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Abwrack-Prämien.



Abwrack-Prämien. - (Erzählung)


Uschi befand sich auf dem Weg zum Wahllokal ihres Bezirks. Die Landtagswahl stand an. Uschi war froh, für ein halbes Stündchen ihrer Familie zu entkommen und nahm sich viel Zeit auf ihrem Weg. Während sie unterwegs gedanklich Revue passieren ließ, was ihr die letzten Wahlen an Verbesserung ihrer Lebensumstände gebracht hatten und was überhaupt der Sinn des Wählens war, wenn sich doch nichts änderte, klingelte es laut hinter ihrem Rollator. Ein junger Radfahrer wollte an ihr vorbei. Uschi hatte das hartnäckige Klingeln zwar registriert, aber nicht orten können, woher es kam. Pilz-Kolonnaden hatten sich an und in ihrem Körper festgesetzt und beeinträchtigten stark dessen Funktionen. Aus diesem Grund konnte sie auch nicht ausmachen, aus welcher Richtung der Radfahrer kam, der jetzt auf die Straße gewechselt, an ihr vorbeifuhr und ihr den Stinkefinger zeigte.

Uschi sah es und seufzte. Sie war es gewohnt, sich beleidigen zu lassen. Ihr Mann und ihre Söhne gingen kaum respektvoller mit ihr um und hielten sie für dumm. Letztens hatten sie sogar vermutet, dass sie den Unterschied zwischen Landeshauptstadt und Bundeshauptstadt nicht wüsste.

PAH!

Bevor sie zur Wahl aufgebrochen war, hatten sie ihr sogar gesagt, wo sie ihre Kreuze machen sollte.

Natürlich würde sie ihre Kreuze dahin machen, wo SIE wollte!

Sie ahnte, dass dies ihre letzte Wahl sein würde. Ihr Gesundheitszustand hatte sich seit einigen Monaten rapide verschlechtert. Jeder im Bekanntenkreis hatte es bemerkt; nur ihre Familie nicht.

Unterdessen war sie im Wahllokal angelangt, ließ sich den Wahlschein aushändigen und verschwand in einer Kabine.

Dort holte sie ihren Kugelschreiber raus und verschönerte erst mal die Profilfotos der Kandidaten.

Kandidat A bekam eine Faschingsmütze aufgemalt,

Kandidat B einen Katzenbart und lustige Hamsterbäckchen,

Kandidat C verunstaltete sie als Raub-Dinosaurier und

Kandidat D als Luftverpester, dem das Gas aus dem aufgemalten Allerwertesten entwich.

Das Ganze kommentierte sie mit zynischen Sprüchen und setzte ihre Unterschrift drunter.

Zum Schluss handelte sie das erste Mal in ihrem Leben mit Vorsatz bösartig.

Sie kratzte eine große Menge Pilzsporen von ihrer Haut ab und verteilte diese über den ganzen Wahlschein. Lange genug hatte sie unter diesen winzigen Schmarotzern gelitten, um zu wissen, dass diese aggessiven Dinger auch ungünstige Bedingungen überleben konnten, bis sie neue Wirte gefunden hatten.

Die Ärzte wussten wahrscheinlich, dass Mittelchen und Salben nicht wirklich dagegen halfen. Nach jeder Therapie veränderten sich diese Schmarotzer nämlich unbemerkt, um bei einer möglichen Schwächung des Körpers erneut zuzuschlagen. Dabei konnten sie sich so verändern, dass Krankheitssymptome oftmals falsch zugeordnet wurden und die wahren Verursacher erst entdeckt wurden, wenn alles zu spät war.

Uschi hatte ihr Werk vollendet, faltete ihren Wahlschein, steckte ihn in das vorgesehene Kuvert und ging damit zur Urne.

GESCHAFFT!

Von dem Aufruhr und den Aktivitäten der Lokalpolitker, die schließlich ihren Wahlschein entdeckt hatten bekam sie nichts mehr mit. Bevor es dazu kam, dass sie sich verantworten musste, hatte sie ihr Leben ausgehaucht. Ihr Mann hatte sie eines Morgens tot auf der Wohnzimmer-Couch vorgefunden.

Uschi´s Leiche war schon längst eingeäschert und vergessen, aber ihr Wahlschein sorgte immer noch für Unmut und Belustigung und ging durch unzählige Hände. Ein Fest für die Krankheitskeime, die Uschi vor ihrem Ableben mit Absicht auf dem Wahlschein verteilt hatte. Ihre Rechnung war aufgegangen. Die arrogante Politikerkaste verbreitete die Pilze weiter, ohne zu ahnen, wo sie sich die aggressiven Dinger eingefangen hatten.

Pilzkrankheiten holte man sich doch beim Barfußlaufen im Schwimmbad oder im Hotel! - Oder etwa nicht?

Genau so hatte die Pilzkrankheit vor Jahren bei Uschi angefangen.

Natürlich war sie damit zum Arzt gegangen, hatte Salbe verschrieben bekommen, die sie auch vorschriftsmäßig aufgetragen hatte. Dann waren die Pilze weg. So schien es jedenfalls. In Wirklichkeit aber waren nur die Krankheitssymtome weg gewesen. Die Pilze hatten sich den Angriff mit Medikamenten gemerkt und sich verändert. Nach einiger Zeit traten sie wieder auf. Das Spiel Arztbesuch - Behandlung ging von Neuem los.

Nachdem Uschi zum dritten und vierten Mal mit dem gleichen Problem in die Praxis gekommen war, hatte der Arzt sie auf´s Gröbste beleidigt, um seine Patientin endlich loszuwerden. An dieser Art Krankheit war er nicht interessiert, denn die Therapie war langwierig und der Verdienst mickrig. Nach dieser unschönen Erfahrung erwähnte Uschi die Pilzerkrankung nicht mehr und sie wurde auch von Folge-Ärzten nicht behandelt, obwohl sie das Problem erkennen mussten.

Die Folge: die Pilze eroberten sich mit der Zeit jeden Zentimeter ihres Körpers.

- Sie fühlte sich ständig müde und erschöpft,
- sie litt an unerklärlichen Schwindelattacken,
- sie litt an unerklärlichen Durchfällen,
- ihre Haut juckte unerträglich und im späten Krankheits-Stadium ließ sich die Haut problemlos in großen Schuppen und Streifen abziehen, während darunter nässende Flächen zum Vorschein kamen.

Uschi hatte gewusst, dass die Politiker über weitaus bessere medizinische Versorgung verfügten als sie selbst, aber sie wusste auch, wie aggressiv die neueste Mutation gewesen war. Sie vermutete, dass es noch keine wirksamen Medikamente dagegen gab.

Uschi sollte Recht behalten.

In Windeseile hatten es die Pilze bis nach Berlin geschafft und sorgten nun mit ihren Symptomen für Krankheitsbilder, die sich nicht eindeutig identifizieren ließen. Erschwerend kam noch hinzu, dass es sich bei Pilzkrankheiten um ein absolutes Tabu-Thema handelte. Man hatte sie, aber redete nicht darüber. Und weil man nicht darüber redete, gab man sie weiter und hoffte, es würde nicht weiter auffallen. Schon bald waren viele Mitglieder des Bundestages infiziert.

Nach einiger Zeit trat im Bundestag das große Gähnen auf.

Die infizierten Abgeordneten fühlten sich ständig müde. So mancher schlief während der Debatten ein.

Die krankheitsbedingten Ausfälle häuften sich und nachdem es einen Fall von plötzlichem, heftigem Drehschwindel am Rednerpult gegeben hatte, wurde der Gesundheitszustand der Abgeordneten öffentlich diskutiert und die Frage gestellt, ob es nicht besser wäre, den gesamten Bundestag zu verjüngern.

Erzwingen konnte man allerdings nichts und älteren Abgeordneten wollten nichts von ihrem Einfluss und ihren Privilegien abgeben.

Man schottete sich nach Außen hin ab und gab nur noch knappe Pressemitteilungen heraus.

Die Bevölkerung nahm es hin. Sie hatte genug damit zu tun, ihren Lebensstandard auf dem aktuellen Stand zu halten, während die Preise schneller stiegen als die Löhne und Gehälter.

Eine ganze Zeit lang konnten sich die Alten noch an der Macht halten.

Erst als dringende Beschlüsse gefasst werden mussten und die gesamte Riege der erfahrenen Abgeordneten durch Abwesenheit glänzte, wurde deutlich, dass es so nicht weitergehen konnte.

Es wurde beschlossen, dass sich alle Mitglieder des Bundestages einer gründlichen, ärztlichen Untersuchung zu unterziehen hatten und die Dienst-Untauglichen umgehend in den Ruhestand versetzt wurden.

Durch diese Sofort-Maßnahme wurde die Regierung vorübergehend handlungsunfähig, was sich darin ausdrückte, dass Polizei und Armee in erhöhter Alarmbereitschaft befanden und jedes Vergehen des Bürgers mit überzogener Härte bestraft wurde.

Hinter verschlossenen Türen entbrannte ein bitterer Kampf um die Macht. Nun zeigte sich, wer seine Hausaufgaben selbst gemacht und wer abgekupfert hatte. Die Pseudo-Intelligenten verschwanden nach und nach alle von der Bildfläche. Am Ende blieben nur eine Handvoll kluger Köpfe übrig, die das Schicksal des ganzen Landes bestimmten.

Für eine Demokratie reichte es jedoch nicht mehr.


Der Ammolith-Anhänger.


Der Ammolith-Anhänger. - (Kurzgeschichte)

In ihrer Post lag ein Katalog mit der neuesten Schmuck-Kollektion.

Lisbeth freute sich darüber, obwohl sie schon seit langem keinen Schmuck mehr trug. Sie fand, das passte nicht mehr zu einer faltigen, grauhaarigen Frau Anfang 60. Aber die Liebe zu schönen Steinen, die sie schon seit ihrer Kindheit hatte, war geblieben.

Sie kannte fast alle Steine von Achat bis Zirkon und hatte auch immer noch eine umfangreiche Kollektion an Steinschmuck, die sie über viele Jahre hinweg bei Ebay für jeweils 1 Euro plus Portokosten ersteigert hatte.

Teuren Schmuck dagegen konnte sie sich nicht leisten, aber das Durchblättern des neuen Katalogs machte ihr Spaß und angesichts der wunderschönen Schmuckstücke aus Saphiren, Smaragden, Rubinen, Amethysten, Jade, Opalen und vielen anderen bunten Edelsteinen schlug ihr Herz höher.

Die Seiten mit den Diamanten überschlug sie schnell, denn diese Steine mochte sie nicht. Sie glaubte felsenfest daran, dass Diamanten Unglück brachten. Insbesondere die schwarzen Steine verursachten ihr Unbehagen.

Lisbeth hatte den Katalog schon fast durchgeblättert, da fiel ihr ein Anhänger mit einem ganz ungewöhnlichen Stein auf, den sie noch nie gesehen hatte und der in allen Farben schimmerte, ähnlich wie ein Moodstone.

Es war aber ein Ammolith aus Kanada, rund 60 Millionen Jahre alt und dem entsprechend teuer.

Der Ammolith aus dem Katalog lachte Lisbeth an. Ein Preis stand auch dabei. Rund 300 Euro sollte er kosten und damit unerreichbar für Lisbeth, die nur eine Mini-Rente bezog und alleine lebte.

Frustiert schlug sie den Katalog zu und schob ihn weit von sich.

Aber der Stein hatte sich in ihrem Kopf festgesetzt und der Gedanke, ihn zu besitzen, ließ ihr keine Ruhe mehr.

Nachts träumte sie wirre Träume von der Zauberkraft des Ammolithen auf ihre Sexualität.

Am anderen Morgen meldete sie sich kurzerhand auf einer Seitensprung-Seite an und füllte ihr Profil aus. Sie suchte einen Mann, der gewillt war, ihr den Stein zu kaufen. Dafür würde sie eine Nacht lang mit ihm verbringen.

Auf Antwort musste sie nicht lange warten. Lisbeth war erstaunt, wie viele Herren sich meldeten. Es waren auch erheblich jüngere dabei. Allerdings waren auch viele darunter, die nur eine kostenlose, heiße Nacht mit einer erfahrenen Frau suchten.

Kostenlosen Sex zu gewähren, wäre Lisbeth jedoch nie im Leben eingefallen. Sie bestand auf ihrem Schmuckstück als Preis für eine Nacht im Hotel. Der Mann, dem sie diese Nacht gewährte, sollte es kaufen und es ihr beim Treffen übergeben.

Nur einer der Herren war bereit zu diesem Deal. Er kaufte den Anhänger mit dem seltenen Stein und schickte Lisbeth ein Foto davon auf´s Handy.

Lisbeth lächelte, zog sich ein eng anliegendes Kleid aus einem seidenweichen Stoff an, das ihre gute Figur vorteilhaft zur Geltung brachte und stöckelte auf hohen Absätzen zum vereinbarten Treffpunkt im Hotel. Die schicke Reizwäsche, die sie unter ihrem Kleid trug, würde ihr Freier erst nach Übergabe des Schmuckstücks auspacken dürfen.....

Der Ausverkauf.


Der Ausverkauf. - (Kurzgeschichte)

Es war an einem Sommertag, der so schön war wie der heutige, als der liebe Gott auf der Erde wandelte und sich umsah.

Wie hatte sich die Welt doch seit seinem letzten Erscheinen vor ein paar tausend Jahren verändert!

Tief geschockt sah er den Hass, die Brutalität und die täglichen Kämpfe im Nahen Osten.
Kopfschüttelnd betrachtete er den Zerfall in Europa, die Machtbesessenheit Amerikas, die menschenverachtenden Lebensverhältnisse in Asien und beschloss, dass es höchste Zeit war, einzugreifen.

Nein, diesmal würde er keine Sintflut schicken! Er hatte eine andere Idee.

Ein Paradies würde er schaffen, auf einem fernen Planeten, der jetzt noch öde und unbewohnt war.

Nein, nicht von jedem Lebewesen auf der Erde würde er Exemplare mitnehmen, sondern nur von jenen Lebewesen, die sich bewährt hatten und seine Gesetze befolgt hatten.

Bäume, Sträucher, Blumen, Gräser, Kräuter, Insekten. Vögel und andere Tiere, die den Menschen unnütz erschienen und die sich trotzdem behauptet hatten, würde er den Menschen abkaufen und nach Gewicht bezahlen.

So kosteten die Bäume das meiste, weil sie am meisten wogen, der hässlichste Esel war mehr wert als der schönste und reichste Mensch, eben weil er mehr Gewicht hatte und deshalb teurer war, während Kräuter und Insekten billig zu haben waren. Von jedem Kontinent kaufte er, was ihm sinnvoll erschien, nahm alles mit auf den fernen Planeten und erschuf ein neues Paradies.

Aber - oh je, - es dauerte nicht lange, bis das schöne Paradies komplett zugewachsen war und einem Urwald glich. Es musste jemand her, der Ordnung schuf.

Der Mensch.

Der Mensch?

Hatten Menschen nicht schon auf der Erde fast alles zerstört?

Ja, das hatten sie!

Aber gab es nicht auch Menschen, die erkannt hatten, was wichtig war und die Umwelt schützten?

Von diesen Menschen musste er welche kaufen.

Der liebe Gott ging auf die Erde zurück und suchte nach Menschen, die in seinem Paradies Ordnung schufen.

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Christine Singh
Tag der Veröffentlichung: 27.12.2012
ISBN: 978-3-7309-0437-4

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