Er war ihnen einen Dorn im Augen, schon lange. Schon zu lange kämpfte er gegen diese korrupten Polizisten, die ihn immer mehr in den Fokus nahmen. Nein, Ryon war nicht bestechlich, für kein Geld der Welt hätte er seine Integrität aufgegeben oder seine Marke verraten.
Doch nicht einmal seine heißgeliebte Marke, die ihn als Lieutnant des Korrenser Police Department auswies, konnte ihm aus diesem Schlamassel helfen. Wütend biss der schmalgesichtige Polizist sich auf die Lippe. Hätte er doch nur seinen Mund gehalten, dann würde er nicht bei seinem nächsten Einsatz durch einen kleinen Unfall sterben. Das ganze Präsidium wusste Bescheid, denn wer sich der Macht des Polizeidirektors und der des obersten Richters in den Weg stellte, war eine Leiche. Eine zerstückelte, kaum wieder erkennbare Leiche. Ryon musste schlucken, alles nur, weil er seinen Beruf aufrichtig und ehrlich ausführte.
Eines war sicher, er durfte jetzt nicht in Panik verfallen, er musste sich etwas überlegen, wie er den Klauen dieser beiden allgegenwärtigen Monster entkommen konnte. Immerhin war er Polizist, ein ehrlicher Polizist. Langsam schritt er die Treppen zu den Trainingsräumen runter und bei dem letzten Gedanken musste er trocken auflachen. Ja, er war vermutlich der einzige nicht-korrupte Polizist in dieser ganzen gottverdammten Stadt.
Ryon konnte in seiner Verzweiflung nicht mehr aufhören zu lachen, atemlos lehnte er sich an eine der kalten grauen Wände, bis er sich endlich wieder beruhigt hatte. Er setzte einen kühlen Gesichtsausdruck auf und schritt durch schwach beleuchteten Gang bis hin zu der dicken Stahltür. Wie von Geisterhand öffnete sich diese und ließ ihn herein. Dankbar lächelte er dem Zombie, der die Tür bedient hatte zu und wäre fast wieder in dieses lautlose Lachen ausgebrochen. Vielleicht war er doch nicht der einzige Unbestechliche. Die Untoten, die hier ihren Dienst verrichteten, brauchten nichts, auch kein Geld. Sie waren damit zufrieden, in Ruhe gelassen zu werden.
Eine Sekunde lang wünschte Ryon sich geradezu, dass er einer von ihnen wäre. In Frieden seine geliebte Arbeit fortzusetzen und das nach dem Tod, eigentlich schon fast ein Traum. Aber ihm war auch klar, dass er nach seiner Ermordung keine Chance auf Wiederbelebung hatte. Dafür würden sie schon sorgen. Er, Ryon Donovan, der Unruhestifter, musste endgültig aus dem Weg geräumt werden.
Nachdenklich lief er an den Schusskammern vorbei, heute brauchte er mehr körperliche Betätigung. Schon in dem Moment, in dem die tödlichen Worte aus seinem Mund kamen, hatte Ryon beschlossen, die restliche Zeit seines Lebens für eine Fechtstunde zu nutzen. Der Degen war schon immer seine heimliche Leidenschaft gewesen. Sanft und geradezu liebevoll berührte er dieses Kampfwerkzeug, das für ihn mehr eine Kunst war.
Sein Finger schwebte schon über dem roten Knopf, der seinen Gegner, einen androidischen Fechtmeister, aktivieren sollte, doch dann wurde ihm klar, dass er keinen Gegner brauchte. Wie in Trance trat er vor, war sich der Blicke des beaufsichtigenden Zombies bewusst, doch es störte ihn nicht. Seine Augen waren immer fest auf die feine Klinge vor ihm gerichtet und Ryon verfiel in die Grundlagenarbeit. Das war befriedigender als alles andere.
Und es hatte ihm klar gemacht, dass er keine Chance hatte...
Schweißüberströmt, aber glücklich lächelnd nahm er schließlich seinen persönlichen Alarm war. Es war also schon soweit.
Während er zu seinem Einsatzwagen eilte, den Degen hatte er in die Arme des traurig schauenden Zombies gedrückt, dachte er, dass diese Stadt langsam unterging. Gewalt und Verbrechen regierten, da immer genügend Geld an die oberste Macht abfiel. Die Regierung selbst hatte keine Stimme mehr, dafür hatten die Vices, die Bosse im Untergrund gesorgt und Hilfe bekamen sie von der Polizei und dem Gerichtshof. Die Verhaftungen und Verhandlungen waren geradezu lächerlich, sie erfüllten nicht die Träume, die Ryon als kleiner Junge gehabt hatte.
Heute, mit vierzig Jahren, nach dem ersten Fehler in seiner Karriere stand er also vor dem endgültigen Aus. In nicht einmal zehn Minuten würde Ryon eine Leiche sein und was das Schlimmste daran war, es machte ihm nichts mehr aus. Nur seinen Degen, den würde er vermissen.
Texte: Das Copyright für den Text liegt bei Rina.
Das Copyright für das Bild liegt bei Rina.
Tag der Veröffentlichung: 01.07.2009
Alle Rechte vorbehalten