Die wichtigsten Protas:
Ali ben Achmed-Sultan von Nadorja
Samira blickte ihren Vater, den Sultan Ali ben Ahmed, ungläubig mit ihren großen braunen Augen an. "Was meinst du mit, es wäre Zeit mir die Wahrheit zu sagen, Vater?" Ali sin Ahmed, ein stattlicher Mann mit gütigem Gesicht, zupfte verlegen an seinem schon leicht ergrauten Barte.
"Setz dich zu mir mein Kind", meinte er nun und zeigte auf den Platz neben sich, "was ich dir nun zu sagen habe, sollte nicht im Stehen statt finden."
Samiras langes schwarzes Haar bewegte sich im Abendwind, der lau durch das geöffnete Fenster wehte an dem sie stand. Die letzten Sonnenstrahlen ließen ihr goldenes Diadem aufblitzen, welches sie als Zierde sich heute, dem Tag ihrer Volljährigkeit, ins Haar gesteckt hatte. Mit dem Wind wehte der Duft von Couscous , einem Hauch von Koriander, Kreuzkümmel und Zimt in den Raum, die Köche des Sultans bereiteten das Festessen vor. Emsigkeit herrschte im gesamten Palast. Nur das Beste sollte zum Ehrentag der jüngsten Tochter des Sultans von Nadorja aufgetischt werden. Alles sollte Glänzen, in Einheit mit dem Glanze der unbeschreiblichen Schönheit der Sultanstochter. Samira schaute auf ihren Vater, der, schon im Festgewand, auf dem Diwan saß. Irgendwie sah dieser Mann, der so gütig über sein Volk herrschte, heute etwas verloren aus . Seine Stirn zog sich in Kummerfalten, eine vorwitzige graue Locke lugte unter dem Turban hervor, der mit roten Rubinen besetzt war und den er nur zu Festtagen trug. Samira seufzte. Wie sehr sie diesen Mann doch liebte. Wird er ihr heute weh tun müssen ? Was war es, was seine Wahrheit war und ihm wohl Kummer machte, von dem sie bisher nichts ahnte? Langsam durchschritt sie das pompöse Zimmer, das ganz in blau und gold gehalten war. Die Farben, die ihre Mutter einst so liebte. Ihre Mutter, die bei ihrer Geburt starb und die Samira nie kennenlernen durfte. Doch aus jedem Gemälde von ihr, die jeden Raum des Palastes zierten, entsprang auch noch heute die grenzenlose Schönheit und Güte, die ihre Mutter einst ausstrahlte. "
Was bedrückt dich Vater ? " fragte Samira nun und ließ sich an ihres Vaters Seite auf dem Diwan nieder. Ali ben Ahmed nahm die zarte Hand seiner Tochter in die Seine und seufzte tief auf. Der stattliche Sultan schien in sich zusammen zu fallen , als er nun seiner Tochter traurig in die großen braunen Augen schaute. Von draussen hörte man neben lieblichen Vogelgezwitscher die Stimme des Hofkochs, der mit einem Lautem "Yalla, yalla" die Küchenjungen antrieb. Der Sultan stand auf, ging mit schweren Schritten zu dem Fenster, schloß es und blieb gedankenverloren davor stehen. Sein Blick verlor sich am Horizont der untergehenden Sonne und mit dem Rücken zu Samira stehend begann er zu erzählen.
"Mein Kind, " begann er, " was ich dir jetzt zu sagen habe, trug ich 18 lange Jahre lang in meinem Herzen mit herum. Schwer wie ein Buckel auf meinem Kreuze."
Samira rutschte nervös auf dem Diwan hin und her. Nur das Rascheln des seidigen Stoffes ihres Festkleides durchbrach die Stille, die auf einmal wie ein Demoklesschwert im Raume lag.
"Bitte, erzähle weiter Vater, " bat Samira nun, als ihr das Schweigen des Vaters schier nicht mehr aushaltbar schien.
Mit einem tiefen Atemzug fuhr der Sultan fort. " Deine Mutter, die du ja leider nicht mehr kennen-lernen durftest, war mir das Liebste auf der Welt. Sie war wunderschön, du bist ihr Ebendbild, weise und gütig. Und sie war stark. Sie gebar mir zwei Söhne und viele Jahre später sollte sich mein Wunsch nach einer Prinzessin, einem Ebendbild deiner Mutter erfüllen. Doch diesmal schwächte Etwas deine Mutter und somit auch dich. Unter großen Komplikationen brachte sie dich auf die Welt, doch das Fieber packte euch beide. In meiner Not, meiner riesen Angst euch beide zu verlieren, tat ich etwas , was mein ganzes Leben verändern sollte. Denn ich rief nicht die Güte Allahs und seiner Engel zu Hilfe, ich rief Aisha Quandisha , die Heilige der Dschinns. Aisha bringt Krankheiten über die Menschen und wer sie bringt, dachte ich, der kann sie auch wieder nehmen. Ich habe mich versündigt, mein Kind. Statt in die Hand der heiligen Fatima,legte ich euer Schicksal in die Hand einer Dschinniya. " Wieder seufzte der Sultan tief auf. Samira hielt nichts mehr auf dem Diwan und sie trat zu ihrem Vater, nahm seine zitterten Hände in die Ihrigen und bat ihn mit stockender Stimme weiter zu erzählen.
" Aisha war eine Schlange," brachte der Sultan zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, " sie suhlte sich in meinem Schmerze und nahm deine Mutter mit sich, wie konnte ich auch nur einen Moment Gnade von einem solchen gottlosen Geschöpf erwarten. Ich flehte sie an mir wenigstens das Kind zu lassen, versprach ihr mich von Allah loszusagen und auf alle Ewigkeit den Dschinns zu dienen. Doch das genügte ihr nicht und sie lachte mich hämisch mit ihrer hässlichen Fratze an.
" Mehr ist dir das Leben deines Kindes nicht wert ? " fragte sie, wobei sie dich auf den Armen hielt,durch den Raum tanzte und mit jeder fast wahnsinnig wirkenden Umdrehung das Fieber wachsen ließ , welches von dir Besitz genommen hatte.
" Was willst du denn noch ?" schrie ich sie an. Ich bot ihr meinen Reichtum an, aber auch diesen schlug sie aus. Sie schlich um mich herum und streckte mir das glühende Bündel Kind entgegen.
"Das will ich, " sagte sie mit einem Lachen, das schier aus der Hölle kommen musste, " ich will die Schönheit diese Kindes ! "
"Ich war so besorgt um dich, dass ich auf Knien vor ihr lag und sie anflehte ihre Bedingungen zu äußern. Ich gebe ihr was sie wolle, nur sollte sie mir mein Kind lassen. Hier stockte der Sultan wieder mit seiner Erzählung und griff nach Halt suchend zur marmoren Fensterbank. Dort stützte er sich schwer auf, die Ader an seinem Halse offenbahrte das starke Klopfen seines Herzens. Samira schaute ihren Vater ungläubig an. Ihre Schönheit ? Ja, aber diese besaß sie doch noch.
" Vater, bitte..ich muss alles wissen, wie ging es weiter ? " Wie durch einen Schleier vernahm nun Samira wieder die Stimme ihres Vaters.
" Ich musste Aisha versprechen, deine Schönheit sich achtzehn Jahre lang entfalten zu lassen und am Tage deiner Volljährigkeit nach Mitternacht, würde sie sie dir nehmen. Und ihre eigene Hässlichkeit sollte dein Anlitz von dieser Stunde an beherrschen, so dass dich niemals ein Mann lieben und zur Frau nehmen wird. Du warst mein Kind. Ein Teil deiner Mutter. Entstanden aus unserer Liebe. Und ich wusste, ich würde dich lieben. Immer, ob schön oder hässlich. Und stimmte dem zu."
Bei seinem letzten Satz brach er nun entgültig, mit dem Kopf auf dem Schoße seiner Tochter , zusammen.
"Mein Kind,ich war so egoistisch. Ich dachte nur an mich, und nicht was ich dir damit antun würde." schlurzte er und sah Tränen überströmt in das hübsche Gesicht seiner Tochter, die stumm und geschockt ins Nichts schaute.
Was hatte ihr Vater da nur getan? Langsam wandte sie ihm sich nun zu und eine Träne rollte dabei leise ihre Wangen hinunter.
“ Oh mein Gott, was hast du nur getan Vater? Lieber wäre ich doch tot, als hässlich und ungeliebt, versteckt hinter Mauern leben zu müssen! Denn verstecken werde ich mich wohl müssen, mit dem Aussehen einer Dschinniya. Ali erhob sich nun und nahm die Hände seiner Tochter in die Seinen.
“ Vielleicht wollte sie mir ja nur Angst machen, mein Kind. Ich habe all die Jahre nichts mehr von Aisha gehört. Vielleicht hat sie es ja schon längst vergessen.” Doch er wusste genauso gut wie Samira auch, dass ein Fluch, sowie er ausgesprochen ist, sich auch bewahrheiten wird.
Samira dachte nun an Hisham, der ihr erst vor drei Tagen seine Liebe geschworen hatte. Nun schlug sie entsetzt die Hände vor ihr Gesicht. Er wird mich verstoßen! dachte sie. Wie soll er mich hässlich auch noch lieben können? Das Leid stand ihr nun ins Gesicht geschrieben, als sie ihre Gedanken jetzt auch ihrem Vater mit zitternder Stimme mitteilte. Doch dieser sah seiner noch hübschen Tochter fest in die Augen.
"Wenn er dich wirklich von Herzen liebt, mein Kind, dann wird er dich unabhängig von deinem Aussehen lieben!"
Samira schüttelte den Kopf. "Nein Vater, niemand wird mich so lieben können und nur Liebe wirkt gegen den Fluch einer Dschinniya."
Ali verstummte. Er wusste, dass seine Tochter wohl recht hatte. Allah, was hatte er nur getan? Er wollte seiner Tochter ihr Leben, trotz der Hässlichkeit, die bald von ihr Besitz ergreifen würde, so schön und wertvoll gestalten, wie es in seiner Macht steht. Er nahm seine Tochter in den Arm.
"Habibti, dir soll an nichts fehlen in deinem Leben, ich werde immer an deiner Seite sein." Jedoch wusste er, dass auch das keinen liebenden Partner wird ersetzen können. Stumm hielten sie sich jetzt einfach nur fest, bis der Muezzin zum Gebet rief.
In der Küche des Palastes waren viele fleißige Hände damit beschäftigt das Abendessen für die Feier der Prinzessin fertig zu bekommen. Es wurden viele, und vor allem adelige Gäste erwartet. Samir strich sich eine seiner dunklen Locken aus der Stirn, an der kleine Schweißperlen klebten. Die Hitze in der Küche war im Sommer kaum auszuhalten. Dennoch führte er jede seiner Bewegungen sehr sorgsam und mit viel Liebe aus. Das tat er bei allem, was er für die Prinzessin tat. Kurz fiel der hübsche junge, gut gewachsene Mann mit den wundervollen Graugrünen Augen in einen Tagtraum. Da sah er sie! Die Frau, die er schon von Kind auf bewunderte, die Frau, die so hübsch war wie ein Sommertag und deren Herz so groß war wie die Weite der Wüste. Die Frau, die heute ihre Volljährigkeit feierte. Prinzessin Samira! Sie war ihm so nah und doch unerreichbar. Unerreichbar für ihn, Samir, dem Küchengehilfe. Samir wusste, dass er seine Liebe zu Samira niemals öffentlich zeigen durfte, das wäre gegenüber der Sultan Familie einer Beleidigung gleich. Und so küsste er seine Angebetete immer nur in seinen Träumen. Aus diesen riss ihn nun die Stimme seines Vaters, dem Koch des Sultans.
"Samir! Träume nicht ! In einer halben Stunde müssen wir servieren!" Samir nickte nur und verzierte die letzte der Platten mit frischen Minz Blättern. Seine Träume um Samira mussten jetzt bis zur Schlafenszeit warten.
Es war acht Uhr am Abend, als sich die Gäste der Prinzessin gut gelaunt an dem großen prunkvollen Tisch versammelten. Samira lächelte jeden zur Begrüßung an, doch konnte sie das laute Gemurmel, vor allem das der Damen, kaum ertragen. Es kostete sie alle Kraft ihren Gästen nicht zu zeigen, welche Angst von ihr Besitz ergriffen hatte. Neben ihr stand Hisham und zog ihr nun den Stuhl zurück, damit sie Platz nehmen konnte. Verliebt schaute er sie dabei an.
"Du bist wie immer wunderschön an diesem Abend, mein Augenstern."
Außer ihrer Schönheit jedoch, schien er nichts wahrzunehmen, merkte nichts von Samiras Zustand. In die Tiefe schauen war nicht gerade eine der Fähigkeiten dieses verwöhnten jungen Mannes. Zwar stammte er aus einem alten orientalischem Adelsgeschlecht, was jedoch niemand wusste, war seine Familie mittlerweile verarmt und konnte sich gerade noch so über Wasser halten. Eine Heirat mit der reichsten Erbin des Orients sollte da Abhilfe schaffen und da diese von einer lieblichen Schönheit war, erfüllte Hisham seinen Eltern diesen Wunsch gerne. Davon wusste Samira allerdings nichts, zweifelte nicht an seinen verliebten Worten und verlor ihr Herz an diesen gutaussehenden Prinzen. Sie verlobten sich sehr schnell und nach Samiras Volljährigkeit, sollte im Palast die Hochzeit statt finden. Samira musste diese Neuigkeit damals gleich Samir, ihrem Freund aus Kindertagen erzählen. Er war der Sohn des Kochs und sie wuchsen zusammen auf. Ihr Vater sah diese Freundschaft nicht sehr gerne, aber nichts konnte diese zwei Kinder auseinander bringen. Sie waren Seelenverwandte und erzählten sich alles! Bis auf die Tatsache eben, dass Samir, zum Mann heran gewachsen merkte, wie sich seine Gefühle für die Prinzessin veränderten. Das durfte er nicht! Es würde alles zerstören. Würde ihre Freundschaft zerstören und Samir und sein Vater würden aus dem Palast gewiesen werden. Und so ahnte Samira nichts davon, wie es Samir das Herz zerbrach, als er von der Hochzeit hörte. Und dennoch wünschte er ihr alles Gute, denn alles was er für sie wollte, war dass sie glücklich war. Auch wenn dies sein eigenes Unglück bedeutete.
Samira wurde an diesem Abend reich beschenkt, doch freuen konnte sie sich über nichts. Wenn ihr Vater recht hatte, so würde sie in ein paar Stunden Grotten hässlich sein! Innerlich zitterte sie am ganzen Körper und stocherte lustlos in ihrem Essen herum.
Hisham sah sie fragend an.“ Schmeckt es dir nicht, Liebes?“
Samira versuchte kläglich ein Lächeln zusammen zu bringen.
“Doch, doch, ich habe nur keinen großen Appetit heute, Hisham.“ Hisham sah sie abschätzend an.
„ Du wirst doch nicht etwa krank werden ,Samira?“
Krank, dachte Samira tot traurig, wenn es nur das wäre. Sie hielt es jetzt einfach nicht mehr länger aus, warf Hisham ein „Entschuldige bitte“ zu und rannte unter den erstaunten Blicken der Gäste aus dem Saal. Was hatte die Prinzessin nur, fragten sich diese und ein lautes Gemurmel brach aus.
Ali ben Achmed schaute entschuldigend in die Runde. „Esst bitte weiter, ich werde nach Samira schauen. Ihr ist wohl unwohl.“
Dabei konnte er sich schon denken warum sein geliebtes Kind die Flucht ergriffen hatte. Er hoffte nur, dass sie sich nichts unüberlegtes antun würde! Schwer ging er nun die Treppen hoch zu Samiras Gemach und fand sie dort Tränen überströmt, weinend auf ihren großen Bett mit dem goldenen Baldachin. Es zerriss ihm sein Herz sein Kind so zu sehen und er war Schuld daran!
Er setzte sich nun neben sie auf das Bett und strich ihr die Tränennassen Haare von der Wange. „Mein Kind, ich wünschte, ich hätte Worte des Trostes, aber ich weiß, dass nichts dich wird trösten können. Und ich bin Schuld an allem und weiß nicht, ob ich mit dieser Schuld leben kann!“
Bei diesen Worten schmiss sich Samira in die Arme ihres Vaters. „Sprich nicht so Baba, du hast unüberlegt aus Liebe gehandelt und um mein Leben gekämpft! Und in dieser Angst wohl nicht weiter gedacht. Ich habe Angst, Baba. Ob diese Verwandlung sehr weh tun wird? Oder wird es einfach im Schlaf passieren?“
Ali strich ihr mitfühlend über ihr Haar. „Ich weiß es nicht, mein Kind, aber ich hoffe, wenn es passiert, dass es wenigstens schmerzlos passiert. Hast du mit Hisham darüber gesprochen?“
Samira stand abrupt auf. „ Nein! Er darf nichts davon erfahren! Niemals soll er mich mit dem Gesicht einer Dschinniya sehen!“
Ali drehte sich zu ihr um „Aber mein Kind, seine Liebe könnte doch den Fluch brechen.“ Samira schüttelte bestimmt ihren Kopf.“ Nein! Sollte sich dieser Fluch bewahrheiten, Baba, wird mich kein Mensch jemals wieder ansehen müssen!“
Jetzt liefen dem Sultan die Tränen die Wange hinunter und er schämte sich nicht dafür. „ Aber mein Kind, ich liebe dich doch, egal wie du aussehen wirst! Du kannst dich doch nicht dein Leben lang weg sperren!“ Wenn sie das tat, dann hatte er, trotz Annahme der Bedingung von Aisha, seine Tochter doch verloren. „Vertraue dich wenigstens Hisham an!“ bettelte er jetzt und nahm die Hände seiner Tochter in die Seinen.
„Niemals!“ wehrte Samira ab und wies zum Bild ihrer Mutter. „ Nur noch Mutter wird mich zu sehen bekommen.“ flüsterte sie leise. „ Nur noch Mutter...“
Samir rührte verwundert den Schlaftrunk an, den die Prinzessin bei ihm geordert hatte. Seltsam, Schlafprobleme hatte sie doch noch nie gehabt, dachte er. Und warum war sie nicht bei ihren Gästen? War sie etwa krank? Er wollte sie gleich mal fragen. Vor ihrem Gemach klopfte er 2 mal kurz und dreimal lang an die Tür. So, wie er es schon als kleiner Junge tat. So konnte Samira immer wissen, dass er es war, der um Einlass bat. Sogleich wurde auch die Tür geöffnet und Samira ließ den Freund aus Kindertagen herein.
Dieser stellte das Tablett ab und sah die Angebetete fragend an.“ Bist du krank Samira? Warum bist du denn nicht bei deinen Gästen? Und wofür der Schlaftrunk?“
Samira senkte die Augen. Kurz überlegte sie, wenigstens ihren besten Freund einzuweihen, aber verwarf den Gedanken schnell wieder. Nein, niemand sollte davon wissen, dachte sie und schwieg diesbezüglich.
„ Nein, nein Samir, alles ist in Ordnung mit mir, ich habe nur ein wenig Kopfschmerzen und möchte mich gerne schlafen legen.“
Doch Samir kannte sie viel zu lange, als dass er ihr das abnehmen konnte. Er sah, dass da irgendwas in der Tiefe war, das ihr Angst machte und über das sie nicht reden wollte. Mit einem Lächeln sah er sie nun an.
“ Samira, ich hoffe du weißt, dass du mir alles erzählen kannst, wenn dich etwas bedrückt. Ich werde immer an deiner Seite stehen.“
Samira lächelte nun. Guter, alter Freund.Sie ergriff seine Hände und nahm kurz wahr, wie männlich diese doch geworden waren.
“ Lieber, guter Samir. Das weiß ich und das schätze ich wirklich auch sehr an dir. Aber es gibt wirklich nichts zu erzählen.“
Es tat ihr weh ihn anzulügen, aber es ging wirklich nicht anders. Ihre Verwandlung sollte ein Geheimnis bleiben! Samir blieb nun nicht mehr übrig als sich zu verabschieden. Den Wachen würde sonst auffallen, dass er länger als gewöhnlich im Gemach der Prinzessin verweilte, was ihn den Kopf kosten könnte.Er wusste nicht wieso, aber etwas verführte ihn dazu, noch kurz hinter der verschlossenen Türe zu lauschen. Etwas, was er sonst nie tat. Und was er dort hörte, machte ihn sehr nachdenklich.
Gegen halb elf bat Ali die Gäste für heute mal Schluss zu machen. Er hatte ihnen, sowie auch Hisham erzählt, dass die Prinzessin unter Kopfschmerzen litt und zu ruhen gedenke. Hisham verabschiedete sich als Letzter vom Sultan.
„ Hoheit, grüßen sie Samira von mir, ich werde morgen im Laufe des Vormittags nach ihrem Wohlbefinden schauen.“
Ali nickte nur müde und machte sich auf den Weg zum Zimmer seiner Tochter. Doch sein Klopfen wurde nicht erhört. Ali legte ein Ohr an die Türe. Alles still. Da hatte wohl der Schlaftrunk schon seine Wirkung getan und er konnte um Mitternacht seiner Tochter nicht zur Seite stehen. Als gebrochener Mann ging auch er schlafen und schreckliche Alpträume begleiteten ihn die ganze Nacht.
Schlaflos jedoch, lag Samir nachdenklich im Bett und dachte über Samira nach. An ihrer Türe lauschend hatte er hören können, wie sie wohl zu dem Bild ihrer Mutter sprach. Doch mit dem, was er dort vernahm, wusste er beim besten Willen nichts anzufangen. Warum bat Samira ihre Mutter ,sie in dieser Nacht zu beschützen? Und vor was? Seufzend blies er nun die Kerze aus. Spekulationen würden ihn auch nicht weiterbringen und die Nacht war kurz. Schon bald würde er wieder in die Hitze der Küche zurückkehren müssen. Stille legte sich nun über das Reich Nadorja, doch mit dieser Stille, sollte auch das Grauen seinen Einzug erhalten.
Ganz woanders, im dunklen Nirgendwo, das gerufen werden musste um es zu erreichen, rieb sich die Heilige der Dschinns vor freudig die schrulligen Hände. Hände mit langen, krummen ,grünen Fingernägeln. Vor sich hin kichernd sah sich sich im Spiegel an. Bald würde es vorbei sein mit dieser Hässlichkeit, bald würde sie das hübsche Antlitz der Prinzessin Samira besitzen. In nur 20 Minuten würde sich der Fluch erfüllen. Ihr Gesicht verzog sich nun zu einer Fratze, als sie zu ihrer Sklavin schaute, die auf einem Schemel saß und an einem Gewand nähte. Hart schlug sie mit einer Peitsche zu.
„ Wird es bald! In 20 Minuten muss das Gewand fertig sein, das meine baldige Schönheit unterstreichen soll!“ Schmerzhaft zuckte die Angesprochene zusammen.
„Ich bin sofort fertig, Herrin, höchstens noch zehn Stiche sind zu tun.“ Eine tiefe Traurigkeit stand in dem verhärmten Gesicht , in dem strähnig die fettigen Haare auf die Stirn fielen. Eifrig arbeiteten ihre knochigen Finger an dem goldenen Damast Stoff. Selten gab es was zu essen oder Wasser zur Hygiene für sie. Wie ein Tier wurde sie im Hause der Dschinniya festgehalten. Und sie wusste, dass es für sie kein Entrinnen geben würde und so übergab sie sich kampflos ihrem schweren Schicksal.
Jetzt stand sie auf und reichte Aisha das Gewand hin.
„Ich bin fertig, Herrin.“
Aisha riss ihr das Kleid aus den Händen. „ Was stehst du hier dumm herum? Bewege dich und helfe mir beim Umkleiden!!“
Layla tat wie ihre Herrin befahl und half ihr zügig beim entkleiden. Dabei rümpfte sie angeekelt ihre Nase. Wie dieses hässliche Wesen doch stank! Daran würde wohl auch das schönste Gewand und Antlitz nichts ändern können. Aishas ganze Haut war voll mit brodelten Geschwüren, von denen wohl dieser widerliche Geruch ausging. Wie kleine Vulkane besiedelten sie ihre Haut. Das innere dieser Geschwüre war ein Gift, welches einen Menschen nicht sterben, aber ihn alles vergessen lassen würde. Seinen Namen, seine Herkunft, sein ganzes voriges Leben. Auch Leila trug dieses Gift in sich, wie alle Sklavinnen und Sklaven der Dschinniya. So würden sie ihr weniger Ärger bereiten. Zwei Minuten vor zwölf knüpfte Leila den letzten Knopf zu. Aisha stoß sie darauf hin von ihr weg und Leila stolperte hart zu Boden.
„ Gleich werde ich genauso strahlend schön wie dieses Gewand sein.“ sprach Aisha und stellte sich erwartungsvoll vor ihren großen Spiegel. Das Lachen, das nun aus ihre Kehle kam, schallte hämisch mit tausendfachen Echo durch die tief dunkle Nacht im Reiche der Dschinniya. Die Zeit des Fluches war gekommen!
In Nadorja ging jetzt langsam die Sonne auf und versprach einen wunderschönen Tag.Sultan Ali Ben Achmed schlug seine Augen auf und sofort fiel ihm alles wieder ein. Samira! Der Fluch! So schnell es seine alten Beine erlaubten , sprang er aus dem Bett. Er musste zu seinem Kind! Eilig riss er die schwere Türe seines Gemaches auf und rannte, noch im Nachtgewand, voller Angst zum Zimmer seiner Tochter. Wird der Fluch sich erfüllt haben? Wird sie sehr gelitten haben? Warum nur hatte sie sich eingeschlossen, er hätte ihr doch beistehen müssen! Die erstaunten Blicke der Wachen verfolgten ihn nun, als er hastig die Klinke zu Samiras Gemach herunter drückte. Verschlossen! Er klopfte nun hart gegen die Tür.
„Samira! Kind! Bist du wach? So öffne doch die Tür!“
Nichts! Jetzt machte sich der Sultan noch größere Sorgen und legte seinen Kopf gegen die Türe um zu lauschen. Nichts! Doch plötzlich stutzte er. War dort nicht ein leises Wimmern zu hören? Abermals klopfte er nun gegen die Tür.
„Kind, bitte öffne mir doch!“
Als er keine Antwort bekam, drehte er sich seufzend um, die Wachen schauten und ihm wurde klar was für ein Bild er abgeben musste. Also würde er fürs Erste aufgeben und sich erst mal ankleiden und ein Frühstück zu sich nehmen. Was sollte er nur tun, dachte er ratlos, Hisham würde sicher auch bald eintreffen und er könnte ihn ja nicht ewig hinhalten.
Es hatte nichts genutzt! Sicher war sie schnell eingeschlafen, jedoch riss sie Punkt Mitternacht der Schmerz abrupt aus ihrem Schlaf. Samira dachte mit Grauen an den Moment zurück, in dem sich der Fluch der Dschinniya bewahrheitet hatte. Dachte mit Schrecken daran, wie sie Schmerz überströmt ihre Hände auf ihr Gesicht schlug, das sich schmerzvoll zusammengezogen und wie Feuer gebrannt hatte. Die Verwandlung begann! Zitternd war sie aus dem Bett gesprungen und hatte nach ihrem Frisierspiegel gegriffen, den sie gleich darauf schreiend gegen die Wand schmiss. Oh Allah!Wie sah sie nur aus?! Das was sie dort im Spiegel gesehen hatte, war noch so viel schrecklicher gewesen, als sie es sich ausgemalt hatte! Das hässliche Antlitz der Dschinniya starrte ihr auch jetzt aus dem großen Spiegel entgegen, vor dem sie weinend saß. Samira fuhr traurig mit den Fingern über die tiefen Rillen in ihrem Gesicht, in dessen Mitte eine hässliche lange,spitze Nase saß, auf der viele kleine Geschwüre prangten. Widerlich! Samira senkte angewidert ihre Augen, das Einzige, was sie von ihrem Gesicht behalten hatte. Nun würde sie für immer hier in diesem Zimmer eingesperrt bleiben, denn so würde sie nie mehr ein Mensch zu Gesicht bekommen. Samira nahm jetzt das Miniatur Gemälde ihrer Mutter in die Hand. Ich wünschte, ihr wäre bei dir Mutter , dachte sie schweren Herzens, aber das wäre eine Sünde vor Allah. Also werde ich mich meinem Schicksal stellen, so schwer dies auch werden wird.
Nachdem der Sultan gefrühstückt hatte, begab er sich abermals zum Gemach seiner Tochter. Die Wachen schickte er fort, bevor er schwer gegen ihre Türe klopfte. „ Samira, so öffne doch die Tür. Oder sprich wenigstens mit mir! Wir müssen doch eine Lösung finden, mein Kind. Allah, was habe ich nur getan!“ Schwer sackte er jetzt vor der Türe seiner Tochter zusammen. Warum sagte sie denn nichts? Er war doch ihr Vater und würde sie lieben, egal wie sie aussah! Plötzlich bemerkte er, wie sich ein Stück Papier unter der Türschwelle hindurch schob und griff danach. Sofort erkannte er die Handschrift seine Tochter. Und dann fing er zitternd er zu lesen.
Geliebter Baba, leider hat sich der Fluch wie befürchtet, heute Nacht bewahrheitet. Da dir das Antlitz der Aisha Quandischa ja bekannt ist, brauche ich dir ja nicht erklären wie fürchterlich mein Anblick jetzt ist. Bitte verzeihe mir, wenn ich auch dir den Eintritt in mein Zimmer noch nicht gewähren kann. Es ist einfach alles zu furchtbar. Da ja für mein Wohl gesorgt werden muss, habe ich jedoch eine Bitte an dich. Erinnerst du dich an die blind geborene Bäcker Tochter Salma? Sie möchte doch bitte in meine Dienste treten und gut bezahlt werden. Nur sie wird mein Zimmer betreten dürfen und mir das Essen bringen , sowie für in wenig Unterhaltung sorgen dürfen. Aber du musst mir versprechen, niemanden etwas von dem Fluch zu erzählen.Und stelle die Wachen vor meinem Zimmer weg, damit niemand einen Blick herein werfen kann, wenn ich Salma die Türe öffne. Ich zürne dir nicht Baba und möchte nicht, dass du dir schwere Vorwürfe machst. Was mit Hisham geschehen soll, Baba, das weiß ich noch nicht und bitte dich, ihm vorerst, wie auch allen anderen, von einer Krankheit zu erzählen. Später sehen wir weiter. In Liebe, deine Tochter Samira
Ali senkte die Hand in der er den Brief hielt und Tränen überströmten sein gutmütiges Gesicht. Sein armes, tapferes Kind. Aber jetzt wollte er sich erst mal auf zum Bäcker machen und ihm selbst von der Anstellung seiner Tochter Salma mitteilen. Schnell klopfte er an die Tür und sprach laut:
“ Ich werde gehen und dir deinen Wunsch erfüllen Samira, damit du alsbald etwas zum essen bekommst.“
Dann lief er so schnell er konnte zum Stall und ließ seinen Hengst satteln. Doch gerade als er aus dem Tor reiten wollte , kam ihm Hisham hoch zu Ross entgegen.
„Brr!“ hielt er sein Pferd an und sah den Sultan fragend an. „ Wohin des Weges in dieser frühen Morgenstunde, Hoheit?“
Ali griff zu einer Notlüge. „ Ich muss schnell den Heiler holen, Samira scheint sehr erkrankt und da wir nicht wissen ob es ansteckend ist, kann vorerst niemand zu ihr!“
Mit finsteren Gesicht sprang Hisham vom Pferd „ Krank? Heißt das, ich bin den ganzen Weg umsonst hier her geritten?“
Ali schüttelte in Gedanken den Kopf. Die Frau, die Hisham liebte, war angeblich krank und das einzige was diesen interessierte war, dass er nun umsonst den Weg zum Palast auf sich genommen hatte. Ali ließ ihn jetzt einfach stehen.
“Verzeih, ich habe es sehr eilig, und du reitest am besten nach Hause. Ich werde dir Bescheid geben lassen, wenn wir Neues wissen!“ meinte er, und ritt vor dem verdutzt schauenden Hisham einfach davon.
Hisham blieb nichts anderes übrig, als wieder auf sein Pferd zu steigen, welches er wütend seine Peitsche spüren ließ. Verdammt, wenn die Hochzeit nicht bald statt finden würde, hätte er von seinen Eltern nichts mehr zu erwarten!
Samir war schon früh in der Küche gewesen und staunte nicht schlecht, als plötzlich und ungewohnt, der Sultan in diese trat. An seiner Seite stand wartend die blinde Bäckers Tochter, die so ziemlich jeder in Nadora kannte. Nanu, was macht sie denn hier?dachte Samir erstaunt Nun wandte sich der Sultan an Samirs Vater.
„ Koch, das ist Salma und die persönliche Betreuung der Prinzessin. Aus gesundheitlichen Gründen wird nur sie ihr Gemach betreten dürfen. Samir soll sie bis zur letzten Treppe begleiten, die Schritte ab dort bis zu Samiras Gemach haben wir soeben geprobt und diese kann sie alleine gehen. Bitte bereitet unverzüglich ein Frühstück für die Prinzessin zu! Legt es in einen Korb anstatt auf ein Tablett, damit Salma besser damit zurecht kommt.“
Samir und sein Vater sahen sich erstaunt an, nickten aber zustimmend. Fragen zu stellen war ihnen nicht gewährt, aber nachdenklich machte es Samir schon und das Denken konnte ihm ja niemand verbieten. Jetzt setzte er Salma erst mal auf einen Schemel. Er merkte, dass das Mädchen vor Aufregung zitterte, nie hätte sie als Blinde damit gerechnet eine Anstellung im Palast zu bekommen, dann noch so eine gut bezahlte. Nun würden ihre Eltern keine Not mehr leiden müssen.
„ Setze dich Salma und habe keine Angst,“ beruhigte er das Mädchen,“ Prinzessin Samira ist ein herzlicher Mensch, du hast nichts zu befürchten.“
Salma setzte sich und langsam fiel die Anspannung von ihr ab. Etwas später stellte sie vor dem Gemach der Prinzessin ihren Korb ab und klopfte an die Türe.
„ Wer ist dort?“ fragte eine Stimme von innen.
Salma trat näher an die Tür heran. „Ich bin es Prinzessin, Salma. Ich bringe euer Frühstück.“ Knarrend öffnete sich nun die schwere Holz Türe ,Salma griff zu dem Korb und betrat schüchtern das Zimmer der Sultans Tochter.
Samir ging nachdenklich in die Küche zurück, nachdem er Salma zur Treppe begleitet hatte. Sofort hatte er wahr genommen, dass keine einzige Wache im Gang zu sehen war. Das war äußerst ungewöhnlich! Was ging hier nur vor sich? Warum stellte man ein blindes Mädchen in die Dienste der Prinzessin? Und vor allem, warum schloss sich diese ein? Er wusste noch nicht wie, aber er musste es heraus bekommen. Er machte sich große Sorgen um die Freundin, die er so sehr liebte. Aber er machte sich nichts vor, auch wenn Samira diese Liebe erwidern würde, käme eine Hochzeit der beiden niemals in Frage.Er dachte an ihre Kindheit zurück, wie sie stundenlang in den üppigen Gärten des Palastes spielten. Beide liebten sie die Natur, die Vielfalt der Pflanzen und ihren Duft. Ein Lächeln umspielte nun seine Lippen als er daran dachte, wie oft sie heimlich Nachts unter dem Sternen Zelt auf dem Rasen lagen. Sie konnten sich stundenlang erzählen, aber genau so auch einfach nur zusammen schweigen. Desto älter sie jedoch wurden, desto schwerer wurden die heimlichen Treffen. Und vor allem wurden sie gefährlicher, seit Samira zu einer wunderschönen Frau herangewachsen war. Irgendwann musste Samir sich zugeben, dass dieses Gefühl des Vermissen, längst kein freundschaftliches mehr war. Er liebte Samira. Als Mann, der er mittlerweile geworden war. Und auch wenn er wusste, dass seine Liebe keine Zukunft hatte, schwor er sich, seine Angebetete ihr ganzes Leben lang zu beschützen und alles Unheil von ihr abzuwenden. Und jetzt machte es ihn todtraurig, da er merkte, dass irgend etwas nicht stimmte, die Liebste sich ihm aber nicht anvertrauen wollte. Er griff nun seufzend zu einem Hühnchen, es half ja nichts, das Mittagsmahl musste vorbereitet werden.
Hisham stand mit gesenktem Kopf vor seinem Vater Mohamed ben Ibn. Dieser schritt jetzt nervös durch das Zimmer.
„ Gibt es noch immer keinen festen Termin für die Hochzeit, mein Sohn?!“
„ Verzeiht Vater, doch die Prinzessin ist krank und man verwehrt mir den Zutritt zu ihr.“ meinte Hisham mit gesenkten Augen.
Sein Vater haute jetzt hart die Faust auf seinen Schreibtisch, auf dem sich unbezahlte Rechnungen stapelten.
„ Den Zutritt zu ihr verwehren? Als ihr Verlobter? Und das lässt du dir gefallen? Was hab ich nur für einen Schwächling groß gezogen!“ schimpfte er wütend vor sich hin.
Hisham schluckte die Worte, die er jetzt seinem Vater gerne gesagt hätte hinunter, und versuchte ihn milde zu stimmen.
„ Der Sultan suchte schon einen Heiler auf, sicher wird sich bald alles zum Guten wenden Vater, und die Hochzeit stattfinden können.“
Mohamed ließ sich schwer auf seinen Stuhl fallen und wies auf den Stapel Papier. „ Das hoffe ich doch mein Sohn, wie du siehst, ist Eile geboten, bevor meine Gläubiger mir mein Haus einrennen!“
Samira nahm Salma das Tablett aus der Hand und führte sie zu einem Schemel.
„ Setze dich Salma. und leiste mir etwas Gesellschaft beim Frühstück!“
Salma wollte abwehren. „ Aber Prinzessin, das steht mir nicht zu. Ich bin nur eine einfache Dienerin.“
Samira drückte Salma sanft auf den Schemel.
„ Nein, das bist du nicht Salma. Ich möchte dich gerne als meine Gesellschafterin haben. Anhand einer Krankheit kann ich niemanden zu mir lassen außer dir.Wenn du denn damit einverstanden bist.“
Salma lächelte nun dankbar. „ Aber natürlich, Prinzessin, es ist mir eine Ehre euch Gesellschaft leisten zu dürfen.“
„ Hast du keine Angst auch krank zu werden?“ fragte Samira überrascht.
Salma schüttelte ihren Kopf. „ Nein Prinzessin, ich lege mein Schicksal in Allahs Hand. Und wenn es meine Aufgabe ist, euch zu dienen, dann tue ich das mit stolz!“
Samira gefiel dieses junge offene Mädchen, die genau wie sie ein schwere Los zu tragen hatte. Und nach ein paar Tagen hatten sie sich richtig eng angefreundet. Nachts lag Samira weinend wach, wenn sie an ihr weiteres freudloses Leben in Hässlichkeit dachte, doch tagsüber lenkten sie Salmas Gesellschaft und Erzählungen weit gehend ab von ihrer Qual. Das Mädchen erzählte aus ihrer Schulzeit, von ihrer Familie, von dem einfachen Leben als Bäcker Tochter. In eine Schule war Samira nie gegangen , sie bekam Privat Unterricht, und ein wenig war sie neidisch auf das, was sie dadurch alles verpasst hatte. Wenn sie recht überlegte, war sie, außer mit Samir, so gut wie nie mit anderen Kindern zusammen gewesen.
„Ich beneide dich um deine Schulzeit, Salma.“ meinte sie nun,“ „diese Art der Kindheit hatte ich nie. Ohne Mutter und nur unter Männern mit Vater und Brüdern, wurde ich streng bewacht und musste alles lernen, was eine Prinzessin wissen musste um ihre Familie in Ehren vertreten zu können.“
Salma schaute traurig in Samiras Richtung. „Das stelle ich mir furchtbar vor, Prinzessin. Niemals möchte ich meine Kindheit vermissen, die trotz meinem Blind sein wunderschön war.“
Samiras Blick fiel in den Spiegel und kurz erschrak sie vor sich selbst. Manchmal vergaß sie ganz ihr Aussehen, bis ein Blick in den Spiegel ihr wieder klar machte, dass dieser Alptraum wahr war. Schnell entließ sie Salma um sich dann laut schluchzend
auf ihr Bett fallen zu lassen, das Bild ihrer Mutter fest an ihre Brust gedrückt.
Hisham ging wütend vor dem Sultan auf und ab. „ Hoheit! Wie lange wollt ihr mich noch von meiner Verlobten fern halten? Und was für eine Krankheit hat sie denn? Verstehen sie denn nicht, was für große Sorgen ich mir um Samira mache?“ fragte er jetzt mit einer großen Ungeduld in seiner Stimme.
Ali ben Achmed knetete nervös seine Hände. Er wusste bald nicht mehr, was er Hisham noch erzählen sollte. Verflucht, warum nur wollte seine Tochter sich Hisham nicht anvertrauen? Sie liebten sich doch! Und Liebe könnte sein Kind doch sicher von diesem Fluch befreien. Er musste unbedingt noch ein mal mit Samira reden. Aber erst mal musste er Hisham erneut anlügen.
„ Der Heiler steht vor einem Rätsel Hisham. Und er hat jetzt jemanden geschickt um Rat bei seinem Meister und Lehrer zu holen. Wir machen uns ja alle große Sorgen Hisham.“ Hisham griff zu seinen ledernen Reithandschuhen.
„Dieses mal noch werde ich mich zurück halten, Hoheit, aber bei meinem nächsten Besuch, wird mich nichts davon abhalten, meine Verlobte zu sehen!“
Schnell noch machte er einen Verbeugung vor dem Sultan, bevor er aus dem Zimmer stürmte. Ali ließ sich schwer auf seinen Stuhl fallen. Allah, hilf mir, dachte er seufzend, hilf mir und meinem Kinde. Dann machte er sich auf, um erneut bei Samira um Einlass zu bitten.Auf dem Weg zu Samirs Gemach, traf er Salma, die sich vorsichtig den Weg zur Treppe herunter ertastete. Schnell trat er zu ihr hin und ergriff helfend ihren Arm.
“ Warum bist du nicht bei der Prinzessin, mein Kind?“ fragte er sie.
Mit ihrem zarten Stimmchen antwortete das Mädchen: „ Sie wollte alleine sein, Hoheit und schickte mich hinaus. Mir scheint, irgendetwas schien sie furchtbar traurig gemacht haben.“ Das arme Kind. Der Sultan konnte sich schon denken warum Samira traurig war.
„Ich werde gleich mal nach ihr schauen, Salma. Du kannst jetzt erst mal Samir in der Küche Gesellschaft leisten, ich führe dich hin.“
Kurz darauf klopfte der Sultan an Samiras Tür.
„ Kind, ich bin es, dein Vater. Bitte öffne mir doch endlich die Tür! Wir können doch nicht unser ganzes Leben lang zwischen Tür und Angel reden!“
„ Geh weg Vater,“ hörte er nun von innen, „ ich möchte alleine sein. Und ich möchte dir meinen Anblick ersparen.“
Ali seufzte. „ Kind, ich bin doch dein Vater und liebe dich, egal wie du aussiehst. Hisham wird langsam ungemütlich. Wir müssen reden Samira. Irgendetwas müssen wir tun!“
Ali hörte wie Samira hinter der Türe laut aufschluchzte.
„ Was sollen wir denn tun, Vater? Wir können nichts tun! Die Dschinniya wollte mein Antlitz, du hast es ihr versprochen und nun hat sie es. Und ich ihres!“
Es zerriss Ali wie seine Tochter litt und dass er die Schuld daran trug, aber dass sie ihn nicht herein ließ, konnte so nicht weiter gehen.Da musste er jetzt mal durch greifen!
„ Lass mich herein Samira, oder ich bin gezwungen, Hisham die Wahrheit zu sagen!“ Erschrocken ließ sich Samira gegen die Türe fallen. Nein, das durfte er nicht!
„Das wirst du nicht tun, Vater!“ Ali fiel es unsagbar schwer so hart zu sein, aber es ging nicht anders.
„ Lass mich herein damit wir reden können, oder aber ich verständige Hisham von dem Fluch. Und ich meine das ernst, mein Kind!“ Ali hörte wie sich der Schlüssel drehte und langsam, ganz langsam öffnete sich die Tür.
„ Das war gemein, Vater!“ weinte Samira, die Hände vor ihrem Gesicht und ließ sich schluchzend auf ihr Bett fallen, ihr Gesicht in die Kissen vergraben. Wie konnte ihr Vater sie nur so erpressen?!
Froh, endlich eingelassen worden zu sein, trat der Sultan vor Samiras Bett und ergriff ihre Hände.
„ Bitte schaue mich an, mein Kind.“ bat er, doch Samira riss die Hände zurück an ihr Gesicht.
„ Ich bin so hässlich, Vater, bitte verschone dich vor diesem Anblick.“ weinte sie nun. Doch der Sultan ließ sich nicht abweisen, er wollte einfach nur sein Kind in die Arme nehmen. Kurz noch wehrte sich Samira als er sie hoch hob, aber dann gab sie plötzlich nach und ließ sich Tränen überströmt an seine Brust fallen: „ Ach Babachen, geliebter Baba, du hast mir so gefehlt.“
Der Sultan drückte sein Kind nun ganz fest an sich. „Mein Augenstern, mein geliebtes Kind, ich bin da für dich. Immer!“
Dann fasste er ihren gesenkten Kopf am Kinn und schob ihn nach oben, sodass Samira ihn direkt ansehen musste. Auch wenn er das schreckliche Antlitz der Dschinniya kannte, wirkte es nun, auf dem Körper seiner geliebten Tochter, doppelt abstoßend, doch er bemühte sich Samira nichts davon merken zu lassen. Sanft setze er sie nun auf ihr Bett und ließ sich neben ihr nieder.
„ Irgendwie muss ich heraus bekommen, wie dieser Fluch sich brechen lässt und wenn ich die Dschinniya nochmals rufen muss.“ Samira sah ihn erschrocken an.
„ Bitte Vater, bringe dich nicht auch noch in Gefahr, ich möchte dich nicht auch noch verlieren und du bist ja auch nicht mehr der Jüngste.“
Ali seufzte, ja, da hatte sie wohl Recht. Jetzt aber wollte er das Thema erst mal auf Hisham bringen.
„ Kind, Hisham wird ungeduldig und ich weiß nicht, was ich ihm noch erzählen soll. Er macht sich große Sorgen um dich. Ich habe ihm jetzt noch erzählen können, dass der Heiler nach seinem Lehrer und Meister geschickt hat, aber das kann ja auch nicht ewig dauern. Irgendwann mein Kind, muss er die Wahrheit erfahren.“
„Nein!“ Samira sah ihren Vater erschrocken an. „ Niemals wird er von meiner Hässlichkeit erfahren, eher löse ich die Verlobung, wenn wir nicht bald eine Lösung finden!“
Ali drückte sie fest an sich.
„ Mein armes Kind, was habe ich dir nur angetan.“ Samira küsste ihn auf seine alte faltige Wange.
„ Mein Leben gerettet, Vater.“
Ali sah sie traurig an. „ Ja, aber unter welchen Bedingungen.“
„ Es ist wie es ist, Vater, und Liebe ist es wohl auch nicht, sonst hätte deine Liebe jetzt diesen Fluch gebrochen.“
Ali nickte. „ Ja, mein Kind, es ist dann wohl nicht die Liebe eines Vaters, die stark genug ist. Aber vielleicht Hisham..?“ versuchte es der Sultan abermals seine Tochter umzustimmen, doch als Antwort bekam er wieder nur ein bestimmtes „ Nein,niemals!“
Samir, der wie immer fleißig in der Küche hantierte, trat jetzt zu Salma, die, mit einem Glas Tee in der Hand, auf einem Schemel saß. Vielleicht würde er ja von ihr etwas heraus bekommen. Lächelnd sah er sie an, unbewusst, dass sie ihn ja gar nicht sehen konnte. „ Hallo Salma. Bist du sonst nicht um die Uhrzeit im Gemach der Prinzessin?“
Salma stellte den Tee ab. „ Sie bat mich darum, allein sein zu dürfen,Samir. Irgend etwas hatte sie wohl traurig gemacht.“ meinte sie.
Samir horchte auf. Traurig. Er musste einfach wissen warum! Was die geliebte Frau bedrückte. Leise, damit die anderen es nicht mit bekamen, fragte er das Mädchen nun, ob sie eine Idee hatte, warum das so sein könnte. Salma verneinte.
„ Es kam aus heiterem Himmel. Wir hatten über meine Schulzeit gesprochen und die Prinzessin bedauerte, dass sie selber nie eine Schule hat besuchen dürfen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass dies der Grund gewesen sein konnte, dass sie auf einmal regelrecht depressiv wurde und allein sein wollte.“
Salma zuckte mit dem Schultern. Sie konnte sich über das Verhalten der Prinzessin selber kein Reim draus machen. Samir wollte sie auch nicht weiter ausfragen, bedankte sich bei dem Mädchen und ging nachdenklich an den Herd zurück. Irgendwas stimmte hier nicht und das musste er heraus bekommen.
Dass vor Samiras Türe keine Wachen mehr standen kam Samir nur zu Gute, als er sich in der Mittagszeit, als der halbe Palast ein Schläfchen hielt, zu Samiras Zimmer schlich. Schnell klopfte er sein Erkennungszeichen an die Tür.
„ Samira, ich bin es, Samir. Mach mir doch bitte auf. Ich mache mir große Sorgen um dich.“ Hinter der Türe zuckte Samira erschrocken zusammen. Samir, guter alter Freund. Aber auch du darfst die Wahrheit nicht erfahren, dachte sie traurig. Aber Samira kannte ihren Freund aus Kindertagen und wusste, er würde keine Ruhe geben. So stand sie auf und ging an die Türe, öffnete aber nicht.
„Samir,“ meinte sie,“ bitte habe keine Sorge um mich. Ich bin ein wenig krank und da man nicht weiß, ob es ansteckend ist, bin ich erst mal hier in Quarantäne.“
Es tat weh den Freund zu belügen, aber es ging nicht anders. Samir jedoch, gab sich damit nicht zufrieden.
„ Samira, bitte öffne mir, ich habe keine Angst vor Ansteckung und möchte bei dir sein, wenn es dir nicht gut geht.“
Hinter der Türe liefen Samira nun die Tränen über das Gesicht, bei dem, was sie nun tun musste. Ihre Stimme versuchte nun hart zu klingen.
“ Was erlaubst du dir, Küchenjunge? Mein Vater würde niemals tolerieren, dass ich dir Einlass gewähre. Und nun belästige mich bitte nicht länger, sonst lasse ich die Wachen rufen!“
Samir brach es das Herz als er diese Worte hörte. Das konnte nicht aus Samiras Herzen kommen, dafür kannte er sie zu gut. Irgendetwas zwang sie wohl dazu, so zu handeln. Geknickt drehte er nun um.
„Ich gehe, Samira. Aber ich werde nicht aufhören nach dem zu suchen, was dich dermaßen belastet!“
Im Lande der Dschinns und allem Bösen drehte sich Aisha Quandischa kichernd vor ihrer Sklavin.
„ Sag Weib, bin ich nicht wunderschön?“ Leila senkte ihre Augen. Das macht dich von innen auch nicht besser, dachte sie, sprach es aber nicht aus.
“ Wunderschön seid ihr Herrin.“ meinte sie stattdessen, um Aisha nicht zu verärgern. Aisha grinste hämisch.Wenn du wüsstest, dachte sie, wenn du wüsstest..! Da Aisha nur das Antlitz der Prinzessin besaß, stank sie immer noch, als käme dieser Geruch direkt aus der Hölle. Leila, die selbst wie ein Tier gehalten wurde und nie in den Genuss körperlicher Hygiene kam, fragte ihre Herrin nun, ob sie ihr nicht ein Bad herrichten sollte. Das hätte sie lieber sein lassen sollen.
„ Willst du mich vergiften?! Soll ich den mir anhafteten herrlichen Duft vernichten mit einem Bad?“ Dann aber griff sie zu Leilas strähnigen fettigen Haar und meinte zuckersüß: „ Aber vielleicht möchtest du ja ein Bad nehmen?“
Leila konnte ihr Glück nicht fassen und strahlte bei diesen Worten.
„ Oh Herrin, wie gütig von euch, nur zu gerne würde ich ein Bad nehmen!“
Doch kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, spürte sie die Peitsche auf ihrem Rücken und mit einem tief kehligem Lachen trieb Aisha Leila aus dem Raum.
„ Du nichtsnutziges Ding, glaubst du wirklich, du hättest mit irgend etwas ein Bad verdient? Geh hinfort zum Tümpel und fange mir drei Kröten zum Mittagessen und zwar schnell!“ Nochmals schlug sie zu und wimmernd verließ Leila das Zimmer ihrer Herrin. Und wieder ein mal fragte sie sich, wer bin ich, wer war ich und wie kam ich nur hier her? Wie all die anderen Sklaven auch.
Die Nacht legte sich über Nadorja und zwei Wochen sind nun schon seit Samiras Geburtstag vergangen. Hell glitzernden tausende von Sternen am klaren Nachthimmel, und würde das Schicksal es nicht so schwer mit ihr meinen,würde Samira den Ausblick an ihrem Fenster sicher auch genießen können. Wie sehr sehnte sie sich nach einem Spaziergang im Palast Garten, der Sonne, den Duft der Blumen und den heimlichen Gesprächen mit Samir. Doch ihre Hässlichkeit zwang sie in ihrem Zimmer zu bleiben. Und dass nur ihr Vater und Salma zu ihr durften. Ihr Vater, der sie liebte, egal wie sie aussah und Salma, die sie nicht sehen konnte, weil sie blind war wie die Nacht. Plötzlich unterbrach Samira ihre Überlegungen. Blind wie die Nacht! dachte sie.Sollte sie es wagen, Nachts wenn alles dunkel ist und schläft , im Garten frische Luft zu schnappen? Nun war sie bei dem Gedanken ganz aufgeregt und schaute auf einen ganz besonders hellen Stern, der nun anfing zu blinken, so als wollte er ihr Mut machen. Ich werde es versuchen! entschloss sie sich. Sie brauchte frische Luft, sonst würde sie durch drehen. Sie setzte sich auf ihr Bett und wartete bis es nach zwölf Uhr war. Dann würde sicher jeder schlafen. Schnell warf sie sich ihrem Umhang um, bevor sie es sich anders überlegte und zog sich tief dessen Mütze ins Gesicht. So sollte es gehen. Vorsichtig öffnete sie die Türe, schaute nach links und rechts und lauschte in den Gang. Nichts! Alles ruhig. Schnell raffte sie ihren Umhang zusammen und eilte schnellen Schrittes zur Treppe. Nur gut dachte sie, dass diese aus Marmor und nicht aus Holz war, dann konnte sie nicht knarren.
Jetzt hatte sie die prächtige Eingangshalle erreicht und lauschte auch hier, bevor sie sich zur großen Eingangstür wagte. Rasch schloss sie diese auf und rannte die Stufen hinunter und stolperte fast, aber das war noch mal gut gegangen. Leila zog tief die frische Nachtluft in ihre Lungen, während sie sich auf den Weg in den Garten machte. Allah ,war das herrlich nach der langen Zeit im Zimmer. Da Vollmond und dazu noch ein Sternenklarer Himmel war, hatte Samira keine Schwierigkeiten ihren Weg zu finden. Sie wollte zum Pavillon, dort, wo sich sich immer mit Samir getroffen hatte, als sie noch Kinder waren. Schnell war sie am Eingang des großen Gartens angekommen. Des Sultans Garten galt als der schönste im ganzen Orient. Viel Grün, kleine goldene Brücken über Teiche mit herrlichen Seerosen, wunderschöne Marmor Statuen, viel exotische Pflanzen, Volieren voll der schönsten Vögel aus allen Ländern, sowie den Pavillons und vielen weißen Schaukeln, die zum Vergnügen gedacht sind. Jetzt hatte sie den Pavillon erreicht und ließ sich auf der kleinen weißen Bank darinnen nieder. Sie lehnte sich zurück und schaute in den Nachthimmel. Wie wunderschön dieser doch anzusehen war. Samira musste an ihre Mutter denken, die sie nie hat kennenlernen dürfen. Mutter, dachte sie, bist du dort oben in den Sternen? Bist du vielleicht der am hellsten leuchtende Stern dort oben? Ach Mutter, sicher wäre es besser gewesen, hätte mich Vater sterben lassen, dann wäre ich dort oben bei dir und müsste mich nicht vor Hässlichkeit mein Lebtag verstecken.Wie ihre Mutter wohl gewesen wäre? Ihr Vater hatte ihr erzählt, dass ihre Mutter sie sehr geliebt hatte. Sicher hätten sie sich gut verstanden. Ihr Vater hatte nie mehr geheiratet und so blieb ihr zumindest eine Stiefmutter erspart. Das Zirpen der Grillen riss Samira nun aus ihren Gedanken. Fünf Minuten werde ich die Nacht hier draußen noch genießen, dachte sie, dann mache ich mich lieber auf den Rückweg.
Zur selben Zeit, als Samira noch an ihrem Fenster stand, lag Samir schlaflos in seinem Bett im Gesindel Haus neben dem Palast. Die Arme unter dem Kopf gekreuzt musste er wieder an das komische Verhalten seiner Freundin denken. Der Mond malte schemenhafte Schatten an seine Wand, als er nun seufzend aufstand und beschloss, lieber ein wenig im Park spazieren zu gehen und die milde Vollmond Nacht zu genießen, anstatt sich schlaflos im Bett hin und her zu wälzen. Ja, er wollte hinunter zu dem Pavillon seiner Kindheit gehen und dort konnte er dann weiter überlegen, was geschehen sein konnte. Dass Samira denselben Gedanken hatte, davon ahnte er nichts. Und er stoß auch von einem ganz anderen Eingang in den Garten als Samira, die ihn ja vom Palast aus betrat. So konnten sie sich auch nicht begegnen. Jetzt aber stutzte Samir, als er von weitem den Pavillon im Mondlicht sah. Da saß doch jemand auf der Bank! Um diese Uhrzeit? Zur gleichen Zeit nahm Samira das Rascheln eines Busches war und zuckte erschrocken zusammen. Doch dann beruhigte sie sich wieder. Das war sicher nur eine der drei Perser Katzen, die ihr Vater besaß. Trotzdem beschloss sie schweren Herzens, sich doch jetzt langsam lieber auf den Weg zu machen. Sie erhob sich, faste den Umhang eng zusammen, so, dass sie gerade noch etwas sehen konnte. Wie jedoch erschrak sie, als sie plötzlich gegen jemanden stieß, der soeben den Pavillon betrat. Samir!! Samira wollte am liebsten im Erdboden verschwinden und zog sich tief die Mütze ins Gesicht. Damit hatte sie nicht gerechnet. Das Mondlicht reichte zwar nicht aus ein Gesicht zu erkennen, aber Samir erkannte Samira allein an ihrer zarten Gestalt und dem erschrockenen Laut aus ihrem Mund. Freudig packte er sie nun an ihren Schultern. „ Samira! Wie bin ich froh dich hier zu treffen!Komm, lass und auf unsere alte Bank setzen und ein wenig reden.“ Nie hätte er mit Samiras Reaktion gerechnet, die darauf folgte. Schnell wie der Blitz entwand sie sich aus seinem Griff und rannte wie der Teufel davon. Enttäuscht schrie er ihr noch hinterher .
„Samiraaaa, so bleib doch, was ist denn nur los mit dir?!“.
Doch die Prinzessin war schon längst in der dunklen Nacht verschwunden. Zurück blieb ein junger Mann mit blutendem Herzen. Das wurde ja immer seltsamer......
Schnell schmiss Samira die Türe ihres Zimmers zu und lehnte sich schwer atmend dagegen. Dann zog sie den Umhang aus und ließ sich zitternd auf ihr Bett fallen. Bei Allah, dachte sie seufzend, das war grade noch einmal gut gegangen. Nicht auszurechnen, wenn Samir ihr Antlitz gesehen hätte! Jetzt kamen ihr die Tränen. Es tat ihr alles so furchtbar leid und sie vermisste ihren Freund aus Kindertagen. Immer war er für sie da gewesen, hatte ihr zu gehört und sie getröstet, wenn sie mal wieder unter der Strenge ihrer Erziehung leiden musste. Sicher liebte ihr Vater sie und tat alles für sie, aber er war eben auch darauf bedacht, dass Samira der Familie keine Schande machte. Grade auch, weil sie ohne die Hand einer Mutter aufwachsen musste. Er ist so männlich geworden, dachte sie jetzt im Stillen. Als Mann hatte sie ihn vorher nie gesehen. Und doch war ihr sein Antlitz so vertraut. Die vollen Lippen, die wunderschönen Graugrünen Augen mit den langen dunklen Wimpern, den wohlgeformten Kopf mit den dunklen Locken. Leise, und ohne zu wissen warum, flüsterte sie nun seinen Namen: „ Samir.“ Doch schon schob sich in ihre Gedanken ein ganz anderes Gesicht. Schmale Lippen, Adlernase und dunkle Augen unter buschigen Brauen. Hisham. Samira horchte in sich hinein. Und war erschrocken ,wie sehr sich doch ihr Gefühl für Hisham in diesen zwei Wochen geändert hatte. Längst war es nicht mehr so tief, wie es in ihrer ersten Verliebtheit gewesen war. Ach, dachte sie, das ist bestimmt nur deshalb, weil ich mich zur Zeit ja selbst nicht lieben kann, so wie ich jetzt aussehe. Es wurde schon fast hell in Nadorja, als Samira endlich in tiefen Schlaf fiel. Und nichts davon ahnte, was ihr ihr Vater am Vormittag mitzuteilen hatte...
„ Ich bitte ihn hinein,“ meinte Ali ben Achmed mit einem Seufzen, als sein Diener ihm Hishan anmeldete. Kurz darauf trat dieser schnellen Schrittes vor den Sultan. Unter seinen Augen saßen tiefe Ränder, dieser Mann schien nicht lange geschlafen haben, dachte Ali. Womit er auch recht hatte. Hishams Vater drängte täglich mehr auf die Hochzeit, und Hisham kam keinen Schritt vorwärts. Er muss jetzt Klarheit über das Befinden der Prinzessin haben und wollte sich nicht länger hin halten lassen. Der Sultan klingelte nach Tee und bat Hisham Platz zu nehmen. Hisham brachte auch sogleich das Gespräch auf Samira. „ Hoheit, ich bin gekommen, um Samira zu sehen und mit ihr zu sprechen! Ihr werdet Nachsicht mit einem liebenden Mann haben, der sich große Sorgen um seine Verlobte macht. Und mir ist es ganz egal, ob ich mich anstecken könnte. Ich bestehe darauf, meine Braut zu sehen!“ Ali knetete verstohlen seine schwitzenden Hände ineinander. Was sollte er nur tun? Er hatte Samira versprochen Hisham nicht die Wahrheit zu sagen. Dieser ließ sich aber nicht mehr vertrösten und könnte mit seiner Liebe zu Samira ja auch vielleicht den Fluch brechen. Keine Minute dachte der Sultan daran, dass man die Liebe zu so einen lieblichen Menschen wie seine Tochter es war, nur von ihrem Aussehen abhängig machen konnte. Wie sollte er auch wissen, dass Hisham im Grunde nur einen lieben konnte-sich selbst. Ali kämpfte noch kurz mit sich, dann beschloss er, Hisham von dem Fluch zu erzählen. Schließlich war er der Mann, mit dem seine Tochter den Rest ihres Lebens verbringen wollte. Und so fing er an zu erzählen, von der Geburt seiner Tochter, die Schwäche seiner Frau, das Fieber der Beiden und seinem verzweifelten Ruf nach der Heiligen der Dschinns. Und wieder konnte er die Tränen nicht vermeiden, bei dem Gedanken, was er seiner Tochter angetan hatte.
„ Ihr habt was??!“ stieß Hisham erschrocken aus und sprang abrupt aus seinem Sessel. Sein Gesicht war Leichenblass geworden und nervös lief er jetzt im Zimmer auf und ab. Wütend schaute er den Sultan an.
„ Wie konntet ihr nur für diesen Tausch eure Zustimmung geben? Da wäre es doch besser gar nicht zu leben, als mit der Hässlichkeit einer Dschinniya! Und schamlos angelogen habt ihr mich noch dazu!“
Hisham hätte die Verlobung am liebsten gleich gelöst, jedoch musste er an die Worte seines Vaters denken. „ Wenn die Hochzeit nicht noch diesen Monat statt findet, jage ich dich aus meinem Haus. Sei ein Mann und lasse dich von dem Sultan nicht immer abwimmeln. Schließlich bist du der Verlobte seiner Tochter!“
Hisham kaute angestrengt auf seinen Lippen, bis er einen kleinen Blutstropfen auf seine Zunge spürte. Verdammt, dachte er, ich muss mich jetzt zusammenreißen! Er musste Zeit schinden! Kurz überlegte er, dann trat er vor den Sultan.
„ Ihr werdet verstehen , Hoheit, dass diese Nachricht mich tief aufgewühlt hat. Ich muss das jetzt erst mal setzen lassen und überlegen, wie ich Samira aus ihrer misslichen Lage befreien könnte. Vielleicht lässt sich ein Gelehrter finden, der sich mit Dschinns und ihren Heiligen beschäftigt und Gegenflüche kennt. Ich komme so schnell wie möglich zum Palast zurück. Währenddessen richten sie Samira bitte meine Grüße aus.“
Hisham verzog keine Miene. Mit nichts ließ er sich anmerken wie angeekelt er war und dass er nur so schnell wie möglich von hier verschwinden wollte. Ali jedoch seufzte erleichtert, war er doch die ganze Zeit von Hishams Loyalität gegenüber seiner Tochter überzeugt. Strahlend reichte er Ali nun zum Abschied die Hand.
„ Allah sei mit dir mein Sohn und bis bald.“
Und während Hisham schnellen Schrittes das Zimmer verließ, schickte der Sultan nach Samir und bat ihn heute das Lieblingsessen seiner Tochter zu zu bereiten. Er wollte es ihr heute selber bringen und ihr die gute Nachricht von Hishams positivem Verhalten mitteilen. Sie würde ihm schon nicht den Kopf abreißen.
Im Hause des Mohamed ben Ibn schaute Hisham seinen Vater entgeistert an.
„ Wie, ich soll die Prinzessin trotzdem ehelichen? Hast du auch nur die geringste Vorstellung Vater, wie das Antlitz einer Dschinniya aussieht?“
Hisham dachte nicht richtig gehört zu haben. Niemals würde er Samira jetzt noch heiraten! Mohamed ben Ibn schlug hart mit der Faust auf seinen Schreibtisch.
“ Solange du die Füße unter meinem Tisch hast, Sohn, wird das gemacht, was ich dir sage! Wen interessiert der Dame ihr Aussehen? Ich schenke dir drei meiner schönsten Haremsdamen, mit denen du dich jederzeit Vergnügen kannst. Samira musst du ja nicht anfassen. Und nach der Hochzeit werden wir sie schon irgendwie los werden. Wie leicht kann einem jungen Mädchen ein Unfall passieren.“
Hisham stutzte. Sprach sein Vater hier etwa von Mord? Wollte er wirklich soweit gehen um sein Hab und Gut zu retten?
Jetzt sprach sein Vater weiter: „ Samira hat an ihrem achtzehnten Geburtstag das gesamte Vermögen ihrer Mutter geerbt. Und nach der Hochzeit, wird es der Ehemann sein, der es verwalten wird. Und dieser Ehemann wirst du werden, also reiße dich zusammen, Sohn! Nach der Hochzeit sehen wir weiter.“
Hisham gab sich geschlagen, fragte jedoch: „ Und du versprichst mir, dass ich mein Leben nicht neben einer hässlichen Frau verbringen muss? Wie auch immer du das anstellen willst.“
Mohamed ben Ibn küsste seinen Sohn auf dessen Stirn. „ Ich verspreche es dir, mein Sohn, auf den heiligen Koran!.“
Samira schaute ihren Vater erschrocken an, überrascht, dass er ihr heute das Mittagsmahl brachte. „ Vater, ist Salma etwas passiert, weil du es bist, der mir das Essen bringt?“
Der Sultan stellte das Tablett ab und strahlte seine Tochter beruhigend an.
„ Nein, nein mein Kind. Salma geht es gut. Ich habe dir nur etwas erfreuliches mitzuteilen.“ Jetzt war es Samira die strahlte, ein komisches Ansehen beim Antlitz der Dschinniya. Freudig ergriff sie ihres Vaters Arm.
„ Du hast eine Lösung gefunden, wie der Fluch zu brechen ist?“ fragte sie hoffnungsvoll. Ali musste sie diesbezüglich enttäuschen.
„ Das nun nicht, mein Kind.“ Er führte sie zum Diwan.
„ Lass uns Platz nehmen, Samira, dann berichte ich dir.“
Das ließ sich Samira nicht zweimal sagen und nahm neben ihrem Vater Platz, gespannt, was er ihr zu sagen hatte. Der Sultan holte tief Luft und beichtete Samira dass er nicht mehr anders hätte reagieren können und gezwungen gewesen wahr, Hisham die Wahrheit zu sagen. Samira sprang darauf hin erschrocken auf und schaute den Sultan mit feuchten Augen an.
„ Was hast du?! Aber Vater, du hattest mir doch versprochen Hisham die Wahrheit zu verschweigen. Sicher wird er nun die Verlobung lösen.“
Ali ergriff Samiras zitternde Hände.
„ Nein, mein Kind, das wird er nicht. Er hat sich genauso verhalten, wie ich es von einem liebenden Mann erwartet hätte. Sogar einen Gelehrten will er suchen lassen, der sich mit Flüchen beschäftigt, um einen Ausweg zu finden. Hisham liebt dich doch, mein Kind.“ Samira senkte ihre Augen.
„ Trotzdem wird er niemals mein Antlitz zu sehen bekommen, Vater!“
Der Sultan dachte nach. Wie sollte er das bewerkstelligen? Dann kam ihm eine Idee.
“ Gut, mein Kind, du sollst deine Würde bewahren. Ich werde dir eine goldene Maske schmieden lassen, besetzt mit Diamanten, so strahlend wie es deine Seele ist, mein Kind. So wird dich niemand sehen müssen und sie wird dir ein wenig mehr Freiheit geben.“
Samira seufzte. Freiheit, dachte sie traurig, gefangen hinter einer Maske.
Samir, der gerade auf dem Hof war, um eine Ladung Kartoffeln anzunehmen, sah mit Erstaunen wie Samiras Verlobter schnellen Schrittes aus dem Palast rannte,mit wütendem Gesicht auf sein Pferd sprang und , seinem Pferd die Peitsche gebend, wie der Teufel aus dem Palast hinaus galoppierte. Nanu, dachte Samir, was ist dem denn für eine Laus über die Leber gelaufen? Doch dann plötzlich wechselte sein Erstaunen in Furcht. War etwas mit Samira? Er hatte sich schon gewundert, dass der Sultan seiner Tochter persönlich das Mittagsmahl bringen wollte. Er wollte versuchen etwas aus Salma heraus zu bekommen. Doch als er diese dann fragte, erzählte sie nur, genauso überrascht gewesen zu sein, dass der Sultan ihr am Mittag frei gegeben hatte. Noch überraschter jedoch war Samir, als er die Küchenweiber tuscheln hörte, dass der Sultan nach dem besten Schneider geschickt hatte, um das Hochzeitskleid der Prinzessin nähen zu lassen. Hochzeit? dachte Samir verwirrt. Aber, war Samira denn nicht schwer erkrankt? Und wie ein glücklicher Bräutigam hatte Hisham ja eben auch nicht grade ausgesehen. Bei Allah, was hatte das wohl alles zu bedeuten?
Samira ahnte nichts von Samirs Gedanken, und erst rechts nicht von Hishams. Sie saß vor ihrem Spiegel und kämmte sich die langen dunklen Haare. Angewidert sah sie sich an. Wenn sie erst mal die goldene Maske trug, die ihr Vater für sie anfertigen ließ, dann würde wenigstens auch sie von diesem Anblick verschont bleiben. Hisham wollte also doch die Hochzeit, dachte Samira, er musste sie also wirklich lieben. Aber, dachte sie traurig, er hat mich ja auch noch gar nicht gesehen. Wusste nur, dass sie ihre Schönheit verloren hatte. Aber es war wohl doch mehr als diese, was er an ihr liebte. Samira schmiss ihrem Kamm auf die Frisierkommode.
„ Nein, niemand kann mich so lieben und niemand wird mich jemals so vor sein Gesicht bekommen. Auch nicht Hisham!“
Morgen sollte sie die Maske bekommen und dann sollte der Schneider ihre Maße nehmen für das Brautkleid. Samira seufzte. Wollte sie diese Hochzeit wirklich? Allein in ihrem Zimmer hatte sie viel Zeit zum Nachdenken gehabt und war erstaunt, dass darin das Antlitz von Samir öfter vorkam, als das ihres Bräutigams. Anfangen damit konnte sie jedoch nichts. Samir war ihr bester Freund aus Kindertagen, mehr auch nicht. Ich habe Hisham die Ehe versprochen, dachte sie jetzt, und daran werde ich mich halten.
Am nächsten Tag brachte ihr Vater die versprochene Maske und sprach : „ Ich habe sie nur vergolden lassen, mein Kind, sonst wäre sie zu schwer geworden. Nun hielt er sie Samira hin.
„ Vater, sie trägt ja mein Antlitz, dieser Schmied muss ein wahrer Künstler sein.“ sagte sie überrascht. Sie drehte die Maske ; die golden leuchtete und mit Diamanten besetzt war, hin und her. Sicher war es nicht dasselbe wie das eigene Gesicht, aber besser als ihr jetziger furchtbare Anblick allemal.
„ Ich hatte den allerbesten Schmied beauftragt, mein Kind, nichts soll mir zu teuer für deine Seelenwohl sein.“ Er ergriff nun die Maske.
„ Komm, mein Kind, lasse mich sie dir angelegen.“
Samira gab ihrem Vater die Maske und strich ihre Haare zurück. Der Sultan rümpfte kurz die Nase bei dem seltsamen Gestank der von Samiras Gesicht ausging, riss sich dann aber zusammen und legte ihr die Maske an. Dann drückte er seine Tochter an sich. Tränen standen in seinen alten Augen, die schon so viel gesehen hatte.
„ Ich weiß mein Kind, dies ist keine Lösung auf Dauer, aber bis wir eine finden wohl erst mal das Beste für dich.“
Er küsste Samira auf die kühle blecherne Wange. „ Ich verspreche dir, ich werde alles tun und alles geben, um diesen Fluch zu brechen.!“
Samira löste sich nun aus seinem Arm und schritt vor den Spiegel. Hinter ihrer Maske flossen heimlich ein paar Tränen. Da sah sie es endlich wieder, ihr hübsches Gesicht, und doch war es nur eine Illusion. Nichtsdestotrotz war sie ihrem Vater sehr dankbar.
„Danke Baba, mit dieser Maske werde ich Hisham empfangen, jedoch werde ich sie niemals abnehmen. Ich möchte von ihm hören, ob er mich dann wirklich noch heiraten möchte. Mich, eine Frau ohne Gesicht.“
Der Sultan lächelte gequält. „ Sowie Hisham in den Palast kommt, schicke ich ihn zu dir. Mit der Maske hast du eigentlich keinen Grund, dich weiterhin in deinem Zimmer verstecken zu müssen, Samira.“
Samira senkte den Kopf. „Solange der Fluch noch Besitz von mir genommen hat, Vater,werde ich nur wenn es nötig ist unter die Menschen treten,“ meinte sie bestimmt und ihr Vater musste sich damit zufrieden geben.
Als ihr Vater gegangen war schaute Samira hinaus aus ihrem Fenster. Strahlend blauer Himmel, wundervoller Sonnenschein und aus dem Palast Garten ertönte wundervolles Zwitschern aus den Volieren des Sultans. Ach wie gerne würde ich jetzt dort auf einer Schaukel gen Himmel fliegen, dachte Samira. Dann trat sie nochmals vor den Spiegel. Ob sie es wagen sollte? Sie wollte so gerne die Sonnenstrahlen auf ihrer Haut spüren. Ich werde es tun!, dachte sie nun. Was soll schon passieren, niemand konnte das Antlitz der Dschinniya sehen und das Einzige was passieren könnte, wäre die Verwunderung darüber, warum sie eine Maske trug. Und da würde ihr schon was einfallen. Sie würde erzählen, es wäre ein Schutz, damit sich niemand ansteckte. Ja, so müsste es gehen. Ohne weitere Überlegung, machte sie sich auf den Weg zum Garten. Noch war ihr niemand begegnet, in der glühenden Nachmittagshitze hielten viel ein Schläfchen. So wie Samir während seiner Pause. Dieser jedoch tat das am Teich unter der Brücke im Palast Garten. Wenn kein hoher Besuch im Palast anwesend war, war dies großzügig vom Sultan gestattet. Die Arme unter dem Kopf gekreuzt sah er jetzt verwundert ein Glitzern auf dem Weg zur Schaukel, die neben dem Teich angebracht war. Erstaunt legte er eine Hand über seine Augen um besser sehen zu können. Was war das nur? Als das Glitzern näher kam, erkannte er eine weibliche Gestalt, die er an ihrem Schritt erkannte. Samira! Aber was trug sie dort in ihrem Gesicht, von dem dieses Glitzern ausging? Samira kam immer näher, Samir wollte aber erst mal außer Sicht bleiben und versteckte sich hinter einem Brückenpfeiler. Von dort hielt er gut versteckt Ausschau nach der geliebten Frau. Diese ging jetzt auf die Schaukel zu, schwang sich ab und schaute dabei in den Himmel. Und jetzt erkannte es auch,was da so glitzerte. Eine Maske! Warum um Allahs Willen trug sie eine Maske? Samir überlegte, ob er zu ihr hintreten sollte, hatte aber Angst, dass sie erneut von ihm weg rannte. Andererseits, sollte er nicht die Gelegenheit beim Kragen packen um endlich seine Fragen beantwortet zu bekommen. Während er überlegte, hörte er plötzlich wie Samira mit lieblicher Stimme zu singen anfing:
Er ging mit dir, lang ist's schon her.
Im meinem Bauch tanzen längst schon keine Schmetterlinge mehr.
Mit ihm ging die Wärme,
der Zauber unserer zärtlichen Liebe, erfüllt mit schönster Harmonie,
sowie dein Tanz im Sommersonnenschein,
vergessen werde ich wohl nie.
Nun bist du wieder da, bringst Erinnerung in mein Herz,
flieg Schmetterling, erzähle ihm von meinem Schmerz.
Der Duft, den der Frühling auf's Neue mit dir bringt,
ich sauge ihn ganz tief in meine Seele hinein.
Zum Abschied noch ein kurzer Flügelschlag von dir,
und dann wirst auch du so weit entfernt von meinem Herzen sein.
Nimm eine Träne von mir mit auf deine Reise,
ruf ich dir noch hinterher; ganz leise.
Und auf deinen Flügeln nimm mit ein Kuss von mir,
der ihn an mich erinnern soll an kühlen Wintertagen.
Flieg, flieg zu ihm hin, wunderschöner Schmetterling,
und bis du wiederkommst zu mir, werde ich zu Hoffen wagen.
Was für trauriges Lied, dachte Samir. Nein, ich muss zu ihr hin! Ich halte diese Unwissenheit nicht mehr länger aus! Langsam schlich er sich hinter der Schaukel heran, sodass Samira ihn nicht sehen konnte. Und als die Schaukel nach hinten schwenkte, packte er sie mit beiden Armen an ihren Hüften fest und stoppte den Schwung der Schaukel. Samira schrie erschrocken auf und drehte sich um. Samir grinste sie frech an und machte eine Verbeugung. „ Eure Hoheit, der Schmetterling ist angekommen, danke für den Kuss.“ Samira sprang schnell von der Schaukel, Allah sei dank, trug sie die Maske. Der Gedanke ließ sie gleich milder stimmen. Sie gestand sich ein, dass sie sich sogar darüber freute, Samir zu sehen. Dennoch schalt sie ihn jetzt erst mal aus.
„Samir! Wie kannst du mich nur so erschrecken? Und dir auch noch zumaßen, der Kuss gelte dir?“
Samirs große Augen baten gespielt um Vergebung. „ Verzeiht mir, eure Schönheit, dass ich ihn mir gestohlen habe.“
Dann jedoch wurde er wieder ernst.
„ Samira, man bin ich froh dich zu sehen, ohne dass du gleich wieder wie der Blitz davon rennst.“ Er zeigte auf ihr Gesicht. „Warum trägst du diese Maske mit deinem Antlitz? Gefällt dir dein eigenes nicht mehr?“
Wenn du wüsstest wie das jetzt aussieht, dachte Samira. Ihr gefiel es nicht, aber sie musste ihren besten Freund anlügen. Zu groß war die Scham über ihr Aussehen.
„ Ich trage sie als Schutz, damit sich keiner ansteckt.“
Samir sah sie verwundert an. „ Du scheinst mir keineswegs erkrankt Samira, welche Krankheit soll denn von die Besitz ergriffen haben?“
Darauf war Samira nicht vorbereitet gewesen und lenkte schnell ab. „ Komm, lass uns ein paar Schritte zu unserem Pavillon gehen, Samir, dort können wir reden und sind aus der prallen Sonne.“
Samir blieb nichts anderes übrig, als ihr zu folgen. Auf dem Weg dort hin, dachte Samira angestrengt nach. Was sollte sie ihm nur erzählen, das einigermaßen glaubwürdig klang? Wie gerne hätte sie sich ihm angetraut und bei allem Anderen, hätte sie das auch sicher getan.
Viel zu schnell waren sie am Pavillon angelangt und ließen sich auf der Bank nieder. Samir brachte gleich wieder die Sprache auf Samiras Krankheit. Neugierig sah er die Freundin an. Die Maske war wirklich gewöhnungsbedürftig.
„ So, nun erzähl mal,was dich so Schlimmes befallen hat, was man dir aber gar nicht anmerkt.“
Samira räusperte sich. Wie sie es hasste zu lügen!
„ Den Namen der Krankheit wissen wir leider noch nicht und die Symptome sind temporär, sie kommen und gehen. Zittern, Kopfschmerzen, Fieber. Vater hat nach den besten Heilern geschickt. Heute ging es mir mal etwas besser und ich dachte, ein wenig frische Luft könnte mir sicher gut tun.“
Samir dachte angestrengt über das Gehörte nach. Es kam ihm doch alles ein wenig merkwürdig vor.
„ Na viel frische Luft bekommst du ja unter dieser Maske nicht gerade.“ meinte er nun. Samira legte verlegen ihre Hand an die Maske.
„ Es muss sein, Samir. Ich könnte den ganzen Palast anstecken. Und so lange ich nichts genaues weiß, muss ich sie eben an lassen.“
Samir merkte, wie bedrückt ihre Stimme klang und wollte sie nicht länger drängen.
„ Na, ich wünsche dir auf jeden Fall alles Gute und dass es nichts Schlimmes ist. Aber du wirst mir doch Bescheid geben, wenn du etwas neues weißt?“
Samira lächelte unter ihrer Maske, unbewusst, dass es Samir gar nicht sehen konnte. „ Natürlich, du bist doch mein bester Freund.“
Samir wand sich ein wenig bei seiner nächsten Frage, die ein anderes Thema betraf. „ Stimmt es, dass deine Hochzeit nun bald statt finden wird? Trotzdem du krank bist?“ Samira drehte verlegen eine Haarsträhne um ihre Finger, im Palast blieb aber auch gar nichts verborgen, dachte sie.
„ Ja, dass stimmt. Die Hochzeit wird auf jeden Fall statt finden. Hisham liebt mich bedingungslos. Auch mit Krankheit.“ den letzten Satz flüsterte sie fast.
Samir war sich über Hishams Liebe gar nicht so sicher, er war ziemlich verstimmt, als er den Palast verlassen hatte.Aber das wollte er erst mal lieber für sich behalten. Jetzt ergriff er Samiras Hände, die kurz zusammenzuckte, aber ihn gewähren ließ.
„Samira,“ sprach er, „ du weißt ihr wünsche dir jedes erdenkliche Glück, aber du sollst auch wissen, wird dich irgendjemand unglücklich machen, der wird er es mit mir zu tun bekommen!“
Samira war gerührt von den Worten des Freundes und sprach: „ Das ehrt dich Samir und das weiß ich auch. Aber ich liebe Hisham und er mich. Und ich bin sicher, dass er mich auf Händen tragen wird.“
Gleichzeitig war aber wieder dieses etwas in ihr, dass immer wieder fragte, liebst du ihn wirklich, oder nur das Verliebtsein an sich. Doch diesen Gedanken weiter zu denken, gestand sie sich nicht zu. Plötzlich hörten sie die Stimme von Samirs Vater, der in den Garten hinein rief. „ Samir, Junge, wo bleibst du denn?“ Samir stand erschrocken auf, er hatte ganz die Zeit vergessen und musste zurück in die Küche! Schnell verabschiedete er sich von Samira, die nachdenklich zurück blieb.
Am Nachmittag dann, ritt Hisham in den Palast ein. Er hoffte, dass die Prinzessin ihn heute empfangen würde. In seinen Hosentaschen trug er die goldenen Eheringe, Samiras sogar mit Diamanten besetzt, die seinen Vater noch ein wenig mehr in Schulden stürzten. Aber er wusste ja wofür er dies tat. Heute hatte sie Hisham beim Juwelier abgeholt und jetzt wollte er Samira sprechen. Der Sultan hatte ihm von der Maske berichtet und Hisham war froh, so dem hässlichen Anblick einer Dschinniya aus dem Weg gehen zu können. Dann noch Liebe vorspielen zu müssen, hätte ihm sicher alles abverlangt. Mit einem goldenen Abbild von Samiras Antlitz jedoch, würde er zurecht kommen. Und hatte er erst mal die Macht über ihr Vermögen, würde sich sein Vater schon was einfallen lassen, um ihn von dieser Frau zu lösen. Kurz rührte sich sein Gewissen, aber dann dachte er, mit solch einem Antlitz muss ein Leben furchtbar sein und Samiras Tod wäre sicher nur eine Erlösung für sie. Der Stalljunge griff nach den Zügeln und Hisham sprang vom Pferd und ließ sich beim Sultan melden. Kurz darauf trat er dann in dessen Bibliothek, in der Ali ben Achmed nach einem Buch über die Welt der Dschinns suchte. Als er jetzt seinen zukünftigen Schwiegersohn erblickte, legte er das Buch in seiner Hand zur Seite und bat Hisham Platz zu nehmen.
„ Hisham, mein Junge, wie schön dich zu sehen. Du möchtest sicher Samira sehen ?“ fragte er ihn.
Hisham nickte zustimmend. „ Ja, eure Hoheit, die Sehnsucht ist groß,“ log er den Sultan an, „ ich hoffe, dass mir Samira heute Einlass gewährt.“
Ali griff zu seine Pfeife, stopfte sie mit Tabak und zündete sie an. Nachdem er einen tiefen Zug genommen hatte, sah er Hisham lächelnd an. „ Da kann ich dich beruhigen, Hisham. Samira hat einem Treffen zu gestimmt. Und wenn du kommst, bat sie mich dir mitzuteilen, dass du doch bitte am Pavillon auf sie warten sollst. Dort wird sie dich treffen. Ich werde ihr gleich Bescheid geben.“
Hisham war zwar etwas verwundert, dass Samira ihn draußen treffen wollte, aber wenigstens wollte sie ihn treffen. Die Hochzeit eilte, vieles musste besprochen werden. So bedankte er sich beim Sultan und machte sich auf den Weg zum Pavillon. Doch dort saß schon jemand! Er wollte und musste mit Samira alleine sein! Als er näher trat, erkannte er den Küchenjungen Samir, der schnell aufstand und sich vor ihm verbeugte.
„ Prinz Hisham..“ Hisham sah ihn mit zusammen gekniffenen Augenbrauen an.
„ Was machst du hier? Seit wann ist dem Gesindel der Aufenthalt im Palast Garten erlaubt? Ich wünsche dass du gehst. Sofort! Ich erwarte meine Verlobte und möchte mit ihr alleine sein!“
Wie unfreundlich er doch ist, dachte Samir und verbeugte sich abermals.
„Prinz, ich verbringe öfters meine Pausen im Palast Garten und das mit Erlaubnis des Sultans.“
Hisham ergriff ihn hart am Arm. „Und ich sage dir, verschwinde!“
Samir entriss sich Hishams Griff und rieb seinen schmerzenden Arm. „ Ich habe gute Ohren, Prinz Hisham, Gewalt ist nicht von Nöten.“
Dann verbeugte er sich zum Abschied, so wie es sich gehörte, auch wenn er lieber ganz was anderes getan hätte, und machte sich zurück auf den Weg in die Palast Küche. Was für ein Scheusal, dachte er , Samira hat in ihrer Verliebtheit sicher keine Ahnung, wen sie da heiraten würde! Und er, er musste ihren Wunsch nach einer Ehe mit Hisham akzeptieren. Auf seinem Rückweg staunte er nicht schlecht, Samira über den Weg zu laufen. Doch sie schien es eilig zu haben und warf ihm nur einen kurzen Gruß zu. Enttäuscht dachte Samir, ich bin halt doch nur der Küchenjunge und wir sind halt keine Kinder mehr.Und doch, konnte er gar nichts gegen seine Gefühle tun.
Hisham ergriff Samiras Hände, als sie jetzt auf ihn zu kam.
„ Habibti, endlich hat meine Sehnsucht ein Ende.“
Zart küsste er nun ihre Handflächen und bat sie Platz zu nehmen. Samira raffte ihr üppiges Kleid zusammen und nahm auf der Bank Platz. Hisham ließ sich neben ihr nieder, jedoch nicht ihre Hände los. Samira drückte seine Hände.
„Verzeih mir Hisham, es ging nicht früher, ich wollte dir meinen Anblick ersparen.“
Hisham setzte ein verliebtes Lächeln auf.
„ Aber Liebes, wie konntest du auch nur einen Moment an meiner Liebe zweifeln? Ich werde dich doch immer lieben. Und sicher nicht nur dein Aussehen.“
Die Lüge kam ihm leicht über die Lippen, als er in Samiras goldenes Antlitz schaute. Schade um diese Schönheit, dachte er dabei. Samira sah ihn nun ohne Mimik an, jedoch unter der Maske verzog sich ihr Gesicht traurig.
„ Das hätte ich niemals von dir verlangt. Wäre Vater nicht auf die Idee mit der Maske gekommen, zumindest bis wir eine Lösung finden, dann hätte ich dich frei gegeben, Hisham.“
Hisham umarmte sie schnell und schalt sie ein dummes Mädchen.
„ Ich bin gekommen um mit dir schnellst möglich einen Termin zu machen. Wie mir dein Vater sagte, hat er schon nach dem Schneider für dein Hochzeitskleid geschickt. Du wirst trotz allem sicher eine wunderschöne Braut sein, Samira. Und ich ein stolzer Bräutigam. Ich wollte die Hochzeit Ende des Monats ansetzen, ist dir das recht, mein Augenstern?“
Samira wusste nicht wieso, aber auch sie wollte so schnell wie möglich heiraten. Keinen Moment kam ihr in den Sinn, dass sie innerlich Angst hatte, die Hochzeit doch abzusagen. Uns so nickte sie zustimmend.
„ Ja, Hisham, lass uns so schnell wie möglich Hochzeit halten.“
Innerlich atmete Hisham auf. Endlich konnte er seinem Vater einen Termin nennen. Und mit der Hochzeit, wurde auch Samiras Tod beschlossen, wo von sie jedoch absolut nichts ahnte an diesem schönen Tag im Sommer , und so machten sich beide auf ,zurück zum Palast, um ihrem Vater den Termin mitzuteilen.Oben im Baume neben dem Pavillon, zwitscherte währenddessen ganz aufgeregt ein Vögelchen. Ein ganz besonderes Vögelchen, welches nicht zulassen wollte, dass man der Prinzessin weh tat. Wenn ich nur sprechen könnte, dachte es, dann könnte ich die Prinzessin warnen und sie retten, so, wie sie mich damals rettete, als ich aus dem Nest fiel, denn es hatte gehört was Hisham mit seinem Vater besprochen hatte, und war als es den Namen der Prinzessin hörte, ihm sogleich gefolgt. Was sollte es jetzt nur tun?
Auch der Sultan schien erfreut, dass endlich der Tag der Hochzeit fest stand. Das schönste Brautkleid sollte seine Jüngste tragen. Wenn meiner Tochter ihr eigenes Antlitz nicht in seiner Schönheit erstrahlen kann, dachte er, dann soll wenigstens ihr Kleid erstrahlen. Üppige, mit Goldfäden durch wirkte Spitze sollte es sein, besetzt mit vielen kleinen Diamanten, die strahlten, wie einst das Lächeln seiner Tochter.Der Sultan seufzte als er dies dachte, was hatte er seinem Kind nur angetan? Stundenlang hat er Bücher gewälzt, doch er fand nichts, was einen Fluch brechen konnte, außer echte Liebe. Ali liebte seine Tochter trotz Hässlichkeit, und er war sicher Hisham tat dies auch. Und doch tat sich nichts. Samiras Antlitz war unverändert. Er wollte Samir zum Weisen Manne von Nadorja schicken, ein uralter Gelehrter und diesen zu sich rufen lassen. Um was es ging, wollte er ihm dann selber erzählen. Als der alte Mustafa dann am nächsten Tag zu ihm in den Palast kam, schloss sich der Sultan mit ihm in seiner Bibliothek ein, er durfte kein Risiko eingehen, dass irgend jemand etwas mit bekam. Mustafa nahm den angebotenen Tee und sah den Sultan offen an. „ Eure Hoheit, wie kann ich ihnen von Diensten sein?“ Seine klugen Augen übersahen nicht, dass den Sultan große Nervosität quälte.
„ Mustafa, sagt euch Aisha Quandischa etwas?“
Erschrocken kniff Mustafa die Augen zusammen.
„ Bitte Hoheit, sagt den Namen nicht zu laut, das könnte böse Folgen haben.“
Ali ben Achmed nickte wissend. „ Ja , Mustafa, das habe ich am eigenen Laib erfahren,“ meinte er mit leeren Blick und dann erzählte er Mustafa die ganze Geschichte. „ Ich erbitte absolutes Stillschweigen von euch, Mustafa.“ endete er seine Erzählung. Und dann fragte er den Weisen.
„ Liegt es eventuell in eurem Wissen, was man gegen einen Fluch einer Dschinniya tun kann?“
Mustafa griff zur Wasserpfeife, die ihm der Sultan jetzt reichte und nahm einen tiefen Zug. „ Nun, „ sprach er, „ das kommt ganz auf den Fluch drauf an. Bei genommener Schönheit hilft meist schon echte Liebe, die trotz Hässlichkeit im Herzen des Gegenübers ist.“
Ali verneinte Kopfschüttelnd. „ Nein Mustafa, das kann es nicht sein, denn sie wird bedingungslos geliebt. Von mir, von ihrem Verlobten. Und doch tat sich nichts.“
„Habt ihr es ausgesprochen? Ihr diese Liebe bestätigt?“ fragte der Weise nun.
Unglücklich sah der Sultan ihn jetzt an. „ Ja, Mustafa, das haben wir. Es hat keine Wirkung gezeigt. Was könnten wir denn noch tun um mein Kind von diesem furchtbaren Fluch zu befreien?“
Der Weise stand jetzt auf. „ Übrig bleibt dann nur noch heraus zu bekommen, worin die Macht der Dschinniya liegt und gegen sie anzukämpfen. Aber auch nur Derjenige, der die Prinzessin aufrichtig liebt, wird dazu mächtig sein. Das dunkle Nirgendwo ist voller Gefahren und man muss bereit sein, für die Freiheit der Geliebten sein Leben einzusetzen. Seid ihr das?“
Der Sultan senkte den Kopf. „ Ich bin zu alt und schwach, aber Hisham wäre dazu sicher bereit. Aber wie kommt er ins dunkle Nirgendwo?“
„ Man muss es rufen,“ sprach Mustafa,“ in einer Vollmond Nacht soll Hisham folgenden Satz sprechen. „ Land der Dunkelheit, Reich des Bösen erhöre mich und weise mir den Weg ins Nirgendwo. Dann wird er eine Stimme hören, die ihn fragt, mit was er die Dschinniya besänftigen gedenke, damit sie ihm Einlass gewährt. Meist reicht schon ein Säcklein Gold oder Diamanten. Aber er soll sich nicht täuschen lassen, Sanftheit gehört sicher nicht zu Aishas Tugenden. Und er soll vorsichtig sein mit Aishas Körpersäften, sie decken einen mit ewiger Vergessenheit zu. Und man weiß nicht mehr, woher man kam und wer man ist.“
Der Sultan rieb sich seinen Bart. „ Da muss nicht nur viel Liebe vorhanden sein, nein, da braucht es auch echten Edelmut. Ich denke mein zukünftiger Schwiegersohn besitzt dies alles. Danke euch, Mustafa, ihr habt mir sehr geholfen.“
Er zog ein Säckchen mit Goldtalern aus seinem Gewand und reichte es dem Weisen. „Hier, Mustafa, nehmt, für eure Mühe.“ Mustafa bedankte sich und verabschiedete sich dann. Draußen am offenen Fenster der Bibliothek,zwitscherte in heller Aufregung ein schwarzes Vögelchen. Wie sollte es die Prinzessin nur warnen? Ach, wenn ich doch nur sprechen könnte,dachte es traurig und flog nachdenklich davon. Der Sultan jedoch nahm sich vor, so schnell wie möglich Hisham mit seiner Aufgabe vertraut zu machen. Das Säckchen Diamanten wollte er aus der eigenen Schatzkammer füllen lassen. Das war alles, was er selbst tun konnte um die Schönheit der Prinzessin zu retten.
Draußen wurde es langsam dunkel. Samira saß an ihrem offenen Fenster und dachte über die letzten Geschehnisse nach. Nun stand sie also fest , ihre Hochzeit mit Hisham. Ihre Gefühlswelt hatte sie sich jedoch immer ganz anders vorgestellt, wenn sie an eine eigene Hochzeit dachte. Sie sollte glücklich ein, dass sie geliebt wird wie sie ist, aber wird sie das denn wirklich? Hisham hatte schließlich nur die goldene Maske gesehen, jedoch nicht ihr wahres jetziges Aussehen. Ihr Vater zweifelte sicher nicht daran, aber Samira hasste ihr Aussehen dermaßen, dass sie sich nicht vorstellen konnte, dass so ein Mann sein Leben wirklich an ihrer Seite verbringen möchte. Ich sollte mir nicht so viel Gedanken machen, dachte sie jetzt, und alles auf mich zukommen lassen. Mehr, kann ich jetzt sowieso nicht tun. In ihre Gedanken hinein, flog ein Vogel zum Fenster und ließ sich auf ihrer Hand nieder, wo es aufgeregt hin und her tänzelte und zwitscherte, als hänge sein Leben davon ab. Erstaunt streichelte die Prinzessin sein Gefieder.
„Nanu,“ sprach sie, „ wer bist du denn?“ Dann sah sie den weißen Punkt auf der Stirn des schwarzen Vogels. Freudig erkannte sie den einstigen Freund. „ Du bist das Vögelchen, das aus dem Nest gefallen war, das ich aufzog und dem ich dann die Freiheit schenkte!“ Aufgeregt flatterte das Vögelchen jetzt wieder davon. Es wollte mit den Papageien in des Sultans Voliere sprechen, ob sie ihm nicht das Reden beibringen könnten, damit er die Prinzessin warnen konnte, bevor sie in ihr Unglück stürzte. Samira sah dem Vogel hinterher. „ Mach es gut, Vögelchen und besuche mich bald mal wieder.“
Drei Tage später besuchte Samir den Markt, um frisches Gemüse einzukaufen. Die Sonne brannte heiß und die starken Gerüche der vielen verschiedenen Gewürze, vernebelten ihm fast die Sinne.Er beschloss, sich in der Schenke etwas zu erfrischen, bevor er sich auf den Rückweg zum Palast machte. Kaum hatte er in der fast vollen Schenke Platz genommen, als er sah, wie diese jetzt von Hisham in Begleitung eines jungen Mannes betreten wurde. Samir wusste nicht wieso, aber schnell senkte er den Kopf und verbarg mit einer Hand ein wenig sein Gesicht. Er wollte nicht gesehen werden. Hisham und seine Begleitung nahmen direkt hinter ihm Platz, und so konnte Samir, auch wenn sie leise sprachen, jedes Wort ihrer Unterhaltung hören.Und was er dort vernahm, ließ ihm das Blut in seinen Adern gefrieren. Hisham trachtete Samira nach dem Leben!
„ Seit dem Fluch hat sie das hässliche Gesicht einer Dschinniya,“ hörte er Hisham jetzt reden,“ weil mein Vater das Geld braucht, zwingt er mich sie trotzdem zu heiraten. Sie war recht hübsch, darum hatte ich meinem Vater eine Hochzeit zu gesagt, auch wenn ich sie nicht liebe. Ich liebe die lauten, drallen Weiber, die frivol meinen Kopf zwischen ihre Brüste packen, aber doch nicht so was wie dieses langweilige tugendhafte Mädchen. Jetzt, mit ihrem hässlichen Antlitz, hat mir mein Vater versprochen, sie aus dem Weg räumen zu lassen und so wird die Hochzeit am Ende des Monats statt finden.“
Hishams Freund schlug ihm lachend auf die Schulter. „Na, dann bist du ja fein raus, bei dem riesigem Erbe der Prinzessin!“
Samir drückte wütend beide Hände um sein Glas, so fest, dass es fast platzte. Mord! Da wurde ein Mord an der Prinzessin geplant! Am liebsten wäre er Hisham gleich an den Hals gesprungen um ihn zur Rede zu stellen, doch er durfte jetzt nichts unüberlegtes tun. Dann würde er sich nur selbst in Gefahr bringen und wer sollte Samira dann beistehen? Es war also gar keine Krankheit, was an Samira lastete, sondern ein Fluch hatte sie hässlich gemacht. Heiße Liebe durchzog sein Herz, als er an das Leid der heimlich Geliebten dachte. Ich werde dich immer lieben, Samira, dachte er nun, und zwar bedingungslos.Er musste unbedingt Samira warnen, oder am besten gleich zum Sultan gehen! Heute noch. Er wartete bis Hisham gegangen war, zahlte und machte sich dann auch auf den Weg zurück in den Palast. Neben ihm flog unbeachtet ein aufgeregtes Vögelchen. Wie war es glücklich, dass die Prinzessin jetzt gewarnt werden würde.
In einer Woche würde Vollmond sein. Der Sultan hatte Hisham davon erzählt, was er von Mustafa dem Weisen, erfahren hatte. Hisham bestand aber darauf, erst mal bis nach der Hochzeit abzuwarten, bevor er sich in solche Gefahr begab. Natürlich hatte er gar nicht vor sein Leben für die Prinzessin aufs Spiel zu setzen, ganz im Gegenteil, er wollte ihr Ihres berauben. Aber davon ahnte der Sultan nichts und ließ ihn gewähren. Jetzt schaute der Sultan erstaunt, als die Wachen ihm Samir meldeten, der um ein Gespräch mit ihm bat. Nanu? Was hatte dies zu bedeuten ? Samir und auch sein Vater waren fleißige Palast Angestellte seit Jahren, aber eben nur Koch und Küchenhilfe. Und darum hatte der Sultan die Freundschaft mit seiner Tochter in Kindergarten nicht so gerne gesehen, da er Angst hatte es würde mehr daraus werden. Niemals hätte er die Hand seiner Tochter einem armen Küchenjungen anvertraut. Ali bat Samir nun herein.
„ Was kann ich für dich tun, Küchenjunge?“ fragte er ihn, neugierig, was Samir zu ihm trieb. Samir stand vor ihm und wie der Sultan jetzt bemerkte, zitterte er am ganzen Körper, sodass der Sultan ihn erst mal bat Platz zu nehmen. Samir wusste nicht recht wie er anfangen sollte. Was, wenn der Sultan ihm nicht glaubte?“ Jedoch musste er sein Wissen mitteilen, oder die Prinzessin würde sterben. Also erzählte er, was er in der Schenke mitbekommen hatte.
„ Nach der Hochzeit will man der Prinzessin dann nach dem Leben trachten und dies wie ein Unfall aussehen lassen.Ihr müsst unbedingt was tun!“ schloss er und sah den Sultan mit Tränen in den Augen an. Doch Ali ben Achmed reagierte ganz anders, als Samir es erwartet hatte.Abrupt stand er auf und sah Samir böse an. „
Was erlaubst du dir da?? Wie kannst du so eine Lüge über Prinz Hisham verbreiten??“ Jetzt ging er ganz nah auf ihn zu und starrte Samir in seine Augen.
Fast schon hatte er ein wirres Aussehen dabei. „ Du willst die Hochzeit boykottieren! Eifersucht liegt auf deiner Zunge, weil du die Prinzessin und ihr Habe selber gerne hättest!“ schrie er ihn an.
Samir wehrte ab und flehte den Sultan an. „ Aber Hoheit, ich spreche die Wahrheit, es geht um Samiras Leben!“ Ali packte ihn jetzt am Kragen und zog ihn aus dem Sessel. Dann rief er die Wachen.
„ Wachen! Sperrt diesen Bengel wegen Hochverrat ein, er will die Hochzeit der Prinzessin verhindern, indem er Lügen über den ehrenwerten Prinz Hisham erzählt!“
Samir wusste nicht wie ihm geschah, als die Wachen ihn jetzt packten. Sein Flehen blieb ungehört und man zerrte ihn in ein Verlies,hoch im Turm des Palastes, der dem Sultan als Gefängnis diente. Schwer schloss sich die wuchtige Holztür und Samir klammerte sich verzweifelt an das Gitter Fenster der Türe und riss daran.
„ So lasst mich doch raus, ich spreche die Wahrheit. Die Prinzessin ist in großer Gefahr!“ Doch niemand nahm Notiz von seinem Leiden. Niemand, außer ein kleines Vögelchen, das am Turmfenster saß, das einfach nur ein kleines rundes Loch in der Mauer war. Es musste was tun!
Samira, die von all dem nichts ahnte, saß ihn ihrem Zimmer und ließ sich von Salma die Haare kämmen. Auch wenn sie jetzt wegen ihrer Maske nicht mehr zwingend brauchte, so wollte sie ihr doch die Stellung lassen, die ihrer Familie einen gedeckten Tisch sicherte. Und sie brauchte eine Freundin. Und diese hatte sie in Salma gefunden. Jetzt erzählte sie Salma von dem, was ihr Vater von Mustafa erfahren hatte.
„ Das wird sehr gefährlich werden für Hisham,“ meinte sie, „ er muss mich sehr lieben, wenn er für mich sein Leben aufs Spiel setzen möchte.“
Salma nickte. Längst schon hatte Samira sie in den Fluch eingeweiht.
„Ja, Hoheit, das wird er wohl tun. Sonst hätte er ja sicher auch die Hochzeit abgesagt.“ sagte sie, denn wie sollte sie auch Hishams wahre Absichten kennen? Samira ergriff nun Salmas Hand.
„ Salma, lasse doch bitte dieses Hoheit und nenne mich bei meinem Namen, so lange wir alleine sind. Längst schon bist du mir ans Herz gewachsen.“
Salma lächelte. „Gerne nenne ich euch beim Namen, Hoheit,“ meinte sie erfreut, lachte und verbesserte sich gleich, „ ich meine natürlich Samira.“
Jetzt mussten beide lachen und Samira merkte, wie gut ihr dieses Lachen in diesen Tagen tat. Tage, in denen sie eigentlich hätte glücklich sein müssen. Viel zu oft dachte sie jedoch an Samir. Und konnte dies nicht einordnen. Es war von einer Sekunde auf die andere, dass Samira den Freund aus Kindertagen plötzlich als Mann wahr genommen hatte.Und sie wahr überrascht von dem Kribbeln, das sie in ihrem ganzen Körper verspürte, wenn sie seine Augen in Gedanken vor sich sah. Die schönsten Augen, die sie jemals zu Gesicht bekommen hatte. Nicht so ein dunkles braun wie Hisham, nein, Samirs Augen erstrahlten in einem wundervollen Grün-Grau. Samira sog tief die mit Jasmin Duft gefüllte Luft ein, die durch das offene Fenster sacht von dem leichten Wind ins Zimmer herein geweht wurde. „ Ich liebe Hisham, dachte sie, und ich bin ihm versprochen. Alles wird gut. Sie nahm nun Salma an die Hand.
„ Komm Salma, lass uns hinaus in den Garten gehen. Auch wenn du ihn mit deinen Augen nicht genießen kannst, so wird doch auch dir sein Duft die Sinne verzaubern.“
Freudig stimmte Salma zu und ein wenig später saßen sie auf den Schaukeln, lachten und stellten sich vor bis in den Himmel zu fliegen.
Hisham ging nervös auf und ab. So ein Mist, hatte ihn doch dieser Küchenjunge belauscht. Nur gut, dass der Sultan keinen Moment an seiner Loyalität gezweifelt hatte und Samir eingesperrt hatte. Trotzdem würde es jetzt sehr schwer sein, Samira nach der Hochzeit verschwinden zu lassen. Das würde, auch als Unfall hingestellt, jetzt viel zu auffällig sein. Aber Hishams Bosheit, hatte auch da einen neuen Plan, seitdem er erfahren hatte, dass die Körpersäfte der Dschinniya einem totales Vergessen bringen würde. Es dürfte nicht schwer sein, wenn Samira schlief, an ihr Gesicht zu kommen, eins der Geschwüre auszudrücken , und dann würde der Sultan sich erst gar nicht daran erinnern, jemals überhaupt eine Tochter gehabt zu haben. Hämisch grinste er jetzt sein eigenes Spiegelbild an.
„ Du bist großartig, junger Mann, herrlich durchtrieben und wirst bald ein reicher Bursche sein!“ sprach er zu sich selber. Er konnte den Tag der Hochzeit kaum mehr erwarten!
Samir saß auf der harten Bank in seinem Verlies und stütze seinen Kopf mit beiden Händen ab. Vor ihm stand ein Krug mit Wasser und ein halbes Laib Brot. Doch er bekam nichts hinunter. Er musste hier raus, sonst wäre Samira dem Tod geweiht! Doch er machte sich nichts vor. Hieraus würde es kein entrinnen geben. Draußen schnarchte laut eine Wache. Der Turm war zu hoch, die Türe zu mächtig. Samir schlug mit der Faust gegen die Wand, was ihm einen schmerzhaften Schrei entlockte. Verdammt! Wäre er nur gleich zu Samira, sie hätte ihm geglaubt. Verwundert vernahm er nun wahr, wie sich plötzlich ein Vogel auf seinem Bein niederließ.
“ Nanu,“ sprach er, hat dich mein Brot hier herein getrieben?“ Er griff zu dem Brot, riss ein Stück ab, aber das Vögelchen nahm nichts an und zwitscherte und hüpfte aufgeregt auf seinem Bein herum .
„ Was hast du denn, mein kleiner Freund?“ fragte Samir erstaunt darüber, dass das Vögelchen das Brot ablehnte. Jetzt jedoch spreizte der Vogel seine Flügel und flog aus dem Türgitter hinaus. Samir seufzte, eine Unterhaltung mit einem Vogel war allemal besser gewesen, als gar kein Unterhaltung. Keine zwei Minuten später jedoch, flog es durch das Türgitter wieder hinein. Doch was hatte es da im seinem Schnabel? Sollte das etwa? Tatsächlich, schnell flog das Vögelchen nun zu ihm hin und ließ einen Schlüssel in seinen Schoss fallen. Der Türschlüssel! Samir sprang erregt auf.
„Braves, schlaues Vögelchen.“ lobte er er es, ergriff den Schlüssel und lief schnellen Schrittes zur Tür, steckte ihn ins Schloss und schickte ein Stoßgebet an Allah. Bitte lass ihn der Richtige sein. Langsam drehte er ihn um. Er passte! Samir jubelte innerlich, wusste aber, er musste jetzt so leise wie möglich sein, um die Wache nicht zu wecken. Vorsichtig öffnete er jetzt die knarrende Tür. Das Vögelchen flog jubilierend an ihm vorbei. Samir legte schnell dem Finger auf die Lippen, als Zeichen, dass sie leise sein mussten. Langsam trat er jetzt heraus. Gut, die Wache schlief noch tief und fest. Kein Wunder, sein Bauch war voll mit Tajine, ein Orientalisches Gericht aus Kartoffeln, Karotten und Erbsen, Zwiebeln ,Tomaten und Hammelfleisch. Das brauchte ein Verdauungsschläfchen. Gott sei dank, dachte Samir und schlich an der Wache vorbei. Doch während er das tat, quälte ihn die Frage wohin jetzt? Es war sicher nicht leicht vom Turm aus in Samiras Gemach zu gelangen. Schnell lief er die lange Wendeltreppe hinunter. Was machte er jetzt nur? Er war kurz vorm verzweifeln als er ein Lachen aus dem Palast Garten vernahm. Nein, zwei! Das mussten Salma und Samira sein. Er musste zu ihr! Und das sollte hier leichter sein als durch den Palast. Samir ging jetzt , immer Deckung nehmend, Richtung Palast Garten, dort hin, wo von wo er das Lachen vernahm. Dann sah er sie. Beide saßen auf der Schaukel ,ausgelassen wie zwei Kinder. Leise rief Samir Samiras Namen. Doch er musste mehrmals rufen, bis sie ihn endlich hörte. Erstaunt sah sie in die Richtung, aus der man sie gerufen hatte, Samir! Was wollte er denn? Er schien ziemlich aufgeregt, und winkte Samira jetzt zu sich. Neugierig bat sie Salma kurz zu warten und ging auf Samir zu. Dort angekommen ergriff er schnell ihren Arm und zog sie hinter einen großen Jasmin Strauch. Samira strich erschrocken über ihren Arm.
„ Aua, was soll das denn Samir?“ Samir jedoch legte seinen Finger auf die Lippen und bat sie sich still zu verhalten.
Dann sprach er :“ Hör mir jetzt genau zu Samira und nehme bitte jedes Wort ernst, es geht um dein Leben!“ Dann erzählte er ihr schnell die ganze Geschichte und mit jedem Wort sank Samira ein wenig mehr in sich zusammen.
„ Dein Vater glaubte mir nicht und ließ mich einsperren, wie ich entkam ist jetzt nicht wichtig, wichtig ist die Hochzeit zu verhindern und dein Leben zu retten!“ schloss er seinen Bericht.
Samira schlug die Hände vor ihr blechernes Gesicht. Oh nein, dachte sie, und doch glaubte sie Samir jedes Wort.
Jetzt sah sie ihn zitternd an.“ Dann weißt du also von dem Fluch und meiner Hässlichkeit ?“ Alleine dass er es wusste zeigte ihr, dass er die Wahrheit sprach. Samir konnte seine Gefühle jetzt nicht mehr länger zurück halten und griff Samira unter ihr Kinn und zwang sie so ihn anzusehen.
„Ja, ich weiß es. Und Samira, Angesichts meiner Armut wollte ich es dir nie sagen, aber jetzt muss ich dir meine Gefühle einfach offenbaren.“ Er schwieg kurz bevor er es aussprach.
„ Ich liebe dich Samira, mehr als mein Leben und egal wie du aussiehst. Und ich werde dich immer lieben. Und ich werde alles tun , um dich von diesem Fluch zu befreien.“
Samira sah in verwundert an. „ Samir, ich weiß nicht was ich sagen soll..“
Da stand ihr bester Freund vor ihr und gestand ihr seine Liebe. Samira nahm das alles wie in einem unwirklichem Nebel gefangen wahr. Dann fiel ihr etwas ein und sie erzählte ihm von Mustafa dem Weisen und Hishams Aufgabe nach der Hochzeit.Samir lachte leise auf.
„Dass ich nicht lache! Nirgendwo wäre er hingegangen, er hätte dich vorher ermorden lassen! Dieser Feigling! Was für ein Scheusal!“
Samira kamen nun die Tränen. Wie hatte sie sich nur so in Hisham täuschen können? Er wollte also nur ihren Reichtum. Und das sogar schon, bevor der Fluch über sie gekommen war !
Sie ergriff Samirs Hand, „ Was machen wir jetzt nur? Sicher wird man deine Flucht bald bemerken. Mein Vater wird mir sicher auch nicht glauben! Du weißt ja, er hatte immer was gegen unsere Freundschaft.“
Samir nickte zustimmend und überlegte kurz. „ In ein paar Tagen ist Vollmond,“ sprach er, „dann werde ich versuchen, mit diesem Spruch ins dunkle Nirgendwo zu kommen und die Dschinniya zur Strecke bringen. Bis dahin versuche ich ihre Verletzlichkeit heraus zu bekommen. Anscheinend bewirkt auch meine wahre Liebe nichts gegen den Fluch. Das Beste ist, dass wir Hisham in Sicherheit wiegen, bis ich wieder zurück bin. Sonst wird er wohl versuchen mich zu töten, oder aber dein Vater lässt mich für ewig hinter Gittern schmoren. Wenn ich es geschafft habe den Fluch zu brechen, wird dein Vater mir vielleicht eher glauben, auch meine wahre Liebe zur dir. Reichtum ist für mich was anderes als Gold und Juwelen.“ meinte er. S
amira war viel zu sehr aufgeregt, um jetzt groß darüber nachzudenken, dass Samir ihr seine Liebe gestanden hatte. Und nahm auch noch nicht wahr, wie sehr sie sich darüber freute. Zu groß was jetzt erst mal die Angst in ihr. „Ja , Samir,“ sprach sie jetzt, „ so wird es am besten sein. Salma ist mir eine gute Freundin geworden und ich vertraue ihr bedingungslos. Ich werde sie einweihen und wir können über sie in Verbindung bleiben.“ Bei diesen Worten setze sich plötzlich das Vögelchen und zwitscherte ihr etwas ins Ohr, was Samira zwar nicht verstand, aber irgendwie trotzdem wusste, was es ihr mitteilen wollte.
Sie sah Samir an und meinte : „ Dieses Vögelchen habe ich einst vor dem Tod gerettet. Es ist ein ganz besonderes Vögelchen und wird immer wissen wo du dich aufhältst und so kann es kleine Nachrichten zwischen uns in seinem Schnabel befördern.“
Samir nickte. „Ja, ich weiß.“ er strich dem Vogel jetzt liebevoll über sein Gefieder, „ es hat mich aus dem Kerker befreit.“
Samira ergriff jetzt Samirs Hände und sah ihn ängstlich an. „Wo willst du dich jetzt bis zur Vollmond Nacht verstecken, Samir?“
Samir überlegte. „Hm,“ sprach er, „ es gibt da eine Höhle in der Nähe, die kaum jemand kennt, dort will ich Unterkunft suchen.“
„ Doch wer versorgt dich mit essen und trinken? Salma ist ja blind, sie wird uns da nicht beistehen können.“ meinte Samira besorgt.
Samir winkte ab. „ Es sind nur ein paar Tage bis Vollmond ist. Ich werde warten bis es dunkel ist und mir zu hause in meiner Mutters Haus das Notwendigste holen.“
Samirs Mutter wohnte nicht im Gesindehaus bei Samir, da sie nicht in den Diensten des Sultans stand. Doch jetzt musste er sich sputen die Palast Mauern zu verlassen, ewig würde die Wache ja auch nicht schlafen.
Er drückte Samira an sich und strich über ihr langes Haar. Dann küsste er sie auf die kalte Wange. „Habibti, ich muss dich jetzt leider verlassen, sowie die Wache aufwacht, wird hier der Teufel los sein. Bitte bleibe stark und versuche dir nichts anmerken zu lassen. Bis zur Hochzeit bist du sicher. Ich versuche alles was in meiner Macht steht, um den Fluch zu brechen.Auch wenn ich dich in Hässlichkeit lieben würde, so weiß ich doch um dein Leid. Und dein Leid ist auch meines. Also muss ich es beenden!“
Samira nahm jetzt sein Gesicht zwischen ihre Hände. „Samir, bitte passe gut auf dich auf, ich möchte dich nicht verlieren!“ Samira horchte in sich hinein.Was das etwa auch Liebe was sie für ihm empfand? Hatte sie ihn vielleicht schon immer geliebt? Sie wollte später darüber nachdenken, jetzt war Eile geboten. Samir musste sich in Sicherheit bringen.
„ Du wirst von mir hören, Samira.“ sagte er nur noch und verschwand dann schnell, bedacht darauf, nicht gesehen zu werden. Samira raffte nachdenklich ihr Kleid zusammen und stieg aus dem Busch heraus. Schnellen Schrittes ging sie auf die wartende Freundin zu, um sie einzuweihen. Sie wusste bei Salma war jedes Geheimnis sicher und über dieses musste sie einfach mit jemanden reden. Ihre Brüder waren außerhalb des Landes und zu ihrem Vater konnte sie nicht. So war sie froh jetzt in Salma eine Vertraute gefunden zu haben. Als sie jetzt zum Palast zurück gingen, hörte Samira die verzweifelten Schreie der Wache. Immer wieder schlug sie sich selber gegen den Kopf und schrie: „ Oh Allah, steh mir bei, das muss Magie sein!“ Sie konnte sich nicht erklären, wie der Gefangene an den Schlüssel gekommen war und hatte jetzt Angst, der Sultan würde denken, dass sie mit Samir unter einer Decke steckte. Nichts anderes gebe es hier an Möglichkeiten. Und nur die Wache und Samira wussten, dass es nicht so ist. Samira seufzte, fast schon tat ihr die Wache ein wenig leid.Schnell ging sie nun hoch zu ihrem Gemach, sie wollte ihrem Vater nicht vor die Augen treten, bevor sie sich einigermaßen gefangen hatte.
Samir indessen war längst schon außerhalb der Palast Mauern. Bis es dunkel war, musste er sich verstecken. Sicher war das Haus seiner Mutter das erste wo die Wachen ihn suchen würden. Dann sind sie bis zur Dunkelheit sicher wieder weg, dachte er. Hier in der Medina gab es genug Plätze, an denen er sich bis zur Dunkelheit verstecken konnte.Jetzt machte er sich erst mal auf zum Hause seines Freundes Ismael. Dort wollte er sich im Stall verstecken, die Tiere kannten ihn und würden nicht unruhig werden. Von dort aus war er dann auch am schnellsten am Haus seiner Mutter. Als er dann dort im Stall im Stroh lag, fingen seine Gedanken wieder an, sich um Samira zu drehen. Wie lieblich sie doch war. Trotz Maske. Nein, es war nicht ihr Antlitz, was sie für ihn so wertvoll machte, es war ihr ganzes sein. Und sie hatte es nicht verdient ihr Leben in Leid zu verbringen. Er würde alles tun, um den Fluch zu brechen und sie vor Hisham zu beschützen. Auch, wenn sie seine Liebe nicht erwidern würde.Aber darüber wollte er jetzt nicht nachdenken, schließlich hat Samira gerade sehr unschöne Dinge erfahren und ganz andere Probleme bedrückten ihr Gemüt. Plötzlich drehte sich Samir erschrocken um. Draußen waren Stimmen zu hören und kurz darauf horte er die Stalltüre knarren Oh nein! Wer war das jetzt? Schnell wühlte er sich noch tiefer ins Stroh hinein und betete, dass ihn niemand sah.
Samira musste sich schwer zusammen nehmen, als sie mit ihrem Vater das Abendessen einnahm. Längst aß sie nicht mehr in ihrem Zimmer. An diesem Abend war sie froh eine Maske zu tragen, sodass keine Mimik sie verraten konnte, als ihr Vater ihr jetzt ganz aufgeregt von Samirs Flucht erzählte. Mit keinem Wort hatte er ihr ja vorher erzählt, dass er diesen eingesperrt hatte und weswegen. Auch jetzt wollte er Samira nicht mit der Wahrheit belasten und so log er sie mit seiner Antwort auf Samiras Frage, warum er ihn überhaupt eingesperrt hatte. „ Das Silberbesteck hatte dieser Bengel gestohlen! Er kann froh sein, dass ich ihm nicht habe die Hand abhacken lassen, so, wie es bei Diebstahl üblich ist. Nur weil er und sein Vater schon so lange bei mir im Dienste stehen und sich nie was zu Schulde kommen ließen, hab ich Gnade walten lassen und ihn nur eingesperrt. Und das ist jetzt der Dank! Ausgebrochen ist er und ist frage mich wie das bloß, wenn die Wache ihm nicht aufgeschlossen hat?“ Schwer atmend griff er jetzt zu seinem Becher Wein. Er hoffte, Samir nie wiedersehen zu müssen. Samira sagte nichts groß dazu, kannte sie doch die Wahrheit. Und sie wusste auch, dass ihr Vater ihr nicht glauben würde. Erst recht nicht mit dieser Wut im Bauch, die er jetzt über Samir hegte. Er war jetzt im Moment auch so darauf bedacht Samira trotz ihrer Hässlichkeit, an der er schuldig war, in den Stand der Ehe zu bringen, denn das war alles was er für sie tun konnte. Und so konnte er in dieser Verfassung nicht wahrnehmen, was das Gute, oder das Böse war. Samira seufzte. Wie gut nur, dass Samir am richtigen Tag, zur richtigen Zeit in der Schenke gewesen war. Ansonsten wäre ihr baldiger Tod wohl sicher gewesen. Hisham jedoch, gefiel die Nachricht von Samirs Flucht ganz und gar nicht. Er wusste zu viel! Und er musste unschädlich gemacht werden!
Samir erkannte die Stimme seines Freundes Süleyman, die zweite jedoch, war ihm unbekannt. „ Hier sind die Ziegen,“ sprach Süleyman nun,“ suche dir eine aus, die Preise kennst du ja.“ Samir atmete erleichtert auf. Keine Wachen des Sultans! Das Stroh kitzelte ihn an seiner Nase und Samir hatte Mühe ein Niesen zurück zu halten. Schnell drückte er sich in seinem Versteck die Nase zu. Bloß jetzt kein Geräusch machen! Gott sei dank hatte der Käufer schnell seine Wahl getroffen und als sie endlich wieder draußen waren, erklang im Stall ein lautes Haaatschii!! Das war ja grade noch mal gut gegangen. Als es dann dunkel wurde, machte er sich vorsichtig auf den kurzen Weg zum Hause seiner Mutter. Schnell erklärte er der überraschten Frau was passiert war, erstaunt, dass die Wachen nicht dort gewesen waren. Mit Sorge um ihren ältesten Sohn packte sie ihm schnell das nötigste ein und küsste ihm auf die Wange.
„Pass gut auf dich auf, mein Sohn. Und vergesse nie wer du bist und wo du herkommst. Vergesse die Prinzessin, Samir, gebe dein Leben nicht für jemanden, der niemals dein sein wird.“
Samir ergriff seine Mutter sacht an den Schultern und sah ihr in ihre lieben Augen. „ Mutter, meine Liebe zu Samira ist bedingungslos und ich würde jederzeit mein Leben für ihres geben, auch wenn sie niemals mein werden wird.“
Samir Mutter lächelte nun, auch wenn sie Angst um sein Leben hatte, so war sie doch stolz auf das gute Herz ihres Jungen und nickte jetzt zustimmend.
„ Ja, so bist du mein Sohn.Und ich liebe dich. Allah sei mit dir.“ Schnell nahmen sie sich noch mal fest in den Arm, dann ergriff Samir den Leinen Beutel, schmiss sich eine Decke um die Schultern und machte sich auf zur Höhle, in der er sich vorerst mal verstecken wollte. Er war sich sicher, auch wenn der Sultan ihn nicht würde suchen lassen, Hisham würde es sicher tun! Als er später dann in der Höhle ankam, richtete er sich ein einfaches Lager und zündete die Kerzen an. Dann nahm er das Schreibzeug aus seinem Beutel und sprach zu dem Vögelchen auf seiner Schulter, das ihn die ganze Zeit begleitet hatte: „ Bring meiner Liebsten die Nachricht, dass ich unversehrt in meinem Versteck angekommen bin.“ Dann rollte er den Zettel zusammen und steckte ihn dem Vögelchen in seinen Schnabel. „Flieg, mein kleiner Freund und komme gut an!“
Samira saß währenddessen in ihrem Zimmer und sprach mit Salma. Und wieder war sie froh, in diesen Zeiten in ihr eine Freundin gefunden zu haben.
„ Samir hat gar kein Gold oder Edelsteine, mit denen er um Einlass im Reich der Dschinniya bitten kann, Salma. Ich muss ihm ein Sack voll Gold beschaffen, ich will es von meinem Erbe nehmen.“ sprach Samira jetzt zur Freundin.
Salma nickte. „ Ja, das wird er brauchen. Aber wie wollt ihr euren Vater erklären, für was ihr das viele Gold braucht?“
Samira seufzte. „ Er darf nichts davon erfahren, ich muss es in Heimlichkeit tun.“
Salma bejahte. „Ja, das wird das Beste sein, nicht dass der Sultan misstrauisch wird. Aber wie soll Samir an das Gold kommen? Ich kann es ihm nicht bringen, das lassen meine blinden Augen leider nicht zu. Und das Vögelchen ist viel zu schwach für das schwere Gold.“
Samira überlegte. Ja, daran hatte sie noch gar nicht gedacht, wie soll Samir an das Gold kommen? Es blieb nur eine einzige Möglichkeit. „ Ich werde es ihm bei Nacht bringen und das Vögelchen wird mir den Weg zeigen.“ meinte sie jetzt zu Salma, die ein wenig erschrak.
„ Du selbst willst es bringen? Ich hoffe Hisham lässt dich nicht beschatten um heraus zu finden wo sich Samir aufhält. Er weiß wie eng ihr befreundet seid.“
Samira nahm Salmas Hände in die Ihrigen. „ Ich muss das Risiko eingehen Salma. Wie es aussieht, bricht auch Samirs echte Liebe den Fluch nicht. Und die Antwort auf die Frage was es bricht, werden wir nur im dunklen Nirgendwo finden.Und da kommt man nun mal nur mit Bezahlung hinein.“
Salma drückte Samiras Hände. „ Samir muss dich sehr lieben, Samira, wenn er sein Leben für dich aufs Spiel setzen würde.Liebst du ihn denn nicht auch?“ traute sie sich jetzt zu fragen.
Samira senkte den Kopf. „ Ich weiß es nicht, Salma, das kommt alles so plötzlich, ist alles so neu. Ich kann das tiefe Gefühl der Freundschaft gerade nicht einordnen. Ist es Freundschaft? Ist es Liebe? Bis vor kurzem war ich mir noch sicher Hisham zu lieben. Aber jetzt, wo ich sein wahres Gesicht kenne, wird mir Vieles so viel klarer, was ich vorher gar nicht wahr haben wollte. Und auch wenn ich ihn lieben würde, mein Vater würde niemals einer Hochzeit mit einem armen Mann zustimmen.“
Traurig schwiegen beide, bis auf einmal ein leises Klopfen am Fenster zu hören war. Samira sprang auf, das würde sicher das Vögelchen sein, mit einer Nachricht von Samir. Schnell öffnete sie das Fenster um es herein zu lassen. Samira sah erfreut den Zettel in seinem Schnabel und nahm ihn schnell an sich. Schnell überflog sie die Zeilen und teilte Salma dann den Inhalt mit. „Allah sei dank, Samir ist in der Höhle unversehrt angekommen. Er bittet mich den Spruch noch mal genauestens aufzuschreiben und ihm den Vögelchen mitzugeben. Ich werde ihm auch gleich dazu schreiben, dass ich für das benötigte Gold sorgen werde.“ Schnell nahm sie an ihrem Schreibtisch platz und kurz darauf rollte sie einen Zettel zusammen und steckte ihn dem Vögelchen in den Schnabel. „ Flieg, kleiner Freund. Und passe gut auf dich auf!“
Am anderen Tag saß Hisham mit seinem Freund in der Schenke. Sein Gesicht verzog sich wütend, als er jetzt zu diesem sprach.
„ Dieser Mistkerl ist entkommen! Auch wenn der Sultan ihm jetzt nicht glaubt, er muss unschädlich gemacht werden!“
Said sah den Freund mit zusammen gekniffenen Augen an. „ Ja, du solltest ihn unschädlich machen. Aber wo willst du ihn finden? Er ist vielleicht schon über alle Berge.“
Hisham schüttelte den Kopf. „Nein Said, das glaube ich nicht. Der Sultan hat mir erzählt wie sehr dieser Küchenjunge die Prinzessin begehrt. Ich denke nicht, dass er sie im Stich lassen wird. Ich werde auch sie beobachten , schauen ,ob sie sich auffällig verhält, vielleicht weiß Samira ja, wo er sich aufhält.“
Said versprach Augen und Ohren offen zu halten, vielleicht hatte ja einer in der Medina etwas mitbekommen. Doch auch nach zwei Tagen war von Hisham nichts zu sehen und nichts zu hören. Doch nach Einbruch der Dunkelheit, sollte Hishams warten belohnt werden. Versteckt hinter einem Baum beobachtete er, wie eine weibliche Gestalt mit einem Beutel in der Hand den Palast verließ und sich vor diesem angekommen eine Fackel anzündete. Nun konnte er auch das Gesicht erkennen. Samira! Hisham rieb sich die Hände, das ausharren hatte sich gelohnt! Er war sich sicher, dass Samira ihn zu Hishams Versteck führen würde. Langsam und immer Deckung nehmend folgte er ihr und war erstaunt, dass Samiras Weg nicht in die Medina führte. Wo hier draußen sollte Hisham sich verstecken? Nur Sand und ein paar Büsche und Felsen füllten hier die Landschaft. Erstaunt sah er jetzt, dass Samira genau auf diese Felsen zuging. Jetzt erst merkte er, das neben ihr ein Vögelchen flog, fast so, als würde es ihr den Weg weisen. Schnell blieb er hinter einem Busch stehen, als er Samira jetzt leise rufen hörte. „ Samir, ich bin da, ich bin es, Samira. Ich bringe dir das Gold für Aisha.“ Hisham pfiff durch die Zähne. Sieh an, der Küchenjunge wollte für sie ins dunkle Nirgendwo gehen um sie von ihren Fluch zu befreien. Hisham dachte kurz nach, vielleicht würde Aisha ja die Arbeit für ihn erledigen. Doch dann dachte er, dass es sicherer wäre sich ihm gleich zu entledigen. Er musste nur warten bis Samira wieder gegangen war, er brauchte keine Zeugen! Auf einmal fiel ihm etwas ein, wobei es ihm heiß und kalt gleichzeitig wurde. Wenn Samira Kontakt zu dem Küchenjungen hatte, dann kannte sie sicher die Wahrheit! Und im Gegensatz zu ihrem Vater, würde sie Samir sicher Glauben schenken! Mist! Was war wenn sie jetzt die Verlobung lösen wollte? Sein Vater würde ihn umbringen! Wie bereute er jetzt, seinen Freund in der Öffentlichkeit eingeweiht zu haben. Doch dies war nicht mehr zu ändern. Egal wie und egal was kommt, die Hochzeit musste statt finden! Er würde Samira morgen besuchen und sehen wie sie reagiert. Eine männliche Stimme riss ihn jetzt aus seine Gedanken. Samir kam aus den Felsen hervor. Dort musste eine Höhle sein! „ Ich bin hier, Samira, achte auf den Weg, halte dich am besten an meinem Arm fest.“ hörte er ihn jetzt zu Samira sprechen. Dann verschwanden beide aus Hishams Sicht. Er tastete zu seinem Messer, das unter seinem Wams versteckt war und grinste. „Du wirst später zum Einsatz kommen!“ Doch jetzt blieb ihm erst mal nichts anderes übrig als abzuwarten, bis die Prinzessin wieder fort war.
Samira ließ sich von Samir in die Höhle führen, in der ein kleines Feuer brannte. Er wies auf sein Lager. „ Setzen wir uns Samira.“
Samira reichte ihm den Beutel, den sie trug. „ Hier, nimm das Gold, ich hoffe es wird reichen.“ meinte sie und ließ sich dann nieder. Samir griff zu dem Beutel und nahm neben Samira Platz.
„ Ich danke dir von Herzen für das Gold Samira.“
Sie winkte ab. „ Ach was, das, wofür du es brauchst, das tust du ja für mich.“
Samir sah sie jetzt an. Das Licht des Lagerfeuers reflektierte sich in ihrem goldenen Antlitz. „Hast du Hisham schon zu Gesicht bekommen?“ fragte er jetzt.
Sie verneinte. „Nein, Allah sei dank noch nicht. Am liebsten würde ich ihn gar nicht wiedersehen.“ Samir griff zu ihrer Hand, die sie ihm nicht verwehrte.“
„ Das verstehe ich sehr gut,Habibi, aber wir müssen ihn in Sicherheit wiegen.“
Samira sah ihm jetzt in seine wundervollen Augen. „ Seit wann weißt du, dass es Liebe ist, Samir?“ fragte sie ihn jetzt.
Zarte Röte umspielte Samirs Wangen. „ Es war wohl schon immer Liebe. Erst die eines Kindes und jetzt die eines Mannes. Du bist ein Teil von mir, Samira, ein Teil meiner Seele.“ Samira lächelte jetzt hinter ihrer Maske und hörte tief in sich rein. Es war ein schönes Gefühl, von Samir geliebt zu werden.
„ Mein Vater würde uns nie die Ehe erlauben, Samir.“ meinte sie jetzt.
Samir nickte traurig. „Ja, ich weiß.“ Nun nahm er Samira sacht an ihren Schulten. „ Aber viel wichtiger ist für mich, ob du meine Liebe erwidern kannst Samira, wenn auch nicht gleich.“
Samira ließ ihren Kopf auf seine Schulter sinken. Wie gut das tat!
„ Ich glaube, tief in meinem Inneren, war diese Liebe auch immer vorhanden. Ich ließ sie nur nicht zu aus Angst verletzt zu werden, wenn mein Vater sich gegen uns stellt.“ antwortete sie. Jetzt konnte sich Samir nicht mehr zusammen halten und riss sie an sich. „ Oh du mein Augenstern, wie machst du mich damit glücklich. Ich werde alles tun was in meiner Macht steht, um dich von diesem schrecklichen Fluch zu befreien. Ich möchte dein Gesicht sehen Samira, das wird mir Kraft für meinen Kampf geben!“
Samira erschrak und hielt ihre Maske fest. Mit zitternden Worten sprach bat sie: „ Bitte Samir nicht. Ich schäme mich zu sehr mit diesem Aussehen, tue mir das nicht an.“
Samir versuchte sie zu trösten. „ Habibti, bitte vertraue mir doch, nichts, wirklich nichts, wird meine Liebe zu dir trüben können. Auch nicht das Antlitz einer Dschinniya.“
Samira wehrte sich nur noch kurz, als er jetzt bestimmt zur Maske griff und sie ihr langsam vom Gesicht nahm. Bei Allah!dachte er bei dem was dort zu Vorschein kam, wie muss sie leiden. Jetzt sah er ihr offen in ihr hässliches Gesicht mit den Geschwüren. Samira senkte verlegen die Augen, aus denen jetzt leise Tränen flossen. Samir küsste sie zärtlich weg, bedacht darauf, nicht an den giftigen Inhalt der Geschwüre zu kommen. „ Ana a'bak ya habibi, ich liebe dich.“ sagte er von jetzt ganzen Herzen. Dabei sah er in ihre braunen Augen, alles was sie von ihrem Antlitz noch besaß. Nichts passierte.
Samira griff zu ihrer Maske und setzte sie schnell wieder auf. „ Ich liebe dich auch Samir. Ich liebe dein wundervolles Herz, deinen Mut und deine Männlichkeit. Alles was Hisham nicht besitzt.Ich habe aber auch Angst um dich, du hast einen sehr gefährlichen Weg vor dir.“
„ Ja, den habe ich vor mir, Samira, aber es muss sein und ich verspreche dir vorsichtig zu sein.“
Samira erhob sich jetzt. „ Ich könnte ewig hier bei dir sitzen, aber ich gehe jetzt wohl besser, bevor mich im Palast einer vermisst:“ Samir nickte zustimmend und zündete Samiras Fackel an. „
Ja, gehe jetzt besser, ich werde dich vermissen meine hübsche Wüstenblume.“ Sie umarmten sich ein letztes mal.
„ Komm gut zurück, Samir.“ sprach Samira, nahm die Fackel an sich und machte sich dann schweren Herzen auf den Heimweg. An seinem Versteck rieb sich Hisham grinsend die Hände. Jetzt war der Weg für ihn frei, hatte ja lange genug gedauert.
Hisham zog jetzt sein Messer heraus und pirschte sich langsam zur Höhle vor. Der Angriff musste überraschend kommen, Samir war kräftig und er musste vorsichtig sein. Als er jetzt die Höhle erreichte und vorsichtig hinein schaute, sah er Samir mit dem Rücken zu ihm am Feuer sitzen. Besser konnte es gar nicht laufen! Hisham sprang in die Höhle und legte, Samir von hinten umklammernd, das Messer an seinen Hals. Doch Samir reagierte trotz Überraschung blitzschnell, griff Hisham an den Armen und schleuderte ihn über sich. Hisham griff zu seinem Messer auf dem Boden, dass ihm aus der Hand gefallen war und meinte voller Wut: „ Du entkommst mir nicht, Küchenjunge!“ Und stürzte sich erneut auf sein Opfer. Dabei fiel das Messer in die heiße Glut des Feuers. Rot und heiß flogen nun kleine Glut Fetzen, als Samir das Messer mit einem Tritt weit außer Reichweite schleuderte.Doch schon spürte er Hishams kräftige Hände um seinen Hals. „Stirb , du Niemand, die Prinzessin gehört mir!“ Verzweifelt versuchte Samir Hishams Griff zu entkommen. Aber Hisham saß schwer auf ihm, drückte mit seinen Oberschenkeln Samirs Arme nach unten. Hishams Gesicht verzog sich im Kampfe zu eine hässlichen Fratze. Siegessicher kam ein höhnisches Lachen tief aus seiner Kehle. „Bete Küchenjunge, jetzt ist es vorbei!“
Samir merkte wie ihm langsam die Sinne schwanden, immer weniger bekam er Luft. Nein! Er durfte nicht sterben, das wäre auch Samiras Tod! Als er jetzt auf den Boden liegend, hinaus hoch zum Himmel schaute erblickte er, wie plötzlich der Mond zum Vorschein kam, den bis dahin eine dunkle Wolke verdeckt hatte. Er war rund! Vollmond! Samir überlegte nicht lange, nahm seine letzte Kraft zusammen und schlug seinen gegen Hishams Kopf, der vor Schmerzen aufschrie und kurz Samirs Arme los ließ. Dieser griff schnell zu dem Sack Gold neben ihm, während Hisham ihn erneut anfing zu würgen. „ Land der Dunkelheit, Reich des Bösen erhöre mich und weise mir den Weg ins Nirgendwo!” Kaum hatte Samir diese Worte ausgesprochen erschütterte ein lautes Zischen die Höhle und ein heller Lichtstrahl blendete Hishams Augen. Als er wieder klar sehen konnte erschrak er fürchterlich.
Weg! Er war einfach weg! Hishams Hände griffen plötzlich ins Leere, Samirs Körper, auf dem er eben noch saß, war verschwunden! Hisham lachte jetzt hysterisch. Das gibt es doch gar nicht! Und doch hatte der Küchenjunge sich in Luft aufgelöst. An seinem eigenen Verstand zweifelnd, hob Hisham nun sein Messer auf und machte sich grübelnd auf den Heimweg. Dabei hielt er sich wimmernd seinen schmerzenden Kopf. Morgen würde er zu der Prinzessin gehen und sie notfalls zur Hochzeit zwingen.
Langsam lichtete sich der Nebel um Samir und im seichten Vollmondlicht konnte er zumindest die Umrisse der Landschaft erkennen, in der er sich plötzlich befand. Langsam richtete er sich auf und wischte sich den Staub von seinen Hosen. Er schien sich in einem, an hohe dunkle Berge grenzenden Waldstück zu befinden. Das musste das Nirgendwo sein! Plötzlich stutzte er. War da nicht ein leises wimmern zu hören zwischen all den unheimlichen Geräuschen die hier herrschten? Er legte die Hand an die Ohren. Das kam von den Bäumen! Ja, da war er sich ganz sicher! Wie im Echo schwirrte dieses Wimmern durch den Wald und Samir wurde schlagartig klar, dass er keine einzige Waffe zu seiner Verteidigung bei sich trug. Nur das Gold. Doch wo war es?! Samir drehte sich um. Allah sei dank, dort auf dem Boden lag es. Angeekelt schüttelte er schnell die schleimigen schwarzen Würmer von dem Beutel, die mittlerweile von diesem Besitz genommen hatten. „ Weg mit euch!“ rief er und trat schnell noch darauf, doch das hätte er lieber sein lassen sollen. Roter ätzender Nebel schoss aus diesen ekelhaften Würmern und dieser brannte jetzt höllisch auf Samirs Gesicht. Samir riss die Hände vor sein Gesicht und schrie schmerzerfüllt auf. Allah, wie das brannte! Aber er musste stark sein! Stark sein für Samira und heraus bekommen, was den Fluch brechen könnte. Plötzlich stutzte er. Das Wimmern der Bäume formte sich zu Worten. „ Unsere Blätter,“ flüsterten sie,“ sie werden dir gut tun.“ Samir ging erstaunt auf einen dieser Bäume zu und dachte er träume. Beim Näher treten erkannte er ein hölzernes Gesicht im Baumstamm, das Tränen aus Harz weinte. „ Was? Wer bist du?“ stotterte er nun und rieb sich die Augen. Nein, keine Einbildung, das Gesicht war wirklich dort im Baum. Traurig sprach es nun zu ihm.. „ Für uns gibt es kein zurück, wir sind die Holzwesen, wir wagten es, der Dschinniya zu trotzen und sind jetzt verdammt dazu für immer und ewig in diesen Bäumen zu leben.“ Das berührte Samir sehr und er legte seine Hand auf die hölzerne Wange. „ Das tut mir sehr leid, kann ich denn gar nichts für euch tun?“ Das Holzwesen verneinte. „Nein, Fremder, aber ich für dich. Das Gute und Reine unserer Seelen ist in unsere Blätter geflossen. Lege sie dir auf dein Gesicht und es wird abheilen.“ Der hohe Baum schüttelte sich und Samir hob schnell ein paar Blätter auf. „Presse den Saft heraus und reibe dein Gesicht damit ein,“ sprach das Baumwesen, „ und stecke dir noch ein paar Blätter ein, vielleicht wirst du sie brauchen.“ Samir tat wie gesagt, griff dann zu seinem Beutel mit Gold und sprach. „ Ich muss zur Dschinniya, sie hat meine Liebste zu ihrer eigenen Hässlichkeit verflucht und ihr die Schönheit genommen, die jetzt Aishas eigenes Antlitz besitzt. Weißt du wie ich zu ihr gelange?“ Das Baumwesen senkte seine hölzernen Augen.“ Ja, ich habe davon gehört, dass Aisha mit einem mal eine strahlende Schönheit besitzen soll. Jetzt weiß ich warum. Du musst vorsichtig sein, Fremder, hier lauern einige Gefahren auf dich. Hüte dich vor den lachenden Sümpfen, sie werden versuchen dich in dein Verderben zu bringen. Hast du es aus dem Wald heraus geschafft, wirst du die Grenze zu Aishas Besitz erreichen, ihr düsteres Schloss ist nicht zu übersehen. Dort wird dich ein Wächter erwarten, den du für den Einlass in ihr Reich bezahlen musst.“ Samir hob den Beutel hoch. „Ja, das war mir bewusst und dafür ist gesorgt. Aber nun muss ich weiter, meine Liebste ist in Gefahr und ich möchte so schnell wie möglich wieder zurück.“ Dann fiel ihm etwas ein und ihm wurde plötzlich heiß und kalt. Wie würde er zurück kommen? Davon hatte Mustafa leider nicht gesprochen! „ Mit einem Spruch zur Vollmond Nacht kam ich her, jedoch weiß ich nicht, wie würde ich hier jemals wieder raus kommen?“ fragte er darum. Traurig sah ihn das Baumwesen an.
„ Ich kenne leider niemanden, der es jemals geschafft hatte, aus dem Nirgendwo wie zurück zu kehren.“ Samir schluckte.
Das hörte sich nicht gut an, gar nicht gut. Doch das durfte ihn nicht stören. Aber eines musste er noch wissen. „Gibt es in diesem Wald etwas, was mir gegen Durst und Hunger helfen kann? Etwas, das nicht giftig oder lebensbedrohend ist?“
Das Baumwesen nickte. „ Hast du Hunger, so suche nach einer Pflanze, deren Blätter in einem Himmelblau erstrahlen und deren Blüten sich wie Sonnenstrahlen eröffnen. Sie werden süßen Nektar bereit halten. Nektar gewonnen aus den reinen weinenden Herzen der Mütter, die durch Aisha einst ihr Kind verloren hatten. Er wird deinen Durst löschen, aber auch gleichzeitig deinen Hunger stillen.“
Samir bedankte sich bei dem Baumwesen und machte sich dann auf, hinaus ins dunkle Nirgendwo. Und hoffte Allah würde ihm beistehen auf seinem schweren Wege. Als er etwa eine halbe Stunde unterwegs war, bemerkte er gähnend seine Müdigkeit. Es war mitten in der Nacht und vielleicht sollte er erst mal schlafen und zu Kräften kommen. Müdigkeit machte unvorsichtig und das konnte er sich nicht erlauben. Und so suchte er Schutz hinter einem Baum, schob sich den Beutel mit Gold unter seinen Kopf, schloss die Augen und ließ sich mit dem Wimmern der Bäume in den Schlaf gleiten.
Samira saß mit ihrem Vater beim Frühstück, als man ihr Hisham meldete. Kurz erschrak sie, dann aber besann sie sich und bat ihn herein, sie durfte sich nichts anmerken lassen. Mit seinem falschen Lächeln begrüße Hisham erst den Sultan, trat dann zu Samira und küsste ihr galant die Hand.“Guten Morgen, Habibi, gewährst du mir einen Spaziergang?“
Auch wenn Samira sich innerlich dagegen sträubte, wollte sie bei Hisham keine Zweifel aufkommen lassen, dass sie ihn liebte. Und so sagte sie dankend zu und ergriff Hishams dargereichten Arm. Im Palast Garten angekommen, verhielt er sich schon gar nicht mehr so galant und zog sie hart in den Pavillon. Samira erschrak, was hatte dies zu bedeuten? Hisham setzte sich und drückte sie neben sich.
„Was soll das Hisham? Du tust mir weh!“ wehrte sich Samira.
Hisham ließ jetzt seine Maske fallen und sah sie mit einem boshaften Ausdruck an. „ Du weißt genau was los ist du stinkende, hässliche Person,“ meinte er nun und Samira fing an leise zu weinen. Hart packte er ihren Arm. „ Ich weiß, dass du mit diesem Nichtsnutz von Küchenjunge unter einer Decke steckst! Und mich in Sicherheit wiegen willst. Aber ich habe euch gesehen!“
Samira erschrak und fragte ängstlich. „ Was hast du Samir angetan?!“
Hisham suhlte sich jetzt in ihrem Leiden und log: „ Den Hals habe ich ihm aufgeschlitzt nachdem du die Höhle verlassen hast!!“
Samira brach nun weinend zusammen. Samir..tot..oh nein. Mit was für einem Scheusal war sie nur verlobt? Jetzt sprang sie auf. „Ich werde dich verhaften lassen! Niemals wirst du mein Erbe bekommen!“
Doch Hisham lachte nur hämisch und drückte sie wieder zurück auf die Bank. Dann beugte er sich über sie und hielt ihr sein Messer an den Hals. „ Das wirst du mal besser sein lassen! Hängt dein Herz nicht an deiner kleinen Freundin Salma? Und deinem Vater? Sowie mir etwas passiert, ist dafür gesorgt, dass beide sterben werden! Hast du das verstanden??“
Samira griff zu Hishams Händen und wimmerte. „ Lass mich los! Ja, ich habe verstanden!“
Hisham steckte das Messer zurück. „ Braves Mädchen!“
Jetzt ist eh alles egal, dachte Samira und zerbrach innerlich. Samir tot, Salma und ihr Vater in Gefahr, wenn sie Hisham nicht ihr Ja-Wort gab. Es gab keinen Ausweg mehr. Von diesem Tag an, sah man kein Lächeln mehr in Samiras Gesicht. Sie war innerlich gestorben.
Samir wachte von einem lauten Gelächter auf. Auch wenn es im dunklen Nirgendwo immer düster war, so war es doch des Tages hell genug um etwas zu sehen. Samir rieb sich gähnend die Augen und wusste im ersten Moment gar nicht, wo er sich befand. Dann sah er den Beutel Gold, auf dem er gelegen hatte und alles fiel ihm wieder ein. Doch woher kam bloß dieses Lachen? Es klang sehr fröhlich und war furchtbar ansteckend. Jetzt nahm Samir plötzlich wahr, dass er nahe eines Sumpfes geschlafen hatte. Nehme dich in acht vor den lachenden Sümpfen! Die warnenden Worte des Baumwesens fielen ihm ein, doch es war schon zu spät! Wie magisch angezogen ging er immer mehr auf den Sumpf zu, angesteckt mitlachend, geradewegs in sein Verderben. Innerlich wehrte er sich dagegen, aber der Sumpf war stärker . Das trübe,sumpfige Wasser formte sich zu Armen, die ihn zu sich winkten. Das Lachen formte sich zu lockenden Worte. Komm, komm und sei fröhlich mit uns, riefen sie. Samir weinte innerlich. Was tat er hier nur, der Sumpf würde ihn verschlingen und Samira wäre verloren. Sein Geist war wach, sein Körper jedoch hörte nicht auf ihn. Und dann war es passiert! Samir hatte keinen Boden mehr unter den Füßen und spürte kalt den Sumpf an seinem Körper, der plötzlich auch wieder auf ihn hörte. Doch es war zu spät! Desto mehr er sich gegen das versinken wehrte, desto tiefer zog es ihn hinab ! Das Lachen des Sumpfes, das sich jetzt höhnisch anhörte, erklang Sieges bewusst in seinen Ohren. Samir stieß einen lauten verzweifelten Schrei aus, wusste er doch, es gab kein Entrinnen. Samira, flüsterte er, als er plötzlich ein Flattern neben sich war nahm. Das Vögelchen! Es musste mit ihm gekommen sein! In seinem Schnabel hielt es eine Art Liane die zu einem großen Baum führte und es ließ diese jetzt los und ließ sie direkt vor Samir in den lachenden Sumpf fallen. Mit letzter Kraft griff er danach und angelte sich aus dem kalten Sumpf heraus. Als er hustend festen Boden unter sich spürte, spie er angeekelt das schwarze Sumpfwasser aus, welches er geschluckt hatte und atmete tief durch. Das Vögelchen flog aufgeregt um ihn herum. Das schien ja nochmal gut gegangen sein. Samir streckte die Hand aus und das Vögelchen ließ sich zwitschernd darauf nieder. „ Gutes, liebes Vögelchen,“ sprach er erleichtert, „ du hast nicht nur mir, sondern auch der Prinzessin das Leben gerettet!“ Dann sah er das Gesicht des Vögelchens, das mit Brandblasen versehen war. Da hatte es wohl Hunger gehabt und hatte mit dem Gift der schwarzen Würmer Bekanntschaft gemacht. Schnell griff er in seine Hosentasche. Ja, die Blätter befanden sich noch darin. Er drückte etwas Saft daraus und schmierte es dem Vögelchen auf seine Verbrennungen. Sacht strich er ihm über sein Gefieder. „ Das wird dir helfen, mein Freund.“ Samir dachte nach, er wollte dem Vogel nun endlich einen Namen geben. „ Ich werde dich Makhlasi nennen.“ sprach er zu dem Vögelchen, was soviel wie „ Mein Retter“ hieß. Makhlasi zwitscherte fröhlich, der Name gefiel ihm. Allah sei dank, hatte es Samir noch rechtzeitig gefunden. Als sie durch das Portal transportiert wurden, hatte es Samir aus den Augen verloren.
Leila verbeugte sich vor Aisha Quandischa und sprach: „ Eure Späher des Waldes lassen mitteilen, dass ein Jüngling auf dem Weg zu euch ist.“
Aisha stand, wie jeden Tag vor dem Spiegel und bewunderte ihr hübsches Antlitz. Einzig allein ihre grauenhaften Augen waren dort noch zu sehen. Mit diesen sah sie Leila jetzt abwertend an. „Ha! Wieder einer, der sein Glück versucht. Wir werden sehen ob er es durch den Wald schafft. Und wenn er Einlass verlangt, wird er hoffentlich genug Gold haben. Danach wird er in den Genuss meine Körper Säfte kommen und vergessen haben, warum er überhaupt erst hier her kam.“ Laut und hämisch klang jetzt ihr grunzendes Lachen durch den Raum. Sicher wurde er schon längst vom Sumpf verschluckt, frohlockte sie. Ohne Grund ließ sie jetzt die Peitsche über Leilas Rücken klatschen. „ Stehe auf, du Scheusal. Richte dem Späher aus, hat der Jüngling genug Gold, soll man ihn herein lassen. Falls er es bis zur Grenze schafft. Den Rest besorge ich! “
Samir griff zur selben Zeit zu dem Beutel mit dem Gold und setzte sich Makhlasi auf seine Schultern. Sie mussten weiter! Was Samira wohl jetzt machte? Hoffentlich konnte sie Hisham in Sicherheit wiegen, bis er wieder zurück war. Hoffentlich mit einer Lösung um den Fluch aufzuheben. Er wollte die Liebste nicht ihr Leben lang leiden sehen. Keine Ahnung hatte er davon, dass Samira ihn längst schon tot glaubte und sich todtraurig ihrem Schicksal zu einer Ehe mit Hisham ergeben hatte.
Samira saß betrübt auf ihrem Bett und trauerte um Samir. Hatte sie doch grade erst ihre Liebe zu ihm entdeckt. Es zerriss ihr fast das Herz. Und das schlimmste war, dass sie mit niemanden darüber sprechen konnte. Das würde für die Menschen die sie liebte den sicheren Tod bedeuten. Und so musste sie diese Bürde ganz alleine tragen. Sicher würde Hisham nach der Hochzeit auch ihr nach dem Leben trachten, um vollständig an ihr Erbe zu gelangen. Und ebenso nach dem Thron des Sultans , indem er auch ihn unschädlich machen würde. Warum nur waren ihre Brüder soweit weg. Um an den Thron zu kommen ,müsste Hisham sie dann auch noch aus dem Weg räumen und Samira hatte keine Möglichkeit sie zu warnen. Wie viel Kraft würde es sie jetzt kosten, ihrem Vater die glückliche Braut vorzuspielen. Der Sultan sprach nicht mehr von Samir, er war wohl froh, dass er verschwunden , und so außer Reichweite für seine Tochter war. Traurig schaute sie jetzt zu ihrem Hochzeitskleid, das an ihrem Schrank hing. Es war wirklich wunderschön und einer Prinzessin würdig, aber eine Braut die es trug, sollte glücklich darin sein.
„ Wie soll ich glücklich ohne Samir sein, Mutter?“ sprach sie nun zum dem Bild in ihren Händen. Gerade jetzt wünschte sich Samira verzweifelt, eine Mutter an ihrer Seite zu haben. Ihr Vater hatte absolut keine Zweifel an Hishams Liebe zu ihr und würde ihr noch nicht mal zuhören, geschweige denn Glauben schenken. Aber auch wenn er es täte, wäre es sein sicherer Tod. Samira wischte sich jetzt über die Augen. Salma müsste gleich kommen und sollte sie nicht weinen sehen. Behutsam stellte die das Bild ihrer Mutter zurück auf die Kommode , als sie auch schon ein Klopfen an der Tür vernahm. Das musste Salma sein, dachte sie und öffnete die Tür. Doch davor stand nicht Salma, sondern Hisham, der sie jetzt beiseite schubste und sich Einlass gewährte.
Samira trat erschrocken zurück. „ Was willst du?“ fragte sie ihn mit einer Wut in der Stimme, die sie nicht verstecken konnte.
Hisham verbeugte sich jetzt ironisch vor ihr und sprach. „ Hoheit, ihr müsst mir leider einen kleinen Vorschuss gewähren. Leider erlag ich dem Hütchenspiel und habe bedauerlicher Weise verloren. Zahle ich nicht, wird mich das meinen Kopf kosten. Und was mir den Kopf kostet, wird auch Salma und dem Sultan das Leben Kosten.“
Die Gehässigkeit ,die bei diesen Worten in seinem Gesicht stand, widerte Samira regelrecht an. Sollten sie ihm doch den Kopf abhacken, dachte sie, aber sie musste auch an ihren Vater und Salma denken. Trotzdem sprach sie : „ Schämst du dich gar nicht? Du schreckst wirklich vor nichts zurück! Fast bin ich schon glücklich, dass du mich nach der Hochzeit töten wirst, das ist allemal besser, als mit solch einem Monster zusammen zu leben!“
Hisham lachte lauthals los bei ihren Worten. „Ich ein Monster?, fragte er, „ was bist dann bitte du mit dem Antlitz einer Dschinniya?“
Samira schlug jetzt mit den Fäusten gegen seine Brust. „ Du furchtbares Scheusal! Zumindest habe ich ein reines Herz, dort wo bei dir nur ein Stein sitzt!“
Hisham griff jetzt zu ihren Händen und schleuderte sie hart auf ihr Bett. „ Genug! Ich spaße nicht! Her mit dem Gold!“
Samira wimmerte leise vor sich hin. Sie hatte keine Chance und musste klein beigeben. So stand sie auf und griff zu einer hölzernen Kassette , der sie ein paar Goldmünzen entnahm und Hisham vor die Füße schmiss, worauf sich dieser lachend danach bückte und sie aufhob. „ Sie an, sie an. Die tugendhafte Prinzessin verwandelt sich in eine Furie. Schade dass du deine Schönheit verloren hast, so langsam könntest du mir gefallen.“
Angeekelt sah Samira ihn an. „ Mein Herz hätte dir nie gehört und jetzt verschwinde aus meinem Zimmer!“ Lachend verbeugte sich Hisham abermals und verließ dann den Raum. Er hatte ja wonach ihm düngte. Samira ging zum Fenster und schaute seufzend hinaus. Wenn doch wenigstens mal das Vögelchen vorbei schauen könnte, diesem könnte sie ihr Leid erzählen.Wie sollte sie auch wissen, dass Makhlasi zur selben Zeit auf den Schultern des Mannes saß, den sie für immer verloren glaubte und sich mit ihm durch das dunkle gefährliche Nirgendwo kämpfte, um sie von ihrem Fluch zu befreien.
Samir lief währenddessen durch das dunkle Waldgebiet. Auch jetzt am Tage war er voll komischer Geräusche, die Samir nicht einordnen konnte. Doch, eines davon kannte er nur zu gut, das, was er jetzt wahr nahm, war das Knurren seines eigenen Magen. Und auch Durst verspürte er jetzt. Er versuchte sich an die Worte des Baumwesens zu erinnern. „Hast du Hunger, so suche nach einer Pflanze, deren Blätter in einem Himmelblau erstrahlen und deren Blüten sich wie Sonnenstrahlen eröffnen. Sie werden süßen Nektar bereit halten. Nektar gewonnen aus den reinen weinenden Herzen der Mütter, die durch Aisha einst ihr Kind verloren hatten. Er wird deinen Durst löschen, aber auch gleichzeitig deinen Hunger stillen.“ Er musste also nach eine blaugelben Pflanze Ausschau halten. Er schaute jetzt zu Makhlasi und bat ihn ein wenig voraus zu fliegen und nach dieser Pflanze mit Ausschau zu halten. Vier Augen sehen mehr als zwei. Der Vogel war kaum seinen Augen entschwunden, als Samir plötzlich ein ängstliches lautes Zwitschern vernahm. Makhlasi musste sich in Gefahr befinden! Schnell rannte Samir in die Richtung, aus der er Makhlasis Hilferuf vernahm und stockte erschrocken vor dem, was er dort sah. Zwischen zwei Bäumen spannte sich ein riesiges Spinnen Netz, indem sich das Vögelchen verfangen hatte. Ängstlich flatterte es dort mit seinen Flügeln, aber aus diesen klebrigen Fäden gab es kein Entkommen.Seinen gefiederten Freund in dieser Situation zu sehen war schon schlimm genug für Samir, doch das was er jetzt sah, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Um den Baum herum krabbelte jetzt eine riesige zweiköpfige Spinne auf ihr Opfer zu! Oh nein, dachte Samir, was kann ich nur tun? Er hatte ja noch nicht mal ein Messer bei sich. Schnell schaute er sich nach einem Ast um. Da, dieser müsste gehen! Er hob jetzt den Ast auf, ohne die Spinne aus den Augen zu lassen, die jetzt damit anfing ihr Opfer einzudrehen. Makhlasi piepste fürchterlich vor Angst. Samir ließ den Beutel Gold fallen und fing an auf den Baum zu klettern, und hoffte die Spinne bemerkte ihn nicht, sodass er durch einen überraschenden Angriff im Vorteil sein würde.Doch schnell hatte die Spinne ihr neues Opfer bemerkt! Sie hörte auf Makhlasi einzudrehen und wandte sich jetzt Samir zu, in dem sie einen weitaus größeren Leckerbissen vermutete. Als sie ihn jetzt mit ihren riesigen Beißzangen packen wollte, nahm Samir allen Mut zusammen und wisch ihr aus, indem er in ihr Netz sprang.Grade noch so, konnte er einen der Fäden packen. Noch nie hatte er ein Netz mit solchen Ausmaßen gesehen! Schnell schwang er sich vor bis zu Makhlasi und bemühte sich ihn aus den Fäden zu befreien, bevor die wütende Spinne ihn wieder erreicht hätte. Klebrig wie Honig, hatte er einige Mühe den Vogel zu befreien und schaffte es im letzten Moment. „ Flieg, Makhlasi!“ schrie er und schmiss den Vogel in die Luft, der flugs davon flatterte. Doch Samir selbst war immer noch in Gefahr in diesen Netz und fühlte wie die Spinne nach ihm packte. Er wusste er würde jetzt sterben und mit ihm Samira. Dem Tode sicher, schloss er seine Augen und wartete auf den tödlichen Biss. Doch plötzlich hörte er ein Zischen, die Spinne ließ los und fiel schwer zu Boden. Zwischen ihren beiden Köpfen steckte ein großer Pfeil. Verwundert schaute Samir sich um. Wer hatte da geschossen? Da! Hinter einem Baum versteckt, trat jetzt ein ungewöhnliches Wesen hervor. In seinen Händen hielt es Pfeil und Bogen. Es war nicht größer als ein Kind, hatte ungewöhnlich große Ohren und das Gesicht eines Greises. War das ein Gnom? Ein Dschinn? Und warum hatte es ihn gerettet? Samir schwang sich jetzt zum Baum und kletterte hinunter. Dann trat er vor das Wasen und reichte ihm seine Hand. „ Danke, du hast mein Leben gerettet. Darf ich fragen wer du bist?“
Das Männchen lächelte ihn freundlich an. „ Ich bin Luluga, das Waldwesen. Die Dschinniya hat mich zu hundert Jahre im Wald verbannt und erst wenn ich 99 Jünglinge gerettet habe, werde ich zurück in meine Heimat können.“
Samir sah ihn verwundert an. „ Du bist jetzt schon das zweite freundliche Wesen, dass ich hier traf, ich dachte alles im dunklen Nirgendwo wäre böse.“
Lulunga schüttelte traurig den Kopf.“Hier war es nicht immer so düster und böse. Aishas dunkle Seele hat von all dem Besitz ergriffen. Es kamen schon viele, die sie töten wollten, aber noch keiner von ihnen hat das Nirgendwo wieder lebendig verlassen. Ihr hattet Glück, dass ich gerade des Weges kam.“
Samir lächelte. „Ja, das habe ich.“ Dann erzählte er dem Waldwesen warum er hier sei und fragte ihn auch gleich nach den nahrhaften Pflanzen.“ Worauf hin Luluga seinen Rucksack abnahm, diesen öffnete und Samir ein paar Pflanzen reichte mit dem Worten: „ Nehmt meinen Vorrat, ich weiß wo sie wachsen und kann mir neue holen.“
Samir bedanke sich und zog den Nektar aus den Blüten. Zugleich fühlte er sich erfrischt und herrlich satt. „ Danke, Luluga, von ganzen Herzen.“
Jetzt kam auch Makhlasi freudig angeflogen und ließ sich auf Samirs Schultern nieder. Sein Herr war gerettet! Samir bedankte sich nochmals und verabschiedete sich dann von Luluga, nicht ohne ihn nach dem Weg zu Aisha gefragt zu haben. „ Seit vorsichtig, Aisha ist eine Schlange und weidet sich an dem Schmerz der Menschen. Und viel Glück bei eurem Vorhaben.“ riet er ihm noch.
„Das können wir gebrauchen.“ sprach Samir, steckte den Rest der Pflanzen ein und machte sich erneut auf den Weg zu Aisha Quandischa. Doch Luluga hielt ihn zurück. Er griff unter seinen Wams und zog einen Dolch hervor. Diesen reichte er ihm mit dem Worten. „ Nimm,junger Freund. Wie ich sehe, bist du gänzlich unbewaffnet.Und das sollte man hier nicht sein.“
Samir griff nach dem Dolch und bedankte sich bei Luluga, jetzt aber mussten sie wirklich los. Die Sehnsucht nach Samira war riesig und er wollte einfach nur schon alles hinter sich haben. Er seufzte tief auf. Sicher wird bis dahin noch einiges auf ihn zukommen.
Als es jetzt abermals an Samiras Tür klopfte, war es dann wirklich Salma, die zur Gesellschaft kam. Wie sehr sich Samira auch freute einen Menschen um sich zu haben den sie mochte, fiel es ihr heute sehr schwer Salmas Fragen zu beantworten ,und wieder einmal war sie froh, eine Maske zu tragen, sodass man nicht in ihrem Gesicht lesen konnte.
„ Samir müsste jetzt schon im Nirgendwo sein wenn alles geklappt hat,“ meinte Salma nun, „ was meinst du, wie lange er dort sein wird? Hoffentlich ist er rechtzeitig vor der Hochzeit zurück.“
Samira zitterte innerlich. Wie gerne hätte sie sich um Trost suchend weinend an die Brust der Freundin geworfen, aber sie musste alle Kraft zusammen nehmen, sich ihre Trauer um Samir nicht anmerken zu lassen.
„ Ich hoffe es,“ sprach Samira nun mit leiser Stimme, „ sicher muss er viele Gefahren überwinden.“
Salma nickte. „Ja, hoffen wir, dass ihm nichts passiert.“
Jetzt konnte Samira nicht mehr. Schnell stand sie auf, ging zum Fenster und schlug sich schluchzend die Hände vor die Augen. Salma sah sie verwundert an , ging auf sie zu und nahm die Freundin in den Arm, die, wie sie dachte, aus Angst davor weinte, Samir könnte etwas passieren.
„ Weine nicht, Samira, „ Samir ist stark und klug, er wird gesund wiederkehren.“ versuchte sie sie beruhigen.
Nein! schrie es in Samira, das wird er nicht, man hatte ihm bereits das Leben genommen! Das erste mal in ihrem Leben spürte Samira den Schmerz des Verlustes einer wahren Liebe. Und Hisham, dieses Scheusal durfte leben! Oh Allah wenn du gütig bist, bestrafe du ihn für das was er getan hat und auch noch vor hat.
Salma nahm nun ein Beutelchen unter ihrem Gewand hervor, griff hinein und reichte Samira ein Stück feinsten Türkischen Honig. „ Da meine Prinzessin, nur du bist süßer, iss und es wird dir Trost schenken. Es hilft mir immer mich wohl zu fühlen, wenn ich mal wieder mit meinem Schicksal hadere.“
Samira griff gerührt zu der Süßigkeit, wie sollte Salma auch wissen, dass nichts über den Tod des Liebsten hinweg trösten könnte.
Als sie später mit ihrem Vater beim Abendmahl saß, war der Sultan mal wieder bei seinem Lieblingsthema-Der Hochzeit. Im größten Rahmen sollte sie statt finden, keine Kosten wollte er scheuen. „ Ich habe die besten Musikanten, die besten Tänzerinnen und die besten Köche für eure Hochzeit beauftragt. Es wird an nichts mangeln. Die frischesten Früchte und die herrlichsten Süßigkeiten sollen nach dem Mahl aufgetragen werden, welches aus Perlhuhn, Lamm und frischem Fisch bestehen soll. Dazu wird Couscous gereicht und unser bester grüner Tee mit frischen Minze Blättern. Der Saal soll nach gebrannten Mandeln und Jasmin riechen,“ jetzt grinste er ein wenig errötend, „ und für deine Hochzeitsnacht steht das teuerste Rosenwasser bereit.“
Samira legte ihre Hand auf die ihres Vaters. „ Danke dir Baba, danke, das wird bestimmt eine wundervolle Hochzeit werden.“ Niemals sind ihr Worte schwerer gefallen als diese. Wie gerne hätte sie ihrem Vater die Wahrheit gesagt, aber auch wenn er ihr Glauben schenken und Hisham hängen lassen würde, so hatte dieser ja schon vorgesorgt, dass, würde ihm etwas passieren, man sie und ihre Liebsten töten würde. Aber irgendetwas in ihr wollte nicht aufgeben, aber noch sah sie keine Lösung für die Situation, in der sie sich zurzeit befand. Oh Allah, betete sie jetzt, bitte hilf mir und den meinen unserem schrecklichen Schicksal zu entkommen.
Der Weg war matschig und uneben. Samir rückte sich seinen Turban zurecht und überlegte ihn ganz abzunehmen, hier schien keine Sonne, vor der er sie schützen konnte. Doch er ließ ihn auf, worüber er später noch dankbar sein würde. So wie Lulunga es erklärt hatte, müsste er jetzt den Weg über die Felsen nehmen. Dunkel und gespenstig lagen diese vor ihm. Er schaute zu Makhlasi, der auf seinen Schultern saß und seufzte. „Na, dann wollen wir mal, mein gefiederter Freund!“ Langsam, einen Fuß vor den anderen setzend, kletterte er nun den Felsen hinauf. Ein falscher Schritt und es würde sein Tod sein. In den Spalten der Felsen brodelte eine heiße Masse, Lava gleich. Außer den Felsen selbst und ein paar Ästen und Gestrüpp dazwischen, hatte er nichts, was ihm Halt geben könnte. Der Gestank , der von dieser Masse ausging war fürchterlich und erinnerte ihn ein wenig an die Geschwüre auf Samiras Gesicht. Samir musste sich jetzt konzentrieren und der Beutel Gold wurde mit jedem Schritt schwerer. Aber er durfte ihn nicht loslassen! Er war sein Eintritt zu Aisha. Besser ich binde ihn an meinen Gürtel, dachte er gerade ,als es auch schon passierte! Samir merkte wie Geröll unter ihm wegrutschte und er mit! Oh nein! Das würde er nicht überleben! Makhlasi piepste fürchterlich, als Samirs Körper jetzt die Felsen runter rollte. Samir verabschiedete sich schon innerlich von seinem Leben, als er plötzlich feststellte, dass es irgendwie leichter auf seinem Kopf wurde. Schnell hatte er gemerkt was da vor sich ging und griff nach seinem Turban, der sich immer mehr aufwickelte. Abrupt hörte er auf zu fallen! Überrascht wie das sein kann schaute er vorsichtig nach oben. Das Baumwollband aus dem sein Turban gewickelt war, hatte sich in einem Ast gefangen, den Rest davon hielt er jetzt in seiner Hand und dieser bewahrte ihn vor einem Sturz in die Tiefe. Samir schaute nach unten, er konnte die Hitze dieser brodelten Masse am Körper spüren. Aber würde der Ast auch stark genug sein, dass er sich daran hochziehen kann? Er schaute nochmals nach unten. Dann nach oben. Er hatte keine andere Wahl! Er nahm allen Mut zusammen, dachte an Samira und kletterte an dem Band nach oben. Bitte Allah, lass es mich halten, betete er. Doch das Schicksal war auf seiner Seite und auch wenn es ihn alle Kraft kostete, so war er doch muskulös genug, sich nach und nach, nach oben zu angeln. Glücklich und erschöpft kam er jetzt an dem Vorsprung an, wickelte das Band ab, küsste es dankbar und wickelte es sich wieder als Turban um. Man weiß ja nie. Glücklich, dass seinem Freund nichts passiert war, ließ Makhlasi sich wieder auf Samirs Schulter nieder. Doppelt vorsichtig machte sich dieser jetzt auf den restlichen Weg und atmete erfreut auf, als er es endlich geschafft hatte. Wieder stand er vor einem düsteren Waldstück. Auf der anderen Seite von diesem, sollte sich die Grenze zu Aishas Besitz finden. Samir hoffte, dass bis dahin nicht mehr all zu viel passierte.
Doch kaum war er eine halbe Stunde unterwegs, vernahm er ein gefährlich klingendes knurren. Erschrocken drehte er sich um, sah aber nichts! Das Knurren jedoch verstummte nicht. Bei Allah, was ist das nun schon wieder ? Vorsichtshalber zog er seinen Dolch hervor und dachte, es wäre besser erst mal hinter einem Baum Deckung zu nehmen. Doch kaum hatte er diesen Gedanken, sprang etwas großes ,schweres genau aus diesem Baum auf seinen Rücken und grub tief seine Krallen in Samirs Haut. Schmerzvoll schrie er auf und wandte sich hin und her, bis dieses Etwas von seinem Rücken los ließ und jetzt Zähne fletschend vor ihm stand. Bei Allah, war dieses Tier hässlich! Es musste geradewegs aus der Hölle entkommen sein! Den Körper eines Menschen, mit dem Kopfe und den Hufen eines Ziegenbockes, der furchtbare, rote Frosch Augen besaß. Das Tier schabte schnaufend mit seinen Hufen und Samir wusste, es würde ihn jeden Moment an die Gurgel springen. Ihm war klar er musste jetzt ganz ruhig bleiben und gut überlegt handeln. Sollte dieses Ungeheuer doch springen, es würde schon sehen was dann geschah! Samir sah dem Tier unerschrocken und fixiert in die Augen, während er seinen Dolch auf den Sprung der Bestie vorbereitete. Dann war es soweit! Mit einem plötzlichem hohen Sprung, schoss die Kreatur auf ihn zu und Samir handelte blitzschnell und riss seinen Arm nach oben. Das Tier spießte sich selbst auf! Direkt in sein Herz grub sich Samirs Dolch und das Tier schrie gequält auf, bevor es kraftlos auf den Boden fiel. Fast schon tat es Samir leid. Sterbend lag es auf dem Boden. Makhlasi saß aufgeregt daneben. Doch was war das ? Samir traute seinen Augen nicht, als das Tier, das vor ihm auf dem Boden lag, eine Verwandlung begann. Nach und nach formte sich aus dem Ungeheuer ein junger hübscher Edelmann. Dieser betrachtete erstaunt seine Arme und strahlte den verdutzten Küchenjungen an. „ Du hast mich erlöst, junger Mann,“ sprach er zu Samir, „ ich danke dir von ganzen Herzen und werde dich reich belohnen.!“ Und dann erzählte er Samir, dass Aisha ihn verflucht hatte, als er gekommen war, seinen Bruder zu retten, den Aisha sich als Liebessklaven auserkoren hatte. Und nur wenn er jemals von einem mutigen jungen Mann besiegt werden würde, würde er wieder Mensch werden. Samir begrüßte ihn herzlich und erzählte ihm, wer er war und warum er hier wäre.
Jetzt reichte der Fremde Samir seine Hand. „ Ich bin der Sultan Ibrahim von Obasia, und ab heute wirst du ein Edelmann sein! Ich gebe dir den Titel Samir-Gazieh von Nadorja, ein Held! Ich werde dir ein passendes Anwesen und jede Menge Güter überlassen, sowie wir hier raus sind. Lasse uns zusammen dieses Miststück aufsuchen und ihr endlich den Garaus machen! Die Hexe hat absolut nichts menschliches an sich!“
Samir wusste nicht wie ihm geschah. Er ein reicher Edelmann? Er verbeugte sich sich demütig und drückte dem Sultan die Hände. „ Ich weiß nicht wie ich euch danken soll, Hoheit.“
Ibrahim winkte ab. „ Lass dieses Hoheit und nenne mich Ibo, du hast schließlich mein Leben gerettet und damit vielleicht auch das Leben meines Bruders, falls es noch nicht zu spät ist!“
Samir sah ihn jetzt fragend an. „ Du hast kein Gold dabei Ibo, die Wachen werden dich erst gar nicht rein lassen.“
Erschrocken meinte Ibo darauf:“ Du hast recht, ich hatte ja mein Gold schon eingetauscht. Verdammt, was soll ich jetzt tun?“
Samir sah ihn offen an. „ Wenn du nicht herein kommst, dann werde ich versuchen, deinen Bruder mit zu befreien. Nur, wie erkenne ich ihn?“
Ibo lachte. „ Das wird nicht so schwer sein, wir sind Zwillinge!“
Daraufhin stimmte Samir mit in das Lachen ein und hoffnungsvoll machten sich beide auf den jetzt nicht mehr langen Weg zu Aisha.
Es war schon später Abend, als Salma an die Türe der Prinzessin klopfte. Erstaunt öffnete Samira ihr, es wahr ungewöhnlich, dass sie sie so spät besuchte. „ Salma, ist etwas passiert?“ fragte sie neugierig.
Salma winkte ab. „ Nein, aber ich habe etwas erfahren, was dich interessieren könnte.“ Samira schloss schnell die Tür und bat Salma Platz zu nehmen.
„Erzähl!“ bat sie aufgeregt.
„ Heute war ein alter Freund meines Vaters zu Besuch,“ begann sie, „ sie kamen auf das Thema Flüche der Dschinns zu sprechen. Im Gespräch fiel die Aussage, dass die stärkste Liebe, die Liebe einer Mutter ist!“
Samira hörte traurig zu und senkte die Augen. „ Meine Mutter ist tot.“
Salma nickte. „ Ja, das weiß ich ja, aber dann hätte Samir sein Leben umsonst aufs Spiel gesetzt, wenn er ins dunkle Nirgendwo gegangen wäre ,um zu erfahren wie der Fluch zu brechen wäre.“
Salma war jung und ihr war nicht klar, dass sie jetzt gerade wieder eine Wunde aufriss. Mit Tränen in den Augen sah Samira sie jetzt an. „ Tot ist er so und so Salma und mein Schicksal ist bestimmt!“
Salma nahm sie jetzt tröstend in den Arm. „Weine nicht, Prinzessin, vielleicht hat dich Hisham ja auch angelogen um dich zur Hochzeit zu zwingen. Bis jetzt wurde keine Leiche gefunden.“
Salma war die Einzige, die Samira doch noch eingeweiht hatte. Sie konnte ihr vertrauen und brauchte einen Verbündeten.
„ Ich glaube nicht, dass Hisham gelogen hat. Und ich traue ihm diesen Mord auch zu! Er ist ein schrecklicher Charakter !“ Samira litt schrecklich unter dem Verlust von Samir, so sehr, dass es ihr langsam egal wurde, was mit ihr passieren würde. Dies sagte sie jetzt auch Salma.
Diese schaute sie erschrocken an. „ Bitte Samira, verliere die Hoffnung nicht!“
„ Auf was soll ich denn noch hoffen, Salma? Meine einzige Hoffnung wäre der Tod von Hisham, aber ich bin kein Mörder, wie er!“
„ Und wenn es Samir doch ins dunkle Nirgendwo geschafft hat? Schließlich war in der Nacht, in der Hisham ihn getötet haben will, eine Vollmond Nacht!“ versuchte Salma der Freundin jetzt neuen Mut zu machen.“
„ Wir haben keine Möglichkeit das heraus zu finden, Salma. Und wie gesagt, ich glaube auch nicht daran!“
Salma merkte, dass sie hier nicht weiter kam. Samira hatte alle Hoffnung verloren, dass Samir noch lebte. Und wenn sie ehrlich war, wurde auch ihr selbst diese Möglichkeit, immer unwahrscheinlicher.
Ibo und Samir hatten bald die Grenze zu Aishas Anwesen erreicht. Es war jetzt eine Wüsten ähnliche Landschaft wo sie sich befanden. Düster ragte von weitem Aishas Palast in die beginnende Dunkelheit. Rund um den Palast war ein tiefer Graben, gefüllt mit kochender Höllenflüssigkeit. Einzig ein bewachter Steg führte dort hinüber. Ein schreckliches Wesen bewachte diesen Steg. Angewidert sahen die beiden es an. Es hatte das Aussehen eines haarlosen Werwolfes und bewachte einen großen Krug voller Goldstücke.
„ Das muss all das Eintrittsgeld mutiger Männer sein, die hier wohl nie mehr heraus gekommen sind.“ meinte Samir zu Ibo.
Dieser nickte zustimmend. „ Ja,man weiß zwar wie man hinein kommt, aber niemand weiß,wie man wieder hinaus kommt, weil es noch nie einer schaffte.“
Samir griff nun bestimmt zu seinem Sack Gold. „Ich werde es schaffen! Egal wie! Samira wartet auf mich!“.
Ibo reichte Samir seine Hand. „ Inshallah. Allah stehe dir bei, junger Freund. Ich werde hier vorne am Baum warten, bis du wieder da bist. Und wenn es Tage dauert!“
Samir wollte schon gehen, als Ibo ihn nochmal zurück hielt. „ Danke dir Samir, dass du auch versuchen wirst, meinen Bruder zu retten. Er bedeutet mir sehr viel!“
Samir nickte ihm kurz zu und ging dann auf die Wache der Dschinniya zu. Die Kreatur verstellte ihm gleich mit einem langen Eisenspeer den Weg und fragte mit grollender Stimme. „ Wer bist du, was willst du und was hast du anzubieten , damit ich dir Einlass gewähre?“
Samir schmiss ihm furchtlos den Sack vor seine grässlichen Füße. „Da nimm, das dürfte reichen Ich bin Samir aus Nadorja und will zu Aisha Quandischa!“
Aishas Wache hob den Beutel auf und sah hinein. Anscheins war er zufrieden mit dem was er sah, denn er schüttete das Gold zu dem anderen im Kruge vor ihm. Dann nahm er den Speer hoch und sprach:“ Geh! Die Dschinniya erwartet dich schon!“
Verwundert machte Samir sich auf den Weg. Er wurde schon erwartet? Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Jetzt erst wurde ihm bewusst, dass er soeben das Heiligtum von Aisha Quandischa, der Heiligen der Dschinns betrat, und keiner vor ihm, dort jemals wieder hinaus gekommen ist! Samir dachte nach. Er musste klug und bewusst handeln und nichts überstürzen. Es musste einfach auch etwas geben, womit man dieses Monster besiegen konnte. Und das wollte er, Samir, heraus bekommen! Koste es was es wolle!
Vorsichtig ging er über den wackeligen Steg. Pfui, stank das hier! Samir warf einen Blick nach unten und ihm stockte der Atem! Immer wieder beförderte das brodelnde Höllenfeuer menschliche Knochen Reste mit nach oben. Wie viel mutige Männer hatten hier wohl auf der Flucht vor Aisha ihr Leben lassen müssen. Samir wollte jetzt nicht weiter darüber nachdenken. Er wollte alles auf sich zukommen lassen und sein Bestes geben.
Samira saß nachdenklich auf der Bank im Pavillon und musste hier, wie immer , an Samir denken, mit dem sie hier viele Stunden verbracht hatte. Ihr fielen Salmas Worte ein. Könnte sie recht haben? Hatte Hisham Samir vielleicht gar nicht umgebracht und er war wirklich schon auf dem Weg zu Aisha? Sie würde es so gerne glauben! Aber sie konnte es nicht, einfach deshalb, da sie Hisham alles zutraute. In ihre Gedanken hinein, betrat jetzt ihr Vater den Pavillon und nahm neben seiner Tochter Platz. Wie herrlich war der Duft der verschiedenen Blüten in dem wundervollen Palast Garten. Sie Sonne brannte warm, es roch nach Zimt und Koriander aus der Palast Küche, vermischt mit dem süßen Duft des Jasmin. Ein Tag zum glücklich sein. Nicht so für Samira. Sie sah ihren Vater an, der jetzt ihre Hand nahm und sie anlächelte. „Nur noch eine Woche bis zur Hochzeit, mein Kind,“ sprach er, „ es ist soweit alles vorbereitet. Ich bin sehr glücklich mit deiner Wahl, Samira, du könntest keinen ehren volleren Mann wie Hisham finden. Nach der Hochzeit wird er sich gleich beim nächsten Vollmond auf den Weg zu Aisha machen, um für dich Erlösung zu finden. Wenn ich irgendwann mal gehen muss, weiß ich dich in guten Händen.“
Samira seufzte und wandte den Blick von ihm ab. Wenn sie ihm nur die Wahrheit über Hisham sagen könnte! Wie blind muss er sein. Aber, war sie nicht genauso blind gewesen, bevor Samir ihr die Augen geöffnet hatte? Obwohl alles in ihr brodelte, wollte Samira ihren alten Vater nur glücklich wissen. Und das war er, wenn sie glücklich war. Also musste sie ihn wieder mal anlügen , drückte seine Hände und sprach:“ Ja Baba, ich werde sicher sehr glücklich werden mit Hisham.“ Hinter ihrer Maske schenkte sie ihm ein unsichtbares Lächeln, doch tief in ihr, ging sie durch eine Hölle. Samir, dachte sie jetzt, lebst du noch? Und wenn ja, wirst du rechtzeitig zurück sein?
Im dunklen Nirgendwo währenddessen, sah Aisha in ihren aufgeklappten Ring und sprach:“ Zeige mir den Neuankömmling!“ Der breite runde Ring fing an zu leuchten und formte dann ein Bild von Samir, der über den Steg in Richtung des Palastes lief. Was ein Jüngling! Nein, es war nicht ihr Herz, das hier jubelte, denn sie besaß keines, es war die Gier und Habsucht, die in ihr Verlangen erweckte.
Sie rief nach ihrer Sklavin:“ Leila, komm her, du dummes Weib!“
Leila ließ von ihrer Arbeit ab und trat mit gesenktem Kopf vor ihre Herrin. „Ihr wünscht, oh Heilige?“
Aisha riss ihren Kopf hoch. „Schaue mich gefälligst an wenn ich mit dir rede!“
Leila sah sie jetzt zitternd an. „Verzeiht, Herrin.“
Aisha schaute sie jetzt mit ihrem hübschen Gesicht, dem Antlitz von Samira, von oben herab an. „Spute dich und nähe mir ein Hochzeitskleid,“ jetzt grinste sie hämisch, „ ich werde Hochzeit halten!“
Leila nickte nur und machte einen Knicks. Derjenige, den diese Hexe gedachte zu ehelichen, tat ihr jetzt schon leid. Aber was Aisha wollte, das bekam sie auch!
Samir sah jetzt hoch zu dem finster ausschauenden Palast der Dschinniya. Kalt und nicht gerade einladend, stand das alter Gemäuer vor ihm. Die Palast Mauern waren riesig, dahinter befand sich eine ganze Stadt , die Aisha tyrannisch und herzlos regierte. Von der Schönheit des Orients, war hier weit und breit nichts zu sehen. Im Gegenteil, bei dem Bild das sich Samir hier bot, überkam ihm großes Mitleid mit den hier lebenden Geschöpfen. Im riesigen Hof des Palastes flossen stinkende Abwässer zwischen alten verfallenen Lehmhäusern. Weinende Mütter saßen auf dem Boden, ihre vom Hunger schwachen, weinenden Kinder auf ihrem Schoße wippend. Stände mit vergammelten, von Fliegen herumschwirrten Hammelfleisch gaben einen Würgereiz auslösenden Geruch von sich. Samir rümpfte die Nase, es nutzte nichts, er musste hier durch. Niemand schien ihn zu beachten, man war mit seinem eigenen Leid beschäftigt. Zeigten die schwachen, verschmutzten Geschöpfe in dieser Stadt menschliches Antlitz, so waren die starken , großen Sklaven Treiber, die hier überall rumliefen und ihre Peitschen schwangen, von dämonischem Aussehen. Samir kam jetzt an einem Stand mit feinsten Stoffen vorbei und fragte sich, wer diesen wohl kaufen würde, die verhärmten Sklavinnen sicher nicht. Doch wie der Zufall es wollte, würde er dies sogleich erfahren sollen. Denn eine ältere, stark verschmutzte Frau trat jetzt an den Stand und winkte die Verkäuferin zu sich heran. „ Malika, ich brauche den schönsten und teuersten Stoff, den du jemals gewebt hast. Komme ich nur mit dem Zweitschönsten, werde ich schwer bestraft werden von Aisha!“ sprach sie zitternd . Dann fügte sie noch leise hinzu: „ Bitte sage es nicht weiter, aber Aisha wechselt mal wieder ihre Liebhaber und gedenkt Hochzeit zu halten!“
Die Angesprochene sah sie überrascht an. „ Die Hexe will heiraten, Leila? Ja, wen denn? Bei Allah, dieser Mann kann einem jetzt schon leid tun! Aber lass mich sehen, was ich hier für dich habe.“
Geschickt ging sie durch die Stoffe und reichte Leila dann einen Ballen goldener Seide, bestickt mit feinsten Garn und glitzernden Pailletten mit den Worten: „ Noch Schöneres gibt es nicht an meinem Stand, Leila, das sollte sie befriedigen.“ Malika lächelte, zwar bekam sie für ihre Arbeit von Aisha kein Lohn, aber nach langen Tagen würde sie heute einen Laib Brot, Olivenöl und Wasser zu Hause vorfinden.
Samir hatte das Gespräch unauffällig belauschen können und erschrak, als er jetzt Leilas Worte vernahm. „ Ja, das nehme ich Malika, vielen Dank. Ich kenne den Auserwählten nicht. Es soll ein Neuankömmling sein.“
Ohne weiter zu überlegen mischte sich Samir jetzt in das Gespräch ein und legte Aisha sanft seine Hand auf ihre Schulter. Trotzdem sah sie ihn erschrocken an, als er nun das Wort an sie richtete. „ Verzeihung, Mütterchen, hat sie vielleicht einen Namen genannt?“
Samir wurde ganz schlecht bei dem Gedanken, dass Aisha ihn gemeint haben könnte.
Leila zog ängstlich ihren Schleier tiefer ins Gesicht. „ Verzeihung junger Herr, aber ich weiß nicht, wo von sie reden.“
Dann bedankte sie sich bei Malika und rannte fast von dannen. Sicher hat sie Angst vor Bestrafung, dachte Samir, dann musste er das wohl selber raus finden. Doch kaum hatte er das gedacht, ergriffen ihn zwei der Dämonischen Sklaventreibern.
Samir schlug im Affekt um sich. „ Bei Allah, was soll das?“ schrie er, doch schnell hatten die beiden ihn wieder im Griff und sagten nur: „ Befehl der Dschinniya, sie will dich sehen!“
Also doch! Aisha hatte ihn als Bräutigam auserwählt. Er gab jetzt nach und verhielt sich ruhig. So würde er wenigstens direkt zu Aisha gelangen. Er musste jetzt seinen ganzen Mut zusammen nehmen und zur Rettung von Samira mitspielen.
Samir sah sich in dem Zimmer um, in das man ihn gebracht hatte. Außer einem Bett, Tisch, Stuhl und Kommode, alles in einfacher Ausführung, war hier nichts zu sehen. Samir saß auf dem Bett und wartete, so, wie man es ihm befohlen hatte. Auch wenn er nicht wusste, auf was er eigentlich wartete. Aber zumindest war er schon mal in Aishas Behausung, das war durch seine Festnahme leichter vonstatten gegangen, als er gedacht hatte. Erschrocken wandte er nur den Kopf zur Türe, als diese sich quietschend öffnete. Er staunte nicht schlecht, als er nun das alte verschmutzte Weib vom Markt vor sich sah. In ihren Armen trug sie feinstes Geschmeide, das sie ihm nun hin hielt.“Ihr möchtet dies nach dem Bad bitte anlegen. Danach wird Aisha Quandischa euch zu sich rufen.“
Sie legte Hose, Hemd und Wanst auf das Bett und ging dann ins anliegende Badezimmer, um Samir ein Bad zurecht zu machen. Erschrocken drehte sie sich nun um, als Samir seine Hände auf ihre Schultern legte.
„Wie heißt du Mütterchen?“ Mit gesenkten Augen flüsterte sie „Leila, aber es ist mir nicht gestattet, mich mit euch zu unterhalten.“ Sogleich fing sie wieder zu zittern an, sie musste wohl wirklich große Furcht in sich tragen.
Samir tat dieses Weib vom Herzen leid. Ausgemergelt bis auf die Haut und dazu noch so verschmutzt, zeigte es ihm, dass diese Frau weder ordentlich Nahrung, noch Hygiene zur Verfügung hatte.
Gütig sah er sie nun an und versuchte sie zu beruhigen. „ Hab keine Angst,“ sprach er, „ ich werde nichts verraten, du kannst dich mir ruhig anvertrauen, Leila.“ Doch seine lieb gemeinten Worte trugen keine Frucht. Leilas Angst war stärker als seine gut gemeinten Worte. Sie blickte scheu zu Boden, als sie sich jetzt mit einem leisen „Salam“ von ihm verabschiedete und aus der Tür verschwand. Samir seufzte. Diese Aisha musste echt eine Hexe sein, wenn sie Menschen so unwürdig behandelte. Es machte ihn furchtbar wütend. Doch dann besann er sich und zog tief den Atem ein. Er hatte eine Aufgabe. Und nur das war im Moment wichtig. Um Leila konnte er sich immer noch kümmern. Und so schälte er sich aus seiner verschmutzen Kleidung und wusch sich den Dreck seiner letzten Abenteuer von seinem muskulösem Körper. Sein größtes Abenteuer stand ihm wohl noch bevor!
Desto weiter die Hochzeitsvorbereitungen im Palast vor sich gingen, desto weniger glaubte Samira daran, dass Samir noch lebte, geschweige denn rechtzeitig zurück war, bevor sie in einer Ehe mit Hisham gefangen war. Dieser wurde immer anzüglicher was Samira betraf und so auch jetzt wieder, als er ihr einen Besuch abstattete, weil er mal wieder unter Geldnot litt. Mit gierigen Augen schaute er jetzt auf Samiras schlanken Körper und leckte sich lüstern über seine schmalen Lippen. „ Sag mal, du goldene Schönheit, ist denn dein Körper auch mit dem Fluch befallen, oder nur dein Antlitz?“ Dabei hob er ungeniert ihr Kleid an. Samira schlug erbost auf seine Finger. „Wage dich!!! Niemals wirst du meinen Körper besitzen! Du wirst meinen Reichtum dein nennen können, gibt dich damit zufrieden! Ich liebe dich nicht mehr und habe dich wohl auch niemals wirklich geliebt!“
Doch mit diesen Worten reizte sie Hisham nur noch mehr. Hisham sah sie mit einer süffisanten Miene an.
„ Aber, aber, mein zartes Vögelchen. Warum denn auf ein mal so abwertend?“
Hart packte er sie jetzt unter ihrem Kinn. „Du gehörst mir , Samira, ob dir das passt oder nicht! Irgendwann wird sich deine Trauer um deinen Küchenjungen gelegt haben und dann wirst du meine Vorzüge als Liebhaber schätzen lernen!“
Samira merkte, wie ihre Maske unter Hishams Druck anfing zu verrutschen und schlug schnell seine Hand von ihrem Kinn.
„ Niemals du Mörder! Auch wenn du ihn mir aus meinem Leben gerissen hast, aus meinem Herzen wirst du ihn nie reißen können!“ Böse sah sie ihn an. Sah dieses kalte, süffisante Lächeln und fragte sich, wie sie sich jemals hatte in ihn verlieben können. Jeder Gesichtszug von ihm offenbarte seinen bösartigen Charakter, wofür sie in ihrer ersten Verliebtheit wohl blind gewesen sein musste. Wie gütig dagegen doch Samirs Antlitz wirkte. Sein verliebtes Lächeln wenn er sie strahlend ansah, welches sie wohl nie wieder sehen würden durfte. Samira seufzte. Und hier vor ihr, stand der Mörder dieses Lächelns und diesen sollte sie ehelichen? Oh Allah, dachte sie jetzt wieder, bitte sei gütig und lasse ein Wunder geschehen. Hisham packte sie jetzt so hart an ihrem Handgelenk, dass sie vor Schmerz kurz aufschrie. Mit zusammen gekniffenen Augenbrauen sah er sie böse an. „ Wenn ich erst mal dein Gemahl bin Samira, dann bist du mein Eigentum und egal für wen dein Herz schlägt, es werden MEINE Söhne sein, die darunter heran wachsen werden!“ Dann ließ er sie abrupt los und verschwand aus der Tür. Samira war zum heulen, doch sie riss sich zusammen und rieb nachdenklich ihr schmerzendes Handgelenk. Wie konnte sie nur dieser Hochzeit entrinnen, ohne ihre Liebsten in Gefahr zu bringen?
Als Samir später sein warmes Bad genoss, wurde ihm erst mal bewusst, dass, seitdem er auf dem Marktplatz gefangen genommen wurde, er nichts mehr von Makhlasi gehört oder gesehen hatte. Hoffentlich ist mit ihm alles in Ordnung , dachte er, er hatte das Vögelchen mittlerweile echt lieb gewonnen. Es würde schon wieder auftauchen, dessen war er sich sicher. Nachdenklich legte er seinen Kopf auf den hölzernen Wannen Rand. Der Gedanke, sich mit der Frau vermählen zu müssen, die seiner Liebsten die Schönheit genommen hatte, verursachte ihm, trotz des warmen Wassers indem er lag, Gänsehaut. Er musste vorsichtig sein, nicht mit ihren Körpersäften in Berührung zu gelangen und zu vergessen, wer er ist und warum er hier ist. Ibo hatte Samir extra davor gewarnt. Leider war dieses Schicksal schon über Ibos Bruder gekommen und Samir würde ihn aufklären müssen, wer er wirklich ist. Wenn er ihn finden würde. Seufzend erhob er sich nun aus der Wanne und griff zu dem Handtuch, das auf dem Schemel neben der Wanne lag. Er musste jetzt stark sein, denn alles was er tat, trug zur Rettung seiner Liebsten bei. Und wenn es eben eine Heirat mit dieser Hexe sein würde. Irgendwie wird er dieses Weib schon in die Hölle schicken können, dachte er , während er in das feine Geschmeide stieg, welches ihm die Sklavin Layla gebracht hatte.
Abermals überkam ihn das Mitleid wenn er an das alte Weib dachte. Er schwor sich, auch sie zu retten!
Cover: Christine Bouzrou
Tag der Veröffentlichung: 06.01.2011
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