„Was bist du bereit, für die Liebe zu opfern?“
Das Einhorn Pectus zerbrach sich über die Frage seines Einhornfreundes Futurum den Kopf.
Plötzlich kamen Erinnerungen aus seiner Kindheit in ihm hoch.
Seine Eltern und er hatten sich in einem Waldstück vor Jägern verstecken müssen. Aus der Ferne waren die Stimmen ihrer Verfolger zu hören: „Wir werden euch kriegen! Ihr werdet uns nicht entkommen! Eure Hörner werden uns reich machen!“
Sein Vater erkannte, dass Pectus durch die lange Flucht sehr müde geworden war und nicht mehr in der Lage war, weiter zu fliehen. Ihm war bewusst, dass er eine schwere Entscheidung zu treffen hatte.
Der ernste Blick des Hengstes war auf seine Lebensgefährtin gerichtet: „Wir müssen uns trennen. Du hältst dich mit Pectus weiter versteckt. Ich werde die Jäger von euch ablenken und ihr galoppiert nach Candelia.“
„Papa, ich habe Angst, dass dich die Jäger fangen und töten werden!“ Pectus blickte seinen Vater verzweifelt an.
„Ich kann dir nicht versprechen, dass das für uns drei gut ausgehen wird. Falls mir etwas zustoßen sollte, trägst du daran keine Schuld. Ich habe den Vorschlag für diesen Ausflug gemacht. Ich liebe dich, Pectus“, versuchte sein Vater, ihn zu trösten.
Nun wanderten seine Augen zu seiner Stute: „Ich liebe dich. Daran wird der Tod niemals etwas ändern.“
„Ich liebe dich.“ In diesem Moment liefen viele Tränen ihre Wangen herab, und sie war nicht mehr in der Lage, noch etwas zu ihm zu sagen.
Beide kuschelten sehr innig und Pectus spürte, dass das als Abschied zu verstehen war. Bevor sein Vater sich aufmachte, das Ablenkungsmanöver zu starten, schaute er seine Familie noch einmal mit einem Lächeln an. Das war das letzte Bild, das Pectus von seinem Vater im Gedächtnis hatte.
Stets, wenn er sich daran erinnerte, kam das Gefühl von Melancholie in ihm auf, das sein Herz so schwer wie einen großen Stein werden ließ.
Schließlich antwortete er Futurum: „Wenn ich jemanden wirklich liebe und die Situation mich zwingt, zwischen Leben und Tod zu entscheiden, dann bin ich bereit, mein Leben zu opfern.“
„Ich würde ebenso handeln, wenn meine Tochter oder mein Enkel sich in Gefahr befinden würden.“
Dann fragte Pectus seinen Freund behutsam: „Ist der Schmerz wegen Tempus weniger geworden?“
Vor einigen Jahren war die Lebensgefährtin von Futurum gestorben, als verhindert werden konnte, dass Wesen der Dunkelheit in die Einhornwelt eindrangen. Dabei verlor sie ihr Leben.
„Er ist mit der Zeit schwächer geworden. Aber er wird niemals ganz verschwinden. Den Schmerz darf man nicht verdrängen. Das lässt ihn nur zu einem späteren Zeitpunkt umso heftiger erneut auftreten.“
In diesem Augenblick näherte sich
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Sam Finch
Cover: Louis / Rui
Tag der Veröffentlichung: 03.07.2023
ISBN: 978-3-7554-4597-5
Alle Rechte vorbehalten