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Spiegelwanderer


Teil 4: Wege nach L.A.



Es verging über eine Woche, bis Noah endlich in der Lage war, lange genug in der Spiegelwelt zu bleiben, um sinnvolle Wanderungen zu überstehen.
Sie übtendas Wandern wirklich jeden Tag und Noah machte endlich wirklich Fortschritte, um die ihn Sora wirklich beneidete. Der krönende Abschluss der ganzen Unterrichtseinheit war, dass Sora ihn nach langem Hinhalten endlich mit nach London nahm, allerdings verbot sie ihm, das Zimmer der Villa zu verlassen, in dem sie ankamen. Noah hatte auchernsthaft kein Interesse daran, das alte Zimmer zu verlassen. Er war viel zu begeistert von der Tatsache, dass er es endlich geschafft hatte, eine komplette Spiegelwanderung zu überstehen.
“Gut gemacht“, lobte ihn Sora und klopfte ihm lobend auf die Schulter. Sie freute sich wohl genauso sehr wie Noah über seinen neuesten Erfolg. “Trotzdem sollten wir kurz warten, ehe wir zurückgehen. Nicht, dass es dir am Ende doch zu viel wird.“
Noah stimmte ihr zu. Ein wenig erschöpft war er schon, wenn er ehrlich war. Er hatte sich eigentlich bis jetzt immer vorgestellt, dass man nicht so lange in der Spiegelwelt herumlaufen musste, um den richtigen Ausgang zu finden. Er hatte sich das viel eher wie Teleportieren vorgestellt, nur mit einem kurzen Zwischenstopp in der Spiegelwelt, sodass man dafür nicht länger als ein paar Minuten brauchen würde. Aber so war das überhaupt nicht. Man musste da drinnen richtig herumirren, wenn man den Weg nicht kannte oder der Weg gerade schwer zu finden war. Und das konnte mitunter echt lange dauern. Ihm kam es jetzt zumindest so vor, als wären sie sicher fast zwei Stunden in der Spiegelwelt herumgelaufen. Vielleicht lag das aber auch einfach nur daran, dass dort alles gleich aussah. Es war umwerfend, wunderschön, aber leider auch monoton. Und er hatte es doch geschafft, gegen eine Glaswand zu laufen ... Das Schlimmste dabei war, dass Sora es gesehen hatte. Sie hatte danach bestimmt fünf Minuten nur gelacht. Und das Schlimme daran war nun wieder, dass das in der ganzen Spiegelwelt zu hören gewesen war ...
[Am Besten einfach nicht mehr daran denken!]
Das Zimmer, in dem sie sich befanden, war voll mit unsagbar teuer aussehenden Antiquitäten vollgestellt. Der Spiegel, durch den sie gekommen waren, sah genauso aus wie der, der bei Sora in der Küche stand, abgesehen von der unschönen Staubschicht, die sich auf ihm breit gemacht hatte. Runderhum standen alte Tische in den verschiedensten Größen, die mit feinsten Gold- und Silberblättchen geschmückt waren. In manche dieser Tische waren sogar Kristalle und andere Edelsteine eingefügt worden. Und alte Wanduhren waren auch natürlich auch an den Wänden zu finden. Wanduhren waren wirklich Teil einer jeden alten Sammlung von Antiquitäten. Dicke, schwere Teppiche lagen zusammengerollt und übereinandergestapelt an einer anderen Wand. Immerhin wurden diese von einer dicken Plastikplane von Staub geschützt, ganz im Gegensatz zu dem Rest der teuren Utensilien.
“Die sind wohl echt schwer reich“, meinte Noah, als er den ganzen Kram abschätzend betrachtete. “Was machen die mit so viel Zeug? Verkaufen?”
“Keine Ahnung. Sammeln. Später vererben sie vermutlich alles ihren Enkeln, wenn sie welche haben.”
“Oh ja, und die verkaufen es dann teuer, wie es jeder andere vernünftige Mensch tun würde”, scherzte Noah.
“Ja. Komm mal her“, forderte ihn Sora auf und winkte ihn zum Fenster. Noah trat sofort neugierig neben sie und blickte raus. Sie zeigte ihm, wo er hinsehen sollte. Noah musste lächeln, als er die ganzen Überwachungskameras sah, die fast an jeder Ecke des Gebäudes und im Garten angebracht waren. Sora hatte also nicht übertrieben, als sie gemeint hatte, dass die Leute hier paranoid waren.
Abgesehen davon konnte sich Noah sowieso nicht verstellen, warum jemand solchen Antiquitätenkram stehlen sollte. Das war unsagbar unpraktisch, denn die Tische und auch die ganzen anderen Dinge waren sperrig und schwer zu transportieren. Und sicher auch alles aus massivem Holz. Wer bitte interessierte sich für so etwas? Außer irgendwelche einsamen Sammler vielleicht, die ihre Zeit ausschließlich damit verbrachten, Antiquitäten um jeden Preis anzuhäufen.
“Sag mal“, begann er als er sich von dem Fenster abwandte und etwas Staub von einem der Tische wischte, die gleich nebenbei an der Wand ruhten, „wo ist denn die Wahrscheinlichkeit am Größten, dass wir einen Aufseher finden?“
Der Tisch war echt staubig. Man musste nicht einmal so genau hinsehen, um zu erkennen, dass alles hier total verstaubt war. So viel schienen die teuren Stücke ihren Besitzern nicht zu bedeuten, wenn man bedachte, dass sie sie einfach nur hier abstellten. Nur die geschützten Teppiche ...
“Das kann ich nicht so genau sagen”, antwortete Sora nach einiger Zeit. “Angeblich halten sie sich in großen Städten auf...“
Noah war etwas irritiert von ihrer Antwort. “Sagtest du nicht, dass sie ein Einsiedlerleben führen?!“
Sora ließ sich erneut ein bisschen Zeit mit ihrer Antwort. Klar, das hatte sie zwar gesagt, aber ...
“Weißt, das stimmt auch eigentlich. Aber dabei halten sie sich meistens in großen Städten an abgelegenen Orten auf. In der Nähe von abgeschiedenen Lagerhallten oder verlassenen und stillgelegten Fabriken. Weißt du, Aufseher halten sich nur äußerst ungern außerhalb ihrer vertrauten Umgebung auf. Und wenn, dann auch nicht länger als unbedingt nötig. In großen Städten hat man den Vorteil, dass die Geschäfte und andere Dinge, die man so immer wieder braucht, oft ganz in der Nähe und leicht zu Fuß zu erreichen sind. Verstehst du?“
Klar verstand Noah das. Außerdem bedeuteten Städte auch eine ganze Menge Menschen, zwischen denen man sich leicht verstecken konnte, bei denen man andererseits auch schnell negativ auffallen konnte. Und das bedeutete wiederum Sicherheit, wenn man sich darauf verstand, sich unauffällig fortzubewegen. Ja, er verstand, was Sora mit “Einsiedlerleben in Städten“ meinte. Auch wenn es doch ziemlich wiedersprüchig klang. Aber hey ...!
“Ist Tokyo nicht eine super große Stadt?“, fragte er plötzlich.
“Klar, aber in Tokyo weiß ich von keinen Aufsehern. Ich hab da auch noch nie einen getroffen oder gesehen. Ich denke schon, dass es welche gibt, aber leider hab ich eben keine Ahnung, wo ...“
“Trotzdem ist das immer noch besser, als in irgendeine andere Stadt zu reisen und dort ganz von vorne mit unserer Suche bginnen“, meinte Noah.
“Ganz von vorne anfangen müssen wir aber sowieso ...“
Ja, damit hatte sie nun auch wieder Recht. Sie hatten ja überhaupt keine Ahnhaltspunkte bei ihrer Suche. Nicht einmal Hinweise oder sonst irgendwas.
„Gibt es einen Weg, von London weiter woanders hin zu kommen?“, fragte er. Sora nickte.
„Klar. Ich habe hier Freunde, die ebenfalls Spiegelwanderer sind und Spiegel besitzen, durch die man problemlos reisen kann. Theoretisch kommen wir aus von hier nach Wellington, Glasgow, New York, Sydney und Paris“, zählte sie auf. „Und von Glasgow kommen wir direkt nach Berlin“, fügte sie noch hinzu.
Noah staunte. Das war ja eine ganze Menge von Orten, an die sie reisen konnten. Und alles waren große Städte. Das war schon irgendwie auffällig.
„Kann es sein, dass die Spiegel, die man noch benutzen kann, nur in Städten sind?“, fragte er. Sora schüttelte lächelnd den Kopf.
„Natürlich nicht. Die meisten Spiegel sind gar nicht in den Städten. Aber die die in den Städten sind, merkt man sich viel leichter und benutzt sie eher. Die sind auch wichtiger, weil es viel interessanter ist, zwischen den Städten hin und her zu wandern. Allein schon wegen den Sehenswürdigkeiten. Ich meine, wenn du die Wahl hättest zwischen irgendeinem abgelegenen Dorf und einer Stadt, wofür würdest du dich entscheiden?“
Noah musste nicht lange überlegen. Für die Stadt natürlich. An einem kleinen Dorf war ja nichts Interessantes. Und los war dort auch nichts. Er war ja in einer Stadt aufgewachsen und fand es in Dörfern wirklich unerträglich einsam und unbequem still.
„Siehst du“, sagte Sora, als hätte sie seine Gedanken gelesen. „Städte sind einfach interessanter. Wie auch immer, wir brauchen auf jeden Fall eine ganze Menge Glück, wenn wir wirklich einen Aufseher finden wollen. Und dann müssen wir ihn auch noch dazu überreden, uns zu helfen. Das ist leider alles gar nicht so leicht, weil die sind oft wahnsinnig spießig und arrogant. Die meisten halten sich für etwas Besseres als normale Spiegelwanderer.“
Irgendwie überraschte das Noah nicht. Es wäre ja auch zu einfach gewesen, wenn sie so einen Typ einfach nur suchen und finden hätten müssen. Nein, dann mussten sie ihn auch noch überreden und sicher vermutlich auch noch mit ihrer Arroganz herumschlagen. Und Noah hasste kaum etwas mehr als arrogante Menschen. Vermutlich hatte er auch deswegen so eine starke Abneigung gegen seine Eltern entwickelt. Naja, irgendwie bezweifelte er schon stark, dass sie überhaupt jemals etwas über seinen Brief erfahren würden.
„Wir finden schon wo jemanden“, meinte Sora und wollte seine Hand nehmen, machte aber im letzten Augenblick noch schnell einen Rückzieher. Noah merkte nichts davon. „Aber erst gehen wir zurück, oder willst du noch ein wenig hier zwischen den staubigen Möbel bleiben?“
Nein, das wollte er nicht. Er hatte genug von staubbedecktem Holz gesehen.


Die Reise zurück dauerte noch viel länger als die die Herreise. Das lag daran, dass sich sich die Wege der Spiegelwelt andauernd veränderten. Seit Noah die Spiegelwelt kannte, hatte er noch nie erlebt, dass sie sich so oft und fast ununterbrochen veränderte. Alleine hätte er niemals mehr aus ihr herausgefunden, da war er sich mehr als nur sicher. Für Sora schien das alles aber kein besonderes Problem darzustellen. Für sie war wohl einfach nur gerade Hochbetrieb in der Spiegelwelt. Anscheinend schienen gerade alle zu reisen.
„Anscheinend kommen jetzt wohl gerade alle aus dem Urlaub zurück“, scherzte Sora ganz leise und nahm ihn fest an der Hand, damit sie sich nicht verlieren konnte. Man wollte es vielleicht nicht glauben, aber das war hier wirklich unglaublich leicht. Man konnte sich zwar aus großer Entfernung noch sehen, aber den Weg finden war beinahe ein Ding der Unmöglichkeit. Außer für Guardians die sich so gut zurechtfanden wie Sora.
Und natürlich waren sie Spiegelwanderer nicht auf Urlaub, das war einfach nur Zufall. An manchen Tagen schien einfach jeder Spiegelwanderer die Spiegelwelt zum Wandern zu benutzen. Aber das nervte einfach nur. Und der Weg wurde dafür für alle länger.
Das Interessante an der Sache war, dass man die anderen Spiegelwanderer in der Spiegelwelt aber nicht sehen konnte, man konnte nur ihre Stimmen hören, wenn sie sprachen, was sie aus Rücksicht auf die anderen nicht taten, außer in großen Ausnahmefällen. Sora konnte ihm leider nicht erklären, warum das so war. Es war hier einfach normal. Noah kam bald zu der Überzeugung, dass jeder Spiegel in einen eigenen Teil der Spiegelwelt führte, der von allen anderen Teilen getrennt war. Zumindest optisch irgendwie. Warum die Schallwellen überall hin dringen können verstand er nicht so ganz. Sora bestätige lächelnd seinen Gedankengang, nachdem er ihn ihr verraten hatte, als sie die Spiegelwelt wieder verlassen hatten.
Als sie endlich wieder in Soras Wohnung waren, mussten sie feststellen, dass sie den ganzen Tag weg gewesen waren. Waren sie echt so lange in der Spiegelwelt geblieben?!
„Es gibt das noch etwas über die Spiegelwelt, was du nicht weißt“, verriet ihm Sora, nachdem Noah irritiert auf die Uhr gestarrt hatte. Natürlich. Noah hatte schon mit soetwas gerechnet. Es würde wohl auch noch eine ganze Weile dauern, bis er wirklich alles über die Spiegelwelt wusste, was er wissen konnte. „Die Zeit vergeht in der Spiegelwelt viel langsamer. Es fällt nur nicht auf, weil dort grunsätzlich alles langsamer passiert. Man bewegt sich auch langsamer, ohne es zu merken ... frag nicht, warum. Es ist eben so. Die Spiegelwelt mitunter auch ein Teil einer anderen Dimension, deren Tore Spiegel sind. Also meistens sind in drei Stunden in unserer Welt eine Stunde in der Spiegelwelt. Meistens! Auch das hängt nämlich davon ab, wie viele Spiegelwanderer sich in der Spiegelwelt befinden.“
„Aha... Warum gibst du mir nicht einfach ein Fachbuch über die Spiegelwelt?“, scherzte Noah, während er sich ins Bad verzog.
Sora räumte inzwischen ein wenig ihre Wohnung auf. Seit Noah hier war, sah es hier einfach katastrophal aus. Seltsamer Weise störte sie das nicht einmal besonders, aber inzwischen war es echt schlimm geworden. Alles, was sie irgendwann einmal in der Hand gehabt hatten - Bücher, Gläser, Kleidung und noch viel mehr - lag überall verstreut herum. Noah war wirklich ein Meister des Chaos. Aber das war süß... Noah war überhaupt süß. Auch dass er so lange morgens im Bad brauchte war süß...
Sora schüttelte grinsend den Kopf und öffnete ein Fenster, damit endlich mal wieder frische Luft ins Zimmer gelangen konnte, denn auch das war schon bitter nötig. In letzter Zeit ließ sie sich ja wirklich schon dauernd von Noah ablenken! Es war einfach ... irgendwie fürchtete sie, dass er einfach wieder verschwinden würde, wenn er Antworten auf seine Fragen gefunden hatte. Also verspürte sie den Wunsch, einfach so viel Zeit wie möglich mit ihm zu verbringen, alles andere konnte da warten. Er war ja nur hier, wegen dem Brief. Nicht ihretwegen. Schade ...


Seit Sora das klar geworden war, sprach sie kaum noch mit Noah und ging ihm sogar manchmal aus dem Weg. Noah konnte das einfach nicht verstehen. Wenn er sie danach fragte, bekam er nicht mal eine vernünftige Antwort von ihr.
Nach einiger Zeit zog Noah es vor, sie ganz einfach in Ruhe zu lassen und darauf zu hoffen, dass sich ihre Laune wieder bessern würde.
Inzwischen konnte er sich in den Teil von Tokyo wo Sora ihre Wohnung hatte auch alleine zurechtfinden. Da Sora die meiste Zeit nur noch hinter verschlossener Tür in ihrem Zimmer verbrachte und Bücher las oder mit ihrem Notebook arbeitete, war er oft in der Stadt und sah sich neue Läden an, die ihm noch nicht aufgefallen waren. Wenn Sora ganz besonders schlecht drauf war und sich gar nicht blicken ließ, besuchte er auch Kagami, wenn er Zeit hatte, was ja nicht wirklich oft war.
Wenn er Zeit hatte, redeten sie eine ganze Menge und über alles Mögliche. Kagami erzählte Noah von dem Video, das auf youtube stand und auch einiges über Sora, was sie ihm bis jetzt verschwiegen hatte. Er erfuhr, dass ihre Eltern vor fünf Jahren bei einem schweren Zugunfall ums Leben gekommen waren, dass sie eigentlich einen Zwillingsbruder haben sollte, doch leider war er bei der Geburt gestorben. Sora war außerdem sehr sensibel, aber das hatte Noah schon gemerkt. Er kannte niemanden, der so leicht zu trauern anfing, wie sie.
“Woher hat sie eigentlich ihre Liebe zu Piercings?”, fragte Noah einmal. Kagami zuckte nur mit den Schultern und setzte einen lustigen unschuldigen Blick auf.
“Ich schätze, das hat sie von mir”, meinte er. “Als ich sie kennengelernt habe, hatte sie nämlich noch keine. Drei Monate später waren es bereits zwei.”
Noah grinste. Kagami hatte wirklich auch eine ganz schöne Menge an Piercings in seiner Haut. Er hatte allein schon drei Zungenpiercings! Aber alle standen ihm total gut. Sie ließen sein Gesicht irgendwie viel schöner wirken. Das lag wohl daran, dass die Piercings sehr fein und dünn waren und nicht dick und aufdringlich. Noah musste zugeben, dass sie ihm auch gefielen. Vielleicht ließ er sich auch welche stechen. Was Sora dann wohl dazu sagen würde? Ja, Sora ...
„In letzter Zeit spricht sie kaum noch mit mir“, offenbarte Noah Kagami, als sie wieder einmal zusammen unterwegs waren. Kagami hatte überraschend frei bekommen und Noah hatte ohnehin nichts zu tun, nachdem sogar er einmal in der Wohnung sauber gemacht hatte.
Seine Eltern hatten sich seit dem letzten Anruf, der ja schon eine ganze Weile zurücklag, nicht mehr gemeldet. Noah war das nur Recht, er wollte von denen sowieso nichts wissen. Sobald sie zu Hause waren, würde er schon ganz schön was zu hören bekommen. Ach was, vermutlich killten sie ihn gleich, vor allem, wenn er ihnen sagen musste, dass er in Japan war .. und das schon seit ... seit drei Wochen! Oh ja, das war schon ganz schön lange. Allerdings war der Urlaub seiner Eltern das auch. Warum sollte er nicht auch Urlaub machen dürfen?!
[Ich denke schon wieder zu viel!]
„Und? Du hast doch bestimmt schon eine Idee, warum sie das tut, oder?“, fragte Kagami. Noah kam sich in diesem Moment ziemlich blöd vor. Natürlich hatte er keine Idee, woher auch? Sie redete doch gar nicht, kein bisschen. Woher sollte er denn was wissen? Aber Kagami sah aus, als wüsste er bereits die passende Antwort auf die Frage.
„Na los, sag schon! Du kennst sie doch viel länger und besser als ich!“
[Und du kommst vermutlich auch ganz viel besser mit Menschen klar], fügte er in Gedanken noch hinzu und dachte dabei an Kagamis Party.
Kagami lächelte und ließ Noah ein bisschen zappeln. Naütlich wusste er, warum Sora ihm aus dem Weg ging, oder zu mindest glaubte er, es zu wissen.
„Also, wenn ich darüber nachdenke, was du mir alles verraten hast, dann würde ich spontan einfach einmal sagen, dass sie sich in dich verguckt hat.“
Noah hatte Kagami noch nie so breit grinsen sehen, wie jetzt.
„Bitte was?!“
Ja, das konnte er wirklich überhaupt nicht nachvollziehen. Er war die ganze Zeit der Überzeugnung gewesen, dass er so ganz und gar nicht ihr Typ war. Immerhin war sie total Gothic und Emo und er ... er war ziemlich normal. Nichts Besonderes eben. Ganz im Gegensatz zu ihr war er doch langweilig. Oder hatte er sich getäuscht? Oh Mann, wenn das wirklich so war, dann fragte er sich, wie blöd man als Mensch eigentlich sein konnte?! ... Aber Kagami kannte Sora. Er hatte bestimmt Recht! Aber ... Noah war sich nicht sicher, wie er darüber denken sollte ... Fand er denn überhaupt etwas an Sora? Oder war sie einfach nur eine gute Freundin?
„Lass dich nicht unter Druck setzen“, sagte Kagami, der wohl erraten hatte, was Noah dachte. „Wenn du einfach ehrlich zu ihr bist, sehe ich kein großes Problem. Aber du solltest vielleicht ein wenig Nachsicht mit ihr haben. Sie ist sehr, sehr empfindlich, was Gefühle angeht. Was auch immer du tust, versuch bitte, ihr nicht weh zu tun.“
Noah nickte. Klar, als ob er das nicht schon gemerkt hatte, das Sora empfindlich war. Und anlügen wollte er sie sowieso nicht, geschweige denn ihr weh tun! Niemals! Sora war irgendwie der einzige Mensch in seinem Leben, von dem er sich absolut nicht verstellen konnte, ihn anzulügen. Dazu ... bedeutete sie ihm einfach zu viel. Und er würde sie auch ganz ganz sicher nie verletzen. Nicht, wenn er es irgendwie vermeiden konnte. Ganz bestimmt. Sie war in ihrem Leben schon genug verletzt und alleine gelassen worden. Dass sie so empfindlich war, bewies dabei genug.
„Keine Sorge“, sagte er ernst. „Ich werde schon aufpassen, dass sie nicht verletzt wird. Nur ... eine Bitte habe ich schon dabei.“
„Klar, sag mir, was ich tun kann, um dir zu helfen.“
„Einfach nur aufpassen, dass ich ihr nicht unabsichtlich weh tu“, bat Noah. „Du kennst sie viel besser als ich und ... ich fürchte wirklich, dass ich sie falsch behandeln könnte. Ich hoffe wirklich, dass du mir ein bisschen hilfst. Sie ... ist mir nämlich wirklich wichtig. Ich hab sie echt gern.“ Und das war auch ganz ehrlich nicht gelogen!
Er meinte es wirklich ernst. Er hatte nicht wirklich viel Erfahrung im gefühlvollen Umgang mit anderen Menschen. Dass es mit ihm und Sora bis jetzt so gut gelaufen war, war einfach Glück gewesen. Aber irgendwann erreichte man immer einen Punkt, an dem Glück alleine nicht mehr ausreichte.
„Klar. Das werde ich“, versprach Kagami. Er schien sich zu freuen, dass Noah ihn um diesen Gefallen bot, auch wenn er sich ziemlich war, dass er Noah nicht helfen würde müssen. Und Noah freute sch, dass Kagami es so gut aufnahm, dass Sora sich anscheinend in Noah verliebt hatte. Noah hatte schon befürchtet, dass Kagami etwas dagegen haben würde, weiler selbst Sora ziemlich nahe stand. Aber er hatte sich getäuscht und war echt glücklich darüber. Sich mit Kagami streiten war etwas, was er auf jeden Fall vermeiden wollte! Vor allem weil er absolut überzeugt war, dass Kagami ihn ganz einfach total fertig machen konnte, wenn er es wollte.
Sie redeten noch den ganzen Nachmittag über Sora und auch über die Spiegelwanderer. Kagami nahm das nicht so ernst wie Sora. Für ihn war es kein Problem in der Öffentlichkeit darüber zu sprechen. Er war der Meinung, dass ihnen sowieso niemand zuhörte, in erster Linie deswegen, weil sie sowieso niemand verstand.
Noah konnte echt gut mit Kagami reden. Auch er hörte ihm zu und fragte sogar nach, wenn ihn etwas besonders interessierte. Sie kamen sogar soweit, dass sie begannen, fast ihre ganzen Lebenserfahrungen auszutauschen – zumindest die lustigen, über die man lachen konnte. Kagami erzählte zum Beispiel, dass er sich in völlig betrunkenem Zustand einmal von einem ebenso betrunkenen Freund die Haare pink färben ließ. Sein Freund musste ihm schwören, nie mehr wieder Haarfarbe anzurühren, wenn Kagami bei ihm war. Noah erzählte ihm dafür von seiner absolut grauenhaften Idee, Rotwein mit Milch zu mischen.
“Da warst du aber auch schon ganz schön betrunken, oder?”, fragte Kagami laut lachen.
“Schon.”
Und so ging das weiter. Erst als der Himmel über ihnen langsam dunkel und die Lichter der Stadt immer heller wurden – und das Café, in dem sie saßen, schließen wollte – wurden sie unterbrochen. Kagami musste wieder nach Hause, versprach aber, sich per Handy oder Mail wieder bei ihm zu melden.
Noah machte ein paar Umwege – sowohl unabsichtlich als auch gewollt – ehe er zu Soras Wohnung zurück ging – oder zurückfand, wohl eher. Er hatte sich vorher verlaufen, aber das musste ja niemand wissen.
Sora war noch wach und machte irgendetwas auf ihrem Notebook wie sonst auch, als Noah in die Wohnung kam. Sora hatte ihm schon vor einiger Zeit freundlicherweise den Ersatzschlüssel überlassen.
„Hey“, sagte er leise und setzte sich zu ihr auf die Couch. Er wollte sehen, was sie da tippte. Leider konnte er nichts erkennen, es war alles auf Japanisch. Inzwischen konnte er zwar ein paar grundlegende Sachen sagen, aber lesen konnte er kein einziges dieser Zeichen, die für ihn alle gleich aussahen, obwohl ihm Sora immer wieder sagte, dass nur die wenigsten eine Ähnlichkeit miteinander hatten.
„Sollten wir nicht lieber nach einem dieser Aufseher suchen?“, fragte er und legte lieb einen Arm um sie. Sora zuckte ein wenig zurück, damit hatte sie wohl nicht gerechnet. Noah ließ den Arm trotzdem so wie er gerade war.
„Hab ich doch!“, warf sie sofort ein, kaum dass er zu Ende gesprochen hatte. „Während du den ganzen Tag weg warst, war ich in New York und in Berlin!“
Noah nickte anerkennend und auch ganz schön erstaunt. In den letzten Tagen war Sora der Spiegelwelt ganz aus dem Weg gegangen! Nun, vielleicht war diese Phase ja vorbei. Und New York und Berlin, das war echt viel für einen Tag. Leider nur klang Soras Stimme ganz so, als hätte sie nichts Brauchbares herausgefunden. Naja, das war auch nur halb so schlimm. Die Hauptsache war, dass sie wieder mit Noah redete!
„Wir finden schon jemanden“, sagte er zuversichtlich und streichelte ganz vorsichtig ihren Rücken. „Das war echt lieb von dir, aber das nächste Mal kann ich doch mitkommen. Du hättest nur etwas sagen müssen!“
„Ja“, sagte Sora knapp. „Ich will nur nicht, dass du dich überforderst.“
„So ein Blödsinn. Inzwischen kann ich’s doch! Ich bin sogar richtig gut!“
Okay, das war nicht so ganz wahr, Noah wollte nur ein wenig angeben. Er hoffte, dass Sora das ein wenig aufheiterte und sie endlich wieder einmal lachte. Sie lachte tatsächlich ein wenig, weil sie genau wusste, dass er nicht so gut war, wie er sie glauben machen wollte.
„Hey du kannst ja wieder lachen!“, bemerkte er sofort begeistert und Sora nickte stolz. Irgendwie schaffte es Noah auf unglaubliche Weise, dass sie sich sofort besser fühlte.


Sie redeten endlich wieder miteinander. Und wenn sie nicht redeten, dann suchten sie in der Spiegelwelt oder in anderen Städten, aber auch in Tokyo nach Aufsehern. Noah entdeckte staunend, dass er sein iPhone zwar gefahrlos in die Spiegelwelt mitnehmen konnte, dass es aber dort leider überhaupt nicht funktionierte. Er konnte es dann weder abdrehen, noch aufdrehen oder sonst etwas damit machen. Es war Zufall gewesen, dass er das gemerkt hatte. Eines Tages hatte er einfach vergessen, es aus seiner Hosentasche zu nehmen, bevor sie die Spiegelwelt betreten hatten. Sora hatte ihm einen ganz schönen Vortrag gehalten. Darüber, dass das furchtbar schief hätte gehen und sogar ihren Spiegel zerstören hätte können. Es dauerte eine ganze Weile, bis sich Noah endlich oft genug entschuldigt hatte und sie sich wieder beruhigte. Noah konnte aber gut nachvollziehen, warum sie sich darüber so aufgeregt hatte. Er hätte das bestimmt auch und es tat ihm auch Leid, obwohl er es wirklich nicht mit Absicht gemacht hatte.
Seine Eltern meldeten sich wieder. Es war kein schönes Gespräch. Sie riefen ihn nämlich von zu Hause aus an. Noah versuchte natürlich, sie zu besänftigen und sich zu rechtfertigen, wo er konnte, jedoch ohne Erfolg. Über eine Stunde schrien ihn seine Mutter und sein Vater nur an und warfen ihm allerhand Gemeinheiten und Vorwürfe an den Kopf. Noah kam gar nicht dazu, einen ganzen Satz zu sagen, denn kaum setzte er zu einer Verteidigung oder einer Erklärung an, wurde diese sofort von einer gewaltigen Menge geschrieener Worte zunichte gemacht, bis er es sein ließ und einfach den vernichtenden Wortschwall still erduldete, den sie über ihn losließen. Das Letzte, was sie ihm noch ins Ohr schrieen, bevor sie das Gespräch beendeten war, dass er gleich gar nicht mehr nach Hause kommen sollte, dass er eine unendliche Enttäuschung für sie war und sie ihn nie wieder sehen wollten. Das war hart, aber Noah nahm es mit Fassung, soweit das möglich war. So nahe, dass es ihn total bis fertig machen konnte, stand er ihnen nicht. Sie waren nur seine Stiefeltern und ... zufrieden waren sie nie wirklich mit etwas gewesen, was er getan hatte.
„Sieh’s doch positiv“, versuchte ihn Sora aufzumuntern, denn unmittelbar nach dem Gespräch war Noah doch ziemlich fertig. Er hatte zwar schon mit so etwas gerechnet, aber dass seine Eltern dann doch so heftig und niederschmetternd reagieren würden, das hatte ihn doch irgendwo schwer getroffen und sein Selbstwertgefühl hatte kurzfristig einen neuen Tiefpunkt erreicht. Warum hatten sie ihn denn bitte schön adoptiert, wenn ihnen doch sowieso nie etwas an ihm passte?! Egal, was er in seinem ganzen Leben getan hatte, es war ja sowieso immer falsch gewesen. Immer, immer, immer!! Zum Glück hatten sie ihn endlich rausgeschmissen! Jetzt war es wenigstens vorbei! Noah kam mit Soras Hilfe schließlich zu dem Entschluss, dass das das Beste war, was ihm hätte passieren können. Gleich nachdem der das eingesehen hatte, löschte er die Nummer seiner Eltern. Die waren ohne ihn sowieso besser dran. Und umgekehrt genauso.


Sora und er konzentrierten sich nun noch viel mehr darauf, einen Aufseher zu finden. Auch Kagami half ihnen dabei, indem er versuchte, über das Internet Kontakt mit anderen Spiegelwanderern aufzunehmen. Recht erfolgreich war er dabei leider nicht, aber Sora und Noah ging es auch nicht besser. Langsam fragte sich Noah sogar, ob es nicht eigentlich besser war, die ganze Sache doch zu vergessen. Aber Sora beharrte darauf, weiter nach einem Aufseher zu suchen. Noah fragte sich nur, ob sie das seinetwegen tat - um ihm zu helfen - oder einfach nur deswegen, weil sie endlich einmal einen kennenlernen wollte. Letzendlich spielte es sowieso keine Rolle.
Seine Eltern meldeten sich kein einziges Mal mehr, obwohl Wochen vergingen. Noah war sich schon bald ziemlich sicher, dass sie genauso froh darüber waren ihn loszusein wie er froh darüber war, dass sie in seinem Leben jetzt keine Rolle mehr spielten. Nicht, dass sie das jemals wirklich getan hätten, nein, sie waren nur die Gitterstangen seines Gefängnisses gewesen, das für andere ein Zuhause war.
Ein paar seiner Freunde meldeten sich hin und wieder und beschwerten sich darüber, dass er gar nicht mehr auf facbook war. Natürlich, als würde sich das Leben nur noch auf facebook abspielen ... was für ein Unsinn! Noah wimmelte sie mit einem einfachen “ich hab grad keine Zeit“ ab. All jenen, mit denen er sich etwas besser verstand, verriet er sogar, dass er in Tokyo war. Die würden das dann sicher weiterplaudern. Das ging leider ein wenig nach hinten los, denn tatsächlich kamen dann fast pausenlos Textnachrichten bei ihm an, in denen er gefragt wurde, ob es wirklich wahr war, dass er in Tokyo war und ganz alleine hingeflogen war. Die ersten fünf beantwortete er noch, aber dann löschte er sie einfach. Was ging das schon die anderen an? So schwer war es ja nicht, irgendwo hin zu fliegen. Viel mehr als etwas Geld und einen Reisepass brauchte man ja nicht für einen leistbaren Billigflug.
Als ihm Kagami schließlich eine Textnachricht schickte, konnte er kaum glauben, was er da las. Ihr Freund hatte anscheinend wirklich einen Hinweis auf einen Aufseher gefunden! Es klang zumindest ganz danach. Sora und Noah sprangen natürlich ohne noch groß nachzudenken sofort in den nächsten Zug und fuhren zu ihm. Nur hatten sie nicht bedacht, dass er gar nicht zu Hause war. Kagami war aber auch nicht blöd und hatte ebenfalls gleich ein Verkehrsmittel nach Hause genommen. Er kam nur wenige Minuten nach ihnen vor seiner Wohnung an. Als sie einige Augenblicke später bei ihm in der Wohnung standen, führte er sie sofort zu seinem PC. Er musste sich erst einmal durch ein paar ziemlich chaotisch aussehende Seiten im im Internet klicken, viele davon waren in Sprachen erstellt, von denen keiner von ihnen dreien wusste, dass es die überhaupt gab. Aber dann hatte er anscheinend bald gefunden, wonach er gesucht hatte.
„Guckt euch das an!“, rief er und öffnete eine letzte Internetseite. Auf den ersten Blick war da allerdings gar nichts Sinnvolles zu erkennen bis auf ein ganzer Haufen Zahlen und Zeichen, die allesamt keinen Sinn ergaben.
„Was ist das?“, fragte Noah verständnislos. Er hatte echt gedacht, dass Kagami etwas Brauchbarues entdeckt hatte. Zumindest hatte sich das in seiner SMS so angehört. Aber das ... ein paar Zahlen und Zeichen ...
„Das sind anscheinend irgendwelche Spiegelcodes“, erklärte Kagami. Nicht, dass dieses Wort Noah oder Sora irgendetwas sagte. „Das hier ist eine Seite, auf der Spiegelwanderer miteinander kommunizieren. Wie auf myspace oder so. Ich komm nur leider nicht rein...“
„Okay mal langsam!“, warf Sora verwirrt ein. „Wie kann das sein? Ich meine, woher hast du das? Wie hast du diese Seite entdeckt?!“
Ja, das wollte Noah auch zu gerne wissen. Er konnte sich nicht vorstellen, dass so eine Seite einfach so im Web herumschwirrte. Die Seite hatte sogar eine ganz stinknormale Adresse!
„Das glaubt ihr mir sicher nicht, aber das war wirklich Zufall“, meinte Kagami. „Ich sitz hier schon Tag und Nacht und versuche was zu finden, das euch helfen könnte. Aber bitte, fragt mich nicht, wie ich auf diese Seite gekommen bin. Es ist Glück, dass ich die überhaupt noch mal wieder gefunden habe ...“
„Schon gut“, beruhigte ihn Noah. „Was hat es mit diesen Spiegelcodes auf sich?“
Kagami zuckte mit den Schultern. „Nichts. Ich weiß nicht mal, wie man das wirklich nennt. Ich sag nur Spiegelcodes, weil das irgendwie zu dem ganzen Spiegeldings passt.“
[Na toll!]
„Okay, okay, was Anderes“, sagte Sora schnell. „Weißt du, von wo aus diese Seie gehostet wird?“
Kagami begann bis über beide Ohren zu strahlen und nickte. „Es hat gedauert, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass der Host in L.A. sitzt“, teilte er ihnen begeistert mit.
„L.A.?!“, wiederholte Noah ungläubig. Das war ja nun doch ... zu einfach? Andererseits ... L.A. war eine Großstadt ... das passte zu dem, was Sora ihm über die Aufseher erzählt hatte. Aber einfach klang es trotzdem ...
Soras Blick war ganz und gar unbegeistert. Noah hatte wohl zu schnell gedacht, als er der Meinung gewesen war, dass das nun doch leicht war.
„Ich kenne keine Spiegel, die nach Los Angeles führen“, offenbarte sie mürrisch. Klar. Es war nun doch nicht so leicht.
„Hast du nicht mal gesagt, dass ein Freund von dir einen Spiegel hat, mit dem er nach L.A. kann?“, fragte Kagami.
„Das hab ich schon, aber der Spiegel ist kaputt, den kannst du vergessen“, frischte Sora sein Gedächtnis auf. Also keine Möglichkeit, nach L.A. zu kommen, wie es schien. Zumindest keine einfache, die sie jetzt gleich nach L.A. bringen konnte.
„Können wir nicht einfach ein paar Spiegel ausprobieren?“, schlug Noah vor. Klar, das war nicht gerade die Idee des Monats, aber etwas Besseres fiel anscheinend keinem von ihnen ein.
„Dazu müsstet ihr ein Navigationssystem mitnhemen, damit ihr wisst, wo ihr seid, wenn ihr auf der anderen Seite der Spiegel rauskommt“, meinte Kagami. „Sonst habt ihr doch keine Ahnung, wo ihr gerade seid.“
„Man kann aber keine ...!!“ Keine Gegenstände mitnehmen. Klar, das wussten sie ja alle. Aber ...
„Hey Leute! Das geht!“, rief Noah laut aus. „Ich kann mein iPhone mit in die Spiegelwelt nehmen, ohne dass es dabei kaputt geht. Da ist doch ein Navi dabei!“
Kagami blickte ihn erst mit einem Blick an, der genau deutlich machte, dass er ihm nicht wirklich glaubte. Aber Sora bestätigte was Noah gesagt hatte. Er konnte sein iPhone tatsächlich mitnehmen.
„Was steht eurer Suche dann jetzt noch im Weg?“
„Dass wir sogut wie gar keine Anhaltspunkte haben!“, murrte Sora.
„Ist doch gar nicht wahr! Wir wissen jetzt, dass wir einen Host in L.A. haben. Das ist viel mehr als wir vorher wussten!“, argumentierte Noah. „Wenn wir dem jetzt nicht nachgehen, dann können wir das Ganze doch gleich sein lassen. Das ist jetzt nun mal der einzige Hinweis, en wir haben. Und ich glaube auch nicht, dass wir noch mehr bekommen werden“, fügte er schwergewichtig hinzu.
Sora wusste, dass er Recht hatte. Mehr Hinweise würden sie wirklich nicht finden können. Kagami war kein Hacker, es war schon ein Wunder, dass er überhaupt herausfinden konnte, von wo aus die Seite gehostet wurde. Also kamen sie auch nicht in die Seite hinein. Und sonst konnte auch keiner ihre Freunde hacken ...
Nach Los Angeles gehen war wirklich das Einzige, was sie im Moment tun konnten. Sora wusste auch, dass Noah das auf jeden Fall tun wollte, sonst hätte er sich vermutlich nicht gleich so energisch für Kagamis Idee, dass sie dorthin sollten, eingesetzt. Und alleine konnte sie ihn ja nicht lassen. Abgesehen davon, dass sie das als sein momentaner Guardian nicht tun durfte, wollte sie das auch gar nicht.
Noah strich ihr vorsichtig über den Kopf und Sora blickte sofort auf. „Alles okay?“, fragte Noah. „Woran denkst du denn?“
„An nichts“, antwortete sie knapp. „Nur ... du willst auf jeden Fall jetzt nach L.A. gehen, nicht wahr?“
Noah zuckte erst mit den Schultern, aber dann nickte er. „Ja, das will ich. Das ist der einzige Anhaltspunkt, den wir im Moment haben. Außerdem glaub ich, dass du das eigentlich mindestens genauso willst wie ich. Ich weiß, dass du unbedingt einen Aufseher kennenlernen willst. Das ist vielleicht unsere einzige Möglichkeit. Also, was macht dich so nachdenklich?“
Er hatte ja Recht. Es war ihre einzige Möglichkeit, aber ... Das Problem war einfach, dass sie keinen Weg nach L.A. kannte. Zumindest keinen Weg, der durch die Spiegel führte. Aber wie sollten sie sonst zu dem Host finden? Sie konnten ja wohl kaum die ganze Stadt absuchen und jeden ausfragen. Das ging einfach nicht. Über einen Spiegel hätten sie sicher ganz einfach zu einem Spiegelwanderer in L.A. gelangen können. Aber so... So irrten sie vermutlich nur in Los Angeles herum, ohne jemanden zu finden.
„Hey“, sagte Noah aufbauend und streichelte ihr lieb den Rücken. „Niemand hat gesagt, dass es leicht werden würde. Aber versuchen müssen wir es trotzdem. Und außerdem, aufgeben können wir später immer noch. Oder?“
Sora nickte. Schon wieder hatte Noah Recht. Und sie freute sich darüber. Sie freute sich, dass er bei ihr war. „Also gut.“


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Tag der Veröffentlichung: 21.02.2010

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Widmung:
sorry, dass es etwas gedauert hat, hatte in letzter Zeit wenig Zeit zum Schreiben ...

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