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Es war Sonntag Nachmittag. Draußen regnete es in Strömen. Ich stand am Fenster und schaute ziellos durch die Gegend. Plötzlich klingelte das Telefon. Ich hob ab und sagte:
„Wer spricht?“
„Guten Tag, Uschi Fünfstück mein Name. Bin ich dort bei Chris Born? Dem Chris Born? Dem berühmten Gedichte und Kurzgeschichtenschreiber?“
„Ja!“, antwortete ich.
„Ich bin ein bisschen aufgeregt grade. Ich wollte fragen ob Sie nicht Lust und Zeit hätten übernächste Woche Freitag eine Gedichtvorlesung in der Universität München zu halten?“
„Was können Sie mir zahlen?“
„50 DM. Plus Verpflegung und Übernachtung“
„50 D-MARK? Wie wäre es mit 200 DM?
„Äh, 100?“, feilschte sie.
„150?“, feilschte ich zurück.
„Abgemacht! Weitere Informationen erhalten Sie per Post.“
Uschi machte auf einmal komische Geräusche am anderen Ende und sagte:
„Schönen Tag noch Herr Born. Wir sehen uns dann in München. Ich freue mich schon SEHR!“
„Tschüß“, antwortete ich und legte auf.
Ich ging zurück zum Fenster und schaute weiter ziellos durch die Gegend.

Der Tag war gekommen. Ich packte ein paar Sachen in meinen Trolli. Ein weißes T-Shirt, ein paar Socken, eine rote Boxer-Short, ein Stoffbeutel mit meinen Gedichten, den neuesten Playboy, 2 Sixer-Packs Bier und ein Buch (Charles Bukowski – Tales Of Ordinary Madness). Deo und Zahnpasta brauchte ich nicht. Wofür auch? Ich würde morgen Nachmittag wieder Zuhause sein. Ich fuhr mit dem Taxi zum Dortmunder Hauptbahnhof und stieg aus dem Wagen ’Ohne Trinkgeld’ zugeben. Hatte er sich auch nicht verdient. Ich betrat den Bahnhof und ging Richtung Gleis 16. Oben angekommen steckte ich mir eine Zigarette an. Ich hatte noch 10 Minuten Zeit.

In München angekommen holte mich Uschi Fünfstück vom Gleis ab. Sie hatte ein riesengroßes weißes Pappschild in ihren Händen. Auf dem Schild stand mein Name mit einem Herzchen darunter gemalt. Ich glaube die steht auf dich – dachte ich mir. Uschi war 24 Jahre alt, mollig, hatte lange braune Haare, braune Augen und eine kleine Narbe auf ihrer Nase. „Herzlich Willkommen in München Herr Born! Wie war die Fahrt?“, sagte und fragte sie. „Zu lang. Ich musste wieder viele Autogramme schreiben. Langsam macht das keinen Spaß mehr“, antwortete ich.
„Sie sind mir aber einer. Also gut, lassen Sie uns gehen.“
„Das ist ein Wort“, erwiderte ich und wir verließen den Hauptbahnhof.

Kurze Zeit später saßen ich, Uschi und ein paar merkwürdige langhaarige Figuren in einem Hinterzimmer des Auditoriums der Universität. Langhaarige Männer mit Brillen? – dachte ich. Mir wurde schlecht. Wir tranken Bier und Wein. Aber trinkfest war keiner von ihnen. Einer von denen fragte mich wie ich es immer schaffe so anspruchsvolle Literatur zuschreiben? Ich antwortete nur - Gar nicht erst überlegen, einfach drauf los schreiben. Und wenn das Blattpapier mal leer bleibt, dann wird es halt an einem anderen Tag voll. Uschi rückte immer näher an mich heran. Einer der Langhaarigen rollte sich einen Joint und zündete ihn an.
„MACH DEN STUMPEN AUS“, schrie ich.
Er erschrak und wäre beinahe vom Stuhl gefallen.
„Tut mir leid, tut mir leid“, sagte er und verschwand aus dem Zimmer.
Ich kratzte mich am Kopf, zündete mir eine Zigarette an, nahm einen tiefen Zug und pustete ein Herz in die Luft.
„Ist das Herz für mich?“, fragte Uschi.
„Äh, Vielleicht?“, antwortete ich und grinste sie an.
Sie rückte noch näher heran. Ich konnte ihren Busen spüren. Der Alkohol machte sich langsam bei mir bemerkbar.
„Noch 5 Minuten Herr Born. Dann können sie auf die Bühne“, rief eine männliche Stimme von hinten.
Ich drehte den Kopf leicht und nickte ihm zu.

„Meine Damen und Herren, begrüßen sie rechtherzlich mit mir einen der besten Poeten Deutschlands. Chris Born.“, sprach Uschi durchs Mikrophon und verließ die Bühne.
Mit langsamen Schritten ging ich zum Tisch. Er stand in der Mitte der Bühne. Wir hatten vereinbart das ich an keinem Rednerpult stehe sondern an einem Tisch sitzen würde. Ich schaute ins Publikum. Da saßen sie. Sie hatten noch keine Ahnung was auf sie zukommen würde. Ich setzte mich hin. Holte zwei Flaschen Bier aus meinem Stoffbeutel und stellte sie auf den Tisch. Jemand aus dem Publikum rief:
„Ich habe auch Durst.“
Es folgte Gelächter. Ich klopfte aufs Mikrophon und sagte:
„Freibier gibt’s heute nicht.“
Weiteres Gelächter folgte. Ich holte noch Zigaretten, einen Aschenbecher und meine Gedichte aus dem Beutel. Platzierte alles auf dem Tisch, öffnete ein Bier und nahm in Seelenruhe einen tiefen Schluck.
„Wann geht es denn endlich los?“, rief einer dieser jungen Burschen.
„Kommt Zeit, kommt Rat“, erwiderte ich.
„Los, fang schon endlich an.“
Ich zündete mir in Ruhe eine Zigarette an und schaute meine Gedichte durch.
„OK. Das erste Gedicht heißt:

Er wächst



Er wächst,
wächst
und wächst.

Der Abszess
am Ohr.
Ich war aber trotzdem
beim Frisör.

Mit kurzen Haaren
sitze ich nun hier
und
halte einen
heißen
Waschlappen drauf.

Er wird immer dicker
aber leider
geht er nicht auf.

Habe Schmerzen
aber die
bin ich gewohnt.
Erwarte sehnsüchtig
den Eiter
und
das scheiß Blut.

Erst weiß,
dann rot.
Danach Erleichterung
wie der
TOD.“

Ich legte das Blatt Papier zur Seite und die Menge fing an zu applaudieren. Einige standen sogar auf. Ich nahm einen tiefen Zug vom Glimmstängel, einen großen Schluck vom Bier und schaute verstört ins Publikum.
„Hört auf mit der Scheiße!“, rief ich.
„Born? Du hast es echt drauf. Du bist der Beste.“
Ich winkte Uschi zu mir rüber. Und flüsterte ihr ins Ohr:
„Hol mir mal noch ein paar Bier.“
Sie verschwand, kam wieder und stellte mir die Pullen auf den Tisch. Die Leute grölten. Ich las noch ungefähr 10 Gedichte vor, ging dann betrunken von der Bühne und wurde mit einem langen Applaus verabschiedet. Fast wäre ich noch auf einen BH ausgerutscht der auf die Bühne geworfen wurde.

Im Hinterzimmer schüttelten die Langhaarigen mir die Hand und bedankten sich. Uschi umarmte mich und legte dann ihre Hände an meinen Arsch.
„Das war schön, Herr Born“
„Nenn mich Chris!“, sagte ich.
„OK, Chris. Ins Hotel oder zu mir?“
„Äh, zu... zu... zu Dir“, antwortete ich und küsste sie auf den Mund.
„Bevor wir gehen. Wo ist meine Gage?“
„Die bekommst du morgen früh!“, sagte sie noch und wir verschwanden in ihre Wohnung.

Uschi Fünfstück war schon ein Mordsweib. Aber die Einzelheiten was wir in ihrer Wohnung alles getrieben haben erspare ich Euch mal jetzt. Weil es könnte den Einen oder Anderen in Wolllust versetzen. Ich verrate nur soviel, sie hat wieder diese komischen Geräusche wie am Telefon gemacht. Zurück in Dortmund schaute ich erst mal die Post durch. Ich konnte es nicht glauben, weitere Anfragen aus dem ganzen Bundesgebiet lagen vor mir. Wo soll das noch enden? – dachte ich mir.

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Texte: (c) 2009
Tag der Veröffentlichung: 01.01.2010

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