Es klopfte an der Tür. Eine Krankenschwester kam herein und legte mir meinen Sohn in den Arm.
"So kleiner Mann nun bist du bei deiner Mom", meinte sie und lächelte mich an.
"Ich bringe Ihnen gleich noch sein Bettchen okay? Wollen Sie schon mal versuchen ob es mit dem Stillen klappt?"
Ohne meine Antwort abzuwarten verließ sie das Zimmer wieder und ich war mit dem Baby allein.
Mehr zu mir selbst als zu ihm meinte ich: " Ich habe keine Ahnung wie wir zwei allein klarkommen sollen. Aber ich verspreche dir ich werde dich nie im Stich lassen. Ich werde dir irgendwann erklären müssen warum dein Daddy dich nicht wollte. Aber ich werde versuchen dir bis dahin ein wunderschönes Leben zu bereiten. Egal was bis heute geschehen ist und in Zukunft noch passiert, ich liebe deinen Vater und daran wird sich auch nie etwas ändern. Auch wenn er mich und dich nie mehr sehen will."
Die Schwester kam nun ein zweites Mal herein und schob ein Kinderbett ins Zimmer. "Was ist klappt es nicht?", fragte sie.
"Ich weiß nicht... Ich habe Angst ihn fallen zu lassen."
"Ich halte ihn mit fest, okay?- Aber er muss jetzt etwas essen. Er ist nun zweieinhalb Stunden alt und nach all den Untersuchungen hat er bestimmt ordentlichen Hunger. Es kann wirklich nichts passieren ich verspreche es."
Ihre Ruhe und ihre Freundlichkeit bewirkten das es gleich auf Anhieb funktionierte. Der Kleine schlief sogar mittendrin ein.
"Hat er denn schon genug?", fragte ich zweifelnd.
"Für den Anfang ganz sicher. Er wird total erschöpft sein. Sehr wahrscheinlich wird er aber nicht allzu lange schlafen und sich in 2-3 Stunden schon wieder bemerkbar machen."
Sie nahm ihn mir vorsichtig ab und legte ihn ins Bett, riet mir mich auch ein bisschen auszuruhen und ist dann gegangen.
Zwei Tage blieben wir noch in der Klinik dann bin ich mit meinem Kind nach Hause gefahren, wo wir noch zwei weitere Wochen von Schwester Josy betreut wurden.
Heute kam sie zum letzten Mal und weil das Wetter so schön war wollten wir mit Ricardo im Park spazieren gehen.
Ich hatte ihn schon angezogen und in seinen Wagen gelegt als Josy zu uns kam. "Na, seid ihr fertig ihr Zwei?"
"Meinetwegen kann es losgehen", antwortete ich und gemeinsam machten wir uns auf den Weg.
Wir suchten uns eine freie Bank in dem Park in der Nähe, was in Anbetracht des wunderschönen Maiwetters recht schwierig war doch schließlich hatten wir doch Erfolg.
Wir beobachteten die Leute um uns herum als Josy fragte:
" Glaubst du nicht, sein Vater würde seine Ansicht ändern, wenn er den Kleinen erstmal gesehen hat?"
"Völlig ausgeschlossen! Aus welchem Grunde auch immer, er bleibt dabei das es niemals sein Kind sein kann. Er sagte zwar er liebt mich , aber diesen Betrug könne er mir nie verzeihen und ich solle ihm nie mehr unter die Augen treten, wenn ich ihn nicht noch mehr verletzen wollte."
"Wie kann er das nur tun, Angelina?"
"Ich weiß es nicht, wirklich nicht! Aber ich muss es respektieren. So will er es und so soll er es haben. Und jetzt Schluss damit, okay?"
Es fiel ihr zwar nicht leicht aber Josy akzeptierte meine Haltung und nun verbrachten wir ein paar schöne Stunden bei wundervollem Wetter im Stadtpark von Pensacola.
Gegen Abend kehrten wir in meine Wohnung zurück aßen noch gemeinsam zu Abend. Dann verließ sie uns um ihren wohlverdienten Urlaub anzutreten.
Nachdem ich noch einmal nach Rico gesehen hatte ließ ich mir dann Badewasser ein. Als ich in der Wanne lag ließ ich die letzten Monate Revue passieren.
Nun war ich allein mit einem Baby. Ohne den Vater der doch dazu gehörte. Eigentlich hatte ich ja auch ganz andere Pläne für die nächsten Jahre gehabt. Aber mit einer Begegnung vor etwas mehr als vier Jahren begann alles ganz anders zu laufen:
Im April vor rund vier Jahren schenkten mir meine Eltern nach der Highschool einen 3-wöchigen Urlaub in San Diego. Allerdings war es dann aber so etwas wie bewachter Urlaub denn ich wohnte in der Zeit bei meiner Tante, meinem Onkel und meiner Cousine Joanne.
Eine Woche bevor ich nach Pensacola zurück musste gingen meine Verwandten mit mir zu einer Zirkusveranstaltung in die Arena von San Diego.
In den zwei Wochen die ich nun schon dort verbrachte hatte Joanne mich sehr genervt. Alle 2-3 Tage kam sie in mein Zimmer gestürmt und rief:" Komm' schon Gina, in ein paar Minuten wird wieder eine Zirkus-Show übertragen! Sehen wir es uns an?"
Heute wollten wir so eine Show live erleben. Wir fuhren nun dort hin und saßen ganz vorn an der Manege. Ihre Eltern hatten andere Plätze als wir - nicht so nahe am Geschehen.
Ziemlich gelassen flegelte ich mich in meinen Stuhl und harrte der Dinge die da kommen sollten. Die meisten der Artisten die im Laufe des Abends auftraten hatte ich im TV - dank Joanne - ja schon mal gesehen. Andere wiederum waren mir gänzlich fremd. Im Großen und Ganzen gefiel mir das Spektakel aber wirklich gut. Die Artisten so aus allernächster Nähe zu sehen war doch etwas ganz anderes und einer fiel mir sofort und ganz besonders auf.
"Sag' mal Joanne wie heißt der noch gleich der gerade ans Hochseil geht?"
"Das ist Pablo Gomez."
"Ein hübscher Kerl" ,meinte ich lächelnd. Doch Joanne hörte mir schon gar nicht mehr zu denn gerade lief ihr Antonio Martinez an uns vorbei. Pablo Gomez kam gleich nach ihm dran und als er genau auf unserer Höhe war rief Jo nach ihm. Er hörte das drehte sich um und sah mich an. Total erschrocken hielt ich den Atem an, erwiderte aber seinen Blick. Er zwinkerte mir zu, lächelte und ging weiter.
Nach drei Stunden war dann die Veranstaltung zu Ende. Wir trafen uns mit Jo‘s Eltern auf dem Parkplatz und fuhren nach Hause. Als ich später im Bett lag hatte ich immer noch den jungen Mexikaner vor meinen Augen. Meine Verwandten unternahmen jeden Tag meiner letzten Woche bei ihnen etwas anderes mit mir. Was einerseits anstrengend war, mich aber andererseits ganz gut von einem Paar verdammt hübscher brauner Augen ablenkte.
Am Wochenende flog ich dann nach Hause zu meinen Eltern die gleich zwei Überraschungen für mich parat hielten.
Daddy holte mich vom Flughafen ab. Wir fuhren in seinem Auto durch die Stadt bis er eine gänzlich andere Richtung einschlug.
"Bitte Daddy du musst doch jetzt nicht noch arbeiten oder?"
Er war Makler von Beruf und es kam oft genug auch an den Wochenenden vor das Klienten Häuser oder Wohnungen besichtigen wollten.
"Ausnahmsweise mal nicht", lachte er. "Ich möchte dir nur gern etwas zeigen." Einigen Augenblicke später bog er in eine Nebenstraße ein um vor einem Appartementhaus zu halten. Auf meine Frage was wir denn hier wollten lächelte er nur, nahm meine Hand und wir betraten das Haus. Mit einem Fahrstuhl der lediglich mit einer Chipkarte funktionierte ging es ganz nach oben bis unters Dach.
Vor einer der Wohnungen gab er mir einen Schlüssel küsste mich auf die Stirn und sagte:" Willkommen zu Hause."
"Ich verstehe nicht...", stammelte ich.
" Deine Mom und ich haben uns gedacht wenn du schon nicht mit uns nach New York möchtest solltest du wenigstens eine eigene kleine Wohnung haben. Wir werden dich natürlich bei der Einrichtung unterstützen."
Ich fiel ihm um den Hals.
" Danke Dad die Wohnung ist wirklich süß und es wird bestimmt viel Spaß machen sie einzurichten."
"Freut mich das sie dir gefällt. Und nun komm' . Deine Mutter hat auch noch etwas für dich und wir sollten sie nicht warten lassen."
Als wir zu Hause ankamen war Mom jedoch noch gar nicht da.
"Sie wird dann wohl gleich kommen sie holt nur etwas für dich ab."
Ich brachte dann zunächst mein Gepäck nach oben, duschte schnell und zog mich um. Als ich wieder unten war und mit Dad einen Kaffee trank hörten wir Mom's Auto kommen. Dad und ich traten aus der Tür. Doch da standen nicht nur meine Mutter sondern auch noch unser Nachbarssohn Andy neben einem schwarzen Porsche.
Fragend sah ich Dad an. Dann meine Mutter.
Sie begrüßte mich und erklärte lächelnd: " Wenn er dir gefällt ist es dein Wagen."
„Seid ihr denn wahnsinnig??? Erst die neue Wohnung die ganz sicher nicht billig war und nun noch dieses wunderschöne Auto!? Oh, hi Andy… ", begrüßte ich schnell meinen ehemaligen Klassenkameraden ehe mir noch vor Rührung die Tränen kamen.
Meine Eltern luden ihn zum Abendessen ein währenddessen ich von San Diego erzählen musste. Da gab es allerdings gar nicht so viel zu sagen und die Sache mit dem schnuckeligen Latino würde meine Eltern nur wenig interessieren also berichtete ich drumherum.
In den kommenden zwei Wochen war ich ständig unterwegs um Möbel und dergleichen zu kaufen und die Wohnung einzurichten. Dann war da schon das letzte gemeinsame Wochenende mit meinen Eltern ehe sie Pensacola verließen.
Es gab eine große Abschiedsfeier die gleichzeitig auch meine Geburtstagsfete war und dementsprechend viele Leute tummelten sich in unserem Haus. Bei annähernd 50 Gästen hatte man nicht einmal auf den Toiletten seine Ruhe sodass ich eine Auszeit brauchte. Ich schnappte mir den Schlüssel von meinem neuen Auto und fuhr einfach nur in der Gegend herum. Irgendwann hatte ich dann die Idee das Auto abzustellen und zu Fuß weiter durch die City zu spazieren bis ich plötzlich vor einer Litfasssäule stehen blieb. An dieser war ein Plakat befestigt welches mich zu interessieren begann.
„Die Stadt bringt euch den Zirkus Montero wieder einmal nach Pensacola. Sagt alle Termine ab und besucht sie in der Manege. Sie erwarten euch!“
Diese kleine Auszeit hatte gut getan und ich kehrte zur Feier zurück.
Es wurde dann doch tatsächlich beinahe 4 Uhr ehe auch der letzte Gast gegangen war. Meine Eltern und ich räumten noch das Nötigste auf und sind auch schlafen gegangen.
Nach einem ausgiebigen Brunch bis gegen 15 Uhr reisten meine Eltern dann ab. Ich sollte noch einen Tag in dem Haus bleiben denn die neuen Eigentümer würden morgen einziehen und ich musste ihnen den Schlüssel übergeben.
Ich fühlte mich aber total unwohl in dem fast leeren Haus und abends fuhr ich dann zum Essen in die City. Bei meinem Lieblings-Italiener traf ich auf Annie und Donnie die noch bis vor ein paar Tagen mit mir zusammen die Schulbank gedrückt hatten.
Aus der Unterhaltung heraus kamen wir auch auf die Zirkus-Veranstaltung am Wochenende zu sprechen.
„Und da willst du wirklich hin?“, fragte Annie ungläubig.
„Warum denn nicht? In San Diego war ich auch bei einer und ich könnte nicht sagen, dass es mir nicht gefallen hätte.“
„Ich weiß nicht. Was meinst du Donnie? Sehen wir es uns an?“
„Ich mag solche Shows zwar nicht so , aber von mir aus gern.“
„Nun zwingt euch bloß nicht! Ihr müsst nicht extra meinetwegen mitkommen…“, meinte ich vage.
Doch Donnie konterte: „ Also nun erst recht! Da ist doch mindestens einer dabei der dir gefällt oder?“
Lächelnd zupfte er an einer Strähne meines pechschwarzen Haares die mir widerspenstig in die Stirn hing. Verlegen rührte ich in meinem Cappuccino.
Annie lachte laut auf: “Bingo, Donnie du hast sie mal wieder erwischt!“
„Ach ihr spinnt doch! Alle beide!“ ,grinste ich doch ich fürchte es klang wenig überzeugend.
Am frühen Nachmittag kamen die Andersons. Die Leute die in unser Haus einzogen. Ich fuhr nach der Schlüsselübergabe in meine neue Wohnung. Es war total ungewohnt ohne die Nähe zu meinen Eltern. Um mir die neue Freiheit nicht langweilig werden zu lassen war ich viel unterwegs. Einfach mal shoppen, mal im Kino, im Stadtsee baden oder eben mit meinen Freunden etwas unternehmen. Rasch verging die Woche und schon war er da: der Samstagabend an dem die Zirkus-Show stattfand.
Ich machte mich zurecht um dort hin zu fahren. Donnie und Annie wollten mich am Eingang treffen. Als ich ankam waren sie aber noch nirgends zu sehen. Allerdings wäre die Suche nach ihnen der Suche nach der berühmten Stecknadel im Heuhaufen gleichgekommen denn es waren an die 5000 Leute um mich herum und immer neue kamen dazu.
Dann wurden die Türen geöffnet. Ich betrat also die Halle und suchte meinen Platz. Ich hatte mir ein Ticket in der Nähe der Manege besorgt denn ich wollte mal sehen ob ich nicht wieder einen Blick des hübschen Mexikaners erhaschen konnte.
In diesen Genuss kam ich dann sehr viel schneller als geplant, denn er sprang genau vor mir auf die Manegenumrandung um das Publikum zu begrüßen.
Er schaute mir direkt in die Augen. Dann schüttelte er sein langes Haar und erledigte seinen Job. Als er das Zelt verließ sah er noch einmal kurz zu mir herüber, blinzelte mir zu und dann war er weg.
Wenn ich glaubte es wäre damit erledigt gewesen sollte ich mich aber gründlich irren. Etwa 10 Minuten später tauchte ein baumlanger Typ vor mir auf. „Kommst du kurz mal mit?“
„Ich? Warum denn?“
„Es hat jemand nach dir gefragt.“
„Ach so“
Mir war klar, dass das nur Annie und Donnie sein konnten die mich entdeckt haben mußten.
Ich fand es zwar schade um den schönen Platz aber ich wollte die zwei auch nicht so alleine rumhängen lassen. Und den kleinen Latino hatte ich ja nun gesehen.
Es machte mich überhaupt nicht stutzig das wir, nachdem ich über die Absperrung geklettert war, ewig lange herum gingen. Er würde sicherlich am besten wissen wo wir lang müssten und so folgte ich ihm vertrauensvoll. Wenig später standen wir vor einer Tür an die er klopfte.
Jemand rief:“ Herein.“
Der Typ öffnete die Tür und schob mich hinein. Aber da waren nicht Donnie und Annie, sondern… Pablo Gomez!
„Oh, ich glaube ich bin hier falsch“, stotterte ich verlegen.
Er stand auf, nahm meine Hand und zog mich zu dem Tisch hinüber der am anderen Ende des Raumes stand.
„Du bist hier absolut richtig. Ich wollte dich nämlich sehen, weißt du?“
„Das ist ja nicht zu fassen! Und deswegen lässt du mich von meinem supertollen Platz wegbringen? Ich habe außerdem Karten für die ganze Veranstaltung und habe noch fast gar nichts gesehen!“, tat ich entrüstet.
Im Augenblick war ich zwar alles andere als sauer aber nur so konnte ich meine enorme Unsicherheit vertuschen.
„Setz‘ dich doch erstmal und beruhige dich. Möchtest du auch etwas trinken?“
„Nein danke ich habe keinen Durst.“
„Wie du meinst“, antwortete er.
Er holte sich eine Cola aus der Kiste da ging die Tür auf.
Einer seiner Kollegen kam herein. Der setzte sich auf einen Stuhl in der Ecke, zog sich in aller Ruhe ein Shirt an und wechselte die Schuhe.
Bis Pablo sagte: “Eddie bitte! Geht es vielleicht noch langsamer? Du störst, weißt du?“
Kommentarlos lächelte der Angesprochene zu uns herüber, zog sich weiter an und ging dann wieder.
„So und du hast mich ja nun gesehen…war es das dann?.“ Ich hatte zu meiner gewohnten Schlagfertigkeit zurück gefunden.
Ziemlich entgeistert sah er mich an. Ich wahr wohl doch etwas zu heftig gewesen.
Ich lenkte ein:“ Sorry. Ich meine, du sagtest du wolltest mich sehen und das hast du ja nun…“
„Ziemlich blöde Location zum Kennenlernen du hast ja recht. Also nochmal von vorn: wir sind später in der Bar am Bahnhof. Siehst du eine Möglichkeit später auch dort hin zu kommen?."
„Ich werde es mir überlegen okay? Wenn es dir nichts aus macht möchte ich jetzt aber an meinen Platz zurück um wenigstens noch das Ende der Show zu sehen.“
Pablo stand auf, öffnete die Tür und rief:“ Joe, bringst du die Lady bitte wieder zurück? Vielleicht bis später dann“, lächelte er und bald darauf saß ich wieder auf meinem Platz.
Ich verfolgte den Rest der Show was leider
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Hilde Linsel-Ladewig
Lektorat: Andrea Kochniss , Mandy-Alina Ladewig
Tag der Veröffentlichung: 30.12.2013
ISBN: 978-3-7309-8017-0
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für Andrea Kochniss ***
Dank Eddie & Co haben wir uns überhaupt erst kennen gelernt... ***
vielen Dank für Alles, liebste Freundin- hdgdl