Der kleine grau gefiederte Dämon hing mehrere Meter über mir an der Decke und bewarf mich mit giftigen Exkrementen, die er selbst zu jeder Zeit ausscheiden konnte. Wie sehr hasste ich doch diese verfluchten Biester.
Mittlerweile wütend geworden warf ich eines der vielen Bücher nach ihm, welche gleichmäßig auf den Bänken der Kirche ausgeteilt worden waren, doch er hüpfte innerhalb eines einzigen Wimpernschlags über meinen Kopf hinweg in den Mülleimer am Eingang, in welchem ich, als ich herein kam, mein Sandwich geworfen hatte.
„Mistvieh!“ Schrie ich ihn an, doch er war schon voller Essensreste und warf den halbvollen Mistkübel nach mir. Fluchend trat ich ihn aus dem Weg und griff nach dem kleinen Hammer, der immer an meiner Hüfte befestigt war. Ich bekam ihm am Bein zu fassen und holte mit dem kleinen fünf Kilogramm schweren Hammer aus. Mit aller Kraft ließ ich ihn niederfahren und zertrümmerte den rechten Flügel des lästigen Monsters. Abermals holte ich aus und traf nun den Kopf der widerlichen Kreatur. Sofort verflüssigte sie sich zu einer ekelerregenden stinkenden Masse, die aussah wie extrem ekelerregender Durchfall und hob angeekelt meine verschmierte Hand.
Ich hasste diese Dinger. Sie waren harmlos so wie Poltergeister, genauso nervig, doch wenn sie sich vermehrten konnten sie sich zu einer Art dämonischer Heuschreckenplage entwickeln.
Ich ging zum Waschbecken im hinteren Teil der Kirche, das die Kirchenbesucher wohl im Gegensatz zu mir, als Colymbion ansahen und freute mich über das altbekannte zischen das es erzeugte sobald es mit meiner Hand in Berührung kam.
Fasziniert beobachtete ich meine Haut die sich in nur wenigen Sekunden wieder regenerierte und stülpte meine schwarzen Handschuhe darüber.
Ich bekam ständig die Kleinarbeit, die beinhaltete niedere nervige Dämonen auszulöschen oder Geister aus Häusern auszutreiben. Zu mehr war ich leider nicht nutze, egal wie sehr ich mich auch bemühte. Seufzend wischte ich meinen silbernen Hammer an einem herum hängenden Tuch ab, das eigentlich eine Fahne war, und öffnete die Türe der kleinen Kirche. „Ich sah, kam und siegte.“ Zitierte ich melodramatisch. „Den Rest der aussieht wie verschimmelter Durchfall, könnt ihr selbst weg Räumen. Ich werde nicht zum Putzen bezahlt.“ Ich hielt dem Pfarrer, der sichtlich erbost über mein freches Mundwerk war, meine offene Hand hin und er warf ohne ein Wort des Dankes einen Fünfhundert Schein hinein. Freudig steckte ich ihn mir in den Ausschnitt und zwinkerte ihm verschwörerisch zu. „Danke Schätzchen.“
Entsetzt zog er die Luft ein und ich schwang mich auf mein Farblich auf mich abgestimmtes Motorrad. Auf einen Helm verzichtete ich aus Prinzip. Er störte nur und verursachte mehr Schaden an meinen wunderschönen stacheligen Haar, als das er beschützte. Ich ließ das Motorrad laut durchdrehen und fuhr mit quietschenden Reifen fort. Fort von der Kirche. Fort aus dem kleinen Dorf und raus aus meinem Dienst. Extra an diesem Tag, hatte ich mir länger Zeit gelassen, um mich auf meine Schullandwoche vor bereiten zu können, ohne noch einmal ins Hauptquartier zurück kehren zu müssen.
Langsam ließ ich mich in die Einfahrt meines Elternhauses einrollen und verstaute mein Motorrad in der Garage. Ich hängte den Helm auf einen der Lenker und begrüßte den Dreiköpfigen Hund, der nicht einmal mit einem Ohr zuckte. Hades, war nach einem Dämon benannt worden, dem er abgenommen worden war. Er war ungefähr so groß wie ein Mercedes, jedoch so mager gebaut wie mein Motorrad.
Ich hatte Hades nach meinem ersten alleinigen Feldgang mit nach Hause genommen, da ich ihn niedlich gefunden hatte. Jedoch war er mir nicht ganz so treu ergeben wie seinem ursprünglichen Besitzer, den mein Mentor an diesem Tag ausgelöscht hatte.
Gelangweilt klopfte ich auf die Särge meiner Eltern, die sich schreiend darin herum wälzten.
Sie lagen schon seit drei Jahren darin, seit sie herausgefunden hatte, dass ich kein vollkommener Vampir bin so wie sie. Eigentlich hätte ich mich als ich in die Pubertät gekommen bin, sofort ebenfalls verbluten und als Vampir wieder auferstehen sollen, jedoch habe ich mich nicht einmal ein bisschen verändert. Somit wurde meinem Vater klar, dass Mutter fremd gegangen war, doch diese stritt das absolut ab. Er zettelte einen Familienstreit, der ein Clanstreit wurde an und das Komitee musste eingreifen.
Das Komitee entschlossen sich meine Eltern auf fünfhundert Jahre wegzusperren und zu versiegeln, danach sollte ich eigentlich sowieso schon lange tot sein, somit war für das Komitee auch dieser Streit beendet. Sie nahmen mich auf und bildeten mich dazu aus Geister, Dämonen und andere Kreaturen aus Paralleldimensionen zu töten, wenn diese versuchten unsere Dimension in Besitz zu nehmen. Bis jetzt ist uns das ziemlich gut gelungen, besonders da der Kontakt selbst unter Dämonen sehr spärlich war und sie selten zusammen arbeiteten. Kleine Intrigieren und vor allem verschiedene Ansichten über Rang und Tätigkeiten, waren für die übliche Bevölkerung ziemlich nützlich.
Wenn sie dennoch zusammen arbeiteten, dann waren sie nicht unser Problem, da sie sich früher oder später gegenseitig angriffen und auslöschten. Endgültig.
Ich schüttelte die letzten Reste meines Lieblings Müslis in die letzte saubere Schale und schnupperte an der Milch ob sie noch gut war. Sie roch nicht säuerlich, also füllte ich die Schüssel mit Milch an und wusch den Esslöffel ab, den ich am Morgen benutzt hatte. Zufrieden schaufelte ich die süße Mischung in meinen Mund und schmatzte laut und vor allem zufrieden. Gemächlich ließ ich mich neben den Jungen fallen, der in Trance auf dem geblümten Sofa saß und wie gebannt ein Stück Gehirn in der Hand hielt, von dem er anscheinend bevor ich gekommen war, abgebissen hatte.
„Ich liebe dich.“ Nuschelte der benebelte Junge und ich lehnte meinen Kopf an seine Schulter.
„Ach Hase, ich dich doch auch.“ Witzelte ich.
„Ich weiß ich habe dich betrogen, aber das Kind ist wirklich von dir und von niemand anderen.“
Ich tätschelte ihn liebevoll auf den Bauch. „Wirklich? Man sieht dir gar nicht an, das du schwanger bist.“
„Nein schlag mich nicht wider. Du tötest es! Nein!“
Irritiert wurden seine toten Augen wieder klarer. „Oh, seit wann bist du wieder da? Ich dachte du kämst heute später?“ Ich hob meinen Kopf von seiner Schulter und schaufelte weiter Müsli in mich. „Ich habe mir ab drei frei genommen, da morgen Klassenfahrt ist und ich noch packen muss: Und wen hattest du heute.“
Der blonde Junge betrachtete das halbe Gehirn in seiner Hand und ließ es in meine mittlerweile leere Müslischale fallen. „Irgendein Weib, das ihren Mann betrogen und angelogen hat. Ich habe sie unten am Hafen gefunden, als sie sich gerade die Pulsadern in einer Seitenstraße aufgeschlitzt hat. Hatte noch Glück, das das Blut noch nicht geronnen war. Sie schmeckt aber irgendwie fade.“
Lautstark ließ ich meine lila Plateau Schuhe auf den Glastisch fallen und rülpste laut. „Ich habe gehört das sie schwanger ist. Was ist aus dem Kind geworden?“
Er dachte kurz nach und seufzte. „Das war schon drei Tage tot in ihrem Bauch. Dafür hatte ich keine Verwendung mehr. Ihr Ex hat es tot geschlagen, darum wollte sie sich töten.“
Ich rümpfte die Nase angewidert. „Igitt... Ein totes Baby drei Tage lang herum schleppen ist ja ekelhaft. Und ich dachte schon Zombies wie du, die Gehirne fressen sind ekelhaft. Apropos... Was war der dieser Deal noch einmal, den wir geschlossen haben, Max?“
Max verdrehte genervt die Augen. „Okay, tut mir leid. Ich wusste ja nicht das du so früh kommst. Finger oder Zehe?“
Ich holte mein Klappmesser aus meiner Hosentasche und wackelte mit dem Daumen.
„Das ist nicht fair. Wie soll ich sonst zocken, wenn du gerade nicht da bist?“
Ich lächelte, packte seine Hand und schnitt ihm den Daumen ab. Er zuckte nicht einmal mit der Wimper, schrie oder verlor Blut. Das war das tolle daran ein Zombie zu sein. Man fühlte absolut nichts.
Zufrieden ging ich in den ersten Stock und warf das gute Stück in das Glas in dem ich bereits zwei Zehen, zwei Finger und nun auch einen Daumen Aufbewahrte. Schuldgefühle hatte ich bei solchen Aktionen nie. Es war lediglich jeweils ein Fingerglied, das er in ein paar Jahren sowieso nicht mehr benutzen konnte. Zombies hatten nämlich den unangenehmen Tick langsamer als normale Leichen zu verwesen. Wenn sie nach ein paar Hundert Jahren, dann endlich in ihrem Stadium waren, in dem sie nicht mehr sprechen, jedoch hören und sehen konnten, waren sie nur mehr weiß-braune Knochen von denen noch ein paar Sehnen herunter hingen. Der Traum aller Untoter: Ins Endstadium zu geraten und endlich in eine Gruft gesperrt werde, wo sie niemanden mehr etwas tun konnten. Vorausgesetzt, dass sich niemand zu ihnen hinab wagte.
Zombies ernährten sich ausschließlich von menschlichem Gehirn. Frische Zombies, die erst wenige Monate alt waren, so wie Max, mochten und brauchten noch frische Gehirne von frischen verstorben, oder lebenden. Erst nach einhundert Jahren, plus minus, fingen sie an sich nach richtig schönem trockenen verwesenden Gehirn zu sehnen und begannen Gräber zu plündern. So entstanden danach auch neue Zombies, da die Toten es nicht verkrafteten wenn ihnen Organe fehlten und die Diebe auch noch totes Gewebe auf ihnen verloren.
Zombies gab es auch erst seit dem alten Ägypten. Die Ägypter mumifizierten ihre Toten Könige und mussten dabei Organe entnehmen. Irgendwann war dort einmal einer >Ausgebüchst<, nach einer Plünderung und seit dem Besiedeln sie unseren Planeten. Sind jedoch ziemlich harmlos, solange sie regelmäßig gefüttert wurden.
Ächzend zog ich meinen Reisekoffer aus dem überfüllten Kleiderkasten und überlegte was ich wohl zusammenpacken sollte. Auf alle Fälle brauchte ich morgen etwas zum Anziehen. Ich legte mir einen Faltenrock, ein neongrünes Longshirt und eine dazu passende Stoffweste mit Kapuze zurecht. Morgens würde ich entscheiden, welche Schuhe ich dazu anziehen würde.
Als nächstes machte ich mich daran zu duschen und in meine Sportklamotten zu hüpfen, die ich zu Hause stets trug. Meine schokoladenbraunen Haare, würde ich morgens noch glätten und herrichten, deswegen musste ich mein >Stylingzeug< ebenfalls außerhalb des Koffers belassen.
Nun war meine Kleidung daran. Ich packte Kleidung für Regen, so wie für Sonnenschein ein, da es bereits Mitte Mai war und die Sonne unbarmherzig vom Himmel brannte. Als nächstes folgten Schuhe, Handtücher, so wie Sportkleidung, die ich bestimmt brauchen würde. Meine Regenjacke stopfte ich in meinen Rucksack, den ich im Bus bei mir tragen würde.
Meine Pflegeartikel steckte ich in ein Plastiktäschchen und stopfte es an der Seite dazu. Jetzt war ich so ziemlich zufrieden.
Seufzend schloss ich den Koffer und legte mein Zeug, das ich morgen einpacken würde daneben hin.
„Erza? Bist du fertig?“
Ich nickte und wandte mich Max zu, der wie ein Besen im Zimmereingang lehnte. „Gut, bleibst du hier oder gehst du noch aus?“
Ich deutete auf meinen Jogginganzug und er lächelte aufgesetzt. „Verstehe, dann esse ich den Rest im Garten. Gute Nacht.“
Er wandte sich wieder um und torkelte wie ein betrunkener aus meinem Zimmer. Seufzend schloss ich die Türe und erfreute mich der herrlichen Stille, die sich nun im Haus befand. Natürlich sah ich von dem polternden toten Körper ab, der gerade die Stiegen, wie so oft hinunter gefallen war. Ohne funktionierenden Gleichgewichtssinn, waren Zombies nicht in der Lage sich geradeaus zu bewegen, geschweige denn Treppen hinunterzugehen. Kichernd warf ich mich auf mein riesiges Doppelbett, das früher einmal meinen Eltern gehört hatte und bettete meine Beine auf den überfüllten Koffer, der am Bettende lag. Gelangweilt zippte ich durch das Fernsehprogramm, bis ich an einem Nachrichtensender hängen blieb und schlummerte in einen Traumlosen Schlaf.
„Mein Schutzengel Mebahiah. Leite mich auf meinem heutigen Weg und wache über mich und meine Taten.“ Flüsterte ich wie jeden Morgen an meine Zimmerdecke und schob danach seufzend meine Beine aus dem Bett. Der Boden war kühl für meine erhitzten Beine und der Fernseher dröhnte laut in meinem Kopf. Murrend drückte ich den roten Knopf meiner Fernbedienung und stapfte ins Bad. Im Halbschlaf putze ich gemächlich meine Zähne und stylte meine Haare zu meiner typischen Stachelfrisur, die ich immer trug. Schnell zog ich mich noch um, bevor ich auch schon das Hupen, des Autos meiner besten Freundin vernahm. In Windeseile, schlüpfte ich in meine Turnschuhe und schleppte den schweren Koffer die Treppen hinunter. Dort angekommen dachte ich noch einmal nach ob ich auch wirklich alles hatte. Zufrieden nickte ich gab Max einen Kuss auf die Wange und schloss die Türe hinter mir ab. Jetzt war ich eine ganze Woche nicht zu Hause, der Abwasch nicht gemacht und meine dreckige Kleidung lag im ganzen ersten Stock umher. Das konnte ja witzig werden, wenn ich wieder kam.
„Erza! Hallo!“ Caro umarmte mich stürmisch und half mir mit meinem Koffer. Gemeinsam hievten wir ihn auf den Rücksitz, da der kleine Kofferraum bereits mit ihrem Koffer voll belegt war und ich setzte mich neben sie auf den Beifahrersitz.
Freudig lachten wir bei der kurzen Fahrt zur Schule. Uns gingen fast nie die Gesprächsthemen aus, selbst wenn wir sie bereits zum vierten mal durchgingen. „Sieh mal, ich glaube wir sind die letzten. Sie räumen bereits den Bus ein.“ Caro fluchte und drückte auf das Gasbetel um einem Auto, die Vorfahrt zu nehmen und parkte sich schräg auf den Parkplatz. „Ich trage derweilen die Koffer hin,du parkst dich besser woanders ein.“
Caro nickte und ich hob geschwind die Koffer aus dem kleinen Wagen. Mühsam zog ich sie hinter mir her, bis mir einer der Lehrer zur Hilfe kam. „ Erza, wo ist Caro? Ihr seid zu spät und außerdem die letzten.“
Ich betrachtete den alten Lehrer, der einmal im Geheimdienst gearbeitet hatte, bei dem ich nun angefangen hatte und deutete hinter mich. „Sie parkt noch besser ein. Wir sind im Stau gesteckt.“
Er blickte mich mit einem vorwurfsvollen Blick an, da er wusste das ich log und ich lächelte lediglich freundlich.
Als wir gerade den Koffer hinein schlichteten und das Verdeck schlossen, hatte Caro bereits einen Sitzplatz bei unseren Freunden ergattert. Ich schob mich neben sie und wir redeten wild durcheinander. Wir erzählten uns auf was wir uns freuten und was wir über die Herberge im Wald wussten oder erfahren hatten.
Die Fahrt an sich dauerte drei Stunden, plus noch eine dreiviertel, in der wir eine Toiletten- und Essenspause einlegten.
Die Zeit verging für mich wie im Flug. Es war das erste Mal, dass ich aus meinem gewohnten Umfeld heraus kam und das fand ich unheimlich spannend. Ich wusste zwar, dass wenn ich volljährig war, überall in der Welt herumtrudeln würde um Dämonen und Geister zu jagen, doch die zwei Jahre bis zu meinem achtzehnten Geburtstag, lagen für mich noch in weiter Ferne.
Staunend blickte ich zu dem gelben dreistöckigen Bauernhaus hinauf und klatschte begeistert in die Hände. „Caro! Wir sind endlich da!“ Sie stimmte in mein Klatschen ein und wir grinsten bis über beide Ohren. Für sie hieß es diese Woche keine Eltern und Geschwister und für mich keine Arbeit. Es war beinahe wie Urlaub. Die Lehrer teilten uns im Speisesaal in unseren Zimmern zu, woraufhin ich enttäuscht war, da ich leider das Einzelzimmer gezogen hatte. Eigentlich wollten sich Caro und ich ein Doppelzimmer teilen, doch keiner wollte mit uns tauschen. Nicht einmal der Außenseiter.
Murrend schleppte ich meinen Koffer in den dritten Stock und sah den anderen sehnsüchtig hinterher, wie sie sich freuten ein Zimmer mit ihren Freunden zu haben. Enttäuscht warf ich meinen Koffer in mein Einzelzimmer, das ausschließlich aus Holz und Stoff bestand. Hier gibt es nicht einmal Steckdosen! War mein erster Gedanke als ich mich umsah. Selbst die Lampen waren im Holz eingeschlossen und spendeten nur spärlich Licht. Wütend schlichtete ich meine Kleidung ein und zog mich für das verspätete Mittagessen um.
Vor meiner Türe stand bereits Caro und wollte gerade klopfen. „Timing! Kommst du?“ ich kicherte und folgte ihr hinunter in den Speisesaal von vorhin. Wir setzten uns mit mehreren Leuten aus meiner Klasse an einen Tisch und genossen die Häppchen die überall verteilt waren. Als wir fertig waren, hielten die Lehrer eine Ansprache, zu der sogar der Besitzer erschien.
„Kinder! Ich freue mich euch alle, als Gast in meinem bescheidenen Haus willkommen heißen zu dürfen. Es tut mir leid, dass ich euch nicht nach gewohnter Art des Hauses mit gutem Schmaus verwöhnen konnte, doch wir hatten Lieferprobleme und deswegen verzögert sich alles ein wenig. Jedoch verspreche ich, dass dafür meine Frau heute Abend etwas großartiges Zaubern wird. Also bitte, fühlt euch wie zuhause, macht aber nichts kaputt und genießt die Sonne!“ Der Lehrer winkte ab und die Schüler verkündeten, das ihnen das was da war gereicht hatte. Freudig erkundigten sich alle, welche Aktivitäten es zu sehen gab und der Hausherr versprach in einer Stunde mit allen einen Rundgang zu machen.
Satt und aufgeregt etwas Neues zu sehen, zog ich Caro mit mir nach draußen. Wenn wir uns schon kein Zimmer teilten, dann würden wir wenigstens den restlichen Tag miteinander verbringen.
„Sieh mal, dort gibt es Ställe.“ Rief sie begeistert und zeigte in Richtung des Berghangs.
„Was denkst du was dieser Hof für Tiere hat?“
Caro hob die Schultern und ich sah, wie sich eine Gänsehaut auf ihrem Unterarm bildete. „Caro? Alles in Ordnung?“
Schwer schluckte sie doch einen Moment später zauberte sich wieder ihr alt bekanntes Lächeln auf ihre Lippen. „Na klar, ich dachte nur ich hätte etwas ge... gehört. Sieh mal, die Jungs haben einen Fußball mit!“
War ja klar, das sie mich wieder zu ihnen zog. So schön die Aussicht auch war, Jungs interessierten sie einfach mehr.
Sofort bildeten sich zwei Gruppen die zwischen zwei Hauswände gegeneinander spielten. Nach einiger Zeit kamen sogar zwei Schüler mit Toren, die sie im Keller gefunden hatten.
„Kinder! Kommt doch bitte alle zusammen.“ Unser Klassenlehrer, befahl uns sich im Speisesaal abermals zu versammeln, schwer zum Missfallen meiner Fußballgruppe, da wir gerade am Gewinnen waren.
„Also, während meine großartige Frau das Essen zubereitet, hätte ich mir gedacht, dass ich eine kleine Rundführung mit euch mache. Ihr wolltet doch bestimmt schon einmal sehen und hören wie so ein Alltag auf einem Bauernhof ist, oder?“
Einstimmiges freudiges Geschrei brach los. Natürlich waren alle neugierig. Es war der erste Ausflug den wir hinaus aus der Stadt mit einer ganzen Klasse machten. Sonst waren wir immer nur in Zoos oder in Freizeitparks. Typische Stadtkinder eben. Um ehrlich zu sein, fand ich es äußerst beruhigend mir endlich einmal keine Sorgen zu machen. Endlich Zeit ohne auf einen Auftrag zu warten, spontan Nachts durch die Nachbarschafte fahren und einen Dämon töten, oder einen Berg besteigen und einen Exorzismus ausführen. Nicht gerade ein Teenager leben, dass sich jeder wünschte. Für mich jedoch ein trauriger und sehr geschäftiger Alltag.
Meine Eltern waren mir da nicht gerade eine Hilfe. Auch wenn ich von zwei reinrassigen und adeligen Vampiren abstammte, stimmte etwas nicht mit mir. Während andere Mädchen mit einem Vampir-Gen verbluten sobald sie das erste Mal ihre Regel bekamen, habe ich es beinahe überhaupt nicht bemerkt. Bis vor drei Jahren hatte ich noch nicht einmal Angst davor zu sterben, doch gab es wohl oder übel in jeder Familie ein schwarzes Schaf. In dieser war es ich. Dadurch das ich anders war, hatte mein Vater meiner Mutter unterstellt ihn betrogen zu haben. Zwar führten sie beide eine arrangierte Ehe, die unter adeligen Vampiren normal war, doch seinen Ehepartner betrügen und es auch noch so offen vorzuführen waren zwei paar verschiedene Schuhe.
Aus der kleinen Familienstreiterei war ein Clankrieg ausgebrochen und somit musste sich die Organisation einschalten. Sie verbannten meine Eltern für fünfhundert Jahre in ihre Särge. Die waren magisch versiegelt, sodass sie sich selbst, wenn auf die beiden vergessen würde, sie sich automatisch öffneten. Sobald dies der Fall sein wird, würden schwach und abgemagert aus ihren Särgen steigen und erst einmal Blut brauchen, doch auch das würde sich ändern. Ich würde schon lange unter der Erde liegen, wenn sie sich wieder versöhnten. Trotz allem konnte ich aber nicht sagen das ich sie vermisste. Sie waren stolze und unglaublich besitzergreifende Persönlichkeiten. Nicht gerade die beste arrangierte Ehe, aber die letzten zweihundert Jahre waren sie gut miteinander ausgekommen, bevor Mutter mit mir Schwanger geworden war.
„Sieh mal! Im See schwimmen Enten!“ Meine Aufmerksamkeit wurde auf einen kleinen See gelenkt, der sich am Fuße des Berges gebildet hatte.
„Das ist unser Bergsee. Zumindest nennen wir ihn so. Vor drei Jahren...“ Weiter hörte ich schon überhaupt nicht mehr zu. Warum sollte es mich interessieren, wer wann das Wasser besucht, gesegnet oder sonst was hatte. Auf alle Fälle war es für Vampire nicht sonderlich geeignet. Auch, wenn geweihtes Wasser uns nicht tötete, verbrannte es unsere Haut und war nicht gerade zum Verzehr geeignet. Außerdem hatte es auch Vorteile ein Vampir zu sein. Sie brauchten keine feste Nahrung, Arme und Beine wuchsen bei Verlust nach, ein Genickbruch war so etwas Ähnliches wie Ohnmacht und lediglich ein abgetrennter Kopf, gezogene Fangzähne und ein herausgerissenes Herz führten zum >Wahren tot<. Genauso war es auch bei mir, nur dass ich keine Fangzähne besaß und ich feste Nahrung zu mir nehmen musste. Aber nur in geringen Maßen.
„Wie wäre es wenn wir uns auf eigene Faust einmal etwas umsehen?“ Schlug Caro mit einem Funkeln in ihren bernsteinartigen Augen vor. Noch bevor es jemand bemerkte, verschwanden wir wieder im Hauptgebäude und sahen uns dort um. Über einen Keller betraten wir den Lieferentenraum. Unendlich viel von Gemüse und Fleisch lag hier herum.
„Riechst du das?“ Ich schnupperte in der Luft und Caro tat es mir gleich. Tatsächlich stimmte etwas nicht. Es roch im abgekühlten Raum sauer, als wäre alles bereits abgelaufen. Vorsichtig betastete ich eine dunkle Kartoffel, die quatschend nachgab und ihre Innereien enthüllte. „Igitt das ist ja eine Tomate! Wie lange ist das denn alles schon abgelaufen?“
So viel zu >Lieferverzögerungen<. Es sah nicht so aus, als würde irgendjemand hier noch etwas einliefern. Verwirrt über den überaus verstörenden Fund, zogen wir uns aus dem Keller zurück und gingen nach vorne zum Haupteingang.
„Mal sehen was wir hier noch so finden!“ meinte Caro. Lachend öffnete sie die Türe und blickte sich um. Niemand zu sehen. Plötzlich wurde ich unruhig. Etwas passte hier absolut nicht zusammen. Es gab nur einen Bauern hier im ganzen Haus und der führte uns herum. Trotzdem war es hier blitzblank sauber? Die Lebensmittel waren alle verdorben und erst jetzt fiel mir der Staub an vielen Stellen auf, wo jeder vernünftige Mensch darüber wischte
Ich deutete Caro hinter mich zu gehen und tastete nach dem gut verborgenen Hammer an meiner Hüfte. So leise, dass nicht einmal ein Lykaner mich gehört hätte, schlich ich auf die andere Seite des Eingangbereiches und lugte durch die Türe. Ich deutete Caro das sie still dort warten sollte und sah mich in den restlichen Etagen um. Ich fand keine Menschenseele. Nicht einmal in der Küche sah es so aus als wäre dort jemand seit längerer Zeit gewesen.
Fluchend darüber warum ich immer in solche Situationen kam, schlug mir ein ekel erregender Duft entgegen. Ich wandte mich um und durchsuchte sämtliche Zimmer in den oberen Stockwerken. Als ich wieder in die Küche zurückkehrte, wo ich meinen erfolglosen Rundgang begonnen hatte, sah ich einen Schatten.
Dort stand der Bauer und schob gerade den überdimensionalen Kühlschrank mit Leichtigkeit beiseite. Da war mehr im Spiel als nur ein normaler Bauer.
Mit einem dicken Grinsen im Gesicht öffnete er eine Tür die vorher noch sehr gut verborgen gelegen hatte und ging hinunter ohne sich Sorgen zu machen, dass ihn jemand sehen konnte. Verdammt sie musste nachsehen, ob bei den anderen alles in Ordnung war. Wo war überhaupt Caro ab geblieben? Hatte er sie etwa gesehen, als er wieder gekommen war?
Ein plötzlicher hoher Schrei ließ mich zusammen zucken. Das war Caro. Ich sauste in Windeseile die Stiegen hinauf ins Erdgeschoss und hinaus in den Garten. Dort war niemand. Noch ein Schrei erklang. Ich folgte ihm bis hinauf zu den Ställen. Nur etwas war anders an diesem Stall, als an denen die ich von Bildern kannte. Überall lagen Körperteile herum und sogar an der Decke hingen Blutreste die herunter tropften. Entsetzt blickte ich mich um. Jedes Detail brannte sich in meinem Gehirn fest. Nichts von all dem werde ich jemals vergessen können. Menschliche Überreste vermischten sich mit denen der Kühe. Verschiedene Hautfetzen hingen irgendwo herum, wo man normalerweise nicht hinkam und entsetzte Augen kullerten am Boden herum wie Murmeln. Caro lehnte an einem Balken und war kreidebleich wie ein Vampir. Ironie...
Ich griff nach Caro und schrie auf sie ein, doch sie hörte mich nicht. Nahm mich nicht wahr. Ein tiefes Knurren stieg ihrer Kehle hoch und sie fletschte die Zähne. „Caro! Nein, nicht jetzt. Komm endlich. Wir müssen hier weg.“ Doch sie ignorierte mich einfach. Ich fühlte dass sich etwas, oder jemand anderes dem Stall näherte und fing meinerseits zu Fauchen an. Sie blickte mir entsetzt ins Gesicht, als sie meine blutunterlaufenen Augen sah und löste sich aus der Starre.
„Lauf! Hol Hilfe.“
Meine Stimme war nicht mehr meine Stimme. Sie war krächzender und rauer. Rau wie Sägepapier. Ich fühlte wie meine Fangzähne aus meinem Oberkiefer schossen und Caro lief schreiend aus dem Stall. Seltsam das ich ausgerechnet jetzt meine Fangzähne ausbildete, wo ich doch eigentlich schreiend davonlaufen sollte. Ich trat ebenfalls aus dem Stall und erblickte den Bauern. Er grinste mich mit einem widerlichen anzüglichen Blick an, das mir schlecht wurde.
Der Bauer zwinkerte einmal und im nächsten Moment starrten mich schwarze seelenlose Augen an. „Dämon!“ Zischte ich als würde ich etwas Auswürgen und machte mich zum Angriff bereit.
Ich wusste nicht welchen Rang er besaß, oder ob er überhaupt zu töten war. Wenn ja, dann wie? Woher konnte ich wissen welcher Dämon in dem Bauern dort drinnen steckte. So weit war ich mit meiner Ausbildung noch lange nicht.
„Ein Vampir der menschlich ist. Wie niedlich. Ich könnte tatsächlich eine Nachspeise vertragen.“ Er leckte sich die Lippen mit einer gespaltenen Schlangenzunge und ich versuchte nicht zu würgen. Langsam griff ich nach meinem versilberten Hammer und ließ ihn zwischen meinen Fingern kreisen.
Sein Lächeln wurde noch breiter.
Plötzlich hörte ich einen fürchterlichen Krach, als wäre etwas explodiert und erschrak, als ich sah, dass aus dem Wohngebäude Rauch aufstieg.
„Schade, ich hätte gerne noch etwas gespielt. Aber mein Meister ist erwacht. Ich sollte dich ihm als Beilage bringen. Deine gespaltene Seele passt bestimmt perfekt dazu. Es wird ihn stärker machen!“
Ein Dienerdämon und auch noch ein mächtiger. Ich hatte keine Chance, wenn sein Meister sich tatsächlich in dieser Welt manifestierte.
Der Dämon blickte noch sehnsüchtig zum Hauptgebäude zurück, als ich mich in Bewegung setzte und einen Angriff vortäuschte.
Durch meine zierliche und kleine Gestalt, schaffte ich es mühelos zwischen seinen Beinen hindurch zu rutschen und zertrümmerte ihm dabei das rechte Knie.
Schreiend prallte er auf den Boden und hielt sich das Knie. „Mensch sein ist doch nicht so schön, oder?“
Er zischte etwas in der Dämonensprache, die ich nicht verstand aber wie knisterndes Feuer klang.
„Nenn mich einfach Ezraela, du Schoßhund eines Verdammten...“ Der Rest meiner Stimme brach, als ich mit voller Wucht auf Kopf des bereits toten Körpers einschlug und ihn unbrauchbar für den Dämon machte. Er wurde sofort mit einem explodierenden Geräusch, in seine Dimension zurück gezogen.
Mit zitternden Körper lief ich zurück zum Bauernhaus, das bereits in Flammen stand.
Ich hatte soeben einen Menschen getötet. Ich wusste ja, dass wenn der Dämon von selbst gegangen wäre, er den Körper automatisch zerstört hätte, jedoch machte es das für mich nicht leichter. Einen Dämon zu töten, war für mich etwas anderes, als eine unschuldige Seele zu rauben.
Verbittert riss ich die Türe auf und mir stockte der Atem. Mitten im Raum, wo vorher noch ein riesiger Teppich gelegen hatte, war nun ein Pentagramm. Es war unter dem Teppich verborgen gelegen gewesen, doch die Flammen hatten bereits sämtlichen Stoff gefressen.
In der Mitte des Pentagramms saß eine schwarzer Krähe und beobachtete mich mit wachsamen Augen.
Als die Krähe den Schnabel öffnete, kam ein Geräusch daraus hervor, als würde jemand mit den Fingernägeln über eine Tafel fahren. Eine Gänsehaut überzog meinen Rücken und mir wurde übel.
Ein waschechter Dämon aus einer anderen Dimension, manifestiert durch große Opferungen in unserer Dimension.
Wie sollte man so etwas töten?
Das Siegel! Natürlich. Es durfte nicht zerbrechen, ansonsten würde er sich hier in unserer Welt ohne Einschränkungen frei bewegen können.
Das Siegel war außerhalb des Pentagramms in die Fließen geritzt worden. Wenn die Fließe brach, dann brach auch das Siegel. Es würde sich nur mehr um Minuten handeln, bevor die Hitze die Fließe erreichte. Fluchend ging ich um das Pentagramm herum und versuchte nichts zu beschädigen. Die Flammen hatten schon einige Teile des Pentagramms beseitigt, doch wenn er es frühzeitig verließe, müsste er wieder zurückkehren in seine Dimension.
Ich suchte das Münztelefon, das ich bei meiner Ankunft entdeckt hatte und ritzte mit meinem Klappmesser eine Rune ein, dass es direkt Kontakt zum Hauptquartier aufnahm.
„Hauptquartier?“ Meldete es sich im Hörer.
„Erza hier. Ein Dämon versucht sich gerade in unserer Dimension zu manifestieren. Schickt sofort eine Spezialeinheit...“ Der Kontakt war fort, genauso wie das Münztelefon. Ich hielt lediglich den Hörer in der Hand und betrachtete einen Arm, der neben meinem Kopf in der Wand geschlagen war.
Das Siegel war gebrochen...
Schluckend drehte ich mich langsam um und klammerte mich in meiner Todesangst an den Hörer wie ein ertrinkender an einem Ast.
„Du hast meinen Diener getötet.“ Knurrte er Zentimeter von meinem Gesicht entfernt. Verfaulter Atem aus einer anderen Dimension schlug mir entgegen und mir wurde wieder schlecht.
„Gut beobachtet Scherlock.“ flüsterte ich halblaut und wünschte mir ich hätte einfach den Mund gehalten.
Ein Lächeln zog sich über die dünnen Lippen des Mensch gewordenen Dämons und ich hörte wie neben mir der Verputz von der Wand rieselte, als er die Hand aus diesiger zog.
Seine hellgelben Augen wanderten geschwind über meinen Körper, bevor er den Kopf abwiegend hin und her schaukelte.
„Ich brauche einen neuen Diener.“
In meinem Kopf begann eine panische Schleife.
Bittenichtich.Bittenichtich.Bittenichtich.Bittenichtich...
„Dein Name?“
Ich schwieg. Warum sollte ihn das interessieren? Vielleicht brauchte er ihn um einen Diener aus mir zu machen? Ein Grund mehr ihn nicht zu sagen.
Bittenichtich.Bittenichtich.Bittenichtich.Bittenichtich... war das einzige das ich in meinem panischen Kopf lies.
Auf einmal veränderte sich sein freundlicher Blick zu einem verführerischen. Seine Haltung wurde ebenfalls lockerer und er lehnte sich mit der anderen Hand gegen die Wand hinter mir. Somit bildete er einen schützenden Käfig um mich. Weniger schützend als mehr >einsperrend<.
Ich schluckte schwer und versuchte mich zu konzentrieren. Ich hatte gerade einen höhergestellten Dienerdämon getötet, aber nur weil ich seinen menschlichen Wirt unbrauchbar gemacht hatte. Was kam jetzt?
Sein Meister war bereits in unserer Welt manifestiert, durch und durch. Nichts konnte ihn mehr zurückschicken, außer man bekam sein Siegel wieder auf seine Haut zurück. Doch das war unmöglich. Er war hier her gewandert, mit all seinen mächtigen Gaben.
„Deinen Namen mein Engelchen.“ Stimmt der Name! Vielleicht hatte er irgendwelche Schwächen oder es gab etwas hier in unserer Dimension, womit wir ihn töten konnten. Was wusste ich über ihn?
Er war in Gestalt eines Raben mit roten Augen erschienen. Ich kannte sein Siegel und wusste, er hatte eine menschliche Form. Doch leider gab es zu viele Dämonen, die menschliche Formen annehmen konnten.
„Nenn mir zuerst deinen.“
Er setzte ein amüsiertes lächeln auf und mir wurde ganz heiß im Gesicht. Ein Blick hinter ihm genügte um zu wissen, das er die Flammen bereits gelöscht hatte, also konnte es daran nicht liegen.
„Kleiner Mensch, als würde ich dir erlauben meinen Namen in den Mund zu nehmen.“
Ich musste Zeit schinden, damit die anderen mich retten konnten. „Dann kann er gar nicht so wichtig sein, wenn ich dich nicht einmal kenne.“
Das brachte mir ein Zähneknirschen ein.
Verdammt Zeit schinden und nicht verärgern! Mahnte ich mich innerlich.
„Ich könnte dir auch einfach das Genick brechen, dann wärst du genauso nützlich, als wenn du hier so verängstigt herumstehst.“
Monster! Fluchte ich innerlich. „Wer sagt denn das ich vor dir Angst habe?“
„Wovor sonst?“ Kam sofort seine Gegenfrage.
„Vielleicht vor der Spezialeinheit, die bereits auf dem Weg hier her ist und dich auslöschen wird und mich bestrafen wird, weil ich es nicht verhindern konnte, das du deinen widerlichen Körper hier manifestierst.“
Eigentlich stimmte das auch, aber ich war noch nicht vollkommen ausgebildet und daher konnte ich es unter keinen Umständen verhindern.
„Du brauchst mir nicht zu schmeicheln meine Schöne. Ich werde dich sowieso am Leben lassen, aber nur aus Neugierde.“
Ich blickte ihn nun verwirrt an. „Neugierde?“
Er nickte und drängte mich bis an die Wand zurück. Ich saß in der Falle wie ein Hase im Käfig. Jedoch konnten Hasen beißen. Ich konnte mich ebenfalls wehren.
„Ich will wissen was aus dir wird. Ich fühle etwas, das ich nicht kenne wenn ich dich ansehe. Gibt es noch andere Menschen wie dich dort draußen? Mit solch ungeheuer Kraft?“
Ich fühlte wie mir schwindelig wurde und wusste, dass ich nicht mehr lange wach bleiben würde. Das war zu viel für meinen Körper gewesen.
„Dort draußen, gibt es noch weitaus mächtigere Lebewesen als du oder ich. Das einzige was wir wollen, ist in Ruhe gelassen werden, darum verscheuchen wir euch ja auch mit allen Mitteln.“ Okay... Das war etwas geflunkert, aber es war ja auch nur ein Dämon, wenn auch ein ungeheuer starker.
„Du lügst. Aber das ist egal, ich muss jetzt sowieso meine Kräfte auffüllen, deine möchte ich nicht völlig verbrauchen. Ich will dich ja wiedersehen.“ Plötzlich erhellte ein Lächeln ,das völlig aufrichtig zu sein schien sein Gesicht und im nächsten Moment sah ich überhaupt nichts mehr. Sein Gesicht hatte meinem Blickfeld sämtlichen Raum genommen. Etwas ungeheuer weiches lag auf meinen Lippen, das sich anfühlte wie eine Feder, nur fester. Mein Herz raste und durchblutete mein Gehirn so stark, das ich keinen klaren Gedanken fassen konnte und nur von dem Dämon aufrecht gehalten wurde.
Der Dämon sank langsam mit mir auf den Boden und lehnte mich im Sitzen an die Wand. Er kontrollierte noch ob ich auch sitzen bleiben würde und nicht sofort umkippen würde und nickte als er zufrieden zu sein schien. So saß ich da und betrachtete die hellgelben Augen, die mich immer noch anblickten, als wären sie glücklich. Konnte ein Dämon überhaupt glücklich sein?
Sie imitierten doch immer nur Gefühle, aber empfanden sie nicht selbst.
Im nächsten Moment regnete es schwarze Federn einer Krähe herab und irgendwo in der Ferne hörte ich ein krächzten.
Plötzlich standen in schwarz gekleidete Menschen vor mir und redeten auf mich ein. Sie untersuchten mich auf Verletzungen und fragten mich nach den Ereignissen. Ich konnte jedoch nicht sprechen. Ich konnte noch nicht einmal verarbeiten was da passiert war.
War das alles ein Traum gewesen? Ein böser Traum aus dem ich sogleich aufwachen würde? Irgendjemand musste mich dringend wecken. Das war doch ein Albtraum.
Nein, das würde ich nicht. Mein Mentor beugte sich mit besorgten Gesichtsausdruck über mich und half mir auf meine schlotternden Beine. Als er merkte, dass ich nicht stehen konnte, hob er mich auf seine Arme und schien als erwartete er eine Schimpftirade. Die jedoch blieb aus. Ich versteckte mein Gesicht an dessen Brustkorb und fing an zu weinen. Stumme Tränen die mein Gesicht hinab liefen.
Ich fühlte, dass ich in ein Auto gesetzt wurde und irgendwann auch wieder ausstieg. Die ganze Zeit hielt mich mein Mentor im Arm und wischte mir meine stummen Tränen ab.
Warum weinte ich eigentlich? Warum schrie ich nicht wie gewöhnlich herum, oder freute mich zumindest, dass ich einen höherrangigen Dämon überlebt hatte? Auch wenn er mich eigentlich nur verschont hatte.
Ich hob meine schwache Hand und hielt sie an meine Lippe. Das weiche Gefühl darauf war immer noch da, doch ich konnte es nicht zuordnen. So etwas Weiches hatte ich noch nie berührt.
„Erza? Erza? Was ist? Hast du schmerzen? Kannst du sprechen?“
Ich hörte wieder.
Verwirrt blickte ich mich um und blieb in den schimmerten hellbraunen Augen hängen, die mein Gegenstück bildeten.
„Mummy?“
Mein erstes Wort. Das erste Wort das ich jemals gesprochen hatte. Das erste Wort das ich jetzt seit Stunden von mir gab.
„Nein, Erza. Ich bin es Kimberly, deine Ärztin. Weißt du wo du bist?“
Plötzlich stürzte alle Erinnerungen auf mich ein wie ein Wasserfall. Ich sah das Blut, so viel Blut...
„Ein Dienerdämon hat sie alle getötet. Meine ganze Klasse. Alle meine Freunde!“
Die Ärztin drückte mich mit liebevollem Nachdruck ins Bett zurück, in dem ich lag und lächelte mich freundlich an.
„Wir haben sie gefunden. Auch Caro haben wir gefunden. Sie ist in einem Erdloch gesteckt und konnte sich nicht befreien. Sie hat uns schon einiges Erzählt, aber sie weiß nicht so viel wie du. Wie hast du das nur überlebt?“
Gerade einmal so...
„Die Einheit hat mich gerettet.“ Nuschelte ich und versuchte mich an das weiche Gefühl zu erinnern.
„Nein, sie haben dich nur Aufgegabelt. Du warst alleine dort.“
Ich schüttelte meinen Kopf in der Hoffnung, dass die Benommenheit weg ginge.
„Nein, sein Meister war bei mir. Ein Dämonenfürst, denke ich. Er hat mir seinen Namen nicht gesagt.“
Die Ärztin ergriff meine Hand und drückte sie. „Ich hole deinen Mentor. Erzähl ihm alles, in Ordnung?“
Es dauerte für mich nur einen Wimpernschlag, bevor mein Mentor vor mir stand und mich ebenfalls freundlich anlächelte. Ich musste ja wie eine Geistesgestörte wirken, wenn mich alle behandelten, als würde ich zerbrechen.
„Erza. Wie geht es dir?“
Ich erzählte ihm alles. Ich erzählte ihm sämtliche meiner Eindrücke und alles an was ich mich noch erinnern konnte, nur eines ließ ich aus. Und zwar das mich ein Dämonenfürst geküsst hatte.
Es waren bereits zwei Jahre vergangen.
Wirbelstürme häuften sich. Erdrutsche verschlangen ganze Dörfer und der Meeresspiegel stieg. Es häufte sich zwar alles nur äußerst langsam, doch jeder wusste was passierte.
Wenn sich zwei Dimensionen direkt trafen, dann entluden sich Energien dazwischen. Mutter Natur versuchte die viele Negative Energie, die der Dämon vor zwei Jahren mitgebracht hatte wieder loszuwerden zu bekommen. Jedoch bis jetzt ohne Erfolg. Die meisten Einheiten konzentrierten sich darauf, einen Dämon mit gelben Augen oder eine Krähe mit roten Augen zu finden.
Die anderen Dämonen hatten mit ihren Angriffen pausiert. Sie kamen zwar immer noch regelmäßig, jedoch nicht mehr in großer Anzahl.
Was ich gemacht habe in dieser Zeit? Ich bin erwachsen geworden. Ich bin wütender geworden und es gab nur mehr einem Lebewesen, dem ich bedingungslos vertraute.
Der Lykaner sprang ohne große mühe über meinen Kopf hinweg auf das Dach des einstöckigen Hauses, packte den Schlammdämon und warf ihn zu mir hinunter. Ich ließ meinen zwanzig Kilo Hammer einmal in der Luft rotieren, bevor ich ihn mit voller Wucht auf den Dämon niedersausen ließ. Er zersprang in sämtliche Einzelteile und löste sich auf.
Der Lykaner landete mit einem Knurren neben mir und blickte angewidert auf seine angekokelten Krallen. „Widerlich!“ Knurrte dieser.
Ich wischte meinen Hammer ab und ließ ihn an meiner Rückenschnalle einschnappen.
„Warum musst du sie immer gleich töten? Wir könnten sie doch auch einfach befragen.“ Beschwerte sich nun eine weibliche Stimme. Ich hielt ihr den Rucksack hin und sie zog ihre Kleidung daraus hervor.
„Was sollte man mit einem verlogenen Dämon besprechen Caro? Sie sind doch alle gleich. Was sollte es mich überhaupt interessieren, was sie zu sagen haben?“
Caro hob beschwichtigend die Arme und besah sich abermals ihre verkohlte Hand.
„Schon gut, Schatz. Ich sag ja nichts mehr.“ Sie warf sich die Leere Tasche über die Schulter und wischte sich beiläufig die Hand in einer Pfütze ab, die vor wenigen Stunden durch einen fürchterlichen Platzregen entstanden war.
Ich stieg auf mein Motorrad und Caro hielt sich hinter mir an meiner Lederjacke fest. Stumm fuhr ich wie ein Wahnsinnige über die Autobahn, die ich eigentlich überhaupt nicht befahren durfte, doch durch meinen aufgemotzten Motor, konnte es mir völlig egal sein. Kein Streifenwagen der Welt konnte mit mir Mithalten.
Nach kurzer Zeit hörte ich hinter mir eine Sirene, doch die verklang so schnell wie sie gekommen war.
Schnurrend rollte mein Baby in die Garage des Hauptquartiers ein und ich stellte es auf seinem üblichen Parkplatz ab.
Caro stöhnte lautstark und schöpfte Atem. „Puh, für einen kurzen Moment, hatte ich schon gedacht du hättest vergessen, das ich hinter dir sitze.“
Das hatte ich tatsächlich.
„So laut wie du in jeder Kurve schreist, kann ich dich gar nicht vergessen.“ Sie knurrte mich halbherzig an und begann die Kellerstiegen hinauf zu gehen. Sie tapste mühelos hinauf, so wie es in ihrer Natur lag.
Ich hasste die Lykaner für ihre Eleganz. Missmutig stapfte ich mit mein Plateaustiefel hinauf und ging an meinen Gesichtslosen Arbeitskollegen vorbei.
Seit zwei Jahren ließ ich niemanden abgesehen von meinem Mentor und natürlich Caro an mich heran. Meine ganze Klasse war ausgelöscht worden und ich trug Schuld daran. Ich war nicht stark und schnell genug gewesen, hatte die Zeichen nicht erkannt. Jetzt war es zu spät dazu. Ich konnte nur mehr die zukünftigen Menschen in meiner Umgebung retten. Das ging nur, wenn ich mich von ihnen fern hielt.
Gähnend schaufelte ich mir Unmengen an Spagetti auf den Teller und setzte mich auf einen Tisch weit weg von den anderen. Caro folgte mir sogleich.
„Weißt du...“ begann sie bevor sie sich eine große Portion Lasagne in den Mund schaufelte. „... es wäre nett zumindest hin und wieder einmal Gesellschaft beim Essen zu haben, oder?“
Ich blickte sie finster an und deutete zu den anderen Sitzplätzen. „Dann geh und unterhalte dich.“
Zu spät. Ein drittes Serverblech landete lautstark neben mir und ein breiter Körper ließ sich auf den zerbrechlichen Plastikstuhl fallen.
„Hi, Mädels. Na was gibt es neues?“
„Shiruk! Wie schön das du uns auch einmal mit deiner Aufmerksamkeit ehrst. Ich dachte schon du dürftest überhaupt nicht mehr von Sarahs Seite weichen. Wusste schon gar nicht mehr wer wer ist.“
Shiruk, winkte beleidigt ab. „Ich weiß sie ist anhänglich, aber jetzt übertreibst du.“ Caro kicherte. „He, ich sage dir nur die Wahrheit weil ich dein Freund bin.“
Er bewarf sie halbherzig mit Salat und sie lachten beide. Caro lief ihm schon hinterher, seit sie hier angefangen hatte. Er war so etwas wie ihre große Liebe, auch wenn sie es sich selbst nicht eingestand. Für sie war er der Perfekte Lykaner. Stark, ausgeglichen und trotz seinem massigen Auftreten, elegant und lautlos, selbst im Unterholz.
Caro war ja eigentlich auch hübsch und klug. Sie konnte sich bestimmt noch andere anlachen, wenn sie nur wollte. Das erinnerte mich plötzlich wieder an mich und meine Probleme. Ich würde ewig Single bleiben, wenn diese Mistratte nicht bald starb.
Knurrend erhob ich mich und sah noch wie Shiruk auf meinen Platz rutschte um besser mit Caro reden zu können, bevor ich wütend wie ich war, ins Kontrollzentrum hinauf fuhr. Ich erkundigte mich nach Neuigkeiten und las mir Zeitungsberichte nach Ungewöhnlichkeiten durch. Doch nichts Neues. Überfälle und seltsame Sichtungen häuften sich zwar, doch nichts was mich auch nur annähernd interessierte. „Gibt´s neue Fälle?“ Fragte ich Sarah, die gerade konzentriert dem Wetterbericht folgte. Sie deutete nur hinter sich auf ihren Schreibtisch und ich ging auch diese Akten durch. Nichts... Nur ein paar kleinere Dämonen die wie immer Unsinn anstellten. Plötzlich stach mir ein Bericht in die Augen, den ich nicht ignorieren konnte. Ich merkte mir was sich im blauen Ordner befand und legte ihn zum >erledigt< Stapel hinzu. So schnell wie mich meine Beine trugen, sprang ich die Stiegen, bis in die Tiefgarage hinunter und startete den knurrenden Motor. Sofort gehorchte es meinem Willen und ich wendete im Stand. Mit einem Affenzahn darauf, fuhr ich aus der Garage und reihte mich, ohne auf den Gegenverkehr zu achten, oder auf deren Proteste, einfach in den Verkehr ein.
So etwas wie Geschwindigkeitsbeschränkungen gab es für mich nicht. Oder Ampel und Stopp-Tafeln. Wer brauchte das schon? Die Menschheit würde wesentlich schneller voran kommen, wenn man nicht ständig Rücksicht nehmen müsste. Jedoch wären wir dann wohl auch wieder im Mittelalter angelangt.
Nach einer Einstündigen Fahrt, fuhr ich langsam die mir wohl bekannte Auffahrt hinauf. Es hatte sich nichts verändert. Der Rasen war gleich hoch, wie immer, die Blumen zurechtgeschnitten und die Fassade sauber. Nichts schließt darauf das ich schon seit eineinhalb Jahren nicht mehr hier gewesen bin. Mit zittrigen Fingern angelte ich meinen Hausschlüssel aus meiner Jackentasche und drehte das Schloss um. Einmal. Ein zweites Mal. Klick.
Mit unsicheren Händen öffnete ich die Türe und staunte nicht schlecht. Sieben Zombies saßen umringt von Leichen in meinem Wohnzimmer und aßen genüsslich. „Im ernst jetzt? Du feierst hier Partys?“
Der erste Zombie, ging auf mich los, doch ich schlug ihn einfach meinen kleineren Hammer auf den Kopf. Er fiel >endgültig< tot um. Mit einem schmatzenden Geräusch zog ich meinen Hammer aus dessen Kopf und machte einen angewiderten Laut. Wie hasste ich verwesende Zombies. Die waren immer so matschig im inneren.
Die restlichen fünf gingen ebenfalls auf mich los, doch ich schlug sie ohne großartige Anstrengung nieder.
Fauchend sprang ich aus dem Stand auf das Geländer im ersten Stock und blickte in zwei seelenlose tote Augen. „Max! Was soll das?“
Max blickte mich an als würde er mich nicht mehr kennen und schmatzte als er mich sah.
Verdammt, sein Gehirn war dabei zu verwesen. Deswegen funktionierte das Gedächtnis auch nicht mehr.
„Tut mir Leid, Schatz. Aber ich muss dich leider auch töten. Du bist ein Sicherheitsrisiko.“
Max stürmte schreiend auf mich zu und schnappte nach meiner Hand. Ich war mit einem Satz über ihn und kam hinter ihm zum Stehen. Mit einer geschmeidigen Bewegung, riss ich ihm den Kopf ab.
Der Rest des Körpers fiel nutzlos auf den Boden. Der Kopf schnappte immer noch nach mir und ich lächelte. „Das war der Deal, mein Lieber.“ Ich trug den tollwütigen Kopf in mein Schlafzimmer und warf ihn in das Glas mit den Fingern, die bei Kontakt mit diesem wild zu wackeln anfingen. „Interessant.“
Ich schraubte den Deckel darauf und verhinderte gerade noch, dass einer von den Finger abhaute.
Kichernd trug ich mein Glas hinunter ins Erdgeschoss und blieb bei der Kellertüre stehen.
„Hades?“ Er knurrte von unten. „Komm rauf, wir gehen.“ Er musste hören, ob er wollte oder nicht.
Der Dreiköpfige Hund kam Blutverschmiert die Stiegen hoch und verließ hinter mir brav das Haus.
Er hatte sich absolut nicht verändert. Immer noch dasselbe Kohlraben schwarze Fell, derselbe feurige Gesichtsausdruck, dieselben scharfen Zähne und sein Bauch magerer denn je. „Du folgst mir, aber so das dich die Menschen nicht sehen.“
Brav wurde er unsichtbar und lief neben meinem Motorrad her. Nach einer einstündigen Rückfahrt, die eindeutig schneller verging als die hinfahrt, stellte ich zum zweiten mal an diesem Tag mein Motorrad in der Tiefgarage ab.
Ich befahl Hades sich wieder sichtbar zu machen und er folgte mir brav hinauf ins Hauptgebäude. Es war bereits Mittag, daher schliefen die meisten bereits. Wir hatten eine etwas andere Nachtregelung als normale Menschen, da die meisten Monster nachts heraus kamen.
Caro trat an meine Seite und zeigte mir einen Bericht von einem Erdrutsch, der viele Edelsteine zum Vorscheid gebracht hatte und erzählte mir das sie vor hatte, dort hin zu fliegen und ihnen ihre Hilfe anzubieten.
Kichernd schüttelte ich den Kopf. „Ich hoffe deine Bezahlung ist dann auch gut genug.“ Sie lachte und versicherte mir dass es das war. Erst jetzt schien sie das Glas mit dem Kopf und den Hund zu bemerken. „Du sag mal, Erza... Warum folgt uns ein Dämonenhund und warum trägst du einen Zombie hier spazieren? In einem Glas.“
Ich hob den Kopf vor ihr Gesicht und lächelte breit. „Max, sag Hallo zu Caro!“ Er fing an nach ihr zu schnappen, was ihn dazu brachte ein Auge zu verlieren. „Tja. Bei deinem Anblick fallen ihm doch gleich die Augen aus.“
Caro lachte und winkte Max begeistert.
Er würde unser neues Haustier werden. „Und was ist mit Ceberus? Wie bist du an den gekommen?“
Ich erzählte ihr die Geschichte, von meinem ersten Ausflug und sie pfiff anerkennend. „Das ist ja mal eine Geschichte. Aber wie konnte Hades ihn dann kontrollieren. Wenn ein Gott zu einem Dämon wird, dann steht er ja automatisch unter dem Dämon, der ihn verwandelt hat, oder? Immerhin besitzt er keine Legionen. Er muss sie sich erst verdienen.“
„Das stimmt schon.“ Antwortete ich. „Jedoch trickste Hades Ceberus aus und brachte dessen Dämonenlegionen dazu einen Aufstand zu machen. Automatisch bekam Hades die Legionen von Satana geschenkt und Ceberus ging leer aus. Theoretisch, könnte er zwar jetzt seine Legionen zurück bekommen, doch, da ich ihn immer noch befehlige, kann er nicht zurück in seine Dimension. Er muss auf mich hören und das so lange, bis ich tot bin oder er einen neuen Herren hat, der ihn zurückschickt.“ Caro nickte verstehend. „Aber tu uns einen Gefallen und wasch ihn, bevor du ihn ins unser Zimmer lässt.“ Caro bog ab und verschwand in einem anderen Gang. Unauffällig schnupperte ich in Ceberus Richtung und rümpfte die Nase.
„Okay... Ich sollte dich wohl nicht mehr auf wilde Zombiepartys lassen“ Witzelte ich mehr für mich, als für sonst jemanden und deutete auf die Herrenduschen.
Ceberus schnaubte abfällig uns ließ sein gewaltiges Hinterteil auf den Boden knallen. „Soll ich dich etwas duschen? Das könnte weniger schön für dich werde, als wenn du es selbst tust.“ Ceberus wandte alle drei Köpfe von mir ab und schnaubte abfällig.
Mit der Zunge schnalzend, hing ich meine Jacke auf die Außenseite der Herrendusche und lugte ins Innere. Leer.
Zufrieden schob ich Ceberus, der viermal mehr wog als ich selbst in die Dusche und schloss hinter mir ab.
„Heiß? Kalt? Vorlieben an Haarshampoo?“
Ceberus knurrte abfällig, da er nicht einmal daran dachte, zu duschen.
„Dann suche eben ich aus.“
Ich schnappte mir ein stehen gelassenes Shampoo, schraubte den Verschluss herunter und kippte sämtlichen Inhalt darin auf den überdimensionalen Hund.
Ich packte das Halsband des mittleren Hundes und zog ihn dadurch bis zu den Duschen. Dort drehte ich das heiße Wasser auf und ließ den Strahl über den Körper des Hundes laufen.
Plötzlich veränderte er sich. Er wirkte überhaupt nicht mehr so abgeneigt dem Wasser gegenüber. Es schien ihm sogar zu gefallen.
Begeistert schleckte er am heißen Wasser, das bestimmt schon über fünfzig Grad hatte und ließ sich ins Wasser Plumpsen, das sich am Boden gesammelt hatte.
Zufrieden, das er so wenig Widerstand geleistet hatte, fing ich an den riesigen Hund zu schrubben. Ich benutze dazu meine beiden Hände und war nur wenige Minuten später mindestens genauso nass wie der Dämon vor mir. Seufzend zog ich mich bis auf die Unterwäsche aus und trug sie in den Nebenraum. Ceberus kullerte mittlerweile unter drei voll aufgedrehten Duschköpfen herum und jeder Kopf kämpfte um die Vorherrschaft.
Also mochten nicht nur normale Hunde Wasser, sondern auch Dämonenhunde. Kichernd zog ich noch ein paar vereinzelte trocken Fleischreste aus den Krallen, als ich ein Klopfen vernahm.
„Ja?“
„Erza?“
„Ähm... Ja?“ Verdammt, ich hatte vergessen, dass ich mich doch in den Männerwaschräumen befand.
Ich griff nach einem Handtuch und öffnete die Türe einen Spalt.
„Was machst du in der Männerdusche? Die Frauen sind den Gang hinunter.“
Ich lächelte unsicher. Was sollte ich meinem Mentor bloß sagen? Er wusste ja, das ich Ceberus behalten hatte, doch war damals nicht erfreut darüber gewesen.
„Nun ja... Also...“
mein Mentor öffnete die Türe weiter und stöhnte. „Ezraela! Was soll >das< denn? Du weißt Dämonen sind hier nicht erlaubt.“
Ich verdrehte die Augen und schloss die Türe wieder hinter mir ab. „Ja, aber Max hat mein Haus total verwüstet, da habe ich Ceberus einfach mitgenommen. Und ihn auch.“ Ich deutete auf ein Glas mit grünlicher Flüssigkeit. Mein Mentor kicherte kurz. „Mit dir mache ich etwas mit. Du bist wirklich seltsam. Du bist ein halber Vampir, befreundet mit einem Lykaner, völlig besessen von Dämonen, hältst dir sogar einen als Haustier und nun auch noch einen Zombie als Dekoration! Was soll ich nur von dir halten?“
Ich blickte ihn mit einer Unschuldsmiene an. „Nun, ja... Wenn man es so sagt bin ich tatsächlich etwas verrückt. Aber besessen bin ich nicht von Dämonen. Ich mag sie einfach nicht.“ Wer konnte mir das schon verdenken?
„Eigentlich wollte ich ja duschen, aber ich glaube das kann warten.“ Der dreiköpfige Hund warf einen Duschkopf herunter, der nun wild auf den Boden herum rutschte und durch die Luft flog. Er peitschte herum wie eine giftige Schlange, Hades bellte so laut er konnte aufgebracht den Duschkopf an und ich versuchte verzweifelt das Mistding wieder einzufangen. Als ich den Duschkopf endlich wieder kontrollierte und an seinen Platz zurück hing, sah ich gerade noch wie mein beleidigter Mentor die Türe patschnass hinter sich zuzog.
Ich verzog das Gesicht und versuchte nicht zu lachen. Da hatte er seine Dusche.
Ich machte mir nicht die Mühe wieder zuzusperren, sondern machte mich daran das Ungetüm an Hund wieder trocken zu bekommen. Wie eine Irre schrubbte ich am Hund und seinem dichten Fell herum, was ihm sehr Gefiel. Er legte sich sogar auf den Bauch und streckte alle vier von sich. Mühsam brauchte ich eine Stunde bis ich alles trocken hatte und sogar den Boden abgezogen bekam. Immer wieder tapste mir Hades in den Weg und drehte die Wasserhähne auf, bis es mir reichte und ich ihm befahl, das zu lassen.
Missmutig legte er sich vor die Türe und sah mir ruhig dabei zu wie ich versuchte alles in den normal zustand zu bekommen.
Jeden Tag werde ich das aber nicht machen! Das schwor ich mir.
Auf den Weg in mein Zimmer musste ich Hades schieben, ziehen und sogar hin und wieder treten, bis er endlich nachgab und mir von sich aus folgte. Anscheinend war er wütend, dass das Bad bereits beendet war.
„Caro... leg dir niemals einen Hund an. Die sind ja schwieriger zu erziehen als Werwölfe!“
Caro lag in ihrem Bett und kicherte. „Nimm es nicht so schwer. Du bist jetzt Mummy."
Ich blickte sie schockiert an und tat so als würde ich mich übergeben. „Mit was müsste ich den da gebumst haben um einen dreiköpfigen Dämonenhund aus mir raus pressen zu müssen?“
Caro dachte ernsthaft darüber nach und schüttelte den Kopf. „Machen wir doch lieber einen Themenwechsel. Wo ist Max?“
Ich sah mich um und griff mir frustriert auf die Stirn. „Ich habe ihn im Bad vergessen. Schaust du mal kurz auf Hades? Ich gehe ihn holen.“
Caro setzte sich auf, warf ihre Zeitschrift auf den Boden und betrachtete den dreiköpfigen Hund, der sie ebenfalls musterte. „Beißt er?“
Ich öffnete die Türe und überlegte kurz. „Nein eigentlich nicht solang du ihn nicht ärgerst. Aber sei lieber vorsichtig, wenn du dich verwandelst. Er könnte dich für seine potenzielle Traumfrau halten, so wie er dich anhimmelt.“
Caro blickte mich empört an und warf sofort ein Polster nach mir. Hades wiederum nahm unser Gespräch gar nicht erst zu Kenntnis, sondern legte sich mitten in den Raum und begann sich mit einem Kopf zu putzen, während die anderen beiden spielerisch nacheinander schnappten.
Lächelnd verließ ich den Raum und machte mich auf den Weg zum Männerbad. Dort angekommen, vernahm ich das Geräusch von fließenden Wasser. Verdammt. Fluchte ich innerlich und klopfte zögerlich an. Wieso waren Leute aus ihrer Branche um diese Uhrzeit munter? Es war genau vierzehn Uhr sieben. Da schliefen alle normalerweise tief und fest. Gegenfrage... Warum war sie überhaupt noch wach? Sie hatte schon seit zwei Tagen nicht mehr geschlafen und langsam sollte sie diesen Schlaf nachholen. Doch sie durfte nichts verpassen. Sie wollte unbedingt ihren Dämon fassen und endgültig vernichten.
Als die Türe aufgezogen wurde, riss es Erza aus ihren Gedanken. Vor ihr stand Charles. Ein gut gebauter achtundzwanzig jähriger Mann, bei dessen Aussehen normalerweise jede Frau tot umgefallen wäre. „Hi, Charles. Hast du meinen Zombie gesehen?“
Charles blickte mich an als wäre ich Geistig gestört. „Erza? Bist du wach?“ Jetzt blickte ich ihn meinerseits an als wäre er gestört. „Ähm... Würde ich sonst vor dir stehen und mich sogar mit dir unterhalten?“
Er lehnte sich lässig gegen den Türstock und lächelte mich freudig an. Er versuchte Zeit zu schinden. „Nun, ja. Ich weiß ja das viele Frauen von mir träumen. Warum nicht auch du?“
Ich verschränkte abwehrend meine Arme vor dem Brustkorb und blickte hochmütig zu ihm auf. „Also sollte ich jemals von dir Träumen, dann wirst du es als erster erfahren. Achte auf die Zeichen, wie zum Beispiel... Eine Axt im Kopf, ein Messer in der Halsschlagader oder ein Kübel voller Kotze direkt über deinem Kopf.“
Sein Lächeln wurde breiter und er trat zur Seite um mich hinein zu lassen. „Schätzchen, du bist so unglaublich... Schade das du nicht auf lebendes Fleisch stehst. Ich würde dich sofort vernaschen!“
Eine welle voller Grauen erschütterte meinen Magen und ich versuchte mich nicht zu übergeben. „Du bist so ekelhaft.“
Ich schnappte mir Max und eilte so schnell ich konnte aus dem Badezimmer. Ich hasste diesen Typen so sehr. Warum war ich nur umgeben von lauter Klugscheißer? Lag wohl an meinem beschissenen Beruf. Beschissene Jobs brachten beschissenes Personal hervor. Charles war der lebende Beweis. Jedoch waren beinahe alle Sukubi so wie er. Dauergeil und gutaussehend, jedoch wahrhaft großartige Kämpfer.
Schneller als zuvor war ich in meinem Zimmer und schloss meine Zimmertüre gerade, als es plötzlich klopfte. War jemand hinter mir gewesen?
Zögerlich öffnete ich die Türe und spielte mit der anderen Hand an meinem Klappmesser herum. „Charles, verschwinde!“
Als ich die Türe öffnete, stand nicht Charles davor, sondern der von uns so bezeichnete >Packesel<
„Hi! Ich weiß es ist spät, aber dieses Paket wurde für dich abgegeben.“ Ich betrachtete das schlicht gehaltene weiße Papier, das um eine riesige Schachtel gewickelt war und nahm ihm den Brief ab der sich darauf befand. Verwundert öffnete ich den Umschlag und darauf stand in großer Schrift >Einladung<
Eine Einladung? Von wem? Ungeduldig entfaltete ich das Stück Papier. >Ehrenwerte Miss Ezraela! Hiermit lade ich Sie herzlichst ein, als meine Begleitung auf den altbekannten Maskenball von Thoringen. Ich habe mich dazu leiten lassen, Ihnen bereits ein Kleid für diesen Abend bereit zu legen.
Herzliche Grüße Sir Archbald<
„Archbald? Was will unser Chef den?“
Ich musste den Namen wohl laut gelesen haben, zumindest sagte mir das der Blick von Caro.
„Mister Archbald ist vor einer Woche verstorben. Das wird wohl eine Einladung von seinem Sohn sein. Er ist neu bei der ganzen Sache. Eigentlich wollte sein Vater jemand... besser geeigneten als seinen eigenen Sohn, doch die Umstände haben sich so ergeben, dass man Mister Lamon Archbald als seinen Nachfahren einweihen musste.“ Ich blickte den Packesel verwirrt an. Woher wusste er so viel. Anscheinend bemerkte er meinen verwirrten Blick. „Oh. Bei meinem Beruf schnappe ich so einiges auf.“
Caro kicherte hinter mir und drängte mich zur Seite um das Paket abzunehmen.
Augen verdrehend folgte ich ihr zu meinem Bett und sah ihr zu wie sein mein Paket auspackte.
Begeistert griff sie hinein und zog ein grell gelbes Kostüm hervor. An der Rückseite hatte es Federn, die wie bei einer Pfauenfeder hinauf standen und das Gesicht betonen sollten.
Unter dem Kleid kamen noch Schuhe und Accessoires zum Vorschein, die dazu passten und sich perfekt ergänzten
„Oh, nein!“ Schrie ich beinahe.
„Oh, das wird so cool!“ Jubelte Caro.
„Was? Du denkst doch nicht das ich dort hin gehe!“
Caro lächelte mich frech an und sortierte schon einmal die Bestandteile meines peinlichen Kostüms zusammen.
Ich hasste meinen Beruf.
„Nein! Ihr könnt mich doch nicht zwingen so einem aufgetakelten Geschäftsmann, der keine Ahnung von der realen Welt hat, auf so einem... komischen... Maskenball zu begleiten!“ Brüllte ich in die Versammlung. Es waren bereits drei Tage vergangen, in denen ich mir den Mund fusselig redete um die anderen davon zu überzeugen mich dort nicht hinzuschicken.
„Erza, sieh es positiv. Niemand wird dich mit dieser Maske erkennen. Du bist absolut sicher.“
Ich schlug mit beiden Fäusten auf den Versammlungstisch, sodass es ein bedrohliches Knacksen gab. „Und wenn doch? Dann bin ich das Gespött der ganzen verdammten Abteilung.“
Neben mir nahm ich ein unterdrücktes Kichern von Charles war und fauchte ihn zornig an. Er streckte mir lediglich die Zunge heraus und blickte völlig zufrieden drein.
Das konnten sie mir doch nicht antun, oder doch?
„Erza! Es reicht. Es gibt keine Diskussion mehr. Charles wird dich dorthin begleiten und ebenfalls, so wie du es bezeichnest, ein lächerliches Kostüm tragen. Er wird am Rand des Geschehens ein Auge auf dich haben, für den Fall das etwas passieren sollte. Wir gehen aber nicht davon aus.“
Charles hatte sich bei seinem Namen ebenfalls erhoben und setzte zu einem Protest an, doch wurde je unterbrochen, als unser Anführer den Arm hob.
„Ich habe jetzt wirklich keine Zeit um das mit euch zu diskutieren. Seht es als einen Auftrag an. Punkt. Ende.“
Mit mürrischen Gesichtsausdruck und vor trotz verschränkten Armen saßen wir nun da und starrten uns böse an. Wenn Blicke doch nur töten könnten!
Ich erhob mich als erster und stapfte wütend aus dem Büro. Das konnte doch unmöglich sein ernst sein, oder?
„Erza! Warte bitte.“ Es war die Stimme von Charles, doch ich blieb nicht stehen, sondern ging einfach weiter bis er mich eingeholt hatte.
„Erza, er hat recht. Es ist ein Auftrag. Nicht mehr und nicht weniger. Sieh es als eine Art Abwechslung an. Wenigstens kannst du dort nicht voller Dämonenfäkalien werden.“ Witzelte er, doch hörte sofort wieder auf, als er meinen wütenden Gesichtsausdruck sah.
„Leiber würde ich mich in Dämonenfäkalien wälzen, als länger wie nötig in einen Raum mit dir zu sein!“ Ich bog so rasch um eine Ecke, dass er ins stolpern kam und eine kurze Pause entstand.
„Erza! Jetzt bleib doch mal... Erza!“ Er packte mich am Arm und hielt mich mit eisernen Griff fest.
Wütend funkelte ich ihn an und verfluchte den Tag an dem er geboren worden war.
„Was ist los? Warum hasst du mich? Habe ich dir jemals etwas getan? Habe ich dich beleidigt? Irgendetwas?“
Ich schwieg und besah die Wand neben ihm. „Komm schon. Rede mit mir. Wir werden ein Leben lang miteinander arbeiten müssen. Du musst mich nicht leiden können. Doch wenn wir einen Auftrag zusammen haben und davon werden noch mehr kommen als dir lieb ist, dann müssen wir uns aufeinander verlassen können!“
Er hatte zwar recht, doch das wollte ich ihm nicht eingestehen. „Wenn es so weit ist und wir wirklich zusammenarbeiten müssen, so wie heute Abend. Dann kannst du dich auf mich verlassen. Die restliche Zeit, brauche ich nicht mit jemanden wie dir zu verschwenden. Jetzt lass mich los.“
Und er ließ mich los. Schnell schoss ich um die nächste Ecke, zurück in mein Zimmer und schloss sofort die Türe ab. Erst dort begann ich in mein Kopfkissen zu brüllen und nahm mir vor, bevor ich zu dieser Veranstaltung ging, noch etwas zu trainieren um Dampf abzulassen.
„Erza? Schatz? Alles in Ordnung?“ Erschrocken fuhr ich zusammen und sah erst jetzt Caro wie sie aus der Dusche kam. In meiner blinden Wut hatte ich sie gar nicht bemerkt.
„Ja, es geht schon.“
Caro schenkte mir ein mitfühlendes Lächeln und deutete auf das gelbe Kostüm das an meinem Kasten hing. „Mach dir nicht so viele Gedanken. Der Abend wird schneller vorbei sein, als du denkst. Jetzt geh duschen, sonst werden wir ja nie fertig.“
Als ich murrend aus der Dusche kam und mich beschwerte, dass ich eigentlich noch trainieren wollte, tadelte mich Caro mit einem bemutternden Blick, bevor sie mich auf den Schreibtischsessel drückte und anfing Kosmetika aus ihrem Nachtkästchen hervor zu räumen. Für was sie das alles besaß, wusste ich nicht. Doch angst machte es mir.
Kichernd fing sie damit an meinen Hautton zu treffen und quälte mich drei Stunden mit Haufen von verschiedenen Farbtönen und Haarkreationen. Als sie endlich zufrieden zu sein schien, half sie mir dabei, mich in das enge Kostüm zu quetschen und zu lernen wie man auf Stöckeln ging. Ich bevorzugte ja eher bequeme Turnschuhe oder meine bedrohlichen Plateaustiefeln um mich fortzubewegen. „Ich bekomme schon Blasen, wenn ich die Schuhe nur ansehe. Wie können Frauen nur Stunden damit herumlaufen?“ Meckerte ich und viel prompt über den Teppich.
„Das wirst du wohl oder übel heute herausfinden müssen. Ich würde dich ja nur zu gerne begleiten, doch ich habe heute ein wichtiges Date mit dem Vollmond.“ Ich blickte betroffen zu Caro und kam mir auf einmal völlig egoistisch vor. Jeden Monat an Vollmond waren alle Lykaner höchst fruchtbar und unkontrollierbar zu dieser Zeit. Diejenigen, die keinen Partner hatten und nicht darauf aus waren ein Kind zu empfangen, schlossen sich in diesen Nächten in aus-, sowie einbruchssicheren Tresoren ein, die von unserer kleinen Firma zu Verfügung gestellt wurden. Es gab einen Code, den man nur von außen eingeben konnte. Das verhinderte fremdes eindringen in den Tresor und das unabsichtliche Ausbrechen.
Caro hatte sich bereits heute Morgen alles bereit gelegt, für den Fall, das es knapp wurde.
„Es tut mir leid, Caro. Ich weiß ich sollte mich eigentlich nicht so aufregen, weil so schlimm ist es ja eigentlich überhaupt nicht. Aber...“ Caro legte mir eine Hand auf die Schulter. Sie wusste was mein Problem war. Schon seit zwei Jahren ertrug sie meine regelmäßig Launen. Ich war so glücklich mich endlich nicht mehr verstellen zu müssen.
Nach wenigen Minuten, hatte mich Caro ungesehen aus dem Gebäude geschleust. Glück für mich. In der Garage gab sie mir noch einen Kuss auf die Wange, kontrollierte mein Make-up und lief zufrieden wieder hinauf um sich einzusperren. Wenn ich heim kam, würde ich sie hinaus lassen, das hatte ich ihr versprochen. Normalerweise wachte ich neben ihrem Käfig um für sie da zu sein, wenn sie sich einsam fühlte. Doch heute ging das leider nicht.
Missmutig klapperte ich durch die Garage und blickte mich nach Charles um. Heute Abend, würde ich mich anständig benehmen müssen und das nicht nur meinem Gastgeber gegenüber.
Ein Hupen erregte meine Aufmerksamkeit und ich stieg in den Geländewagen ein. Es war schusssicher und blick dicht gebaut worden. Heiß...
Ich rutschte auf die Rückbank und klopfte an die Trennscheibe. „Fahr los Niles.“ Spottete ich und Charles lachte mich durch den Rückspiegel an. „Wie Ihr befehlt Missy.“
Quietschend fuhr er aus der Garage und reihte sich ganz galant wie ich immer, in den erbost hupenden Verkehr ein.
Charles hielt es keine fünf Minuten aus. „Also, ich gebe auf. Was stellst du dar?“ Ich blickte an mich hinab und überlegte. Eigentlich wusste ich das selbst nicht, ich hatte mich noch nicht einmal im Spiegel betrachtet.
„Frag meinen Gastgeber, sobald du ihn siehst.“
Lachend driftete er um eine Kurve, direkt in einen Radar hinein. „Schade. Das hätte bestimmt ein gutes Bild gegeben.“
Die Fenster waren blickdicht, auch für Kameras und die Nummernschilder ebenfalls.
„Ja, klar. Und teuer vor allem.“ Ich blickte aus dem Fenster und erfreute mich an einem Sonnenuntergang am Rande des Flusses. Ich hasste diesen Kitsch.
Sofort wandte ich meinen Blick wieder ab und merkte, das mich Charles anstarrte. „Solltest du nicht lieber auf den Verkehr achten?“
Charles hob die Schultern und blickte tatsächlich wieder auf den Verkehr. „Gelb steht dir.“
Nein tat es nicht! Ich hasse die Farbe Gelb! Deswegen fand ich die Wahl auch so ironisch. Gelb war die erste Farbe, die ich an einem menschlichen Dämon gesehen hatte. Es war die Farbe meines Albtraumes und würde die Farbe meiner Rache sein.
Genervt, dass ich an diesen Tag schon wieder zurückdenken musste, blickte ich zurück zur untergehenden Sonne, die alles in einen orangen Ton färbte.
„Wir sind da.“
Verwundert betrachtete ich die Yacht vor mir und pfiff anerkennend. „Für wie viele ist den diese Yacht gebaut?“
Charles schnaubte neben mir belustigt. „Das ist keine Yacht, das ist ein Schiff.“
Ich hob abwertende die Schultern und bestaunte weiterhin das Schiff. Erst als ich meinen Namen hörte, merkte ich das Charles verschwunden war.
„Miss Ezraela! Wie schön Sie endlich persönlich kennen zu lernen!“ Ein überaus großer und gut gebauter Mann stellte sich vor mich und reichte mir galant seine Hand. Er trug einen schwarzen Anzug mit leuchtenden Broschen darauf, was sein Auftrete etwas bizarr Erscheinen ließ. Sein Gesicht war hinter einer weißen Hockeymaske versteckt und ich musste unwillkürlich lächeln.
„Und mich freut es außerordentlich, meinen heimlichen Verehrer endlich kennen zu lernen.“ Witzelte ich.
Der Mann vor mir begann laut zu lachen und sein ganzer Körper bebte dabei. „Ich würde mich eher als einen heimlichen Bewunderer ihrer Arbeit bezeichnen, aber bei so einer Schönheit wie Ihnen, würde es mich nicht wundern, wenn die Männer reihenweise vor ihren Füßen liegen.“
Kichernd ließ ich ihn meine Hand nehmen und er hauchte einen Kuss darauf. Zum Glück trug ich eine Pfauenmaske, somit konnte er nicht sehen, wie mir das Blut in den Kopf stieg.
„Darf ich bitte?“ Er verbeugte sich und hielt mir seinen Arm hin, damit ich mich bei ihm einhaken konnte.
Lachend zeigte er mir das Schiff und erzählte mir die Geschichte davon. Jedoch interessierte mich so etwas eher weniger, dafür war ich zu abgelenkt von den Leuten die sich noch am Schiff befanden.
Alle waren so seltsam gekleidet wie ich, oder trugen sogar noch leuchtendere Aufmachungen. Warum tat man sich das einmal jährlich an?
Die Gäste hatten sich in mehreren Gruppen zusammengeschlossen, oder tanzten als Pärchen auf der Tanzfläche.
„Wollen Sie ebenfalls tanzen, Miss Ezraela?“
Ich gestikulierte wild mit den Armen. „Nein, nein! Bitte bloß nicht, ich habe zwei linke Beine!“
Lachend reichte er mir ein Glas Champagner. „Sie sind nicht oft auf solchen Veranstaltungen, oder?“
Ich verneinte. „Um ehrlich zu sein, das ist das erste Mal.“
„Und wie finden Sie es bis jetzt?“ Seine Stimme klang eindrucksvoll und ehrlich. Ob ihm meine ehrliche Meinung interessierte?
„Nun, ja. Von der Aufmachung... finde ich es Gewöhnungsbedürftig. Die Musik ist etwas Seicht, aber für den Abend angemessen. Was meine Begleitung angeht, kann ich eigentlich nicht klagen, sondern bin eher positiv überrascht.“
„Oh, diese Erkenntnis liegt ganz auf meiner Seite. Ich bin ebenfalls zum ersten Mal in einer solche... Gesellschaft.“ Er machte eine ausladende Handbewegung. „Bevor mein Vater starb, hatte er mir immer nur von dem jährlichen Maskenball erzählt und gemeint, wenn ich alt genug bin, werde ich schon noch einmal mit dürfen. Jetzt bin ich endlich einmal da und... nun ja...“
Er dachte fieberhaft nach einer netten Umschreibung und ich kicherte an seiner Seite. „Finden es nicht mehr ganz so anregend?“
Lamon Archbald lachte und nickte. „Ja, stimmt. Wenn Ihr nicht hier währt, dann wäre ich schon beim ersten Anblick der Farbenpracht, die hier herrscht wieder verschwunden.“
Ich errötete zum zweiten mal an diesem Abend und fragte mich was auf einmal mit mir los war. Ich kicherte, amüsierte mich und war auf einmal nicht mehr unfreundlich. Hoffentlich wurde das bei mir nicht zur Gewohnheit.
„Darf ich denn fragen, wie ich überhaupt zu dieser ehre komme?“
Nun wirkte er unsicherer als zuvor. „Um ehrlich zu sein, war es Neugierde. Mein Vater hat sie in seinen Unterlagen häufiger erwähnt. Er hat Sie in den höchsten Tönen, die man von ihm hören konnte, gelobt. Es tut mir leid, aber ich bin noch ganz neu in dieser ganzen... andere–Welt-Geschichte und da mein Vater oft Ihren besonderen Überlebenswillen erwähnt hatte, habe ich mich gefragt was für ein... Mensch wohl hinter diesen vielen Geschichten steckte.“
Mein Herz fing an zu rasen. Ich hatte ja noch nicht einmal gewusst, dass mein oberster Chef mich überhaupt kannte. Ich war mir immer nur als Randfigur, die macht-was-sie-will vorgekommen. Aber das er mich tatsächlich so oft erwähnt hatte, machte mich ernsthaft unsicher.
„Oh. Dann nehme ich an, dass Ihr Vater auch das Ereignis festgehalten hat, das mich erst zu diesem Menschen gemacht hat, oder?“
„Natürlich. Er hat oft erwähnt, wie bemerkenswert Sie diese ganze Geschichte verarbeitet haben. Wie Sie ihre Karriereleiter wie durch Zauberhand hinaufgeklettert sind und das nur innerhalb von zwei Jahren. Er hatte sogar niedergeschrieben, das er gerne Sie in ein paar Jahren, zu seiner persönlichen Beraterin auserkorenen wollte, sodass Sie nach seinem Tod seinen Platz einnehmen. Jetzt fühle ich mich etwas schuldig, das ich Ihnen so zu sagen den Platz weggenommen habe.“ Er blickte betrübt auf den Boden.
„Was? Mich! Ehrlich.“
Er nickte. „Aber.. Danke das Sie mir das erzählt haben. Das ehrt mich.“
Nun wirkte er nicht mehr so traurig und er nahm mir das Glas aus der Hand. „Genug mit dem Trübsal. Mein Vater würde wollen, das wir uns hier amüsieren.“
Er nahm meine Hand und zog mich mit auf die Tanzfläche. „Ich kann aber wirklich nicht tanzen!“ beklagte ich mich.
Doch sämtlicher Protest, ohne unhöflich zu werden, half absolut nichts. Gnadenlos wurde ich zwischen die Pärchen gezogen.
Gentleman mäßig, verneigte er sich und bat um meine Hand. Ich machte einen damenhaften Knicks und legte meine Hand lächelnd in seine ausgestreckte. Er zog mich an sich und legte eine Hand um meine Taille. Beklommen versuchte ich seinen Tanzschritten zu folgen, doch ich war von Natur aus unmusikalisch. Lächelnd beugte er sich zu mir hinab, bis unsere Gesichter nur wenige Zentimeter entfernt waren und ich musste sofort an die unheimlichen gelben Augen denken.
„Entspannen Sie sich. Es ist ein Tanz und kein Gang zum Henker.“ Das war leichter gesagt als getan, wenn man sich in eine unangenehme Situation zurück versetzt fühlt. „Lockern Sie ihr Rückkrad und lassen Sie mich einfach führen. Sehen Sie mich an und nicht auf den Boden.“
Zweifelnd blickte ich ihn in seine eisblauen Augen. So eine Farbe hatte ich noch nie gesehen. Sein Blick bannte mich und ich konnte nichts anderes tun, als seine aristokratischen Gesichtszüge zu studieren. Wann hatte er die Maske abgenommen? Ich fühlte sie im Takt leicht gegen meinen Rücken schlagen und fühlte mich komisch als eine Gänsehaut über meinen Körper zog. Wir tanzten noch eine weile schweigend und uns in die Augen blickend, bis ich irgendwann merkte, dass es überhaupt keine Musik gab, zu der wir tanzen konnten. Verwirrt riss ich mich los und schämte mich etwas dafür, ihn so angestarrt zu haben. Erst jetzt merkte ich wie sehr mein Herz raste. Wir standen am Rande der versammelten und er führte mich gerade in ein ruhiges Eckchen, wo uns niemand sehen konnte.
Gedankenverloren lehnte er sich über die Reling und blickte ins dunkelblaue Meer, das welches danke des Mondes leicht funkelte. „Romantisch, oder?“
Es war für mich zwar interessant, doch romantisch war ich noch nie gewesen.
„Wohl war. Das Meer sieht wunderschön aus, wenn sich das Licht wie Sterne darauf bricht.“
Er legte mir eine Hand auf den Rücken und ich versuchte nicht zusammen zu zucken. Sein Hand lag knapp über dem Ende meines Kleides an der Schulter. Als er sich zu mir drehte konnte ich den Mond in seinen Augen sehen, wie er sich darin wieder spiegelte und drehte.
„Aber nichts überbietet Sie, Miss Ezraela. Ihre bernsteinfarbenen Augen versetzen mein Herz in Unruhe. Ihr Temperament was sie so unglaublich gut im Zaum gehalten haben, die letzten Stunde, finde ich äußerst bewundernswert. Sie haben sich wahrlich zu einer wunderschön Frau entwickelt. Einer schönen und starken Frau.“
Mein Herz hüpfte mir nun bereits bis zum Hals, als er die Worte aussprach. So etwas hatte bis jetzt noch niemand zu mir gesagt. Betreten blickte ich zu Boden und nahm meine Maske ab. Sie war schon etwas eng geworden und störte mich.
Unsicher was ich darauf antworten sollte und überwältigt von meinen Gefühlen, blickte ich schweigend zum Meer hinaus, in der Hoffnung, das irgendetwas dieses unangenehme Schweigen brach.
Plötzlich spürte ich eine Hand an meinem Kinn, die mein Gesicht in eine Richtung drehten. Als ich Mister Archbald in die Augen sah, kam ich nicht umhin, wieder an diesen einen Tag zu denken. Würde das endlich mein zweiter Kuss werden? Ein besserer, nicht geplagt von Angst. Wenigstens würde dieser von einem Menschen und nicht von einer Seelenlosen Bestie sein.
Als ich die Augen schloss und den leichten Geruch seines Afterschafes aufnahm, fühlte ich mich wie in einer anderen Welt. Einer Welt in der nichts anderes außer uns existierte.
Als sich dann unsere Lippen trafen, hörte mein Herz für einen Moment auf zu schlagen. Dieser Kuss war nicht so aufdringlich und fordernd, wie der erste den ich bekommen hatte. Nein, im Gegenteil. Er war sanft und forschend. So als wäre er sich unsicher, ob ich den Kuss überhaupt erwidern würde. Sein weichen Lippen raubten mir sämtliche Sinne. Es war als würde mich etwas Weiches streifen, doch trotzdem waren es traumhafte Lippen.
Plötzlich erstarrte ich. Seine Hand, lag nun in meinem Genick, wo sie mich zärtlich hielt. Ein Griff, der so sehr einem anderen ähnelte, das sie identisch waren. Jetzt bemerkte ich auch erst, dass ich mir diese Weichheit gar nicht eingebildet hatte. Ich stieß ihn von mir und blickte entsetzt in die spöttisch funkelnden gelben Augen.
„Es hat aber lang gedauert, bis du mich erkannt hast, mein Engel.“
Ich wollte schreien. Jedem zeigen, das mein Albtraum, vor dem ich schon seit Jahren träume, wie ich ihn am besten töte vor mir stand. Doch ich konnte mich nicht bewegen. Was wäre, wenn er etwas einem anderen Gast antat? Wenn er diese alle auch tötete. Damals waren es siebenundzwanzig Schüler gewesen, ohne Caro und mir. Doch jetzt waren es mehrere hundert Zivilisten, die sorglos tranken und sich freudig unterhielten.
Das konnte ich nicht verantworten. „Was... Wieso...“ Ich konnte nicht klar denken, geschweige ganze Sätze bilden.
„Schon gut, mein Engel. Ich bin nicht hier um irgendjemanden etwas zu tun. Ich bin hier um mit deinen... Kollegen, die so halbherzig nach mir suchen einen Deal einzugehen. Wie du siehst habe ich das perfekte Opfer gefunden. Einen Zivilisten, den ihr niemals opfern würdet.“
Ich tastete nach meinem Hammer an der Hüfte, doch das Kleid war so eng gewesen, dass ich ihn unmöglich verbergen konnte.
Frustriert suchte ich nach etwas mit dem ich mich verteidigen konnte. „Ach, Ezraela... Nach all den Jahren, willst du mich immer noch töten?“
„Woher weißt du von uns?“ Stellte ich einfach als Gegenfrage.
„Ich habe mich mittlerweile sehr gut an die menschliche Welt angepasst. Wenn man so mächtig ist wie ich, dann erfährt man schon das eine oder andere.“
„Was ist mit Mister Archbald? Wenn du aus ihn hinaus gehst, dann wird er doch sterben, was sollte denn das dann für ein Deal werden?“
Er lächelte spöttisch und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht, die der Wind aus meinem Zopf gelöst hatte. Ein Schauder ging über meinen Körper.
„Ein Deal, dem man nicht widerstehen kann.“ Flüsterte er und kam wieder näher, sodass wir uns fast berührten.
„Warum hast du mich nicht getötet?“ Die Frage schoss einfach so aus mir heraus, noch bevor ich es überhaupt bemerkte.
Sein Lächeln wurde weicher fast schon lieblich. Seine Hand lag an meiner Wange und plötzlich hatte ich gar nicht mehr das Gefühl vor einem Dämonen zu stehen. Er wirkte beinahe menschlich.
„Als könnte ich dir jemals auch nur ein Haar krümmen. Niemals würde ich dir Schaden zufügen wollen, mein Engel.“
Er zog mich so abrupt an sich, das ich vor Schreck aufschrie. Schützend legte er beide Hände um mich und umarmte mich einfach.
Wann war denn das passiert? Ein Dämon, der einen Menschen schützend umarmte. Es fühlte sich irgendwie nicht richtig an. Etwas komisch und unbeholfen.
Dann löste er sich wieder von mir und blickte hinaus aufs Meer.
„Wenn der ehrenwerte Mister Archbald morgen erwacht, wird er nicht wissen, was er den ganzen Tag gemacht hat. Sprich mit deinen Vorgesetzten und dann werden wir uns persönlich wiedersehen und nicht so umständlich. Das verspreche ich.“
Plötzlich schien sich seine Gestalt in Luft aufzulösen und war gänzlich verschwunden.
Nur Sekunden später, kam Charles um die Ecke und redete auf mich ein.
Erst als er mich rüttelte, bekam ich wieder halbwegs etwas mit. „Charles...“
„Ich bin hier, Erza. Komm zu dir. Was ist passiert? Wo ist Archbald?“
Ich griff mir an die Lippen und kam mir hundeelend vor. „Erza! Was ist passiert? Geht es dir gut?“
Ich nickte.
„Du siehst aber nicht so aus. Hast du gerade einen Geist gesehen?“ Ich schüttelte den Kopf.
„Nein... Ich habe >ihn< gesehen.“
Jetzt rüttelte er mich fester und ich schlug ihn gegen das Brustbein, sodass er erschrocken die Luft einsog.
„Erza... Wen hast du gesehen?“
Frustriert schüttelte ich den Kopf. „Ich muss zurück zum HQ und das sofort.“ Er hörte meine Dringlichkeit in meiner Stimme und nickte. Stumm nahm er meine Hand und zog mich zum Personal, das zuständig für die Boote waren. Charles redete kurz auf den Mann ein und zeigte ihm seinen gefälschten Ausweis. Sofort ließ er uns hinunter und wir fuhren per Höchstgeschwindigkeit um die kleine Insel herum, auf der sich unsere Stadt befand.
Nach weniger als einer Stunde, fuhren wir durch an den Bootshafen. Zitternd stieg ich vom Boot und Charles musste mich auffangen. Als er merkte wie kalt ich war, legte er mir ohne zu fragen seinen Mantel um. Ich nickte dankbar und er legte einen Arm um mich, um mich ins Gebäude zu führen. Es war bereits Sonnenaufgang und die meisten kamen bereits von ihrem Job zurück. Wie hasste ich diese zwei Stunden. „Wohin möchtest du?“ Fragte Charles mich zum dritten mal.
„Zu meinem Mentor.“ stotterte ich.
Charles nickte und zog mich fester an sich. Anscheinend dachte er ich wäre unterkühlt. Mein Frösteln hatte aber nichts mit meiner Körpertemperatur zu tun. Fünf Minuten später, klopfte Charles an die Zimmertüre meines Mentors, der als er aufmachte, der Mund aufklappte.
„Du hast ihn wieder gesehen!“ Es war keine Frage.
„Von wem redet ihr?“ Fragte Charles nun schon etwas unruhiger.
Mein Mentor winkte uns hinein und sah sich noch einmal prüfend im Gang um, bevor er die Türe verschloss.
Mein Mentor ging in die Küche und ich hörte Töpfe sowie Gläser aneinander schlagen. Charles drückte mich derweilen auf die überdimensional große Bank. Ich saß schon beinahe auf seinem Schoß so sehr drückte er mich an sich. Er musste sich ernsthaft Sorgen machen, oder denken, dass ich in meine Einzelteile zerfiel, wenn er mich los lies.
Als mein Mentor mit drei Tassen und einer großen Kanne ins Zimmer kam und sie vor uns hinstellte wurden meine Lebensgeister bei dem Geruch von heißer Schokolade sofort angeregt.
Unruhig beugte ich mich vor und griff nach der Tasse die mir am nächsten Stand und trank sie gierig, ohne darauf zu achten, das ich mich innerlich verbrannte. Das würde sowieso innerhalb weniger Sekunden wieder heilen. Genüsslich seufzte ich und lehnte mich in die Bank zurück. Charles wiederum wirkte sehr ungeduldig und legte eine Hand hinter die Lehne.
Er berührte mich zwar nicht mehr direkt, doch die Geste war unverkennbar besitzergreifend. Zu jeder anderen Zeit, hätte ich ihn dafür mächtig verprügelt, doch heute war ich einfach zu erledigt.
„Also, Erza. Was ist genau passiert, seit du aus dem Gebäude bist?“
Und ich erzählte. Ich erzählte wie mich Charles hinaus gefahren hatte, wie ich Mister Archbald kennen gelernt hatte. Wie wir uns unterhalten hatten bis hin, wie ich bemerkt hatte, das es jemand ganz anderes gewesen war, der mich dort an der Reling geküsst hatte.
Beide Männer schienen ziemlich verstört darüber zu sein, das ein Dämon so mit mir umging. Doch noch lange nicht so wie ich.
Mittlerweile war ich den Tränen so nahe, das mein Mentor mir ein Taschentuch reichte.
Charles zog mich wieder an sich und streichelte tröstend mein Haar. Seit wann waren wir denn so gute Freunde?
Mein Mentor blickte verwirrt zwischen mir und Charles hin und her, doch ich zuckte lediglich selbst verwirrt mit den Schultern.
Trotzdem schien sich der Druck den ich unbarmherzig um meinen Brustkorb gespürt hatte etwas zu lösen.
Eine Stunde und drei Tassen heißer Schokolade später, waren wir bereits auf den Weg in mein Zimmer.
„Ich kümmere mich derweilen um alles. Du leg dich hin und ruhe dich bis morgen Abend aus. Dann werde ich dich abholen.“ Kaum hatte mein Mentor fertig gesprochen, war er auch schon um die Ecke verschwunden.
Charles begleitete mich bis zu meiner Zimmertüre, die den anderen glich wie ein Ei dem anderen und flüsterte beruhigende Worte.
Vor meiner Zimmertüre suchte ich nach dem Schlüssel und sperrte mit zitternden Händen auf.
„Soll ich noch mit hinein kommen? Von mir aus bleibe ich auch die ganze Nacht, wenn es dir dadurch besser gehen würde.“
Ich schüttelte den Kopf und versuchte ein Würgen zu unterdrücken.
„Danke Charles. Du warst schon die letzten Stunden für mich da. Ohne dich hätte ich das nicht geschafft. Danke. Aber keine Sorge, mein Bett werde ich in dem keinen Zimmer schon noch finden. Trotzdem danke!“
„Okay, pass auf dich auf.“ Lächelnd küsste er mich auf die Stirn und ging irgendwo anders hin. Wo war mir egal. Hauptsache weg von mir.
Was war das eben gewesen? Verwirrt und kopfschüttelnd ging ich in das dunkle Zimmer und gab am Tresor den Code ein. Anscheinend hatte sich von außerhalb jemand zu schaffen gemacht, da neue Kratzer daran zu sehen waren.
Stöhnend fiel Caro daraus hervor und sank in meinen Armen zusammen. Voller Dreck von ihrem Essen, Fäkalien von ihr selbst und Blutspuren von Kratzern die sie sich selbst zugefügt hatte, brachte ich sie ins Badezimmer und ließ warmes Wasser über sie laufen, bis der größte Schmutz herunter war.
Caro blickte mich durch benebelte Augen an und lächelte schwach. „Guten Morgen, Schatz.“
„Guten Morgen, Caro.“ Ich küsste sie auf ihr nasses Haar und ließ Badewasser ein. Für Werwölfe war es eine Qual sich einmal im Monat für zwölf Stunden wegsperren lassen zu müssen, doch wenn sie nicht permanent Kinder großziehen wollten und das meistens auch noch von Fremden, dann war es besser so. Der Wolf fügte sich selbst ständig Schmerzen zu um sich von dem elend abzulenken in dem er festsaß. Leider gab es noch kein Mittel gegen diesen monatlichen Blutrausch. Das einzige das man machen konnte, war seine Arme und Beine ab zubinden.
Normalerweise erledigte ich das für Caro, doch letzte Nacht war ich selbst in einer solchen Lage gewesen. Nur waren meine Schmerzen seelisch.
Als Caro halbwegs wieder sie selbst war, bat sie mich aus dem Bad zu heben. Mühsam schleppte ich sie zum Bett und deckte sie darin bis obenhin zu. „Ich hole uns etwas zu essen.“ Flüsterte ich und sie nickte.
„Vergiss nicht die Schokolade.“ Murmelte Caro und ich grinste.
„Wie könnte ich.“
Leise schloss ich die Zimmertüre hinter mir und ging in die unteren Stockwerke, in denen sich auch die Cafeteria befand.
Ich bat die Kellnerin um etwas zu essen für Caro und sie deutete sofort auf einen der Wägen, welchespeziell für Vollmondnächte hergerichtet wurden.
Dankend schob ich einen davon hoch und erst als ich zum zweiten mal an diesem Morgen in unser Schlafzimmer ging, fiel mir auf das mein Dämon fehlte.
Wo konnte er nur hin sein?
Zuerst musste ich mich aber um Caro kümmern, ich konnte sie nicht schon wieder im Stich lassen.
Als Caro die Schokolade roch, setzte sie sich sofort auf und trank die Tasse auf der Stelle leer. Erst nach der vierten, kam ihr Organismus wieder in Gang.
„Danke, Erza.“
Erza nickte und biss in eines der Butterbrote. „Okay ich muss dann mal wieder. Mein Dämon ist letzte Nacht verschwunden und ich muss ihn finden, bevor er was dummes anstellt. Kommst du alleine klar?“
Caro nickte und ich winkte ihr zum Abschied. „Wenn du wieder kommst, erzählst du mir wie die Party war?“
„Natürlich.“ Innerlich jedoch hoffte ich, dass sie bis dahin tief schlief.
Müde von letzter Nacht und seelisch getroffen, schleifte ich mich wie ein Zombie durch sämtliche Gänge und rief hin und wieder nach Hades.
Als ich ihn nirgends fand, beschloss ich nach einer Stunde aufzugeben und ihn nächste Nacht weiter zu suchen. Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, was für mich hieß das ich schon viel zu lange wach war.
Müde schleppte ich mich an den Badezimmern vorbei und hörte Wasser laufen. „Nicht, doch...“
Zögerlich klopfte ich an und betete jemand menschliches würde öffnen. Als sich nichts rührte, öffnete ich zögerlich die Türe. „Ich komme jetzt hinein.“ Rief ich, doch es kam keine Antwort. Standessen blickten mich drei paar kullernde Augen freudig an und wedelten aufgeregt mit dem Schwanz. Das ganze Badezimmer war überflutet und teilweise waren sogar die Duschköpfe abgerissen.
„Böser Hades! Was soll denn das?“ Der Dämon blickte mich verwirrt an. „Bring das sofort wieder in Ordnung!“
Schrie ich ihn an, obwohl ich wusste, das es nichts bringen würde. Jaulend kauerte er sich auf den Boden und unterwarf sich mir. „Das wird dir jetzt auch nichts helfen. Ich bin völlig erledigt und kann mich nicht auch noch um deine Sauereien kümmern. Los!“
Der Dämon stand auf und plötzlich fügte sich alles wie aus Zauberhand an seinen ursprünglichen Platz ein und sogar das Wasser lief von selbst ab.
Überrascht betrachtete ich das geschehene Werk und tätschelte dem Hund die Schulter.
„ Guter Hades! Fein gemacht.“ Rief ich begeistert und war glücklich, das sich wenigstens das von selbst erledigt hatte.
„Wow, wo kommt den der Dämon her?“
Hinter mir ertönte Charles Stimme und ich fluchte, dieses mal laut.
„Ignoriere ihn einfach. Er ist gar nicht da. Bitte klären wir das mit meinem Dämon wann anders, ich muss unbedingt schlafen!“
Ich stieß Charles aus dem Weg und befahl Hades mir zu folgen.
Charles und der Hund blickten sich noch eine weile drohend an, dann folgte er mir mit wedelnden Schwanz.
„Morgen!“ Ertönte Charles Stimme aus der Dusche und ich hob lediglich bestätigend den Daumen. Wenn er meinte...
Erschöpft fiel ich in mein Bett und befahl Hades noch sich nicht aus dem Zimmer zu bewegen, bis ich etwas anderes sagte. Sofort fiel ich in einen tiefen Schlaf.
„Erza, wach auf. Du musst aufwachen. Komm schon!“ Hörte ich eine Stimme rechts von mir.
Ich warf den Polster nach der aufgebrachten Stimme und hörte zufrieden einen überraschten Aufschrei.
Im nächsten Moment, fühlte ich etwas nasses warmes meinen Unterarm hinauf schlecken und schlug auf eine jaulende kalte Schnauze.
„Verdammt noch einmal, lasst mich schlafen!“ Brüllte ich aufgebracht und vergrub mich unter der Decke.
„Nichts da Morgenmuffel. Du hast lange genug geschlafen, der Boss wartet nicht länger.“ Das war nun eine Stimme, dich ich nicht gerne in meinem Zimmer hatte.
Völlig verwuschelt und mit Bettfalten im Gesicht lugte ich über die Bettdecke und warf Charles einen bösen Blick zu. „Verschwinde aus diesem Zimmer!“ Knurrte ich ihn an, doch er lächelte nur und zog mir die Decke weg.
„Nichts da, Erza. Du stehst jetzt auf. Du musst duschen.“
Aufgebracht setzte ich mich auf und fluchte meisterhaft, bevor ich aus dem Bett stieg und Hades befahl niemanden ins Badezimmer zu lassen, bis ich wieder heraus kam.
Unter der Dusche brachte ich mein chaotisches Haar wieder in die richtige Position und föhnte sie gleich darauf auch noch.
Als ich zufrieden mit meinem Aussehen war, öffnete ich die Türe und tapste mit nur einem Handtuch um den Körper zu meinem Kasten.
„Kuk nicht so.“ Knurrte ich Charles an, der sich prächtig amüsierte.
„He, es kommt nicht alle mal vor, dass ich die Chance habe, dich halb Nackt herumlaufen zu sehen.“
Ich fauchte, als ich die Kastentüre schloss und Hades fing sofort an zu knurren. Charles erschrak sich, als der Hund nur wenige Zentimeter vor ihm stand und zückte einen Dolch.
„Verschwinde, verfluchter Dämon! Warum hast du das Vieh überhaupt?“
Zufrieden mit seinem verhalten kraulte ich die drei Köpfe bevor ich mich dazu herabließ ihm zu Antworten.
„Weil ich seine Besitzerin bin, seit sein alter Herr das geistliche gesegnet hat. Obwohl... er war ein Dämon... Dann ist er eben zur Hölle zurück gefahren. Auf alle Fälle bin ich jetzt für ihn zuständig und er hört nur auf mich. Also pass auf was du tust. Er steht auf Würstchen.“
Lächelnd schloss ich mich im Badezimmer abermals ein und zog mich um.
Daran hatte Charles einmal eine Weile zu kauen.
Als ich wieder aus dem Bad kam, war er verschwunden. Zum Glück. Caro lächelte mich glücklich an und nichts ließ mehr darauf schließen, dass sie zusammengebrochen war letzten morgen. „Wo ist er hin?“ Fragte ich und streichelte meinen Dämon, der freudige Geräusche von sich gab.
„Er hat etwas von störrischen Frauen geredet und hat wütend die Türe hinter sich zugeschlagen. Keine Ahnung was er jetzt macht.“ Caro glättete gerade ihr Haar und nickte zufrieden, als sie mit der Hälfte fertig war.
„Weißt du was er wollte?“
„Er sagte wegen dem letzten Vorfall, wirst du beim Chef erwartet. Was ist denn passiert?“ Erza hatte gehofft sich dem Verhör noch länger entziehen zu können, doch Caro war ihre beste Freundin. Sie musste ehrlich sein.
„Nun, ja. Mister Archbald und ich haben sich eigentlich sehr gut verstanden. Er war ein wirklich liebenswerter chaotischer Mann. Doch leider hat sich zum Ende der Party herausgestellt, dass er besessen ist. Oder gewesen ist. Es war derselbe Dämon wie vor zwei Jahren.“
Caro sprang entsetzt auf und ließ ihr Glätteisen samt Büste fallen. „Was? Was hat er getan? Sind viele verletzt?“
Ich versuchte sie zu beruhigen, doch sie ließ sich nicht. „Nein, nur mich, wieder einmal. Er hat mich geküsst als ich noch dachte er wäre Mister Archbald. Doch... Dieser Dämon ist einfach unverkennbar.“ Das letzte flüsterte ich, doch Caro hörte es trotzdem.
„Wie meinst du das?“
Ich wandte mich ab und wollte gehen, doch sie ließ mich nicht. Verdammt... Manchmal hasste ich es, das sie von mir las wie aus einem offenen Buch.
„Ja... Nun, ja.... Es ist einfach anders. Damals war es seine Macht gewesen, die mich beim Kuss durchströmt hat und meinen Körper bewegungsunfähig gemacht hat. Es war... Einfach unglaublich um ehrlich zu sein. Seine Lippen waren so weich wie eine Feder und doch männlich. Alles an ihm ist so... Einzigartig. Seine Gesichtszüge und sogar wie er spricht. Es fühlt sich einfach an als würde er seine Macht mit mir teilen wollen, doch das einzige das ich kann... ist sie durch mich hindurch ziehen zu lassen. Außerdem spricht er so vertraut mit mir, als ob er mich kennen würde... Ich weiß einfach nicht was ich davon halten soll.“
Ich fühlte eine Träne meine Wange hinunter laufen und wischte sie sofort weg.
„Erza... Ich weiß nicht was ich sagen soll. Außer das offensichtliche. Er manipuliert dich nur, Schatz. Er will dich verwirren und auf seine Seite bekommen. Du weißt doch, begehst du für einen Dämon eine Sünde, kann er dich in einen seiner Diener verwandeln. Ich bin froh, dass du das sonst niemanden erzählt hast.“
Ich lächelte, denn sie hatte ja recht. Ich wusste das zwar, doch war es seltsam für mich. Wie konnte sich etwas so unglaublich schlechtes so unbeschreiblich richtig anfühlen? „Ja, ich weiß. Ich habe es auch schon langsam vergessen, doch gestern, als er mich über Mister Archbald geküsst hat... Es war so... Ich weiß nicht. Ist auch egal, ich werde erwartet.“ Schnell eilte ich zur Türe und schloss sie noch bevor Caro mich aufhalten konnte.
Kopfschüttelnd ging ich den Gang hinunter und stellte überrascht fest, dass Charles bei den Liften auf mich wartete.
„Endlich fertig?“ Murmelte er beleidigt.
„Ja, und stell dir vor. Dein Verdienst ist es nicht.“ Knurrte ich zurück und drückte auf den Knopf des Liftes, der sofort aufschwang.
„Was? Hätte ich dir etwa beim Anziehen helfen sollen?“
Ich blickte ihn zornig an und schüttelte den Kopf. Auf diese Antwort würde ich mich nicht herab lassen.
„Erza?“
„Was!“ Knurrte ich abermals.
„Geht es dir besser?“ Überrascht sah ich zu ihm auf und in seinem Blick lag wirklich Interesse.
„Ja. Danke, wegen gestern. Ich weiß nicht... Ich weiß nicht wie ich das gut machen kann, aber du hast was gut bei mir.“
Charles nickte zufrieden.
Fest entschlossen alles schnell hinter mich zu bringen, klopfte ich an die Türe meines Chefs und trat in sein Büro ein, ohne auf eine Antwort zu warten.
„Erza! Noch nie etwas von >Höflichkeiten< gehört?“ Brummte mein Chef und ich verschränkte lediglich meine Arme vor dem Oberkörper als ich mich auf den Besucherstuhl setzte.
„Sir, tut mir leid einfach so herein zukommen.“ Entschuldigte sich Charles hinter mir. Ich jedoch zuckte nur mit den Schultern.
„Was, denn? Ich will das so schnell hinter mich bringen wie möglich. Immerhin haben wir einen Dämon zu fangen, oder nicht.“
Mein Chef seufzte und deutete Charles sich ebenfalls zu setzen. „Also, dann schießt mal los.“
Mein Chef war ein normaler Mensch zwischen fünfzig und sechzig. Als er noch jünger war, hat er genauso wie wir hinauf gearbeitet, nur das seit vierzig Jahren immer stärkere und widerspenstigere Dämonen einen Weg ins unsere Dimension gefunden haben. Darum mussten sich die Menschen mit und Mischlingen zufrieden geben. Egal ob es manchen nicht passte so wie meinem Chef vor mir.
„Also gestern um...“ Fing ich an und versuchte die Zeit einigermaßen anzugeben.
Für mich war dieses Protokoll mit seinen Fragen und Antworten eine Tortur, die ich über alles hasste.
Ich bin eher der Typ Mensch der darauf los schlägt und danach erst die Fragen stellt, falls überhaupt welche zugegen sind.
Mühsam brachte ich meinen mündlichen Bericht fertig und lümmelte bereits irgendwie mit meinen Beinen über die Armlehnen auf dem Sessel. Langes sitzen bekam mir einfach nicht.
„Also, wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, dann will er einen Deal mit uns eingehen? Aber was hat er denn zu bieten?“
Erza hob die Schultern und seufzte Theatralisch. „Wenn ich es wüsste, dann hätte ich bereits alles erledigt um ihm eine Falle zu stellen und ihn zu zerstören. Um einen Dämon mehr oder weniger kommt es doch sowieso nicht an.“
Mein Chef schüttelte den Kopf.
„Haben Sie denn eine Möglichkeit mit ihm Kontakt aufzunehmen?“
Ich blickte an als hätte er einen Schuss in der Schüssel. „Seh ich denn so aus?“
„Nun, ja. Immerhin hat er bereits zum zweiten Mal Kontakt mit Ihnen gehabt, oder nicht?“
„Sir.“ Mischte sich nun Charles ein. „Ich denke nicht, dass Miss Erza sich das freiwillig ausgesucht hat. In beiden Fällen hat er ihren Körper, mit Absicht oder ohne sein Wissen, überlastet und so zurückgelassen. Ich denke nicht das er in guten Absichten kommt. Eher wäre meine Meinung, das er nur versucht Menschlichkeit vorzuspielen, um sich eventuell schneller an Macht heranarbeiten zu können.“
Darüber wurde nun eine halbe Stunde diskutiert, bevor es mir endgültig reichte. „Okay, wenn Sie es unbedingt wissen müssen, probieren wir es aus. Dämon? Bist du hier irgendwo? Wir bitten dich das du dich uns offenbarst und endlich mit uns kommunizierst.“
Die Sekunden verstrichen und alle sechs Ohren in diesem Ohr waren gespitzt und die Augen suchten den Raum ab. Nichts geschah.
„Sehen Sie? Ich habe keine Ahnung wie er Kontakt mit mir aufnimmt. Ich denke, ich sollte einfach gewohnt meinen Pflichten nachgehen und irgendwann wird jemand schon auf ihn stoßen. Also, wenn es jemanden interessieren sollte, ich habe noch andere Pläne.“
Mit den letzten Worten erhob ich mich von meinem zerknautschten Stuhl und verließ ohne ein Wort des Abschiedes das Büro. Die sollten mich alle einmal sonst wo...
Ich lief direkt in eine recht Ordentlich gekleidete Person hinein, die mich bei meinem Aufprall galant auffing. Überrascht schnappte ich nach Luft und suchte die Augen des Herren der mir in den Weg getrampelt war. Das einzige das ich sah waren gelbe leuchtende Augen und ein freudiges Lächeln.
Ich wusste nicht wie lange ich so in den Armen des Dämons stand, doch konnte ich mit jeder Faser meines Körpers seine ungeheure Macht spüren. Erst als er mich einen Meter von sich entfernt hinstellte und den Körperkontakt damit abbrach, konnte ich wieder klar denken.
Er hatte sich kaum verändert. Der einzige Unterschied war, dass er keine Jeans mehr trug, sondern einen Stoff den sie nicht zuteilen konnte.
„Mister Kingsler. Wie schön Sie endlich persönlich kennen zu lernen. Entschuldigen Sie bitte meine Verspätung, doch ich war gerade geschäftlich unterwegs.“ Der Dämon lächelte meinen Chef freundlich an, als würden sie sich schon länger kennen und mein Chef sah aus, als hätte ihm gerade eine Kuh auf den Schreibtisch etwas Privates hinterlassen.
Charles trat an meine Seite und stellte sich schützend vor mich. Knurrend stieß ich ihn zur Seite und warf einen Dolch.
Der Dämon fing den Dolch jedoch graziös auf, ohne sich großartig mühe zu geben und ignorierte mich weiterhin.
„Verdammter...“ Charles hielt mich zurück, als ich gerade mit meinem gezogenen Hammer auf den Dämon losgehen wollte und zog mich aus dem Zimmer.
Der Dämon machte eine Handbewegung und sie schloss sich unverzüglich. Das konnte doch nicht wahr sein!
„Charles! Wir müssen dort rein! Unser Chef ist alleine mit ihm.“ Schrie ich ihn an, doch er schob mich einfach weiter. „Vergiss das. Wir müssen die Mentoren holen. Er ist viel zu mächtig, sogar für uns beide. Der Chef kann ihn etwas hinhalten.“
Knurrte Charles zurück und hatte immer noch einen Arm um meine Schultern.
Wütend schüttelte ich sie ab. „Scheiß darauf. Ich geh da jetzt hinein.“ So schnell ich konnte lief ich gegen die Türe und prallte brutal dagegen. Das war eigentlich eine ganz normale Holzspanntüre und sollte bei meiner Kraft sofort in alle Einzelteile zerspringen, doch das einzige was ich erreicht hatte, war das mein Oberarm höllisch schmerzte.
„Verdammt was ist das?“ Knurrte ich wütend und lag angeschlagen am Boden.
„Es liegt bestimmt ein Schutzzauber darauf. Los jetzt komm endlich du Sturkopf.“ Er zog mich hoch und schleppte mich mit sich mit. Mein Oberarm war zersplittert und es würde noch einige Stunden dauern, bis er sich regeneriert hatte. Klasse gemacht Erza. Jetzt hat er genug Zeit um sich zu verdrücken! Schimpfte ich mich selbst innerlich.
Meinen Senf laut verlautend, sodass es jeder hören konnte, der in der Nähe war, lief ich neben Charles her und machte ihm klar was ich von der ganzen Situation hielt. Er jedoch ignorierte mich gekonnt. Bei der ersten Zimmertüre klopfte er an und mein Mentor öffnete die Türe. Nun standen wir schon zum zweiten Mal in nur vierundzwanzig Stunden vor seiner Zimmertüre wegen dem selben Dämon. Es gab gar nicht genug Worte, die ausdrückten was ich davon hielt.
Fluchend über die neue Situation schickte er uns zu den restlichen Zimmern um alle zusammen zu rufen und bereit für einen Kampf zu machen.
Als ich in mein eigenes Zimmer hinein blickte, fand ich es leer vor. Zumindest befand sich kein menschliches Wesen darin. Auf meinem Bett saß der Dämon aus meiner Vergangenheit und kraulte ruhig meinen zufrieden drein blickenden Ceberus.
„Ceberus! Zu mir!“ Sofort horchte er auf und trat an meine Seite.
„Warum so feindselig?“ Der Dämon betrachtete mich mit schräg gelegten Kopf und lächelte.
„Ach... Bloß so.“ Knurrte ich zurück und war froh ihn endlich für mich zu haben. Wir würden das hier und jetzt klären.
Leise schloss ich die Türe hinter mir und verriegelte sie. „Also. Wer ist das unten bei meinem Chef?“
Er klopfte neben sich auf das Bett, als Aufforderung mich zu setzen. Ich blickte geflissentlich darüber und ging zum Schreibtischstuhl. Dort legte ich einen spitzen versilberten und geweihten Dolch auf den Tisch um ihm zu zeigen, dass ich bewaffnet war.
„Ach, Erza. Ich dachte wir wären schon längst an dem Drohen vorbei? Du weißt doch das ich dir nichts tue.“ Er stand auf und ging neben meinem Bett auf und ab.
„Woher sollte ich das denn wissen?“
Er lächelte und zog seine schwarzen Ledernen Handschuhe aus, die er bis jetzt getragen hatte. „Weil ich dich bereits einmal direkt und einmal indirekt berührt habe. Bei beiden malen, hast du meine volle Macht, die ich durch deinen kleinen Körper geschickt habe überlebt. Das bedeutet etwas.“
Ich hob neugierig den Kopf. Endlich kamen wir einmal dazu, dass er mich in seine, ach so großen Geheimnisse einweihte.
„Was sollte das deiner Meinung nach Bedeuten?“
Jetzt wurde sein Lächeln breiter, als hätte ich etwas gesagt das ihn höchst erfreute.
„Inwieweit kennst du dich mit den Parallelen Welten aus?“
Auffordernd hob ich eine Augenbraue und er sprach weiter. „Weißt du es gibt um die tausend Parallelen aneinander gereihten Welten dort draußen. Alle unendlich groß und die meisten davon noch unbewohnt. Und trotzdem... gibt es nur drei dominierende Arten. Engel, Dämonen und natürlich die Menschen. Jede Spezies ist ein Thema für sich. Jedes stärker als das vorherige. Und doch ist die Menschliche Spezies die einzige die noch andere Arten wie deine Freundin Caro, deinen Verehrer Charles oder deine Eltern hervorgebracht hat. Da sieht man wieder wie leicht beeinflussbar ihr seit.“
Hier hob ich die Hand damit er schwieg. „Stopp! Vampire und Lykaner haben beide einen erblichen Virus im Körper, der von Dämonen abstammt. Leute wie Charles wiederum haben einen von Engeln verursachten Virus, als sie sich versucht haben mit Menschen zu verbinden. Beides ist nicht wünschenswert und doch trage auch ich eines dieser Gene in mir.“ Bemerkte ich und spielte Geistesabwesend mit meinem Dolch.
„Du bist ganz und gar nicht wie die anderen mein Liebste. Du trägst beide Gene in dir. Vielleicht reagierst du ja deswegen weniger anfällig auf mich, wie andere die mich berühren.“
Was redete er denn da? „Was? Nein ich bin die eindeutige Verbindung von zwei Vampiren. Das steht außer fragen.“
„Und dennoch bist du kein völliger Vampir.“ Bemerkte er und traf damit eine besonders schmerzhafte Stelle.
„Und? Kann dir doch egal sein.“ Bemerkte ich wohl etwas zu aufmüpfig, denn er kam plötzlich näher. Bedrohlich hielt ich ihm meinen Dolch entgegen, doch er blieb knapp außer Reichweite stehen.“
„Weißt du denn was der größte unterschied zwischen Vampiren und Werwölfen ist?“ Sein Spott war nicht zu überhören und ich knurrte.
„Vampire sind tote kalte Wesen, die durch Blut von anderen weiterleben. Wölfe wiederum Atmen und Leben. Sie haben einen aktiven Kreislauf.“
Er entwandt mir den Dolch ohne Probleme und kniete sich vor mich hin, sodass wir in gleicher Höhe waren. Sein gelben Augen fixierten mich immer noch und ich konnte meinerseits einfach nicht den Blick abwenden. Jetzt wo er mir so nahe war und meine Knie berührte, fühlte ich wieder seine Macht durch mich hindurch fließen. Erst jetzt konnte ich sie auch einigermaßen steuern. Sie wühlte durch meinen Körper und ließ mein Herz rasen. So viel ungenutzte Macht. Wieso?
Auf einmal war seine Hand an meiner Wange und ich fühlte die Macht wieder zu ihm zurück fließen. Eine leere überfiel mich. Es war als gehöre diese Macht zu mir. Als würde sie mich rufen und bitten sie zurückzunehmen.
„Was ist das?“ Flüsterte ich vollkommen fasziniert von dem überwältigenden Gefühl, als seine Macht wieder durch mich strömte.
„Das ist es was dir fehlt, mein Engel. Du bist zu größeren Geboren, als halbsterbilche zu Leben.“ Im nächsten Moment waren seine Lippen wieder auf meinen und es war als würde alles Aussetzen. Es war als wäre ein längst vergessenes Gefühl zurück gekehrt. Dorthin wo es hingehörte. Es fühlte sich so richtig an, dass ich nun zum ersten Mal den Kuss erwiderte. Gierig zog ich ihn herab zu mir und genoss die unbändige Nähe.
Seine Hände wanderten über meinen Körper und mir wurde nur allzu deutlich bewusst, an wen ich mich daran machte. Doch ich konnte nicht aufhören. Es war als wäre es perfekt so. Sein Körper passte so hervorragend zu meinem, dass ich am liebsten alles vergessen würde.
Die Welle der Energie die durch uns wanderte wurde immer schneller, bis ich kaum noch Luft zu Atmen bekam. Er weitete seine Küsse auf meinen Hals aus und ich konnte einen kleinen Aufschrei nicht unterdrücken. So intensive Gefühle hatte ich noch nie. Nicht einmal annähernd. Nun, gut. Ich hatte mir auch nie sonderlich viel Mühe gegeben, einen Mann an mich heran zu lassen und nun, wurde ich von einem Dämon hoch gehoben und gegen die Wand gedrückt.
Verdammt was machte ich da. Mit einem überraschten Aufschrei, schlug ich ihm gegen das Brustbein und beendete somit den intensiven Kontakt.
Er blickte mich seinerseits überrascht an und saß wie ich auf dem Boden. Meine überraschende Kraft hatte ihn gegen die gegenüberliegende Wand geschleudert und meine Beine waren zu schwach gewesen, um mich meinerseits aufzufangen.
„Was mach ich denn da?“ Fragte ich verwirrt und schlug mir gegen den Kopf . „Du bist ein Dämon!“ Mühsam kämpfte ich mich hoch und richtete meine verschobene Kleidung.
Der Dämon lächelte mich seinerseits überaus freundlich an und kam wieder auf mich zu. „Berühre mich ja nicht!“ Ich drohte ihm mit meiner nicht sonderlich beängstigenden Faust, doch er kam trotzdem näher.
„Was willst du, verdammt noch einmal?“ Schrie ich nun und fühlte Tränen mein Gesicht herab laufen.
„Das was ich schon so lange suche.“ Im nächsten Moment spürte ich mein Genick brechen und alles wurde Schwarz.
Als ich dieses mal erwachte war alles schwarz um mich herum. Hatte ich bereits die Augen offen
Verwirrt drehte ich den Kopf in der Hoffnung irgendetwas zu sehen, doch das einzige das ich wahr nahm, war ein Rascheln, als ich mich bewegte. Mit was war ich denn zugedeckt? Mühsam hob ich meine steife Hand und bemerkte erst da, dass ich in einem Sack lag. Panisch riss ich das Plastik auseinander und schnappte gierig nach Luft. Hier roch es seltsam nach Kälte und tot. Trotzdem sah ich jetzt auch nicht mehr. „Hallo?“ Rief ich, doch kein Geräusch war zu vernehmen, abgesehen von meinem panischen Atem.
Ich schälte mich aus dem Sack und fiel sofort nieder. Wo war ich bitte? Ich zog mich an der Mauer mühsam wieder hoch und versuchte etwas zu erkennen. Erst jetzt bemerkte ich einen schmalen Spalt, wo ich eine Türe vermutete. An der Wand gestützt schleifte ich mich mit schweren Schritten dort hin und drückte sie auf. Gleisendes Licht blendete mich für einige Zeit. Wie lange hatte ich denn geschlafen? Wo war ich? Was ist passiert? Diese drei Fragen kreisten in meinem Kopf umher. „Hallo? Hört mich jemand?“ Rief ich und plötzlich wurde ich auf die Füße gerissen. Überrascht klammerte ich mich an den athletischen Körper und holte tief Luft. „Caro?“ Ich spürte das sie mich an sich drückte, doch ihre Stimme klang irgendwie verzerrt. Langsam schaffte ich es die Augen wieder zu öffnen und das erste was ich sah, waren ihre Tränen. Sie murmelte irgendetwas, doch ich konnte es nicht verstehen.
Ich klopfte mir auf die Ohren und merkte das etwas darin steckte. Wachs? Ich zupfte es heraus und plötzlich trommelten sämtliche Stimmen auf mich ein. Manche riefen überrascht >Du lebst?< andere fragten mich nach meinem körperlichem Befinden bis plötzlich alles verstummte. Mein Mentor beugte sich zu mir herab und deckte mich mit seinem Mantel zu. Erst da merkte ich das ich nichts an hatte. Caro drückte mich abermals an sich und schluchzte laut.
„Was ist passiert?“ Fragte ich mit schwerer Zunge. „Ich fühle mich so taub...“
Caro fing an meinen Körper mit ihren Handflächen zu rubbeln, damit ich wärmer wurde. Warum war ich so unglaublich kalt?
„Oh, Erza. Wir dachten alle du wärst tot.“ Schluchzte Caro und dicke Tränen rannen ihr Gesicht herab.
„Aber warum?“
Jemand hielt mir etwas Warmes entgegen das herrlich duftete Gierig trank ich es herunter und erfreute mich an den süßen Geschmack. „Mehr Bitte.“ Dieser jemand lächelte und hielt mir gleich die ganze Thermoskanne hin. Ich stürzte sie ohne einmal abzusetzen hinunter. „Sie wird wärmer! Sie wird wärmer. Dir geht es gut Erza.“ Caro schien geradezu zu beten, während sie mich weiter aufwärmte.
Mein Mentor nahm mir die Kanne ab und lächelte. Ein Lächeln das ich bereits kannte, das er immer benutzte wenn er etwas Schreckliches zu verkünden hatte.
„Erza. Du warst tot. Caro hat dich mit gebrochenen Genick in deinem Zimmer gefunden. Hades ist auch in seine Dimension zurück gekehrt. Wir haben dich für tot erklärt und in die Leichenhalle für die Zeremonie bereitgelegt. Es tut mir so leid.“
Ein gebrochenes Genick? Langsam kamen meine Erinnerungen zurück. „Ich bin in mein Zimmer um Caro zu suchen und plötzlich war da der Dämon. Wir haben geredet, aber ich weiß nicht mehr worüber. Dann bin ich hier aufgewacht.“ Stammelte ich zusammenhanglos. Das einzige das ich wirklich weg ließ, war das ich kurz vor meinem Tot mit ihm herum gemacht hatte. Es wäre wohl das beste, wenn ich das verschweige.
„Ist schon gut. Zum Glück bist du zur Hälfte Vampir. Dir wird es bald wieder besser gehen. Komm, wir bringen dich wieder hinauf.“ Meinte mein Mentor und half mir auf die Beine.
Caro knöpfte mir den Mantel zu und stützte mich beim Gehen. „Danke Caro.“ Sie wischte sich einige Tränen weg und nickte bloß so stark mit ihrem Kopf, dass ihre frischen Locken wie wild hüpften.
„Wie fühlst du dich, Erza?“ Fragte mein Mentor und lächelte freundlich.
„Ich fühle mich so schlapp und steif. Ist der Dämon weg?“
Mein Mentor nickte. „Das vergeht. Und ja du warst zweiundsiebzig Stunden tot. Ich vermute du erinnerst dich daran, dass der Dämon, den wir mittlerweile als Räum identifizieren konnten, ja mit...“ Weiter hörte ich nicht mehr zu. Sein Name ist Räum. Der Dämon Räum. Ich überlegte was ich von ihm wusste. Er konnte sich in eine Krähe verwandeln und war ein sehr mächtiger Dämon. Zu seinen typischen Fähigkeiten gehörte das er Geheimnisse aus jedem herausbekommen konnte. Und er konnte Liebe in Menschen entfachen. Deswegen fühlte ich mich vielleicht so hingezogen zu ihm. Ganz bestimmt sogar. Warum sollte ich mich sonst zu so einem Dämon hingezogen fühlen. Knurrend ballte ich die Hände zu Fäuste. „Das bekommt er zurück. Niemand trickst mich so aus...“
„Ganz ruhig, Erza. Wie gesagt haben wir einen Deal, von dem jeder Profitiert. Wir dürfen ihm jetzt nichts mehr tun.“
Jetzt war ich diejenige die erschüttert drein sah. „Was? Wer hat sich den diesen Scheiß ausgedacht?“ Brüllte ich etwas zu laut. Doch in dem Moment interessierte es mich nicht was andere dachten.
„Erza beruhige dich. Ich weiß es ist eine schwierige Situation, aber...“
„Was ist daran bitte schwer? Er ist ein Dämon aus einer anderen Dimension. Er muss vernichtet werden!“ Jetzt schrie ich schon empört.
„Okay, das musst du dir mit dem Chef ausmachen, ich mache nicht die Regeln.“ Verteidigte sich mein Mentor. Ich wusste ja das er keine Schuld trug, doch gerade war ich voll in fahrt.
„Wo finde ich ihn?“ Knurrte ich aufgebracht.
„Ich denke nicht...“
„Wo!“
„Er ist im Büro.“ Mein Mentor ging mir aus dem Weg, als ich mich von Caro los riss und aus eigenen, neu entfachten, Kräften ins Büro von Mister Kingsler lief. Dort angekommen klopfte ich nicht einmal an, sondern riss einfach so die Türe auf.
„Erza! Sie leben ja noch! Wie erfreulich.“ Er schien wirklich erfreut darüber zu sein, doch als er meinen Gesichtsausdruck sah und auf den Dolch blickte den ich Caro aus dem Hosenbund gezogen hatte, änderte sich seine Miene schlagartig.
„Sie leben aber nicht mehr lange, wenn sie mir keinen guten Grund dazu liefern.“ Knurrte ich und fühlte meine Reißzähne durchbrechen.
„Ich weiß nicht wovon...“
„Sie wissen sehr wohl wovon ich spreche. Der Dämon! Verdammte Scheiße was haben Sie sich dabei gedacht?“ Ich konnte meine Stimme kaum noch beherrschen. Hinter mir hörte ich sogar schon aufgebrachtes Geflüster. Verdammte schaulustige.
„Erza, ich verstehe das Sie aufgebracht sind, aber Sie sollten sich erst einmal beruhigen eine heiße Dusche nehmen und dann können wir ganz normal miteinander sprechen.“
Das war zu viel für meine Nerven. Fauchend stürzte ich mich auf meinen Chef und stach mit dem Dolch nach ihm. Seine jahrelange Erfahrung, ließ ihm nicht in Stich und er wich mir mühelos aus. Knurrend verrenkte ich meinen Oberkörper und erwischte seinen Oberkörper. Vampire waren nun mal schneller als Menschen, selbst wenn sie gerade erst aus einem Winterschlaf erwacht waren. Ungelenk warf er sich über den Tisch und warf zwei Wurfsterne nach meinen Armen. Ich fing sie einfach ab und verbog sie in meinen Fäusten. Ich hörte meine Haut aufgebracht zischend verbrennen, doch ignorierte den Schmerz.
Angetrieben von Zorn, warf ich mich mit meinen Zähnen auf ihn und stieß ihn zu Boden.
Jetzt war er wehrlos und sein Hals nur einen Wimpernschlag von meinen Zähnen entfernt.
Ich bemerkte eine Bewegung hinter mir und knurrte drohend. „Einen Schritt weiter und sein Hals liegt offen vor deinen Füßen!“ So hatte ich meine Stimme noch nie gehört. Nebenwirkungen meines kurzen Todes?
Charles hob ergebend die Arme und ließ seinen Dolch fallen. Ich wandte mich wieder meinen Chef zu.
„Ich gebe Ihnen drei Sekunden mir einen guten Grund zu nennen, Sie nicht zu töten.“
Innerlich fing ich an zu zählen.
„Weil nicht ich derjenige bin auf den Sie wütend sind, sondern Mister Räum. Wir sind einen Deal eingegangen, dass er unter den Menschen in unserer Obhut leben darf, solange er keinen Kontakt zu anderen Dämonen aufnimmt und uns regelmäßig Bericht erstattet. Somit wissen wir auch wenn ein Dämon vor hat sich in unserer Welt zu manifestieren.“
Das war alles? Entrüstet stieß ich die Luft aus und rollte mich von ihm hinunter. „Wie lächerlich. Wie gut dass ich nicht mehr am Leben war, als diese Entscheidung getroffen wurde. Ich werde nämlich jede Chance nutzten ihn zu töten.“
Knurrte ich und verließ das Zimmer ohne mich noch einmal umzudrehen. Am Lift angekommen fuhr ich hinauf in mein Zimmer das noch immer unverändert da lag. Caro war mir still gefolgt und setzte sich nun auf ihr Bett.
„Erza?“
Ich blickte mit einem traurigen Gesicht zu ihr und sah, das sie verängstigt zu sein schien. „Ich bin froh, das du wieder lebst.“
„Entschuldige.“ Murmelte ich und sie blickte mich verständnislos an. „Für das gerade eben. Ich war noch nicht ganz bei mir. Ich hätte nicht so reagieren dürfen. Ich gehe später hinunter mich entschuldigen.“
Caro nickte und lächelte wieder. „Mach dir nichts daraus. Du hast so reagiert, wie jeder andere es gerne getan hätte. Ich hasse es ihn nicht töten zu dürfen.“ Ich sah in Caros blick wie gerne sie Vergeltung für die Stunden üben würde, die er mich ihr beraubt hatte und kicherte. „Mach dir nichts daraus. Solltest du aus Versehen stolpern und ihm zufällig einen Dolch durchs Herz rammen, dann habe ich genau das gesehen.“
Lachend stand sie auf und drückte mich so fest, das ich schon Angst um meine Knochen bekam. „Danke, Schatz. Ich habe dich so unglaublich vermisst. Ich war ständig unten bei dir vor dem Leichenraum. Bitte verlass mich niemals wieder.“
Überwältigt von ihrer offenen Zuneigung, liefen mir ebenfalls Tränen über die Wangen und ich drückte sie nun auch fester an mich.
„Niemals wieder, Schwester.“ Murmelte ich in ihr Haar und sie brach in meinen Armen zusammen.
Stundenlang tröstete ich Caro und wischte ihr die Tränen weg. Erst als sie sich in den Schlaf geweint hatte und tief schlief, konnte ich endlich duschen gehen brachte somit meinen steifen Körper wieder auf meine normalen sechsunddreißig Grad.
Danach schlich ich leise hinaus und fuhr wieder in die unteren Etagen wo auch das Büro meines Chefs war. Zögerlich klopfte ich an und wartete auf das >Herein!<
„Sir! Ich komme offiziell um mich zu entschuldigen.“ Ich salutierte vor ihm und er lächelte.
„Entspanne dich. Ich verstehe, dass es dir schwer fällt es zu akzeptieren, doch wir haben keine Wahl. Ich habe genauso wie du seine Macht gesehen. Solange wir niemanden haben, der stark genug ist um sich gegen ihn zu behaupten, denke ich ist es besser ihn als Freund anstatt als Feind zu haben.“
Überrascht von den offenen Worten meines Chefs nickte ich und setzte mich ihm gegenüber.
„Ich verstehe, Sir. Trotzdem möchte ich das Sie wissen, dass der Job hier, egal wie schlecht ich ihn mache, mein Leben ist. Ich werde alles daran setzen dieses Gebäude mit meinem Leben zu beschützen und alle die sich darin befinden. Ich möchte nicht dass er jemanden etwas antut. Von mir aus kann er mit mir machen was er will... Aber hier ist meine Familie und meine Freunde.... Ich...“ Ich spürte Tränen in meinen Augenwinkeln und wischte sie schnell weg.
Er stand auf und kam auf meine Seite. Freundschaftlich legte er mir seine breite Hand auf die Schulter und lächelte. „Danke Erza. Ich weiß deinen Kampfgeist zu schätzen. Glaub mir wenn ich dir sage, dass alle fürchterlich um dich getrauert haben. Auch wenn du niemanden an dich ran lässt, aus welchen Gründen auch immer. Jeder bewundert dich hier und alle Lieben dich. Stell nichts Waghalsiges mehr an, in Ordnung.“
Ich nickte und er zwinkerte mir zu. Erst jetzt bemerkte ich sein humpeln. „Sir, warten Sie.“ Ich wickelte seinen Verband ab und biss mir in den Finger. Gezielt ließ ich einige Tropfen auf die Wunde tröpfeln und er sah gebannt zu wie sich die Wunde schloss. „Erza, das wäre...“
„Vergessen Sie es einfach. Und passen sie die nächsten paar Stunden auf, dass sie nicht sterben. Ansonsten kommen Sie als Vampir zurück.“
Lächelnd ging ich aus dem Büro und er tastete immer noch an der Stelle herum, an der vor ein paar Sekunden noch eine tiefe glatte Schnittwunde gesessen hatte.
Normalerweise machte ich so etwas nicht, da die meisten Angst vor dieser Gabe hatten, doch das war ich ihm Schuldig. Immerhin hatte ich ihn angefallen.
In der Cafeteria unten angekommen, holte ich mir noch eine Flasche frisch gewärmtes Blut und etwas Festes zu essen für meinen Magen. Natürlich beschränkte ich es auf Faserarme Produkte, da mein Magen nun schon drei Tage nicht mehr benutzt worden war und ich ihn nicht zu viel belasten wollte.
Zufrieden schaufelte ich mein Essen in mich hinein bis mir schlecht wurde. Wie hielten das Komapatienten bloß aus? Fragte ich mich innerlich und rülpste zufrieden.
„Hi, E.“ Überrascht, ihn nicht gehört zu haben blickte ich auf.
„Hi, Charles.“ Ich lächelte ihn freundlich an und nippte an meinem lauwarmen Blut. Igitt. Wenn es die richtige menschliche Temperatur hatte, schmeckte es wesentlich besser, selbst wenn es nicht direkt aus der Arterie kam.
„Wie fühlst du dich?“ Erkundigte sich Charles und stopfte sich ein Pommes in den Mund. Sehnsüchtig blickte ich dem triefenden Fett hinterher...
„Ähm...Ja besser. Ich fühle mich nicht mehr so wirr im Kopf und mein restlicher Körper hat seine alte Stärke wieder.“ Nun war mir der Hunger auf mein Faserarmes essen vergangen und ich schob den restlichen Teller weg. Verdammt.
„Das freut mich zu hören. Ähm... E. Ich wollte dich fragen, ob du mit mir auf eine Mission gehst.“
Ich blickte überrascht zu ihm auf. Eine Mission? Mit ihm? „Ach, ich denke nicht dass das so klug wäre, immerhin verstehen wir uns nicht gut. Ich meine, ja. Bei der letzten Mission haben wir uns echt zusammen gerissen und es hat funktioniert, doch ich denke wir sollten unser Glück wirklich nicht herausfordern.“
Er wirkte sichtlich enttäuscht. Plötzlich nahm er meine Hände über den Tisch in seine und drückte sie. „Bitte, E. Nur diese eine Mission, danach können wir uns wieder zanken wie zwei fünfjährige, in Ordnung.“ Ich blickte immer noch überrascht unsere Hände an, und merkte nicht das ich genickt hatte.
Abrupt ließ er sie los und lächelte zufrieden. „Danke, E. Du wirst es nicht bereuen.“ Damit verschwand er wieder fast hüpfend aus der Cafeteria und ich saß alleine mit zwei Tellern da. Ohne Hunger und mit Wut auf mich selbst. „Äh... Wer kommt den auf so einen Scheiß?“
Kopfschüttelnd trug ich die beiden Teller weg und fragte mich was das wohl für eine Mission war. Hoffentlich nicht wieder dasselbe, wie beim letzten Mal...
Den restlichen Tag nahm ich mir frei, da ich keine Lust mehr hatte irgendjemanden zu begegnen und legte mich in mein Bett. Nebenbei ließ ich den Fernseher laufen, der in unserem Zimmer nur selten an war und verfolgte die Nachrichten.
Ein Klopfen riss mich einige Stunden später aus dem Schlaf. Gähnend öffnete ich die Türe und Charles stand freundlich lächelnd in voller Montur vor mir. Was hatte er vor?
„Warte ich ziehe mich schnell um.“ Ich schloss die Türe wieder hinter mir und verbannte das ekelhafte Lächeln aus meinem Kopf das er aufgesetzt hatte. Nach wenigen Minuten öffnete ich abermals die Türe und wir gingen los.
Nach einer dreistündigen Fahrt, an der wir uns an geschwiegen hatten, hielt er plötzlich abrupt den Wagen an. Überrascht, da ich nicht angeschnallt war, fiel ich gegen den Beifahrersitz und schlug mir den Kopf an. Charles war bereits aus dem Wagen und in irgendeinem Haus verschwunden. In welchem konnte ich nicht sagen. Ich verließ ebenfalls das Auto und zog den Schlüssel ab. Bloß für alle Fälle.
Das Dorf in dem wir uns befanden, war wie ausgestorben. Kisten und andere Gegenstände, die man normalerweise für den Haushalt brauchte, lagen einfach so auf den Straßen herum. Irgendetwas hatte hier sein Unwesen getrieben, dessen war ich mir sicher. Geräuschlos zog ich meinen Hammer und ging von Haus zu Haus, doch fand ständig alles gleich vor. Abrupt verlassene Zimmer. Nichts ließ darauf schließen, wann die Leute hier zum letzten Mal waren. Die Post von mehreren Tagen war noch in den Briefkästen, doch endeten auf einmal vor drei Tagen. „Da hat sich wohl jemand Sorgen gemacht...“ Murmelte ich und wagte mich zum nächsten Haus vor.
Als ich im Dorf nichts fand, machte ich mich auf den Weg in den Wald. Wo war bloß Charles ab geblieben? Hatte er mich alleine stehen lassen? Ein griff zu meiner Lederjacke und ich hörte das vertraute rascheln des Schlüssels. Irgendetwas stimmte hier nicht. Ein ganzes Dorf das über Nacht verschwand? Das konnte nur das Werk eines Dämons sein.
Vorsichtig zog ich mich vom Waldrand zurück und eilte lautlos zurück zum Wagen. Dort angekommen, sah ich eine Gestalt.
Verdammt.
Ich duckte mich hinter eine Hausecke und beobachtete diese. Sie probierte bei den Türen ob sie zu öffnen waren und gerade als sie ausholte um eine Scheibe einzuschlagen, tat ich etwas Dummes. „Halt! Hände hoch! Sofort.“ Die Gestalt stand mit dem Rücken zu mir, deshalb konnte ich nicht erkennen wer sie war.
„Hände hoch und langsam zu mir drehen.“ Ich hielt meinen Hammer bereit, um ihn gegen denjenigen einzusetzen, als ich sie auch schon wieder sinken ließ. War ja klar, dass er ärger verursachte. „Ach, du bist schuld, das hier alle fehlen. Sag mir sofort was du vor hast, Dämon!“
Räum lehnte sich lächelnd gegen die Beifahrertüre und blickte zu mir. „Wie ich sehe bist du immer noch menschlich. Wie ärgerlich.“
Mistkerl...
„Das tut hier nichts zu Sache. Sag mir sofort wo die Einwohner sind.“ Er deutete auf das höchste Gebäude des Dorfes und lächelte wissend.
Ohne auf ihn zu achten lief ich zu der Kapelle und versuchte die Türe aufzukommen. Abgeschlossen...
Knurrend warf ich mich mit voller Kraft dagegen, doch wurde von einem Kraftfeld zurückgeschleudert. Hart landete ich gegen einen festen Körper, der mich auffing. „Immer mit dem Kopf durch die Wand. Wie niedlich.“ Knurrend stieß ich ihn von mir und ging zur Kapelle zurück. Vom inneren drangen verängstige Stimmen heraus, doch ich konnte nicht verstehen was sie sagten.
Schnell lief ich um das Gebäude herum, doch es gab keinen anderen Eingang, bis auf die Fenster in drei Meter Höhe.
Ich kontrollierte noch einmal wo sich der Dämon befand und sah, das er gerade... irgendetwas machte. Ob er betete oder sich konzentrierte, konnte ich nicht wirklich sagen.
Kopfschüttelnd nahm ich Anlauf und sprang. Elegant landete ich mit einem dumpfen Aufschlag gegen die Mauer und hielt mich am Vorsprung fest, der sich vor dem bunt bemalten Fenster auftat. Ächzend zog ich mich hoch und schlug mit dem Ellenbogen gegen das Fenster. Sofort ging es splitternd zu Bruch.
„Ups...“ Murmelte ich, als ich mein Gleichgewicht verlor und mich gerade noch an einem Holz festhalten konnte. Also die Kirche war eindeutig Römisch-Katholisch eingerichtet, doch von den Einwohnern fehlte jegliche Spur. Diesmal etwas eleganter, sprang ich vom hölzernen Kreuz und betrachtete den abgerissenen Arm in meiner Hand. Irritiert versteckte ich ihn hinter den vielen Blumen die davor standen und betete, dass der Pfarrer es erst bemerkte, sobald ich schon lange weg war. Nun, ja als wäre ein fehlender Unterarm eines genagelten Mannes >unauffällig<...
Achselzuckend untersuchte ich reihe für Reihe die Bänke, doch fand nichts vor, was auf einen Dämon hätte schließen können. Nicht einmal an der Decke hockte irgendetwas... Was war hier nur los? Wo war Charles? Musste ich den wirklich alles alleine machen?
Als ich gerade in den vordersten Teil der Kapelle gehen wollte, hörte ich die Türe hinter mir auffliegen.
Räum trat zufrieden ein und kam zu mir nach vorne. „Und du konntest mir nicht Bescheid sagen, dass du die Türe auf bekommst?“ Knurrte ich ihn an.
„Woher sollte ich den wissen, dass du vor hast einen Hechtler durch die Kirchenfenster zu machen?“
Er wirkte belustigt und das ärgerte mich. „Warte draußen. Du behinderst mich nur.“ Ich ging weiter ohne auf ihn zu achten, doch er folgte mir. Leise öffnete ich die Türe, die zu den privaten Räumen des Pfarrers führte und blickte mich um. Nichts verdächtiges.
In einem Nebenzimmer hörte ich plötzlich schmatzende Geräusche und hämisches Gelächter. „Dämonen?“ Fragte ich Räum und er nickte.
Augen verdrehend riss ich die Türe auf und knallte dem ersten Dämon den ich erwischte meinen Hammer gegen den gehörnten Kopf. Er ging sofort nieder und verschwand in einer Rauchwolke. Die anderen fünf erhoben sich kreischend in die Luft und fauchten mich missbilligend an.
Nun, gut nicht wirklich mich. Sondern eher den Dämon der sich nun schützend vor mich stellte. Was sollte das? Das war meine Mission!
Er murmelte einige zischende Worte und die Dämonen lösten sich unter Qualen ebenfalls in Luft auf.
„Was machen Kreischerdämonen hier? Die kommen sonst nie in unsere Dimension.“ Beschwerte ich mich und betrachtete die Überreste von verstümmelten Menschen. Wir waren zu spät gekommen. Unter den Haufen von Leichen rührten sich nun auch unversehrte Leute und blickten mich hilfesuchend an.
Ich hasse Überlebende... Es war immer so kompliziert ihnen zu erklären was da passiert ist.
Kopfschüttelnd machte ich mich alleine daran, sie von ihren Fesseln und dem vielen Klebebänder zu befreien, dass sie um den Mund gewickelte hatten.
Als ich endlich fertig war betrachtete ich den Dämon hinter mir der die Kratzer und Zahnabdrücke der verschwindenden Dämonen zu untersuchen schien. „Es wäre nett gewesen, wenn du mir geholfen hättest!“
Der Dämon blickte mich lächelnd mit seinen kalten gelben Augen an. „Ich dachte du bräuchtest keine Hilfe?“
Das stahl mir nun doch ein Lächeln auf die Lippen und ich schüttelte den Kopf. „Du bist echt nicht nützlich Räum.“
Ich machte am Absatz kehrt und brachte die Überlebenden hinaus an die frische Luft. Wenn später die Einsatzkräfte durch den Wald gehen würden, würde man bestimmt die restlichen Bewohner irgendwo an den Bäumen aufgehängt finden. Das war typisch für diese Dämonenart. Die meisten hielten sich lieber am Boden auf, doch diese spezielle Kreischerrasse, konnte einen so hohen Ton erzeugen, dass die meisten nach nur wenigen Sekunden ohnmächtig wurden. Danach banden sie ihre Opfer auf die höchsten Bäume, die sie finden konnten und fraßen sie, je nach Lust und Hunger.
Als die Spezialeinheit ankam, gab ich ihnen eine Kurzbeschreibung von Charles, der wahrscheinlich von einem der Kreaturen irgendwo aufgehängt wurde und machte mich auf den Weg zum Auto. Dort angekommen, lehnte bei der Beifahrertüre bereits Räum und winkte.
Als ich das sah, verdrehte ich abermals die Augen und versuchte eine gute Begründung zu finden ihn nicht auf der Stelle zu töten.
„Nein, du kommst nicht mit. Du bist von selbst her gekommen, du kannst auch von selbst dorthin zurück woher du auch immer gekrochen bist!“
Der Dämon hob die Schultern, als wäre es ihm egal und wartete dass ich aufsperrte. „Ich muss ebenfalls zu Organisation zurück. Da wäre es doch nur logisch, mit dir mitzufahren.“
„Nein!“ War alles was ich sagte und spielte mit dem Schlüssel in der Hand. Ich würde nicht eher aufsperren, bevor er nicht weg war.
Plötzlich fühlte ich meinen Schlüssel aus der Hand fallen und griff nach ihm, doch er fiel seltsamerweise nicht der Erdanziehungskraft entsprechend. Wütend betrachtete ich ihn auf dem Weg über das Autodach hinüber zu Räum und warf ihm einige wüste Beschimpfungen an den Hals.
Zufrieden fing er den Schlüssel auf und drückte den Entriegelungsknopf. Knurrend öffnete ich meine Fahrertüre und setzte mich hinter das Steuer. Der Dämon reichte mir den Schlüssel und ich ergab mich meinem Schicksal. Wenn ich jetzt das Auto irgendwo in einem See versenken würde, irgendwo wo es niemals jemand finden würde, wäre es mir sogar egal wenn ich auch sterben müsste.
Aus Protest legte ich eine von Charles heiß geliebten Metal-CDs ein und drehte so laut auf, dass ich ihn nicht mehr hören musste, falls er den Mund auf machte.
Eineinhalb Stunden fuhr ich schweigend zurück zur Organisation und erfreute mich das die Zeit einfach so dahin flog. Nach einiger Zeit bemerkte ich nicht einmal mehr, dass der Dämon den ich schon seit Jahren hasste, neben mir saß und sich die Umgebung ansah. Was wohl ein Dämon aus einer anderen Dimension empfand bei dem Anblick von Wald, Äcker und Städten? Ich nahm mir vor, das irgendwann einmal heraus zu finden und konzentrierte mich wieder auf die Fahrbahn. Als mich irgend so ein Idiot schnitt, kurbelte ich das Fenster auf und brüllte ihn obszöne Wörter hinterher. Da er ebenfalls das Fenster offen hatte, sah ich wie er mir den Mittelfinger hinaus streckte. Das reichte! Mensch hin oder her!
Ich holte alles aus dem Auto und blinzelte den Idioten vor mir mit seinem Porsche an. Er nahm die Herausforderung an und versuchte mich von der Fahrbahn zu drängen. Nur zu blöd dass das ganze Auto Einschuss sicher war. Grinsend brachte ich mein Geländewagen an sein Limit und überholte den Idioten ohne Mühe. Einige Meter vor ihm bremste ich stark ab und sah noch wie er die Kontrolle über sein Auto verlor.
„Ha! Das hast du davon, Arsch!“ Brüllte ich hinaus und schloss das Fenster wieder. In einem gemütlicherem Tempo fuhr ich weiter, bis mich das wissende Lächeln neben mir störte. „Was ist?“ Knurrte ich doch der Dämon schüttelte lediglich den Kopf.
„Nichts. Ich finde es nur amüsant, dass du dich sogar zu einem Kampf mit deiner eigenen Rasse einlässt.“
Empört blickte ich zu ihm. „Das? Das war bloß ein Rennen und außerdem hat doch er angefangen. Der Mistkerl hat mich an der Biegung geschnitten, ich war gezwungen meine Autofahrerehre wieder herzustellen.“
„Indem du seinen Lack völlig ruinierst, ihn demütigst und hinterhältig ausbremst? Und das auch noch mit dem wissen, dass du ihn sowieso locker geschlagen hättest, auch wenn du ihn einfach weiterfahren gelassen hättest. Immerhin hattest du mit deinem aufgemotzten Geländewagen von Anfang an keine Chance zu verlieren. Das ist ein knick in der Ehre, Ezraela!“
Empört warf ich ihm einen Blick zu, von dem ich hoffte dass er auf der Stellte tot umfiel. Stattdessen fuhr ich rechts an und deutete auf seine Türe. „Machen wir ein Spiel. Du gurrtest dich ab, steigst aus, schließt die Türe und legst dich... sagen wir zehn Meter vor das Auto. Danach fahre ich los und überrolle deinen Körper so oft mit meinem Wagen, bis er nur mehr menschlicher Matsch ist. Oder aber, du sparst dir deine Kommentare und sagst einfach wie toll ich gegen den Mistkerl gefahren bin und hältst danach dein verfluchtes Maul!“
Räum schien beide Möglichkeiten ernsthaft abzuwiegen.
Kopfschüttelnd und ohne eine Antwort zu erhalten, fuhr ich wieder los und seufzte. Hoffentlich war das unsere letzte Begegnung. Ich hatte ernsthaft keine Lust mehr mit ihm zu reden, oder ihn auch nur zu sehen.
Eine weitere halbe Stunde verging, bis er wieder den Mund öffnete. „Wo liegt eigentlich dein Problem?“
Ernsthaft? Das war seine Frage? „Ich weiß nicht, vielleicht liegt es an meinem Charakter, an meinem Job, an meiner Art mit Dämonen normalerweise umzugehen, oder es liegt einfach daran dass du vor zwei Jahren mehrere meiner Freunde getötet hast und natürlich nicht zu vergessen, mich vor drei Tagen!“
Er blickte mich verwirrt an. „Das hältst du mir immer noch vor? Das ist doch schon so lange her, oder?“
Ich war so baff von der Antwort, dass ich kurzfristig die Kontrolle über das Auto verlor. Als ich es wieder im Griff hatte, musste ich erst einmal tief durchatmen und mich daran erinnern, dass ich auf einer Autobahn mit hundertfünfzig dahin raste und mich somit nicht einfach mit meinem Hammer auf ihn stürzen konnte um seine dämliche Visage zu zertrümmern.
„Manchmal frage ich mich ehrlich, ob die Dummheit von Menschen noch zu toppen ist... und dann kamst du!“ Ich versuchte zu lachen, doch es gelang mir nicht recht.
„Was soll das bedeuten?“ Fragte er und diesmal schaffte es ein ehrliches Lächeln auf mein Gesicht. „Denk darüber nach und gib mir die Antwort, sobald du sie hast.“
Das verschaffte mir genug Zeit um in der Tiefgarage zu parken und meinen Schlüssel am Empfang abzugeben. So schnell ich konnte lief ich hinauf, weg vom Dämon, und schloss mich in meinem Zimmer ein. Dort ließ ich erst mal meine Knochen gut hörbar knacken.
„Hallo, Erza.“ Ich lächelte zu Caro, die ich anscheinend gerade aus dem Schlaf geschreckt hatte. Ich hatte ganz vergessen, dass sie todmüde umgefallen war, bevor ich gegangen bin.
„Guten Morgen Caro. Wie fühlst du dich?“
Die angesprochene gähnte ausgiebig uns streckte ihre steifen Glieder. „Besser. Wie lange habe ich geschlafen?“
„Mehr als sechs Stunden, soviel ich weiß. Ich war unterwegs und habe nicht auf die Uhr gesehen. Vielleicht mehr...“
„Wo warst du denn?“
„Ich war mit Charles auf einer Mission drei Stunden von hier entfernt.“ Sie ließ mich nicht einmal aussprechen, sondern betrachtete mich als wäre ich verrückt geworden. Caro fiel mir um den Hals, ich war verdutzt. Ich war doch nur drei Tage tot gewesen. Außerdem hatte ich einiges zum Aufholen. Meine Kräfte waren bis jetzt noch nicht gänzlich zurück gekehrt.
„Wehe du gehst noch einmal irgendwo ohne mich hin. Bevor ich nicht überzeugt bin, dass du alleine gut zurechtkommst, lass ich dich nicht aus den Augen.“ Genervt atmete ich aus und verdrehte die Augen.
„Ja, Mama...“
„Erza! Ich meine das ernst. Du warst für mindestens zweiundsiebzig Stunden tot. Keine Anzeichen für auch nur irgend ein Leben in dir war zu sehen. Du kannst deinen Körper nicht einfach weiterbenutzen, als wäre nie etwas gewesen. Du musst ihn schonen!“
Das hatte ich ja... Ich war nur ein Dorf ab gelaufen in denen Kreischer ihr Nest gebaut hatten, war in eine Kirche eingebrochen, habe mit einem Dämon gestritten und mehrere Geiseln in ihre Freiheit entlassen. Und nicht zu vergessen, habe ich eine dreistündige Fahrt mit demselben Dämon hinter mir, den ich über alles hasste und der mich getötet hatte... „Das habe ich ja. Charles hat die ganze Arbeit gemacht. Ich habe mich nur umgesehen und mit den Überlebenden gesprochen.“ War jedoch das einzige das ich erzählte.
Zufrieden nickte sie und zog sich frische Klamotten an. „Komm. Wir gehen essen.“ Caro zog mich an der Hand hinunter in den Speisesaal, wo sich einige Leute versammelt hatten.
Neugierig geworden bahnten wir uns einen Weg in die Mitte der Versammlung und sahen dort einen von oben bis unten Bandagierten Charles sitzen. „Erza! Dir geht es gut. Ich dachte sie hätten dich auch erwischt.“
Er zog mich zu sich auf den Stuhl und umarmte mich fest. Okay... Das war zu viel der Zuneigung in den nächsten hundert Jahren.
„Charles... Schon gut. Lass mich los.“ Etwas unfreundlicher als gemeint, riss ich mich los und richtete meine Kleidung wieder. Aber auch nur um etwas zu tun und meine geröteten Wangen zu verstecken.
„Warum bist du einfach vom Auto verschwunden? Ich dachte wir machen das zusammen?“
Er wirkte etwas traurig. „Ja. Aber ich sah einen Kreischer und bin ihm in den Wald gefolgt. Ich habe ja gesagt du sollst im Auto bleiben. Was hast du getrieben?“
Oh, je. „Ich habe das Dorf abgesucht und die Bewohner in der Kirche gefunden. Ich habe sie befreit und Verstärkung gerufen. Danach bin ich zurück, weil ich dich nicht finden konnte und dachte einer der Kreischer hätte dich auf einen Baum aufgehängt.“
„Das war auch so. Er hat mich in eine Falle gelockt und bewusstlos geschlagen. Als ich aufgewacht bin, hat mich gerade einer der Suchtrupps vom Baum geschnitten. Mehr als ein paar Kratzer habe ich nicht...“
Ich betrachtete ihn genauer und erkannte einen Gips am linken Arm, Halsstütze, ein dickes Pflaster auf der Schläfe, Bandagierten Oberkörper und eine Schiene am linken Knöchel. Ein paar Kratzer...
„Man sieht es... Ich schätze du hast ein Monat Urlaub, oder?“ Charles nickte geknickt und Caro legte ihm beschwichtigend die Hand auf die Schulter. „Keine Sorge. Dir wird bestimmt nicht fad werden, so gut wie ich dich kenne.“ Lachend ließ er sich im Stuhl zurück sinken und wurde prompt mit Fragen bombardiert. Unauffällig zog ich mich zurück und holte mir einen Teller mit Gemüselasagne. Genüsslich aß ich daran und fragte mich warum ich eigentlich nichts daran schmeckte. Ich wusste zwar dass es nach etwas schmecken sollte, doch da war absolut nichts. Im Gegenteil. Mittlerweile hatte sich mein Hunger sogar verstärkt. Ob es daran lag, dass ich drei Tage tot gewesen war? Unauffällig tastete ich nach meinen Puls im Handgelenk und atmete zufrieden durch. Er war noch da.
Seltsam das ich mir ausgerechnet jetzt Sorgen machte, ein Vampir zu werden, obwohl ich es mir schon immer gewünscht hatte.
Mich selbst tadelnd wie lächerlich das sei, schob ich die Lasagne weg und erschrak, als ich Caro vor mir sitzen sah. „Was ist?“
Sie hob die Schultern und schob den Teller zu mir zurück. „Nach was riecht das für dich?“
Zögerlich roch ich daran. Mein Geruchssinn war nicht stärker geworden, doch auch nicht schwächer. „Normal nach Lasagne. Warum?“
„Und nach was schmeckt es?“ Jetzt blickte sie mich durchdringender an und ich blickte mich unsicher um, ob uns auch wirklich keiner beobachtete. „Nach nichts...“ gab ich zu.
Caro sog scharf die Luft ein und knurrte. „Ich werde diesem Mistkerl die Zunge heraus reißen. So etwa kann er dir doch nicht antun!“
„Was meinst du?“ Beleidigt und enttäuscht wegen mir selbst, blickte ich auf den Tisch und fixierte ihn.
„Was? Das fragst du auch noch? Er macht dich zu einem Monster, wenn er dich noch einmal tötet. Oder vielleicht muss er dich auch erst hundertmal töten, doch irgendwann wird es offensichtlich darauf hinaus laufen, dass du als Vampir erwachst!“
Ich zischte sie an, da sie ihre Stimme erhoben hatte und machte eine beschwichtigende Handbewegung. Hoffentlich waren die anderen taub...
„Caro... Selbst wenn. Eigentlich ist es doch genau das, was ich immer schon wollte. Normal sein. Und in unserer Welt heißt >normal< ein ganzer Vampir, ein ganzer Werwolf, ein ganzer Sukubus, ein ganzer Dämon oder ein ganzer Mensch sein. Ich habe es satt, ständig als zwei verschiedene Arten angesehen zu werden!“
„Aber das bist du, verdammt noch einmal! Du bist >der menschliche< Vampir! Das bist du! Nichts anderes.“
Fauchend entblößte ich meine Zähne und bleckte sie vor meiner besten Freundin. „Ach, ja. Und wenn ich genau >das< wäre, was wären wir beide dann? Bestimmt keine Schwestern mehr, oder?“
Polternd schob ich den Stuhl zurück und eilte aus der Cafeteria. Mir reichte es. Ich hatte alle satt.
Ich ging in den Aufenthaltsraum und suchte mir einen Fall heraus, der mir gefiel, danach machte ich noch einen Abstecher ins Zimmer, da ich dafür bestimmte Kleidung brauchen würde. Freudig schwang ich mich auf mein Motorrad und fuhr los. Ich sah zwar noch eine brünette Strähne hinter einer Säule verschwinden und wusste, dass es Caro war, doch fuhr ich weit darum herum und hinaus in die Sonne. Kurz blendete sie mich, doch durch meine Sonnenbrille war es mir egal. So schnell ich konnte fuhr ich bis es dämmerte und an einer dreckigen Spelunke ankam. Hier sollten angeblich schon seit Monaten Menschen spurlos verschwinden. Für uns Jäger war es klar was dahinter steckte. Nur wann es sich zeigte, war nun mal das Problem. Quietschend hielt ich links neben der Eingangstüre, wo mich vier Männer ab checkten und verwahrte meinen Schlüssel in meiner Jackentasche.
Ich fuhr immer ohne Helm, darum war meine Frisur etwas durcheinander vom Wind, doch das war mir egal. Klappernd stolzierte ich an ihnen vorbei und trat ein. Der Geruch von Urin, Schweiß, und Alkohol stach in meiner Nase und ich verzog das Gesicht. „Zeit für eine Runde Billard.“ Murmelte ich und flog beinahe zum Tisch. Da gerade keiner Frei war, bestellte ich ein großes Glas Bier und tat so als würde es mir schmecken. In diesem Sinne kam es mir sogar zu gute, dass ich nichts mehr schmeckte. Ich hasste den Geschmack von Alkohol.
An diesem Abend wurde ich sogar öfter angesprochen und zockte einige Menschen das Geld ab. Ich sah es als Bezahlung für meine heutigen Dienste an. Im Grunde sollten sie mir doch dankbar sein...
Als es dämmerte und nichts geschehen war, buchte ich ein Zimmer für einige Stunden und legte mich hin. Schlafen konnte ich ohnehin nicht, doch von meinem Zimmer aus, konnte ich den Wald gut beobachten.
„Und, nette Aussicht?“
Ich brauchte mich nicht einmal umzuwenden um zu wissen wer hinter mir stand. „Diese Aussicht bestimmt. Aber ich kann mir schöneres vorstellen.“ Eine warme Hand legte sich auf meine Schulter, doch es war mir egal. Ich wollte nur alleine sein.
„Was siehst du dort draußen?“
„Wald...“
„Was willst du lieber sehen?“
Seufzend wandte ich mich ihm zu und schüttelte seine Hand ab. „Was willst du, Räum? Das ist ein einfacher Job, den erledige ich ohne Probleme.“ Er drehte sich wieder weg und grinste zufrieden. Warum bekam ich nur jedes mal das Gefühl, dass für ihn alles nach Plan lief?
„Ich weiß, meine Liebe. Aber für mich geht es nicht um den Schwierigkeitsgrad, sondern eher darum, dass sich mehr als eine Sirene dort unten befinden. Es ist die ganze Familie. Sie haben die ansässige Familie getötet und ihr Aussehen angenommen. Um das geht es mir.“
Ups... Das war mir überhaupt nicht aufgefallen. „Gut, dann danke für diese Information. Ich werde mich darum kümmern.“
Räum ließ sich auf das breite Bett fallen und klopfte neben sich. „Und was sagt dir, das ich auch wirklich der bin, für den ich mich ausgebe und keine Sirene?“
Ich stand auf und ging ebenfalls zum Bett. Kopfschüttelnd nahm ich seine Hand in meine und fühlte sofort die Macht die meinen Körper durchströmte. „Deshalb. Ich konnte es schon fühlen, als du meine Schulter berührt hast. Außerdem, würde mir eine Sirene in der Gestalt gegenüber treten, die ich Liebe und nicht mit deinem Gesicht.“ Den letzten Teil, sagte ich etwas grober als beabsichtigt, doch es tat mir nicht leid.
„Nun, ja das kommt darauf an...“ Weiter ging er nicht ins Detail, den es klopfte plötzlich.
Vorsichtig ging ich zur Türe, raffte mich zusammen und lächelte freundlich durch die halb geöffnete Türe.
„Tut mir Leid dass ich störe, Miss Kovac.“ Ich hatte einen falschen Namen natürlich angegeben. Einen von vielen. „Ich wollte mich erkundigen, wie es Ihnen geht und ob Sie noch etwas wünschen? Oh, ich wusste nicht das sie in Begleitung sind. Ich komme später wieder.“
Der faltige Mann drehte sich um und wollte gerade aus dem Zimmer gehen, da spürte ich Räum eine Hand um meine Hüfte legen und er entzog mir die Türe. „Warten Sie. Wir hätten tatsächlich wünsche. Ich habe gesehen, dass aus dem Wasserhahn manchmal braunes Wasser kommt und wollte fragen ob Sie eventuell jemanden...“ Ein breites Lächeln stahl sich in das Gesicht des Wirtes und er schob sich an uns vorbei hinein ins Zimmer. Unauffällig warf ich Räum einen wütenden Blick zu doch er lächelte höflich. „Natürlich sehe ich mir das sofort an. Nur das beste ist für unsere Gäste gut genug, besonders wenn sie so gesittet sind wie Sie beiden. So freundliche Junge Menschen, verirren sich nur selten hier her.“
Innerlich mich über sein falsches Gelaber beschwerend, setzte ich mein charmantestes Lächeln auf und folgte dem Mann ins Bad. „Schatz, ich zeige unserem netten Gastgeber, wo das Problem liegt. Wenn du möchtest geh doch hinunter und bestelle schon einmal was gutes zu trinken für uns.“
Ich winkte ihn hinaus und setzte mich mit überschlagenen Beinen auf den Badewannenrand.
„Also hier kommt normales Wasser hinaus.“ Er drehte mehrmals auf und ab und regelte auch die Wärmeeinstellung, doch das Wasser blieb klar.
„Ach, mein Held. Was hätten wir nur ohne Sie gemacht. Sagen Sie, wäre es Zuviel verlangt, wenn ich Sie bitten würde einen Blick auf die Dusche zu werfen? Sie klemmt ständig.“
Freudig schnatternd zog er etwas daran und klopfte mit einem Schraubenschlüssel darauf herum bis der Wasserregler einwandfrei funktionierte. „Danke. Sie sind so nett. Warten Sie einen Moment bitte.“
Ich nahm den Duschhahn herunter und drehte etwas daran herum, bis es brennend heiß war und zielte damit auf die Sirene. Überrascht kreischte sie in einem schrillen Ton auf, der von den anderen bestimmt ebenfalls gehört worden war und im nächsten Moment verschwanden die freundlichen braunen Augen und mich starrten sechs glubschäugige Fischaugen an. Der Dämon ließ auch seine restliche Hülle fallen und entblößte seine raue schuppige, Aal artigen Körper. Er schnappte nach meinen Händen, doch bekam nur den heißen Duschkopf zu fassen. Sofort griff ich nach meinem Hammer und zertrümmerte ihm mit einem gezielten Schlag auf seine Augen, das ganze Gesicht. Er verschwand in seine Dimension und ließ nur eine glitschige Masse zurück, die sich auf den Boden ausbreitete. Angewidert stieg ich darüber und wurde vom nächsten Dämon attackiert.
Eine halbe Stunde später und an Trinkgeld etwas reicher, betrachtete ich das brennende Gebäude und seufzte zufrieden. Das war doch gute Arbeit gewesen. Elf dieser Monster hatten sich in dem abgelegenen Wirtshaus eingenistet und genüsslich an den Besoffenen genährt. Gut ausgedacht, doch ziemlich sinnfrei auf Dauer.
Lächelnd blickte ich auf den Boden einem Auge hinterher, dass still und heimlich davon rollte und trat es zu einer matschigen Masse, die sich sofort in seine Dimension auflöste.
„Ekelhaft und zäh diese Mistdinger. Wie hält ihr Dämonen das nur aus?“ Räum betrachtete lächelnd meine angeekelte Miene. Natürlich hatte er sich aus meinem Kampf fein heraus gehalten und stattdessen irgendetwas an der Bar getrunken, bevor ich sie mit dem Körper zertrümmert hatte. Danach war er beleidigt mit einer ganzen Flasche Rum aus der Bar verschwunden und hatte alles von draußen verflogt.
„Ich? Überhaupt nicht. Die anderen, sind mir völlig egal. Ich bin mit meinen Legionen an Dämonen zufrieden. Das schließt den Abschaum von den niederen Dämonen natürlich nicht ein.“
Das war einmal etwas Interessantes. „Tatsächlich? Welche Art von Dämonen besitzt du denn etwa?“
„Nun ja. Eine Legion an Kreischer, so wie ihr sie nennt. Sie sind als Luftwaffen recht nützlich, oder als Spione. Dann ein paar Legionen an Riesen, Trüffler, Skelettierte, sehr nützliche Pirscher, diese sind unersetzlich im Feldkampf und natürlich einige hoch entzündliche Tar´nek.“
Fasziniert über die neuen Arten, von denen ich noch nie etwas gehört hatte, wandte ich mich ihm zu und besah ihm genau ob er mich nicht vielleicht einfach anlog. „Okay, was sind Pirscher, Trüffler, Skelettierte, und Tar´nek? Ich kann mir zwar ungefähr etwas vorstellen, doch es ist bestimmt nicht so wie es klingt.“
Er lächelte und kam mir viel zu nahe. „Ach, meine Liebe. Das sind wichtige Informationen, über uns Dämonen, die du da verlangst.“
War ja klar, dass er mich nur ködern wollte. „Gut, dann lass deine Fantasiegeschichten in Zukunft bei dir. Ich habe ohnehin etwas Besseres zu tun.“
Lachend zog er mich in seine Arme und drückte mich. Meine Stärke übertraf zwar bei weitem die eines normalen Menschen, doch trotzdem konnte ich ihn nicht wegschieben. Das brachte mich ehrlich um den Verstand. Ich konnte es nicht leiden, wenn andere stärker als ich sind. „Okay, das reicht. Ich habe es ehrlich satt, dass mich seit ich wieder Lebe, jeder ständig umarmen muss, oder mich nett anblickt. Können wir nicht zum alltägliche >jeder hasst und ignoriert mich< Teil kommen?“
Er zog meinen Kopf zu sich hoch, bis ich fürchterlich ungemütlich auf den Zehenspitzen stand und ihm direkt in die gelben Augen sehen musste. „Ich könnte dich niemals hassen. Egal wie sehr du mich von dir stößt Ezraela. Du bist mein wichtigster Dreh und Angelpunkt hier auf der Erde. Ohne dich, gäbe es für mich keinen Sinn mehr, die Welt von meinesgleichen zu bereinigen.“ Dadurch das ich gezwungen war, ihm in die Augen zu sehen, merkte ich auch an dem Ausdruck in seinen Augen wie ernst es ihm damit war. Hatte ich ihm den jemals das Gefühl gegeben Liebenswert zu sein?
Unsicher was ich darauf antworten sollte, da ich seine Gefühle ja nicht erwiderte, ließ er mein Kinn los und ich stand wieder von selbst direkt vor ihm. Trotzdem konnte ich meinen Blick von seinem nicht los reißen und spürte dadurch, dass sich unsere Körper berührten bei jedem seiner Atemzüge. Theoretisch wäre genau dieser Zeitpunkt perfekt gewesen um ihm zu sagen wie lächerlich er klang, doch ich konnte einfach nicht. Die Macht die mich durchströmte und wie jedes mal lockte, schien mir etwas zu flüstern, etwas was ich nicht verstand und es auch insofern nicht wollte. Zu viel Angst verspürte ich bei dem Gedanken, das es nicht das sein würde, was ich gerne hören würde. Doch was wollte ich von unbändiger Macht hören?
Die Handfläche von Räum legte sich auf meine Wange und ich spürte seinen Atem auf meinen Lippen. Einen hauch später empfand ich alles und nichts. Wie kam es nur, dass er mich genauso stark anzog wie abstieß.
Freudig öffnete ich meine Lippen für ihn und genoss seinen Geschmack, seine Berührungen und zog mich fester an ihn. Mein Körper passte so teuflisch gut zu seinem, dass ich mich fragte, warum eigentlich? Wie konnten zwei so Unterschiede sich so perfekt ergänzen?
Murrend zog er meine Jacke aus und ließ sie einfach auf den Boden fallen. Danach folgte augenblicklich mein Shirt und dann waren seine Lippen überall auf meinem Körper.
Stöhnend und ungeduldig geworden, ließ ich mich von ihm in ein schattiges Plätzchen tragen und genoss das sanfte Kitzeln des kühlen Grases auf meinem Rücken, das so zum Kontrast unserer erhitzen Körper stand.
Kaum lag ich in der Wiese, war auch schon sein Hemd weg. Nun da unsere Körper sich beinahe überall berührten, konnte ich die Macht die er besaß nur allzu deutlich fühlen. Sie zirkulierte so stark zwischen uns, das ich bald nicht mehr wusste wo oben und wo unten war. Seine weichen Lippen küssten zärtlich meinen Bauch, während seine Hände mit meiner Hose kämpften. Überrascht stöhnte ich auf, als er wieder auf Gesichtshöhe rutschte und mich seine Hose angenehm dabei rieb. Seine gelben Augen, glitten lüstern über meinen Körper, und mir kam es so vor, als würde er mich mit seinem Blick berühren. Für diesen Moment schien nicht nur er still zu halten, sondern auch die ganze Welt. Die Magie die zwischen uns wanderte, sammelte sich an einem angenehmeren Punkt in meinem Körper und die Hitze wurde beinahe unerträglich. Als würde er auf meine Erlaubnis warten, strich er zärtlich durch mein Haar.
Ungeduldig zog ich ihn an mich und vertiefte unsere Küsse abermals.
Nach mehreren Minuten, die mich schwer Atmen ließen, als der ganze Kampf davor, setzte ich mich aprubt auf und suchte eilig meine am Waldrand verstreuten Sachen zusammen. Das Wirtshaus war bis auf den Grund mittlerweile herunter gebrannt und nur noch das Knistern des heißen Holzes ertönte in unserer Nähe. Sämtliche Waldbewohner waren vor dem Feuer geflohen. Oder etwa vor dem was ich zugelassen hatte? Okay, das war lächerlich.
Fluchend schlüpfte ich, etwas benommen noch, in meine Hose und verfluchte sie, da sie so anliegend war. Mein Körper war viel zu sensibel um das Ertragen zu können. Doch ohne Hose nach Hause zu fahren, würde die anderen Fahrer nur unnötig ablenken. Ach was interessierten mich schon die anderen Fahrer?
„Ezraela? Was ist plötzlich los?“ Willkürlich fuhr ich zusammen und fluchte laut.
„Was? Das fragst du auch noch? Also ich weiß nicht was du die letzte Stunde getan hast, doch das was ich mit dir getan habe, ist so ziemlich das dümmste was jemals jemand machen könnte!“ Mein Stimme war zum Ende hin immer lauter geworden und ich hoffte dass bloß niemand in der Nähe war.
„Ich verstehe nicht was falsch daran war. Es hat sich doch richtig gut angefühlt und es ist etwas völlig natürliches. Außerdem war es nur klar, dass es irgendwann einmal soweit kommen würde. Du bist die einzige die mir ebenbürtig ist. Du bist die einzige für die ich jemals etwas empfinden würde. Warum machst du es dir selbst so schwer?“
„Was? Das ist doch lächerlich. Du bist ein Dämon, ein Monster aus einer anderen Dimension. Auf so etwas könnte ich mich niemals ernsthaft einlassen.“ Es klang hart, doch es war die Wahrheit.
„Ezraela! Hör mir jetzt genau zu!“ Seine Hand umklammerte mein Kinn und drehte mich so, das ich ihn ansehen musste. Sein Blick war zornig, jedoch völlig ernst. „Das gerade eben war bestimmt nicht nur etwas Bedeutungsloses. Du gehörst zu mir. Das weißt du. Du fühlst es doch auch. Die Magie die zwischen uns zirkuliert, so wie eben in diesem Moment, weiß das ebenso. Du musst nur zuhören. Du bist taub und blind für dein Schicksal. Ich werde nicht aufgeben, bis ich das habe was zu mir gehört. Das bist einzig und alleine du!“
Fauchend schlug ich seine mittlerweile meine Wange streichelnde Hand weg. „Ich denke aber nicht so. Außerdem ist es mir egal, was die Magie ach so wichtiges zu sagen hat. Ich bestimmt mit wem ich zusammen sein möchte und niemand anderes tut das.“
Wütend wandte ich mich ab und stieg auf mein Motorrad. Kräftiger als nötig, schlug ich den Dreck von meiner Lederjacke und fuhr los. Nichts außer einer Staubwolke im Kies zu hinterlassen, fuhr ich auf die dicht befahrene Schnellstraße auf und versuchte an nichts zu denken, außer den richtigen Weg wieder zurück heim zu finden. Zumindest versuchte ich mir genau das einzureden.
In meinem Zimmer angekommen nahm ich eine etwas längere Dusche, bis mein Körper knallrot war, erst da fühlte ich mich wieder sauber. Tief durchatmend, machte ich mich auf den Weg hinunter in den Trainingsraum und vergnügte mich mit dem Boxsack. Hin und wieder kam zwar jemand um mich nach einem kleinen Kampf zu fragen, doch alle verschwanden nur nach wenigen brutalen Sekunden wieder.
Nachdem ich den fünften verstärkten Boxsack durchgeschlagen hatte, hörte ich abermals die Türe hinter mir aufgehen, doch drehte mich nicht um, bis mir ein aus Kindheitserinnerungen geprägter Duft entgegen schlug. Ein Frösteln überzog meinen Körper und ich drehte mich langsam um. Hinter mir stand eine Junge Frau, die meiner Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich sah, doch eine Ausstrahlung einer Königin besaß.
Meinem Rang ihr gegenüber entsprechend fiel ich auf meine Knie und verbeugte mich tief. „Erhebe dich mein Kind.“
Gesagt getan erhob ich mich vom Boden, doch blickte weiterhin auf den Boden. Jetzt durfte auch ich sprechen. „Großmutter. Was für eine ehre mich hier zu besuchen. Was verschafft mir diese Freude?“
Eine Hand an meiner Schulter ließ mich zusammen zucken und ich sah auf in zwei rote Diamanten. Ihre genauso roten Lippen verzogen sich zu einem Lächeln und auch ich zeigte meinen Vampir.
„Es freut mich dass du wenigstens das zweite Gesicht hast. Auch, wenn du sonst nicht sonderlich Vampirisch wirkst. Ich habe von deinem kürzlichen tot erfahren und wollte einmal nach dir sehen. Wie fühlst du dich?“
Ich erahnte mehr hinter ihren abgehackten Worten, doch fügte mich ihrem Willen. „Danke, Großmutter. Ich fühle mich, etwas aufgewühlt noch von den Folgen die mein kurzfristiger Tot gebracht hatte. Ich habe so wie ein Vampir meinen Geschmackssinn verloren.“
Meine Großmutter wirkte äußerst erheitert. „Aber das ist doch fantastisch. Vielleicht kannst du ja doch in die Thronfolge aufsteigen. Zumindest würde es uns viel Ärger und Kummer ersparen. Wie geht es deinen Eltern?“
Hinter ihrem Rücken verdrehte ich die Augen, lächelte jedoch sofort wieder, als sie mich ansah. „Ich denke sie sind mittlerweile ausgetrocknet. Ihre Strafe haben sie mittlerweile schon zirka fast fünf Jahre abgesessen. Ich weiß aber nicht mehr, da ich nur mehr selten im Haus bin, das übrigens einige wild gewordene Zombies zerstört haben.“
Meine Großmutter blickte erschrocken drein. „Zombies sagst du? Das ist ja ekelerregend. Ich werde einen Putztrupp schicken.“
Damit meinte sie keine Besen und Staubwedel. „Ist schon in Ordnung, ich habe mich bereits darum gekümmert. Sie sind alle endgültig tot.
Erleichterung flammte in ihren Augen auf. „Hast du es auch säubern lassen?“ Ich verneinte. „Nun denn, dann folge mir bitte. Wir haben heute noch eine lange fahrt vor uns.“
Meine Großmutter ging los und ich folgte ihr auf den Fuß. Irgendwo hinter mir hörte ich den kaputten Boxsack vom Hacken fallen und lächelte freudig. Das war Nummer sechs.
Mehrere Stunden später, stieg ich direkt vor einem Gebäude aus, das ich schon seit meiner Kindheit nicht mehr gesehen hatte. Das letzte Mal war ich fünf gewesen, als ich durch die Gärten des königlichen Schlosses gelaufen bin. Begeistert hielt ich alles in meinem Kopf fest und ersetzte die alten Erinnerungen durch die neuen Eindrücke die sich mir boten. Wir waren nach Sottingen geflogen. Zwar ein kleines Land, das meiner Familie gehörte, doch ich würde es höchst wahrscheinlich niemals erben. Zumindest solange ich kein vollwertiger Vampir wurde. Es war bereits Sommer hier und die Blumen so wie die Bäume standen in voller Blüte. Vögel zwitscherten in den Bäumen und Katzen rekelten sich in der Mittagssonne.
Der Garten war so riesig, dass man mehr als einen Tag brauchte, wenn man tatsächlich alles sehen wollte.
Meine Großmutter hatte die ganze Reise über schweigend verbracht, erst als wir in den Flieger stiegen, wusste ich was sie meinte, warum unsere Reise länger werden würde. Für meine Großmutter war die Reise nur einige verschwendete Stunden gewesen, doch für mich waren es einige wertvolle Stunden Schlaf.
Im Flugzeug, war ich neu eingekleidet worden und mein Haar war zu einem adretten Zopf geflochten worden, der dem meiner Großmutter beinahe glich. Unauffällig zupfte ich einige Strähnen heraus, damit sie mir etwas ins Gesicht hingen, so wie ich es am liebsten mochte, doch prompt kam wieder eine der Dienerinnen und zupfte daran herum.
Schlussendlich hatte ich mich schweigend meinem Schicksal erben.
„Großmutter, ich finde es ja wundervoll, dass ich wieder einmal in meinem Heimatland bin, doch verstehe ich nicht wirklich was ich hier soll.“
Schweigend ging sie die Klavierähnlichen Treppen hinauf und deutete mir ihr zu folgen. Seufzend schlenderte ich ihr hinterher und fing mir missbilligende Blicke ein. Was interessierte es mich schon was die anderen über mich dachten?
Im Arbeitszimmer meiner Großmutter angekommen, servierte man uns aufgewärmtes Menschenblut und ich nippte schweigend daran.
„Also, Kind. Ich denke du wirst dich bereits fragen, warum ich dich hier her gebracht habe?“
Ich nickte. Was sonst...
„Du sollst dich einigen Tests meines persönlichen Arztes unterziehen. Ich hoffe ich halte dich von keinen wichtigen Terminen ab?“
Das fragte sie jetzt erst, wo wir über den Ozean geflogen waren? Mehrere Kilometer von meinem Zuhause entfernt? Ohne Garantie, ob ich überhaupt ohne ihre Erlaubnis wieder zurück kam? „Ähm.... Nein Großmutter. Nicht das ich wüsste. Jedoch frage ich mich warum du mich ausgerechnet jetzt zu dir rufst.“ Eigentlich war es mehr ein mit den Haaren durch mehrere Staaten ziehen, doch das verkniff ich mir. Selbst jetzt blickte sie mich bereits verständnislos an, als wäre die Frage unangebracht.
„Nun, ja. Ich bin deine Großmutter und da deine Mutter nicht über dein Schicksal bestimmen kann, solange sie im Exil ist, bleibt diese Bürde mir zuteil. Du solltest dich lieber daran erfreuen. Ich kann dir wesentlich mehr bieten als das was deine Mutter hätte.“
Nun ja. Großmutter war Väterlicherseits mit mir verwand. Sie konnte meine Mutter nicht sonderlich ausstehen und das ließ sie auch sehr wohl spüren.
„Aber, ich bin eigentlich sehr zufrieden mit meinem bisherigen Leben. Ich mag meinen Beruf und komme mehr als nur sehr gut über die Runden.“
Meine Großmutter setzte sich auf ihren alten Lederstuhl und zückte ein Stück Papier. Von dort las sie ab. „Ist es richtig, dass du mit sechzehn deine Klasse verloren hast, mit ekelhaften Dämonen kämpfst, dich auf das Niveau von Menschen herab gelassen hast und menschliche Nahrung zu dir nimmst? Dass du dir mit einem Lykaner ein Zimmer teilst und eine Beziehung mit einem Sukubus hast? Da kannst du mir nicht erzählen, das dein Leben angenehm ist. Es schadet meinen guten Ruf. Du solltest mehr nach deinem Vater gehen. Du bist ihm wie aus dem Gesicht geschnitten und so ein ansehnliches Gesicht wirft man nicht einfach weg junge Dame.“
Was bildetet sie sich ein? Diese verrückte alte Schachtel! „Jetzt hör mir einmal ganz genau zu. Ich habe gewiss keine Liebesbeziehung mit Charles. Er läuft mir nur hinterher, wir sind Freunde. Außerdem was ist daran so schlimm mit einem Lykaner zusammen zu wohnen, wir sind beste Freunde. Zum Rest. Ich muss mich von Menschenessen ernähren, da ich zur Hälfte ein Mensch bin! Sofern du das noch nicht bemerkt haben solltest, bin ich freiwillig der Organisation beigetreten. Ich liebe es Dämonen auszuschlachten und werde es mit Freuden auch mit anderen Lebewesen machen, die sich mir in den Weg stellen. Ich werde mir mit meinen Stolzen achtzehn Jahren bestimmt nicht von einer alten stur gefahrenen Frau sagen lassen, was ich mache, nachdem sie die letzten siebzehn Jahre auch nicht für mich da gewesen ist. Dazu hast du absolut kein Recht. Du hast noch genug andere Kinder, die viel älter sind als ich. Auch sie werden bestimmt Kinder und Kindeskinder haben. Also lass mich in Ruhe, außer du willst mit mir einen normalen, einer Großmutter entsprechenden Kontakt!“
Meine Großmutter hatte mir gelangweilt zugehört und rümpfte nun die Nase. „Wenn du denkst, dass ich jetzt auf eine Liebenswerte menschliche Großmutter mache, dann kannst du das vergessen. Ich bin ein Vampir. Ich trage adeliges Geblüt in mir, genauso wie dein Vater vor dir und nun auch du. Leider bist du derweilen seine einzige Tochter und ich denke auch, dass du diese für eine sehr lange Zeit bleiben wirst. Also muss ich mich leider mit dir zufrieden geben. Also hör auf dich wie eine bockige dreijährige zu verhalten und setzt dich gerade hin.
Ich bekommen ja schon Kreuzschmerzen wenn ich dir nur zusehe. Außerdem warum bist du so muskulös? Das gehört sich für eine Dame überhaupt nicht...“ Und so begann sie Stundenlang auf mich einzureden. Sie ließ mich noch nicht einmal mehr zu Wort kommen. Gerade einmal, dass sie mir erlaubte Luft zu holen, auch wenn das in ihren Augen überflüssig war.
Frustriert schlug ich die letzte halbe Stunde meinen Kopf so oft gegen den Tisch, das mein Schädelbein irgendwann brach und ich hinter ihrem Rücken es wieder einbiegen musste. Diese alte Frau brachte mich zum Wahnsinn.
Irgendwann klopfte es gnädigerweise an der Türe und ich seufzte zufrieden. Endlich hörte sie auf zu meckern.
„Belial. Wie schön das du kommen konntest. Darf ich dir meine liebreizende Enkeltochter vorstellen. Das ist Ezraela.“
Die gelben Augen des recht jung aussehenden Dämon blitzten amüsiert auf, als sie meinen entsetzen Blick wahrnahm. Ich wusste nicht worüber ich mehr erschrocken sein sollte. Das meine Großmutter einen Dämon wie einen alten Freund begrüßt, oder das sie plötzlich so nette Sache über mich sagte.
„Es freut mich dich endlich kennen zu lernen Räum hat mir schon sehr viel von dir erzählt. Du bist sogar noch hübscher, als das er gesagt hat.“
Die Dämonin streckte mir freundschaftlich den Arm entgegen und ich nahm ihn perplex entgegen. Was hatte ein altes Vampirgeschlecht mit Dämonen zu schaffen? „Gut zu wissen. Großmutter ich will nicht unhöflich sein, aber was macht ein Dämon hier?“ Ich betrachtete das weißhaarige Mädchen, das etwas seltsam gekleidet war und mich mit gelben wissenden Augen anblickte. Auf ihrem Kopf thronten zwei riesige schwarze Hörner, die viel zu schwer für ihren kleinen Kopf zu sein schienen und einen erschreckenden Kontrast zu ihren sonst so lieblichen aussehen bot.
„Belial ist eine alte Freundin der Familie. Sie kannte sogar schon deine Urgroßmutter und die davor. Du solltest dich glücklich schätzen jemanden wie sie kennen lernen zu dürfen. Im Gegensatz zu den anderen Dämonen, die du ja so gerne bekämpfst, ist sie eine ehrenwerte Dame.“ Na klar... Ich unterdrückte ein unangebrachtes Kommentar und sah die Augen der Dämonin erheitert aufblitzen. Warte... Sagte sie nicht vorher etwas von Räum?
„Entschuldige die dumme Frage, aber du erwähntest vorhin Räum. Woher kennst du ihn.“ Lachend winkte sie ab. Ihr lachen klang etwas zwischen Glockenklängen und zerreißenden Papier. Wie ging so etwas?
„Reden wir doch später über ihn. Ich denke dieses Gespräch könnte etwas länger dauern. Apropos. Ist er überhaupt nicht mitgekommen?“ Beide blickten mich fragend an, als müsste ich das doch wissen. Unsicher hob ich die Schultern. „Keine Ahnung. Ich bin nicht für ihn verantwortlich.“
Beide wirkten zufrieden mit der Antwort und sprachen weiter, als gäbe es mich überhaupt nicht. Meine Chance um abzuhauen. Als ich gerade die Stiegen hinunter kam, stand plötzlich ein alter Mann vor mir mit einem weißen Kittel und umhüllt von dem Geruch von Desinfektionsmittel. „Ach, da seid Ihr ja. Miss Ezraela, würdet Ihr mir bitteschön folgen. Ich habe bereits alles hergerichtet.“
Augen verdrehend ergab ich mich abermals meinem Schicksal, da ich vorher sowieso nicht von hier weg kam und folgte ihm in einen abgeschiedenen Bereich des Schlosses, das wohl für Experimente diente. Zumindest verrieten mir ein ausgestopfter verwandelter Lykaner das. Er musste vor seinem Tot mit sehr viel Silber zu gepumpt worden sein, sodass er sich nicht wieder nach seinem Tot zurückverwandelte. Achselzuckend riss ich meinen Blick los und betrachtete verschieden Kunstwerke mir völlig unbekannter Lebewesen. Woher stammten diese? Viele schienen Menschenähnlich, andere waren Alienartig und verzerrt, doch alle trugen Nummern auf ihren Handgelenken. Was war das hier nur für ein Ort? Kurz bevor wir eine Metallene Türe erreichten, bogen wir um eine Ecke und dort stand etwas Riesiges. Es war über vier Meter groß und trug statt Händen, metallene Ketten. Weiße Flügel waren wie zum Flug gespannt, es schien als wäre er gerade dabei weg zu springen, doch seine Augen waren leer. Mehr sogar, es schien, als wären sie zusammen genäht worden, damit es nicht sehen kann. Mit zitternden Beinen ging ich auf die Kreatur zu, die Wunderschön und doch entstellt zu sein schien.
„Ein Engel? Woher haben Sie einen Engel?“
Als ich die eiskalten Ketten die wie viel zu lange Finger aussahen, anfasste, gaben sie ein raschelndes Geräusch von sich und die Ketten schienen beinahe mehr zu schweben und der Erdanziehung zu trotzen, anstatt ihr nach unten zu folgen. Das lange braune Haar, das einen ähnlich seltsamen Farbton hatte, wie meines, war zu einem kunstvollen Geflecht zusammen gebunden, doch wirkte wirr, als wäre es längere Zeit nicht gekämmt worden bevor plötzlich die Zeit für es stehen geblieben war.
„Er ist meiner Sammlung vor ein paar Jahren beigetreten. Ich habe ihn fangen lassen, als er in den nördlichen Ländern heruntergekommen ist. Es hat lange gedauert, bis ich einen Weg gefunden hatte ihn auszustopfen. Ich bin mir noch nicht einmal jetzt sicher ob er tot ist oder nicht. Diese Mistdinger von Engel, sind wahrlich zäh und beinahe nicht zu töten, außer sie Opfern sich.“ Der Arzt sprach so unberührt darüber, das ich mich fragte, was einen Menschen so kalt werden ließ. Die Augen des Engels waren verschlossen, darum konnte ich nicht versuchen zu sehen, ob er lebte.
„Haben Sie die Augen zusammen genäht?“
Er verneinte und hinter mir ertönte ein Piepen. Die Türe glitt mit einem zischen auf und er rief mich zu sich.
„Es tut mir so unglaublich leid...“ Flüsterte ich und meinte es ehrlich.
Etwas trauriger als erwartet wandte ich mich ab und folgte dem seltsamen Arzt nur mehr zögerlich in sein Labor. Zischend fuhr ich zurück, als ich sein neuestes Projekt auch einem Tisch liegen sah.
Hinter mir fiel gerade die stabile Stahltüre wieder ins Schloss und ich blickte entsetzt auf das vor mir liegende Objekt. Sofort stürzt ich hin und rüttelte ihn wach. „Ezraela? Was suchst du den hier?“
„Was macht er hier? Wieso ist er hier festgebunden?“
Der Arzt warf nur einen kurzen Blick auf den Befund, der vor Räum auf einem kleinen Tablett mit verschiedenen giftig und spitz aussehenden Gegenständen lag. „Er ist ein Geschenk von der Königin. Er ist für die medizinische Sammlung, die du draußen gesehen hast. Ich versuche schon seit Stunden ihn zum Verwandeln zu bringen, denn als Mensch nützt er mir nichts.“
Was? Entsetzt sah ich hinunter zu dem völlig weggetretenen Dämon und wieder zurück zum Arzt. So etwas konnte man doch niemanden antun! „Sind Sie verrückt? Was sind Sie den für ein Arzt?“
Er zuckte unbekümmert mit den Achseln und injizierte über eine Kanüle, die viel zu groß für seine Venen war eine dunkle Flüssigkeit. „Ich bin Wissenschaftler und Sammler. Hin und wieder bin ich eben mehr Sammler als Wissenschaftler. Heute bin ich Sammler. Mal schauen auf was ich morgen Lust habe.“
War er völlig übergeschnappt.
„Nein! Hören Sie sofort auf. Das werde ich meiner Großmutter mitteilen.“
Plötzlich fing er kehlig an zu lachen.
„Ihre Großmutter hat mich damit beauftragt, sie würde Ihnen eher eine Ihrer langen Predigten halten, anstatt mir etwas vorzuwerfen. Sehen Sie ihn sich an. Er ist perfekt. Der erste Dämon, der sich in unserer Dimension manifestiert hat. Und er gehört ganz alleine mir. So hübsch. Er wird sich toll machen, wenn ich ihn erst in seiner Wahren Gestalt aufgestellt habe.“
Ich dachte an den Engel, der draußen Ausgestopft und wahrscheinlich nicht einmal tot dastand und fühlte eine Träne über meine Wange laufen.
Es stimmte Räum war nur ein Dämon, doch so etwas hatte nicht einmal ein Schleimdämon verdient. Mit einem wütenden Aufschrei holte ich nur wenig mit meinem Hammer aus, griff mit meiner freien Hand nach Räums Arm und ließ mich von der Magie durchströmen. Dann ließ ich den Hammer wie eine gespannte Sehene mit voller Kraft durch den Körper des Arztes schnellen. Mit einem Aufprall de den Raum erschüttern ließ, prallte er gegen die hinterste Wand und räumte dabei einige sehr teuer aussehende Geräte im Flug um.
Sofort wandte ich mich zu Räum um und zog die vielen Kabeln und Schläuche von seinem Körper ab. Er gab einen kleinen Schmerzensschrei von sich, doch die Wunden schlossen sich sofort wieder. Als ich auch die Stahlbänder herunter gerissen hatte, hievte ich ihn mir über die Schulter, doch er sackte sofort zusammen. „Komm schon! Hilf mir.“ Mit meinen Kräften, sollte er eigentlich total leicht sein, doch er kam mir unglaublich schwer vor. „Räum! Wach auf!“ Ich schlug ihm auf die Wange und er öffnete blinzelnd die Augen.
„Ezraela! Schön dich zu sehen.“ Seufzend schlug ich ihn noch einmal und plötzlich wirkte er viel klarer. Sein Organismus hatte die Drogen verarbeitet die ständig in und durch seinen Körper gepumpt wurde, endlich!
„Erza! Wo sind wir?“
Ich zog ihn an mich, ohne auf seine Frage zu reagieren und umarmte ihn fest. Dafür würde meine Großmutter bezahlen. „Erza? Alles in Ordnung?“
„Was? Mir geht es prima. Was ist mit dir? Wie lange bist du schon hier?“
Er hob fragend die Schultern. „Wo ist >hier<?"
„Im Schloss meiner Großmutter. Sie hat dich einfangen lassen. Du solltest als Ausgestopftes etwas dienen so wie die dort draußen. Du hast echt keine Ahnung, oder?
Er verneinte wieder, doch lächelte jetzt. „Du hasst mich doch.“ Erst jetzt merkte ich, dass ich ihn immer noch aufrecht hielt, obwohl er schon wieder klar war. Unsere Gesichter waren nur wenige Zentimeter entfernt und ich sah in seinen Augen die Spiegelung meines besorgten Gesichts.
Jetzt etwas wütend geworden, ließ ich ihn nach hinten fallen und richtete mich wieder auf. Lachend stand auch er auf und küsste mich flüchtig auf den Mund. Böse funkelte ich ihn an und setzte zu einer zickigen Bemerkung an, doch da hörte ich ein Geräusch hinter uns. Der Arzt lebte noch?
„Schnell wir müssen hier weg.“ doch Räum hielt mich zurück und blickte auf die alt wirkende zierliche Person die aus den Trümmern von schweren Geräten stieg. „Du hast mir mein Spielzeug gestohlen, junge Miss. Solche Leute mag ich nicht. Jetzt kommst du auch zu meiner Sammlung, zu der derjenige, die mich bestehlen wollten und leiden müssen.“
So schnell konnte ich nicht reagieren, schnappte mich Räum und ich fühlte wie sich etwas Weiches um mich legte. Ich konnte es nicht sehen, da er meinen Kopf fest an sich drückte, doch im nächsten Moment, spürte ich das wir uns woanders befanden. Jetzt ließ er mich los und ich blickt ein die verwirrten Augen meines Bosses.
„Erza? Räum? Was macht ihr hier?“ Er legte einen Stift beiseite und lehnte sich neugierig geworden im Stuhl zurück. Ich selbst, wollte gerade von Räum abrücken, doch er hielt mich fest. „Es tut mir leid, dass ich uns einfach hier herein gebracht habe, doch wir waren in großer Gefahr. Ich denke Ezraela kann das besser erklären.“ Plötzlich küsste er mich abermals flüchtig und verschwand dann im nichts.
„Hör gefälligst auf mit dem Scheiß! Ich finde das absolut nicht lustig!“ Brüllte ich die Luft an, den er war schon längst außer hör weite.
„Gibt es etwas was ich wissen muss?“ Wütend funkelte ich in die Richtung meines Chefs und schlug auf den Tisch. „Es geht um meine Großmutter. Die ist verrückt geworden!“
Ich erzählte ihm alles was bis jetzt passiert war und er nickte stumm.
„Ich verstehe, Erza. Jedoch weißt du, dass wir uns nicht einmischen dürfen, wenn es um die Königin und ihre Untertanen geht. Wir wollen alle keinen Stress mit den Vampiren. Du weißt ja wie sie sind.“
Ja sie waren stur und kämpften bis in den Tod um das was sie wollten, egal wen sie noch verletzten dabei.
„Eine sehr menschliche und vor allem Feige aussage. Was denken Sie sich überhaupt dabei? Denken Sie überhaupt noch?“
Plötzlich war es an ihm mich wütend anzublicken. „Ich danke dir für dein Vertrauen in meine Fähigkeiten... Aber ich denke nicht, das du für eine eigene Meinung in der richtige Position bist.“
Fauchend verstärkte ich meinen Griff um die Tischplatte, bis sie nur wenige Sekunden vor dem Zusammenbruch stand. „Wenn Sie so sehr Angst haben. Dann machen sie einmal einen Blick vor die Türe. Dort befinden sich hunderte von erstklassigen und sehr erfahrenen Kriegern. Sie alle würden ihr Leben für die Gerechtigkeit geben! Diese Vampire sind besessen. Und nur wir können sie davon befreien!“ Dann schnellte ich aus dem Zimmer und schlug die Türe lautstark hinter mir zu.
Als ich hinter mir einen überraschten Aufschrei vernahm und das Poltern eines zusammenbrechenden Tisches musste ich lächeln.
Gemütlich ging ich hinauf in mein Zimmer, in der Hoffnung dort Caro vorzufinden, doch sie war nicht da. Seufzend setzte ich mich auf das Bett und blickte auf die Wand. Was würde nun als nächstes passieren? Meine Großmutter würde es sicher nicht auf sich sitzen lassen. Dafür war sie zu sehr Vampir. Aber was war dann ich?
„Wie fühlst du dich?“ Ich hatte nicht gemerkt, das sich Räum vor mir auf den Boden gekniet hatte und mich sorgenvoll anblickte. Seit wann war er da?
„Räum? Es ging schon einmal besser. Ich bin völlig ausgelaugt und könnte die nächsten hundert Jahre schlafen.“
Lächelnd strich er mir über die Wange und sich fühlte zum ersten Mal keine Abneigung mehr.
„Dann tu das. Ich werde an deiner Seite bleiben, so wie schon immer.“ Schlafen, war immer eine gute Idee. Nickend schälte ich mich aus dem steifen Kleid und schlüpfte in meinen Pyjama. Dann kroch ich unter die Decke. Räum setzt sich neben mich auf das Bett und drehte das Licht mit seinem Willen ab. Kopfschüttelnd blickte ich hinauf an die Zimmerdecke. Was wohl die Vampire gerade taten? Ob sie sich rüsteten für einen sinnlosen Kampf?
„Räum, was meinst du eigentlich immer damit, das du mich gesucht hast und so. Ich verstehe es nicht.“
„Ist das den so wichtig?“
Ich nickte. „Natürlich.“
Seufzend blickte er in die Ferne. „Weißt du, nicht alle Dimensionen waren mit Dämonen bevölkert. Es gab damals ziemlich wenige Dämonen.
Ich bin in meiner alten Dimension, ein Kämpfer gewesen. Meine Dimension war schon weiter fortgeschritten als eure, doch nicht einmal wir konnten uns der großen Welle erwehren.“
Überrascht blickte ich ihn an. „Du warst ein Mensch?“ Lächelnd nickte er. „Natürlich. Jeder Dämon war einmal menschlich, auch jeder Engel. Wir Dämonen, haben in unserem früheren Leben Sünden begangen. Meine war es, dass ich jemanden retten wollte. Ich habe den Dämon gebeten sie weg zu bringen, bevor das Heer einmarschiert, dafür hat er meine Seele verlangt. Ich gab sie ihm und bin gefallen im letzten Krieg um unsere Welt. Danach gingen Jahre bevor auch ich ein Dämon wurde. Ich arbeitete mich hoch, bis ich selbst ein Heerführer wurde. Ich reise deswegen von Dimension zu Dimension, um sie wieder zu finde.“
„Aber wenn sie ein Mensch war und du hunderte von Jahre alt bist, dann lebt sie ja überhaupt nicht mehr.“
Räum lächelte schwach. „Natürlich nicht. Aber unsere Seelen sind doch unsterblich. Somit musste ich sie nur in einer anderen Dimension wiederfinden und beschütze sie bis dahin.“
Verwirrt blickte ich zu ihm hoch. Er konnte doch nicht mich ernsthaft meinen, oder? „Redest du von mir?“
Er nickte wieder. „Natürlich. Von wem sonst? Die Seele eines Menschen reist von Dimension zu Dimension und sucht nach einem neuen Körper. Meine Seele wurde gefangen, darum suche ich dich schon so lange. Du warst schon immer mein dreh und Angelpunkt. Ich werde dich niemals aufgeben, egal wie oft du mich von dir stößt.“
Mittlerweile dröhnte mein Kopf. Ich hielt das mit den Seelen immer nur für Märchen. Ob er es sich auch nur schön redete? Das konnte ich mir kaum vorstellen. Sein Blick war so sicher und liebevoll. Ob er sich ernsthaft eine Zukunft mit mir wünschte?
„Aber ich werde auch nicht lange leben. Auch diese Dimension wird früher oder später von deinesgleichen überrannt werden.“
Räum zuckte mit den Schultern und lachte. „Mein Engel, diese Dimension ist anders als alle anderen. Wirklich alle Dämonen sehnen sich danach hier ihre neue Heimat zu finden. Doch keine Dimension hatte bis jetzt das was diese hat.“ Ich setzt mich auf und war nun wirklich neugierig. In unserer Dimension sollte es etwas geben, dass es in sonst keiner gab uns könnte uns alle beschützen? Was war das nur für eine Waffe? „Was? Ist es eine Waffe? Was muss man tun?“
Räum lachte nun lauter auf und küsste mich wieder. Seine gelben Augen, die meine fixierten, strahlten beinahe als er sich wieder von mir löste. „Das ist noch ein Geheimnis.“
Fauchend versuchte ich ihn zu schlagen, da er mich so zappeln ließ, doch er fing meine Hand ab und drückte mich ins Bett zurück.
„Erza... Geduld ist eine Tugend.“
„Aber bestimmt nicht meine. Meine ist mit aller Kraft einfach alles zu bekommen!“
Lachend küsste er mich wieder, bis ich vergaß um was es überhaupt ging. „So kenne ich dich!“ Flüsterte er während er meinen Hals küsste.
Verdammt ich hasste diesen Dämon ehrlich.
Als die Türe aufgerissen wurde, war mein erster Instinkt auf den Schemen loszugehen. Mein zweiter war, mir die Bettdecke wieder über den Körper zu ziehen.
„Caro? Woher kommst du denn?“
Caro schnupperte in der Luft und betätigte den Schalter in der Wand. Blinzelnd versuchte ich meine müden Augen offen zu halten, doch es klappte nicht richtig.
„Hier hatte jemand Sex. Erza? Was habe ich schon wieder verpasst?“ Sie klang ehrlich wütend, doch ich verstand ihre Wut nicht. Räum musste erst kurz bevor Caro die Türe geöffnet hatte, verschwunden sein, da neben mir das Bett immer noch warm war. Kluger Dämon! Lobte ich ihn innerlich und lächelte etwas.
„Ist das jetzt schon verboten?“
Caro blickte mich nun überrascht an. „Ähm, nein. Nur ich wusste nicht... ich hatte... Nein, schon in Ordnung.“ Sie verschwand knallrot im Badezimmer und ich betrachtete nun meinerseits verwirrt die Türe. Sollte ich ihr hinterher und mit ihr sprechen? Als ich die Dusche angehen hörte, erledigte sich das Thema für mich. Kopfschüttelnd holte ich meine Frische Kleidung aus dem Schrank und machte mich auf den Weg zu den Duschkabinen für die Frauen. Dort stellte ich mich so lang ich Lust hatte unter den heißen Duschstrahl und versuchte Caro aus meinen Gedanken zu verdrängen. Hatte ich etwa etwas falsch gemacht? Hätte ich ihr sagen sollen, das ich mit jemanden schlief? Eigentlich war es überhaupt nicht geplant gewesen. Nichts in meinem Leben war geplant gewesen. Ich fühlte mich, als würde ich einfach von einem Desaster ins Nächste stürzen.
Als ich ins Zimmer kam, saß Caro patschnass und nur grob in ein Handtuch gewickelt auf ihrem Bett und betrachtete das Bild von uns beiden, dass wir vor einem Jahr geschossen hatten. Das erste und einzige Bild das ich jemals zugelassen hatte.
„Caro. Wir sollten reden. Ich weiß ich habe dich verletzt und es tut mir furchtbar leid. Nur bin ich mir nicht sicher womit ich dich verletzt habe. Ist es, weil ich so oft verschwinde? Ist es weil ich in dem Zimmer wo auch du schläfst Sex hatte, oder gar weil ich es dir nicht erzählt habe? Bitte! Sei nicht wütend auf mich. Ich versuche alles um es wieder gut zu machen.“
Caro kuschelte sich unter die Bettdecke und lächelte schwach. „Nein. Ich... Ich weiß nicht warum ich so verletzt bin. Es hat mich einfach überrascht, dass du mit jemanden geschlafen hast. Ich meine... ja, du hast jedes recht dazu und ich will dich auch nicht davon abhalten... Aber, ich weiß nicht. Ich sollte nicht so reagieren.“
Lächelnd strich ich ihr über das nasse Haar und wartete bis sie eingeschlafen war. Für mich hatte sich das Thema erledigt. Wenn sie noch einmal darüber sprechen wollte, dann würde sie schon zu mir kommen. Das war immer schon so gewesen. Als ich aus dem Zimmer ging, blickten mich alle an denen ich vorbeikam, skeptisch an. War schon wieder etwas im Gange von dem ich nichts wusste?
Schulterzuckend ging ich hinunter in die Cafeteria und genoss eine Tasse Blut und etwas Festes zu essen. Mittlerweile spürte ich schon den Hunger, wenn ich längere Zeit nichts getrunken hatte. Er war zwar nicht so brennend wie bei richtigen Vampiren, doch er störte schon etwas. Es würde noch dauern bis ich ihn Ausblenden können würde.
„Hallo, E. Wie geht es dir? Ich habe gehört du hattest Verwandtschaft zu Besuch.“ Charles rollte mit einem Rollstuhl zu meinem karg besetzten Tisch und ich fing an zu lachen. „Ein Rollstuhl? Im ernst?“ Jetzt bemerkte ich auch das sein zweites Bein in einem Gips steckte. „Was hast du angestellt? Du hattest doch Bettruhe.“
Er zeigte mir ganz erwachsen wie er ja war, die Zunge und verdrehte die Augen. „Also ich finde das nicht so lustig. Ich bin in der Badewanne ausgerutscht als ich mich duschen wollte.“
Mit hochgezogenen Augenbrauen trank ich mein Blut und nickte verstehend während ich ein Lachen unterdrückte.
„Ja. Lach mich nur aus...“ Er klang etwas beleidigt doch stahl mir trotzig einige Pommes von meinem Teller.
„He! Hol dir selber welche Gipsi.“
Ein zorniger Blick von seiner Seite und er rollte zum Buffet um sich etwas zu bestellen. Die Köchin war sogar so freundlich seinen Teller zu einem Tisch zu bringen. Normalerweise war sie genau so wie man sich eine Cafeteriafrau vorstellte. Nach hinten gebundenes Haar, zorniger Gesichtsausdruck, Falten, große Statur und immer ein unfreundliches Wort auf den Lippen. Fehlte nur mehr das Hackbeil und dann war sie komplett.
Gedankenverloren aß ich fertig, als sich plötzlich alle Blicke zum Eingang bewegten. Mein Chef? Der ließ sich nie in der Cafeteria blicken.
„Besprechung um neunzehnhundert im Konferenzraum. Jeder muss anwesend sein“. Ein Blick auf die Uhr verriet mir das es halb sechs war. Das hieß die Sonne würde bald untergehen. Wenn meine Großmutter tatsächlich etwas geplant hat, dann würde es nach Sonnenuntergang passieren.
„Ich möchte das ihr alle voll bewaffnet erscheint und im Top zustand. Ich kann heute keine Verletzungen gebrauchen. Los!“
Damit verschwand er und das Getuschel ging los. So schnell ich konnte folgte ich meinem Chef hinaus und fing ihn ab.
„Sir, ist es wegen gestern?“ Er nickte plötzlich und ziemlich abrupt. „Ja, Erza. Jetzt mach dich fertig. Nähere Details gibt es später!“
Damit verschwand er wieder in seinem Büro. Achselzuckend lief ich hinauf und weckte Caro.
Sie verstand sofort und machte sich ebenfalls fertig.
„Hat er etwas gesagt warum es geht?“
Wir waren gerade in voller Montur auf den Weg nach unten und um uns herum herrschte eisige Distanz.
„Ja. Es geht um meine Großmutter.“ Ich erzählte ihr ebenfalls was passiert war und Caro zog die Augenbrauen hoch.
„Klingt für mich als wäre der Arzt ein Sammler. Die sind echt gefährlich, wenn man ihnen etwas vorenthält.“
Sammler? Davon hatte ich noch nie gehört. „Ein Dämon?“
Sie nickte. „Ja eigentlich ein Dienerdämon, der mit seinem Meister reist, doch hören sie nur solange auf ihn, wie er das bekommt was er möchte. Sie sind viel stärker als alle Dämonen die wir bisher hatten. Du kannst sie als die >Big Dady< der Dämonendiener bezeichnen. Sie meiden normalerweise jeden Kampf und bringen sich so wie ihre Sammlungen in bessere gesicherte Verstecke, doch wen man ihnen etwas klaut... Dann Gnade dem.“
Ich speicherte die Information ab und nahm mir vor mehr über sie heraus zu finden. „Klingt für mich nach einem mystischen Drachen. Irgendwelche Schwachstellen?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Einfach nur so gut du kannst auf ihn einschlagen, bis er bewegungsunfähig ist. Danach verschwindet er theoretisch in seine Dimension zurück. Außer sein Meister befiehlt es. Außerdem, weil du Drachen erwähntest. Es kann schon passieren, dass sie sich in Drachen verwandeln. Das ist so etwas wie ein Gag bei ihnen.“
Ich dachte an das seltsam gekleidete Mädchen. Sie war bestimmt sein Meister. Dass sie so stark war, sah man ihr überhaupt nicht an. Und das sie auch noch einen Drachen befehligte... Respekt.
„Und wenn man den Meister tötet, verschwindet auch der Dienerdämon... Das wird ein Kinderspiel.“
Caro verdrehte die Augen. „Wenn man einmal von der königlichen Armee von Vampiren, den vermutlich Dämon und den verdammt unsterblichen Sammler absieht... ja... Unsere Chancen sind perfekt.“
Kichernd folgte ich ihr in den größten von unseren Sitzungsräumen, in dem bequem siebenhundert Menschen platz hatten. Die Tische und Stühle waren bereits vor der Türe an die Wand geschlichtet worden, daher waren noch mehr Plätze entstanden.
Im Raum hatten sich bereits eine Vielzahl von Leuten versammelt und tauschten Thesen aus um was es wohl gehen würde. Manchen waren sogar auf der richtigen Spur. Caro und ich kämpften uns nach vorne durch, bis wir vor einem aus Tischen bestehenden Podium standen und warteten auf unseren Chef.
Als die Uhr Punkt Sieben schlug, verstummten alle gleichzeitig und es herrschte eine angespannte Stille. Einige Sekunden später, trat unser aller Chef in den Raum und wurde sofort hindurch gelassen. Als er auf die Tische sprang, wunderte es mich, dass sie nicht unter seinem Schwung zusammen brachen.
Schweigend sahen alle zu ihm auf und er nahm sich die Zeit langsam jeden einzelnen anzusehen und zu überprüfen. Als sich die Stille schon auf eine Minute hinaus zog, begann er zu sprechen. Seine Stimme glitt laut und deutlich durch die Menge. Jeder hielt den Atem an was nun geschehen würde.
„Ich danke euch das ihr alle erschienen seid. Im Vorhinein sage ich schon einmal, dass dies keine Übung ist. Wir brauchen jeden der Kämpfen kann. Wir brauchen niemanden der uns unnötig aufhält. Jeder muss hundert prozentig einsatzbereit sein.“ Niemand sagte etwas. Er nickte zufrieden. „Gut. Wir haben Meldung darüber bekommen, das sich ein Dämon in den königlichen Reihen eingenistet hat. Und das schon über Jahre. Wir wissen nicht welcher Dämon es ist...“ Ich zeigte auf und er deutete auf mich.
„Belial, Sir.“
Sofort wurde Gemurmel breit. Plötzlich hob auch Caro den Arm. „Er hat einen Sammler bei sich der stink wütend ist.“
Unser Chef brauchte nun eine Weile, bis er alle wieder zum Schweigen gebracht hat. „Gut. Also wir haben Belial zu bekämpfen und einen Sammler. Wir werden uns so aufteilen, dass die Mehrzahl die Brigade zurück hält. Derweilen kümmern sich drei von mir auserwählte um Belial und der Rest schlägt so lange auf den Sammler ein, bis er erschöpft zu Boden geht. Haben das alle verstanden.“
In meinen Ohren klang es eher wie Schlachtplan aus der Steinzeit, aber was sollte er sonst anderes sagen? Er hatte recht, was anderes blieb uns nicht über. Meine Gedanken wurden von viel zu lauten Gemurmel übertönt und ich rieb mir die Ohren. Das reichte. Wie konnten sie es in Frage stellen, wen unser Chef uns einen Auftrag erteilt?
Knurrend sprang ich ebenfalls auf den Tisch und Caro folgte mir. Wütend brüllte sie als Lykaner in die Menge. Sofort wandten sich uns alle zu.
„Was ist los mit euch? Es ist ein Dämonenkönig. Nichts was wir nicht schon einmal los geworden sind. Dieser Belial hat sich in die Seelen von den Vampiren geschlichen. Lykaner! Könntet ihr es ertragen, wenn die Vampire durch Dämonische Manipulation plötzlich eure Jagdgründe übernehmen?“
Lautes geknurrt und Gebrüll wurde so laut, dass sich alle die ein besseres Gehör hatten als Menschen die Ohren zuhielten.
Als sich das Geschrei das mir durch Mark und Bein ging, wieder beruhigte sprach ich weiter. „Menschen und Sukubi! Wollt ihr euch ehrlich die Besitze wegnehmen lassen von Dämonen? Es ist unsere Welt! Es kann nicht sein, dass sich dieser eine Dämon einfach so breit macht in unserer Dimension. Sie wird noch mehr Dämonen holen, bis unser Tor ebenfalls offen steht wie die, die sie bereits belagert haben. Wer weiß wie viele sie schon in Besitz haben? Wir können und müssen uns verteidigen. Für unsere Familien!“
Plötzlich ertönte aus der Menge eine aufgebrachte Stimme. „Du bist auch ein Vampir! Was interessiert es dich dann was mit uns Lebenden passiert?“
Fauchend überwand ich die Distanz mit nur einem Sprung und packte ihn an der Kehle. „Von was denkst du ernähren sich Vampire? Nicht von Dämonen oder Pflanzensaft. Wir Vampire brauchen euch jämmerlichen Menschen genauso wie ihr uns zur Verteidigung gegen die Dämonen braucht. Spare dir deinen Rassismus, bis wir einen Weg gefunden habe die Dämonen endgültig aus dieser Dimension zu versiegeln.“
Meine leuchtenden roten Augen spiegelten sich in seinen entsetzten wider und ich stellte ihn wieder am Boden ab. Er nickte bloß, da er nicht sprechen konnte und ich ging wieder nach vorne. „Noch Einwände?“ Lautes Gebrüll nur dieses mal Menschlicher wurde laut, als alle gleichzeitig einen Kriegsschrei ausstießen.
Zufrieden stiegen Caro, die nun wieder menschlich war, und ich vom Tisch und gingen auf unsere Plätze. Verdutzt blickte uns unser Chef hinterher und lächelte dann. „Gut. Die Aufteilung folgt wie besagt...“
Caro, ein Lykaner, den ich nur von sehen kannte und Klaus hieß, und ich waren als diejenigen auserkoren worden, die sich um den Dämon kümmern würden. Mit dem hatte ich ohnehin noch ein Hühnchen zu rupfen.
Als eine plötzliche Erschütterung das Gebäude zu wackeln brachte, hielten sich alle so gut es ging irgendwo fest.
Als sich das Gebäude beruhigt hatte und mein Chef laut über unsere eigenen Stimmen schrie, ertönte ein mächtiges Gebrüll. Das Gebrüll von Lykaner war schon etwas Angst einflößend, doch das was wir jetzt hörten, ließ die Lykaner im Vergleich wie knurrende Welpen erscheinen.
„Sie sind hier!“ Alle liefen in einem Durcheinander nach draußen und sicherten die Umgebung. Nach kurzer Zeit schon hörte man panische Todesschreie. Caro, Klaus und ich liefen Seite an Seite durch das Durcheinander während wir versuchten den Dämon ausfindig zu machen.
„Wo kann der Dämon sein? So groß ist das Areal doch überhaupt nicht.“
Ich überflog in Gedanken die Möglichkeiten und biss mir auf die Lippe. Das gab es doch nicht. Die Königin der Vampire stand an vorderster Front und schlachtete mit ihren Soldaten am Haupteingang einen nach dem anderen ab. Hinten bei den Schiffen flog ein tobender silberner Drache herum und rief ständig nach Räum, der immer noch verschwunden war. Warum war er nicht hier und kämpfte an unserer Seite? Er sagte er wollte an unserer Seite kämpfen, er sagte das er mich immer und überall suchte und dann war er nicht da wenn man ihn brauchte. Wie anders zu erwarten, von einem Dämon!
Caro schlug einem Vampir den Kopf ab während sich Klaus verwandelte und mit seinen Klauen auf unsere Gegner einschlug. Ich ging hinter ihnen her und suchte die Umgebung ab, da ich die einzige war die wusste wie der Dämon aussah.
„Sieh nach oben.“ Erschrocken zuckte ich zusammen und Räum lächelte mich an. Sein Anblick entlockte auch mir ein Lächeln, für das ich mich innerlich strafte, und folgte seiner Anweisung. Er hatte recht. Ganz oben auf unserem Hauptgebäude, stand ein junges Mädchen mit einem Dämonischen Blick und tiefschwarzen Hörner. Ihre blonden, beinahe weißen Haare wehten um ihren Kopf herum und strichen über das Geländer auf dem sie stand. Ich kleiner Körper sah aus, als würde er jeden Moment vom Wind weg gepustet werden können, den der Drache mit seinen mächtigen Flügelschlägen erzeugte.
„Caro! Ich weiß wo wir sie finden.“ Ich deutete nach oben, sie folgte meinem Blick und lächelte breit. Als sie dann jedoch Räum erblickte erlosch ihr lächeln auf der Stelle. „Was macht er den hier?“
Er verbeugte sich galant und schenkte ihr ein atemberaubendes Lächeln. „Helfen, natürlich. So wie ich es versprochen hatte.“
Sein Blick glitt zu mir. Seine Augen blickten nun nicht mehr höflich drein, sondern hatten eine Art Schimmer. Wie jedes mal, wenn er mich ansah.
„Dann sollten wir wohl einmal zu ihr hinauf, oder?“
Ohne auf eine Antwort zu warten lief ich ins Gebäude zurück, kämpfte mich von Etage zur Etage durch.
„Warte ich mache das, mein Engel.“ Mit einer kleinen Handbewegung, >schuppste< er die Kämpfenden auseinander und ließ uns drei passieren. Als er sicher war, dass sie nicht hinter uns her waren, folgte er uns hinauf auf das Dach.
Das Dach war nicht direkt mit den Gängen verbunden, daher mussten wir im obersten Stock durch ein Fenster auf die Feuerleiter klettern und uns die Wand hinaufziehen.
Das Dämonenmädchen erblickte uns und fing lieblich an zu lächeln. „Ihr habt mich warten lassen. Das ist unhöflich.“
Klaus und Caro gingen frontal auf den Dämon mit Klauen und Zähnen los, während ich Messern und Wurfsterne auf ihren Rücken abfeuerte. Sie nahm zwar nur wenig Schaden, doch es beruhigte mich, dass sie etwas verwundbar war.
Als ein Jaulen das Getöse vom unten stattfindenden Kampf zerriss, machte ich einen Blick nach unten.
„Großmutter! Hier bin ich!“
Sie hielt einen Lykaner in der Hand und einen anderen riss sie nebenbei den Kopf ab. Erst jetzt wurde mir nach Jahren bewusst, wie stark sie war. Sie war also nicht umsonst die Königin ihrer Rasse.
Meine Großmutter war zwar genau das was man unter einer königlichen Großmutter verstand, doch ihr Charakter und ihre Stärke waren unermessbar. Fauchend machte sie sich auf den Weg zu uns hoch.
„Okay, meine Großmutter wird gleich...“ Weiter kam ich nicht mehr, da zog mich Räum an sich und küsste mich innig. Nachdem sich mein erster Schreck gelegt hatte, erwiderte ich seinen Kuss und vertiefte ihn, bis er mich keuchend los ließ.
„Verdammt, was soll das?“
Räum verkrampfte seine Hand in meinem Haar und legte seinen Kopf gegen meinen. „Du bist seit meiner Kindheit meine Liebe. Ich habe dich Jahrhunderte in unzähligen Dimensionen gesucht. Jetzt habe ich dich zwar wieder gefunden, doch...“
Etwas in seinem Blick sagte mir, das er etwas tun wollte, was mir unter keinen Umständen gefallen würde.
„Räum! Sag mir was...“
Seine Lippen trafen abermals meine. Plötzlich fühlte ich etwas Warmes auf meiner Wange und schob ihn von mir. Ich griff mir an die Wange und wischte Blut weg. Ich sah ihn an und erkannte, das das Blut aus seinen Augen gekommen waren.
Dicke Tränen liefen seine Wange hinab, bevor er mit seiner freien rechten Hand zustieß und sie in meinem Brustkorb versenkte. Unsagbarer Schmerz breitete sich durch meinen Körper aus.
Sämtliche Luft drang aus meinem Körper und ich fühlte einen Druck um mein Herz. Im nächsten Moment zog er die Hand wieder heraus und sämtliches Gefühl verließ meinen Körper.
Zu schwach um zu stehen und etwas zu sagen, sank ich auf den Boden und betrachtete entsetzt das viele Blut das aus meinem Körper auf den Boden tropfte. Ich folgte der Blutspur hinauf zu Räum, der sichtlich mit seinen Emotionen kämpfte.
„Ich bin stolz auf dich, mein Sohn. Ich hätte nicht gedacht, dass du eskönntest.“ Mein glasiger Blick zuckte zu dem blonden Dämon, der angeekelt den Kopf von Klaus über die Brüstung warf und freudig mein Herz entgegen nahm.
Mein Herz!
Wie eine Erinnerung zuckte es durch meinen Kopf. Als würde mein Körper erst jetzt verstehen, dass er nicht mehr funktionieren konnte.
„Vertraue keinem Dämon...“ War das einzige das ich noch wahrnahm, bevor ich mit dem Gesicht voran auf dem Boden aufkam.
- - Ende Teil 1 - -
40. Dämonenrang: Räum
Ein Graf der Hölle, mächtig. Er wird als Krähe dargestellt, nimmt jedoch menschliche Gestalt an. Er stiehlt Schätze und trägt diese in zu seiner persönlichen Sammlung bei. Er kann Liebe in Personen entfachen und Geheimnisse enthüllen
68. Dämon: Belial
Er ist ein übermächtiger König der Hölle. Belial kann Zuneigung, Gunst und Wohlwollen zwischen Freunden und Feinden verursachen. Allerdings ist dieser Dämon äußerst manipulativ und agiert meist auf eigene Faust.
Ezraela
Vater Engel Ezrael, ein Engel von Zorn und Zerstörung
Tag der Veröffentlichung: 29.04.2014
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