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Rosa Sikh Hochzeit.

Mit der indischen Kultur kam ich zum ersten Mal in Berührung, als ich Anfang der 70er Jahre in London lebte. Ein indischer Freund von mir nahm mich damals bei sich auf, nachdem ich meinen Live-in Job verloren hatte; d.h. ich war obdachlos und ohne Job. Wir waren in unseren 20ern und unbekümmert, was die Zukunft anging, aber ich lernte schnell, dass mein Gastgeber nur dann unbekümmert war, wenn seine Eltern im fernen Indien nichts von sich hören ließen. Kam ein Brief aus Indien, gingen die Mundwinkel bei meinem Freund nach unten. Seine Eltern durften von mir nichts wissen. Sie erwarteten von ihrem Sohn, dass er eines der Mädchen heiratete, die in die engere Vorauswahl der Eltern geraten waren. Die Fotos der jungen Damen legten sie den Briefen nach England bei. Mohinder Singh (Name geändert) sollte sich eine von den Damen aussuchen und sein OK zur Verlobung geben. Die Hochzeit sollte dann innerhalb der nächsten Monate stattfinden.

 

Mohinder schaute sich die Fotos an und schrieb seinen Eltern, dass er erst seine Ausbildung abschließen wollte. Das Heiraten hätte noch Zeit. Allerdings wusste er auch, dass er sich am Ende den Wünschen seiner Eltern würde fügen müssen. Er machte mir keine Hoffnungen auf eine Partnerschaft mit ihm. Ich suchte mir also einen neuen Live-in Job und zog aus.

 

Ein paar Jahre später hielt ich die Einladung zu seiner Hochzeit in den Händen. Sie fand in einem Sikh-Tempel (Gurdwara) in Southall statt. Bis dahin war ich noch nie in einem Gurdwara gewesen; geschweige denn auf einer asiatischen Hochzeitsfeier und erst wollte ich auch gar nicht hingehen, aber meine Kollegin meinte, ich solle mir diese Gelegenheit nicht entgehen lassen. 

 

"Da wirst du unter Hunderten Gästen kaum auffallen", sagte sie. Sie beriet mich, was ich anziehen und welches Geschenk ich für das Hochzeitspaar kaufen sollte. Außerdem sollte ich einen Geldschein mitnehmen. Ja, 10 (britische Pfund) ginge; schließlich wäre ich keine Verwandte des Brautpaares. Ich dachte mir weiter nichts dabei und glaubte, die 10 Pfund wären ein Beitrag für´s Restaurant, in das wir nach der Zeremonie im Tempel eingeladen waren. 

 

An dem besagten Tag stand ich, herausgeputzt in meinem roten Dirndl-Kleid mit weißer Spitzenschürze, vor dem Eingang des Tempels. Es standen viele Menschen draußen herum, die auf ihre Kopfbedeckung warteten, die von den Angehörigen des Tempels an jene verteilt wurden, die keinen Turban oder Langschal trugen. Nachdem ich einen Langschal erhalten und um meinen Kopf geschlungen hatte, durfte ich eintreten. Bei den Frauen links im Tempel wurde mir ein Platz zugewiesen. Mein Geschenk an das Brautpaar hatte ich schon draußen abgegeben. Nun saß ich im Schneidersitz mit den anderen Frauen auf dem Teppichboden und harrte der Dinge, die da kommen sollten. Mein Blick ging nach vorne, wo fünf bärtige Männer mit weißen Gewändern und weißen Turbanen saßen. In der Mitte des blumengeschmückten Altars lag ein großes aufgeschlagenes Buch; der "Guru Granth Sahib" , das heilige Buch der Sikhs. Einer der Weißgwandeten wedelte ständig einen Feudel über dem Buch; die anderen begannen irgendwelche Verse zu rezitieren, die ich nicht verstand; begleitet von zwei Musizierenden. 

 

Vor dem Altar wartete der Bräutigam im rosa Outfit, nebst gleichfarbigem Turban auf seine Braut, die etwas später von ihrer Familie hereingeführt wurde und neben ihrem zukünftigen Mann im Schneidersitz auf dem Teppich Platz nahm. Ihren rosa-goldenem Schal hatte sie über ihr Gesicht gezogen und ihr Braut-Outfit hatte exakt den gleichen Farbton wie das des Bräutigams. 

 

Nun folgten vier Stunden Langweile im immer unbequemer werdenden Schneidersitz, von denen ich wünschte, es hätte sie nie gegeben. Am erlösenden Ende musste mir jemand auf die Beine helfen, denn ich kam alleine nicht mehr hoch. Jemand erklärte mir, dass das Brautpaar nun verheiratet war, nachdem sie beide vier Mal um den Altar mit dem großen Buch herummarschiert waren, wobei der Bräutigam die Braut im Schlepptau hatte.

 

Ja, wir hatten im Tempel etwas zu Essen bekommen,; ich weiß aber nicht mehr was es war. 

 

Nun ging es, ähnlich wie in einer Prozession, zum Ort der Feierlichkeiten. Es war eine eher klein (hahaha)gehaltene Hochzeit mit ca. 300 eingeladenen Personen. Das frisch vermählte Brautpaar vorne weg in einem schicken, weißen Mercedes, der mit Blumen und Bändern geschmückt war.

 

Im riesigen angemieteten und edel geschmückten Festsaal waren die ganzen Geschenke aufgebaut. Neben den Geschenken nahm das Brautpaar Platz und nun ging jeder einzelne von den Gästen zum Brautpaar hin, beglückwünschte die Beiden und heftete einen Geldschein an den Langschal der Braut. Diese bedankte sich artig und dann kam der nächste...

 

"Ach so" , dämmerte ich mir, "DAFÜR sollte ich den Schein einstecken."

 

Bis ich an der Reihe war, nach vorne zu gehen, unterhielt ich mich etwas mit den Damen an meinem Tisch, die neugierig fragten, woher ich das Brautpaar kennen würde. Ich sagte, dass Mohinder ein ehemaliger Arbeitskollege von mir sei. Wie Inder so sind, befragten sie mich dann auch noch ausgiebig über Familienstand, Arbeit, Gehalt und das Leben in Deutschland aus. Ich antworte brav. Dann wurde ich aufgerufen, um dem Brautpaar zu gratulieren. Ich stolperte nach vorne, sagte mein Sprüchlein auf und suchte verzweifelt nach einem Stückchen freien Stoff auf dem Langschal, um meinen Geldschein zu platzieren. Die Braut half mir schließlich, nahm den Geldschein mit beiden Händen entgegen und steckte ihn selbst an ihrem rosa Gewand fest. 

 

Während ich zu meinem Platz an der Festtafel zurückkehrte, versuchte ich zu überschlagen, wieviel Geld ich an der Braut gesehen hatte. Es müssen ein paar Tausend Pfund gewesen sein. Von den Gästen erfuhr ich, dass Mohinder von seinen Schwiegereltern eine komplett eingerichtete Wohnung und ein Auto erhalten hatte; als Mitgift sozusagen, obwohl dieser hinduistische Brauch bei Sikhs eigentlich nicht erlaubt war. 

 

Ich blieb noch zum Essen, das aus verschiedenen Curry-Gerichten, Desserts und exotischen Früchten bestand, von denen ich noch nie gehört; geschweige denn, gegessen hatte. Es war köstlich!

 

Nach dem Essen verabschiedete ich mich. Es waren zu viele neue Eindrücke, die da auf mich eingeprasselt waren. Müde, aber glücklich fuhr ich mit der U-Bahn nach Hause.

 

Meine eigene Hochzeit mit einem Sikh ein paar Jahre später war äußerst spartanisch. Schwarzes Outfit, Standesamt, Braustrauß in Gelb, Essen im Familienkreis; das war´s. - Halt, nicht ganz; es gab Zoff und Schlägerei zwischen meinem Brautigam und seinem Trauzeugen, weil der es gewagt hatte, mich zum Tanzen aufzufordern. 

 

Nach meiner eigenen Hochzeit merkte ich dann auch, dass Schlägereien am Ende des Tages zu einer indischen Hochzeit dazu gehören, wie die Braut zum Bräutigam. 

 

Mein Lieblings-Video handelt natürlich von einer Sikh-Hochzeit. Es ist dieses hier: Hier ist die Braut mit jemand Anderem verlobt worden, was sich ihr Liebhaber aber nicht gefallen lässt. Der Song dazu klingt auch für westliche Ohren annehmbar.

 

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Tag der Veröffentlichung: 29.11.2021

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