug an die Stichflamme eines Drachen herangekommen waren um so etwas zu beobachten, waren nur eine Sekunde darauf tot. Mirana verstand nun zu gut warum. Sie sah bereits wie die Flamme zündete und spürte die Hitze die auf sie zuflog, in diesem Moment spürte sie wieder ein Sodbrennen und verfluchte sich selbst dafür, nicht besser aufgepasst zu haben.

Ihre Leichtsinnigkeit, hatte dazu geführt, dass nun sie und der neue Drachenkönig von einem untoten Drachen gegrillt wurden. Wie diabolisch... Dachte Mirana und legte schützend ihre Arme um ihren Bauch. Sie wollte dem ungeborenen so viel Schutz bieten wie sie nur konnte. Immerhin sollte es ihr Kind werden. Sie hätte es aufwachsen und auf den richtigen Weg lenken sollen. Sehen sollen, wie tausende Drachen sich aus einem einzigen wieder erneut erhoben und lebten. Verbittert stiegen ihr Tränen in die Augen. Wer würde denn nun um sie trauern? Vielleicht Chattan, aber dann bestimmt nicht lange. Immerhin kannte sie sich nicht.
Mittlerweile spürte sie die Flamme des Drachen direkt vor sich und konnte schon ihr verbrennendes Fleisch riechen, doch keinen Schmerz. War sie etwa schon tot? Sie hörte wie die Flammen laut knackten und alles Fraßen was sie erwischen konnten. Aber es roch nur nach verbrannten Holz und Stein. Warum?
Langsam kam sie aus der Hocke und blickte sich um. Der Wasserdrache flog nur wenige Meter direkt vor ihr und betrachtete sie mit vor erstaunen aufgerissenen Mund. Träge blickte sie an sich hinab und erkannte jetzt erst, das die Flammen von ihr aus gingen.
„Ich habe es Absorbiert?“ Erstaunt streckte sie ihre Hand aus und betrachtete die blaue Flamme darauf. Sie züngelte hungrig und ungeduldig auf ihrer Haut herum, als wäre sie bereit alles zu fressen, was sie anbot.
„Was ist das für eine Magie? Kein Magier kann die Flammen eines Drachen absorbieren! Was spielst du hier?“
Der Drache brüllte so laut, dass ihr Kopf zu pulsieren anfing. „Nicht ich bin das... Das ist mein Kind. Das Drachenjunge macht das! Natürlich, das ich da nicht vorher darauf gekommen bin!“ Liebevoll streichelte sie ihren Bauch und fühlte wie sich das winzige Kind in ihr Bewegte.
Sie begegnete dem verwirrten Gesichtsausdruck des Drachen und lächelte freudig. „Die Natur hat ihre Mittel und Wege.“ Flüsterte sie, bevor sie die blauen Flammen in ihrer Hand versammelte und formte. Diesmal formte sie diese zu einem Lasso, das sie sofort zu drehen anfing. Der Drache brüllte wütend auf und fing an kräftiger mit seinen Flügel zu schlagen und aus ihrer Reichweite zu kommen. Er erhob sich weit über sie und über den Berg, doch bevor er darüber hinweg fliegen konnte, warf sie ihr Lasso und es umfasste seinen Fuß. Mit all ihrem Gewicht ließ sie sich vom Felsen Fallen während sich das Seil anfing zu spannen. Sie machte sich so schwer sie konnte und als sie wieder in die Höhe geschleudert wurde, hörte sie das Aufprallen von einem Gewicht auf Stein. In diesem Moment fing sie sich ab und schwebte leicht taumelnd in der Luft. Der Drache rappelte sich gerade wieder auf und erhob sich von dem Gipfel, auf den er geprallt war. Wütend schnaubte er und flog davon. Doch das versprechen, dass er wiederkommen würde, blieb trotz allem in der Luft hängen.
Ihre Hände zitterten wie Espenlaub, als sie einen Windzug um sich wehen fühlte. „Mirana? Alles in Ordnung?“ Erschrocken blickte sie in die tiefgründigen Augen von Chattan und ließ sich in seine Arme fallen. Sie hatte nicht mitbekommen, dass sie bereits wieder auf den Boden stand, doch als er sie auf seine Arme hob und zurück zur Siedlung brachte, konnte sie das Raunen der Männer und ihre Blicke um sich spüren. Sie wussten nicht ob die kleine Gruppe die sich um sie gebildet hatte sie selbst vor jemanden schützte, oder alle anderen vor ihr. War sie jetzt eine Bedrohung in den Augen der anderen?
Tränen liefen ihr über das Gesicht und sie vergrub sich im Hemd vom Chattan, da sie nicht wollte das jemand sie weinen sah.
Was dort auf dem Felsen passiert war, konnte wohl nicht mehr vertuscht werden, jetzt würden alle wissen wollen was sie war, oder besser noch was ihr Kind war. Als Mirana sich umblickte, bemerkte sie, dass sie sich mittlerweile in der Bibliothek befanden. War die Zeit denn so schnell vergangen? Die Sonne schien schon hoch am Himmel zu stehen, da die Sonne von oben herein fiel und sie blendete. Doch so lange hatten sie doch überhaupt nicht gekämpft. Oder war sie eingeschlafen? Hatte Chattan sie die ganze Zeit still gehalten?
Mühsam blinzelte sie gegen die Sonne an und merkte erst jetzt, das sie sich hoch oben in den Balken befanden. Deswegen war es auch so hell. „Hallo Sonnenschein!“
Mirana lächelte und fragte sich wie er es in dieser Gestalt mit ihr im Arm hier herauf geschafft hatte.„Der Spitzname gefällt mir schon besser.“ Murmelte sie und merkte wie durstig sie war. Chattan setzte sie auf den dicken Balken und verwandelte sich zurück in einen Menschen, während er zu einem schattigen Platz ging, an dem ein paar Wasserflaschen standen und brachte sie Mirana, die sie dankend entgegen nahm.
„Willst du mir erklären was passiert ist?“
Mirana hob unwissend die Schultern. „Frag mich das in ein paar Monaten noch einmal, wenn der ganze Stress vorbei ist und ich wieder klar denken kann.“ flüsterte sie bevor sie die Flasche gierig leer trank. „Ich weiß nur, dass ich dachte, ich würde sterben und im nächsten Moment, war das Feuer an mir und tat mir nichts. Anscheinend kann ein Drache seinen König mit seinen Flammen nicht schaden. Gut zu wissen.“ Murmelte sie und betrachtete den sanften grünen Schimmer auf ihrer Haut.
„Aber warum hat er dich dann auch nicht verbrennen können?“
Mirana hob unwissend die Schultern. „Vielleicht hat mich mein Kind beschützt. Ich weiß es nicht.“
„Unser!“ Warf Chattan halblaut ein. Mirana lächelte zu ihm auf. „Stimmt. Unser Kind. Willst du darüber reden?“
Chattan setzte sich neben sie und küsste sie auf die Wange. „Nein. Du bist müde, ruhe dich aus. Wir haben jetzt Zeit mein Sonnenschein.“ Mirana bettete ihren Kopf auf seine Oberschenkel und schlief beinahe augenblicklich ein.
Chattan blieb die ganze Zeit bei ihr und dachte über sein weiteres Leben nach. Wie würde das Kind ihn und seine ganze Familie verändern? Würde es sie entzweien? Würde es sie zusammen schweißen, weil sie zusammen kämpften? Würden sie Einfluss wie jedes Elternteil auf ihr Kind haben, oder würde seine Natur zu stark für ihren Einfluss sein? Würde er sie einmal vernichten? Düstere Gedanken hingen wie schwarze Wolken über seinem Kopf, als er seinen Namen hörte. Verwirrt blickte er sich um und erspähte Thorik durch die Balken. Sanft bettete er sie an einer sicheren Stelle, an der sie nicht hinunter rollen konnte und glitt geräuschlos von Dach hinab.
„Entschuldige, ich musste Mirana noch sicher ablegen.“
„Sie schläft jetzt.“ Eine Feststellung und keine Frage, wie Chattan auffiel. „Komm, wir müssen reden.“ Thorik stellte sich in eine abgeschiedene Ecke der Bibliothek und Chattan wusste, dass Mirana sie hier von oben sofort würde erkennen.
„Chattan... Was ist da am Berg tatsächlich passiert?“ Chattan erzählte alles woran er sich erinnerte und schloss seinen Bericht damit, wie er sie zurück zur Bibliothek gebracht hatte. Seine Sorgen verschwieg er.
„Dann ist also der neue Drachenkönig jetzt schon unglaublich stark. Wenn er tatsächlich jetzt schon als ungeborenes einen ausgewachsenen Drachen die Stirn bieten kann, wie wird das erst sein wenn er auf der Welt ist? Nicht einmal ihr werdet ihn kontrollieren können.
Chattan verschränkte mit einem wütenden Blick seine Arme vor dem Brustkorb. „Wir wollen ihn nicht kontrollieren, sondern erziehen. Niemand weiß wie der erste König entstanden ist und deswegen wissen wir auch nicht ob seine Charakterzüge angeboren oder erworben sind. Ich zu meinem Teil werde genauso wie Mirana alles versuchen um ihm Einfühlsamkeit und Gewissen beizubringen. Immerhin bin ich genauso nah an einem wilden Tier dran wie er.“
Thorik musterte ihn stumm und nickte dann. Manchmal wünschte er sich die Gedankengänge seines Rudelführers zu kennen. Was er wohl jetzt dachte.
„Gut! Vorerst ist der Engel wichtig. Alles andere kommt später. Die Macht die der Drache jetzt schon hat kann uns im Kampf nützlich sein. Vielleicht kann es uns in einem direkten Kampf gegen die Dämonen nicht helfen, doch wenn es darum geht einen Drachen in seiner menschlichen Form zu töten, ist mir das wesentlich lieber.“
Chattan gefiel der Gedanke nicht Mirana als Schutzschild zu missbrauchen, doch etwas anderes blieb ihnen nicht wirklich übrig, wenn die Elben und Vampire absprangen. Besorgt blickte er hinauf dorthin wo Mirana nicht sichtbar für andere schlief.

Geschwister

Thuriel

 

Sie streckte genüsslich ihre langen Arme und strich sich einige lose Zöpfe aus dem Gesicht. Die Sonne war noch nicht auf gegangen, doch irgendetwas hatte sie geweckt. Misstrauisch setzte sie sich auf und legte eine Hand unter ihr Kissen wo sich ihr Dolch befand. Diesen hatte sie vor vielen Jahren einmal von ihrer Mutter geschenkt bekommen, bevor ein Schweigegebot über sie gelegt worden war. In ihrem spärlich eingerichteten Zimmer war eine Kerze beinahe ganz herunter gebrannt und warf nur mehr ein schwaches Licht in den großen Raum, den sie auch für Zeremonien benutzte. Leise schob sie ihre Beine über den Bettrand und ging zu einer kleinen Kugel neben ihrer Türe, die in einem sanften Licht pulsierte. Bald würde eine Bedrohung hier her kommen. Dem Licht nach zu urteilen handelte es sich um einen Magier. Schnaufend strich sie über die Glaskugel und sie erlosch. Was wollte ein Magier hier? Es war noch nicht an der Zeit ihr Gelübde zu erneuern. Zornig stieß sie einen geistigen Schrei nach ihrem Untertan aus, der sofort an der Türe klopfte und eintrat. „Ihr habt gerufen?“ Thuriel zeigte auf den Kleiderkasten und ließ sich mit einer Flasche Obstschnaps auf das Bett zurück fallen. Ihr Diener drückte auf einen Schalter, der das elektrische Licht anmachte und ihr in den Augen stach, bevor er ihre alltägliche Kleidung aus dem Kasten holte und begann sie anzuziehen. Egos war ihr treuer Diener, der nur Lebte weil sie es so wollte. In den unteren Räumlichkeiten lebten noch mehr wie er, doch sie waren rein zur Verteidigung erschaffen und nicht für den alltäglichen Gebrauch nützlich. Gähnend ließ sie sich von ihm die Haare neu flechten und mit einem Band nach hinten legen, damit sie sie nicht störten. Egos war ein sehr dünner Mann, aber das war so üblich bei den Vampiren. Sie waren immer dünn, sehr schnell, ihre roten Augen stachen durch den ganzen Körper, wenn sie einem damit fixierten und ihre Eckzähne, die sie sehr gut verbargen, blitzten hell im Sonnenlicht.
Sie nickte ihrem Diener zu als er fertig war und er ging hinter ihr die Stufen hinunter. Im Erdgeschoss erwarteten sie zwei Wächter, die hämisch grinsten als sie Egos sahen. Ihre Wächter waren wesentlich muskulöser gebaut und sie konnten das Genick eines Menschen in einem Wimpernschlag mit zwei Fingern brechen. Natürlich verhöhnten sie den dünnen Vampir wann immer sie konnten, da ihrer Ansicht keine ehrenvolle Stelle anhaftete. Lächelnd ließ sie sich auf das Sofa fallen und betrachtete die Türe, bei der sie wusste, dass sie in einigen Minuten läuten würde.
Als Ergos mit einem Tablett mit Tee, Kaffee und Süßigkeiten kam, schenkte sie sich wie jeden Morgen einen Pferfferminztee mit einem kräftigen Schluck Rum ein. Zufrieden und einigermaßen wach, lief ihr das Scharfe und gleichzeitig würzige Getränk den Hals hinab und sie genoss es. Was gab es besseres als Alkohol am Morgen? Ergos zog sich in die Küche zurück und einer ihrer Wächter positionierte sich hinter sie. „Meisterin? Bekommen wir Besuch?“ Thuriel nickte.
„Eine Bedrohung?“ Als Antwort hob sie die Schultern und wartete ab, während sie sich erneut Tee eingoss und darüber nachdachte ob sie Ergos um noch eine Flasche Rum schicken sollte.
Als es an der Türe zögerlich klopfte, verwarf sie den Gedanken und deutete mit einem Finger auf die Türe, woraufhin sie einladend aufschwang.

 

 

Mirana

 

Mittlerweile war sie bereits eine Woche wieder im Dorf der Werwandler und jeder wusste über sie Bescheid. Für sie war es seltsam im Mittelpunkt eines jeden Gespräches zu stehen und ständig von ihr Fremden von Fragen durchlöchert zu werden. Zwei kleine Wölfe huschten an ihr vorbei und versuchten einen Schmetterling zu fangen. Lächelnd blickte sie dieser kindlichen Unbeschwertheit nach, bis sie am Wegesrand verschwanden.
Zärtlich blickte sie auf ihre kleine Ausbuchtung am Bauch hinab und streichelte sanft ihr Ungeborenes. Es war seit dem Angriff des Wasserdrachen um das doppelte gewachsen und alle nahmen an, dass es sich dabei um die gespeicherte Energie handelte. Jedes mal wenn sie aufstieß oder die Kraft des Kindes benutze, wuchs der kleine Drache unter ihrem Herzen ein Stück. Wohin würde das nur führen? Irgendwann würde sie das Kind nicht mehr tragen können und was würde dann passieren? Die Kojotenärztin hatte bereits den Kreißsaal für sie bereit gemacht und las in ihrer Freizeit reichlich Bücher um auf den Fall der Fälle vorbereitet zu sein.
Kräftig klopfte sie an die Türe des Rudelführers, der wie mittlerweile jeden Tag im Büro über ein Buch gebeugt saß und es zu studieren schien. Worum es in dem Buch ging, wusste sie nicht, das konnte sie nicht erkennen. Aber es schien in einer Schrift der Werwandler geschrieben zu sein, zumindest ähnelte es deren Schriften die sie kannte.
„Hast du den Hexenmeister ausfindig machen können?“ Mirana nickte Thorik zu, der freudig lächelte.
Normalerweise hatte sie recht guten Kontakt zu den Hexenmeistern hier in der Umgebung, doch bei diesem Speziellen, ging es um einen der sich einfach von allem und jedem Abschottete und das nicht einmal schlecht. Doch sie hatte diese spezielle Person trotzdem gefunden. Das war ihr schon immer leicht gefallen.
„Ich gebe Chattan Bescheid, dass er sich dort hin begibt, du ruhe dich etwas aus.“
Mirana verschränkte die Arme vor ihrem Oberkörper und blickte ihn strafend an. „Nein ich werde mitgehen. Der Hexenmeister wird ihn sonst vom Haus weg lotsen, da er Gesellschaft nicht mag. Ich muss mitgehen.“
Sie diskutierten noch eine weile, doch Mirana hatte schon gewonnen als sie an der Türe geklopft hatte. Seufzend gab er nach und machte ein mürrisches Gesicht. Tiefe Augenringe ließen ihn älter erscheinen und für seine Haare wurde es auch langsam Zeit, dass sie geschnitten wurden. Mirana konnte nur Mitleid mit ihm empfinden. Chattan hatte ihr bereits erzählt, wie es zwischen Thorik und Beathag stand. Er hatte sich eindeutig die falsche Person ausgesucht. Mirana wusste, dass Beathag nicht mehr die selbe sein würde, wenn er sie fand. Dafür war der Einfluss des Morgensterns viel zu groß. Außerdem hatte Beathag in all ihren vorherigen Leben einen eher abweisenden Charakterzug besessen, der bestimmt wieder zurückkehren würde, oder bereits war. Das junge schüchterne Mädchen, das er noch immer vor seinen Augen hatte, war bereits ausgelöscht. Doch wollte sie ihm nicht den Mut nehmen. Er würde es ja doch nicht glauben. Als sie das Büro verließ, stand Chattan bereits am Eingang und kam mit großen Schritten auf sie zu um sie zu küssen. „Nun gut, gehen wir. Wir haben einen weiten weg vor uns.“
Chattan nickte ohne Einspruch zu erheben und Mirana konzentrierte sich auf die näherste Straße in einer weit entfernten Stadt. Als sie die Augen öffnete, strich sie zufrieden über ihre Magierrobe und trat einen Schritt von Chattan zurück. „Es ist besser, wenn wir nicht durchscheinen lassen, dass wir zusammen sind. Das könnte nur neugierige Blicke auf uns lenken. Chattan nickte und blickte sich in der grauen Gasse um. Dieser Bezirk der Stadt war hauptsächlich grau, nur wenige Blumen und Bäume warfen einen hellen Fleck hinein. Am Wegesrand saßen dutzende von Bettler. Manche ohne Bein oder ohne Auge. Alle waren völlig heruntergekommen und stanken nach ihren eigenen Exkrementen und Abfall. Chattan verzog neben ihr die Nase und Mirana schmunzelte. Er war es bestimmt nicht gewohnt so heruntergekommene Menschen und Gebäude zu sehen. Einige >Eingangstüre< waren hier als Loch in der Wand benannt. Hinter ihnen folgte einer der Bettler ihnen einige Straßen lang, bis sich Mirana umdrehte und ihre kleinen Flammen auf der Haut aufleuchten ließ. Schreiend lief er weg und ließ das dreckige Messer zu Boden fallen.
„Was ist das für ein Ort?“ Fragte Chattan der sich an die Umgebung zu gewöhnen schien.
„Das ist der so genannte Slum der Stadt. Sie selbst ist wunderschön und prächtig, doch hier hinten sind alle die ein >unschönes Bild< auf die Stadt werfen.“ Mirana machte eine ausladende Handbewegung.
„Wir befinden uns in Prächtigen, oder?“
Mirana kicherte. „Ja. Ich finde den Namen doch etwas übertrieben, aber jedem das seine!“
Chattan schmunzelte und wich einem menschlichen Kothaufen aus. Mirana hatte bereits zu schweben begonnen, da sie keine Lust hatte, dass ihre kostbare Robe von dem hiesigen Dreck verunstaltet wurde.
„Also. Erklärst du mir jetzt warum du unbedingt mit wolltest?“ Fragte Chattan und knackte mit den Fingern.
„Weil sie dich niemals in ihr Haus gelassen hätte, geschweige denn du zu ihr gefunden hättest.“
„Sie? Eine Hexenmeisterin?“ Fragte Chattan sichtlich verwirrt.
Mirana nickte und wies auf eine halbwegs saubere Gasse. „Ja. Wir sind da. Egal was passiert, erzähl nicht zu welchem Rudel du gehörst, erwähne nicht den Wasserdrachen, unser Baby und auf keinen Fall sagst du ihr deinen Namen. Ich möchte nicht das sie dich in einigen Jahren benutzt,wenn du tot bist.“ Chattan blickte sie entsetzt an. „Was ist sie?“
Mirana blickte zu einem vernagelten Haus und kratzte sich am Handgelenk um sich durch den stechenden Schmerz ihrer Nägel von ihrer Nervosität abzulenken.
„Sie ist eine Hexenmeisterin die sich auf Nekromantie spezialisiert hat. Sie kann sich nur mit Telepathie verständigen, also Pass auch auf was du denkst, oder dir Vorstellst. Sie kann alles sehen und fühlen was dir durch den Kopf schießt. Ich habe eine natürliche Sperre dagegen, die sie nicht überwinden kann, außer ich erlaube es ihr. Und... Wundere dich nicht über ihr aussehen.“ Chattan fragte zwar nach, doch sie wich einer Antwort aus und klopfte stattdessen an eine massive Holztüre, die daraufhin knarrend aufschwang.

Mirana kratzte sich noch einmal um sich zu beruhigen und trat dann in einen stickigen Raum ein. An der gegenüberliegenden Wand stand ein Wächter und hatte sein Schwert gezogen. Bedrohlich hielt er es ihr in den Weg und Chattan schob sich sofort knurrend zwischen sie. Auf einmal senkte der Wächter sein Schwert und blickte zu einer Gestalt die auf einem Sofa saß. Er nickte ihr zu und blickte so leer wie eine Statue drein. Mirana schloss mit ihrer Magie die Türe hinter sich und wandte sich an die zierliche Gestalt in ihrem schwarzen Umhang. Als die Hexenmeisterin sie erkannte hob sie die Augenbrauen und setzte sich fragend auf. Mit einem Funken von Spott in den Augen hob diese herausfordernd den Kopf und ging um den kleinen Beistelltisch herum auf dem Gebäck und Tassen standen. Mirana kam ihr entgegen. Die Hexenmeisterin verbeugte sich vor ihr und Mirana tat es ihr gleich. Langsam öffnete sie die Türe in ihrem Kopf um die Stimme der Hexenmeisterin einzulassen. Was suchst du hier?
Die Stimme war tonlos und offenbarte auch nicht ob sie männlich oder weiblich war. Doch der zornige Funken der sich in ihren Augen langsam verdichtete sagte Mirana, dass sie hier nicht erwünscht war.
Chattan trat an Miranas Seite und sie beobachtete wie sich seine Gesichtszüge von drohend zu ungläubig änderten.
„Aber... Das kann doch nicht...“ Mirana blickte ihn mit ihren flüssigen hellbraunen Augen an und er konnte keine Verneinung darin finden. Unsicher blickte er wieder zu der Hexenmeisterin zurück, die wie ein dunkler Zwilling vor seiner Magierin stand. Die selben Augen und auch ähnliche harte Gesichtszüge. Nur ihre natürliche etwas dunklere Hautfarbe und die etwas schräger stehenden Augen zeigten dass sie keine Zwillinge waren.
„Werwandler... darf ich dir Thuriel vorstellen. Meine ältere Schwester.“ Thuriels Geist flog über seinen dahin und schien ihn locken zu wollen. Wild schreiend schlug seine Eule in ihm nach dem fremden Geist und sträubte abwehrend die Federn. Die Hexenmeisterin lächelte spöttisch und besah wieder ihre jüngere Schwester von oben bis unten. Plötzlich blieb ihr Blick an Miranas Blick hängen und er sah dass sie innerlich eine heftige Diskussion führten, an der er nicht teilnehmen konnte.
Als Mirana ihn anblickte, zuckte er unwillkürlich zusammen. Wie konnte es sein, dass eine Magierin mit einer Hexenmeisterin verwandt war?
„Thuriel sagte mir das sie deine Gedanken nicht wahrnehmen kann und das deine Eule nach ihr ausschlägt. Du hast wohl auch einen Abwehrmechanismus. Sehr gut.“ Chattan musste plötzlich stolz über seine Eule lächeln und nahm sich vor ihr später ein paar Kekse zu füttern.
„Das klingt doch gut oder?“ Mirana nickte ihm bestätigend zu und Thuriel deutete das sie sich setzen und bedienen sollten.
Chattan erhaschte einen kurzen Blick auf zwei Vampiraugen, bevor diese wieder hinter einem Vorhang verschwanden. Er setzte sich neben Mirana und legte eine Hand auf die Lehne der Bank. Ihr schien diese besitzergreifende Geste nicht zu gefallen, doch er brauchte das. Immerhin war er hier um sie zu beschützen, auch wenn sie das selbst auch konnte. Als mehrere, stille, Minuten vergangen war sprach Mirana ihn wieder an. „Sie wird an unserer Seite kämpfen, doch sie verlangt ihren Preis dafür.“ Chattan blickte sie fragend an.
„Du weißt doch da Magierdienste kosten. Hexenmeisterdienste kosten noch viel mehr und der von Nekromanten noch wesentlich mehr. Immerhin ist ihre Gabe eine gefährliche und sie braucht eine Absicherung.“ Chattan nickte und überlegte was er ihr anbieten konnte. „Wie sieht denn so eine Bezahlung normalerweise aus?“
Mirana deutete auf den Wächter an der Türe. „Du siehst doch den Wächter? Er ist ein im Krieg gefallener Gestaltwandler.“ Chattan blickte den benannten unsicher an. „Wie meinst du gefallen? Ist er etwa tot?“ Mirana nickte. „Ja er ist so zu sagen ein Zombie. Dort oben an der Wand sitzt ein toter Spinnenmensch und hinten in der Küche befindet sich ein Vampir. Sie besitzt noch eine Reihe an Wächter, doch nur diese lässt sie uns sehen um ihre Macht zu demonstrieren.“ Chattan blickte sich um und erinnerte sich an die roten Augen von vorhin.

„Ach deswegen sind wir hier.“ Natürlich wegen den Vampiren damit sie sich anschlossen. Die Vampire sind gestorbene die durch einen starken Virus halb am Leben sind. Und da Thuriel Nekromantie beherrschte, konnte sie sich einiger mächtiger Vampire bemächtigen und wenn sie zusagten, sagte ihr ganzes Volk zu. Und wenn die Vampire an ihrer Seite kämpften, würden sich die Elben genauso anschließen und sie hatten daraufhin ein mächtiges Heer zusammen. Chattan lächelte Mirana stolz an. „Der Rudelführer wird nichts dagegen haben und wir kennen die Namen einiger wichtiger Vampire, deren >Ja< uns viele Anhänger bringen wird. Der Preis ist egal!“ Mirana legte ihm eine Hand auf die Schulter und blickte ihn mahnend an. „Sei nicht so voreilig mit dem Preis Werwandler. Sie wird etwas für ihre Arbeit verlangen, von dem man sich nicht so einfach trennen kann.
Chattan winkte ab und hoffte er würde es nicht bereuen. „Nenne deinen Preis Thuriel.“ Thuriel lächelte und plötzlich erschien neben ihr ein dünner Vampir mit kurzen lockigen Haaren und stechend roten Augen. Er hielt ihr eine Feder und ein Stück Papier auf einem silbernen Tablett hin und sie deutete in Chattans Richtung. Der Vampir hielt nun ihm den Zettel darauf.
„Sie sagt du sollst eine Liste schreiben was du ihr zu bieten hast.“ Somit setzten sich Chattan und Mirana zusammen um diskutieren was sie ihr bieten könnten.

Manche Geheimnisse bleiben besser geheim

Thuriel

 

Thuriel warf Ergos einen wissenden Blick zu und er schmunzelte. Mirana war zwar ihre jüngere Schwester, doch sie würde niemals Rücksicht auf so etwas Banales legen. Das einzige das die beiden ihr zu bieten hatten, war das Kind das unter dem Herzen ihrer Schwester ruhte. Sie spürte die unbändige Macht die von ihrem Kind ausstrahlte und alles in ihr schrie, dass sie diese Macht besitzen musste. Wenn sie es ihr nicht freiwillig gab, dann würde sie es sich mit Gewalt holen müssen.
Nach wenigen Minuten wirkte Mirana äußerst zufrieden und reichte ihr den Zettel wieder zurück. Darauf waren mehr als zwanzig Sachen aufgelistet, die sie haben könnte, doch es war nichts das sie wollte. Thuriel zerriss den Zettel und schickte ihren Diener nach einem neuen Zettel.
Mit fein säuberlicher Schrift schrieb sie >Dein Kind< darauf und reichte es Mirana die sofort verärgert und angewidert das Gesicht verzog. „Das kommt nicht in Frage. Ich würde dir von mir aus auch mein Leben schenken, aber niemals das von meinem Kind!“
Der Werwandler neben ihr knurrte bedrohlich und ihr Diener fletschte sofort seine scharfen Zähne. Thuriel hob eine Hand damit sie sich beruhigten und deutete auf den Zettel.
Entweder das Kind oder ihr könnt auf mich verzichten. Sandte sie ihrer Blutsverwandten und erhob sich aus dem Sessel, in den sie sich gesetzt hatte. Sofort fühlte sie Miranas Wut und Verzweiflung in ihren Geist und ergötzte sich daran. Die negativen Gefühle, die Mirana und ihr Wächter Thuriel zu warfen war ein gefundenes Fressen.

Sie sammelte die unscheinbare Energie und ließ sie in ihre Kette fließen, die sie um den Hals trug. Der Saphirblaue Anhänger lag warm in ihrer Kehle und schien beinahe zu brennen. Mit einem Lächeln auf dem Gesicht umrundete sie die beiden bis sie wieder bei Ergos ankam. Dort spielte sie verführerisch mit einem seiner Hemdknöpfe und er schien es nicht einmal zu bemerken. Genau so verhielt sich ein Leibeigener eines Nekromanten. Sie fühlten nur das was ihr Meister zu ließ und tat ausschließlich das, was ihm befohlen wurde.

Argwohn schlug ihr von der anderen Seite des Tisches zu während die beiden miteinander flüsterten. Ihr Diener hörte durch seine Fähigkeiten alles und sie hörte was er hörte. Innerlich kichernd, um schwirrte sie die Eulenseele die mit der Menschenseele untrennbar verbunden war und frohlockte sie. Wenn sie nur genug Zeit hatte, würde er ihr nachgeben und der Werwandler war geistig ungeschützt.
Sie flüsterte der Eule gut zu, bis sie sich etwas zurück zog, als plötzlich der Werwandler aufsprang und sie halb verwandelt an kreischte. Sofort sprang ihr Spinnenmensch von der Decke und wickelte die Krallen des Werwandlers in Netze ein. Doch er biss sie sofort mit seinem haken ähnlichen Schnabel auf. Sie sah wie er sein Tier nur mühsam zügelte und langsam wieder ruhe in die gespiegelte Seele einkehrte. Wild schnaufen ließ er sich von Mirana, die beruhigend auf ihn einredete wieder auf die Bank drücken während Thuriels Spinne ein fast unsichtbares Netz vor sie spannte
„Ich habe entschieden, das wir deine Hilfe nicht brauchen. Wir kommen auch so mit den Vampiren zurecht. Aber denk daran, Thuriel. Ich wollte dir ein Friedensangebot unterbreiten. Hiermit bist du selbst Schuld wenn die Magier dich weiterhin verstoßen!“
Thuriel lächelte und leckte sich über die schwarz bemalte Lippe.
Mach es gut kleine Untergebene. Ich brauche die Magier nicht. Das Elend hier gibt mir mehr Kraft als das ich jemals brauchen werde!
Mirana blieb kurz vor dem Ausgang stehen und Thuriel fühlte wie sich die Energie um Mirana veränderte. So etwas wie Hoffnung kam nun von ihr ab. Was hatte sie denn gesagt, dass ihr Hoffnung gab?
„Was wäre... Was wäre wenn ich dir sagen würde, dass ich dir eine sehr, sehr dunkle Macht anbieten kann. Eine Jahrtausende alte von Verzweiflung, Wut und Hass zerfressene Seele, die unter unendlichen Qualen noch hier auf der Erde gehalten wird, obwohl sie schon seit zweihundert Jahren Tod sein müsste?“ Thuriel war nun wieder ganz Ohr. Wie kam so eine junge Magierin zu so einer dunklen Quelle?
Thuriel deutete ihr weiter zu sprechen. Mirana kam zurück und stellte sich auf Augenhöhe direkt vor sie.
„Deal, ich stelle dir diese Quelle zu Verfügung und du hilfst uns bei den Vampiren?“ So viel war zwar ihr Dienst nicht Wert, doch was schadete es schon überbezahlt zu werden?
Thuriel schickte ihrem Diener eine stille Botschaft und er stand sofort mit einem Leeren neuen Papier vor ihnen. Mirana nahm sich die Feder und schrieb >Die Gefühle Nereos< auf das Papier. Mirana versiegelte den Vertrag indem sie sich in den Finger stach und einen Tropfen auf das Papier fallen ließ. Dann bot sie es Mirana da, die sich an einem ihrer Eckzähne auf biss und etwas von ihrer Lippe tropfen ließ. Damit war der Vertrag gültig und versiegelt.
Die Namen der Vampire? Sandte Thuriel, woraufhin Mirana ihr die Gesichter und die Namen der jeweiligen schickte.

„Ich gehe telefonieren!“ Mirana nickte dem Werwandler zu, der daraufhin schnell das Haus verließ.
Als sich stille über das Haus legte, fühlte sie Miranas Unbehagen aufkommen. Dieses Unbehagen zog sie an. Es war so rein und unverfälscht. So eine Macht konnte sie nur von einem direkten Blutsverwandten bekommen.
Oh, Mirana... Thuriel streichelte die Wange ihrer Schwester und zog sie dann an sich. Mirana erwiderte ihre Umarmung und Thuriel nahm sofort den ganzen Schmerz auf, den ihre jüngere Schwester empfand.
„Oh, Thuriel! Es ist so unglaublich lange her. Ich habe dich so vermisst. Ich wünschte du könntest zurück!“
Thuriel fühlte eine Träne auf ihrer Schulter und versuchte die Gefühle von Mirana zu verstärken. Zärtlich fuhr sie durch das blonde weiche Haar und genoss ihren Geruch. Sie roch nicht mehr so metallisch und feurig wie die anderen Magier, sondern mittlerweile mehr nach Natur und Feuer. Eine wilde Mischung das ihr zertrümmertes Herz schneller schlagen ließ. War das die Freiheit, nach der sie sich so sehr sehnte? Sie war dazu verdammt sich von der negativen Energie der Menschen zu nähren. Darum lebte sie auch in den Slums und nicht in einer großen Villa, die sie sich mittlerweile mühelos leisten konnte.
Pass auf, dass sie dir nicht auch deine Macht nehmen. Egal wie nett ich erscheine. Ich will nicht mit dir teilen müssen.
Sie fühlte das Lächeln ihrer kleinen Schwester an der Schulter und drückte sie von sich.
„Wir sehen uns.“ Die Unberührbaren Worte einer Magierin. Thuriel blickte Mirana hinterher, während sie aus der Türe ging und war sich plötzlich der Leere in ihrem Herzen bewusst.
Um sich ihren menschlichen Gefühle wieder Herr zu werden, machte sie sich an die Arbeit die aufgelisteten Vampire zu beeinflussen.
Es dauerte nur wenige Stunden und danach wartete sie vor ihrer Glaskugel auf das feurige Flimmern, das ihr sagen würde, wenn ihre Schwester zurück kommen würde. Es war schon unendlich lange her, seit sie sich das letzte mal gesehen hatten. Thuriel war über fünfhundert Jahre älter und die erstgeborene ihrer Mutter. Thuriel hatte sich immer schon sehr für Götter und Helden interessiert und alle Bücher in jeder Bibliothek über diese gelesen. Ihre Mutter und ihr Mentor hatten das nie toleriert, doch das war ihr egal gewesen. Als ihre Mutter nach fünfhundert Jahren entschloss noch ein Kind zu bekommen, war Thuriel zuerst froh darüber.

Endlich dann jemand mit dem sie reden konnte. Doch ihre Mutter hielt Mirana immer von ihr fern. Sie hatte ihr jeden Tag vor geworfen, von negativen Energien besessen zu sein und sie Angst hätte, dass sich Mirana anstecken könnte. Als Mirana zehn war, trafen sie sich einmal die Woche und Thuriel erzählte ihr durch eine steinerne Wand hindurch Geschichten von Helden, Göttern und Abenteuern. Aus einem unerklärlichen Grund konnte sie sich über eine kleine Entfernung telepathisch unterhalten. Nachdem Mirana ihren Abschluss machte und weit weg von ihr entfernt untergebracht worden war, hatte sie alles daran gesetzt um ihre Schwester wieder zu sehen. Doch die Magier schirmten sie unglaublich gut an.
Irgendwann, wann wusste sie nicht mehr, oder von wem, wurde ihr Alkohol angeboten und sie gewöhnte sich an den Geschmack. Seit dem trank sie alles nur mehr mit Alkohol und genoss jeden Schluck. Natürlich fiel auch das den Magiern irgendwann auf und ihr wurden die Kräfte gebunden und ein Findezauber auferlegt. Seitdem kamen alle paar Jahre ein oder mehrere Magier um diese Zauber zu erneuern. Seit sie jedoch verbannt worden war und sich von negativen Energie nährte, hatte sie keine Gedanken mehr an ihre Schwester verschwendet.
Doch wieso kam sie jetzt auf einmal? Sie hätte sie doch schon vor vierhundert Jahren aufsuchen können, oder?
Trotzig warf sie ihr Haar nach vorne und öffnete die Zöpfe, die Ergos jeden Tag so sorgfältig flechtet Dann griff sie zu ihrem Glätteisen und fuhr durch sie hindurch bis sie glatt ihren Rücken hinab fielen, so wie die ihrer Schwester. Das einzige was sie jetzt noch trennte, waren das ihre eigenen Gesichtszüge etwas sanfter und weiblicher waren, ihre Lippen voller und sie vollkommen in schwarz gekleidet war.
Vorsichtig um die Haare nicht wieder zu verwirren, setzte sie eine schwarze Wollhaube auf, die ihr etwas zu groß war und legte ihre Kette an, an der mehrere Saphir blaue Steine platz hatten. Sie setze vier volle und drei leere ein und bewunderte ihr Werk. Sie wartete nun schon mehr als vierundzwanzig Stunden. Sie wollte ihre Belohnung. Noch eine Handvoll leerer Speichersteine ließ sie in einen Samtbeutel fallen und steckte sie in die Brustasche ihres Mantels. Dann zog sie die weite Kapuze über, damit ihr Gesicht verborgen war und ließ sich in den Schatten ziehen. Sie folgte der verblassenden Energie ihrer Schwester bis zu einer ewig weit entfernten Gasse an der die Spur endete. Hier muss sie sich entmaterialisiert haben. Dachte sie und ließ sich in die reine Feuerenergie fallen, die sie sofort mit zog.

Als sie die Augen wieder öffnete, stand sie an einer Waldlichtung und blickte sich zweifelnd um. Wo war sie hier? Einige aus Stein gehauene Häuser standen auf einer Lichtung wie zu einem kleinen Dorf zusammen gesteckt, während ein großes alle überragte. Es war äußerlich beschädigt, als wäre an der Außenwand jemand hinauf geklettert. Erstaunt darüber, wie harmonische es hier zu sein schien, hob sie ihre vielschichtigen Röcke an und versuchte ihre Schuhe nicht in einer der vielen Wasserlachen zu versenken. Sie umrundete gerade eines der Häuser, als sie ein Messer an der Kehle spürte. „Wer bist du?“ Knurrte eine männliche Stimme und Thuriel lächelte spöttisch. Als könnte ihr ein Werwandler etwas antun...

Sie rammte ihm den Ellbogen in die Rippen, nahm seine Dolchhand und warf ihn sich über den Rücken. Doch nicht wie erwartet blieb er liegen, sondern rollte sich gekonnt ab, nur um ihr dann eine Hand auf den Rücken zu drehen. Der Werwandler war gut ausgebildet. Sie konzentrierte sich auf ihre innere Kraft und ließ ein paar große Flammen ihren Körper hinauf schnellen. Der Wächter schrie erschrocken auf, fiel rückwärts auf den Boden und Thuriel hörten beim Aufschlag etwas knacksen. Sie machte sich aber nicht erst die Mühe sich umzudrehen und zu sehen, ob er lebte, denn seine Lebenslinie schien noch hell genug.

Langsam bewegte sie sich weiter um das Dorf herum und wich den wachsamen Blicken der Wächter rund herum aus. Grinsend bog sie einen kleinen Kiesweg hinab und fühlte von dort eine starke negative Energie abgehen. War dort ihre Bezahlung? Eine Windböe bewegte um sie herum die Bäume und ließ sie so laut rascheln, dass ihre Schritte darin untergingen. Wie magnetisch von dieser Energie angezogen, trat sie aus dem Dickicht auf eine verwachsene Lichtung und strahlte bei dem Anblick der sich ihr bot. Hunderte Gräber standen hier vor ihr, umrundet von einem großen schwarzen Tor. Sie hob die Hände um die negative Energie, die hier so friedlich ruhte aufzufangen und speicherte ihre drei Freien Saphirsteine an ihrem Hals damit voll. Zärtlich fuhr sie über das stabile Schloss, dass das Eingangstor zu hielt und es bewegte sich wie von selbst aus seiner Halterung. Stille lag hier wie ein dichter Nebelschleier um das Gebiet herum und brachte den Besuchern die Trauer. Abgesehen von ihr.

Sie nährte sich von dieser mächtigen Quelle, bis sie restlos aufgebraucht war. Wie gerne würde sie jetzt ein paar Schlucke trinken und sich an diesem Völlegefühl ergötzen. In ihrem Gebiet konnte sie immer nur so viel aus der Umgebung abziehen, sodass genug da war, damit andere weiterhin verzweifelt und heruntergekommen waren. Mit einem unbeschreiblichen Völlegefühl ließ sie vom Tor ab und wollte sich auf den Rückweg machen, als sie in zwei starre gelbe Augen blickte und auf ein Messerscharfes Gebiss blickte dass ihr den Weg absperrte. Ein Hundeartiges Wesen knurrte sie zornig an und kläffte wild. Sie streckte ihren Geist nach dem Hund aus, doch der Mensch darin blockte sie ab. Also noch ein Werwandler.
Vorsichtig streckte sie eine Hand nach dem Werwandler aus, der einige Schritte zurück wich. Sie hockte sich hin und streckte ihm den Handrücken hin um ihm zu zeigen, das sie nicht mit bösen Absichten kam. Der Hund hörte auf zu knurren und kam ein paar Schritte auf sie zu, bevor sich sein Gesicht verzerrte und in einen Erwachsenen Menschen verwandelte. Sie erhoben sich gleichzeitig aus ihrer Hocke und blickten sich abschätzig an. Thuriel überlegte, ob sie nicht vielleicht ihre Kapuze abnehmen sollte, doch irgendetwas hielt sie davon ab.
„Wer bist du?“ Fragte der Mann und sie fühlte immer noch das heftige kläffen hinter seiner Haut, tief in seiner Seele vergraben. Sie wollte Antworten, doch durfte nicht. Sie durfte niemals reden. Nicht einen einzigen Ton. Standessen hob sie ihren Unterarm um ihm das magische Zeichen des Schweigegelübdes zu zeigen.
Der Mann betrachtete es kurz aus klugen grünen Augen und nickte dann. „Verstehe. Ich bringe dich zum Rudelführer und der wird schon wissen was er mit dir machen soll. Weißt du überhaupt, dass du dich auf dem Territorium von Werwandler befindest? Wärst du einem Wächter über den Weg gelaufen, dann hätten sie dich getötet.“ Thuriel machte eine wegwischende Handbewegung und ging den Weg zurück den sie gekommen war. Der Werwandler neben ihr hatte eine Hand an seiner Hüfte liegen, was ihr sagte, dass er entweder eine Verletzung hatte oder an dieser Stelle eine Waffe trug. Forschend flog sie mit ihrem Geist über seinen, jedoch nur prüfend, ohne ihn direkt zu berühren. Als würde er es bemerken blickte er sie wütend an. „Lass das, oder ich schlage dich Bewusstlos.“
Thuriel lächelte unter ihrer Kapuze und zog sie weiter über das Gesicht. „Wie bist du überhaupt an den Wachen vorbeigekommen? Hat schon wieder jemand geschlafen?“ Er machte einen anstößigen Laut, als hätte er nichts anderes erwartet. „Was sonst sollte man sonst von einem Anfänger erwarten?“ Thuriel hoffte das er noch weiter sprach, doch gerade kam ihm ein Wächter entgegen geeilt, der Aufgebracht schien. Der Wächter sprach etwas in sein schwarzes Armband, was sie jedoch nicht verstand. Als sie den restlichen Weg zurück gelegt hatten verneigte sich der Wächter tief und wartete auf ein Zeichen, das er sich erheben durfte.
„Priester! Es tut mir leid für die Störung, doch ich muss den Eindringling mit nehmen!“ Der so genannte Priester, der in ihren Augen nicht danach aussah, packte sie am Oberarm und zog sie am Wächter vorbei.
„Danke, aber das erledige ich schon selbst. Ich habe mit diesem Jungblut ohnehin noch etwas zu klären.“
Thuriel bemühte sich mit den schnellen Schritten seiner langen Beine mitzuhalten, doch dafür war sie etwas zu klein und nicht richtig gekleidet. Als sie stolperte, merkte er erst, dass er sie hinter sich her schleifte und half ihr sich auf zu richtigen. Ohne irgend ein Wort ließ er sie los und deutete ihr weiter zu gehen. Wenn alle Werwandler so waren, dann würde sie ihnen schon benehmen beibringen.

Mit etwas langsameren Schritten als vorher erreichten sie endlich die Lichtung und Thuriel blieb stehen um auf eine Wegbeschreibung zu warten. Als sie sich umdrehte, sah sie wie er sehnsüchtig zurück blickte. Er bemerkte ihren forschenden Blick und deutete dann auf ein Gebäude.
„Dort drüben, das weiße Zweistöckige, gehört dem Rudelführer. Geh weiter.“
Verwirrt über seinen harten Tonfall griff sie wieder nach seinem Geist, doch noch bevor sie ihn berührte, leuchteten seine Augen hell gelb auf und er knurrte durch zusammengebissenen Zähnen. „Lass deine Finger von meinem Geist, oder ich beiße dich!“
Thuriel biss sich auf die Unterlippe um ein Lächeln zu verstecken. Langsam hob sie die Arme um ihre Kapuze abzusetzen und beobachtete das Spiel in seinem Gesicht. Seine Augen wurden wieder zu einem dunklen Grün und sein verbissener Ausdruck wich einem neugierigen.
Langsam ließ sie die Kapuze hinunter rutschen und schüttelte ihre platt gedrückten Haare auf. Selbst jetzt wo sie ihn direkt ansah und nicht mehr durch den Schatten ihrer Kapuze, konnte sie immer noch keine Energie von ihm ausgehen sehen. Weder positive noch negative Energie schien sich um, oder in ihm zu befinden. Er war wie ein leeres Gefäß.

So etwas hatte sie noch nie gesehen. Oder er konnte lediglich seine Gefühle tadellos verbergen. Obwohl sie das doch eher bezweifelte, da er seine Gefühle wie auf einem silbernen Seevierteller in den Augen trug. Ein Rätsel dessen Lösung sie unbedingt haben wollte.
„Was? Bist du taub? Geh endlich weiter!“ Grob schob er sie am Ellenbogen weiter, doch dieses mal konnte sie mit seine viel längeren Schritten mühelos mithalten, da sie zu schweben begann. Abfällig blickte er auf die wenigen Zentimeter, die sie von dem Erdboden trennte, doch sagte nichts dazu, sondern ging mit einem verschlossenen Blick weiter.
Als sie vor dem Zweistöckigen Haus ankamen, öffnete er ohne zu klopfen die Türe, blickte sich unschlüssig um und klopfte danach an einer braunen Türe mit der Schrift >Büro< darauf.
Eine geknurrte Antwort ertönte und er öffnete die Türe. Der Rudelführer, den Thuriel sofort an seiner Ausstrahlung erkannte, sprang auf und blickte den Priester musternd an zumindest bis sein Blick zu ihr wanderte.
„Mirana?“ Thuriel schüttelte den Kopf und sie erkannte die wachsende Erkenntnis in seinem Blick.
Der Rudelführer drückte auf einen Knopf am Telefon und murmelte ein paar Sätze hinein.
„Bitte setzt euch. Was führt dich hier her Priester?“
Der Priester nickte zu Thuriel. „Ich habe die Hexenmeisterin am Friedhof entdeckt. Sie hat sich gerade von der negativen Energie der Verstorbenen dort ernährt. Deswegen habe ich sie her gebracht.“
Der Rudelführer nickte und blickte Thuriel angewidert an. Ihr machte dieser Blick nichts mehr aus. Sie war nun mal das was sie war und war glücklich damit.
„Was suchst du hier. Weißt du überhaupt dass du dich auf einem verbotenen Territorium befindest? Jeder unangemeldete Besuch endet normalerweise mit dem Tod!“
Thuriel hob abweisend die Schultern. Was sollte sie so ein lächerliches Gesetz interessieren? Vorsichtig streckte sie wieder ihren Geist aus um mit dem Rudelführer zu sprechen, doch die Tierseele des Priesters schnappte sofort nach ihr. Was war nur mit dem los?
Wütend blickte sie ihn an um ihn im stillen zu verfluchen, doch er erwiderte ihren Blick mit kalter Gleichgültigkeit. „Du kannst deinen Geist noch so oft ausstrecken. Mein Schakal ist auf der geistigen Ebene dazu ausgebildet den Geist anderer zu erkennen und zu töten. Es ist lediglich eine gut gemeinte Mahnung.“
Unter gut gemeint verstand sie aber etwas anderes.
Schnell bündelte sie etwas Energie und schickte ihm einen geistigen Schlag. Sie fühlte ein Knurren neben ihr und sah wie er sich an den Kopf griff. Anscheinend hat es ihm auch körperlich geschmerzt.
„Verfluchtes Miststück!“
Sie warf ihm ein stolzes Lächeln zu, was ihm eine grimmige Miene ziehen ließ. Sie blickten sich immer noch in die Augen und es schien, als würde er versuchen sich zu revanchieren, als es an der Türe klopfte.
Hinter ihnen ging die Türe auf und seinem grimmigen Gesichtsausdruck schien ein verwirrter zu weichen. Thuriel spürte erst jetzt die Energie ihrer Schwester. Aber warum? Eigentlich hätte sie diese schon seit sie in der Siedlung war spüren sollen, doch da war nichts gewesen.
„Es tut mir leid. Es hat beim Ultraschall etwas länger gedauert.“ Mirana lächelte ihre Schwester liebevoll an, bevor sie der Hand an Thuriel Ellenbogen folgte und den ihr anscheinend Unbekannten prüfend musterte. „Thuriel? Was suchst du hier? Ich sagte doch das ich mich melde.“
Thuriel streckte ihren Geist nach ihrer jüngeren Schwester aus, die sie herzlichst willkommen hieß.
Ich habe meinen Teil der Abmachung erfüllt und werde nun an deiner Seite bleiben, bis du deinen Erfüllt hast. Ich bin deiner Energie bis hier her gefolgt und habe etwas davon gesammelt.
Mirana stieß einen Seufzer aus. „Thuriel! Du weißt doch dass du dich auf mein Wort verlassen kannst und außerdem haben wir einen Vertrag der mich bindet. Die Vampire haben sich erst heute Morgen gemeldet, deswegen hatte ich noch keine Zeit zu dir zu kommen.“
Thuriel nickte. Sie fühlte wie sich der Griff um ihren Ellenbogen verstärkte und der Priester verwirrt zwischen ihnen hin und her blickte.
„Mirana... Würdest du mir bitte erklären wer das ist?“ Der Rudelführer nickte zu Thuriel.
Mirana trat aus dem Eingang und schloss die Türe hinter sich. „Es tut mir leid. Das ist die Hexenmeisterin die Chattan und ich gestern aufgesucht haben. Sie ist meine ältere Schwester. Es tut mir leid, dass ich dir nichts darüber sagen konnte, doch selbst unter Magiern ist sie eine Verschwiegene.“
Der Rudelführer nickte und ließ sich sichtlich erleichtert in seinen Sessel sinken. „Also ist sie diejenige der du die Energie versprochen hast?“ Mirana nickte und legte einen Arm um Thuriel. Plötzlich spürte sie eine eisige Kälte ihren rechten Arm hinauf wandern, als der Priester sie los ließ. Stumm blickte sie ihn an und begegnete seinen dunklen grünen Augen, die so viel Hass aussprachen, dass sich Thuriel danach sehnte diese negative Energie auch spüren zu können.
„Was geht hier eigentlich vor sich Rudelführer? Ihr wisst doch hoffentlich das es für die Energie hier in dem Dorf nicht gut ist, wenn sie derartig aus dem Gleichgewicht gebracht wird.“
Der angesprochene lächelte. „Wir sind alle sehr dankbar das du die Hexenmeisterin her gebracht hast. Du darfst dich jetzt genauso still entfernen, wie du dich sonst immer zeigst.“
Der Priester war sichtlich angepisst, doch tat was sein Rudelführer von ihm verlangte. Beim gehen begegnete er noch einmal Thuriels Blick und blieb kurz stehen.
„Wenn die Sterne bei eurem Kampf nicht gut stehen, dann denkt daran, dass es die Schuld der kleinen Hexe ist. Ihr habe es ja so herausgefordert.“ Dann wandte er sich ab und ging. Die Türe fiel laut und schwer hinter ihm ins Schloss und Thuriel musste lächeln.
„Wer war das?“ Fragte Mirana an den Rudelführer gewandt.
„Unser Priester. Er segnet alle vor einem großen Kampf und ist die Stimme aller Götter an die unser Dorf glaubt. Außerdem ist er auch für die Begräbnisse und allem anderen zuständig. Hier lässt er sich nur sehr selten blicken.“
Mirana nickte verstehend. „Deswegen kenne ich sein Gesicht auch nicht. Er war auch nicht beim Aufbau des Dorfes anwesend, oder?“
Er schüttelte den Kopf. „Nein. Aber was sollte er auch hier machen? Die drei toten die wir hatten, haben die Leichenträger geholt und damit hat er nichts zu tun. Alles was nicht ihn betrifft, interessiert ihn auch nicht.“
Thuriel musste grinsen und tastete nach dem Geist ihrer Schwester. Warum hat der Priester keine negativen oder positiven Gefühle? Man kann sie zwar sehr gut in seinen Augen lesen, doch nichts scheint von ihm aus zu gehen. Steckt da ein Zauber dahinter?
Mirana hob die Schultern und stellte die selbe Frage dem Rudelführer. „Ich habe keine Ahnung. Ich kenne mich mit so etwas nicht aus. Entweder ihr fragt Chattan, oder den Priester selbst. Nur denke ich das Chattan nicht viel über ihn weiß. Sie... Sie stehen sich nicht gerade nahe.“
Mirana blickte ihn fragend an. „Thorik! Was ist denn mit denen beiden? Spann mich ja nicht auf die Folter.“
Thorik grinste breit. „Nun ja, der Glaube und die Wissenschaft haben sich noch nie sehr gut verstanden.“ Plötzlich musste auch Mirana lächeln. Das jagte Thuriel ein frösteln über den Rücken. Ihre Schwester stand den Werwandler wohl näher als das sie dachte.

„Nun, ja. Wenn du schon einmal da bist, dann nehme ich dich mit zu Chattan. Da kannst du wenigstens nichts anstellen. Aber du solltest vielleicht dein Gesicht verhüllen. Nur zur Sicherheit.“
Thuriel nickte und schob sich die Kapuze über das Gesicht, dann folgte sie Mirana hinaus zu einem Gebäude, das ihr vorher bereits aufgefallen war. Es war das größte hier und auch irgendwie das heruntergekommenste. Es wirkte irgendwie, als wären die anderen Häuser erst vor kurzer zeit hier aufgebaut worden.
„Also, während wir hier sind, solltest du keinem mehr dein Gesicht zeigen. Du kennst ja die Magier und ihre Eigenheiten. Auf alle Fälle, das hier“ sie deutete auf das große Gebäude vor ihnen „ist die Bibliothek. Hier lebt Chattan, er ist so etwas wie der Bibliothekar hier und ein wandelndes Wissensbuch. Ich wohne zur Zeit auch hier, da etwas Seltsames passiert ist, und er beauftragt ist mich während meines Aufenthaltes zu beschützen. Hier kommen ständig Leute ein und aus, also wundere dich nicht. Das zweistöckige, in dem wir gerade waren, ist das Haus des Rudelführers Thorik. Er ist ein echt netter Mensch und ist sehr auf das wohl aller bedacht. Dann den auf den du getroffen bist, kenne ich persönlich nicht und ich habe auch noch nichts von ihm gehört. Also... Ja den Rest der Einwohner wirst du wahrscheinlich später kennen lernen. Huch!“ Mirana wandte sich ab und Thuriel hörte wie sie aufstieß. Plötzlich kam eine kleine Flamme aus ihrem Mund und sie hielt sich den Bauch. Vorsichtig stützte sie ihre Schwester und tastete nach dem Geist des kleinen Magiers in ihr um sich zu vergewissern ob alles in Ordnung ist.
Das ist ja seltsam. Was ist das für ein Kind? Fragte Thuriel in Gedanken und Mirana wurde nervös.
Nichts. Es ist alles in Ordnung mit ihm. Antwortete Mirana schnell und abweisend. Irgendetwas verheimlichte sie ihr, doch wollte sie sie nicht drängen. Aber etwas kam ihr seltsam vor.
Ihm? Die Schwingungen sind aber nicht männlich!
Mirana blickte sie nun ehrlich überrascht an. „Was? Du kannst die Energien unterscheiden?“ Nickend trat Thuriel einen Schritt zurück, als ein hoch gewachsener Mann in der Türe erschien und verwirrt zwischen ihnen hin und her sah. „Was ist passiert, Mirana?“ Er hob sie ohne zu fragen auf seine Arme und brachte sie in die Bibliothek. Thuriel folgte ihnen Stumm, während Mirana ihm das erzählte was sie wusste. „.. und gerade meinte sie, das das Kind nicht männlich ist.“ Chattan nahm ihre Hand in seine und betrachtete verwirrt ihren Bauch. „Wie meinst du das?“
Thuriel konzentrierte sich noch einmal auf das Kind und musste lächeln. So viel liebe die von so einem kleinen Wesen aus ging. Es überwältigte sie beinahe. Vorsichtig griff sie nach dem Geist ihrer Schwester und zeigte ihr das was sie sah. Männliche Schwingungen kommen meistens grünlich bis braun zu mir, doch weibliche sind eher gelb bis lila. Je nach Gefühlslage und seinem eigenen Wesen. Doch das hier ist eindeutig eher golden, also weiblich. Es sagt jetzt bereits viel über seinen Charakter aus.
Mirana lächelte breit. „Es ist wunderschön!“ Chattan blickte sich abermals verwirrt um. „Wovon sprecht ihr?“
„Es ist ein Mädchen. Ich bekommen ein Mädchen! Oh mein Gott! Wie ist das möglich? Das kann doch gar nicht stimmen, oder?“
Chattan räusperte sich bevor er sprach. „Seid ihr euch sicher?“ Thuriel nickte. Natürlich war sie sich sicher!

„Das ist doch der Wahnsinn! Einfach unglaublich! Wir sollten sofort noch einmal zum Arzt!“
Thuriel wurde unsicher. War hier etwa ein Heilkundiger Magier? Was war das bloß für ein Ort?
„Keine Sorge, es ist eine Werwandlerärztin, aber du solltest zur Sicherheit trotzdem hier bleiben. Ich schicke Chattan dann wieder zurück!“
Sie ging mit ihrem magischen Nachwuchs nicht einmal zu einem Heiler? Irgendetwas war eindeutig anders als früher. Seit wann gingen streng gläubige Magier zu einem Arzt, der nicht die Ausbildung dazu hat? Wusste der Vater etwas davon? Thuriel konnte zwar nicht besonders abschätzen in welchem Monat sich Mirana befand, doch sich war sie schon über der ersten Hälfte, zumindest ließ die gut sichtbare Ausbuchtung ihres Bauches das schätzen.
Schnaufend blickte sie sich in der Bibliothek um und suchte nach alten Schriften die sie noch nicht kannte. Gab es solche überhaupt? Lächelnd griff sie nach einer modernen Ausgabe ihres Lieblingsgeschichtsbuch, über die Entstehung der Welt und ihre vielfältigen Arten die sie hervorgebracht hatte.
Als sie zur Hälfte durch war, trat der Werwandler, der Mirana begleitet hatte wieder ein und wirkte sichtlich nervös.
Fragend schlug sie ihr Buch zu und warf ihm einen Blick zu, der ihm sagen sollte das er etwas sagen sollte.
„Die Ärztin kann nicht erkennen ob es ein Mädchen oder ein Junge wird. Dafür... liegt es nicht richtig.“ Ergänzte er schnell, sodass Thuriel stutzig wurde. War das Kind den überhaupt magischer Herkunft?
„Sie meinte zwar das Kind entwickelt sich sehr gut und alle Organe sitzen an den richtigen Stellen, doch das mit dem Geschlecht müssen wir wohl abwarten.“ Thuriel nickte, da die Aura und die Gefühle die vom Kind abgingen, ihr verrieten, dass es weiblich war, doch wenn er es ihr nicht glauben wollte war es seine Sache. Müde ließ sie die Kapuze über ihren Kopf sinken und bettete ihn auf die ungemütliche Tischplatte.
„Du bist also ihre ältere Schwester? Darf ich fragen warum du verbannt bist?“ Thuriel hob ihren Arm wo das Schweigezeichen darauf war und er schlug sich auf die Stirn. „Entschuldigung, das war sehr unhöflich von mir! Warte ich besorge dir Stift und einen Block, damit du mit uns Kommunizieren kannst.“
Chattan verschwand hinter einer Reihe von Büchern und kam dann mit einigen Blöcken und einer verschiedenen Auswahl an Stiften zurück.
„Bitte. Such dir aus was du willst, du kannst es behalten. Mirana hat mir schon erklärt, das unsere Tiere es verhindern, dass du mit uns über unseren Geist kommunizieren kannst. Das tut mir leid, denn ich denke nicht das sie es mit Absicht, oder gar bewusst machen. Sie verteidigen lediglich ihr Territorium.“ Thuriel nickte, das war ihr bereits selbst bewusst geworden. Doch sie fand es schade, denn sie wüsste gerne was in den Köpfen von Werwandler vor sich ging. Wie sie dachten, ihre Entscheidungen trafen. Waren sie innerlich mehr Tier oder Mensch?
Sie griff nach einem Kugelschreiber und einem dickeren Schwarzen Stift, sowie nach einem karrierten Block, die sie fein säuberlich vor sich auflegte. Thuriel schlug die erste Seite des Blockes auf und schrieb ihren Namen mit dem dicken Stift hinein, sowie ihren Titel. Darunter schrieb sie noch etwas kleiner >aufgrund eines Schweigegelübdes muss ich mich über den Block verständigen!< darunter.
Zufrieden bewunderte sie ihr Werk bevor sie eine neue Seite aufschlug.
>Ich bin unserer streng magisch gläubigen Mutter ein Dorn im Auge gewesen und habe mich nicht gerade als die perfekte Magier Tochter herausgestellt.<
Chattan las die Zeilen und lächelte. „Stimmt, du siehst auch nicht wirklich aus wie die >Typische Magierin<. Aber wenn es dich beruhigt, deine Schwester hat sich auch nicht gerade als die ultimative Magierin herausgestellt.“ Ein schmunzeln glitt über seine Lippen als er an sie dachte.
>Seit ihr ein Paar?< Es war ihr etwas unangenehm zu fragen, doch sie musste es tun.
Er errötete und blickte in die Ferne. „So kann man es nicht gerade sagen, aber ich denke das ist ein Thema was du lieber mit deiner Schwester besprechen solltest.“
Thuriel nickte und dachte über ihre nächste frage nach. >Wissen die Magier von ihrer Schwangerschaft?<
„Nein... Sie hält es von ihnen geheim. Es sollen auch so wenige wie möglich wissen, deswegen lebt sie derweilen hier bei uns. Wir beschützen sie und geben ihr halt.“
Thuriel lächelte über die Zuneigung die aus ihm sprach.
>Es sind nicht alle Werwandler wie du und der Rudelführer, oder?<
Chattan schüttelte den Kopf. „Nein, nein. Das ganz bestimmt nicht. Wir sind ein kleines Dorf und unser Zusammenhalt sind größer den je, seit Thorik hier ist. Aber trotzdem hat hier jeder seinen eigenen Charakter. Das macht uns auch alle Einzigartig. Du bist wohl nicht oft unter anderen Leute.“
>Nie<
Chattan nickte.
>Ich habe bei meiner Ankunft jemanden getroffen den alle Priester nennen. Was hat es mit ihm auf sich?<
Er hob die Augenbrauen und sein Gesicht verdunkelte sich. „Wie hast du dich den in diesen Urwald verlaufen?“
>Die negative Energie von eurem Friedhof hat mich angezogen und ich habe sie Absorbiert um mich zu erfrischen. Da hat er mich erwischt.<
„Verstehe. Rouge ist nicht gerade der Typ Mensch der nett ist oder Freunde findet. Schon als Kind war er eigensinnig und wollte lieber seine Ruhe haben. Sei froh dass du nicht mit ihm aufwachsen musstest. Er ist nämlich als Waisenkind hier groß geworden. Seine Mutter und sein Vater sind hier her gekommen bevor er auf die Welt kam. Sein Vater starb an einem Hirntumor und die Mutter bei der Geburt. Die meisten sagen aus Trauer zu ihrem Mann. Sie waren Seelenverbunden, musst du wissen.“

Thuriel hatte schon gehört, dass es selten aber doch Werwandler gab, deren Seele sich so sehr ähnelte, dass sie eine Verschmelzung, ähnlich der mit der sie mit ihren Tieren leben. Man sagt auch wenn ein Partner aus dem Leben gerissen wird, verkümmert der andere, da er es nicht mehr gewohnt ist alleine zu sein und stirbt ebenfalls, meist an Depressionen. „Angeblich soll er das alles als Kind gespürt haben und sei deswegen so geworden. Aber das sind natürlich nur alles alte Geschichten. Auf alle Fälle solltest du nicht noch einmal zu seinem Revier, er wird sicher versuchen dich zu töten. Und solltest du aber ihn töten, dann wird dich das restliche Rudel angreifen. Also lass es lieber.“
Thuriel lächelte. Es war verführerisch. Frischer Tod schmeckte besonders köstlich. „Denk nicht einmal daran.“ Jetzt lächelte auch er. Jetzt verstand sie auch warum Mirana seine Gegenwart tolerierte. Chattan war ein angenehmer und kluger Zeitgenosse.

Gerade als sie das dachte, spürte sie auch schon ihre Schwester und blickte auf. „Na... Lebt ihr noch?“ Chattan kicherte. „Natürlich. Wir sind schon fast beste Freunde.“ Er zwinkerte ihr zu und sie kicherte ebenfalls. Thuriel griff wieder nach dem Geist ihrer Schwester, der bereits für sie offen stand und teilte ihr mit, dass sie nun verstand warum sie ihn gerne in ihrer Umgebung hatte.
„Danke Thuriel. Es ist wirklich nett das von dir zu hören.“ Die Schwestern nickten sich zu und Chattan blickte verwirrt zwischen ihnen hin und her. Kichernd setzte sich Mirana zwischen Thuriel und Chattan und blickte auf den Notizblock vor Thuriel. „Das ist eine echt gute Idee. Wessen war das?“ Sie deutete auf den Block und Chattan hob die Hand.
„Meine. Ich dachte, damit es zu keinen Missverständnissen mehr kommen kann, gebe ich ihr etwas was sie ja wohl darf.“ Mirana zwinkerte ihm zu.
„Deswegen mag ich dich auch. Du bist einfach so simpel.“ Chattan blickte sie gespielt empört an. „Aber hör mal! Ich bin der Bibliothekar eines sehr wichtigen und eines der größten Rudel! Pass auf wie du mit mir sprichst.“
Lachend griff sie sich auf den Bauch und plötzlich hörte man ein Knurren. „Tja... Das war es dann wohl mit dem Ausruhen. Ich gehe einmal essen. Sonst schimpft die Ärztin.“
Thuriel erhob sich ebenfalls, denn sie wollte etwas Zeit mit ihrer Schwester verbringen und Chattan folgte ihnen ebenfalls. Sie gingen nur eine Minute zu einem großen Haus, das von innen wie ein Saal aussah. Mehrere Stühle und Tische standen aufgereiht und im ganzen Raum duftete es lecker nach etwas würzigem. Wie von neuen Geistern angetrieben eilte Mirana nach vorne und Thuriel konnte ihr nur mühsam folgen. Es waren Unmengen an Werwandler die an den Tischen saßen oder standen um die Tische herum und von allen Seiten hörte man eifriges Gemurmel. Chattan lotse Thuriel zu einem freien Tisch und nahm ihr gegenüber platz. „Tut mir Leid. Ich weiß du magst Gesellschaft nicht wirklich. Wenn du magst, kann ich dir stattdessen etwas das Dorf zeigen, damit du dich nicht wieder verläufst.“
Thuriel sah ihm an, das er es aus reiner Höflichkeit anbot und lieber bei Mirana bleiben würde und winkte ab. Dann kramte sie ihren Block heraus und schrieb etwas in eine Ecke. >Es ist in Ordnung. Ich möchte in der Nähe meiner Schwester bleiben.< Chattan nickte und blickte auf als Mirana das Tablett mit Haufen von Essen abstellte. Für wen war das alles? Aßen schwangere tatsächlich so viel? Schon als sie es fertig gedacht hatte, schaufelte Mirana nicht sehr Ladyhaft etwas in den Mund und verzog genüsslich das Gesicht. „Oh, ist das gut! Das musst du kosten!“ Sie hielt Chattan einen Löffel vor den Mund der freudig den Mund öffnete.
Okay, jetzt war sich Thuriel sicher das etwas mit Mirana nicht stimmte. Sie war nicht mehr die Magierin, zu der sie ausgebildet worden war. Was war in den letzten dreihundert Jahren passiert?
„Hi, Süße. Ich habe den Käse gefunden, den du wolltest. Lass es dir schmecken und dein Mann soll dir ja nicht wieder alles Wegessen. Ich sehe alles!“ Plötzlich senkte sich etwas Trübes über Chattan und Mirana und Thuriel wünschte sich laut aufschreien zu können. Mirana dankte der Frau die sofort wieder kichernd davon eilte. Chattan blickte unsicher zwischen Mirana und Thuriel hin und her und Mirana senkte mit verlorenen Appetit den Kopf. „Thuriel... Ich... Ich wollte ja, aber...“ Turiel hob die Hand, das sie schweigen sollte. Blind vor Zorn schickte sie einen heftigen geistigen Schlag nach ihrer Schwester, die jedoch schon darauf vorbereitet war und ihn abfing. „Es tut mir leid. Bitte sei nicht böse...“ Thuriel ließ Mirana nicht ausreden, sondern sprang auf warf dabei den Stuhl um.
Du bist wirklich mit einem Tier zusammen? Bist du verrückt? Sag ja nicht das ist auch noch sein Kind? Sie sah die Bestätigung im Blick deren beiden. Du bist widerlich! Er ist nicht einmal menschlich! Igitt! Ich muss das sofort den Magiern melden, auch wenn ich mich damit selbst verrate das ich hier war. Thuriel mischte sich unter die Leute, noch bevor Chattan oder Mirana sie zurück ziehen konnte und war in nur wenige Sekunden aus der Türe. Sie brauchte dringend einen ruhigen Ort. Draußen angekommen verschmelzte sie mit dem Hausschatten und schlich durch die dicht zusammenstehenden Häuser zum anderen Ende des Dorfes. Sie fühlte das sich Mirana direkt in die entgegengesetzte Richtung bewegte, das hieß das sie genug Zeit hatte jemanden zu erreichen. Am Waldrand fiel es ihr gleich leichter sich fortzubewegen und war in Nullkommanichts wieder am Friedhof. Wie war sie denn hier her gekommen?
Sie dachte jedoch nicht viel darüber nach, sondern schlich sich durch die Gitterstäbe und materialisierte sich auf der anderen Seite wieder. Schnaufend griff sie nach ihrer Magie und sperrte sich von ihrer Schwester, die sie nun eventuell wieder spüren durfte. Thuriel eilte bis nach hinten zu den Mausoleen und stellte sich dort in den Schatten um sich vor den vorbeiziehende Augen von Wächtern zu schützen. Sie kniete sich in die kalte feuchte Erde und entzog ihr das Wasser um eine kleine Pfütze auf Augenhöhe zu bilden. Sie schickte gerade magische Energie in das Wasser, als sie einen Schatten auf sich zukommen sah. Vor Schreck ließ sie in der Konzentration nach und das Wasser spritzte am Boden zu allen Seiten.

Thuriel konnte gerade noch eine Hand hoch reißen, bevor sich auch schon spitze Zähne in ihrem Mantel verbissen. Zornig und froh über einen Kampf schlug sie nach dem Hund, der gequält aufschrie. Sie schüttelte ihn ab und vereiste einige Tropfen, die noch in der Luft waren und sie auf ihn wie kleine Hagelkörner einprasseln ließ. Sie wollte ihn nicht ernsthaft verletzen, sondern nur verjagen. Erst jetzt wo sich der Hund aufrichtete, bemerkte sie dass es überhaupt kein Hund, sondern ein Schakal war, der sich langsam nach oben Ausdehnte und eine menschliche Form annahm. Plötzlich stand ein beängstigender Halbmensch vor ihr und knurrte. Krallen wie gebogenen Dolche hielt er drohend in die Luft und Thuriel konnte sich nicht von dem Anblick der Gottheit losreißen die vor ihr stand. Halb Mensch, halb Schakal wie Anubis, nur mit einer Ausstrahlung, die ihr den Atem verschlug. Sie rappelte sich hoch und klopfte ihren Mantel ab, bevor sie trotzig und Stolz den Kopf hob.
„Habe ich nicht deutlich gemacht das du hier nicht erwünscht bist?“
Thuriel kramte den Block aus der Tasche und schrieb eilig >Ich wollte die Magier davon in Kenntnis setzen, dass eine Magierin abtrünnig geworden ist und ein Kind von einem Werwandler erwartet. Das ist meine Pflicht!<
Der Schakal knurrte und machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ist mir egal, ob Pflicht, oder nicht. Es ist doch deine Schwester, was ich so gesehen habe. Du solltest zuerst mit ihr reden, bevor du eine dumme Entscheidung triffst!“
Wer sagte denn das es eine dumme Entscheidung sei? So ein Balg durfte unter keinen Umständen geboren werden verstand er das denn nicht?
Sie wollte es gerade auf den Zettel schreiben, als er sie an der Schulter packte und in die dunkle Ecke des Mausoleums drückte. Sie wand sich in seinem eisernen Griff, doch er machte nur „Sch!“ und presste sich noch enger an sie. Auf einmal hörte sie Stimmen die sich näherten und war erstaunt, dass er sie versteckte und nicht gleich wieder zurück brachte. Warum tat er das? Sie verstand überhaupt nichts mehr, doch ließ sich von ihm verstecken. Als die Werwandler näher kamen und der immer noch halb verwandelte Priester ärgerlich nach einem Ausweg suchte, nahm sie seine Hand in ihre und sandte Magie durch seinen Körper. Langsam ließ sie sich und ihn in den Schatten der Mauer sinken und suchte die Mauer prüfend nach löchern ab. Sie fand einen winzigen Riss und schob sich mit ihm hindurch. Auf der anderen Seite angekommen materialisierte sie sich und ihn wieder und fiel schreiend in die Tiefe. Hart schlug sie mit dem Rücken auf den kalten Stiegen auf. Sie kugelten zusammen die Stiege hinunter und Rouge drückte sie an sich um sie vor dem schlimmsten zu schützen, bis sie wenige Sekunden später, die ihr wie Minuten vorkamen auf dem Boden aufkamen.

Scheiße verdammte! Thuriel bewegte jedes Körperglied ganz vorsichtig und konnte jedoch nur schwer Atmen. Sie musste sich irgendwie am Brustkorb verletzt haben, da ihr der Atem mehr und mehr aus den Lungen wich. Erst als sich der Druck auf ihren Lungen verschob, merkte sie dass es gar nicht am Sturz lag, sondern am Körper, der unangenehm auf ihr lag. Vorsichtig tastete sie danach und spürte einen festen menschlichen Körper. Sie rüttelte ihn etwas, das sie als Schulter ertastete und er ächzte.
„Ich bewege mich keinen Millimeter. Du hast mich gerade ein Mausoleum hinunter geworfen!“
Gespielt rang sie nach Atem und versuchte ihn von sich zu schieben, doch er versteifte sich und erleichterte ihr lediglich das Atmen, aber ohne sie aufstehen zu lassen. „So du wirst jetzt mit mir sprechen müssen, denn ich sehe hier unten absolut nichts und ich werde dich auch nicht in meinen Geist lassen!“ Thuriel wurde zusehends verzweifelnder und schlug mit der freien Hand nach ihm. Sie traf ihm am Auge und er fluchte, bevor er ihre freie Hand abfing und nach oben drückte. „Hör auf damit. Ich weiß dass es nur ein Geblüte ist und du noch sprechen kannst, also sag mir sofort warum du in Wirklichkeit die Magier kontaktieren wolltest, oder waren es gar nicht die Magier sondern welche von deinen Freunden die dann kommen und unser Dorf auslöschen? Sag schon verdammt!“
Sie fühlte an ihrem Arm, das sich seine Finger wieder in Klauen verwandelten und fluchte innerlich. War es etwa das was er glaubte? Das sie eine Spionin war? Das war doch lächerlich! Wie konnte sie ihm das sagen?
Verärgert versuchte sie das Tier, das diesmal ziemlich nahe unter der Haut saß, zu beeinflussen, das sie in seine Gedanken eindringen konnte, ohne ihn ernsthaft zu schädigen.
Als das Tier nur verärgert nach ihr Schnappte und der Körper auf ihr wütend knurrte, bombardierte sie ihn Geistig mit Schlägen, die ihm zum Aufschreien zwangen. „Verdammte...“ Plötzlich explodierte ein Schmerz in ihrer Wange, die ihr jegliche Sinne raubte. Er hatte sie tatsächlich geschlagen! Blind vor Zorn, griff sie nach ihrer Magie die in ihr saß und ließ ihn durch ihren Körper fließen, bis rote Flammen auf ihrer Haut erschienen und wütend nach dem Körper über ihr schnappten. Mit einen wütenden Schrei, rammte er ihr die Krallen in die Seite, bis sie etwas Warmes ihre Hüfte hinunter fließen spürte. Es war keine tiefe oder tödliche wunde, doch es jagte ihr schmerzen bei jeder Bewegung durch den Körper. Angespornt durch den Schmerz verstärkte sie die letzte magische Energie, bis sie, sie zu einer hell leuchtenden Kugel in ihrer Hand geformt hatte und sie mit dem Zeigefinger gegen seinen Kopf prallen ließ. Das Gewicht auf ihr viel von ihr und sie rollte sich weg von ihm, nur um gleich darauf gegen eine Wand zu sinken. Sie besaß nun nur mehr ein Fünkchen magischer Energie in sich, das hieß sie konnte sich nun nur mehr auf ihre gespeicherte Energie, die viel stärker war als die magische die sie noch übrig gehabt hatte, doch sie nicht so gerne einsetzte, da sie ihren Tribut forderte. Etwas weiter von sich entfernt, hörte sie den Atem des Priesters, als würde er schnuppern.
„Ich kann dich zwar nicht sehen, doch hören und riechen, du kannst mir in dem kleinen Raum nicht entkommen!“
Stimmt! Sie befanden sich ja in einem Mausoleum. Das hieß auch das hier jemand begraben war. Tatsächlich! Sie fand eine Leiche die nur mehr aus Knochen und Staub befand und schickte ihm Lebensenergie. Stöhnend hob sich das in Glas eingeschlossene Geschöpf und knackte mit leeren Augenhöhlen. Das Glas zersplitterte und Rouge knurrte freudig. „Gefunden!“ Sie fühlte wie seine Energie an ihr vorbeischlich und sich der Leiche näherte, die sofort nach ihm schlug.
Sie selbst machte sich während die beiden kämpften auf den Weg den Ausgang zu finden. Sie wusste dass sie Stiegen hinunter gefallen war, jetzt musste sie nur mehr dorthin zurück finden.
„Mist! Was ist das?“ Hörte sie hinter sich und lächelte breit, nur um im nächsten Augenblick zu stolpern. Gefunden! Wiederholte sie in Gedanken und schleppte sich die glitschigen Stiegen hinauf. Wenige Biegungen später stand sie vor einem verschlossenen Tor und fluchte. Irgendwie musste sie doch dort hindurch kommen. Außen sah sie durch einen Spalt eine Kette hängen und der Stahl war auch noch nicht so rostig, das sie ihn beeinflussen konnte. Thuriel glitt wieder in den Schatten und materialisierte sich auf der anderen Seite wieder. Triumphierend atmete sie den erdigen Geruch des Friedhofes ein. Es war schön endlich aus dem stickigen feuchten Mausoleum draußen zu sein. Doch der Triumph hielt nicht lange an, als hinter ihr etwas gegen das hölzerne Tor krachte.
Wie war er nur so schnell hier hoch gekommen? Natürlich...Er war ihrem Geruch gefolgt. So hatte er sie auch die anderen male gefunden. Innerlich fluchend, suchte sie ein Versteck, doch wusste, dass sie ihn entweder bewusstlos schlagen musste oder töten, doch das wollte sie nicht. Sie war nicht fürs Kämpfen gemacht.
Thuriel hörte wie wenige Meter hinter ihr Holz zersplitterte und ein Heulen aus dem Dunkeln heraus kam. Gelbe Augen blickten sie aus der Türöffnung heraus an. Langsam erhob sich die Gestalt, bis sie die Größe eines Erwachsenen Mannes besaß. Die Augen lösten sich wie im Zeitlupentempo aus der Finsternis der Gruft bis sie einen eigenen Körper besaß und böse knurrte. „Du hast den Frieden, eines unseren wichtigsten Rudelführer gestört! Dafür verdienst du den Tod!“ Große Schritte kamen direkt auf sie zu und sie wusste sie musste weglaufen, doch konnte sie nicht. Wie weit würde sie kommen? Sie war doch keine besonders gute Läuferin. Sie war in überhaupt nichts besonders gut, außer im negativen Energien sammeln.

Innerlich fluchend tastete sie nach der Kette um ihren Hals und bündelte die Energie die sich darin befand. Dunkle Krallen legten sich um ihren Hals bis sie keine Luft mehr bekam. Sie war zu langsam gewesen. Der schakalähnliche Gott vor ihr knurrte und schnappte neben ihrem Hals mit den Zähnen. Sie fühlte den warmen Atem an ihrer Schulter und wusste, jetzt würde er sie totbeißen. Doch das war ja gut, oder? Das war das was sie immer wollte. Ein ende dieser furchtbaren Existenz. Sie wollte nie eine Magierin so wie die anderen sein. So strikt nach Befehl handeln und niemals Gefühle haben. Darum wurde sie verbannt und musste sich mit den negativen Gefühlen am Leben erhalten. Musste in einen Slum ziehen, wo die Menschen auf ihren elendigen Tod warteten. Wo Geschwüre und Pilze ihre Heimat fanden. Diesen Geruch von verdorbenen Fleisch, Schweiß unverdautem, und Kot jeden Tag einatmen zu müssen war eine Qual gewesen.

Die Menschen hielten mit Absicht Abstand zu ihr und die Häuser in ihrer Straße waren alle unbewohnt, schon seit Jahren. Thuriel hatte diese Einsamkeit verflucht so wie genossen. Hatte ihre Diener nach Essbaren geschickt und ihr Geld durch gewissenlose Menschen erlangt. Jetzt als sie in die hellgelben Augen des Abbildes eines Gottes blickte wurde ihr Bewusst, wie sehr der Tod ihr doch immer nahe gestanden hatte. Wie sie ihn umgangen hatte und ausgetrickst. Und jetzt würde sie persönlich mit ihm in Kontakt treten. In seine tröstenden Arme sinken und langsam ihr ärmliches Leben an sich vorbeiziehen lassen, ohne jemals zurückzublicken.
Thuriels Herz raste wie nie zuvor und bereitete sich darauf vor ihren letzten Atemzug zu machen und lächelte freudig. Sie hob ihre Hände zu dem Krallen besetzten Arm an ihrem Hals der unerbittlich zudrückte und schickte ihm Energie das zu tun, was er tun musste. Plötzlich begann sich alles zu drehen und Thuriel wusste das es jetzt vorbei war. Mit ihrem letzten Atemzug flüsterte sie leise „Danke.“ Dann wurde alles Schwarz und sie fühlte nur mehr ein unangenehmes Ziehen in der Schulter bevor sie nichts mehr fühlte.

Deine Seele nach deinem Tod für meinen Körper im Leben

Mirana

 

„Nein!“ Mirana sah gerade noch, wie ihre Schwester in sich zusammen sank und der halb verwandelte Werwandler vor ihr sich in einen Menschen zurück verwandelte. Sein Gesicht hob sich Ausdruckslos. Er blickte nur zu der auf sie zu eilende Magierin und dann zu dem anderen Werwandler der ihr folgte.
Mit Tränen in den Augen ließ sie sich auf den Boden sinken und nahm das blasse Gesicht ihrer Schwester in die Arme. Unfähig ihr irgendwie zu helfen bettete sie den Kopf von Thuriel auf ihren Schoß und hörte nur am Rande ihres Bewusstseins die Streiterei, die hinter ihr begann. Das einzige das sie sah war das leichenblasse Gesicht der Person, der ihr am meisten am Herzen lag. Sah wie die Wärme langsam wich und das Würgemal an ihrem Hals immer deutlicher wurde.
Warum hatte er das getan? Warum hatte er sie so kaltherzig umgebracht? Sie war doch ein menschliches Wesen mit Gefühlen, auch wen Thuriel es nicht wirklich zeigte. Mirana hatte bei jedem Kontakt mit ihrer Seele gefühlt wie einsam und verbittert sie war. Wie sehr hasste sie sich gerade selbst, das sie niemals für ihre ältere Schwester da gewesen war. Sie verfluchte ihre Mutter, die so fehlgeleitete Gedanken verfolgt hatte. Sie hatte sogar ihre eigene Tochter verbannt! Welche Mutter tat so etwas? Der Schmerz der in ihrer Brust explodierte, schien sie zerreißen zu wollen. Die Qualen und die Verbitterung etlicher Jahre stürzten nun in wenigen Sekunden auf sie ein. Sie umfasste die Leiche ihrer Schwester die nur zu schlafen schien fester und legte sich neben sie in den Feuchten Erdboden. Irgendwo in der Ferne hinter ihr, begannen immer mehr und mehr Stimmen zu sprechen. Das Gemurmel das sie vernahm wiegte sie in ihrer Trauer. Ihr Herzschlag, der in ihr pochte wie nach einem Wettlauf, trommelte sie in eine Ruhe, die sie lockte einfach neben ihrer Schwester ebenfalls zu schlafen. Einfach die Augen zu schließen und neben ihr zu schlafen, bis der eiskalte Tod sie ebenfalls holte. Mirana griff nach der staubigen Hand ihrer Schwester und merkte nicht einmal, das jemand sie an der Schulter berührte. Erst als die Stimme neben ihr eindringlicher wurde, kam sie aus ihrer Trance und blickte in die dunkelbraunen Augen der Ärztin die ihr irgendetwas sagen wollte. „Was?“ Sie verstand nichts. Das Rauschen in ihren Ohren nahm zu bis es ein unangenehmes dröhnen war. Mirana schüttelte den Kopf und wurde plötzlich auf die Beine gezogen, weg von ihrer Schwester. Sie begann sich zu wehren, doch die Arme von Chattan hielten sie unerbittlich fest. „Mirana! Hör auf! Beruhige dich, sie lebt!“ Mirana suchte die Augen von Chattan. „Was?“
„Deine Schwester! Sie ist nicht tot! Schau!“ Er deutete hinter sie. Langsam drehte sie sich um und konnte ihren Augen nicht trauen. Tatsächlich. Etwas das wie eine schwarze Aura aussah, umhüllte die am Boden liegende Thuriel. Der Erdboden unter ihr schien sich zu bewegen, in einem Lied, das sie nicht kannte. Die Töne waren unklar und schienen keinen Sinn zu ergeben. Mühsam versuchte sie hinzuhören, doch so schnell wie das Trommeln angefangen hatte, endete es auch wieder. Plötzlich erschienen wie aus dem nichts körperlose Gestalten, die sich langsam und qualvoll materialisierten. Sie bekamen Form und Körper. Mirana erkannte sie sofort. Es waren der Diener und die Wächter von Thuriel. Der rotäugige Vampir war der erste, der in seiner ursprünglichen Form erschien, die anderen folgten ihm sofort. Sie schienen etwas zu flüstern. Plötzlich sanken sie auf die Knie und legten jeweils eine Hand nach der anderen auf den toten Körper von Thuriel. Zuerst verschwand die Spinnenwächterin zu Staub auf den Boden vor Thuriel, danach die anderen Zombies, bis nur mehr der Vampir übrig war. Eine rote Träne lief über seine Wange, bevor er aufhörte zu reden und der erste Atemzug durch Thuriels Körper strömte. Rasselnd holte sie tief Luft und füllte ihre Lungen wieder auf. Als sie die Augen öffnete waren sie ebenfalls rot wie die des Vampirs neben ihr. Thuriel hob den Arm und legte ihre Handfläche auf die Wange des Vampirs. Er lächelte sie freudig an und half ihr hoch. Thuriel blickte sich verwirrt um und erst als sie die Augen ihrer Schwester fand, legte sich ein lächeln auf ihr Gesicht. „Ich stehe dem Tod wohl zu nahe, als dass er mich in sein Reich einlassen würde.“ Sagte sie laut genug, das jeder sie hören konnte und Mirana konnte ein lautes lachen nicht mehr an sich halten. Stürmisch fiel sie ihrer Schwester um den Hals und drückte sie so fest sie konnte. „Mirana, du bringst mich gleich noch einmal um. Au! Nicht so fest!“ Trotz dem Protest ihrer Schwester hielt sie sie weiterhin fest. „Ich dachte du bist tot!“
Thuriel streichelte das Haar ihrer kleinen Schwester, das ebenso goldblond wie ihres war. „Keine Sorge, so schnell wirst du mich nicht wieder los.“
Mirana löste sich langsam von ihr und blickte ihr in die roten Augen. „Warum sind deine Augen rot?“
Thuriel blickte zu ihrem Diener der immer noch liebevoll lächelte. „Also.. das... Das ist eher eine Geschichte, die Ergos gehört und nicht mir. Wir sollten uns aber dafür setzen.“ Mirana deutete auf eine Bank die am Rande des Friedhofes stand und setzte sich mit ihrer Schwester darauf. Die versammelten Werwandler, bewegten sich wie ein Schatten mit ihnen mit. Lächelnd legte Thuriel eine Hand auf den Arm des Vampirs und man hörte nur mehr in der Ferne ein leises Knurren.
„Mirana, es tut mir Leid das ich nie da war für dich. Aber du musst verstehen, warum unsere Mutter das tat was sie tat. Ich war von ihrem Zauber genauso fehlgeleitet wie du selbst. Dank meinen kurzen Tod, weiß ich jetzt wieder warum ich verbannt worden bin. Ich bin nur zur Hälfte eine Magierin. Meine Mutter hat vor einigen Jahrhunderten das selbe getan wie du. Sie hat sich mit einem Mann eingelassen, der kein Magier war und damals gab es aber noch so wenige Magier, das beschlossen wurde, dass ich bleiben darf. Sie unterdrückten meinen Charakter und lehrten mich in die Gabe der Magie. Als sie dich bekam, erfuhr ich das ich auch noch eine andere Art in mir trug. Einen Segen und einen Fluch zugleich. Als ich das erfuhr, blockierten sie meine Erinnerungen und deswegen war ich Geistig etwas verwirrter, da sie mein zentrales Nervensystem dadurch durcheinander gebracht hatten. Als sie mich als verrückt abstempeln konnten, wurde ich ungewollt zu einem Hexenmeister. Sie hatten zwar meine Magie bis auf einen winzigen Rest blockiert, doch der winzige Rest von dem sie nichts wussten, hielt mich am Leben, verdammte mich aber dazu mich zu nähren. So wie Vampire sich von Blut nähren, nähre ich mich von Energie und kann sie kontrollieren. Daher... Möchte ich dir meinen Vater vorstellen. Ergos.“ Mirana viel der Unterkiefer nach unten und hinter ihnen erhob sich ein Stimmengewirr.
Sie blickte zwischen dem gleichaltrigen Diener und Thuriel hin und her. „Er fand mich da der Zauber, mit dem meine Mutter meinen zweiten Geist blockiert hatte, ihn anlockte. Er fand mich und erkannte mich sofort als seine Tochter wieder. Das können alle Vampire. Sie finden ihren Nachwuchs, selbst wenn er am anderen Ende der Welt lebt.
Als unsere Mutter das erfuhr, kam sie mit etlichen Magiern. Du kennst ja die Magier. Sie durften mich vom Gesetz her nicht töten, doch sie wollten auch nicht riskieren, dass andere von dieser Schande erfuhren. Sie manipulierten unseren Geist und seit dem... war er mein Diener. Zumindest dachten wir beide das.
Bis gerade als ich starb. Da zersprangen sämtliche Banne die Mutter so lange gewoben hatte. Ergos kam mit meinen Wächter durch einen Bindezauber, an dem sie an mich gefestigt waren und gab mir ihre Energie, damit ich leben konnte. Doch das beste daran ist... Ich habe wieder mein ganzes Wissen zusammen und bin stärker den je. Jetzt kann sie mich niemals mehr beeinflussen.“
Mirana hatte ihrer Schwester gelauscht und konnte es gar nicht fassen, wie korrupt ihre Mutter war.
„Da tauchen wohl immer mehr Geheimnisse auf.“ Thorik stand am Kopf der kleinen Gruppe die neben ihnen neugierig lauschten.
Thuriel nickte und erhob sich. Plötzlich verbeugte sie sich vor dem Rudelführer und er lächelte zufrieden. „Ich will hiermit verkünden, dass ich keinerlei Groll gegen dein Rudel hege. Ich möchte mich demütig unterwerfen und meine Dienste Anbieten.“ Sie richtete sich wieder auf und sah die spitzen Zähne von Thorik aufblitzen.
„Eine Magierin, eine Hexenmeisterin und gleichzeitig einen Vampir im Rudel? Davor war noch ein Engel hier und wird zurückkehren... Ich glaube bald brauchen wir ein größeres Dorf.“
Die Werwandler lachten alle hinter ihm laut auf und Chattan sank neben Mirana auf die Knie um ihre Hand zu küssen.

 

 

Thuriel

 

Thuriel blickte sich auf dem verwüsteten Friedhof um. Die Werwandler hießen sie Willkommen, bis auf einen. Er stand immer noch abseits und fixierte sie mit einem hasserfüllten Blick.
Langsam und mit ausdruckslosem Gesicht ging sie auf ihn zu bis sie nur mehr wenige Zentimeter voneinander trennten. „Du hast mich getötet!“ Sie sagte es tonlos.
Er nickte lediglich, doch hielt ihrem Blick stand.
„Du hast eine Gruft entehrt!“ Sie fühlte den Zorn den er ausstrahlte und wusste jetzt warum sie es davor nie fühlen konnte. Er war selbst nur zur Hälfte ein Werwandler. Deswegen hielt er sich auch von den anderen fern.
Vorsichtig tastete sie nach dem Geist von Rouge, der innerlich tobte vor Zorn. Thuriel schwebte auf ihn zu, bis sie nur mehr wenige Millimeter von seinem Gesicht entfernt war und nicht einmal jetzt wich er zurück. Sie legte ihm die Hände auf die Schultern und beugte sich zu seinem Ohr vor. Dort flüsterte sie so leise, sein Geheimnis, das niemand außer er es hören konnte. „Du bist ein Halbgott...“ Wie zur Bestätigung knurrte er, doch rührte sich keinen Millimeter.
„Wirst du es jemanden sagen?“ Knurrte er leise und sie lehnte sich wieder zurück.
„Dafür gehört deine Seele und dein Körper nach dem Tod mir!“ Er blinzelte und sie dachte schon, er würde sie gleich wieder töten. Eine halbgöttische Seele war unvorstellbar stark und von so viel Energie erfüllt, dass sie sich jahrelang davon nähren könnte.
Doch er blieb still. Für die anderen sah es wohl so aus, als würde sie seine Seele dafür kaufen, das er sie getötet hatte und darum sprang keiner ein. Es war ihr gutes Recht. Langsam fuhr sie mit dem Daumen seine fleißig pulsierende Halsschlagader nach und merkte wie sie sich beschleunigte. „Kein Sorge. Deine Lebenslinie ist noch lange genug, doch nicht mehr so lange, als das ich es verpassen würde, wenn du stirbst. Bereite dich lieber darauf vor.“
Seine zorniger Blick wurde weicher, beinahe flehend. Thuriel wandte sich ab und fühlte sich plötzlich innerlich leer. Sie brauchte dringend etwas zu essen. Sie griff auf die immer noch intakten Steine an ihrem Hals und zog ihnen Energie ab, bis sie satt war.
„Thuriel... Ich muss dir auch noch etwas sagen.“ Sie wandte sich wieder an Rouge, der plötzlich ganz nahe bei ihr stand.
„Bevor dein Herz aufgab... Habe ich dich aus Versehen markiert...“ Was meinte er denn damit?
Sie fühlte seine Hand an ihrer Schulter, die ihr plötzlich unglaublich leicht vor kam und zog den Saum ihres Mantels zurück, bis man ihre nackte Schulter sah. Thuriel schielte dorthin und sah einen roten Abdruck, als hätte sie jemand gebissen, doch ohne ihr ernsthaft weh zu tun.
„Warum hast du das getan?“
Er hob die Schultern und blickte wie hypnotisiert auf ihre Schulter. Beschämt schob sie ihren Mantel zurück. Warum musste er sie ausgerechnet hier vor allen so entblößen? Obwohl es ja sein Recht war. Sie hatte seine Gruft entehrt und dafür hatte er sie getötet. Dafür das er sie getötet hatte, hatte sie seine Seele für sich beansprucht für den Tod, und er ihren Körper für das Leben. Etwas lief hier gewaltig schief.
Thorik kam zu ihnen und lächelte noch breiter als zuvor. „Also wenn das nicht einmal eine Liebesverbindung ist.“
Beide warfen sie ihm gleichzeitig einen bösen Blick zu, doch er kicherte nur. „Das war ein Scherz. Ich meinte ja nur, das ich weiß wie stark dieser Drang werden kann, wenn man jemanden gefunden hat, der... Ist egal, ihr werdet es noch selbst merken wie verbunden ihr seid. Auf alle Fälle möchte ich nur sagen, das wir langsam einmal zurückgehen sollten und den anderen alles erklären. Priester... du tu das was du immer tust. Komm wir gehen langsam.“ Thuriel warf Rouge einen letzten bösen Blick zu und folgte dem Rudelführer zurück ins Dorf. Aus Gewohnheit zog sie ihre Kapuze wieder über den Kopf und fluchte, als etwas Erde über ihren Kopf bröselte. Mirana kam zu ihr und half ihr die Erde aus den Haaren zu bekommen, woraufhin sie Thuriel die ganze Zeit wissend anlächelte.
Auf dem Weg zurück unterhielten sich alle lautstark über die neuesten Entwicklungen. Thorik unterhielt sich mit Ergos und sie lachten freundschaftlich. Mirana ließ sich von Chattan in den Arm nehmen und lehnte sich seufzend an ihn. Thuriel selbst betrachtete die allesamt hochgewachsenen und gleich trainierten Männer an. Wenn die Männer hier schon so gut aussahen, wie waren dann die Frauen? Ob sie ebenfalls beim Schutz des Dorfes und beim Kämpfen teilnahmen? Soviel sie selbst wusste, bekamen sie in Kindheitstagen die selbe Grundausbildung und später durften sie sich ihre Wege die sie beschreiten wollten selbst aussuchen.
Thuriel dachte traurig an ihre Ausbildung zurück. Sie hatte nie Freunde besessen, oder auch nur daran gedacht mehr als das nötigste mit den anderen Magier zu sprechen. Was hätte sie ihnen den auch sagen sollen? So etwas wie Gefühle war gänzlich ausgeschlossen bei den Magier. Nicht einmal zum Kinder zeugen, brauchte man einen zweiten. Alle drei Jahre gaben die Männer eine kleine Dose mit Sperma ab und die wurde dann von einer gelernten ärztlichen Organisation betreut. Wenn sich die Frauen stark genug fühlten und reif genug um ein Kind zu erziehen, wurden die magischen Komponenten verglichen und somit die Kraft der Magier bei jedem Kind immer mehr gesteigert. So wurde auch garantiert, dass es in keinem Magiegebiet zu wenige gab.
Sie wurde aus ihren trüben Gedanken gerissen, als sich ein Werwandler neben sie gesellte und sich ihren eher langsameren Schritten anpasste. Ihr war gar nicht bewusst gewesen, dass sie zurückfiel.
„Und wie fühlst du dich, nachdem du wieder auferstanden bist?“ Der ihr unbekannte lächelte sie höflich an, was sie wunderte. Niemand lächelte sie jemals an. Normalerweise sah oder sprach sie auch niemand an. Verlegen über ihre Unfähigkeit, zog sie ihren Kopf unter der Kapuze zurück und dachte sorgfältig darüber nach was sie jetzt sagen sollte. Am besten wäre es, wenn sie so viel Abstand von den anderen hielt wie sie nur konnte. Auch wenn der Rudelführer sie in der Nähe tolerierte, sollte sie keine Bindungen eingehen, da sie ja doch alle überleben würde.
„Solltest du es einmal selbst herausfinden, dann lass es mich wissen. Verrate mir deinen Namen und ich verspreche dir, mich in einigen Jahren zu erinnern und dich es fühlen zu lassen wie es ist, wenn dir deine Seele aus dem Körper gezogen wird und im nächsten Moment mit aller Kraft in deinen Körper zurück fällt, als würdest du gerade von einer mehrere Meter hohen Klippe springen, aufkommen, dir alles brechen und weitergehen als wäre nichts passiert.“

Der Junge Werwandler schluckte hörbar und die Männer vor ihnen fingen lautstark zu lachen an.
Es war ihr zwar nicht genauso vorgekommen, doch das Loslassen von ihrem Körper war ihr wesentlich leichter gefallen, als wieder nach ein paar Minuten zu Atmen anzufangen. Der Werwandler neben ihr kratzte sich unsicher am Kopf und warf ihr dann wieder ein freundliches Lächeln zu.
„Okay, auf diese Erfahrung verzichte ich. Aber danke für das lebhafte Bild!“ Thuriel nickte und blickte wieder auf den Boden. Der Werwandler neben ihr jedoch blieb trotzdem in ihrem Tempo bis sie das Dorf erreichten.
Chattan wies ihr ein Zimmer zu in einem kleinen Wohnblock, wo unverheiratete lebten sowie eine Großfamilie, die dort Unterstützung suchte, soviel sie mitbekommen hatte und machte es sich erst einmal gemütlich. Wenn sie hier bliebe, würde sie die stark ausgeprägte Energie am Friedhof anzapfen müssen. Und das bedeutete für sie einmal bis zweimal die Woche dort nach hinten zu gehen und auf Rouge treffen zu müssen. Er würde es als Halbgottheit bestimmt nicht verstehen, das sie die Energien dort absorbierte, auch wenn es dem Erdboden lediglich gut tat, wenn sie ihm etwas Negatives entzog. Dann würden die Blumen und Bäume kräftiger den je wachsen. Geistesabwesend strich sie über das Bissmal und überlegte was sie darüber gelesen hatte. Thuriel wusste noch, das dieses Zeichen für so ziemliche jede Menschenart zu sehen war und sollte jedem männliche Wesen sofort sagen, dass diese Person schon jemanden gehörte. Das selbe funktionierte auch in die andere Richtung, doch Thuriel sah keinen Grund dem Halbgott mit so einem Zeichen zu versehen. Der Stempel, der auf seiner Seele lag, würde ihr sagen, wenn er starb. Dann würde das Mal verblassen und sie konnte sich seines Körpers bedienen, so wie sie es schon bei vielen anderen getan hatte.
Plötzlich fiel ihr ein, das sie ja gar keine Wächter mehr besaß und dringend wieder welche brauchen könnte. Jedoch musste sie zuvor etwas zur Kassa beisteuern. Das hieß wiederum sie bräuchte ihre Sachen, die sie wieder mühsam hierher schleppen musste.
Thuriel rieb sich den Kopf und entschied das alles morgen zu erledigen. Heute war es viel zu anstrengend und ihre wenigen körperlichen Kräfte waren beinahe erschöpft.
Ein sanftes Klopfen, das sie bereits kannte ertönte an der Türe, vor der sie immer noch stand. Mit einer Handbewegung war die Türe offen und ihr Vater stand davor. Seine rot glühenden Augen musterten sie streng, bevor er sie in den Arm nahm. „Liebling du solltest dich etwas ausruhen. Du siehst aus als wärst du von den Toten auferstanden.“ Witzelte er und Thuriel lachte innerlich. Äußerlich lachen konnte sie überhaupt nicht mehr. Wusste sie denn überhaupt wie sich das anhörte? Wie ihre eigene Stimme klang?
Sie hatte zwar schon mehrmals heute gesprochen, doch der helle Klang beunruhigte sie noch immer. Es war als würde sie die Stimme einer Kindheitsfreundin und nicht ihre eigene hören.
"Du hast recht. Ich werde noch duschen und mich dann niederlegen." Eros nickte ihr zu und sie ging ins Badezimmer. Es war viel größer als das was sie hatte und sie musste nicht erst zehn Minuten warten, bis das Wasser endlich klar wurde.
Sie perlte ihre Kleidung ab, wie eine zweite Haut und genoss das heiße Wasser auf ihrem Körper, das sie bis in die Knochen erwärmte.
Als der ganze Raum voller Dampf war, setzte sie sich am Boden und ließ das Wasser nur mehr ganz leicht über sich rinnen, damit sie sich konzentrieren konnte. Vorsichtig weitete sie ihren Geist durch den Nebelschleier, immer weiter hinaus, bis sie das ganze Wohnhaus sehen konnte. Mehrere Werwandler, teils verwandelt, teils menschlich, tummelten sich hier. Doch keiner von ihnen schien sich großartig Sorgen um den unbekannten Geist zu machen. Als sie sicher war das keiner der Tierwesen sie angriff, weitete sie ihren Geist über das Dorf aus um sich einen Überblick zu schaffen, wie viele Leute es gab, wie sie hießen und welchen Aufgabenbereich sie hatten. Sie erblickte die sehr gut versteckten Werwandler, die das Dorf vor Eindringlingen bewachten, zwei Köche die wieder eine Gruppe von Werwandler verköstigten, einen Rudelführer, der stark nach Verzweiflung schmeckte, und mehrere schwangere Werwandlerinen. Manche von ihnen darüber deprimiert, doch die meisten glücklich. Plötzlich erschien am Rande ihres Geistes noch ein Werwandler, der aggressiver schien als die anderen und sofort nach ihrem Geist schnappte. Sie zog sich von diesem zurück und folgte ihm mit Abstand durch das Chaos von Werwandler. Er stoppte beim Rudelführer und nach mehreren Minuten, war die Spannung dort drinnen so stark, dass Thuriel sie selbst von mehreren hundert Metern Entfernung beziehen konnte. Vorsichtig entzog sie die Energie, damit sich die Werwandler nicht gegenseitig an den Hals sprangen.
Als sie dachte, das die Situation ruhiger wurde, zog sie sich zurück und stieg aus der mittlerweile kalten Dusche. Nur in ein flauschiges Handtuch eingewickelt und immer noch triefend nass, schwebte sie, damit sie nicht ausrutschte, in das Schlafzimmer, in der Hoffnung es würde sich dort Ersatzkleidung befinden.
Tatsächlich hatte Ergos dort einen kleinen Koffer abgestellt in dem sich Sachen von ihr selbst befanden. Lächelnd packte sie die schwarzen Sachen aus und breitete sie auf dem Bett aus. Leider hatte er ihr kein Nachtgewand mitgenommen, das sie so gerne trug, doch dafür einen Morgenmantel aus Satin, den sie statt des Handtuches anzog. Bis sie etwas anderes fand, musste der Mantel reichen.
Bevor sie alles weggepackt hatte, klopfte es so laut an der Türe, das sie schon dachte sie würde gleich in zwei Teile brechen. Gähnend öffnete sie die Eingangstüre und blickte wieder in zwei grüne Augen.
„Verfolgst du mich etwa?“ Murmelte sie und fühlte sich plötzlich ganz müde. Ihre Energie war das einzige was sie wach hielt. Sie musste dringend ins Bett, sonst würde sie hier am Boden zusammenbrechen und einfach durchschlafen, bis ihr Körper sich erholt hatte.
„Ich wünschte ich könnte dir einfach aus dem Weg gehen, doch du hast mich bei einer Diskussion mit dem Rudelführer gestört. Was sollte das?“
Von was redete er? Verwirrt erinnerte sie sich an die Energie die sie aufgelöst hatte, die im Büro entstanden war. „Ach, das warst du... Ich habe nur versucht den Rudelführer vor einer Bedrohung zu schützen. Verzeih, wenn ich dich gestört habe. Aber ich muss jetzt ins Bett.“ Sie wollte die Türe schließen, doch taumelte sofort einige Schritte zurück, da Rouge die Türe mit Schwung aufriss.
„Verdammt noch einmal. Was soll das?“ Rouge blickte sich schnell im Raum und verzog das Gesicht.
„Ich will meine Seele zurück und werde nicht verschwinden, bevor du sie mir zurück gibst.“
Thuriel taumelte zu einem Stuhl und lehnte sich daran. „Nein, es gibt kein Rückgaberecht. Außerdem hast du mich mutwillig getötet, da ist das nur gerecht.“
Plötzlich spürte sie ihn so nahe neben sich, dass es sie fröstelte. „Wenn ich dich jetzt töte, dann ist meine Seele genauso wieder frei. Also sag mir was mich davon abhält?“
Thuriel lächelte, da er sie nicht mehr töten konnte. Sie schob den Saum des Morgenmantel auf der Schulter zurück und strich mit einem Finger darüber. „Deswegen. Du beschützt mich vor dir selbst und nicht nur vor anderen Männern.“

Plötzlich packte sie eine Hand unter dem Kinn und zwang sie dazu ihm in die Augen zu sehen. „Von wegen. Das Mal bindet dich an mich. Das heißt, dass du mir gehörst und dich niemand außer mir anfassen darf. Wenn du mich nicht bald freigibst, dann werde ich garantiert Handgreiflich!“ Das letzte war ein knurren, das direkt vor ihrem Gesicht vibrierte und ihr sämtliche Härchen aufstellte. Trotzdem funkelte sie ihn nur wütend an.
„Hättest du nicht meinen Körper an dich gebunden, dann hätte ich nicht deine Seele ebenso an mich gebunden.“ Unbändige Wut schlug ihr ins Gesicht und schien ihr neue Energie zu geben.
„Aber du wusstest ja nicht einmal, das ich deinen Körper markiert habe!“ Entgegnete er.
„Und du wusstest nicht das ich es überleben würde. Aber ich... seltsamerweise, bin ich dir sogar dankbar. Ich bin nun stärker den je und von sämtlichen Bannen befreit. Ich kann nun tun und lassen wie ich will.“ Thuriel bündelte Energie in ihrer Handfläche und stieß diese mit voller Kraft gegen seinen Brustkorb und dadurch hindurch.

Hustend ließ er von ihr ab. Ihre geistige Hand steckte in seinem Brustkorb, während ihre physische Hand nur auf seinem Brustkorb ruhte. Unter Schmerzen stöhnend krümmte er sich zusammen und sank langsam auf den Boden. „Wie du siehst, kann ich mit deiner Seele machen was ich möchte. Sie gehört selbst jetzt schon mir!“ Es erstaunte sie zwar mindestens so wie ihn, doch wollte sie ihm eine Lektion erteilen, damit er sie für ihr restliches Leben in Ruhe ließ. Vorsichtig bewegte sie ihre Hand ein bisschen und sah, wie er am Rande zur Bewusstlosigkeit wankte.
„Mein kleiner kläffender Hund. Wenn ich wollte, könnte ich dir deine Seele jetzt schon aus dem Leib reißen, damit du weißt wie sich der Tod anfühlt von dem du abstammst. Nicht nur Anubis bestimmt über Leben und Tod.“ Vorsichtig ließ sie los und zog ihre Hand zurück. Er fiel erschöpft nach vorne und sie fing ihn auf den Knien auf. Sorgsam bettete sie seinen Kopf auf ihrer Schulter und streichelte seine Haare. „Ich denke du solltest dich ebenfalls ausruhen gehen kleiner Halbgott, sonst könnte ich noch auf den Geschmack kommen und dich zu meinem ersten Untoten Wächter machen. Welche süße Kraft wohl in dir schlummert?“
Mühsam lehnte Rouge sich zurück und blickte sie zornig an. „Jetzt weiß ich wenigstens was mein Tier in dir gesehen hat. Du bist wohl doch auch mehr wie ich anstatt so wie die anderen Magier.“
Thuriel lächelte und hob die Hand um seine Wange zu streicheln, ließ aber davon ab und fuhr mit einem Finger über seine Unterlippe. Sofort schnappte er danach und fing ihren Zeigefinger mit den Zähnen ein. Wieder ging ein Knurren durch seinen Körper und vibrierte dieses mal auch in ihrem Unterarm.
„Vielleicht hast du recht und wir sind uns ähnlicher als wir wahr haben wollen. Jedoch würde unsere Ähnlichkeit uns nur gegenseitig zerstören, bevor wir anfangen uns zu verstehen.“
„Ich verstehe recht schnell...“ Rouge ließ ihren Finger los und sie betrachtete die gerötete Stelle die sich wie ein Ring um ihren Finger zog.
„Du verstehst vielleicht schnell etwas von tatschen wie das was in den Büchern steht. Doch wie willst du jemals einen anderen Menschen verstehen, wenn du dich doch nur von ihnen abwendest?“
„Manche Sachen muss man nicht verstehen, sondern einfach tun und genießen.“
Thuriel blickte überrascht auf. „Genießt du es etwa alleine zu sein?“ Sein Blick war diesmal undurchdringbar. Sie beobachtete ihn wie er sich aufrichtete und zur Türe wandte.
Thuriel saß auf dem kalten Boden und sah ihm nach wie er weniger geschmeidig als sonst zur Türe ging und dahinter verschwand.
Er hatte ihr nicht geantwortet, was wohl Antwort genug war. Wieder betrachtete sie die verblassenden Abdrücke auf ihrem Zeigefinger und stöhnte laut auf, als sie die Müdigkeit beinahe übermannte. Sie hatte sich heute mächtig übernommen und nun forderte ihr Körper diesen Tribut. An der Wand zog sie sich zurück ins Schlafzimmer, wo sie sich einfach ins Bett fallen ließ und auf der Stelle einschlief.
Nach mehreren Traumlosen Stunden erwachte sie in einem zerknüllten Bett und streckte ihre steifen Glieder. Sie war so unangenehm gelegen, dass ihr alles Taub geworden war.
Seufzend ließ sie sich aus dem Bett gleiten und versuchte das Gleichgewicht zu halten. Erst nachdem sie sich angezogen hatte, schaffte sie es sich wieder normal zu bewegen und lächelte darüber. Der Tod war wohl doch nicht so leicht zu überwinden. Dachte sie spöttisch über sich selbst.
Mit knurrenden Magen schloss sie dir Eingangstüre und überlegte wo sie wohl jetzt am besten hin ging. Sie entschloss sich ihre Schwester zu suchen und folgte der dünnen magischen Spur die sie beide verband. Sie befand sich anscheinend gerade in der Bibliothek und schien aufgeregt zu sein. Klopfend trat sie ein und blickte sich um. Ihre Verbindung sagte ihr, dass sie hier war, doch finden konnte sie, sie nicht. Erst ein Gekicher von oben, ließ sie erahnen wo man sie fand. „Mirana?“
„Thuriel!“ Mirana winkte von den Balken und schwebte hinunter. „Na du Schlafmütze! Gut geschlafen?“
Thuriel nickte, auch wenn es gelogen war. „Nachdem mein nächtlicher Besucher endlich weg war... eigentlich besser als gedacht. Mir tat bis vor ein paar Minuten noch alles weh, doch jetzt geht es.“
Mirana griff nach einem Keks, von denen auf jeden Tisch einige standen und blickte Thuriel überrascht an. „Nächtlicher Besucher? Jetzt schon?“
Thuriel verdrehte die Augen und kicherte wie ihre Schwester. „Nicht das was du denkst. Euer Priester war noch auf einen Sprung bei mir um sich seine Seele zurückzuholen.“
Mirana zog lächelnd die Brauen hoch. „Das ist doch lächerlich. Wenn du sie einmal markiert hast, kannst du sie nicht zurück geben. Dafür müsste er ewig Leben.“ Thuriel versuchte sich zu verkneifen, dass das mit dem ewigen Leben bei ihm nicht so weit hergeholt war, sondern vertiefte lieber das Thema mit der Seele.
„Das sagte ich ihm auch, doch er wollte mir nicht glauben. Witziger weise, kann er mir nicht körperlich Schaden, da er mich mit seinem Mal beschützt. Und noch dazu kommt, das ich mir sogar seine Seele jetzt schon holen könnte. Anscheinend sitzt sie bei ihm locker, oder so etwas...“
Mirana wechselte einen bedeuteten Blick mit Chattan, der sich um wandte und etwas in den Bücherregalen suchte.
„Wie meinst du, das seine Seele locker sitzt?“
Thuriel schilderte ihr von der außergewöhnlichen Situation, als sie durch den Körper von Rouge greifen konnte, die sichtlich nervös reagierte.
„So etwas ist selten. Das heißt wohl, das Tier und Mensch in dem Körper nicht im Einklang sind. Das würde seine Aggressiven... Momente erklären.“
Thuriel lächelte über die gut bedachte Aussage. „Du meinst so etwas wie Schizophrenie?“ Mirana nickte und nahm das aufgeschlagene Buch von Chattan entgegen. „Ja.. Hier steht es. >Wenn Mensch und Tier im Körper eines Werwandler nicht im Einklang stehen, kann es zu Schizophrenie, Aggressionsanfällen, Selbstmordgedanken, sowie zum altbekannten einsamen Wolf kommen<. Hier steht auch noch dass viele Junge Werwandler ab der Geschlechtsreife diese Symptome aufweisen, doch lediglich Hormonell bedingt sind. Behandelbar sind sie mit Kräutern oder in extremen Fällen mit einer Dampfkur, vielen Gesprächen und viel Zuwendung der Familie. Tja... Nichts das wir nicht schon wüssten und wofür er nicht schon ein bisschen zu alt wäre.“
Chattan beugte sich über ihre Schulter und las im Buch mit. „Aber Rouge wies diese Symptome schon bei seiner Geburt auf. Er biss ständig alle und man konnte ihn nur mit Handschuhen anfassen, soviel ich weiß. Sofort nach seiner Volljährigkeit, war er dann auch schon hinten bei der Kapelle verschwunden und ließ sich als Priester ausbilden.
Niemanden hier hat es gestört und er hatte auch nicht wirklich Freunde die ihm nachweinten.“
Mirana schlug ihm halbherzig auf den Brustkorb. „Das ist gemein! Sag so etwas nicht! Was ist mit seinen Eltern?“
„Sein Vater starb noch vor seiner Geburt und seine Mutter angeblich bei der Geburt an gebrochenen Herzen. Sie waren Seelenverbunden musst du wissen. Viele meinen, dass er diesen Schmerz vielleicht übernommen hat und es zwar weiß aber nicht daran vorbeikommt.“
Thuriel schnalzte abwertend mit der Zunge. „Ach von wegen. Das ist albernes romantisches gewäsch von Teenager und verbitterten Frauen. Ich kann mir schon denken, das seine Verbitterung an seiner Herkunft liegt. Was waren seine Eltern für Werwandler?“
Chattan dachte nach und zählte ein paar Arten auf die es gewesen sein könnten. „Ich weiß aber bestimmt das die Mutter eine Löwin war. Der Vater könnte ich nur raten, doch ich glaube er war ein Schakal, sonst wäre Rouge ja keiner.“
Thuriel zog vielsagend die Brauen hoch.
„Thuriel! Du weißt doch etwas was wir nicht wissen!“
Sie seufzte und winkte ab. „Selbst wenn, würde ich es nicht sagen. Ich bin genauso an die Instandhaltung meiner Seele gebunden wie er daran, dass er sie mir übergeben muss wenn es soweit ist.“
Mirana seufzte und ließ sich auf einen Stuhl sinken. „Puh, der Tritt aber heute...“ Thuriel und Chattan eilten gleichzeitig an die Seite von Mirana und sprachen tröstend auf sie ein. Thuriel erforschte noch einmal den Geist des Kindes und konnte es immer noch nur als weiblich einschätzen. „Warum denkt ihr das es ein Junge wird? Habt ihr etwa schon etwas gesehen beim Ultraschall? Ich sehe immer noch das es ein Mädchen ist.“
Chattan warf seiner Frau einen bittenden Blick zu und sie nickte seufzend. „Ja okay... Thuriel ich muss jetzt sowieso gleich zum Ultraschall. Möchtest du mit und mit eigenen Augen sehen warum ich mir so sicher bin?“
Thuriel nickte und so begaben sie sich zu einem langen Haus am Rande des Dorfes. Darin befand sich eine Frau, die sie schon beim Aufwachen nach ihrem Tode gesehen hatte, doch dann einfach verschwunden war.
„Heute seit ihr ja früh dran, es ist noch nicht einmal Mittag!“ Die Ärztin umarmte Mirana freundschaftlich und Mirana legte sich auf einen Untersuchungstisch.
„Na meine Liebe! Wie geht es dir? Alles in Ordnung?“ Thuriel nickte höflich. „Ja, mein Schlaf war nach alldem sehr erholsam!“ Die Ärztin lachte und schaltete das Gerät ein. „Und was sagt der kleine Bengel?“
„Heute ist er sehr aktiv. Chattan und ich haben beschlossen Thuriel auch endlich einzuweihen. Sie denkt immer noch das es ein Mädchen wäre.“
Die Ärztin verdrehte die Augen. „Nun, ja so falsch kann sie ja nicht mit ihrer Theorie liegen, oder? Immerhin gab es nur einen bis jetzt.“
Thuriel blickte irritiert hin und her. Was meinten sie?
„Thuriel, tu mir den Gefallen und fange nicht anzuschreien. Unsere Ärztin ist beim ersten Anblick von meinem Kind beinahe an die Decke gegangen.“
So hässlich oder entstellt konnte es doch gar nicht sein oder? Thuriel beobachtete am Bildschirm wie sie durch die Bauchdecke hindurch die Plazenta abmesste und dann weiter hinauf wanderte. Überrascht klappte ihr der Mund hinunter, als sie den langen Schwanz erblickte, der um das schuppige Kind gewickelt war. Erst als die Ärztin mit dem Ultraschallkopf bei der Schnauze des Ungeborenen ankam, konnte Thuriel wieder Atmen. „Ist das... Ist es das, was ich denke, das es ist?“
Mirana nickte und streckte ihre Hand nach ihrer Schwester aus. „Ja. Es ist ein nach langer Zeit erstgeborener Drache. Wir denken das es wieder ein Drachenkönig ist, da der alte ja getötet wurde und alle seine Nachkommen mit ihm.
„Aber es gibt doch noch einen letzten Drachen, auch wenn er besessen ist? Außer... Hast du etwa mit ihm geschlafen?“
Mirana tat vor sich zu übergeben bevor sie Antwortete. „Was du denkst! Nein! Natürlich nicht. Ich hatte sein zweihundert Jahren erst wieder etwas mit Chattan. Er ist der Vater.“
Thuriel blickte in die Aura des Werwandlers, doch konnte keinen Zweifel erkennen. „Aber wieso trägst du dann einen Drachen unter deinem Herzen?“
„Kennst du noch die Theorie von der Abstammung der Magier. Die welche sie kleinen Kindern erzählen?“
Thuriel stieß pfeifend den Atem aus. „Also ist es wahr! Wissen das die Historiker? Natürlich wissen sie es nicht, sonst wärst du bereits in einem Untersuchungslabor!“ Thuriel ging aufgeregt auf und ab und betrachtete das Standbild. Es war faszinierend zu wissen, dass sie als Magier die Genträger für so besondere Lebewesen waren, doch selbst niemals diese Macht und Größe erreichen konnten.
„Aber das erklärt immer noch nicht warum ihr denkt das es ein Drachenkönig ist. Es könnte ebenso eine Königin sein, immerhin war der letzte Drachenkönig auch der Urdrache! Wer sagt, das es nicht auch eine Königin geben kann?“
Mirana wirkte nicht wirklich überzeugt. „Ach, bitte! Wie altmodisch seit ihr denn?“ Meinte Thuriel abschätzend.
„Wir leben schon seit Jahrhunderten nicht mehr in der Zeit der Pest und Seuchen! Frauen sind mittlerweile gleichberechtigt, auch wenn sie es meist schwerer haben.“
Mirana kicherte. „Ich weiß, du hast ja recht. Es wird ohnehin alles herauskommen, wenn es auf der Welt ist. Davor können wir ohne die Magier so wie so nur Vermutungen anstellen.“
Thuriel dachte darüber nach. Warum borgten sie sich nicht einfach etwas von den Magier?

Rache

Wenige Stunden später breiteten sie ihren Plan vor dem Rudelführer Thorik aus. „Was? Jetzt kurz vor einem tobenden Krieg, wollt ihr euch mit den Magier zerstreiten? Sie sind wichtige Verbündete in diesem Kampf! Wir können es uns nicht leisten sie zu verärgern!“ Thorik war wie von ihnen Angenommen überhaupt nicht geneigt dazu, sie ihre Pläne umsetzen zu lassen.
Chattan mischte sich endlich ein. „Aber wenn wir sagen, das wir aus dem Rudel ausgeschlossen wurden und erst am Kampfplatz wieder zu euch stoßen?“
Thorik hob abwehrend die Hand. „Nein! Nicht um das Kindeswohl und nicht um den Verlust von meinen Mitglieder! Ich verbiete es als euer Rudelführer.“
Mirana und Thuriel waren am Rückweg am Boden zerstört. Wie konnte er es nur ausschließen wichtige Bücher, Aufzeichnungen und ein magisches Gerät zur Bestimmung verschiedener Gegenstände zu borgen? Es würde den Magier nicht wirklich weh tun, außer sie stellten sich ihnen in den Weg.
„Aber... Wir könnten endlich bestimmen wann das Kind auf die Welt kommt und ich hätte mehr Chancen zu überleben.“
Selbst nach mehreren Stunden, konnten sie Thorik nicht davon überzeugen. Selbst Chattan war aus Frust schon halb verwandelt auf Thorik los gegangen und Thuriel hatte mit Mühe und Not die aggressive Energie abgezogen.
„Okay, jetzt reicht es. Ich denke wir verstehen alle warum Thorik so handelt und müssen das Respektieren, auch wenn es schwer ist. Und ich denke auch er wird unsere Sorgen verstehen, oder?“ Thuriel probierte es die wogen wieder zu glätten, denn sonst würde noch schlimmeres passieren. „Gut, ich denke wir schlafen noch einmal einen Tag darüber und besprechen dann morgen alles viel genauer. In Ordnung? Ohne Drohungen und ohne Streiterei!“ Alle stimmten ihr zu und somit verließen sie den Rudelführer wieder. Thuriel war sich zwar bewusst, dass es sich nichts brachte morgen noch einmal mit ihm zu reden, doch etwas Besseres war ihr nicht eingefallen. Zumindest konnten sie sich jetzt erst einmal stärken, da Mirana schon langsam weiß geworden war.
Sie verabschiedete sich von ihnen und beschloss den Nachmittag damit zu verbringen ihren Vater darum zu bitten, ihre persönlichen Sachen herkommen zu lassen. Sofern noch alles dort war.
Doch das mit dem Finden war so eine andere Sache. Es war zwar möglich das ihr Vater sie fand aber umgekehrt funktionierte das nicht.
Als sie ihn an den verschiedenen Orten, an denen sie ihn vermutete nicht fand, probierte sie es mit dem Geist. Eigentlich wollte es Thuriel so weit wie möglich vermeiden, doch diesmal war es ihr wichtig.
Sie setzte sich auf eine Bank, nahe der Essenshalle und weitete ihren Geist aus bis sie unmittelbar auf einen negativen Geist stieß, der hinter ihr im Wald stand. Seufzend zog sie sich wieder zurück und schlenderte unauffällig auf die andere Seite des Dorfes zurück um von dort ihren Geist schweifen zu lassen. Zum Glück war er dieses mal nicht in der Nähe und Thuriel konnte unbeirrt ihren Vater suchen. Sie fand ihn tief im Wald in der Nähe eines Sees.
Thuriel machte sich auf den Weg dort hin und fluchte abermals innerlich, das sie zwar schöne Kleidung hatte, die sie immer daheim trug, doch keine die für draußen geeignet war.
„Thuriel!“ Thuriel zuckte zusammen und blickte sich um. Fast schon konnte sie den Blick spüren der wie ein Amboss schwer auf ihren Rücken lag. „Wo gehst du jetzt schon wieder hin?“ Rouge stand einige Meter hinter ihr und blickte sie durch grüne zornige Augen an. Was wollte er denn jetzt wieder?
„Zu meinem Vater. Ich habe ihn gesucht. Verfolgst du mich etwa?“ Er schnaubte abfällig. „Irgendjemand muss es ja tun. Ich vertraue dir nicht und die anderen sind so dumm einfach eine Nekromantin hier aufzunehmen. Irgendetwas führst du doch im Schilde, oder?“
Thuriel griff sich an die Stirn und fühlte wieder Kopfschmerzen aufkommen. Jetzt wusste sie wenigstens an was die Kopfschmerzen lagen.
„Nun gut... Wenn du mich schon verfolgst, dann komm mit. Überzeug dich selbst was ich so schlimmes im Schilde führe!“
Rouge blickte sie überrascht an, doch sie wartete gar nicht erst darauf, das er eine blöde Bemerkung von sich gab, sondern ging einfach weiter über einen kleinen Fußpfad, der sich schlengernd hinauf durch das Dickicht wand. Sie hörte in einigem Abstand hinter sich seine Schritte, doch versuchte sie so gut wie möglich auszublenden und sich auf den Weg vor ihr zu konzentrieren. Ihr Körper war schwächer als der von anderen Menschen und daher war es für sie anstrengender als für andere. Als sie eine halbe Stunde später über den teils steilen, teils abfallenden Weg am See ankam, ließ sie sich sofort in die Arme ihres Vaters sinken.
„Ach du... Thuriel! Was machst du denn hier? Warum hast du mich denn nicht gerufen?“ Er holte ein Stofftuch aus seiner Jackentasche, die mehr als Zierde als Wärmeschutz diente und wischte ihr den Schweiß von der Stirn.

„Nein, es geht schon. Ich wollte dich hier nicht lange stören, sondern lediglich fragen ob du vielleicht so nett wärst und meine Sachen würdest herbringen lassen?“
Normalerweise würde sie ja ihre Wächter dafür einteilen, doch das war ja nun nicht mehr möglich.
„Ja, natürlich. Ich habe heute Morgen schon mit dem Rudelführer gesprochen und er hat mir eine Nummer gegeben, von Einpackern die hier her liefern. Komm ich... Was macht er den hier?“ Thuriel sah, das Rouge erst jetzt aus dem Dickicht trat und sich lässig an einen Baum lehnte. „Er will mich ausspionieren um zu erfahren was ich vor habe. Er denkt, ich hecke etwas aus. Ich habe ihm gesagt, wenn er mich schon stalkt, dann soll er an meiner Seite gehen, damit er mehr mitbekommt.“
Ergos fing an zu lachen und schüttelte den Kopf. „Nette ausrede Rouge...“ Murmelte er kopfschüttelnd und reichte seiner Tochter eine Flasche mit Wasser. Woher nahm er all diese Sachen immer.
„Und du schaffst den Rückweg alleine?“
Thuriel hob die Schultern abweisend. „Natürlich. Schlimmsten falls, gleite ich einfach durch den Schatten. Hier ist es ja ziemlich einfach.“ Er nickte und küsste sie auf die Stirn. „Dann pass auf dich auf, der Weg ist, wenn er feucht ist nicht ganz so sicher. Werwandler haben wesentlich mehr halt hier als du.“
Thuriel blickte ihn finster an. „Danke... ich weiß auch ohne deinen Zuspruch, dass ich nicht gerade die Sportlichste bin...“
Er lachte, als sie sich beleidigt umdrehte und wegging. Er rief ihr noch etwas nach, doch Thuriel ignorierte es gekonnt, als sie mit rauschenden Kleid, an Rouge vorbeiging.
Sie wusste zwar das sie etwas über reagierte, doch das war ihr eigentlich egal. Sie sprang einen kleinen Abhang hinunter um den Weg abzukürzen, als ihr plötzlich ein Gedanke kam und sie ins stolpern brachte. Mit einem überraschten Aufschrei, klammerte sie sich an einen Ast um nicht in den niederen Fluss zu fallen, der neben ihr den Gebirgspfad hinab floss. Plötzlich gab der Ast an den sie sich klammerte nach und ihr wurden die Beine weg gerissen. Erst als sie in grüne Augen starrte, merkte sie das es gar kein Ast gewesen war, der sie gehalten hatte.
Rouge hatte sie abgefangen, bevor sie im Wasser lande konnte und trug sie nun über den Fluss hinweg durch das Dickicht. Er bewegte sich so sicher und geschmeidig, als würde er auf einer asphaltierten Straße wandern. Erst als sie die letzte Biegung zum Dorf erreichten setzte er sie ab.
Mühsam räusperte sie sich bevor sie sprach. „Wäre jetzt nicht die perfekte Gelegenheit gewesen, mich einfach im Fluss zu ertränken?“
Rouge hielt immer noch den Saum ihres Kleides in die Höhe und rümpfte lediglich die Nase. „Vielleicht, jedoch hätte ich das erklären müssen, warum du in einem knöchelhohen Bach ertrunken bist und warum ich nichts dagegen unternommen habe. Außerdem fällt es mir, wenn du lebst leichter, herauszubekommen was du vor hast, als wenn du tot irgendwo begraben liegst. Zudem solltest du dir andere Kleidung anziehen. Vielleicht eine die dich besser Atmen lässt, wenn du schon so einen kränklichen Körper hast.
Thuriel blickte bestürzt an ihrem Korsett hinab, das in einem aufbauschenden Kleid endete und zog ihren Mantel fester über ihren Ausschnitt. „Das geht dich ja kaum etwas an.“ Plötzlich erinnerte sie sich wieder an den Gedanken, der ihr beinahe das Leben gekostet hätte und dachte darüber nach, wie sie jetzt am besten Rouge wieder los wurde. Sie brauchte ihn nur für eine einzige Nacht beschäftigen, danach war es ihr wieder egal.
„Abgesehen davon, es irritiert dich wenn ich freizügig bin! Das wäre dann schon interessant.“ Rouge wandte den Blick von ihr ab und verzog das Gesicht. „Von wegen. Ich möchte nur nicht das du andere Werwandler mit deinem Aussehen anlockst und für deine Zwecke missbrauchst.“
Thuriel wurde plötzlich rot und lächelte über sich selbst. Auf solche Gedanken wäre sie noch nicht einmal gekommen. „Da ist wohl jemand eifersüchtig!“
Rouge blickte zornig wieder zu ihr hinab, erwiderte aber nichts außer einem knurren. Lächelnd wandte sie sich von ihm ab und ging ins Dorf zurück. Ihr knurrender Magen machte auf sich aufmerksam und erinnerte sie daran, dass sie noch nichts gegessen hatte und es bereits später Nachmittag war. Sie wandte sich zur Südseite des Dorfes, wo der große Essensaal war und spähte hinein. Es war beinahe alles leer, bis auf ein paar vereinzelnde Werwandler die sich unterhielten. Sie schlich sich leise hinein, um die anderen nicht zu stören, trotzdem wandten sich alle Blicke zu ihr um. Mit gesenkten Kopf ging sie nach vorne und eine Brünette hielt ihr sofort ein Tablett hin.
„Hi! Ich bin Ivy! Gibt es etwas was du nicht isst?“ Thuriel blickte sie überrascht an, doch Ivy lächelte nur.
„Nein, nicht wirklich. Ich esse so ziemlich alles. Selbst wenn es nur Brot und Wasser wäre.“ Ivy lachte und tischte ihr einige ihrer Spezialitäten auf. „Na, Ivy stopfst du schon wieder andere Leute voll?“
Die angesprochene kicherte wild. „Nun, ja... Immerhin ist sie so mager und ein paar Kilo mehr würden ihre Brüste mehr betonen. Außerdem hat sie bestimmt seit gestern nichts mehr gegessen. Da braucht sie etwas ausgewogenes, was ihr kraft gibt. Man stirbt immerhin nicht jeden Tag.“
Der Mann neben Thuriel blickte sich kurz unsicher zu ihr um. „Ivy! Sei doch nicht so respektlos. Es ist bestimmt ein schock plötzlich zu sterben und jetzt wieder unter den lebenden zu wandern.“
Ivy schnalzte arrogant mit der Zunge und sie begannen ihren ganz eigenen Streit. „Ach von wegen. Immerhin ist sie Nekromantin und hat jeden Tag mit den Toten zu tun.“
Thuriel lächelte vor sich her und lehnte sich an den Tresen, der Ivy und die Werwandler trennte. „Trotzdem heißt das nicht, dass sie jeden Tag stirbt und das alles durchmachen muss, oder?“
„Woher willst du das bitte wissen, Herr Spezialist?“
Thuriel konnte sich ein kichern nicht mehr verkneifen und die beiden blickten sie entschuldigend an. „Es tut mir leid, aber meine Schwester ist nicht gerade eine... nette Person.“
„Ach, das macht ja nichts. Aber um euren Streit zu widerlegen. Ich sterbe nicht jeden Tag, das stimmt schon, jedoch war ich auf irgendeinem Grund total zufrieden endlich zu sterben. Aber immerhin stand ich schon seit Jahrhunterten unter dem Einfluss meiner Mutter, die meinen Geist vollkommen verwirrt hat. Also bin ich Rouge eigentlich irgendwie dankbar, da ich durch meinen Tod von ihrem Bann gerettet wurde.“ Bei der Erwähnung seines Namens, fiel ihr auf dass er gar nicht da war und war erleichtert darüber. Das brauchte er wirklich nicht zu hören.
Die nächste Stunde verbrachte sie mit den anderen Werwandler im Essenssaal und musste sich Löcher über ihre Vergangenheit in den Bauch fragen zu lassen.
Es machte sie irgendwie glücklich darüber sprechen zu können. Aber wie die Werwandler sie dann wohl sehen würden, machte ihr etwas Angst. Die Energien die von ihnen ausgingen, waren jedoch nicht negativ und darüber war sie mehr als froh.
„Also habe ich doch gewonnen!“
„Das hast du gar nicht. Du bist vielleicht älter aber bestimmt nicht klüger!“ Ivy verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust, doch Thuriel konnte die Liebe erkennen, die von ihr ausging. Sie liebte ihren Bruder trotzdem, egal wie unterschiedlich ihre Meinungen waren.
Ob Mirana und sie auch so geworden wären, wenn sie eine andere Erziehung gehabt hätten? Sie bezweifelte es.
Als es langsam dämmerte, machte sie sich auf den Weg zurück zu ihrem Zimmer. „Thuriel!“ Die Stimme überraschte sie. Es war der Werwandler von vorhin, der Bruder von Ivy.

„Kors? Habe ich etwas vergessen?“
Er schüttelte den Kopf und passte sich ihren langsamen Schritten an. „Nein, ich wollte nur noch ein bisschen mit dir reden.“
Er bot ihr seinen Arm an und sie hängte sich unter. Das war das erste Mal, dass ein Mann ihr Anbot sich bei ihm einzuhängen. Es war seltsam und ihr ganzer Arm prickelte bei dieser so selbstverständlichen Berührung.
„Wie gefällt es dir bis jetzt hier?“
Thuriel blickte sich um und lächelte. „Es ist schön. Ich bin es aber nicht gewohnt in einem Wald zu leben. Ich kannte bis jetzt nur das Leben unter Magiern, oder alleine. Es ist etwas gewöhnungsbedürftig aber wunderschön. Sind hier immer alle so freundlich?“
Kors lachte laut auf. „Nun, ja. Ich würde nicht unbedingt alle Werwandler als >nett< bezeichnen. Aber im großen und ganzen sind wir fremden gegenüber freundlich. Manche mehr und manche weniger.“
Thuriel musste sofort an Rouge denken. Er war wohl einer von denen die fremde eher weniger mochten. „Und zu welcher Gruppe gehörst du dabei?“
„Ich bin ein Fuchswerwandler, daher liegt es mir im Blut neugierig und aufgeschlossen zu sein.“

„Ein Fuchswerwandler? Ach wie schön! Es muss einfach toll sein sich in ein Tier zu verwandeln und machen zu können was man will.“
Kors lachte wieder als hätte sie etwas total witziges Gesagt und sie wurde rot. „Ja es ist ganz schön aufregend.“

Mehrere Minuten schlenderten sie stillschweigend durch das Dorf und sie hingen ihren eigenen Gedanken nach. Thuriel breitete ihren Geist aus und suchte den von Rouge, doch er war nicht in der Nähe. Das war dann wohl ihre Chance.
„Ähm, ich merke gerade das ich noch einen Termin habe. Du hast mich total abgelenkt. Danke für die Gespräche!“ Sie löste sich von ihm und ließ ihn einfach stehen. Sie hoffte nur, dass er ihr nicht folgte.
Schnell eilte sie in ihr Zimmer und verschloss die Türe hinter sich. Dann ging sie ins Schlafzimmer um sich umzuziehen. Ohne auf ihre Umgebung zu achten, zog sie sich aus und fischte neue, etwas schlichtere Kleidung aus ihrem Koffer. Es war zwar bereits dunkel im Zimmer, doch das war ihr egal, da sie alles ziemlich gut überblicken konnte. Dafür dankte sie ihrer Vampirherkunft. Als sie ins Badezimmer ging und das Wasser im Waschbecken anließ, konzentrierte sie sich auf die Formel, die sie wenige Stunden zu einem Wasserwesen machen würde. Als sie fertig gesprochen hatte und ihre Hand in den Strahl hielt, wurde sie herumgerissen. Verdammt was machte er denn hier?
„Was wird das Hexenmeisterin?“
„Lass mich los, ich kann uns nicht beide verwandeln!“ Entgegnete sie laut, doch es war bereits zu spät. Der Wassersog zog sie mit sich, bis sich ihr ganzer Körper aufgelöst hatte und sie durch die Leitungen hinab floss.
Thuriel fühlte noch immer das sie mit ihm verbunden war, und er mit ihr durch die Röhren glitt. Verfluchter Werwandler. Sie streckte ihren Geist aus und ließ sich mit ihm bis ins Meer treiben. Nachdem sie dort mitten im Mittelmeer auftauchten, schrie sie los. „Bist du denn von allen Lebensgeistern verlassen? Du hättest uns beide töten können, du Vollidiot!“ Sie packte ihm an Kopf und tauchte ihn unter. Er war zwar genauso wie sie gerade ein Wasserwesen und konnte nicht ertrinken, doch es ging ihr jetzt wesentliche besser als er Wasser spuckend auftauchte.
„Was sollte das? Wo sind wir und was sind wir? Was hast du mit uns angestellt?“ Er schrie mindestens so laut wie sie und sie erblickte die Angst unter dem Zorn in seinen Augen.
„Ich wollte eigentlich ein paar Sachen von den Magiern stehlen damit meine Schwester bei der Geburt bessere Überlebenschancen hat. Darum habe ich mich in einen Wassergeist verwandelt. Und weil du dich an mir festgehalten hast, wären wir beinahe beide drauf gegangen. Du Vollidiot! Der Spruch war nur für eine Person gedacht und hätte uns beiden sämtliche Lebensenergie abziehen können!“
Rouge schwamm ruhig vor ihr und sah sich um. „Es tut mir leid, ich dachte du würdest irgendeinen Zauber beim Grundwasser sprechen.“
Er entschuldigte sich? „In Ordnung, dann kannst du mir wenigstens helfen. Schwimme mir einfach nach und mach ja kein einziges Geräusch!“ Sie tauchte unter und lenkte die Strömung für sich so um, dass sie schneller voran kam. Wie er ihr folgte, war ihr vollkommen egal. Wenn er hier ertrank, dann würde es sie absolut nicht stören. Wenige Meter vor einer nicht eingezeichneten Insel mitten im Mittelmeer, tauchte sie aus dem Wasser auf und blickte sich um. Es war kein Magier in Sicht und der Alarm war auch nicht los gegangen. Zufrieden langte sie nach einer Wurzel eines Baumes und zog sich daran nach draußen.
Plötzlich ergriff etwas ihren Fuß und sie musste einen Schrei unterdrücken. Zur Zeit konnte sie niemand angreifen, abgesehen von einem anderen Wassergeist, daher konnte es nur Rouge sein. Er zog sie von der Wurzel hinunter und drückte sie zwischen die Wurzeln. Er deutete ihr still zu sein und plötzlich hörte Thuriel jemanden am Wasserufer entlang gehen. Leise Stimmen, die so klangen, als würden sie sich etwas länger hier unterhalten, ertönten mehrere Meter über ihr. Rouge schlang einen Arm um ihren Wasserkörper und zog sie tiefer ins Wasser hinab, weiter durch ein Geflecht von Baumwurzeln und jeder menge Algen bis sie an einer steil abfallenden Klippe wieder auftauchten. Rouge blickte sich abermals skeptisch um und Thuriel hing einfach nur so in seinem Arm ohne etwas zu sehen als seinen verschwommenen Körper. Unsicher wie sie darauf reagieren sollte, wartete sie bis er sie in einen kleinen Spalt zog, in den sie als Menschen niemals hinein gekommen wären. Im dunklen der engen Höhle, schob er sie etwas von sich um sie ansehen zu können. „Gut das ich doch mitgekommen bin, sonst hätten dich die Magier längst eingesperrt!“
Sie verzog das Gesicht und zupfte sich juckende Algen aus dem Körper. „Na, und? Dann wäre ich einfach wieder durch einen kleinen Riss hinausgekommen. Immerhin kann ich als Mensch noch immer durch den Schatten wandeln. Das wissen sie nicht!“
Wütend, verstärkte er den Griff um ihr Handgelenk und es hätte ihr bestimmt auch schmerzen bereitet, wenn sie nicht gerade Wasser ähnlich gewesen wäre. „Du bist furchtbar. Nie siehst du Probleme, sondern tust so als gäbe es für alles eine Lösung!“

Thuriel lachte ihm spöttisch ins Gesicht. „Die gibt es auch! Und zwar du verschwindest und lasst mich einfach in Ruhe! Dann musst du dich auch nicht mehr mit jemanden wie mir herumschlagen, kleiner Halbgott!“
„Nenn mich nicht so! Ich bin keiner! Keiner meiner dummen Eltern war ein Gott!“
„Ist mir doch egal! Und ja es muss mindestens einer gewesen sein sonst würde es nicht >Halbgott< sondern >Gott< oder >Werwandler< heißen. Idiot!“ Thuriel riss sich los und fuhr sich durch das triefend nasse Haar. So viel Dummheit in einem Menschen vereint!
„Danke Frau Oberschlau! So weit war ich auch schon! Aber das heißt dann das meine Mutter eine Schlampe war, wenn sie meinen Vater betrogen hat!“
„Was? Vielleicht wusste sie ja noch nicht einmal etwas davon? Vielleicht weiß nicht einmal dein leiblicher Vater das du existierst?“
„Oh, doch und wie er das weiß. Doch es interessiert ihn nicht, da ich nur ein Halbwesen bin! Ein Bastard! Weder das eine noch das andere!“
Thuriels Herz hörte für eine Sekunde auf zu schlagen. Das hatte gesessen. Schnaufend drehte sie sich von ihm weg und sie fühlte einen Schwindel aufkommen, der ihr sagte, dass sie sich bald wieder verwandeln würde. „Danke... Genau das ist es was eine Frau hören möchte! Wenn du schon so über dich denkst, wie denkst du dann über mich? Immerhin bin ich halb Magier, halb Vampir und noch dazu von beiden Seiten verbannt und muss nun als Hexenmeisterin leben! Denkst du ernsthaft ich habe es mir ausgesucht? Nein! Ich versuche mit dem zu leben was ich habe!“
„Oh, nein... So meinte ich das nicht. Aber gerade du musst doch wissen wie es ist ein ausgestoßenes Wesen zu sein, oder? Du hast genauso niemanden, wie ich. Wie kannst du da trotzdem lächelnd durchs Leben gehen?“
Thuriel fühlte den erdrückenden Schmerz von ihnen beiden, der sich in dem kleinen Raum sammelte und zog ihn zu sich herunter um ihn in den Arm zu nehmen. „Ach, Rouge... Ich weiß was du fühlst... Ich war so lange so alleine und habe nur den Spott in den Gesichtern der anderen Magier gesehen. Aber du lebst doch nicht in einer solchen Gesellschaft! Niemand in deinem Rudel würde dich auslachen für das was du bist. Sie würden deine Kraft bewundern und dich in deinem inneren Kampf unterstützen. Du bist doch nicht so verbittert aufgewachsen wie ich. Du hast immer Leute gehabt die sich um dich kümmerten und versuchten deinen Schmerz zu nehmen. Warum denkst du nur so?“
Sie drückte ihn noch fester und fühlte wie sich seine Arme ebenfalls um sie legten. Der Schmerz verflog langsam und sie fühlte wie sein Körper wieder fester wurde, genauso wie ihrer. Jetzt saßen sie durch eine dumme Streiterei hier unten fest. Thuriel seufzte und ließ sich mit ihm in den Schatten gleiten. Es war ihr unangenehm so sehr mit ihm verbunden zu wandeln, doch es war ihre einzige Möglichkeit, dass sie ungesehen in die Burg kamen. Wenige Minuten später waren sie einige Etagen unter der Burg wo alles Steril roch. Hier waren sie eindeutig richtig. Thuriel materialisierte sie beide wieder und hing kurze Zeit in seinen Armen, bis er sie wieder hinunter ließ. „Wo sind wir?“
Thuriel räusperte sich und schob sich einige Schritte von ihm weg. „Ich denke in der ärztlichen Abteilung der Magier. Hier unten war es fast niemanden erlaubt her zu kommen, nur den Heilern. Sogar kranke und verletzte Magier sahen nicht viel von hier unten. Komm jetzt...“ Sie eilte zu einer Türe die mit lateinischen Wörtern versehrt war und übersetzte sie. „Hier sind die Entbindungsräume. Schnell!“ Thuriel öffnete die Türe mit einer Entriegelungsrune und blickte sich in dem schwach beleuchteten Raum um. Niemand war hier und es schien auch schon lange niemand mehr hier gewesen zu sein.
„Du sieh dich nach Schriften um, die bei einer Geburt brauchbar sind, ich suche das Gerät.“
Rouge nickte und bewegte sich durch die verschiedenen Räume auf der Suche nach Schriften. Thuriel selbst blickte sich jedes Gerät genau an und versuchte zu erkennen für was sie dienten. Als sie sich halbwegs einen Überblick geschaffen hatte, versehrte sie einige Geräte mit einem kleinen Pentagramm an der Unterseite um sie später zu sich zu beschwören.
„Ich bin fertig!“ Flüsterte sie und folgte im Geist, die Spur von Rouge, der auf der anderen Seite in einer Art kleinen Bibliothek stand und verwirrt zwischen zwei Bücher hin und her sah, die Achseln zuckte und sie einfach in einen Sack stecke, den er sich über die Schulter warf. Thuriel kicherte leise und nahm ihm den Sack wieder ab. „Wir brauchen nicht so viele Bücher. Warte, ich übersetze sie schnell.“
Thuriel las die lateinischen und altgriechischen Wörter und übersetzte sie für ihn. Schluss endlich seufzte sie und tauschte die unnötigen gegen ein paar aus, die man im Alltag genauso gebrauchen konnte.
„Und jetzt? Wie kommen wir zurück?“ Fragte Rouge leise und beugte sich über den fein sortierten Stapel.
Thuriel versehrte auch den Sack voller Bücher mit einem Pentagramm und lächelte dann. „Jetzt werde ich den Zorn meiner Schwester auf mich ziehen.“ Sie zwinkerte ihm zu, bevor sie ihm anwies sich hinter einem der Geräte zu verstecken. „Ich will nicht das sie dich sehen, denn sonst bringen sie sofort dein Rudel damit in Verbindung. Also egal was passiert... Bleib dort hinten...“
„Warte!“ Er zog sie am Arm zurück bevor sie hinaus gehen konnte. „Was hast du vor?“
Thuriel löste ihren patschnassen Mantel und drückte ihn ihm in die Hand, lockerte ihr Korsett, das sie immer noch trug und raffte ihren Rock, damit er noch kürzer erschien.
„Ich werde meiner Mutter das geben, das sie schon immer in mir gesehen hat.“ Sie wollte sich wieder umdrehen, doch er hielt sie wieder zurück. „Nein! Du läufst in deinen Tod! Immerhin sind wir in einer gut gesicherten Magierfestung! Wir müssen zurück!“

Thuriel wurde wütend. Je länger sie warteten umso weniger Zeit besaßen sie. Sie packte ihn am Halskragen und zog ihn herunter. „Hör mir jetzt genau zu... Egal was deine Mutter, oder dein Vater getan haben sollen... Es war niemals so schlimm wie das was meine Mutter mir angetan hat. Meine einzige Freude im Leben war meine Schwester, die sie mir bitterlich entzog. Sie schuf sogar einen Bann, der unsere Geister trennte und hielt uns an unterschiedlichen Punkten der Erde gefangen. Sie hat mich sogar verbannt, da sie dachte ich sein eine Missgeburt! Ihre eigene Tochter! Die sie erzogen hat! Ich will das was mir zusteht... Ihre Seele. Sie ist die einzige die uns von hier wegbringen kann. Nur wegen ihr sind meine magischen Fähigkeiten verkümmert und ich kann mich nicht einmal Teleportieren, so wie es ein jeder anderer Magier könnte! Sie ist unser Flugticket zurück. Verstanden!“
Das war keine Frage, denn sie sah wie sich ihr hartes Gesicht in seinen Augen spiegelten und mittlerweile vor Zorn rot glühten. Sie hörte wie er schwer schluckte und langsam nickte. In seinen Augen erkannte sie, wie hübsch sie gerade aussah und es schockierte sie irgendwie.
Wieso hatte sie bloß etwas figurbetontes angezogen? Es war beim Laufen einfacher, als ein bauschiger Rock, oder ein Kleid, doch nun fühlte sie sich entblößt mit dem triefenden Korsett und ihre langen blassen Beine steckten in schwarzen Lederriemchen, die sie noch größer erscheinen ließen. Auf einmal fiel ihr Blick in seiner Augenspiegelung von sich selbst auf ihre Schulter, wo gut sichtbar sein Mal war.
Zum ersten Mal war sie sich seiner körperlichen nähe erschreckend bewusst und ließ sich von den Zehenspitzen fallen, auf die sie sich gestellt hatte.
„Sag etwas...“ Flüsterte sie. Er war immer noch zu ihr hinab gebeugt und blickte sie Wortlos an.
Im nächsten Moment fühlte sie seine Hand auf der Schulter wo er sie gebissen hatte und wie sie höher wanderte. Ganz sachte fuhr er mit den Fingerspitzen über ihre empfindliche Haut hinauf in ihr Haar, wo sie ruhen ließ. Besitzergreifend und bestimmend hielt er sie dort und legte seine Stirn an ihre.
Thuriel die merkte, das sie die Luft angehalten hatte, atmete laut aus und ließ sich gegen seine Stirn sinken. Diese typische Werwandler Geste, schenkte ihr so viel Trost, wie es Worte niemals gekonnt hätten. Vielleicht würden sie ja doch noch Freunde werden.
Vielleicht irgendwann einmal.
Thuriel legte ihren Arm auf seine Schulter, so wie sie es auf den Abbildungen gesehen hatte und fühlte wie er sich wieder entspannte. Langsam senkte er seinen Kopf noch weiter, bis seine Wange an ihrer lag und im nächsten Moment spürte sie seine Zähne wieder auf der Schulter.
Überrascht von dieser Geste wollte, sie ihn weg stoßen, doch er hielt sie immer noch fest.
Sie spürte wie ihr etwas Warmes den Arm hinunter lief und wusste das es sich um Blut handelte. Der Biss war zwar so tief gewesen, dass die rote Flüssigkeit ihre Schulter hinunter laufen konnte, doch es tat absolut nicht weh. Es kribbelte etwas und ließ sie schneller Atmen, doch es war irgendwie mehr beruhigend als beunruhigend.
„Idiot...“ Flüsterte sie in sein Ohr und fühlte ein lächeln an ihrem Hals. Als er sie los ließ um ihr in die Augen zu sehen, merkte sie das er sich einen Tropfen Blut aus dem Mundwinkel leckte und fragte sich wie es wohl schmeckte. Sie war zwar zum Teil Vampir, doch war nicht auf Blut angewiesen so wie die anderen.
„Jetzt werde ich wissen, wenn du Hilfe brauchst und werde dann auch da sein.“
Thuriel blickte ihm nach, wie er in einem der hinteren Räume verschwand und merkte erst jetzt dass ihre Kopfschmerzen weg waren.
Lächelnd drehte sie sich um und eilte in die oberen Räume, in denen sich die Magier befanden. Sie brauchte nur einen einzigen Magier zu finden um endlich von hier zu verschwinden.
Sie zog Energie aus den frischen Saphiren um ihren Hals und legte sie wie ein Schutzschild um sich selbst.
Die ersten Magier die auf sie Aufmerksam wurden, fragten sie wer sie sei und woher sie von diesem Ort wusste.
Thuriel antwortete erst als sie mehrere Magier um sich gescharrt hatte. „Ich bin Thuriel! Die älteste Tochter von Klarophile. Der Erzmagierin dieser Burg. Ich bin von ihr verbannt, manipuliert und geistig geschändet worden! Ich verlange meine Rache, so wie es einem jedem Magier zusteht!“
„Du bist verbannt und eine Hexenmeisterin! Du hast auf nichts ein recht. Verschwinde jetzt, dann lassen wir dich leben.“
Thuriel lächelte dem alten Mann zu und erkannte ihn als einen der Anhänger von ihrer Mutter. „Ach Klaustros... Wie schön dich wieder zu sehen. Das heißt wohl, das deine Seele ab jetzt mir gehört. Oder wer war der alte Sack, der mich immer nur als Lustobjekt angesehen hatte.“ Sie streckte ihre geistige Hand nach ihm aus, versehrte ihn mit ihrem Stempel und riss ihm die Seele heraus. Der leblose Körper fiel einfach auf den Boden und blieb tot liegen. Sie schloss die Seele in den Seelenring den sie immer trug und im nächsten Moment erhob sie der Körper wieder um sich neben sie zu stellen.
„Noch jemand der freiwillig in meine Dienste tritt?“
Plötzlich wurde es um sie herum laut als sich der Schreck legte und alle gleichzeitig um sie herum auf sie losgingen. Sie wehrte die meisten Angriffe einfach ab, indem sie, sie um sich herum lotste und sie sich somit nur gegenseitig verletzten.
Als die Magier anfingen direkt auf sie loszugehen, kämpfte sie mit ihrem neuen Wächter Seite an Seite, als hätten sie niemals etwas anderes getan. Sie blockte angriffe und teilte welche aus. Sie wurde teils von Zauber, teils von körperlichen Angriffen heimgesucht, solange bis mehrere Magier bewusstlos am Boden lagen. Thuriel teilte ihnen allen ihren Stempel aus, als plötzlich eine laut Stimme ertönte.
„Genug!“
Thuriel und die anderen Magier wandten sich gleichzeitig um. Nur wenige Sekunden später stand eine Frau mit falten vor ihr. Bernsteinbraune Augen so wie die ihren und goldblondes Haar wie ihres. Die selbe Größe und der selbe Blick stand nun direkt vor ihr und wirkte doch um etliche älter als sie selbst.
„Du? Was willst du? Du bist verbannt!“
„Ja, aber unter falschen Tatsachen. Du hast die Wahrheit verdreht, &gt;Mutter<.“ Das letzte Wort spuckte sie beinahe aus als wäre es Abfall.
„Tatsächlich? Also bist du nicht halb Magierin, halb Vampir?“
Thuriel verschränkte die Arme vor der Brust und rümpfte die Nase. „Natürlich, und wessen Schuld war das, außerdem ist es kein Verbrechen, so wie du es darstellst. Es gibt hier viel Magier die Mischlinge sind.“
Klarophile schritt mit erhobenen Hauptes um ihre Tochter herum. „Ach, ja. Und haben sich diese denn als mehr als nur einen Magier gesehen? Sind sie denn auch in das Exil gegangen... als Hexenmeister? Haben sie auch ihre jüngere Schwester verleitet, verbotene Texte zu lesen und an Märchen zu glauben?“
„Nein... Doch von wem haben wir das? Bestimmt nicht von unseren Vätern, da wir unterschiedliche habe. Du bist diejenige die einen Fehler gemacht hat. Nicht Mirana oder ich. Du warst diejenige die meinen Geist durch Zauber verwirrt hat. Weißt du was... Ich musste erst sterben um alles klar sehen zu können. All die Zauber die du über mich gewirkt hast und die mich zu einem anderen Wesen gemacht haben!“
Ihre Mutter schnalzte abweisend mit der Zunge. „Ich habe nur an das Wohl meiner jüngeren Tochter gedacht, die kein Bastard ist und viel mächtiger als du es jemals sein wirst kleine Nekromantin.“
Thuriel verletzen diese Worte, denn ihre Mutter sagte es aus Überzeugung und Wahnsinn. Sie wischte eine Träne aus dem Augenwinkel und sammelte ihre Energie in den Händen. „Wenn du das so siehst Mutter, dann wirst du meine Herausforderung annehmen, oder?“
Klarophile nickte und deutete auf den Magier, den Thuriel als Wächter genommen hatte. „Lass ihn aber dafür gehen!“
Thuriel nickte und dachte kurz an ihre Schwester und ihr ungeborenes. „Dafür entlässt du Mirana aus deiner Obhut. Sobald dein letzter Atemzug getan ist, werden sich sämtliche Banne von ihr lösen. Sie wird eine freie Magierin sein. Sie und ihre Nachkommen!“
Klarophile lachte spöttisch. „Von mir aus. Als würde sie jemals Kinder bekommen. Und was bekomme ich wenn du deinen letzten Atemzug getätigt hast?“
Thuriel wusste nicht was sie ihr im gleichen Maße anbieten konnte. Eigentlich nichts... „Was willst du?“
„Das sage ich dir wenn es soweit ist!“ Plötzlich griff ihre Mutter sie mit einem kräftigen Blitz an und Thuriel konnte gerade noch ihre Arme vor ihr Gesicht halten, bevor sie durch den Kraftstoß durch die Luft geschleudert wurde.

Schreiend krachte sie gegen die Wand und keuchte hustend auf. Schnell checkte sie ihre Knochen und rappelte sich auf. Das war typisch ihre Mutter. Zornig ließ sie den Boden erbeben und schickte einen Riss in ihre Richtung, doch diese wich mit Leichtigkeit aus. Genau das wollte Thuriel, denn während sie sprang, konnte sie einen Energieball gegen den Rücken ihrer Mutter werfen, diese mit dem Gesicht voran auf den Boden knallte. Stöhnend kämpfte sie sich auf und benutzte ihre starken Telekinetischen Fähigkeiten um den Kronleuchter zu lösen, der auf Thuriel herab fiel. Thuriel sprang aus dem Weg und anstatt ihren Aufprall abzufedern, schickte sie abermals einen Energieball in deren Richtung.
Als Thuriel sich aufrappelte, wurde sie an den Haaren nach hinten gezogen und fühlte einen Fuß in ihrem Magen. Thuriel spuckte Blut und blickte in die zornigen Augen ihrer Mutter.
„Denkst du ernsthaft ich lasse mir von dir mein einziges Kind nehmen? Du warst nie meine Tochter! Dich wollte ich nie! Du bist keine Magierin! Du bist ein Bastard!“
Plötzlich hörte sie etwas zerbrechen. Ob es in Thuriel war, oder außerhalb, das wusste sie nicht. Sie sah nur mehr rot.
Thuriel bleckte die Zähne und fühlte wie zum ersten Mal in ihrem Leben ihre Reißzähne hervor stachen. Wie sich das Zahnfleisch dehnte und riss, bis die beiden längeren Zähne ihren Platz gefunden hatten. Thuriels Sicht verbesserte sich und es war auf einmal alles wie im Zeitlupentempo.
Ihre Mutter holte mit einem Dolch aus um ihr ins Herz zu stechen, doch Thuriel sprang wieder auf ihre Beine, blickte in die überraschten Augen ihrer Mutter und holte mit ihrer Hand ebenfalls aus.
Im nächsten Moment, sah sie nur mehr die vor Schreck geweiteten Augen ihrer Mutter, die sie nie geliebt hatte und fühlte die saftige Wärme die sich um ihre Hand schloss.
Thuriel umfasste etwas weiches und gleichzeitig warm pulsierendes und riss es mit einem einzigen Ruck heraus. Sie hörte wie ihre Mutter nach Luft röchelte und hörte wie der Blutfluss in ihrem Körper langsamer und immer langsamer wurde, bis er ganz zu stehen kam, wie das Herz, das sie noch immer in ihrer Faust hielt. Eine warme Flüssigkeit lief Thuriels Arm und ihrem ganzen Körper hinab, sammelte sich bei ihren Füßen zu einer Lache. Mit einem Lächeln im Gesicht beobachtete sie wie das schockierte Gesicht zu einem leeren schockiertem Gesicht wurde und der tote Körper schwer in ihrem Arm lastete.
Sie war das einzige das den leblosen Körper noch aufrecht erhielt.
Mirana würde es ihr niemals verzeihen. Das wusste sie.
Knurrend ließ sie nach einer Ewigkeit den Körper ihrer Mutter zu Boden fallen, als wäre es Mist und trat darüber hinweg. Jetzt hatte sie Hunger.
Knurrend sprang sie den ersten und näherstehenden Magier an und riss ihm die Kehle heraus. Ein Hochgefühl schloss sich um ihr Herz und ließ es so schnell rasen, dass sie schon befürchtete es würde wegen einer Überlastung aufgeben. Doch es schlug fleißig weiter.
In den nächsten Sekunden riss sie Köpfe ab, biss Kehlen in zwei und brach mehrere Genicke. Das war einst die Geburtsstätte, wo sie geschaffen wurde und sie jeden einzelnen Tag verachtete hatte.
Erst als sie von einem Toten herunter gerissen wurde, merkte sie das noch ein anderes Wesen im Raum war. Ein mächtiges und unkontrollierbares.
Knurrend stürzte sie sich auf das Wesen und wurde auch sofort wieder abgefangen. Das Wesen vor ihr, packte sie am Hals und knurrte sie ebenfalls an. Gelbe Augen stachen ihr entgegen und eine Erinnerung kämpfte sich durch das Hochgefühl. Etwas Ähnliches hatte sie doch auch schon einmal vor kurzem erlebt. Gestern! „Rouge...“ Zischte sie durch schmerzenden Zähne und auf einmal war das Hochgefühl weg. Es verschwand so abrupt, das sie zusammen sankt und in etwas nassen, warmen landete. Angeekelt sprang sie zurück und stieß gegen eine Blutverschmierte Wand.
Was hatte sie getan?
Rouge beugte sich zu ihr hinunter und sagte irgendetwas. Doch sie verstand es nicht. Es ging um irgendetwas, wegen den Magier, doch was? Sie hatte alle getötet. Alle aus dieser Burg waren tot... Es war nur eine kleine Ansammlung von starken Magier gewesen, doch genug um die Magier in den Grundfesten zu erschüttern.
„Thuriel!“ Thuriel erschrak bei dem lauten Geräusch und blickte in die mittlerweile wieder grünen Augen.
„Du bist voller Blut...“ Flüsterte sie und betrachtete seine Blutverschmierte Kleidung und Hände.
„Wenn dich das schockiert dann solltest du dich lieber nicht selbst ansehen. Doch wir sollten endlich weg hier. Kannst du gehen?“
Thuriel rappelte sich hoch und spürte eine unangenehme klebrige Flüssigkeit ihren ganzen Körper hinab rinnen.
Sie besah sich ihrer Kleidung und erst da wurde ihr schrecklich bewusst, dass das ganze Blut von verschiedenen Magiern stammte. Bestürzt blickte sie sich um, doch konnte keine Trauer finden. Doch auch keine Freude. Es war einfach geschehen, mehr nicht.
Thuriel taumelte auf dem rutschigen Boden zur Leiche ihrer Mutter und vergewisserte sich das keine Lebensenergie mehr in ihr Pulsierte.
„Thuriel!“
Rouge drängte sie weiter Richtung der Stiegen, von denen sie gekommen war, doch Thuriel stemmte sich dagegen. „Warte!“ Sie tastete nach dem Körper, den sie in Besitz genommen hatte und rief ihn zu sich.
„Schick uns zu meinem Haus. Sobald wir dort ankommen, wirst du sterben, ich werde dich nicht mehr beschwören!“
Der Magier nickte und Thuriel griff nach der Hand von Rouge und fädelte ihre Finger zwischen seine. Im nächsten Moment verschwamm ihre Sicht bis alles dunkel war und sie nahm den vertrauten Geruch von ihren Duftkerzen war.
Es war immer noch alles beim alten, also waren die Möbelpacker noch nicht hier gewesen. Thuriel tastete nach ihre Zündhölzer und ging durch das Empfangszimmer um alle Kerzen zu erleuchten. Mit ihrer Magie wäre es zwar schneller gegangen, doch auf diese hatte sie gerade keine Lust.
Als auch die letzte Kerze brannte, ging Thuriel ins Badezimmer und schloss sich darin ein.
Das Blut auf ihrer Haut wurde langsam trocken und sie wollte den Geruch von Tod los werden.

Nach mehreren Minuten kam sie erfrischt aus dem Badezimmer und legte den Kopf an ihren Kleiderschrank. Wie sollte sie das nur alles ihrer Schwester erklären. Sie würde sie hassen, sie bestimmt verwünschen.
Doch sie hatte das alles nur für Mirana gemacht, abgesehen vom Tod ihrer gemeinsamen Mutter, den hatte sie sich selbst gewünscht.
Schniefend ließ sie ihre Tränen endlich frei in lauf und sank erschöpft zu Boden. Das Wasser hatte zwar das Blut abgewaschen, doch nicht ihre Trauer. Die kam jetzt über sie wie ein Tsunami und riss sie in einen leeren Abgrund. Wütend schlug sie gegen die Kastentüre, bis sie etwas Stechendes im Arm spürte und lachend ihre Hand aus der Türe zog.
Der Vampir in ihre forderte anscheinend seinen Tribut.
„Alles in Ordnung?“ Thuriel erschrak und zog ihre Fangzähne wieder ein, die sie aus Neugierde ausgefahren hatte.
War denn alles in Ordnung?
„Nein, nicht wirklich. Ich habe das getan, was du schon seit langem tun möchtest. Vielleicht hättest du meine Mutter töten sollen, dann wäre es dir besser gegangen.“
„Warum denkst du beim Tod an mich?“
Thuriel hob abweisend die Schultern. „Warum sollte ich nicht an dich denken? Immerhin gehört dir mein Körper, solange ich lebe.“ Thuriel blickte starr den Kleiderkasten an und erschrak daher, als Rouge ihr durchs Haar fuhr. „Ich hätte dir liebend gerne diese Qual abgenommen, Thuriel. Doch ob ich, du oder ein Fremder sie getötet hätte, hätte keine Rolle gespielt. Sie war ein wichtiger Teil deines Lebens. Der Tod schmerzt immer. Egal auf welcher weise er eintritt.“ Er wischte ihr einige feuchte Strähnen aus dem Gesicht und legte abermals seine Stirn tröstend an ihre. Doch dieses mal half ihr der Trost nichts. Es gab nichts das ihr jetzt helfen konnte, diesen Schmerz zu überwinden.
Thuriel stand auf, zog ihr Badetuch enger um sich und blickte aus dem getönten Fenster.
Vor ihrer Eingangstüre hatte sich nichts verändert. Immer noch der gleiche Abschaum, immer noch der gleiche Dreck. Doch nun sah sie ihre Umgebung anders. Entzündete Krusten die eiterten, waren Verletzungen von Menschen. Humpelnde und bettelnde Menschen, waren Lebewesen die weggeworfen worden waren wie sie. Der weggeworfene Dreck der hier die Ratten und Seuchen anzog, war der Dreck von Menschen die andere einfach hier liegen ließen. Krepierend an ihren eigenen Dreck.
Thuriel kühlte ihre Tränen am Fenster und atmete den stickigen Geruch ein, den sie schon seit dreihundert Jahren einatmete ohne darüber nachzudenken was dieser enthielt.
„Ich hasse das Leben und den Tod und doch kann ich beiden nicht entrinnen. Was denkst du erwartet uns nachdem wir sterben?“
„Thuriel, sieh mich an!“
Thuriel drehte sich zu ihm um und lehnte sich an das Fensterbrett. Rouge saß auf der Bettkante ihres Bettes und sie bemerkte erst jetzt, dass sein Shirt gewaschen über ihrem Kamin trocknete. Schmunzelnd betrachtete sie auf das Spiel seiner Muskeln, als er aufstand. „Du kannst nicht immer wissen, sondern musst vertrauen. Für manche geht es später weiter, für andere nicht. Es gibt so viele Geschichten und Varianten von Möglichkeiten des Was-wäre-wenn... Doch sehen musst du es doch mit eigenen Augen. Niemand kann dir sagen was dich erwartet, abgesehen vom Schöpfer selbst, und selbst er soll ein Mythos sein. Versteife dich nicht auf das Vielleicht, sondern denk daran was dir gefallen könnte.“
Thuriel gähnte und rieb sich die Augen nickend. „Du hast recht. Ich denke mir morgen aus, was ich mir wünsche. Vorher muss ich ein paar Stunden schlafen. Mein Körper ist nicht der fitteste.“
Rouge nickte ebenfalls und streckte sich ausgiebig wie eine Katze. „In Ordnung. Ich warte draußen. Ich werde derweilen mit dem Rudelführer telefonieren. Er wird wissen wollen wo du bist.“
Thuriel fiel erst jetzt auf das es bereits Sonnenaufgang war und die Sonne fast ihren Mittelpunkt erreicht hatte. „Was wirst du ihm sagen?“

„Das wir hier sind und es uns gut geht. Wir haben lediglich einige Sachen besorgt.“
Thuriel lag bereits ausgebreitete im Bett und hörte nur mehr wie Rouge die Türe hinter sich schloss. Da die Müdigkeit sie nicht sofort übermannte, lauschte sie der rauen Stimme von Rouge wie er telefonierte, doch fand gedanklich keine Ruhe. Mehrere Minuten drehte sie sich unruhig im unbequemen Bett herum und seufzte genervt als sie sich aus dem Bett hievte. Ihre Muskeln schmerzten und ihre Knochen schienen sie auf den Boden zu ziehen. Sie musste dringend schlafen, doch ihre Gedanken drehten sich einfach die ganze Zeit im Kreis und gaben ihr keine ruhe. Leise öffnete sie die Türe zum Empfangszimmer und spähte hinaus. Rouge lag zusammengesunken auf der Couch und schnarchte leise. Er musste genauso wie sie vollkommen erschöpft sein. Immerhin hatte er ihr hinterher spioniert und war dann auch noch unfreiwillig in einen komplizierten Zauber hinein gezogen worden.
Lächelnd hockte sie sich vor ihm hin und schob ihm den Polster unter den Kopf. Er rührte nicht einmal einen Finger dabei, so erschöpft war er. Vor sich hin schmunzelnd hob sie seine Beine auf einen Hocker und zog dann vorsichtig die Bank aus, damit er bequemer lag.
Als sie ihm eine Decke über den Körper zog, flatterten kurz seine Augen, doch dann murmelte er nur etwas und schlief weiter.
„Idiot...“ Flüsterte sie leise und erschrak als er sich rührte.

„Wie lange habe ich geschlafen?“
„Nur ein paar Minuten. Ich habe es dir nur bequemer gemacht.“ Thuriel setzte sich auf den Rand der Couch und lächelte freundlich.
„Danke. Tut mir leid. Eigentlich wollte ich wach bleiben.“
Thuriel kicherte. „Macht nichts. Ich kann ohnehin nicht einschlafen. Träum etwas Schönes für mich mit.“
Rouge lächelte und schloss die Augen wieder.
Es war ungewohnt einen anderen Mann abgesehen von Untoten in ihrem Haus zu haben. Seltsamerweise könnte sie sich sogar daran gewöhnen.
„Thuriel...“ Thuriel horchte auf und erkannte das Rouge bereits wieder tief schlief. Bestimmt träumte er von den heutigen Ereignissen. Lächelnd schob sie seine Decke wieder höher, da sie herunter gerutscht war und verharrte kurz mit der Hand an seinem Hals. Sie fragte sich wie wohl sein Blut schmecken würde. Magisches Blut hatte ihr zwar Energie gegeben, doch mehr schon nicht. Sie fühlte immer noch etwas hungrig. Doch ihr Magen war es nicht der nach etwas verlangte, sondern ihr Hals.
Sie leckte sich über die Lippen als der Durst plötzlich stechender wurde und griff nach den Fingern von Rouge. Würde er es merken, wenn sie nur einen Blutstropfen von ihm stahl? Einfach nur um zu wissen, wie es war einen Nichtmagier zu kosten. Sie nahm seine Hand in ihre und zog sich über die Bank zu seinem Handgelenk. Er rührte sich nicht, sein Herzschlag änderte sich nicht und seine Atmung auch nicht. Vorsichtig stach sie mit ihren viel zu spitzen Eckzähnen in seinen Finger und leckte den einzelnen Blutstropfen von ihren Lippen. Erschrocken fuhr sie zurück und unterdrückte einen Aufschrei.
So viel Macht lief gerade ihren Hals hinab, das sie es fast nicht ertrug. Sie wollte mehr von seinem Blut trinken. Wollte alles für sich haben.
Überrascht quiekte sie auf, als er sie so schnell zu sich zog, das sie gar nicht reagieren konnte. Als sie wieder klar sehen konnte, sah sie das sie direkt an seinem Hals lag. Seine Hand in ihrem Haar hielt sie mit ihrem Mund an seinen Hals gedrückt. „Was machst du?“
„Trink...“
Thuriel versuchte sich abzuwenden, doch erschauderte als sie merkte das sie direkt mit dem Oberkörper über seinem Gesicht lag.
„Nein... Hör auf, das ist zu viel für mich. Ich würde verrückt werden und könnte nicht aufhören. Bitte...“
Doch mehr konnte sie nicht sagen, da er sie über sich zog und zwischen sich und die Lehne der Bank einzwängte.
„Du würdest auch verrückt werden wenn du dich jetzt nicht satt trinkst. Ich werde es dir nicht nachtragen, falls du das Denken solltest.“
Thuriel schüttelte den Kopf und hielt sich beide Hände vor den Mund. „Nein... ich will das nicht.“
„Du willst kein Blut, oder du willst nur meines nicht?“
Thuriel wusste nicht was sie darauf sagen sollte und blieb stumm.
So schnell er sie gefangen genommen hatte, ließ er sie auch wieder frei. Rouge rollte sich wieder auf den Rücken und blickte weg von ihr. Thuriel stützte sich auf den Ellenbogen und überlegte warum ihn das so traf.
„Verletzt es dich, wenn ich dein Blut verweigere?“ Rouge antwortete nicht auf die Frage, also sah sie es als ein &gt;Ja< an.
Mehrere Minuten vergingen, bevor Thuriel einen Entschluss fasste. Sie fuhr mit den Fingerspitzen über seinen Brustkorb und spürte seinen irritierten Blick auf ihr. Ohne noch einmal darüber nachzudenken, schob sie ein Bein über seinen Bauch und kniete sich über ihn. Dann drehte sie seinen Kopf zur Seite um seine Halsschlagader besser zu erreichen. „Schließe deine Augen.“
Rouge blickte ihr noch einmal forschend ins Gesicht, schloss jedoch dann die Augen. Thuriel griff nach der Decke die weg gerutscht war und legte sie so über sie beide, dass sie beinahe darin verschwand als sie sich zu seinem Hals hinab beugte.
Tastend suchte sie nach seiner Hand und er drückte sie bestätigend um ihr Mut zu spenden. Die andere Hand legte sie auf seine Wange, in der Hoffnung dass er spürte das sie Angst hatte.
Thuriel sog noch ein letztes mal tief Luft ein, bevor sie ihre Zähne ausfuhr und sich fallen ließ.

 

- - Ende 2. Teil - -

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Tag der Veröffentlichung: 07.08.2014

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