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1. Kapitel



Forget You (Markus):



Es war zwölf Uhr und ich schaute genervt aus dem Fenster. Diese ganzen Weiber sind doch einfach nur scheiße, dachte ich und griff mir an die Stirn. Tief seufzte ich ein und schloss die Augen. Die letzten Tag waren echt eine Talfahrt. Erst der Stress mit meinen Eltern, weil ich endlich wieder zum Fußballtraining gehen wollte, dann zoffte ich mich mit meiner kleinen Schwester Tammi und ausgerechnet heute verlässt mich meine Freundin. Ex-Freundin. Ein Schauder überfuhr mich, als ich an sie dachte. Sie war eigentlich ein Mädchen wie jedes andere gewesen: lange blond gefärbte Haare, viel Schminke und sie ging nur perfekt gekleidet aus dem Haus. Keine Zweifel, sie war wirklich hübsch, doch ihr Charakter war schrott. Doch so etwas wird einem immer erst im Nachhinein klar. Sie benutzte mich um gut da zu stehen. Ich fragte mich zwar, wie man mit mir gut da stehen kann, aber egal. Sie, Robby, war ein Miststück und mir wurde klar, dass jedes Mädchen im Alter von 15 so ein Miststück war. Vielleicht sollte ich die Finger von weiblichen Geschöpfen lassen, dachte ich, zumindest für einen gewissen Zeitraum.
"Markus!", rief meine Mutter, "Komm jetzt sofort runter zum Mittagessen. Gammel nicht den ganzen Tag in deinem Zimmer. Du machst mich noch verrückt."
Sie stapfte die Haustreppe nach oben. Leicht gereizt öffnete sie meine Zimmertür, welche gegen das Regal hinter ihr knallte.
"Komm jetzt, sofort!", mit eingestützten Armen und einem fießen Blick starrte meine Mutter mich an. Ich konnte ihre Blicke schon durch mein Rückenmark stechen spüren.
"Mum, ich komme.", ich verdrehte die Augen und verließ meinen Fensterplatz.

Am Essenstisch angekommen, zog ich gleich wieder enttäuschte Blicke meines Vaters und meiner kleinen Schwester auf mich. Ich guckte beide leicht verärgert an und setzte mich auf meinen Platz.
"Markus, setz ich ordentlich hin.", meckerte meine Mutter.
"Ich kann auch gleich wieder nach oben gehen.", ich schaute sie bedrohlich an und sie stieß einen empörten Laut aus. Eine Träne rollte über ihre perfekt geschminkte Wange und hinterließ einen Streifen ihrer wahren Hautfarbe in ihrem Make up.
Darauf folgte der "So redet man nicht mit seiner Mutter"-Vortrag meines Vaters. Ich hörte instinktiv weg, da ich den Vortrag schon aus dem Kopf kannte. Ich schloss die Augen und stützte meinen Schädel auf meinen Arm.
"... Hey Freundblaße, hörst du mir überhaupt zu?", schimpfte mein Vater und schüttelte heftig den Kopf, "Wie soll es mit dir nur weiter gehen? Ich glaube deine Umgebung tut mir nicht gut." Ich reagierte nicht.
"Der Junge bringt mich noch ins Grab.", weinte meine Mutter. Ich seufzte, verschlang mein Butterbrot, stellte meinen Teller auf die Spüle und verließ wortlos die Küche.

Auf dem Weg die Treppe nach oben hörte ich meine Mutter schluchzen.
"Das wird schon wieder, Mama. Das ist nur eine Phase.", redete Tammy auf meine Mutter ein, "Markus ist doch ein vernünftiger Junge."
Ich schüttelte den Kopf und bewegte mich weiter in Richtung meines Zimmers. Die haben doch alle keine Ahnung, wie es sich anfühlt, wenn niemand einen versteht. Ich seufzte. Als ich den Raum betrat merkte ich, wie ein kalter Wind den Raum durchflutete. Mir fröstelte es und ich schloss das Fenster. Draußen fielen weiße Schneeflocken auf den Asphalt.


Barfuß (Lucy):



Das graue Wetter ließ meine Seele fast genau so grau erscheinen. Der Schnee rießelte auf mein braunes Haar, welches ich aus Gewöhnung offen trug. Es war sehr kalt gewurden in den letzten Tagen und ich musste sehen, wo ich unterkam. Meine Eltern haben mich abgeschoben, mich ins Heim geschickt. Doch dort fühlte ich mich nicht wohl. Nein, ich fühlte mich viel eher wie ein Hund im Zwinger und genau deswegen rannte ich weg.
Ich "lebe" in einer kleinen Holzhütte in einem Wald, welcher nahe eines kleinen Dorfes steht. Mein Besitz besteht nicht aus mehr als 3 Pullovern, ein paar alten T-Shirts, ein paar Hosen und einer Winterjacke, welche mir ein freundlicher Mann letztes Jahr im Winter schenkte. Leicht seufzte ich und ging wieder in meine Hütte. Ich setzte mich auf den Boden und zog die Beine an. Mir war langweilig. Was sollte ich auch groß machen? Hier war ja eh nie was los. Im Dorf lebten nur ein alte Männer mit ihren Frauen. Der Einzige der in meinem Alter war, war der Hund Rüdiger vom Bauern Mühlmann, welcher am Dorfrand eine Viehwirtschaft betrieb. Der Hund war 16 Jahre alt.
Der alte Bauer hatte auch Hühner und damit ich irgendwie über die Runden kam, spendierte mir Mühlmann ab und zu ein Ei. Im Herbst schenkte er mir immer einen Korb voller saftiger Äpfel. Eigentlich schnurrte ich mich nur bei den Leuten durch. Am Nachmittag arbeitete ich manchmal in einem kleinen Pub an einer Straßenecke.
Eigentlich durfte ich hier noch gar nicht rein, doch die Besitzer machten mit mir eine Ausnahme, da ich auch ein wenig Geld brauchte um zu überleben. Allein von Äpfeln konnte man sich schließlich nicht ernähren.

"Lucy.", ich erkannte die Stimme sofort. Es war Frau Schuster aus dem kleinen Dörfchen.
"Ja, Frau Schuster, ich bin hier.", ich stand auf und ging zur Tür meiner Holzhütte. "Weist du eigentlich schon das Neuste?", sie streckte mir ihre Hand entgegen auf welcher eine Tafel Schokolade lag.
"Danke.", ich grinste sie an, "Nein, was denn?"
"Eine Familie wird herziehen. Sie haben heute das Haus am Waldrand gekauft. Es war ein älterer Mann da. Ich fragte gleich, ob er wohl Familie mitbringen würde und er sagte, dass er seinen Sohn mit seiner Frau und den Kindern mitbringt.", selbstzufrieden grinste Frau Schuster und zwinkerte mir zu, "Sie haben eine kleine Tochter. Sie ist 15 und heißt Tammi und einen Sohn. Er ist 17 Jahre alt und spielt gern Fußball."
Ich musste lachen, "Sie meinen also, dass endlich jemand herzieht, mit dem ich etwas unternehmen kann?"
"Genau das meine ich, Lucy.", sie klopfte mir auf die Schulter, "Ich muss wieder los. Mein Mann wollte noch ein mal nach London fahren. Wir brauchen eine neue Couch. Unsere Katzen haben unsere alte zerkratzt. Bis später."
Ich winkte ihr und ging mit der Tafel Schokolade zurück in meine Holzhütte. Endlich, dachte ich, jetzt kommt vielleicht sogar ein bisschen Leben in das olle Dorf. Schulterzuckend begab ich mich zurück in mein Hüttchen und verriegelte die Tür.
Ich freute mich über die Tafel Schokolade und genoss jedes Stückchen einzeln.

Hey Ya (Tammi):



Markus wird aus allen Wolken fallen, ich schniefte und ließ mich auf der Schlafcouch in meinem Zimmer nieder, er wird nicht verstehen, warum Mama und Papa das alles tun. Ich schnappte mir meinen MP3-Spieler und zog mir die viel zu großen Kopfhörer auf die Ohren. Ich atmete tief ein, denn in ein paar Minuten wird Markus in mein Zimmer gerannt kommen und mir einen Vortrag halten.
Ich werde versuchen ihn zu beruhigen, doch er wird abblocken und sich wieder in sein zimmer begeben. Dort wird er dann seine Metalmusik so laut drehen, dass die Fensterscheiben unseres Einfamilienhauses wackelten. Ich machte mich also auf einen sehr großen Ansturm seiner Gefühle gefasst.

Markus war nicht mehr der Alte, seit ihn seine Ms. Perfect verlassen hatte. Er hatte sich verriegelt und sich einen Panzer aus Wut und Trauer gestrickt. Versuchte man mit ihm zu reden, stieß er einen weg und man konnte nur hoffen, dass er Ms. Perfect irgendwann vergaß.
"Tammi?", meine Mutter klopfte an die Zimmertür. Ich bewegte mich zu dieser, um sie zu öffnen, "Komm rein, was ist los?"
"Ich werde es ihm jetzt sagen, Tammi.", sie flüsterte, denn sie wollte nicht, dass Markus etwas hörte.
"Ist okay, Mum.", ich fasste sie am Arm, "Ich werde versuchen ihn danach zu beruhigen."

Meine Mutter nickte und verließ schweigend mein Zimmer. Ich stellte mich in den Türrahmen, um das Gespräch zwischen ihr und meinem großen Bruder verfolgen zu können.

"Wir tun was?", entsetzt schaute Markus meine Mutter an.
"Wir ziehen nach England, Markus.", sie war ganz ruhig und versuchte ihn ja nicht zu provozieren.
"Nein, Mum. NEIN!", Markus war so wütend. Ich hörte etwas zu Bruch gehen und meine Mutter rannte aus dem Zimmer meines Bruders.
"ICH HASSE EUCH!", Markus kam in mein Zimmer gezischt und schloss die Tür. Er drehte dem Schlüssel im Schloss um und stellte sich drohend über mich, "Du wusstest es. Du wusstest es von Anfang an und hast mir nichts gesagt. Tammi, wieso? Ich mein... hier ist es doch schön, oder nicht? Willst du nicht auch hier bleiben? Ich meine, hier kann man doch leben. Hier haben Mama und Papa auch einen Beruf. Hier leben wir schön. Papa hätte den Posten in England nicht annehmen müssen. Er hätte es nicht tun müssen"
Tief atmete Markus ein und setzte sich.
"Es wird schon werden.", ich schaute ihn nicht an.


2. Kapitel:



The Cave (Markus):



Die letzten Kartons waren in den Transporter gepackt und ich stand in meinem leeren Zimmer. Ich hatte das Gefühl, dass die Leere des Raums in meinen Körper überging. Ich fühlte mich leer. In der Hand hielt ich den Zimmerschlüssel. Er war wohl das letzte, was ich von meinem alten Zimmer behalten konnten, deshalb steckte ich ihn in meine Hosentasche. Die Möbel hatten wir alle verkauft, weil wir sie nicht mit nach England nehmen wollten.
"Komm, Markus.", schrie meine Mutter und ich seufzte. Ich warf einen letzten Blick in mein altes Zimmer und schloss dann die Tür.
"Mach's gut, schönes Leben.", murmelte ich und ging langsam die Treppe runter. Nicht viele Gedanken schossen mir durch den Kopf, nur ein paar, welche ich nicht zu ordnen konnte.
"Kommst du jetzt endlich mal?", wieder war es meine Mutter, die nach mir zu schreien schien.
"Ja, Mama. Ich komme doch.", ich trat in den Hausflur, wo meine Mutter schon an der Wohnungstür stand um diese zu zuschließen.
"Los, wir müssen pünktlich in Calais sein.", schimpfte sie, "Sonst verpassen wir noch unseren Zug."
Ich verdrehte die Augen und nickte ihr zu, "Ist ja gut."
Ich begab mich Richtung Auto und setzte mich auf den Platz hinter dem Beifahrer. In Gedanken starrte ich aus dem Fenster und stöpselte mir die Kopfhörer meines MP3-Players in die Ohren. Man konnte denken, dass er aus dem letzten Jahrhundert stammt, doch funktionieren tat er noch ganz gut.
Mit geschlossenen Augen lehnte ich mich in meinen Sitz und versuchte nicht so viel über das mir bevorstehende nach zu denken.


Use Somebody (Tammi):



Es war jetzt schon zwei Stunden her, seit Markus sich seine Kopfhörer aufgesetzt hatte und die laute Musik angeschaltet hatte.
Er hatte die Augen geschlossen und lehnte in seinem Sitz. Ich seufzte, hoffentlich wird er nicht all zu traurig sein, wenn wir dann in England sind. Ich nahm Markus' Hand und legte meine in sie. Er wehrte sich nicht.
Dann schloss ich ebenfalls die Augen und hörte dem Gespräch meiner Eltern zu.

"England ist für uns der Start in ein neues Leben, Elke.", meinte mein Vater.
"Ja, ich weiß ... Ich mache mir nur Sorgen darum, was Markus sagen wird, wenn wir angekommen sind. Wir wohnen dann in einem Dorf, Schatz. Das ist Markus einfach nicht gewöhnt. Ich denke er wird die Großstadt sehr vermissen."
"Wahrscheinlich, aber er wird sich sicher auch schnell an unser neues Leben gewöhnen. Ich denke mal, dass er alt genug ist um damit umzugehen."
"Du hast schon Recht. Ich mache mir sicher nur zu viele Sorgen. Aber mit Tammi ist das alles auch nicht so schwer. Sie nimmt das alles einfach so hin."
"Sie ist wie du.", flüsterte mein Vater und strich meiner Mutter über den Haaransatz.
Sie grinste, "Ja, das stimmt. Sie ist schon ziemlich erwachsen für ihre fünfzehn Jahre."

Dann konzentrierte sich mein Vater wieder auf das Fahren und meine Mutter schaute gespannt aus dem Fenster. Ich öffnete die Augen wieder.
"Mama, ich habe Hunger. Kannst du mir ein Brötchen hinter geben?", mein Magen knurrte wirklich und das war einfach nicht zu überhören.
"Klar, Schätzchen.", sie reichte mir ein in Alu-Folie verpacktes Brötchen und schaute dann wieder aus dem Fenster. Ich packte es aus.
Mhh, Schinken, dachte ich, ob Markus auch Hunger hat? Er war so still und kaum wieder zu erkennen. Ich hatte ihn immer für seine lustige Art geschätzt, doch die hatte er schon lange verloren. Er war einfach nicht mehr Markus.
Er war ein neuer Mensch gewurden und ich hoffte, dass er in England lernte wieder er selbst zu werden.


Adams Song (Lucy):



Das ganze Dorf machte sich auf den Zuwachs bereit. Alle schnitten ihre Hecken, malerten ihre Zäune und zupften das Unkraut auf ihren Beeten. Es war lustig mit anzusehen.
Ich saß auf einem Baum, der auf dem Marktplatz stand und beobachtete das Geschehen.
"Hello, Lucy.", es war Bauer Mühlmann, der mich so erschreckte. Fast kippte ich rückwärts von meinem Ast runter.
"Oh, hello Mr. Mühlmann.", rief ich und kletterte vom Baum, "How can I help you."
Ich lächelte und er legte mir den Arm um die Schulter und führte mich die Straße entlang und ich schlenderte neben ihm.
"Could you buy me some bread and stuff to eat for the weekend? I have to milk the cows and feed the chicken."
"Yes, of course. I will help you.", ich zwinkerte ihm zu und er reichte mir eine Einkaufsliste und etwas Geld.
"Buy something for yourself from the rest of the money.", er klopfte mir auf die Schulter und ließ mich allein.
Hatte ich schon gesagt, dass Frau Schuster die einzige Frau im Dorf war, die deutsch sprechen konnte? Mit allen anderen unterhielt ich mich auf englisch, aber das machte mir keine Probleme.
Ich liebte diese Sprache und hatte deshalb viel Spaß dabei, mich mit den Bewohnern des kleinen Dörfchens zu unterhalten.

Brot, Käse, Salat und Gurken packte ich in den kleinen Einkaufskorb. Für mich hatte ich ein paar Vollkornbrötchen und eine Packung Kekse genommen. Dann lief ich zur Kasse und bezahlte die ganzen Sachen, die Herr Mühlmann brauchte.
"Thank you.", sagte ich zu der Kassiererin, die das Zeug in eine Tüte packte. Diese nickte nur und reichte mir die Tüte.
"Bye.", rief ich und ging aus der Tür. Dann lief ich den Weg zu Bauer Mühlmann und übergab ihm seine Einkäufe. Er bedankte sich und ich nickte ihm zu.
Wenigstens verstand ich mich gut mit den alten Leuten und sie waren oft so nett, dass sie mir etwas zu essen spendierten.


Kapitel 3:



The Next Big Thing (Tammi):



Ich war froh, als wir nach dreizehn Stunden Fahrt endlich auf den britischen Inseln angekommen waren.
Gespannt schaute ich aus dem Fenster und beobachtete den Linksverkehr. Es war schwer den Autos beim Fahren zu zusehen, da alles falsch herum war. Es war komisch zu wissen, dass man sich bald an die andere Fahrweise gewöhnt hätte und das es dann komisch war, wenn man wieder Rechtsverkehr hätte.
"Papa, bist du schonmal links gefahren?", ich war etwas verwundert darüber, dass mein Vater so ordentlich fuhr, obwhl es gar nicht normal war, auf der linken Straßenseite zu fahren.
"Nein, aber so schwer ist das nicht, Schätzchen. Du musst nur ein wenig umdenken.", lachte er und konzentrierte sich wieder auf die Straße.

Markus schlief.
Man hörte es an seinem unverkennbaren Schnarchen, welches das Auto mit Lärm füllte. Man hatte das Gefühl, dass er friedlich war und man dachte nicht an die Schwierigkeiten der letzten Wochen.
Auch meine Mutter schien zufrieden damit zu sein, dass Markus endlich zur Ruhe gefunden hatte. Sie schaute freudig aus dem Fenster. Ich wusste nicht, was das neue Leben für mich erwartete und war ziemlich aufgeregt. Meine Eltern redeten nicht viel über unser neues zu Hause und die Sachen, die damit verbunden waren. Das hing wahrscheinlich auch wieder mit Markus zusammen. Mir tat er irgendwie nur leid.
"Wir sind gleich da, Tammi.", meinte meiner Mutter und drehte sich zu mir. Ich nickte, "Soll ich Markus aufwecken, oder soll er weiter schlafen?"
"Weck ihn ruhig, aber sei lieber etwas vorsichtig.", meine Mutter drehte sich wieder zurück und lehnte sich in ihren Sitz.


Always (Markus):



Ein leichtes Rütteln an meiner Schulter weckte mich auf.
"Was?", murmelte ich verschlafen und streckte mich, soweit es ging. Schließlich war es im Auto ziemlich eng und ich wollte mich nicht an der Decke stoßen.
"Wir sind gleich da, Markus.", lächelte Tammi, "Du sollst doch nicht schlafen, wenn wir ankommen."
"Hmpf.", ich fühlte mich nicht wohl bei der ganzen Sache.
Ich wollte nicht hier sein. Lieber wollte ich wieder zurück nach Deutschland. England. Es klang so weit weg und ich kannte niemanden in diesem Land. Dann sollte mein Schulenglisch noch ausreichen um sich mit den Leuten zu unterhalten und ich sollte auf einem Dorf 50 km weg von London leben. Wer sollte das bitte aushalten? Ich wollte es nicht aushalten.
Nur solang wie ich musste.
"Mist", flüsterte ich und drückte meine Faust gegen meine Stirn. Das konnte doch alles nicht wahr sein. Immer müssen die Kinder dafür büßen, wenn Eltern einen neuen Job finden. Ich wollte wieder nach Deutschland.
Hätte ich nicht bei Oma und Opa bleiben können? Sie hätten doch auf mich aufpassen können. So viele Fragen gingen mir durch den Kopf, aber eine Antwort auf sie zu finden, war schwerer als erwartet.

"Wir sind da.", lachte meine Mutter freundlich. Wir fuhren durch eine Kurve und ich konnte einige Häuser erkennen. Sie waren alle ziemlich alt, aber alles in Allem sah die Gegend freundlich aus.
"Meinst du, dass es hier nur so toll aussieht, weil das Dorf wusste, dass jemand Neues herzieht?", fragte Tammi. Mein Vater lachte, "Ich denke schon. Hier ist lang niemand mehr hergezogem."
Tammi schaute so gespannt aus dem Fenster. Sie wirkte gerade nicht wie 15 sondern eher wie ein sechsjähriges Mädchen. Ja, sie war so aufgeregt wie mit sechs Jahren zu ihrem Schulanfang.
"Welches ist unser Haus?", fragte ich.
"Es steht am Waldrand, am Ende des Dorfes. Es sieht wirklich toll aus. Ich hoffe du wirst dich schnell daran gewöhnen, Markus.", sprudelte mein Vater.
Ich erwiederte nichts.

Wir fuhren um die letzte Kurve und ein Haus fiel mir in den Blick. Es war relativ groß und war von außen zum Teil mit Holzlatten geschmückt. Ein Geländer führte an einer Treppe zur Eingangstür und viele Büsche verdeckten den Blick in den kleinen Garten.
Auf dem Dach erkannte man rote und gelbe Dachziegel und an den Fenstern waren braune Fensterläden angebracht.
Es sah richtig alt aus, doch wie mein Vater schon sagte auch wirklich toll. Ein Balkon schien das Haus auch zu haben, sowie eine große Terasse.
"Wir sind jetzt da.", lachte mein Vater und stellte den Motor ab. Meine Schwester sprang aus dem Wagen und rannte auf das Haus zu, "Das ist jetzt unser zu Hause?"
"Ja.", antwortete meine Mutter und stieg ebenfalls aus dem Wagen. Ich blieb noch einen Moment sitzen und betrachtete die Umgebung.
"Komm, Markus.", rief mein Vater. Ich seufzte.
Willkommen im neuen Leben.

What The Hell (Lucy):



Ich beobachtete die Neuen im Dorf von einem Baum aus. Sie sahen sehr freundlich aus. Ein Mädchen, ein Junge und die beiden Eltern. Der Junge schien nicht ganz so glücklich über die neue Heimat zu sein wie der Rest der Familie.
Er schlürfte dem Rest in das Häuschen nach. Seinen genervten Gesichtausdruck erkannte man auch von Weitem. Ich musste lächeln. Markus hieß der Junge. Er sah größer als ich aus. Sein braunes Haar hing über seine Ohren und seine Locken schienen nicht zu bändigen zu sein.
"Er ist ein hübscher junger Mann.", lachte jemand. Ich erschrak.
"Frau Schuster.", ich kletterte von meinem Aussichtspunkt herunter, "Dass mich immer alle so erschrecken müssen, wenn ich auf dem Baum sitze."
Ich lächelte.
"Du solltest auch nicht jeden Baum als Aussichtsplattform benutzen, Liebes.", lachte Frau Schuster, "Das ist doch wirklich gefährlich."
Ich zuckte mit den Schulten, "Wenn der Ast nicht zu dünn ist, dann ist es auch nicht gefährlich."
"Das mag sein.", antwortete Frau Schuster, "Aber ich bin auch schon alt. Ich sehe das vielleicht ein bisschen zu verbissen. Ein anderes Thema: Willst du vielleicht mit rüber kommen. Ich wollte die Familie begrüßen gehen."
"Ja, ich möchte mitkommen.", zwinkerte ich und lief mit Frau Schuster zu den Neuen.

Kapitel 4:



What's my age again? (Lucy):



"Hello", begrüßte uns eine überfreundliche Frau. Sie sah ziemlich fröhlich aus, aber auch ein wenig müde.
"Hi.", lächelte ich und reichte ihr die Hand, "Ich bin Lucy und das ist Frau Schuster."
"Huch.", sie schien erstaunt zu sein, "Du kannst deutsch?"
Ich musste lachen, "Ja, ich komme aus Deutschland und Frau Schuster kann auch deutsch sprechen."
Die Frau nickte. "Wir wollten Sie nur willkommen heißen.", Frau Schuster reichte, "Mein Name ist Magarethe Schuster."
"Hallo, mein Name ist Elke Albrecht, wollen Sie reinkommen?"
"Gerne.", nickte Frau Schuster, "Das hier ist Lucy."
"Hi, Lucy.", lachte Frau Albrecht.
"Sie haben einen schönen Namen.", gab ich zu. Elke. Er erinnerte mich irgendwie an eine Frau aus dem Heim.
Ich musste unweigerlich daran denken, wie ich nach England kam.
"Komm doch mit rein, Lucy. Ich möchte dir meine beiden Kinder vorstellen.", Frau Albrecht lächelte mir zu.
"Klar.", nickte ich und betrat das Haus. Es stand voller Kisten und leerer Möbel. "Wir haben gerade alles reingetragen. Jetzt muss nur noch alles an den richtigen Ort und dann sind wir schon wieder fertig. Die Möbel sind alle neu.", Frau Albrecht führte uns in die Küche, "Ich hole Tammi und Markus mal her. Sie werden sich sicher freuen, dass es hier noch ein Mädchen in ihrem Alter gibt."
Ich schaute mich um. Alles schien nur noch darauf zu warten bewohnt zu werden. Die Küche war groß. Sie bot viel Platz für eine Familie.
"Schön hier.", Frau Schuster schien den Raum genauso zu inspizieren wie ich.
"Ja.", murmelte ich und fuhr mit der Hand über den Küchentisch, "Aber ich frage mich, wie man sein ganzen Leben hinter sich lassen kann und hier her zieht um ein neues Leben zu starten."
Frau Schuster zuckte mit den Schultern. Sie schien auch keine Antwort zu haben.

"Hey.", lachte Tammi. Markus schien nicht so froh darüber zu sein, dass er jetzt in England war.
"Hey, ich bin Lucy.", lächelte ich.
"Du kannst deutsch?", fragte Markus skeptisch.
"Ja, ich komme aus Deutschland.", antwortete ich ihm etwas gereizt, da mir seine schlechte Laune nicht gefallen wollte.
"Schön.", antwortete er. Ihm schien das alles egal zu sein.
Trottel, dachte ich und wandte mich an Tammi, "Wie gefällt es dir hier?"
"Gut, aber im Gegensatz zum Stadtleben ist es hier wahnsinnig ruhig."
Ich nickte, "Ja, aber du wirst die Stadt nicht vermissen, wenn du dich an das Klima hier gewöhnt hast. Hier sind alle unglaublich nett."
"Das glaube ich dir gerne. Bist du auch mit deiner Familie her gezogen?", fragte Tammi. Sie schien ein sehr aufgewecktes und neugieriges Mädchen zu sein.
"Allein.", murmelte ich und meine Miene wurde düsterer, "Ich habe keine Familie."
"Tut mir leid, dass ich gefragt habe.", Tammi schien sich zu schämen.
"Ach, kein Problem.", lachte ich, "Willst du vielleicht sehen, wo ich wohne? Dein Bruder kann auch mitkommen, wenn er das nicht mehr so griesgrämig ist."
Dabei lächelte ich Markus an. Er schien sich nicht sonderlich über meine Einladung zu freuen.
"Ich glaube seine Grisgrämigkeit kann keiner besiegen.", flüsterte Tammi, "Aber ich denke, du solltest wirklich mitkommen, Markus."

Man Overboard (Markus):



Langsam schlich ich hinter Lucy und Tammi her. Die beiden verstanden sich wirklich sehr gut. Ich wollte nicht dazwischen funken.
Lucy war hübsch.
Ihr braunes Haar schien nicht zu bändigen zu sein und ihre braunen Augen blickten ziemlich fröhlich in die Welt. Es war kalt und sie schien etwas zu frieren. Es war kein weiter Weg von unserem Haus zu der Hütte von Lucy.
"Und euer Opa hat sich das Haus ausgesucht?", fragte mich Lucy, welche sich nach hinten umdrehte.
"Ja.", antwortete ich knapp. Ich wollte mich mit niemanden unterhalten. Ich wollte wieder nach Deutschland. Schön und gut, dass Opa sich eine solche Mühe wegen uns gemacht hatte, aber unser altes Haus war eindeutig schöner... und moderner.
"Jetzt sei mal nicht so schlecht gelaunt.", rief Lucy und rannte zu ihrem Hüttchen, was wirklich kleiner war als gedacht.
"Wow.", murmelte Tammi, "Hier wohnst du?"
Lucy nickte, "Das ist alles was ich habe."
Ein Lachen verließ ihren Mund.
"Das ist ja echt nicht viel.", murmelte ich und ließ meine Hände in die Hosentaschen gleiten.
"Kommt mit rein.", Lucy schien glücklich zu sein, dass endlich mal jemand da war, mit dem sie reden konnte, "Ich habe Kekse, vom Bauern Mühlmann. Der ist echt nett. Naja, ich habe ja nicht so viel Geld, um mir ständig was zu essen zu kaufen."
Tammi schien begeistert von Lucy's Leben zu sein.
"Ich würde nicht damit klar kommen, so zu leben wie du.", hüstelte ich.
"Ach.", lächelte Lucy, "Man gewöhnt sich mit der Zeit dran. Aber das ihr jetzt hier seid, dass hat wirklich Vorteile. Jetzt habe ich endlich mal jemanden zum Reden und mit dem ich auch mal was unternehmen kann. Mit den ganzen alten Leuten hier kann man ja nicht so viel machen."
Ich nickte.
"Hier.", Lucy gab mir einen Keks.

"Markus, wie findest du es hier?", fragte Tammi und boxte mir in die Schulter.
"Ganz okay.", antwortete ich, "Ich dachte nicht, dass wir gleich jemanden finden, mit dem wir uns gut verstehen."
Ich zwinkerte Lucy zu. Sie lachte und biss in ihren Keks.
"Ich kann euch so viel zeigen. Hier gibt es so viel zu entdecken.", bemerkte Lucy und ich musste grinsen.
Es war das erste Mal seit langer Zeit, dass ich wieder grinste. Alle Last aus Deutschland schien von mir ab zu fallen. Mir ging es besser. Tammi schien das zu bemerkten und ziemlich froh darüber zu sein. Ich wusste gar nicht, wie sehr meine Familie es genervt haben muss, dass ich so schlecht drauf war.
"England ist für uns alle ein Neuanfang.", erzählte meine kleine Schwester und schaute sich dabei in Lucy's Hüttchen um.
"Das glaube ich.", entgegnete diese und schmunzelte.
"Vor allen Dingen für Markus.", wisperte Tammi und blickte mich dabei schief an. "Echt?", antwortete Lucy etwas verwirrt.
"Ja.", ich kratzte mich am Kopf, "Die letzten Monate in Deutschland waren nicht unbedingt die schönste Zeit für mich ... und meine Familie."
Es war mir peinlich mich vor Lucy zu offenbaren.
"Erzähl mir mehr.", stichelte sie und rückte näher zu mir.
"Naja.", verlegen schaute ich auf den Boden, "Wegen einem Mädchen."
Ich hustete.
"Ein Mädchen?", Lucy schien es ganz genau wissen zu wollen.
"Mensch.", warf sich Tammi ein, "Er wurde von einem Weib verlassen, was es nicht ernst mit ihm meinte. Dann hat er sich mit mir gestritten und meine Eltern haben ihm auch noch Stress gemacht."
"Ahh.", Lucy schien zu verstehen, "Naja, hier vergisst du das sicher alles ganz schnell."
Sie zwinkerte mir zu.
"Wahrscheinlich.", lachte ich.
"Hey Lucy, willst du nicht mit zu uns Abendbrot essen?", warf Tammi ein.
"Wenn das keinen Stress bereitet, gerne.", Lucy grinste.

Kapitel 5:



The Rock Show (Tammi):



"... und sie wohnt da ganz allein.", beendete ich meinen Satz und schaute in die Runde. Meine Mutter hatte einen erstaunten Blick aufgesetzt und fragte Lucy, "Ganz allein?"
"Ja.", man konnte ein Lächeln auf Lucys Gesicht erkennen und sie schien es auch nicht zu stören, dass meine Mutter so erschrocken war, "Ich komm gut allein klar und das schon seit ein paar Jahren."
Skeptisch nickte meine Mutter und lehnte ihr Kinn auf die Handflächen. Sie verstand einfach nicht, wie man in dem Alter allein für sich sorgen kann. Wahrscheinlich war es für sie auch unvorstellbar, allein mir so vielen alten Menschen in einem Dorf zu leben.
"Wenn du mal eine Unterkunft brauchst, eine Dusche, etwas zu Essen oder zu Trinken, dann komm einfach vorbei, Lucy. Ja?", meine Mutter saß nun kerzengerade und spießte mit der Gabel ein paar Nudeln auf. Das Angebot war echt wahnsinnig nett von meiner Mutter. Aber so war sie halt ... einfach hilfsbereit.
"Danke, Frau Albrecht, ich werde sicherlich auf Ihr Angebot zurück kommen.", lächelte Lucy höflich und konzentrierte sich auch wieder auf ihren vollen Teller. Markus beobachtete sie dabei interessiert. Sie schien der Schlüssel zu seinem weichen Kern zu sein. Er lächelte Lucy an, als sie glücklich zu ihm schaute und stocherte dann in seinen Nudeln rum, während er sie immer noch lächelnd beobachtete.
Trottel, dachte ich mir, er hätte ruhig mal früher auf die Idee kommen können, dass niemand was für seine Launen konnte.

"Und was wollt ihr drei jetzt noch machen?", fragte meine Mutter und ließ ihren Blick über Markus, Lucy und mich schweifen.
"Keine Ahnung.", murmelte ich nachdenkend, "Eigentlich wollte ich noch ein paar Kisten auspacken. Schließlich ist noch mein halbes Zimmer in Kisten und wenn ich es jetzt nicht mache, dann mach ich es später auch nicht."
Lucy lächelte mir zu, "Dann sehen wir drei uns einfach mo-"
"- mmhh ich muss keine Kisten auspacken, wir können noch etwas machen...natürlich nur wenn du Lust hast.", unterbrach mich Markus und lächelte Lucy zu.
"Gerne.", nickte Lucy und griff zu ihrem Glaß um etwas zu trinken. Meine Mutter lächelte und schien sich darüber zu freuen, dass Markus langsam wieder zu sich selbst fand. Was ging nur in diesem Moment in ihm vor? Immer noch lächelnd räumte er das dreckige Geschirr ab und stellte es in die Spüle.
"Das mache ich, wenn ich wieder da bin.", grinste Markus unsere Mutter an, welche freudig nickte. Diese lachte, "Das kannst du gerne machen."
Dann stand er auf und machte eine Kopfbewegung zur Tür. Lucy stand auf, schnappte sich ihre Jacke vom Kleiderständer und zog sich diese über.
"Danke für das leckere Essen, Frau Albrecht", zwinkerte sie meiner Mutter zu und diese nickte Lucy fröhlich zu. Dann verließ sie mit Markus unser Haus.
"Was für ein wunderbares Mädchen.", murmelte meine Mutter und ging zur Spüle, um für Markus das dreckige Geschirr zu spülen. Schließlich würde er es am Ende doch vergessen und nicht machen.

We didn't start the fire (Markus):



Tammis scharfen Blick hatte ich ignoriert, als ich mit Lucy das Haus verlassen hatte. Sie schien sich nicht darüber zu freuen, dass ich einen Draht zu Lucy knüpfen wollte. Vielleicht dachte sie, ich würde ihr eine Freundin wegnehmen oder so, aber ich fühlte mich aber das erste Mal wieder richtig glücklich.
"Was wollen wir machen?", fragte ich Lucy, weil ich ihr den Vortritt gewähren wollte.
"Ich habe ein Idee.", sie schien auch glücklich zu sein, "Folg mir einfach...unauffällig."
Sie lachte und ich musste schmunzeln. Ihr Lachen klang in meinen Ohren einfach wunderbar. Eigentlich war das ganze Mädchen für mich wunderbar. Vielleicht waren wir beide auf dem richtigen Weg. Doch ging es Lucy genau so wie mir, oder freute sie sich einfach nur, dass wieder Leben in das Dorf kam? Ich wusste es nicht.
"Wird das jetzt eine Entführung?", murmelte ich lächelnd, als Lucy meine Hand packte und mich durch den stockdunkelen Wald zog.
"Sowas in der Art.", raunte sie mir gespielt gefährlich zu und zwinkerte gelassen. "Du machst mir keine Angst.", lächelte ich und umschloss mit meinen Fingern ihre kleine Hand. Es fühlte ich gut an.
"Das solltest du aber lieber, Freundchen.", lachte sie, "Ich bin eine gefährliche Verbrecherin, das weist du nur noch nicht."
Dann lächelte sie und zog mich weiter durch den Wald mit den dichten Bäumen.

"Wow.", murmelte ich, als ich mit Lucy den Baum hochgeklettert war. Wir saßen auf einem dicken Ast, von welchem man auf keinen Fall runterfallen konnte. Ein wunderschöner Ausblick bat sich meinen Augen und ich drehte meinen Kopf zu Lucy, "Das ist ein toller Ort."
Sie lächelte verträumt, "Ich weiß, aber das ist nicht der einzige schöne Ort hier."

"Sicher?", ich ließ meinen Blick über die Landschaft streifen. Die relativ hohen Nadelbäume ragten über kleine Laubbäume und Sträucher. Der beleuchtete Weg des Waldes bildete einen Strich, welcher sich irgendwann in der Dunkelheit verlor. Der Mond stand hoch über dem Wald. Lucy ließ ihre Beine baumeln, während sie die Arme vor dem Körper verschränkte und fest an sich zog.
"Ist dir kalt?", fragte ich, während ich ihr Handeln beobachtete.
"Ein bisschen.", murmelte sie und schaute mir in die Augen. Ein Lächeln entfuhr mir, "Soll ich dir meine Jacke geben?"
Lucy drehte den Kopf auf dem Schultern, "Aber dann wird dir doch kalt?!"
Jetzt musste ich lachen, "Das ist weniger schlimm, als wenn du frierst."
Dann zog ich meine Jacke aus und legte sie Lucy um die Schultern.

To Be With You (Lucy):



Dankend blickte ich zu Markus, als er mir die Jacke um die Schultern legte. Es war wirklich kalt geworden in den letzten Stunden. Meine Knie zitterten und ich biss mir so fest auf die Zähne, dass es schon etwas weh tat, aber ich wollte nicht zittern, vor Markus war mir das peinlich, vorallem weil der Moment so schön war. Markus hatte seinen Arm, nachdem er mir seine Jacke über die Schultern gelegt hatte, nicht weggenommen.
Es tat gut, dass ich ihm nah war, aber irgendwie war ich verdammt nervös. Ich war noch nie wirklich einen Jungen richtig nah gewesen, schließlich war ich viel allein und seit ich im Dorf wohnte, war von männlichen Gestalten in meinem Alter gar nichts mehr zu sehen oder zu hören.
"Alles okay?", fragte Markus leicht besorgt.
Ich lächelte, "Ja."
Es war alles bestens. Ich konnte immer noch nicht glauben, dass jetzt endlich jemand in meinem Alter hier wohnte, dass ich innerhalb wenigen Stunden so tolle Freunde gefunden hatte und dass mich Markus anscheinend sehr gern mochte. Ich mochte ihn auch.

"Am Besten, wir gehen jetzt. Es ist schon spät und ich bin müde.", murmelte ich und gähnte zur Bekräftigung meiner Aussage. Markus lachte, "Ja, ich bringe dich noch zur Hütte, okay?"
Wie süß, dachte ich und nickte mit einem großen Grinsen im Gesicht. Wir kletterten beide vom Baum hinunter und Markus half mir auf den letzten Metern. Ich blickte ihn dankend an. Er legte mir den Arm um die Schulter, als wir losliefen. Ich fühlte mich neben ihm in diesen Wald total sicher. Sonst traute ich m ich schließlich nachts nicht durch diese Gegend. Dazu war sie eigentlich zu gefährlich. Schließlich gab es hier nicht nur Rehe und Hirsche. Nervös legte ich ihm meinen Arm um die Hüfte und sah in Markus' Gesicht ein selbstzufriedenes Grinsen.
"Hey.", spielte ich entrüstet, "Bilde dir da nichts drauf ein, du Eule."
Dann lachte ich und Markus grinste noch mehr, allerdings nicht mehr so selbstzufrieden.
"Okay, Miss.", er streichelte mir über die Schulter, "Dann nehme ich meinen Arm lieber weg."
Verwirrt schaute ich ihn an, "Nein!"
Er lachte. Sein Arm blieb da, wo er war.

Kapitel 6:

Closing Time (Markus):



Zum Abschied umarmte ich Lucy lange. Ich wollte sie gar nicht allein in ihrer Hütte lassen. Was war, wenn ihr was passierte? Sie wohnte zwar schon lange hier allein, aber was wäre wenn ausgerechnet jetzt irgendwas passierte? Das wäre grausam für mich.
"Ich muss jetzt rein und du musst nach Hause. Wir sehen uns morgen wieder, okay? Gleich nach dem Aufstehen komme ich bei euch vorbei.", Lucy schaute zu mir nach oben.
Sie strahlte.
Ich lächelte sie an und streichelte ihr die Wange, "Abgemacht."
Sie drückte mich noch einmal lange an sich und dann ließ sie mich los.
"Bis morgen.", sagte sie leise und ich nickte ihr zu. Sie drehte sich noch einmal kurz zu mir und grinste, dann verschwand sie in ihre dunkle Hütte. Ich blieb noch vor dem Hüttchen stehen, bis Lucy Licht gemacht hatte und dann machte ich mich allein auf den Heimweg.

Während ich nach Hause lief, dachte ich die ganze Zeit an Lucy. Sie war ein süßes Mädchen ... vielleicht auch einfach perfekt für mich. Ihr Lachen, ihr Grinsen und ihre Witze ... sie war einfach rund um zum Knuddeln.
Ich hatte schon lang nicht mehr so viel Spaß gehabt, wie in den letzten Stunden mit Lucy. Ich wusste nicht, was das für Gefühle waren, die ich empfand, wenn ich sie sah, doch ich wusste, dass Lucy mich einfach umhaute. Ich fand keine anderen Worte dafür. Ich hatte den dunkelen Wald schon fast passiert, da fing es an zu regnen.
Ich verdrehte die Augen.
Es war ein starker Regen und bis ich zu Hause war, würde ich total durchnäßt sein. Aber nicht mal der Regen ließ mein Lächeln verschwinden. Das einzige was mich wunderte war, dass es im Winter regnete. Ich dachte, dass es viel kälter war. Schulterzuckend lief ich schneller. Nicht, dass sich meine Mutter Sorgen machte, oder ähnliches. Sie sollte endlich davon überzeugt sein, dass ich wieder der alte Markus werden würde... vielleicht auch ein viel besserer Markus.
Ich war meiner Mutter viel zu lange eine Last gewesen. Das begriff ich jetzt und ich wollte es ändern, so gut es ging.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 01.05.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
An meinen Opa, welcher mich immer unterstützte. Ruhe in Frieden.

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