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Neues Jahr, neues Glück?


Kreischend hielt ich mich am Arm meines Freundes fest. „Geht’s euch gut?“, fragend sah er mich und meinen dicken Bauch an. Ich nickte bestätigend. Es war verdammt kalt draußen. Als hätte das nicht gereicht wurden die Wege auch noch von einer dicken Eisdecke überzogen. Bei so einem Wetter jagte man nicht mal seinen Hund vor die Tür, befand ich. William dagegen sah dies anders. Er hatte mich darauf aufmerksam gemacht, dass ich mich zu sehr in ein Schneckenhaus zurück ziehen würde. Daraufhin hatte er kurzerhand beschlossen, dass wir Silvester bei unseren Freunden feiern sollten. Dieser Entschluss war ohne mein Einverständnis gefallen, was man meiner Stimmung auch deutlich anmerken konnte.

Kichernd öffnete Lydia, meine beste Freundin, die Tür. Sie war leicht beschwipst. „Oh wen haben wir denn da?“. Ohne uns eines Blickes zu würdigen, strich sie liebevoll über meinen Bauch, dabei begann sie unvollständige Sachen vor sich hin zu brabbeln. „Ähm Lydia, es ist ziemlich kalt hier draußen…“, freundlich versuchte ich ihr mitzuteilen, dass sie uns gefälligst rein lassen sollte, doch sie hörte nicht. Verzückt quietschte sie auf, als das Baby sie getreten hatte. „Lydia wärst du so freundlich?“, ohne eine Antwort abzuwarten schob William sie zur Seite. Galant ließ er mich vor sich eintreten. Genauso galant nahm er mir meinen Mantel ab. Ach war ich froh so einen Mann wie ihn gefunden zu haben. Er war so verantwortungsbewusst und freundlich. Einen besseren Vater konnte ich mir für mein Kind nicht wünschen. Liebevoll küsste ich ihn. Lydia stand weiterhin neben uns. Sie stieß ein verzücktes ‚Oh! ‘ aus, bevor sie ihr volles Sektglass in einem Zug austrank. „Wollt ihr auch was trinken?“, kurz schüttelte ich den Kopf. Das Baby spielte verrückt. Es schien später mal Stepptänzer werden zu wollen. Beruhigend legte ich eine Hand auf meinen Bauch, doch es schien das als Aufforderung zu sehen noch stärker zu treten. Langsam ließ ich mein Blick über die versammelten Gäste schweifen. Hier und da tauchten einige bekannte Gesichter auf, doch der Rest war mir ziemlich unbekannt. William lächelte allen höflich zu. Ein junger Mann verwickelte ihn in ein Gespräch. Kurz stelle William ihn mir vor. Entschuldigend blickte er mich an. Lächelnd verabschiedete ich mich. Die beiden nahmen es nicht war, da sie gerade heftig über die neusten Appleprodukte diskutierten. Etwas allein gelassen bahnte ich mir meinen Weg durch die Menschenmengen zum Buffet. Das war das Gute am schwanger sein, man konnte so viel essen wie man wollte, denn man aß ja für zwei. Beschwingt von diesem Gedanken häufte ich mir so viel Nudelsalat wie nur möglich auf den Teller. „Glaub mir Baby, ich hab die besten Silvesterkracher der Welt dabei.“, ertönte lautstark neben mir eine Stimme, welche mich erstarren ließ. Das konnte doch nicht sein. Er konnte nicht hier sein! Wie ein Mantra spukte es durch mein Gehirn, während ich schon Pläne schmiedete wie ich Lydia am besten umbringen konnte. „Oh wen haben wir denn da?“, die Person, zu der die Stimme gehörte, war auf mich aufmerksam geworden. Das Baby hatte aufgehört zu treten. Kurz erwog ich meine Fluchtmöglichkeiten, aber aufgrund des Wassers in meinen Beinen würde ich nicht weit kommen. Resigniert setzte ich ein gezwungenes Lächeln auf. „Hallo Carsten.“, begrüßte ich ihn. Unsicher streckte ich ihm meine Hand entgegen. Er ignorierte das gekonnt und zog mich in eine Umarmung. Gespielt unabsichtlich streifte seine Hand kurz meinen Hintern, bevor er mich wieder los ließ. Ein Schauer jagte mir über den Rücken. „Kate.“, sagte er. Jedes Mal wenn er meinen Namen aussprach, schien er jede Silbe zu liebkosen. Leider wusste ich, dass er das bei jeden Namen machte, sobald er zu einer hübschen Frau gehörte. „Du bist fett geworden.“, stellte er fest, als er mich ausreichend gemustert hatte. Wütend funkelte ich ihn an. „Was macht deine Selbstfindung?“, knurrte ich. Er wusste, dass ich seinen ausschweifenden Lebensstil, den er auf Kosten seiner Eltern zu führen pflegte, verabscheute. „Läuft gut. Momentan ist mir Donna eine große Hilfe.“. Grinsend legte er seinen Arm um ein italienisches Model. Diese beäugte meinen vollen Teller, mich und meine aufgedunsene Figur höhnisch. „Wann haben wir uns das letzte Mal gesehen?“, fragend sah er mich an. Das Wort gesehen betonte er besonders und zwinkerte mir kurz zu. Momentan wünschte ich mir nichts sehnlicher als einen großen Schluck Alkohol herbei. „ Juni…“, murmelte ich. Kurz darauf schob ich mir einen riesigen Löffel Nudelsalat in den Mund. Gott sei Dank bekam Carsten, dass nicht richtig mit, da das Model ihm die Zunge in den Hals steckte. Neidisch sah ich auf ihre unglaublich langen, dünnen Beine. Ich hätte alles dafür gegeben so auszusehen. Wieder schob ich mir einen Löffel Salat in den Mund. Wie aus dem Nichts tauchte Lydia auf. Schwungvoll legte sie einen Arm um mich, diese liebevolle Geste sorgte dafür, dass ich mir die Hälfte des Salates über die Bluse schüttete. Wieder fiel ein höhnischer, sowie bösartiger Blick seitens des Models auf mich. Carsten dagegen grinste bloß blöd, während sich Lydia in einer Dauerschleife bei mir entschuldigte. Unwirsch nickte ich. Endlich hörte sie auf zu reden, leider nur für kurze Zeit. „Kate ich hole dir einen Neuen. Du musst jetzt ja für zwei Essen!“, sagte sie als sie meinen pikierten Blick, welcher meiner Bluse galt, bemerkte. Verdammt! „Äh Kate, warte!“, ich wollte ihr schon hinterher watscheln, doch Carsten hielt mich zurück. „Du isst für zwei?“, erschrocken sah er mich an. Wäre die Situation nicht so brenzlig für mich geworden, hätte ich gelacht. „Jup.“, sagte ich in einem Versuch Coolness vorzuspielen. Locker legte ich eine Hand auf meinen Bauch. Mein Baby trat immer noch nicht. „Wie lange isst du schon für zwei?“. Die blanke Panik flackerte in seinen Augen auf. „So wie sie aussieht schon ne Weile.“, warf das Model schnippisch von der Seite ein. Ihr gefiel es nicht, dass mir momentan Carstens gesamte Aufmerksamkeit zufiel. Carsten brachte sie mit einer Geste zum Schweigen. Ich schluckte schwer. „Wie lang?“, verlangte er von mir zu wissen. Die Antwort blieb mir erspart, da William kam. Er war mein Held. Freundlich streckte er Carsten die Hand entgegen auch wenn sie sich nicht im Geringsten leiden konnten. „Ich geh mal meinen Salat suchen.“, murmelte ich, um dieser Situation zu entkommen.

Nachdem ich endlich genug gegessen hatte, merkte ich wie angestrengt ich war. Lydia brachte mich in ihr Schlafzimmer. „Du holst mich sobald ihr rausgeht?“, fragend sah ich sie an. „Natürlich. Als ob ich ein neues Jahr ohne dich beginnen würde.“, grinsend streichelte sie mir über den Bauch. Carsten war unten geblieben, da er die heiße Debatte über Star Trek nicht verpassen konnte. Über den nerdigen Teil seiner Persönlichkeit musste ich immer schmunzeln. Glücklich nahm ich mir ein Buch von Lydias Tisch. Gedankenverloren blätterte ich darin herum, bis mich das Geräusch der Tür aufschreckte. Carsten stand in ihr. Ungebeten kam er herein. Leise schloss er die Tür, bevor er sich zu mir aufs Bett setzte. „So für zwei essen also?“, fragend sah er meinen Bauch an. „Jup.“, kam es wieder äußerst geistreich von mir. „Wie lange schon?“. „Eine Weile.“. „Kannst du das vielleicht etwas präzisieren?“. „Oh Gott hast du gerade ein Fremdwort benutzt?“, erstaunt sah ich ihn an, was mir ein wütendes Funkeln seinerseits einbrachte. Stumm starrten wir uns an, bis ich klein bei gab. „Seit sieben Monaten.“. Angestrengt dachte er nach. „Soll ich dir einen Stift und ein Blatt besorgen?“, genervt sah ich ihn an. „Vor sieben Monaten war Juni…“, plötzlich wurde er ganz blass, dann ging das Licht aus. „Was zur Hölle?!“, stieß ich aus. Erschrocken klammerte ich mich an Carsten. Ich hasste die Dunkelheit. Zuhause musste William auch ein Nachtlicht ertragen, da ich anders nicht schlafen konnte. „Das ist nur ein Stromausfall.“, erwiderte Carsten genervt. Langsam gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit. „Und jetzt?“, ängstlich sah ich mich in dem immer bedrohlicher werdenden Zimmer um. „Warten wir bis das Licht wieder angeht. Irgendjemand wird sich schon drum kümmern. Aber was viel wichtiger ist, wieso hast du mir nichts gesagt?“, er war aufgebracht. „Ich weiß nicht!“, log ich. Die Wahrheit wollte ich ihm ungern im Dunkeln sagen, da ich annahm, dass sie ihn dermaßen erzürnen würde, dass er mich allein ließe. Ich konnte doch nicht im Dunkeln allein sein. „Wieso Kate?“. Weil du ein schlechter Vater wärst, lag es mir auf der Zunge, aber ich konnte es nicht sagen. „Kate wenn du einen Ton gesagt hättest. Wir könnten eine Familie sein. Du, ich und das Würmchen! Ich würde für dich sorgen.“. „Du kannst nicht mal für dich selbst sorgen.“. „Ja weil ich es nie musste, aber jetzt kann ich Verantwortung übernehmen. Jetzt habe ich einen Grund.“, langsam legte er einen Arm um mich. Die andere Hand platzierte er auf meinem Bauch. Ich merkte wie mein Widerstand bröckelte. Ein immer größer werdender Teil in mir wollte ihm so gern eine Chance geben. Ein Räuspern zog meine Aufmerksamkeit auf sich. William stand in der Tür. „Kate?“, seine Stimme klang kalt. „Ja?“. Verdammt wie lange stand er schon dort? „Ich denke wir müssen uns unterhalten.“, sachlich kam er zu uns herüber. „Wenn du bitte gehen würdest, Carsten?“, er hatte es zwar als eine Frage formuliert, aber es klang viel mehr wie ein Befehl. Das tat es immer. Carsten verließ so schnell er konnte das Zimmer. Er hasste Konflikte und Auseinandersetzungen. Ich betete zu Gott, dass William nichts mitbekommen hatte. „Wieso drückst du dich hier oben bei einem Stromausfall mit einem anderen Kerl herum? Warum ist es ausgerechnet Carsten?“. Ich hörte an seinem Tonfall wie mühsam er seine Wut zu unterdrücken versuchte. „Ich hatte mich hingelegt, dann kam Carsten und für den Stromausfall kann ich doch nichts.“, maulte ich. Kurz sagte er nichts, dann nickte er. Liebevoll zog er mich in eine Umarmung. „Komm es wird Zeit. Wir sollten das neue Jahr gebührend begrüßen!“.

Draußen war es immer noch eiskalt und glatt, aber William stand neben mir wie ein Fels in der Brandung. Ich sah wie Carsten und das Model eng umschlungen da standen. Er würde es nie schaffen eine Familie zu beschützen. Er könnte nie ein guter Vater sein. Er könnte nie treu sein, weder mir noch seinem Kind. Meine Entscheidung war schon gefallen als ich erfahren hatte, dass ich schwanger war. Die Zweifel verflüchtigten sich. Glücklich lehnte ich mich an William, an meinen Fels in der Brandung. Mein Baby fing wieder an zu treten. Grinsend nahm ich Williams Hände und legte sie auf meinen Bauch. „Ich bin glücklich!“, murmelte er. „Ich auch.“, erwiderte ich, dennoch sah ich zu Carsten. Sein Blick kreuzte meinen. Das Model war weg. Er stand dort allein und verlassen. Plötzlich war ich nicht mehr ganz so glücklich.

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Tag der Veröffentlichung: 13.01.2013

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