Spaziergang in der Großstadt
Ein auf und ab der Lebensart
Christopher Tiel
Inmitten riesigen Gedränges aus Menschen stand Tom. Er war auf der Suche nach irgendeiner Inspiration, die sich wie ein Blitz durch seine Gedanken ziehen sollte und spazierte währenddessen eine Allee entlang, die bestückt mit Geschäften die halbe Stadt anlockte.
Er selbst mochte die Stadt. Er liebte die Anonymität die sie verkörperte. Man konnte abends durch die Straße laufen, sich betrinken und verrückt spielen so entgeistert wie man wollte, ohne sich Sorgen machen zu müssen am nächsten Tag wiedererkannt zu werden.
Hier war es anders als in Dörfern, in denen man kein Wort sagen oder etwas tun konnte ohne am nächsten Morgen der Mittelpunkt allen dörflichen Interesses zu sein. Anders als auf dem Land gab es in der Stadt eben die Anonymität die einem jeden gefiel der mit sich selbst nicht ganz im Reinen war.
Man musste kein Anderer als man selbst sein wenn man eine Kneipe besuchte, da es so unendlich viele davon gab, dass man irgendwo die fand, in der diejenigen saßen die die gleichen Gründe hätten sich woanders zu verstellen.
Tom verlangsamte seine Schritte, summte eine Melodie und sah in die Gesichter der Menschen. Die Emotionen die man aus ihnen lesen konnte waren so abwechslungsreich wie Melodien Mozarts. In dem einen las er ein Lächeln das die Sonnenstrahlen die es blendeten förmlich einsog und wieder ausstrahlte, während das nebenan sich darüber aufregte warum die Sonne so hell scheinen musste. Man musste keinen Schritt tun um tausend Gefühle und Menschen wahrzunehmen.
Klackernde Schritte, hervorgerufen von Stöckelschuhen deren Besitzerin mit Prada- Tasche und Sonnenbrille auf dominante Art und Weise die Straße entlang schritt, wechselten sich mit bequemen Turnschuhen und Jogging Hose ab. Ein lederner Aktenkoffer dessen geordneter Nachbar einen schicken Anzug trug und in Gedanken die Gewinne seiner Firma auskalkulierte, schwebte an einem alten auf dem Boden liegenden Hut vorbei, dessen fast nur mit Laken bekleidete obdachlose Besitzer, ein schönes Lied das von der Ferne erzählte, auf seiner Gitarre spielte. Tausend Mimiken und tausend Persönlichkeiten boten sich dem Großstadtspazierer, der diese Abwechslung genoß.
Tom konnte keine Eintönigkeit leiden. Sie machte ihn schläfrig. Als freier Künstler liebte er es zu träumen, die tausend Facetten auf sich wirken zu lassen und den abwechslungsreichen Geruch von Parfum, Bratwurst, Zigaretten, Pfannkuchen und Beton in einer Reihenfolge zu bewundern die sich in ihm anfühlte wie einen Lied das über Winter und Frühling, Sommer und Regen sang.
Das Leben in der Stadt war wie :
,, the american Way of Life‘‘
Hier gab es alles. Man hatte tausend Möglichkeiten das zu werden was man werden wollte. Für jemanden dem Entscheidungen schwer fiel war die Stadt das Paradies. Suchte man einen Arbeitsplatz, z.B. als Verkäufer konnte er sich unter zig Filialen die aussuchen die einem am besten gefiel und suchte man nach Weiterbildung fand man tausend Wege. Aber die Stadt konnte einen auch verrückt machen. Ruhe war ein Fremdwort in den Reihen riesiger Bauten die ihre Schatten warfen. Es war nie richtig Still. Ständige Motorengeräusche und andere die Stille durchbrechenden Klänge schlugen einem den Spruch ins Gesicht :
,,Die Stadt die niemals schläft‘‘.
Ohne Schlaf wird jeder unruhig und eine Großstadt konnte eine Quelle dieses Gefühls sein.
Und auch wenn es schöne Parks gab, Cafés und beruhigte Stadteile war über all ein Hauch der Fülle. Ein nebelhaftes aufleuchten des Gefühls, dass man doch nicht ganz alleine ist.
Einem Menschen der nur mit völliger Stille abschalten konnte, um sich von den Strapazen des Alltags zu entledigen musste sich etwas einfallen lassen sich zu entspannen.
Natürlich gab es auch Massage Häuser und Joga Kurse, nur war einem finanziell leicht betuchten Menschen diese Option verwehrt.
Auch die Kultur, als Monument großstädtischen Eifers, war aus den Gedanken an eine Stadt nicht wegzudenken. Wo findet man mehr Kultur und Geschichte als in einer alten, großen Stadt? An der Stelle seines Hauses könnte vor einigen hundert Jahren ein Ritter gelebt haben, oder ein Schmied seines Handwerkes gerecht geworden sein. Revolutionen und Regierungen konnten das Stadtbild und seine Ausstrahlung geprägt haben. Etwas wozu man Stolz aber auch Verachtung entwickeln konnte...
Tom konnte mit Sicherheit behaupten, dass egal wie verrückt er war, es irgendwo in dieser Stadt jemanden gab der genauso war wie er. Jemanden der ihn verachtete, jemand der ihn bewunderte und auch jemand dem er völlig gleichgültig war. Jemand dem es tausendmal besser ging und jemandem dem es tausendmal schlechter ging. Deshalb liebte er die Stadt. Irgendwo zwischen den Millionen der Bürger gab es jemanden der genauso dachte wie er, ganz gleich was er dachte. Man musste sich eben nie ausgeschlossen fühlen. Gleich und Gleich gesellt sich gern und welche die gleich einem waren würde man irgendwo finden, anders eben als irgendwo sonst.
Tom schlenderte weiter die Straße entlang. Irgendwann wurde der Stadtteil ruhiger, die Verkaufsallee hatte sich dem Ende zugeneigt und er begann durch Wohnsiedlungen zu gehen. Autos parkten zu beiden Seiten auf der Straße. Keine alten und keine teuren, sondern ganz normale wie es sich jeder leisten konnte. Die Häuser um ihn herum waren gepflegt und sauber wie der Gehsteig unter seinen Füßen.
Manche kleine Balkone waren mit Blumen geschmückt und ab und an saßen dort oben manche beim Kaffee trinken und begrüßten laut lachend das Erwachen des Sommers.
Eine alte Frau ging in gebückter Haltung und Krückstock an ihm vorbei und lächelte ihn mit einem begrüßendem Nicken an. Fröhlich über diese nette Geste lächelte er zurück und betrachtete weiterhin den Stadtteil. Es war die normalste Gegend die man sich vorstellen konnte, was nichts negatives bedeutete, eben eine typisches Wohngebiet für Normalverdiener mit normalen Berufen.
Der Traum jedes Familienmenschen und der Alptraum jeden Abenteuers. Manche waren hier zu Frieden weil sie das hatten was sie vom Leben erwarteten: eine Familie gründen, einen netten Job haben, Verwandte und Freunde. Hier sah man meistens keine konsequenten Anzugträger in Lackschuhen sondern welche mit Jeans und T-Shirts.
Welche ... mit zufriedenen Gesichtsausdrücken. Tom ließ sich weit von seinen Füßen geradeaus befördern bis er nach etlichen Kilometern zu einer großen Brücke gelangte, die zu einem weitaus anderem Stadtteil führte. Erst tat Tom sich mit der Entscheidung schwer, ob es ihn wirklich dorthin verschlagen solle, sein Gefühl machte ihm Sorgen, doch er setzte dennoch Fuß vor Fuß, von Neugier getrieben.
So wie die Brücke anfangs so gepflegt war wie der Stadtteil hinter ihm, so ungepflegter wurde sie mit jedem Schritt in die Richtung des anderen. Ab und an begegneten ihm auf dem Boden liegende, zerbrochene Bier- und Schnapsflaschen. Der Beton der in der Wohnsiedlung hinter ihm noch eine hellgraue Farbe hatte, verdunkelte sich hier mit jedem Schritt. Die Gesichter derer die hier wohnten sahen nicht zufrieden aus, nein, sie waren vollkommen düster und spiegelten in ihren Gesichtszügen die gleiche innere Unruhe aus, die für das Aussehen dieses Ortes verantwortlich war.
Schritt für Schritt fühlte sich Tom immer mehr als Fremdkörper in den Reihen dieser zerfetzt, lumpenhaft und dreckig bekleideten Einwohnern, dessen argwöhnische Blicke ihn beinah unerträgliches Mitleid sowie Angst fühlen ließ. Ja, er stand mitten in einem Slum. Einem Slum der so dreckig nur in einer von Superlativen besetzten Großstadt vorzufinden war. Tom fühlte die feindlichen Blicke die ihm aus schwarz umrandeten Augen zugeworfen wurden und begann sich in Gedanken von hier fort zu wünschen.
Wie von einem Magnetischen Gegenpol hinweg gedrückt drehte er sich abrupt um und stolperte plötzlich einem grimmigen Riesen vor die Brust. Erschrocken stolperte Tom einige Schritte zurück drehte sich um und stand plötzlich vor einer ganzen Meute grimmig dreinblickender Gestalten, die in ihm einen kapitalistischen Unternehmer sahen, die deren Meinung nach Schuld an ihrer Lebensart waren.
Sein plötzlich kreidebleich werdendes Äußere beschrieb sein inneres Gefühl und genau dieses ließ sein Herz schneller pochen.
Mit wilden Blicken musterte Tom die sich im Halbkreis aufbauenden, armen Gossenbewohner die ihn fast lechzend betrachteten.
Und jetzt?
Die gleiche Frage las man von dem Gesicht des Ihm Gegenübers ab, der sie wohl lediglich mit mehr Sarkasmus betont hätte. Er ging einen Schritt auf Tom zu, griff in seine Jackentasche und mehr hielten seine Nerven nicht aus. So nahm er seine Beine in die Hand und rannte mit vor Funken sprühenden Eifers nicht erschossen zu werden los. Er rannte ohne sich umzudrehen zurück zur Brücke und dem Fluß bis er sich sicher war nicht mehr verfolgt zu werden.
Welcher Gedanke war ihm zuvor noch einmal in der Wohnsiedlung gekommen? Ein Traum für jeden Familienmenschen und ein Alptraum jeden Abenteurers.
Naja nach der Logik war dies wohl ein Paradies für Leute solchen Schlages. Ob man nun verrückt sein musste um Abenteurer zu sein oder einfach nur hochmütig war ihm ein Rätsel. Tom sah sich um, vergewisserte sich dass ihm niemand mehr folgte und betrachtete den Fluß der sich brausend wenige Meter entfernt durch den Großstadt – Dschungel zog.
Einige Boote fuhren herauf und herunter, schlängelten sich an Größeren vorbei. Plötzlich verspürte er Lust auf eines dieser Schiffe oder Boote mitzufahren. Er ging einen kleinen Hang hinab bis er an einen alten Holzsteg kam der unter seinen Schritten knarrte.
Ein alter Mann arbeitete dort auf einem Kleinen Boot das am Ende des Steges leicht im Wasser wippte.
Er schaute auf, zog einmal an seiner Pfeife die lässig in seinen Mundwinkeln lag, pustete den Rauch in seine Richtung und sagte :,, Ai, Lust auf eine Bootsfahrt?‘‘.
Ein bisschen perplex vor so viel plötzlichen Glücks antwortete er :,, Hallo, ich bin Tom. Natürlich wenn sie mich netter Weise mitnehmen könnten?‘‘.
,,Ai‘‘ sagte der Seefahrer aus wetter-gegerbten Gesicht heraus, stand auf und zeigte auf die kleine Reling wo er Platz nehmen sollte. Die Sonne schien prächtig und Tom entspannte sich mit den beruhigenden Geräusch des Wassers in den Ohren.
,,Ai, Abenteurer was?‘‘ fing der Seefahrer ein Gespräch an.
,,Ja ... würde ich mal sagen‘‘
,,Ai, ich auch‘‘ entgegnete er, Rauch aus seiner Pfeife auspustend ,,Lust auf ein Abenteuer?``
,, Na klar , wohin soll es den gehen und wie heißen sie?‘‘
,, Bitte nenn mich nicht sie. Es geht mitten durch die Stadt und dann vielleicht noch weiter, wenn du willst. Ich heiße Johann.‘‘
,, Gut, wie sie wollen, ich meine wie du willst. Ich heiße Tom‘‘
Mit einem ,,Ai‘‘ startete er den Motor und sie fuhren los.
Welche Leute man in einer Stadt nur treffen kann, ich bin gespannt welchen ich noch begegnen werde.
Irgendwann, als sie an vielen kleinen Frachtern vorbei gefahren waren, deren Besitzer sie mit einem Nicken und einem Ai begrüßten, kamen sie in einen Stadtteil der genau das Gegenteil dessen war woher sie gerade gekommen waren. An den Flußufern standen Villen, Yachten und als ob die reichen Bewohner zu Faul waren im Fluß zu schwimmen, stand neben jeder Villa ein Pool.
Reiche Leute betrachteten sie mit einem argwöhnischen Blicken, als wären sie Aussätzige. Irgendwie erinnerten sie ihn an die Blicke der armen in dem Ghetto. Manche lächelten, manche lächelten auf sie herab und manche schienen sogar Mitleid mit ihnen zu haben. Johann antwortete auf ihre Blicke mit einem provozierenden Hupen seines Bootes und dem schneller werden.
,,Ai Abenteuer wie?‘‘
,,Ai Abenteuer!‘‘ lächelte Tom...
Tag der Veröffentlichung: 24.04.2009
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Widmung:
Gewidmet all jenen denen Widmungen gefallen:)