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Herr P. stellt sich vor


Gestatten, Pegasos. Grieche und von reichlich göttlichen Blutes. Aber dies werdet ihr noch feststellen. Ihr guckt und stutzt? Und fragt: Pegasus? Ja, ihr habt recht und euer Oberstübchen meldet korrekt – das geflügelte Ross zu Huf. Ich sagte ja bereits, ich sei Grieche, bin's auch mythologisch betrachtet. Schon immer gewesen und lange vor Ihrer Zeit. Einzig und allein, in eurer Zeit trage ich mehr Hand und Schuh als Huf. Die Flügel? Habe ich behalten. Des drohenden Identitätsverlustes wegen. Vielleicht auch aus Gründen der Eitelkeit.


Herr P. geht nicht ins Kino


Äußerst gewaltig, sehr blutig. Und mit viel Spezialeffekt. So verlief meine Geburt, gar beide Geburten. Zumindest der Sage nach. Denn in puncto Geburtsablauf forscht man im Trüben. Gesichert ist die Mittäterschaft eines göttlichen Genossen meiner Eltern. Auch ein Herr P. Er kürzte kurzerhand meine Mutter Medusa um ein Haupt. Theorie Eins besagt nun: Ich sei behuft dem blutigen Rumpf entsprungen, beflügelt auch. Theorie Zwei: Ich sei dem herabtropfenden Blut entstiegen, einer unschönen Pfütze auf der Erde. Eins oder Zwei? Die klassische Mutterfigur fiel jedenfalls aus. Doch zumindest eins ist geklärt, die Vaterschaft. Wiederum ein Herr P. Titan des Meeres. Der berühmteste aller Dreizackträger. Pferdefan. Was noch wichtig sein wird.

Wie dem auch sei, ich entkam der Horrorshow, dem blutigen Kampf-der-Titanen-Szenario, an Körper und Geist unversehrt, hübsch anzusehen. Wo? In eurer Zeit auf antiken Vasen. Ganz ohne Celluloid, ganz ohne Animation und auch ganz ohne 3D.


Herr P. entzückt die leichte Muse


In zarteren Dramenstoffen kleidet sich meine Jugend. Von weniger Blutdurst, von mehr Ambrosia träumte ich. Kurz: Mich zog es zu Göttlicherem. Ist mein Onkel doch der Göttlichste unter den Göttern. Doch nicht nur das, er ist auch ein Hallodri. Er wäre es vor dem Herrn, gäbe es noch einen über ihm. Das gefiel mir schon bald und ich zog aus, die Schönsten zu erobern. Im sinnlichsten aller göttlichen Sinne, natürlich.

Ich gefiel in meiner geflügelten Wohlgestalt und war den Damen hold. Die leichte Musenwelt umgab mich, umsang mich, inspirierte mich. Mich wie auch so manchen Poeten. Einmal entrückte uns ein Sänger, dem Hain und der Vernunft. Per Hufschlag holt ich ihn aus den Höhn. Er fiel zurück, wie auch seine Verse.

Die Folge des Hufes Donner? Der Musen Quell. Unablässig sprudelte sie Apollons Erben. Und sie tranken und schlürften vom Genie. War's lyrisches Delirium, der Poeten nächste Idee? Maßten sich an, einer nach dem anderen, auf meinem Rücken gen Olymp zu ziehn. Schaut euch die Ritter an, des Goethes Konsorten. Heut ertrag ich’s gelassen. Oh Weisheit des Alters.


Herr P. trifft einen Freund


Mit den Musen war es so eine Sache. Gern labte ich mich an ihnen, doch war ich auch ein durstig Ross, meine Natur verlangte nach wahrhaft nasser Quelle. An dieser traf mich mein künftiger Reiter.

Mit Herrn B. war und wurde es dann auch so eine Sache. Üble Taten grüßten aus der Vergangenheit. Als einstiger Freund müsst ich schweigen. Was meint ihr? Aus Versehen hat er den Bruder erschlagen! Wurde von der Insel gejagt und verbannt. Um am Ende, doch im Dienste, gegen das tödlich Böse anzutreten. So wollte es sein König, denn der wollte auch seinen Tod.

All dies sah ein Seher. Der sah zudem, dass Herr B. meiner Hilfe bedurfte. Ergo kamen Herr B. und ich zusammen. An besagter nasser Quelle, wo eine Göttin Herrn B. besuchte. Samt goldenem Zaumzeugs zu meiner Bande, womit er mich bei Vater Dreizack auslöste. Damit und mit einem gewissen stieren Opfer.


Herr P. wird ein Held und geht leer aus


Ein Titanenabenteuer brachte Herrn B. und mir den Ruhm. Den Garaus machten wir dem chimären Ungeheuer. Wie? Im Fluge, aus den Lüften. Der Trick? Speere schleuderten wir in des Monsters Schlund, die Spitzen mit Blei gefüllt. Fatal. Das Blei schmolz im feurigen Hals und das trügerische Untier erstickte. Was waren wir für ein tolles Paar!

Und der, der ihn lieber tot sehen wollte? Schwenkte das königliche Fähnchen und rief: Herr B., Liebling der Götter! Und gab statt Verbannung und Tod Herrn B. die einzige Tochter zur Braut. Dazu ein halbes Königreich, Glück muss man haben.

Ich erhielt ein lässiges Flügelklopfen und ging ansonsten leer aus. Sei's drum. Wie gesagt, mein Onkel ist der Göttlichste unter den Göttern, und den hatte ich immer noch in der Hinterhand.


Herr P. schmiedet ein Komplott


Herr B. fand also das Glück. Leider vergaß er sich, verlor wortwörtlich den Boden unter den Füßen. War’s der Erfolg? Die Liebe? Immense Hybris? Derart beflügelt, nahm Herr B. schnurgerade die Ausfahrt Olymp. Sein Gefährt? Sein Gefährte, das geflügelte Ross zu Huf - ich.

So viel Verblendung missfiel nicht nur mir, auch meinem Onkel. Wie gesagt, er ist der Göttlichste unter den Göttern. Er sand dem Auffahrenden mit Tücke eine Stechmücke. Die stach mich in den Leib. Ich tat so, als regte ich mich auf, und herab flog Herr B. Unten, an einem Dornenbusch, brach sein Leib, starb sein Aug. Und trüb an Körper und Seel irrte Herr B. von nun an wieder unter Menschen.

Ich flog weiter, mitleidlos, in des Onkels luftige Hütte, auf den Olymp. Hier trug ich dem Göttlichsten Blitz und Donner. Eine Aufgabe, die mir gefiel, wenn sie mich auch nicht auslastete. Aber man kann nicht alles haben.


Herr P. resümiert ein wenig


Fortan fristete ich meine Tage beim Onkel, dem Göttlichsten. In eurer Zeit heute prangt mein Bild am Sternenhimmel.

Ihr Menschen habt es entdeckt und erzählt euch dabei: Das Ross flog auf zu den Sternen, und es hat eine Feder verloren. Die Feder fiel herab und streifte die Erde. Da wuchs eine Stadt an diesem Ort, voller Leben, bis heute.

Fallende Flügelfeder, tropfendes Blut - und Leben entsteht. Lebt wohl in eurer Zeit. Träumt wohl von göttlichen Fabeln, von Pegasos’ Geschichten. Adieu.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 21.07.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für Text und Bild steht die Autorin gerade. Herr P. ähnelt nur äußerlich Herrn R. aus Italien.

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