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Schon seit Wochen denke ich über eine Frage nach: Habe ich den Mut zu sterben?

Dann schaue ich mich um, betrachte dieses Drecksloch von Wohnung und mich selbst. Ein farbloser, durchschnittlicher Büroangestellter Mitte Zwanzig, ziemlich austauschbar. Und meine Wohnung? Eigentlich ist sie nicht einmal dieser Bezeichnung würdig. Ein Klappstuhl, eine Obstkiste als Tisch, eine Matratze, bei der man schon die Federn sieht. Die Glühbirne hängt auch nur noch am seidenen Faden und der Lärm dieser Säufer aus dem Nachbarsloch macht die Sache auch nicht viel besser.

Meine anderen Möbelstücke habe ich schon vor einiger Zeit verkauft. Den Fernseher, die Couch, der richtige Tisch. Küche hatte ich nie eine. Als ich hier eingezogen bin, hatte ich nicht vor länger als ein Jahr hier zu leben. Damals glaubte ich allerdings noch an die große Chance. Karriereleiter hoch, aus dem Armenviertel raus. Ich war ganz schön optimistisch.

Aber meine Ankunft in der Realität war hart. Großraumbüro, die übelste Wohngegend. Das ist mein Leben.

Vor kurzem habe ich etwas gelesen. Es hat mich zum Nachdenken gebracht, dieser Satz hat mich hierher gebracht. Jetzt sitze ich hier und schreibe meinen Abschiedsbrief.

Aber zurück zu dem Satz, ein Kollege hat ihn sich auf den Schreibtisch gestellt, gerahmt: Mut ist die Voraussetzung für alles, was wir erreichen wollen und können.

Allein, wenn ich daran denke, könnte ich lachen. Mir hat mein Mut nichts gebracht. So stolz habe ich meine Eltern verlassen, bin ins Leben hinausgegangen. Diese Aussage hat damals vollkommen zugetroffen. So hätte ich es gesehen. Doch heute weiß ich, dass Mut nicht alles ist. Man kann dadurch nicht alles erreichen. Könnte man das, wäre ich heute Millionär, glücklich verheiratet und stolzer Leiter eines Konzerns.

Bin ich das? Nein.

Stattdessen sinniere ich in diesem Loch über den Tod, den Mut und mein vergeigtes Leben.

Ich bin schon vor längerem zu diesem Entschluss gekommen: Ich werde sterben.

Und während ich hier meine letzten Gedanken niederschreibe, wandert mein Blick immer wieder zu den Tabletten, die direkt vor mir liegen. Es soll ein schöner Tod werden, ich möchte einfach nur einschlafen und nie wieder aufwachen. Meine Abschiedsmusik wird eines dieser HipHop-Lieder meines Nachbarn werden. Die letzten Worte, die ich höre, der Streit des Pärchens auf der anderen Seite. Das Letzte, das ich sehe, den Riss in der maroden Decke.

Aber ich bin glücklich. Ich weiß, ich habe nicht den Mut, weiterzuleben. Der Tod erscheint mir die richtige Lösung zu sein.


Ich werde müde, langsam, immer stärker. Doch ich habe keine Angst mehr, nein, ich freue mich.

An meine geliebten Eltern, meine kleine Schwester: Es tut_____________

Impressum

Texte: Copyright für den Text liegt bei Rina.
Tag der Veröffentlichung: 28.05.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
An alle, die noch leben.

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