„Als ich in den Himmel schaute, wusste ich: du bist da oben.“
Unter dem Sternenhimmel schrieb ich ein paar Zeilen in mein Tagebuch.
„An meinen verstorbenen Freund Toby. So lange waren wir zusammen und dann der Autounfall, der uns auseinander gerissen hat, es war einfach furchtbar. Ich konnte es einfach nicht glauben, dass du nicht mehr zu mir zurück kommst. Lange habe ich gebraucht, bis ich mich ein wenig wieder eingefangen hatte. Aber trotzdem wird mir deine Liebe fehlen. Die Zeit mit dir war das Schönste, was ich mir jemals vorstellen konnte. Nichts auf der Welt kann man mit diesem Gefühl, das ich zu dir hatte, vergleichen. Du bist das einzig Wahre, wofür es sich zu Leben lohnte und jetzt bist du weg. Ohne dich ...“, flüsterte ich, „ ... bin ich alleine“. Tränen flossen mir über die Wangen. Ich wollte weiter schreiben, aber ich konnte es einfach nicht. Zu viel Überwindung hatte es mich gekostet, das alles, was in meinem Kopf vorging niederzuschreiben. Ich schloss mein Tagebuch und ging zu Bett. Lange hatte es gedauert, bis ich einschlief.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, schaute ich hastig auf die andere Seite des Bettes, aber sie war leer. Ich rannte schnell in die Küche, dort stand nur meine Mutter. Ohne ihr „Guten Morgen“ zu sagen lief ich schnell wieder in mein Bett und weinte. In meinem Traum lag Toby neben mir, als ich aufwachte. Er schlug vor, Frühstück zu machen, aber dann bin ich wirklich aufgewacht. Es ist schrecklich, jede Nacht von ihm zu träumen, denn wenn ich wieder aufwache, merke ich, dass es nur ein Traum war. Deswegen weine ich fast jeden Morgen.
In der Schule war ich alleine. Ich hatte keine Lust zu den Anderen zu gehen. Jeden Tag beobachte ich sie, und sehe, wie glücklich alle sind. Aber leider konnte ich das nicht sein. Manche sagen, sie verstehen mich und fühlen mit. Ich weiß, dass keiner von ihnen wirklich versteht und fühlt, wie ich mich gerade fühle. Früher war ich beliebt, alle haben mich gemocht. Aber jetzt bin ich alleine. Absolut alleine.
Zuhause das Gleiche. Ich habe keine Lust bei diesem Familienleben mitzumachen. Sitze deshalb jeden Tag ganz alleine in meinem Zimmer. Alles wäre anders, wenn Toby noch da wäre.
Ohne ihn ist mein Leben die Hölle geworden.
Ich schlich um 24 Uhr in meinen Garten und legte mich wieder auf das Gras. Starrend beobachtete ich die Sterne am Himmel leuchten. Einer funkelte schöner als der Andere. Ein Stern leuchtete ganz besonders schön, als ob er nur für mich leuchte. Langsam schloss ich die Augen und stellte mir Toby vor. Dann äußerte ich mein Wunsch: „Ich, Lucy, wünsche mir von ganzem Herzen mein Toby zu mir zurück! Ihn nur noch ein einziges Mal sehen zu können, wäre das Schönste, was es gäbe. Ihn fühlen, küssen, oder nur mit ihm reden würde mir schon reichen. Das wünsche ich mir. Toby, komm zurück!“
Ich öffnete schnell meine Augen und dachte erst mal nach, was ich überhaupt hier mache. Sich was wünschen! Wünsche gehen nie in Erfüllung, das ist alles nur Schwachsinn. Aber trotzdem wäre es schön, wenn es so wäre.
Heute ist Samstag. Ich beschloss, in die Stadt einkaufen zu gehen. Ich war schon sehr lange nicht mehr einkaufen und brauche dringend neue Kleidung.
So schön ist, es einfach mal etwas anzuprobieren. Auch wenn ich mir mehr als die Hälfte von den Sachen, die ich anprobiere, nicht leisten kann, macht es trotzdem Spaß. Noch mehr Spaß hätte ich mit einer Freundin. Bei dem Gedanken fühlte ich wieder die Trauer in mir. Schnell kaufte ich alles und ging ihn den Stadtpark. Dort kaufte ich mir ein Eis und setzte mich auf eine Bank. Plötzlich erinnerte ich mich wieder an das letzte Mal, als ich hier saß. Neben mir saß Toby und wir aßen Eis. Es war so schön, wir haben unser Eis gegenseitig gegessen und gelacht, als mal etwas daneben ging. Bei dem Gedanken musste ich lächeln, aber dann fiel mir ein, dass es nie wieder so sein wird. Nie wieder werde ich hier sitzen mit Toby. Traurig ging ich zur Bushaltestelle. Da ich nicht hinschaute, wohin ich ging, stolperte ich und fiel auf den harten Boden. Auf einmal kam mir eine Hand zur Hilfe!
Als ich sie fest hielt und nach oben schaute sah ich TOBY!
Ich stand schnell auf und sprang ihm in die Arme. Überglücklich war ich.
In diesen Moment habe ich vollkommen vergessen, dass er eigentlich tot war. Er küsste mich und es war der schönste Moment in meinem Leben. Lachend und weinend schaute ich ihn an, aber er schaute ein bisschen verwirrt auf mich. Dann fiel mir plötzlich wieder ein, dass er gestorben war. Aber das ist nicht möglich! Wie kann es sein? Ist das real oder träume ich wieder? Ich kneif mir in die Wange. Nein, es muss real sein, sonst würde ich in diesem Augenblick wieder aufwachen.
Toby sagte plötzlich: „Hey, hey, immer mit der Ruhe. Wir sahen uns doch gestern erst.“ Ich war verblüfft! Das hatte ich nicht verstanden, er war doch schon einige Zeit tot. Aber wie, er konnte sich nicht daran erinnern? Das alles scheint mir unmöglich zu sein, war er gar nicht tot? Was passiert hier nur mit mir? „Aber Toby, du warst doch tot, wie kann es sein, dass du hier vor mir stehst?“, fragte ich ihn. Erschrocken guckte Toby mich an und widersprach mir: „Das verstehe ich nicht. Wie, ich war tot, was soll das, ist das ein Scherz?“ Fragend und besorgt guckte er mich an. „Nein! Du warst tot und plötzlich bist du hier! Erinnerst du dich nicht? Du hattest ein Autounfall! Vor einem Monat, heute ist der 14. Mai. Das ist unmöglich, dass du hier stehst, aber du stehst hier!“
Ich guckte ihn so glaubwürdig an, aber er guckte immer noch so verwirrt und sagte: „ Aber Lucy, das ist doch alles Quatsch!“ Dann sah ich eine Zeitung auf dem Boden liegen und hob sie auf. Oben stand das Datum von heute und ich zeigte es ihm. Er war so überrascht und erschrocken. In seinem Blick konnte ich alles sehen. Er verstand nicht, was hier los war und wie das möglich sei.
Zusammen gingen wir zu mir nach Hause. Auf dem Weg erzählte ich ihm alles. Selbst verstand ich das nicht, aber ich war so froh ihn wieder zuhaben, dass ich total vergaß, dass es nicht möglich ist von den Toten zu erwachen. Als wir rein kamen sah meine Mutter ihn und sie war so erschrocken und stand völlig regungslos da. Toby fragte sie, ob alles okay sei, aber sie fing bloß an zu stottern. Wir gingen hoch in mein Zimmer. Als wir auf meinem Bett saßen, fing Toby an zu reden: „Wow, ich glaube dir langsam, aber kann das nicht verstehen. Deine Mutter war echt komisch drauf. Und das heute genau ein Monat später ist als gestern, ist nicht möglich. Aber wie konnte ich tot sein?“ „Ich weiß es nicht. Du hattest sogar eine Beerdigung und...du lagst im Sarg...“ Weinend hört ich auf zu reden. Ich erinnerte mich noch gut an diesen Tag, als er da regungslos und friedlich lag. Jetzt sitzt er völlig munter vor mir und redet mit mir. „Okay, ich versuche dir zu glauben!“ Er wischte meine Tränen ab und küsste mich. „Na gut, aber wir müssen dann diese Zeit aufholen!“
Ich zog meine neue schöne Kleidung an und wir gingen ins Kino. Nach dem Kino saßen wir in einem Café und aßen auf der Terrasse Kuchen. Es war so schön wie lange nicht mehr. Ich hatte endlich wieder Spaß und Toby war bei mir. Keiner konnte ihn mir wieder weg nehmen! Zusammen für immer und ewig. Toby lachte und ich auch, es war lustig und einfach nur toll. Zu sehen, wie er lebendig neben mir saß und mit mir Kuchen aß. Wir redeten über alles. Ich wollte ihm nicht unbedingt erzählen wie alleine und verlassen ich mich in der letzten Zeit fühlte, aber ich habe es.
Als es dunkel wurde gingen wir spazieren. Es war Vollmond, der schönste, den ich je gesehen hatte. Die Sterne funkelten wunderschön und dieser besondere Stern war auch wieder da.
„Toby!“, sagte ich. „Das ist unser Stern!“ Lachend guckte er nach oben. „Ja, gut!“
Jetzt erinnerte ich mich wieder und verstand es. Gestern hatte ich mir doch gewünscht, dass Toby zu mir zurück kommt! Der Wunsch hatte sich erfüllt. Dank diesem einen Stern.
„Der Stern! Er hat dich zurück geholt!“, schrie ich laut und rief: „Danke!“.
Toby küsste mich wie im Märchen, unter einigen rosa blühenden Bäumen und im Mondlicht. Es war einfach zauberhaft und so romantisch. Dieser Moment, mit Toby, den hab ich mir in der letzten Zeit so erhofft. Dank diesem Wunsch ist mein Traum wahr geworden.
Er begleitete mich nach Hause.
Wir standen vor meiner Haustür. Ich wollte ihn nie mehr loslassen. Traurig sagte er: „Schlaf schön, mein Schatz. Wir werden uns morgen wieder sehen.“, und ging.
Ich war so glücklich und sprang auf mein Bett! Toby ist von den Toten wieder auferwacht. Das Leben kann nicht schöner sein. Mein Schatz ist wieder bei mir!
Ich lief nach draußen, legte mich auf das Gras und rief laut: „Danke!“ Lachend lief ich wieder rein und umarmte meine Mutter. Dann ging ich in mein Zimmer, machte die Tür zu und legte mich wieder auf mein Bett. Das Gefühl, das ich empfand, konnte ich nicht beschreiben.
In mein Tagebuch schrieb ich alles, was ich fühlte und heute erlebt habe. Das, was ich als letztes geschrieben hatte, wollte ich nicht lesen, es würde mich nur wieder deprimieren. Auch wenn er wieder da ist, erinnerte ich mich an meine Zeit ohne ihn und die Trauer kam hoch. „Toby ist wieder bei mir“, sagte ich mir. „Vergiss diese Zeit, dein Wunsch hat sich erfüllt und er ist wieder da!“
Lachend schloss ich mein Tagebuch und schlief ein.
Am nächsten Morgen ging ich runter und wollte mit meiner Familie frühstücken. Meine Mutter hatte uns Pfannkuchen gemacht. Ich saß am Tisch mit meiner Mutter und meinem Vater und aß das leckere Essen.
Dann wollte ich unbedingt zu Toby. Ich wollt ihn wieder sehen. Ihn wieder küssen und den ganzen Tag Spaß haben. Ich zog mich schnell an, schminkte mich, machte mich so schön.
Auf dem Weg zu Toby dachte ich, was wir alles heute machen könnten.
Ich klingelte an seiner Haustür und seine Mutter machte auf. „Kann ich reinkommen, zu Toby?“ Erschrocken und verwirrt guckte mich seine Mutter an. Ich wunderte mich, warum. „Was soll das, Lucy? Toby, du weißt doch, er ist...nicht mehr bei uns.“, sagte sie. „Wie? Ich war gestern mit ihm draußen. Ist er nicht nach Hause gegangen?“ „Lucy, verschwinde, Toby ist tot!“
Verwundert lief ich weg. Das verstehe ich nicht! Er...war doch gestern... mit mir draußen. Wo kann er nur hingegangen sein? Draußen hat er bestimmt nicht geschlafen und ein Hotel wäre zu teuer.
Er ist verschwunden! Oh nein, das kann nicht sein. Wie konnte das sein? Nein!
Ich habe mir doch gewünscht, dass er wieder bei mir ist, aber stimmt: ich habe gesagt, ich möchte ihn nur noch ein einziges Mal sehen! Nein!
Weinend lief ich die Straße runter, bis ich zu einer Bank kam. Dann dachte ich nach, was passiert war. Toby war gestern bei mir und jetzt ist er wahrscheinlich verschwunden!
Toby, du bist wieder weg und ich bin alleine.
Nein, das...das...ist nicht möglich. Warum muss das sein, warum? Vielleicht kann ich mir Toby noch mal wünschen. Womöglich geht es nicht, aber probieren werde ich es trotzdem.
Na gut, ich konnte Toby noch ein letztes Mal sehen und mit ihm Spaß haben. Das war das Schönste, was ich in den letzten Tagen erlebt hatte. Aber jetzt ist der Schmerz noch größer, als er war.
Texte: Eleonora Balohin
Bildmaterialien: Eleonora Balohin
Tag der Veröffentlichung: 23.07.2012
Alle Rechte vorbehalten