An die Anfänge der häuslichen Gewalt in meiner Familie habe ich keine Erinnerung. Ich weiß aber, dass es sie schon gegeben haben musste, als ich ein Baby war. Die Spuren davon sind noch an meinem Rückgrat sichtbar, sagen die Ärzte.
Meine Geschwister und ich wuchsen mit Prügel auf und hielten das für normal.
Was wir nicht für normal hielten, war die Tatsache, dass es uns an angemessener Kleidung und Schul-Material fehlte, während mein Vater Hunderte Flaschen Wein im Keller lagerte, um seine Freunde einladen zu können.
Meine ältere Schwester und ich rebellierten heftig gegen diese Zustände und heirateten überstürzt und viel zu früh, um aus dem Elternhaus herauszukommen. Natürlich musste das schiefgehen. Genauso schnell, wie wir geheiratet hatten, wurden wir auch wieder geschieden.
Schon meine erste Ehe scheiterte an häuslicher Gewalt.
Bei meiner zweiten Ehe lief es noch schlimmer. Nach dem gemeinsamen Umzug vom Rheinland ins Weserbergland, wo er Arbeit in einer Getränkefabrik gefunden hatte, zeigte mein Mann sein wahres Gesicht. Er vergewaltigte mich brutal, während er mir eine Messerklinge an die Brust hielt. Sein freches Grinsen nach der Tat habe ich immer noch vor Augen. Er hat sich auch nie dafür entschuldigt und freiwillig bin ich danach nicht mehr mit ihm ins Bett gegangen, sondern er musste mich immer erst überwältigen, weil ich mich heftig wehrte. Damals, in den 80er Jahren war Vergewaltigung in der Ehe noch straffrei.
Auch als ich schwanger wurde, hörten die Attacken nicht auf und im achten Schwangerschaftsmonat stieß er mich zu Boden. Daraufhin flüchtete ich ins Frauenhaus; wieder mal; es war schon der vierte Frauenhausaufenthalt innerhalb von zwei Jahren. Mein Sohn kam dort zur Welt und der Arzt, der mich entbunden hatte, erklärte meinem Mann, dass er sich nun verantwortungsvoll verhalten müsse. Er versprach es.
Nach einigen Monaten stellte sich heraus, dass mein Sohn meine Behinderung geerbt hatte. Er hatte die gleichen Bewegungsstörungen wie ich und lernte trotz wöchentlicher Krankengymnastik sehr spät laufen. Außerdem litt er an einem Grauen Star, der operiert wurde, aber das linke Auge blieb danach blind. Sein Stottern und Bettnässen führe ich auf die Gewaltexzesse meines Mannes zurück, der etwa alle sechs bis acht Wochen komplett ausrastete. Damals wusste ich noch nicht, dass mein Mann im Keller hochprozentigen Alkohol gelagert hatte und sich betrank, wenn er Probleme hatte. Danach kam er hoch ins Wohnzimmer und randalierte dort, indem er übelste Beschimpfungen ausstieß. Mein Sohn und ich verkrochen uns schon vor Angst, wenn wir draußen nur den Motor seines Autos hörten.
Mehrere Male war die Polizei bei uns, aber nach jedem Polizeieinsatz wurde es bei uns zuhause nur noch schlimmer.
Egal, wie oft ich ihn verließ; er fand mich immer, randalierte vor den Frauenhäusern, in denen ich Schutz gesucht hatte, oder stand vor meiner Wohnungstür, wenn ich umgezogen war.
Inzwischen war mein Sohn erwachsen geworden und wehrte sich gegen seinen Vater. Es folgten sehr hässliche Szenen zwischen Vater und Sohn. Am schlimmsten empfand ich die Szene, in der sich beide an die Gurgel gingen und beide rote Würgemale am Hals hatten. Ich war so dermaßen schockiert, dass ich nicht in der Lage war, die Polizei zu alarmieren. Die Polizei erfuhr erst später davon.
Während ich vor sieben Jahren endgültig den Absprung schaffte, indem die Polizei mich aus der Wohnung meines Ex-Mannes befreite und mein Ex-Mann keinen Kontakt mehr zu mir haben darf, ist mein Sohn wieder bei seinem Vater eingezogen.
Dass dies nicht gutgehen wird, liegt auf der Hand und ich befürchte das Schlimmste...
Tag der Veröffentlichung: 22.07.2023
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