Der Regen schlug hart gegen die Windschutzscheiben ihres Audis. Andrea Kiewitz stellte die Scheibenwischer an und suchte im Radio nach HR3. Hoffentlich gibt es nicht noch einen Stau unterwegs, dachte sie gähnend. Ihr letzter Fall hatte sie viele schlaflose Nächte gekostet und sie wollte nur noch nach Hause in ihr Bett. Sie brauchte noch ungefähr eine halbe Stunde bis nach Wiesbaden. Kurz schaute sie in den Spiegel ihrer Sonnenblende. Gütiger Gott, dachte sie erschrocken und wischte sich die strähnigen blonden Haare aus der Stirn. Wie sah sie bloß aus? Die Müdigkeit hatte ihr tiefe Ränder unter die Augen gemalt und ließ sie gestresst und müde erscheinen. Aber das war sie im Grunde ja auch. Andrea seufzte. Sie brauchte Urlaub. Unbedingt! Der warme Sommer Regen ließ so schnell nach, wie er gekommen war, und Andrea überlegte, ob sie noch kurz bei Achmeds Döner Laden vorbeifahren sollte, als sie nun lautes Magen Knurren vernahm. Im Geiste hörte sie ihre Mutter schon besorgt darüber, dass sie viel zu unregelmäßig und ungesund essen würde. Aber sie war nun mal nicht die Frau, die Stunden am Herd verbrachte, war der Döner Laden doch so nah. Die nächste Ausfahrt musste sie raus,wenn sie noch in Wallau Halt machen wollte. Sie konnte sich auch direkt in Wiesbaden einen Döner holen, doch Achmed machte einfach die Besten! Auf der A66 herrschte reger Verkehr und irgend so ein Vollidiot hinter hier, machte Anstalten sie zu überholen. Wobei sie nun wirklich nicht gerade langsam fuhr. Der BMW Fahrer hupte kurz als er an ihr vorbei fuhr und frivol seine Zunge über seine Lippen fahren ließ. Andrea grinste ihn süffisant an und streckte ihm den Mittelfinger entgegen. Idiot! Kaum hatte sie das Wort zu Ende gedacht, bremste der BMW abrupt, schleuderte, verlor die Kontrolle und knallte mit aller Wucht gegen die Leitplanken. Andrea umklammerte erschrocken ihr Lenkrad, als sie nun ebenfalls hart auf die Bremse trat. Gott sei Dank waren die folgenden Autos weit genug hinter ihr, sodass es zu keiner Massen Karambolage kam. Halb hing sie über ihrem Lenkrad und dachte, sie träume, als sie nun langsam den Kopf hob und sah, weswegen der Mann im BMW so abrupt gebremst hatte. Mitten auf der Autobahn stand ein Mädchen. Ein nacktes, verdrecktes Mädchen! Was zur Hölle...? Andrea griff panisch zu ihrem Handy und wählte die ihr so gut bekannte Nummer. Es waren Sekunden, doch es kam ihr wie Minuten vor, bis am anderen Ende abgehoben wurde. „Mark“,sprach sie wie traumatisiert,“ schicke bitte einen Krankenwagen, kurz vor der Ausfahrt nach Wallau, ein Unfall Opfer. Und ein nacktes Kind auf der Straße!“ „Ein was??“kam es ungläubig zurück. Andrea öffnete die Autotür. „Frag nicht Mark. Kommt einfach, schnell!“ An der Haltung des Kopfes des BMW Fahrers, sah Andrea, dass hier jede Hilfe zu spät kam, und so ging sie direkt auf das ungewöhnliche Mädchen zu, das immer noch unbeweglich mitten auf der Fahrbahn stand. Ungewöhnlich war auch ihr starrer Gesichtsausdruck, ohne jegliche Regung, nichts an ihrem kleinen Körper schien zu leben. Andrea rannte nun fast auf das etwa zwölfjährige Mädchen zu, von dem sie nur denken konnte, dass es wohl unter Schock stand. Irgendwie erinnerte sie die Kleine an Anne von Green Gable, diese Serie, die sie als Kind so gerne geschaut hatte. Das aparte Gesicht mit den vielen Sommersprossen darauf, sowie auch das auffallende dicke, rote und lange Haar. Welches aber bei genaueren hinsehen, genauso verdreckt war, wie das Kind selber. Auch als Andrea nun direkt vor dem Kind stand und sich zu ihm herunter beugte, kam keine Reaktion. "Hallo Kleine," sprach Andrea sie nun an," ich bin Andrea Kiewitz. Wie kommst du hier her? Und warum bist du nackt? Geht es dir gut?" Nichts! Kein Blick Kontakt, absolut keine Regung bei dem Kind! Das gibt es doch gar nicht,dachte Andrea und griff zu dem verschmutzten Arm des Kindes. Sie musste sie zumindest von der Straße runter bringen. Doch als sie bemerkte, dass das Mädchen ihrer Aufforderung mitzukommen nicht befolgte, hob sie das zarte Häufchen Elend einfach hoch und trug sie an den Seiten Streifen. Es wehrte sich auch hier nicht und hing steif in Andreas Arm. Als Andrea sie absetzte, stellte sie fest, dass die rechte Hand des Kindes fest zur Faust geschlossen war. Seltsam! Sie ergriff die Hand des Kindes und versuchte leicht die Faust zu öffnen:"Was hältst du da so krampfhaft fest?" fragte sie die Kleine, doch das hätte sie lieber lassen sollen! Total unerwartet öffnete das Mädchen im selben Moment ihren Mund zu einem bis ins Mark erschütterten, monotonen Schrei, ohne auch nur eine Mine dabei zu verziehen. Sogar während dem Schrei, der Andrea an eine Szene aus einem Horror Film erinnerte, blickten ihre Augen starr geradeaus. Erschrocken ließ Andrea die Hand des Mädchen los, und sofort setzte wieder Stille ein. Seltsam, dachte sie und war froh, als sie nun von Weitem das Martinshorn des Krankenwagens vernahm.
Während die Sanitäter zum Unfallwagen liefen, parkte Mark direkt am Seitenstreifen, wo Andrea schützend das nackte Kind umschlungen hatte und Mark zurief, dass er eine Decke aus dem Krankenwagen holen sollte. Verstört schaute Mark auf das ungewöhnliche Bild, das Andrea und dieses nackte, verschmutzte Kind abgaben. Mark Wiegand, neununddreißig Jahre alt, Kriminalkommissar ,wischte sich die dunklen Haare aus der Stirn, als er mit zügigen Schritten auf den Krankenwagen zuging. Die Türen des Wagens standen offen und seine grüngrauen Augen suchten nach einer Decke. Der Tote wird keine mehr brauchen,dachte er , als er hastig zu der Decke griff, die auf der Trage lag. Andrea sah auch schon mal besser aus, stellte er dann fest, als er vor dieser stand, und dachte an ihre kurze Affaire vor drei Jahren, die an Andreas Gefühlskälte schnell wieder starb. Er hatte sie wirklich geliebt. Aber jetzt ist absolut keine Zeit für solchen Gedanken, dachte er und beeilte sich, das Mädchen in die Decke zu packen. Es war zwar warm an diesem Tag im Juli, aber zumindest die Würde des Kindes sollte bewahrt, und ihre Nacktheit verdeckt werden.
Er schaute zu Andrea:“ Hast du irgend etwas aus ihr heraus bekommen, Drea?“ Andrea schüttelte den Kopf: „Nein Mark, kein Wort. Ich kann mir das alles nicht erklären. Wie kommt ein nacktes Kind mitten auf die Autobahn?“ Mark sah nun auch die geballte Faust des Mädchens und machte Anstalten, diese zu öffnen. Erschrocken zuckte er zurück als Andrea unerwartet seinen Arm von dem Mädchen fortriss. „Bloß nicht , Mark! Sie rastet vollkommen aus, wenn man auch nur versucht ihre Faust zu öffnen!“ „Seltsam,“ meinte Mark und winkte einen der Sanitäter zu sich. „Klaus, ruft bitte einen Leichenwagen für den verstorbenen Autofahrer und bringt die Kleine in die Uniklinik. Ich möchte dass sie von Kopf bis Fuß untersucht wird! Äußerlich scheint sie jedoch unverletzt zu sein. Ich komme mit Andrea nach und wir werden auch einen Kinder Psychologen hinzuziehen. Aber erst mal muss das Kind von den ganzen Gaffern weg gebracht werden." Wütend schaute er zu den immer mehr werdenden Autofahrern, die nichts besseres zu tun hatten, als diese Situation mit dem Handy aufzunehmen, um sie später stolz auf ihren Social Media Plattformen zu präsentieren, gierig nach Likes für ihr Ego. Mark ekelte so etwas regelrecht an. Wütend vertrieb er die Menge und forderte sie auf weiterzufahren. Dann griff er zu seinem Handy und rief auf der Wache an. „Hans, Mark hier. Sei doch bitte so gut und suche mir die Vermisstenmeldungen durch. Etwa zwölfjähriges, zartes Mädchen, lange rote Haare, Sommersprossen.“ Hans versprach sofort anzurufen wenn er was gefunden hatte und Mark sprach zu Andrea:“ Komm, lass uns fahren,oder hast du was wichtiges vor?“ Andrea verabschiedete sich von dem Gedanken an Döner, Couch und Fernseher und winkte müde ab:“ Nein, nichts was nicht warten kann. Fahren wir.“ Sie schauten noch, ob im Krankenwagen alles in Ordnung und das Kind ruhig war, dann ging jeder zu seinem Auto und sie fuhren los Richtung Uni Klinik.
Nachdenklich schaute Andrea auf das Heck von Marks Dienstwagen vor ihr. Verdammt, es tat noch immer weh! Und doch hatte sie sich damals nicht anders entscheiden können. Ihre Gedanken gingen nun aber zurück zu diesem Mädchen. Irgendjemand müsste dieses Kind ja vermissen und sie war gespannt auf Klaus' Recherche bezüglich der Vermisstenmeldungen.
Auch würde es sie interessieren, ob hier ein sexueller Missbrauch vorlag. Aber das würden die Ärzte ja raus finden, wenn dem so sei. Nach zwanzig Minuten erreichte sie die Uniklinik und verlor Mark bei der Parkplatzsuche aus den Augen. Kurz darauf sah sie ihn jedoch im Foyer des Krankenhauses wieder, wo er telefonierend an einen Pfeiler gelehnt stand , Andrea erblickte und zu sich winkte. Er steckte seufzend sein Handy in die Hosentaschen. „Das wird immer seltsamer,“ wandte er sich nun Andrea zu,“ es liegt keine Vermisstenanzeige vor, die auch nur annähernd auf das Mädchen passen könnte!“ Andrea sah ihn erstaunt an: „Das gibt es doch gar nicht! Irgendjemand muss dieses Kind doch vermissen!“ Mark zuckte mit den Schultern. „Sollte man meinen, ja, aber lasse uns erst mal abwarten, was die Ärzte feststellen werden. Dr.Römer wird sich bei uns melden wenn er mit den Untersuchungen fertig ist. Bezüglich der geschlossenen Faust habe ich ihn vorgewarnt.“ Er legte Andrea nun einen Arm um die Schultern und zog sie mit sich. „Komm, lasse und erst mal einen Kaffee trinken und was zu essen könnte dir auch nicht schaden.“ meinte er lächelnd, als er Andreas lautes Magen Knurren vernahm. Andrea stimmte zu, im Moment konnten sie sowieso nicht viel Anderes tun, als zu warten.
Dr. Römer betrat das Untersuchungszimmer, in dem Schwester Carola schon auf ihn wartete. Ihr war nicht wohl, so alleine mit diesem sonderbaren Mädchen, welches stocksteif auf der Untersuchung Liege saß. Noch nicht mal, als Carola diesen kleinen Körper von seinem Schmutz befreite, gab die Kleine irgend einen Laut von sich. Starr blickte sie auch jetzt geradeaus, als Dr. Simon zu ihr hin trat. Mitleidig sprach er sie an: „Na, meine Kleine, was ist dir denn passiert?“ „Sie spricht nicht, Doc.“ kam die Antwort von Schwester Carola. „ Und sucht auch keinen Augenkontakt.“ Michael Römer ging um die Liege herum , äußerlich ließ sich an der Kleinen nichts feststellen. Noch nicht mal einen blauen Fleck! Nachdem der gröbste Schmutz entfernt war, wurde sichtbar, wie sonderbar doch die Haut dieses Kindes war. Weiß, glatt, fast wie aus Porzellan. So sah kein Kind aus, das in asozialen familiären Verhältnissen lebte. Es war, als säße hier eine kleine Prinzessin, der man einfach einen Eimer Gülle über geschüttet hatte. Die Fingernägel waren gepflegt, wenn auch momentan schmutzig. Dasselbe mit ihrem prachtvollen Haar. Noch nicht mal Ohrenschmalz konnte er entdecken. Sonderbar, dachte er und zog dem Kind eine Manschette über den Arm um ihm eine Blutprobe zu entnehmen. Das Mädchen zuckte noch nicht einmal beim Einstich zusammen. „War der Gynäkologe schon da?“ fragte er die Schwester. Carola nickte: „Ja Doc, negativ.“ Der Arzt reichte ihr nun die Blutröhrchen. „Sagen sie denen unten bitte Bescheid, dass sie diese Probe bitte vorziehen sollen und mir dann gleich Bescheid geben, sollten sie etwas außergewöhnliches feststellen. Carola nickte und verließ das Untersuchungszimmer. Doktor Römer starrte hilflos auf das Kind. Er konnte sich hier nur einen Schock vorstellen. Aber dass das Mädchen null Augenkontakt suchte, deutete auch auf eine Art Autismus hin. Er griff zum Telefon und wählte eine Nummer. „Römer hier, ist unsere Kinder Psychologin im Haus?“ Die Stimme am anderen Ende der Leitung bejahte. „Ich brauche sie hier dringend, schicken sie sie mir bitte hoch.“ Der hagere,große Arzt ging nun wieder zur Liege, wo das Mädchen noch genauso unbeweglich saß, wie in dem Moment , als er das Zimmer betreten hatte. Die Hand fest zur Faust geballt. Die Neugierde darüber, was es wohl war, das dieses Mädchen auf keinen Fall hergeben wollte, war größer als die Sorge, dass das Kind das ganze Krankenhaus zusammenschreien würde. Und doch erschrak er fürchterlich vor diesem Ton, der immer lauter und höher wurde, sowie seine Hand, die Hand des Mädchens ergriff. Das Kind schrie fürchterlich und Römer legte sich mit Schmerz verzehrtem Gesicht seine Hände auf die Ohren. Doch dann sah er entsetzt das Blut daran. Langsam lief im nun das Blut aus Ohren, Augen und Nase. Er krümmte sich vor Schmerzen und schrie: „Aufhören, verdammt höre auf damit!“ Hinter ihm platzen einige Glasröhrchen und die Scheibe flog aus dem Medikamenten Schrank. Der Ton der aus diesem starr vor sich hin blickenden Mädchen kam, war kaum auszuhalten und Römer sprang schnell zur Seite, als die Scheibe nun auf den Boden krachte und in tausend Teile zersprang. Irgendwie geht das nicht mit rechten Dingen zu, dachte Römer, als der Schrei abrupt in dem Moment verstummte, indem sich die Zimmer Tür öffnete und Sarah Lehmann entsetzt auf das Chaos, sowie den blutenden Arzt starrte: „Was um Gottes Willen ist denn hier los?“fragte sie verstört. „Ich weiß es nicht,“ kam es leise von Römer, der sich stöhnend auf einen Stuhl fallen ließ. „Ich wollte schauen was sie mit der Faust umschlossen hält und da fing sie an einen monotonen, hohen Ton auszustoßen, der meine Äderchen platzen, und das Glas zerspringen ließ.“ Sarah Lehmann, Kinder Psychologin in der Uni Klinik sah ihn ungläubig an und deutete auf das Mädchen das reglos auf der Liege saß. „Dieses kleine zarte Kind?“ Römer nickte und wischte sich das Blut von der Nase. Dann erklärte er ihr, warum er sie hat kommen lassen. „Bitte finden sie heraus warum das Kind schweigt und auch keinen Augen Kontakt sucht. Vielleicht haben wir es ja mit einem autistischen Kind zu tun. Verletzt oder missbraucht wurde sie nicht.Vielleicht hat sie aber etwas gesehen, was in ihr ein Trauma ausgelöst hat.“ „Verstehe,“nickte Sarah und beugte sich zu dem Mädchen hinunter. Zart strich sie ihr über ihr volles , lockiges rotes Haar. „Na, mein Kind, magst du mir nicht sagen, was du da in deiner Hand versteckst? Hast du irgendwas gesehen, worüber du mit mir reden magst?“ Nichts. Auch bei ihr keine Regung. Das Kind schaute regelrecht durch sie hindurch. Sarah sah zu dem noch immer geschockten Arzt hinüber.
„Hat sie auch nicht nach etwas zu trinken gefragt? Oder Nahrung? Wurde ihr was angeboten?“ Römer verneinte, worauf Sarah zum Wasserspender lief und einen Becher halb einfüllte. Sie ging zu der Kleinen, legte einen Arm um deren Schulter und führte sacht den Becher an die trockenen Lippen des Mädchen. Diese blickte starr geradeaus, öffnete aber unverhofft die Lippen und trank gierig von dem Wasser. Sarah lächelte. Das Kind musste halb verdurstet gewesen sein! Der Doktor schaute erstaunt zu hier hinüber. „Sie trinkt!“ sagte er ungläubig. Er erhob sich nun von seinem Stuhl. „Bringen wir sie auf die Kinderstation. Sie kümmern sich bitte täglich um sie und versuchen sie zum sprechen zu bringen. Ich spreche kurz mit dem Kommissar um zu sehen ob und was für Anweisungen noch von dieser Stelle kommen. Diese Kind ist und bleibt ein Rätsel. Sarah schob den Rollstuhl an die Liege. „Ich bringe sie hoch. Und sorge auch dafür , dass sie was zu essen bekommt. Ich denke, wenn sie trinkt, wird sie auch essen.“ Dann fiel ihr was ein. „Haben sie schon mal daran gedacht, dass sie vielleicht unsere Sprache nicht verstehen könnte? Sie könnte Irin sein.“ Römer nickte. „Ja, aber auch auf englisch hat sie nicht reagiert.“
Mark umklammerte mit beiden Händen seine Kaffee Tasse. Andrea so nah neben sich zu haben, machte ihn immer noch nervös. Hastig verschlang diese, halb ausgehungert, ihre Wiener Würstchen. „ Gott, habe ich ein Hunger,“ grinste sie Mark leicht verschämt an, als sie merkte, dass er sie amüsiert beobachtete. Mark stellte die Tasse zurück auf den Unterteller und lächelte sie an. „ Ja Drea, das ist nicht zu übersehen. Was hat dich denn so vom Essen abgehalten? Immer noch die Sache mit dem Bänker?“ Andrea nickte kauend. „Japp, und wie ich mir gedacht hatte, hatte der Sohn sein Hände mit im Spiel. Der eigene Sohn, Mark!“ Andrea griff zur ihrer Serviette und fuhr sich über ihren wohl geschwungenen Mund. „Ja, da steckst du nicht drin, Drea, ich habe da schon genug erlebt.“ seufze Mark und griff, für sie völlig unerwartet, nach ihrer Hand. „Du fehlst mir, weißt du das?“ Andrea zuckte zurück. „Mark, darüber haben wir doch schon oft genug gesprochen! Ich möchte und kann mich nicht binden.“ Mark ließ ihre Hand los und schaute traurig in Andreas große blaue Augen. „Du hast mir aber nie einen standfesten Grund gesagt , Drea.“ Andrea rutschte nervös auf ihrem Stuhl herum. Warum musste er immer wieder damit anfangen? Es fiel ihr doch alles schon schwer genug. Flehend sah sie ihn an. „Bitte Mark, versuche es einfach zu akzeptieren. Mark senkte die Augen. „Niemals,“ flüsterte er so leise, dass sie ihn kaum verstand,“nicht, so lange ich dich noch liebe!“ Gott sei Dank trat nun Doktor Römer an ihren Tisch, und unterbrach das ,für Andrea so unangenehme Gespräch mit Mark. Römer zog sich einen Stuhl an den Tisch und ließ sich hart darauf fallen. Mark sah ihn fragen an. „Was haben sie uns zu berichten Doktor? Hat die Kleine gesprochen?“ Römer saß immer noch der Schock im Gesicht und er sprach mit ernster Miene:„Lassen sie uns kurz hinaus gehen, Herr Kommissar, ich brauche dringend eine Zigarette!“ Andrea und Mark sahen sich verdutzt an, folgten aber Römers Aufforderung. Vor der Klinik Tür griff Römer nach seinem Päckchen Marlboro, zückte ein Feuerzeug aus seiner Hosentasche und zündete sich, mit noch immer zittrigen Fingern, eine Zigarette an. Tief zog er den Rauch in seine Lunge und sah dann zu Mark, der gespannt war, was der Arzt zu berichten hatte. „Irgendwas stimmt nicht mit diesem Kind,“ fing dieser an zu erzählen. Und dann berichtete Römer mit zittriger Stimme, was sich im Behandlungszimmer zugetragen hatte. Andrea und Mark sahen sich ungläubig an und Mark musste erst mal tief Luft holen, bevor er reagieren konnte. „Das gibt es doch gar nicht, Doktor! Das hohe Töne Glas zerspringen lassen können, ist ja bekannt, aber dass sie Adern platzen lassen können, ist mir neu!“ „Nicht nur ihnen,“sprach Römer, „mir ist das auch neu und erklären kann ich es auch nicht, außer dass das Kind mit diesem Schrei und einer Art Telekinese meinen Blutdruck so hoch gejagt hat, dass die Kapillaren platzten.“ Mark sah ihn erstaunt an. „Telekinese?“ Römer zuckte mit den Schultern. „Ich habe so was mal in einem Film gesehen, darum fiel mir das ein. Ob es das allerdings wirklich gibt, wer weiß das schon. Jedenfalls benutzt der Mensch ja nur etwas 30% seines Hirnes, es kann also alles möglich sein.“ Andrea wandte sich nun zu dem Arzt, der immer noch aussah, als hätte er Marsmenschen gesehen. „Ich würde es begrüßen, das Kind vorerst überwachen zu lassen.“
Sie schaute zu Mark. „Was meinst du dazu?“ Mark nickte. „Ja, ich denke, das wäre erst mal das Beste. Auch, damit das Kind nicht nochmal fort läuft. Denn von irgendwo muss sie ja fortgelaufen sein.“ „Von irgendwo, wo sie anscheinend keiner vermisst.“ meinte Andrea gedankenverloren. „Oder nicht auffallen will.“ antwortet Mark darauf und strich sich nachdenklich durch die Haare. Dann sah er zu dem Doktor. „Ich werde ihnen einen Beamten schicken, Doc. Bitte lassen sie keinen Außenstehenden zu dem Kind, bevor dieser mit mir Kontakt aufgenommen hat. Wer zu dem Kind möchte, muss das über mich tun!“ Römer nickte. „In Ordnung, Herr Kommissar.“ Sie reichten sich nun die Hand zum Abschied, und Mark gab Bescheid, dass er sich morgen wieder melden würde. Er musste auch das Jugendamt einschalten. Da würde er nicht drum herum kommen.
Auf dem Weg zum Parkplatz sah Mark Andrea fragend an. „Hast du Lust, offiziell an dem Fall mitzuarbeiten, Drea ?“ Andrea sah ihn seufzend an. „Wenn du mich 24 Stunden ausschlafen lässt vorher, gerne. Irgendwie fühle ich mich ein wenig für die Kleine verantwortlich.“ Mark nickte und hielt ihr ihre Autotür auf. „Gut, fahre nach Hause und schlafe dich aus!,“ er küsste sie sanft auch ihre Wange,“ ich melde mich morgen dann, ok?“
„Ist gut Mark,“meinte sie und ließ den Wagen an,“ ich bin so kaputt, ich werde wohl schlafen wie ein Baby!“ Mark lachte, schmiss die Autotüre zu und winkte dem roten Audi noch kurz hinterher, bevor auch er sich zu seinem Auto begab.
Wie ein Baby schlief Andrea dann allerdings doch nicht. Nachdem sie furchtbar müde zu Hause angekommen war, hatte sie erst mal ein Bad genommen und sich ihr fettiges Haar gewaschen. Als sie in der Wanne lag und langsam zur Ruhe kam, fing es in ihrem Kopf an zu arbeiten. Wie verdammt, kommt ein kleines Mädchen nackt auf die Autobahn?Sie dachte an den Geruch den dieses Kind ausgeströmt und sie an Schweinegülle erinnert hatte. War sie vielleicht auf einem Schweinetransport eingesperrt gewesen und hatte einen Halt zur Flucht genutzt? Und was hielt sie so krampfhaft in ihrer Hand? Bei diesem Gedanken fiel ihr etwas ein und sie griff zu ihrem Handy neben der Wanne und wählte die Nummer von Dr. Römer. „Römer.“ meldete sich der Arzt an der anderen Leitung und Andrea sprach nun ihre Gedanken laut aus:“Doktor? Andrea Kiewitz hier. Die Kleine wird ja irgendwann einschlafen und sich ihre Hand automatisch öffnen. Bitte sorgen sie dafür, dass der Beamte direkt neben dem Bett des Kindes Wache hält und den Gegenstand bitte gleich an sich nimmt, sowie dieser sichtbar wird. Vielleicht haben wir hier irgendeine Spur zu Verwandten des Kindes. Ich möchte ungern schon die Medien auf das Kind ansetzen.“ Römer schien das nicht so zu gefallen. „Haben sie auch an die Auswirkungen gedacht, wenn das Kind aufwacht und bemerkt, dieses Was-auch-immer, befindet sich nicht mehr in ihrer Hand? Ich kann dem Kind ja nicht den Mund zunähen!“ Andrea redete auf ihn ein: „ Sie haben doch sicher Mittel, um das Kind erst mal ruhig zu stellen.“ meinte sie, entschied sich aber um: „Gut, sie haben wahrscheinlich recht. Machen wir es anders. Der Beamte soll den Gegenstand fotografieren und dem Mädchen in die Hand zurücklegen. Wenn wir erst mal wissen, um was es sich handelt, können wir immer noch entscheiden was wir tun werden. Ich werde so früh wie möglich in der Klinik sein.“ „In Ordnung.“meinte Römer erleichtert, wünschte ihr eine gute Nacht und legte auf. Dann ging er zu dem Polizei Beamten , der vor dem Krankenzimmer Wache hielt und teilte ihm seinen neuen Auftrag mit. Fritz Baumgartner öffnete daraufhin die Tür und trat in das Zimmer, in dem Sarah noch immer versuchte, aus dem Kind etwas heraus zu bekommen. Dass es Autist wahr, glaubte sie nicht. Dafür bewegte sich das Kind zu wenig. Autisten zappeln so gut wie immer mit ihren Händen herum, oder wiederholen eine Handlung immer wieder. Dieses Kind hier aber, das tat gar nichts. Außer trinken wenn der Becher zum Mund geführt wurde, sowie kauen und schlucken, wenn man ihr Nahrung in den Mund steckte. Seltsam. Sarah nickte dem Beamte zu, der ihr schnell ins Ohr flüsterte , warum er im Zimmer ist. „In Ordnung,“ meinte sie lächelnd,“ hinten am Fenster steht noch ein Stuhl, nehmen sie diesen.“ Baumgartner holte den Stuhl und setzte sich an die andere Seite des Bettes. Das Mädchen, nun mit einem weißen Nachthemd bekleidet, lag still, mit weit offenen Augen, unbeweglich auf dem Kissen. Ihr wallendes rotes Haar stach extrem von dem Weiß des Leinen ab, ihre Hände lagen still auf der Decke, die Rechte immer noch zur Faust geballt. „Hört sie uns?“ fragte er Sarah. Diese zuckte mit den Schultern. „Es wurde zumindest nichts gefunden, was darauf hindeuten könnte, dass sie uns nicht hört. Ob sie uns jedoch versteht, ist eine andere Frage.“ Der Beamte sah sie fragend an: „ Verspüren sie auch dieses unerklärliche Unwohlsein in der Nähe des Kindes?“ Sarah wusste genau was er meinte, denn sie verspürte die negative Aura, die das Kind umgab, ebenfalls. Konnte sich aber auch nicht erklären wo das herkam. So nickte sie Baumgartner nur zustimmend zu. Dann schaute sie wieder zu dem Kind. Es sah müde aus und Andrea war sich sicher, dass das Mädchen mit aller Macht versuchte nicht einzuschlafen und die Kontrolle über ihre Hand zu verlieren. Lange wird sie das nicht aushalten, dachte Sarah und stand von ihrem Stuhl auf. Sie hatte schon vor einer Stunde Feierabend gehabt und zu Hause wartete ihr eigenes Kind auf sie. „ Ich gehe nach Hause,“ sprach sie zu dem Beamten,“ gute Nacht, bis morgen.“ Baumgartner wünschte ihr ebenfalls eine gute Nacht und sah ihr seufzend hinterher, als sie aus der Türe verschwand. Nun saß er hier! Alleine mit diesem sonderbaren Kind, das da lag wie tot und dessen Brustkorb sich kaum bewegte. Hoffentlich schlafe ich nicht vor diesem Kind ein, dachte er und zog sein Handy aus der Hosentasche. Normal spielte er diese Facebook Spielchen nicht ,während er im Dienst war, aber in dieser Situation würde das in Ordnung gehen, dachte er. Was sollte er auch sonst tun? Nach einer halben Stunde war er so in seinem Spiel versunken, dass er gar nicht wahr nahm, was um ihn herum passierte. Und so kam der Einstich für ihn total überraschend. Langsam, wie von Geisterhand, wurde ihm ein Skalpell an seine Kehle geführt und diese langsam durchgeschnitten. Baumgartner schmiss sein Handy aus der Hand und griff röchelnd an seinen Hals, aus dem das Blut nun pulsierend heraus spritzte . Die Bettdecke des Mädchens, das immer noch unbeweglich im Bett lag, verfärbte sich rot. In Todesangst versuchte Baumgartner die Zimmertüre zu erreichen, doch kurz bevor er mit seiner blutverschmierten Hand die Klinke herunterdrücken konnte, flog ihm mit voller Wucht ein Stuhl in seine Kniekehlen und ließ ihn endgültig zusammenbrechen. Langsam erlosch das Licht in seinen Augen, während die des Mädchens, teilnahmslos an die Zimmerdecke starrten.
Hastig riss Schwester Erika die Tür zu dem Neuzugang auf. Sie wollte gerade fragen was das denn für ein Krach in diesem Zimmer war, als sie mit fürchterlichem Schrecken das blutige Bild wahrnahm, das sie nun zu sehen bekam. Hastig schlug sie ihre Hand vor den Mund und drehte auf der Stelle um, rannte schreiend durch den Gang der Station, auf der sie heute ganz alleine im Nachtdienst war. Doch weit kam sie nicht und verzweifelt griff sie zu der Manschette, die auf sie zu geflogen kam und sich an ihrem Hals zuzog.Die Frau kämpfte verzweifelt dieses Ding abzubekommen, das ihr die Luft zum atmen nahm. Langsam traten ihr die weit aufgerissenen Augen aus der Höhle und mit einem ungläubigen Gesichtsausdruck sank sie röchelnd zu Boden. Kurz noch zuckte ihr Körper auf, dann entspannte sich alles an ihr. Erika, 34 Jahre, Ehefrau und Mutter Dreijähriger Zwillinge war tot! Erwürgt von einer Blutdruckmanschette.
Im Gang hinter ihr, stand währenddessen das rothaarige Mädchen im blutverschmierten Nachthemd, öffnete ihre zur Faust geballte Hand und stieß einen hohen langen Schrei aus.
Dann schloss sich die Faust wieder, es setzte Stille ein und das Kind ging wie ferngesteuert zurück in sein Zimmer, stieg über den am Boden liegenden Beamten und schlüpfte unter die blutige Bettdecke. Dr.Römer,der schreckensbleich vor seiner Nachtschwester kniete, griff verzweifelt zu seinem Handy und wählte die Nummer vom Kommissariat und ließ sich dort mit Kommissar Wiegand verbinden. „Kommen sie schnell. Das Mädchen wieder,“ er sog tief die Luft ein, bevor er fortfuhr, „und diesmal gibt es Tote!“
Frank Kassler von der Spurensicherung schaute ungläubig zu Mark hinüber und zeigte auf das Mädchen im Bett. „Und das hier, soll wirklich dieses Kind verursacht haben?“ Mark fuhr sich durch die Haare und schaute sich im blutverschmierten Zimmer um. Was er sah war ein Bild des Grauens! „Ich kann es ja selbst nicht glauben Frank,“ meinte er verstört, „ aber dieses Mädchen hatte vorher auch schon Römer angegriffen, wie auch immer sie das getan hat, denn es bewegt sich nicht! Römer glaubt an Telekinese.“ „Telekinese?“ Frank Kassler verzog sein Gesicht. „Glaubst du da etwa auch daran? So etwas gibt es doch nur im Film.“ Mark schüttelte seinen Kopf. „Nicht wirklich, Frank. Aber eine andere Erklärung habe ich auch nicht.“ Frank griff nun zu einem kleinen Stück Plastik, das auf dem Medikamenten Board lag. Er nahm es mit seinen behandschuhten Fingern auf und hielt es Mark hin. „Die Verpackung von dem Skalpell. Es war also unbenutzt...“ Mark vollendete Kasslers Satz. „ Was heißt, dass darauf höchstwahrscheinlich nur die Fingerabdrücke des Mörders zu finden sind!“ „Richtig!“ bejahte Kassler. Mark sog tief die Luft ein und stieß sie hart wieder aus. „Nur werden keine drauf sein!“ Frank schaute ihn erstaunt an. „Wieder dieses Telekinese Ding?“ fragte er ungläubig. Mark zeigte auf den toten Baumgartner, der mindestens 120 Kilo gewogen hatte. Und diese Kilos bestanden nicht aus Fett. „Glaubst du wirklich, Baumgartner hätte sich von einem Kind an die Gurgel gehen lassen? Er hätte sie noch nicht mal aus dem Bett gelassen, geschweige denn in seine Nähe!“ Kassler wurde nachdenklich. Mark hatte recht.Niemals wäre dieses zarte Mädchen auch nur in die Nähe von Baumgartners Hals gekommen. Schon gar nicht, mit einem Skalpell in ihren Händen. Er fühlte , wie sich seine Haare aufstellten, als bei dem Gedanken an Übernatürliches, die Gänsehaut über seine Arme kroch.
Er schaute zu dem Kind. „Und wie willst du jetzt verhindern, dass das so weitergeht mit dem Mädchen? Und wird sie denn gar nicht vermisst?“ Mark schüttelte den Kopf. „Nein,Frank. Es liegt keine Vermisstenmeldung vor, die auf dieses Mädchen passt. Und ich habe keine Ahnung, wie wir weitere Angriffe verhindern sollen. Ich denke , hier hilft kein einsperren und auch kein festbinden. Auch wenn ich an diesen ganzen Quatsch nicht glaube, so kann ich es mir nicht erklären, wie das Mädchen ansonsten vorgehen sollte. Ich werde einen Parapsychologen hinzuziehen müssen.“ seufzte er nun. Frank, der Mark schon ewig kannte, klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter, und meinte: „ Wird dir wohl nichts anderes übrig bleiben. Aber sag mal, was hält dieses Kind da so krampfhaft fest?“ Sein Blick fiel hierbei auf die Faust des Mädchens, die geschlossen auf der Bettdecke lag. Mark folgte Franks Blick „Ja, das wüssten wir auch gerne. Aber bis jetzt hat sie nicht eine Sekunde geschlafen und sowie du an ihre Faust kommst, rastet sie aus. Und das kann verdammt gefährlich werden.“ „Heilige Scheiße,,“ meinte Frank Kassler nun,“ da hast du dir ja einen tollen Fall eingefangen!“ Mark nickte abwesend. Er wollte mit Römer sprechen. Alles andere konnte er jetzt der Spurensicherung überlassen. Er verabschiedetet sich von Frank und trat aus der Tür auf den Flur der Station heraus. Erikas Leiche war schon fortgeschafft und Mark machte sich auf die Suche nach dem Arzt. Er fand ihn in seinem Sprechzimmer. Leichenblass saß er in seinem Sessel, ein Glas Bourbon in der Hand und eine Zigarette in der Anderen. Als er Frank bemerkte, machte er ihm ein Zeichen näher zu treten. Er hielt sein Glas nach oben. „Verzeihen sie, aber das brauche ich jetzt!“ Mark winkte ab und sprach: „ Das ist jetzt das kleinste Problem. Was machen wir mit dem Kind?“ Fragend sah er den wohl unter Schock stehenden Arzt an. Dieser nahm einen tiefen Zug aus seiner Zigarette. Dann sah er hilflos zu Mark. „Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht.“ Fast tat er Mark schon leid, aber sie mussten was tun! Es lagen ja auch noch andere Kinder auf der Station und er wollte und konnte da kein Risiko eingehen. Da kam ihm eine Idee. „Könnte man die Kleine nicht erst mal in ein künstliches Koma legen? Dann wäre sie vorerst außer Gefecht, zumindest solange bis ich einen professionellen Parapsychologen gefunden habe.“ Römer sah ihn bei seinen Worten entgeistert an. „In ein künstliches Koma legen? Ohne deftigen medizinischen Grund?“ Er sah nicht sehr begeistert aus. Mark sah ihn nun ernst an. „ Sind zwei Tote nicht Grund genug?“ Römer nickte und Mark fuhr fort: „Auch wenn es nur ein Kind ist, es ist ein gefährliches Kind. Wir wissen nicht wie sie vorgeht mit ihrem Tun und wenn sie es mit ihrem Gehirn tut, müssen wir dieses eben in Tiefschlaf versetzen.“ Römer nickte abermals. „ Ja, das stimmt schon. Und vor allem, kämen wir dann mal an den Inhalt von ihrer Hand. Nun gut,“ er erhob sich aus seinem Sessel, „ ich werde alles Notwendige veranlassen.“ „ Mark atmete erleichtert auf. Er wollte wirklich nicht noch mehr Tote verbuchen. „Gut,“sagte er und schaute lächelnd zu Römer hinüber,“ ich würde dann gerne dabei sein, wenn sie die Hand öffnet, rufen sie mich bitte an, sowie es losgeht.“ „In Ordnung,“ meinte dieser,“ ich werde das Mädchen ins Isolierzimmer verlegen und lasse alles vorbereiten.“ Mark reichte Römer die Hand, bedankte sich und schaute dann auf die Uhr. Halb eins. Andrea würde sicher schlafen und es würde langen wenn er sie morgen früh anrufen würde, dachte er. Nach Hause gehen lohnte nicht, er wollte ja dabei sein, wenn die Kleine ins Koma gelegt wurde. „Kann ich um die Uhrzeit hier noch irgendwo einen Kaffee bekommen?“ Fragend sah er Römer an. Dieser nickte. „Klar, kommen sie mit in die Schwesternküche, dort ist immer heißer Kaffee erhältlich.“
Als Römer Mark die heiße Tasse Kaffee reichte, seufzte dieser kurz auf bei dem Gedanken, dass dieser Kaffee eigentlich Schwester Erika hatte wach halten sollen. Dankend nahm er Römer die Tasse ab und setzte sich an den Tisch, der in der Mitte des Raumes stand. Nach dem ersten Schluck lehnte er sich entspannt zurück. Den hatte er jetzt gebraucht! Dann musste er wieder an die Schwester denken. „Arme Frau..“ meinte er zu Römer.
„Ja, eine meiner besten Schwestern.“
„Hatte sie Familie?“
Römer senkte die Augen.
„Ehemann und Dreijährige Zwillinge.“
„Verdammt!“ Mark schlug mit der Faust hart auf den Tisch. Noch nie hatte er sich in einem Fall so hilflos gefühlt. Aber er hatte ja auch noch nie mit Übernatürlichen zu tun gehabt. Und was anderes konnte er sich hier einfach nicht erklären. Wie würde ein liebender Ehemann reagieren, wenn man ihm erklärte, eine Blutdruckmanschette hatte sich selbständig gemacht und seine Frau erwürgt? Der würde einen doch für verrückt erklären. Und auch er selber hätte dies wohl getan, wäre da nicht Römer, der von weitem gesehen hatte, dass kein Mensch bei Schwester Erika war, als die Manschette sich um ihren Hals zuzog. Und dank der Kamera im Flur,war auch Römer von jedem Verdacht befreit. Warum sollte dieser auch einen Beamten und seine beste Krankenschwester töten? Römer griff jetzt zum Telefon und riss Mark aus seinen Gedanken. Er gab seine Anweisungen und machte Mark dann ein Zeichen ihm zu folgen.“Gehen wir.“
Mark stellte seinen Kaffee ab und verließ hinter Römer das Schwesternzimmer. Gemeinsam machten sie sich auf zum Isolierzimmer, in das man das Mädchen verlegen sollte. Sie hatten sich gegen die Intensiv Station entschieden, das Kind sollte alleine liegen und man würde alle notwendigen Apparate hinüber bringen. Römer wollte die Langzeitnarkose so flach wie möglich halten bei dem Kind, sollte mehr nötig sein, konnten sie immer noch erhöhen.
Alles wurde bereits vorbereitet. Ein Beatmungsgerät wurde gerade ins Zimmer geschoben, als Römer und Mark es betraten. Römer trat an das Bett des Kindes um den Zugang zu legen. Wie er sich schon gedacht hatte, gab es auch diesmal keinen Widerstand seitens des Mädchens. Starr schaute sie gegen die Decke, nichts was um sie herum geschah, schien sie zu interessieren. Ob sie weiß, was sie tut? dachte Mark. Er konnte sich nicht vorstellen , dass ein kleines Mädchen zu diesen Taten fähig war. Aber was oder wer es auch war, dieses Etwas würde jetzt in Tiefschlaf gelegt werden. Nicht damit der Körper in Ruhe heilen konnte, sondern dass sie in Ruhe arbeiten konnten. Ohne weitere Tote. Römer verabreichte dem Mädchen jetzt das Narkosemittel. Eine OP Schwester stand schon mit dem Tubus bereit und schloss das Mädchen, das in Sekundenschnelle eingeschlafen war, an das Beatmungsgerät an. Dann zog sie ihr das Nachthemd hoch und klebte ihr die Elektroden für das Überwachungsgerät auf die Haut. Währen dessen ließ Mark keine Sekunde die Hand des Kindes aus seinen Augen. Noch nicht mal sein erstes Date mit Andrea, konnte die Spannung übertreffen, die er beim beobachten der Faust des Kindes in sich verspürte. Doch plötzlich wurde ihm der Blick versperrt, als Römer sich über das Kind beugte und ihm eine Magensonde einfuhr. Mark fluchte innerlich und sprang hastig von seinem Stuhl auf, den er neben das Krankenbett gestellt hatte. Schnell ging er um Römer herum und starrte auf die Bettdecke. Verdammt!! Was war das? Die Hand des Kindes lag entspannt geöffnet auf der Bettdecke. Wo war der Inhalt? Mark zog Römer an den Schultern herum und schnauzte ihn an. „ Haben sie was aus ihrer Hand genommen?“ Römer wehrte erschrocken Marks Hand ab. „Nein! Ich habe auch viel zu konzentriert gearbeitet, als dass ich hätte ihre Hand beobachten können!“Mark schaute nervös unter die Hand des Kindes und auf den Boden. Nichts! Jetzt hatten sie so lange gewartet, dass sich diese verdammte Faust öffnet und was ist drin? Nichts! Niente! Nada! „Verdammte Scheiße!“ fluchte Mark nun laut. Doch hätte er unter das Bett geschaut, hätte er sie vielleicht hüpfen sehen, denn hören konnte er es nicht, dafür war das Geräusch des Beatmungsgerätes viel zu laut. Und so hüpfte die kleine schwarze Perle ungesehen und ungehört bis in die Mitte des Bettes. Römer sah Mark entgeistert an. „Sie hatte nichts drinnen! Es müsste ja, wenn es aus ihrer Hand fällt, auf der Bettdecke sein. Oder, wenn es runter fällt, neben dem Bett.“ Mark steckte seine Hände in die Hosentaschen, so, als müsste er sich daran festhalten. „Das gibt es doch nicht! Warum sollte das Kind so ein Geschrei veranstalten, wenn sie absolut nichts in ihrer Hand versteckt hält?“ Römer hob ratlos seine Schulter. „Ich weiß es nicht,“ er fuhr sich durch sein lichtes Haar,“ ich weiß gar nichts mehr!“ Mark merkte dass es keinen Zweck hatte den Arzt noch mehr zu nerven. Der schien schon am Ende derer zu sein. Er legte ihm seine Hand auf die Schulter. „Sorry Doc, versuchen sie eine Mütze Schlaf zu bekommen.“ Er reichte Römer seine Hand „Das werde ich jetzt auch tun, Gute Nacht, bis morgen.“
Hastig verließ Mark die Klinik. Nur raus hier !
Am nächsten Morgen, sah Andrea ihn ungläubig an. „Das Mädchen hat was?“ Mark , über ein paar Akten gebeugt, hob den Kopf und nickte. „Ganz genau so, wie ich es dir erzählt habe! Es gibt wohl doch Dinge zwischen Himmel und Erde, die wir uns nicht vorstellen können, die aber wohl existieren.“
„Warum hast du mich gestern nicht angerufen? Ich wäre doch sofort gekommen!“
„Du batest um 24 Stunden Schlaf, Drea.“ Mark lächelte sie an. „Was hättest du auch tun sollen?“
„Na ich...“ setzte Andrea an und schwieg dann aber. Ja, was hätte ich tun sollen?dachte sie seufzend. „Nichts.“ gab sie nun zu. Mark erhob sich von seinem Stuhl und packte die auf dem Tisch liegenden Akten zusammen. Dann schaute er zu Andrea. „Jetzt kannst du was tun, Drea,“meinte er,“ suche mir doch bitte den besten deutschen Parapsychologen raus, ich bringe diese Akten aufs Gericht und melde mich dann wieder bei dir,ok?“
Andrea nickte. „Ok , Mark.“ Dann verließen sie beide die Wache und während Mark zum Gericht fuhr, setzte sich Andrea in ihrem Büro vor ihren Laptop.
125 Kilometer weiter schlug Prof. Gottfried Habermann schlecht gelaunt eine Akte zu. „Das hätte nicht passieren dürfen!“ Mit zusammengekniffenen Augen sah er zu Monika Waldbauer, seiner Assistentin hinüber. „Wenn das jemand heraus bekommt, kann ich das Institut schließen!“ Monika verschob nervös ihre Brille. „Es tut mir leid Professor, aber wir mussten die Schweine entsorgen! Das Experiment hätte ansonsten unser aller Tot bedeuten können.“ Der Neurowissenschaftler drehte sich abrupt um. „Dass ich in dieser Hinsicht versagt habe, müssen sie mir nicht nochmals aufs Brot schmieren. Dass das Experiment anders verlaufen ist, als wir geplant hatten, kann, aber darf nicht passieren. Aber dass Laura entkommen ist, kann das Ende unser aller beruflichen Laufbahn bedeuten!“ Monika schaute verlegen auf den Boden. „Sie hat mich einfach ausgetrickst, Chef. Das Kind ist nun mal schlauer als wir alle zusammen!“ versuchte sie sich zu entschuldigen. Habermann griff hart nach ihrem Arm und zwang sie ihn anzusehen.
Ängstlich schaute Monika ihrem Chef in seine wütenden Augen. „ Sie haben ja keine Ahnung was jetzt da draußen frei herumläuft!“ Monika sah ihn fragen an und bekam die Antwort, indem Haberman hart in in Haar griff und ihren Kopf nach hinten warf.“D465C ist mit entkommen!!“ spuckte er ihr ins Gesicht und ließ sie dann los. Monika sank kraftlos zu Boden und schlug sich schluchzend die Hände vor ihr Gesicht. Oh, mein Gott, was hatte sie nur getan?
Andrea schaute zu Mark, der bei ihr auf dem Sofa saß und dankbar nach der Tasse Kaffee griff, die sie ihm nun reichte. „Danke, Drea.“ Er sah sie fragend an. „Und, was hast du herausgefunden?“ Andrea ließ sich in den Sessel fallen und schlug ihre Beine übereinander. „Also,“ fing sie an,“ wenn es in Deutschland eine Kapazität auf dem Sektor Parapsychologie gibt, dann ist das Professor Phillip Lauber!“ Mark nickte. „Danke dir, Drea. Daten?“ „Habe ich dir alle per E-Mail geschickt.“ Mark griff zu dem Kuchen, den Andrea ihm reichte. „Gut, danke nochmal! Dann kümmere ich mich gleich darum, wenn ich aus dem Krankenhaus zurück bin.“ „Ich fahre mit!“ meinte Andrea. „Ja ok“,nickte Mark und stopfte sich den Rest Kuchen in den Mund,“ lass uns keine Zeit verlieren, fahren wir!“ „Tut mir leid, Dr. Römer hat heute frei.“meinte die Schwester, die Mark und Andrea nach dem Arzt fragten, als sie das Krankenhaus erreicht hatten. Natürlich, dachte Mark, der Mann hat zwei Klinik Nächte hinter sich. Die Schwester sah Mark an und meinte:“ Ich soll aber, sowie sie da sind, sie zu unserer Kinder Psychologin bringen.“ Schwester Gisela bat sie kurz zu warten und wählte eine Nummer. „Der Kommissar ist da, Sarah. Ja, gut, ich schicke ihn hoch.“ Und zu Mark gewandt sprach sie:“ Sarah Lehmann erwartet sie im 2. Stock, Zimmer 34.“ Mark bedankte sich bei der Schwester und ging mit Andrea Richtung Fahrstuhl.
Während die beiden auf den Fahrstuhl warteten, schob Ali Ürcan den Putzeimer in das Krankenzimmer der Kinderstation. Ali zog sich seine blauen Handschuhe über und begann damit, Tisch und Nachtschränkchen abzuwischen. Routine für ihn, er führte diese Arbeit seit sechs Jahren tagtäglich aus. Doch etwas war diesmal anders in diesem Zimmer auf der Kinderstation. Diese Ruhe. Kein Späßchen mit den kleinen Patienten, kein Frage beantworten, kein betteln nach einer Geschichte aus dem Morgenland. Nur die monotonen Geräusche der lebenswichtigen Geräte, an die dieses ungewöhnliche Mädchen angeschlossen war. Still lag es auf dem Bett vor ihm. Ali liebte Kinder, er hatte selbst vier Stück, aber hier in diesem Zimmer, bei dem Mädchen, das zwei Menschen getötet haben sollte, fühlte er sich furchtbar unwohl, obwohl die Kleine ja im Koma lag. Er wollte nur ganz schnell wieder raus aus diesem Zimmer und fegte es schnell durch, damit er putzen konnte. Als er den Besen unter das Bett und wieder hervorschob, bemerkte er, wie etwas kleines Schwarzes auf ihn zurollte. Verdutzt bückte er sich nun, um nachzuschauen, was das sein könnte. Vielleicht etwas von irgendeinem Spielzeug. Eine Perle, sah er, als er dieses kleine schwarze Runde etwas nun in seine Handfläche legte. Er wollte sie gerade auf den Nachttisch des rothaarigen Mädchens legen, als die Perle in seiner Hand in einem blauen Schimmer aufleuchtete. Gleichzeitig verspürte Ali einen rasenden Druck in seinem Kopf. Er wollte schreien, doch nichts als ein Stammeln verließ seinen weit geöffneten Mund. Langsam lief Ali das Blut aus Augen, Nase und Mund. Wie bei Römer, dachte er noch, dann hörte er diese Stimme in seinem Kopf, die ihm befahl, sich selber zu töten. Auf bestialische Weise. Ali versuchte mit der linken Hand krampfhaft abzuwehren, was seine rechte nun tat. Langsam, immer tiefer schob sie den Besenstiel in Alis Rachen. Ungläubig schauten Alis dunkle Augen aus ihren Höhlen. Er wand sich in alle Richtungen, aber nichts konnte den Stiel davon abhalten, tief in Alis Körper einzudringen. Ali röchelte, als das Holz splitterte und in seine Lungen eindrang. Der Mann fiel zu Boden, als jetzt der Putzeimer wie von Geisterhand bewegt, das Schmutzwasser in seinen nach Luft schnappenden Mund laufen ließ. Meine Kinder, war das Letzte, was Ali dachte, bevor er qualvoll erstickte. Neben ihm auf dem Boden lag eine kleine schwarze Perle.
Andrea und Mark betraten soeben den Fahrstuhl, als ein lautes „Stop!“ sie zurückrief. Mark drehte sich um und sah die Schwester von vorhin auf ihn zurennen. Fragend sah er die Frau an, die ihn, nach Luft schnappend , an seiner Jacke packte und ihn mit Entsetzen im Gesicht ansprach:“Wieder ein Opfer! Man erwartet sie Beide auf der Kinderstation!“ Mark und Andrea schauten sich an und auf beider Gesicht stand ein klar erkennbares „Oh, nein, nicht schon wieder!“ Mark zog Andrea mit sich, die ihn fragend ansah. „Ich denke das Mädchen liegt im Koma und könnte jetzt nicht agieren?“ Mark drehte sich zu ihr um.“Ja,“ meinte er seufzend,“ das dachte ich auch!“ Dann griff er zum Telefon und wählte die Nummer der Spurensicherung.
„Die Schwester fand ihn genau so auf dem Boden.“ erklärte der Diensthabende Arzt Mark, als dieser in das Zimmer trat, in dem das ungewöhnliche Mädchen lag. Mark schaute zu dem am Boden liegenden Ali Ürcan. „Irgendwelche Zeugen? Schreie gehört? Jemand anderes als er zum Zimmer gehen gesehen?“ Der Arzt verneinte. „Die Station Schwester machte ihren Rundgang und wollte nach den Apparaten sehen, als sie den Toten entdeckte. Ali ist dreifacher Vater und arbeitete schon sechs Jahre hier. Das hat er nicht verdient!“ Andrea legte ihm kurz ihre Hand auf seine Schulter. „So was hat niemand verdient, Doktor.“ Das Entsetzen stand noch in ihren Augen, als sie dieses Bild des Grauens sah. Und doch konnte sie ihren Blick von der entsetzlich zugerichteten Leiche nicht abwenden. Sie sah Mark an. „Mark, so etwas tut doch kein Kind!“ Mark seufzte. „Drea, das Kind selber sicher nicht, sie liegt ja tief im Koma, aber es hat hundert Prozent mit dem Kind zu tun, denn es gibt keine Motive und auch keine Verdächtige. Hoffen wir, dass der Parapsychologe und da weiter bringen kann. Da hier hat nichts mehr mit Normalem zu tun!“
„Heilige Scheiße!“ Das konnte nur Frank sein, dachte Mark und drehte sich zur Tür um. Und richtig, die Spurensicherung war da. Ein Gemurmel war zu hören und man merkte, dass hier jeder geschockt war vom Anblick der durchbohrten Leiche. Mark reichte Frank die Hand. „Kann es sein, dass er beim putzen so unglücklich ausgerutscht ist, dass er in den Besenstiel fiel?“ fragte er ihn, wusste aber sofort wie unwahrscheinlich das sein würde.
„Hm,“ machte Frank und zog sich seine Handschuhe über,“ denke ich nicht Mark, das würde anders aussehen. Wenn er dumm gefallen wäre, hätte er sich vielleicht die Vorderzähne abgehauen, eventuell Nase und Augen beim abrutschen verletzt.“ Er bückte sich zu der Leiche hinunter. „Der Stiel wurde jedoch mit aller Gewalt durch den Mund in seinen Körper gebohrt. Und wer oder was auch immer das war, es war zusätzlich noch so pervers, ihn mit dem Putzwasser zu ertränken!“ Frank kniete vor der Leiche, als er einen leichten Druck unter seinem Knie wahrnahm. Er schaute hoch zu Mark und Andrea.“Da ist was unter meinem Knie.“ Er stand auf um nachzusehen was ihn da so ins Fleisch drückte. Sofort nahm er die schwarze Perle wahr, die neben der Leiche lag. Neugierig schaute nun auch Mark auf das runde Ding.“Was ist das?“ Frank nahm sie vorsichtig auf und zuckte mit den Schultern. „Nur eine Perle.“ meinte er zu Mark. „Von einer Kette?“ fragte dieser seinen alten Freund von der Spurensicherung. Frank verneinte.“ Sie hat kein Loch zum auffädeln und auch keine Klebereste an sich, also wohl auch von keinem anderen Schmuckstück.“ Mark wirkte enttäuscht. „Also wohl auch kein Hinweis auf den Mörder.“ meinte er seufzend. Viel was ihnen weiterhelfen könnte, hatten sie hier wirklich nicht. Doch plötzlich kam ihn eine Idee und er nahm Andrea zur Seite. „ Diese Perle,“ meinte er zu ihr,“ könnte sie nicht aus der Hand des Mädchens gefallen sein?“ Andrea zuckte die Schultern.“Möglich wäre das schon, das würde auch erklären warum der Gegenstand beim herausfallen aus der Hand des Kindes übersehen wurde. Eine schwarze kleine Perle, da muss man schon genau hinsehen.“ Mark wandte sich jetzt an Frank. „Die Perle, braucht ihr die, oder kann ich die haben?“ Schnell erklärte er Frank Kassler sein Anliegen. Dieser schüttelte seinen Kopf und verneinte.“Nimm sie ruhig an dich Mark, uns wird sie hier auch nicht groß weiterhelfen können!“ Frank gab Mark die Perle und dieser zog seine Geldbörse aus der Hosentasche, um sie vorerst dort zu verstauen. Dort würde sie sicher sein. Wenn Römer wieder im Dienst war, wollte er ihn von seiner Vermutung unterrichten. Die Spurensicherung erledigte ihre Arbeit und Frank und Andrea wurden hier nicht mehr gebraucht. Frank nahm Andrea am Arm. „Komm, lass uns jetzt zu dieser Kinder Psychologin gehen!“ Als sie die Tür hinter sich schlossen, lehnte sich Andrea kurz gegen die Wand und sog tief die Luft ein. Schnell trat Mark zu ihr hin. „Alles ok, Drea? Soll ich dir etwas Wasser bringen?“ Andrea winkte ab. „Danke Mark, aber ich muss nur kurz Luft holen. Wer macht denn so etwas Furchtbares?! Ich habe ja schon viel gesehen, aber dies scheint mir direkt aus einem Horror Film zu stammen. Und wieder kein Motiv und auch kein Verdächtiger,“ sie schaute nun hoch zu ihm und das Grauen stand in ihrem Gesicht geschrieben,“ langsam glaube ich hier auch an Übernatürliches, Mark!“ Mark verzog sein Gesicht. „Die Frage ist hier nur, geht es von dem Mädchen aus oder nicht. Und wenn ja, warum?“ Andrea seufzte. „Im Moment scheint es so, als töte da Jemand aus der puren Lust am Töten!“ Mark griff jetzt Andreas Arm. „Komm, lass uns zu der Psychologin gehen. Auch wenn ich denke, dass sie uns hier auch nicht viel weiterhelfen kann. Ich setzte da mehr auf Phillip Lauber!“ Andrea folgte Mark , der rasch voraus schritt. Er wollte nur an die frische Luft und das Gespräch mit der Psychologin hinter sich bringen.
„Herein!“ rief Sarah Lehman als es an der Tür klopfte und sah von ihrer Akte auf. „Ah, meinte sie; als sie Andrea und Mark erblickte,“ sie sind es. Ich habe sie schon erwartet.“ Die große schlanke Frau stand nun auf und trat ihnen entgegen. Mark entschuldigte ihr zu spät kommen. „Es gab wieder einen Mord. Direkt bei dem Kind im Zimmer.“ Schnell erzählte er ihr was geschehen war. Sprachlos sah Sarah ihn an und schlug die Hände vor ihr Gesicht. „Oh mein Gott, der arme Ali. Er war so ein wunderbarer Mensch!“ Schwer ließ sich sich auf ihren Bürostuhl fallen. Dann bat sie die Beiden Platz zu nehmen. „Entschuldigen sie bitte, nehmen sie bitte Platz, das nimmt mich jetzt furchtbar mit. Wenn ich an Alis Familie denke...“ Sie sprach es nicht aus, aber das war auch nicht nötig. Die Träne in ihrem Augenwinkel sprach Bände. „Das Kind?“ fragte sie. Mark sah sie an.“Liegt immer noch im Koma. Körperlich kann sie nicht in die Nähe des Opfers gekommen sein. Und ob es mit Telekinese möglich wäre, solch einen Mord zu begehen, das kann uns hoffentlich Professor Philipp Lauber erklären.“ Sarah sah ihn an. „Haben sie schon das Jugendamt eingeschaltet? Ich glaube, dazu sind sie ja verpflichtet.“ Mark verneinte.“ Nein, noch nicht, aber ja, das müssen wir.“ gab er Sarah recht. Andrea sah Sarah Lehmann fragend an. „Haben sie denn irgendwas herausbekommen aus dem Kind?“ Sarah musste sie enttäuschen. „Nein,“ seufzte sie,“ leider nicht. Außer dass sie trinkt und isst, wenn man ihr es zum Mund führt.“
„Hm, so, als wüsste sie, sie muss das tun, um zu überleben.“ sinnierte Andrea. Sarah nickte. „Ja, wie fremd gesteuert. Kurz dachte ich sogar, das Kind steht unter Hypnose.“ Andrea und Mark horchten auf. Hypnose? Konnte dies das komische Verhalten des Kindes erklären? Aber auch die Morde? Nein!
„Das würde aber nicht das Morden erklären.“ meinte Mark. Sarah seufzte. „Nein, das nicht. Dafür habe ich überhaupt keine Erklärung. Es sind alles so sinnlose Morde. So, als wäre jemand oder etwas auf das morden getrimmt.Morden um des Töten Willen“ Mark stutzte. Eine Killermaschine? Aber wie passt eine Killermaschine mit einem kleinen Mädchen zusammen? Mark sah jetzt zu der nachdenklich schauenden Andrea hinüber. „Ich denke, hier sind Kräfte am Wirken, die ganz weit entfernt von unserer Vorstellungskraft liegen!“ Andrea nickte. „Ja Mark. Und das macht mir verdammt nochmal richtig Angst!“ Mark schaute sie hilflos an. „Lass uns gehen Drea, ich muss unbedingt den Parapsychologen erreichen!“ Andrea stand auf und sie verabschiedeten sich bei Sarah, mit dem Versprechen sich zu melden, wenn es Neues in diesem Fall gab.
Im Fahrstuhl fragte Andrea Mark, wann er das Jugendamt einschalten will. Mark zuckte mit den Schultern. „ Werde ich wohl auch heute tun müssen, Drea. Wenn ich auch keine Ahnung habe, was das in diesem Fall bringen soll.“ Andrea hob den Blick. „Das Kind wird nicht ewig im Koma bleiben können,“ meinte sie, „ und auch nicht im Krankenhaus.“ Mark murmelte irgendwas unverständliches. Mit dem Kopf war er schon längst bei Professor Lauber.
Tag der Veröffentlichung: 20.10.2018
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