„Man Hannah, kannst du nicht einmal dieses scheiß Ding zu Hause lassen?“ frage ich meine beste Freundin, die neben mir her geht und Fotos unserer Mitschüler macht.
„Das geht nicht Klara! Ich brauche noch ein paar Fotos aus dem Schulalltag!“ sagt sie und ich verdrehe nur die Augen. Als hätte sie davon nicht schon genug.
„Aber wie sieht‘s denn bei dir aus?“ sie guckt mich durch das Objektiv ihrer Kamera an.
„Naja, ich muss nach der Schule direkt zur Arbeit und ich frage ob es möglich wäre mir eine Gehalterhöhung zu geben, da Captain langsam aber sicher neue Hufeisen braucht.“ Captain ist mein Pferd. Es ist komplett schwarz, hat allerdings einen weißen Fleck um ein Auge. „Geben deine Eltern dir nicht mal das Geld dafür?“ Das erste Mal in dieser Pause nimmt Hannah ihre Kamera runter und sieht mich mit ihren blauen Augen an. „Nein. `Vergiss es Klarissa! Wir haben dir gesagt, dass ein Pferd eine Menge Geld kostet! Aber von uns kriegst du gar nichts mehr! ´ Das waren die Worte meines Vaters. Er meinte wenn ich das nicht selber finanziert kriege, wird Captain verkauft!“ „Nein, das tut mir voll Leid Klara! Aber du weißt, dass ich dir notfalls auch Geld leihen könnte, oder?“ sie sieht mich mitleidig an und umarmt mich. „Ja, ich weiß das auch wirklich zu schätzen, aber du sparst doch gerade auf den Fortgeschrittenen-Sommer-Photographie-Kurs nächstes Jahr, dann brauchst du das Geld echt selber, so teuer wie der ist!“ Sie nimmt ihre Kamera wieder hoch und fährt fort mit ihrer Lieblingsaktivität. Hannah könnte so ein guter Stalker sein! Auf einmal erscheint eine dunkle Stimme hinter uns. „Na.“ Hannah grinst und dreht sich um. Als auch ich mich umdrehe darf ich zusehen, wie Hannah und Tyler sich gegenseitig die Zunge in den Hals stecken. „Tyler beweg deinen Arsch hierhin!“ Finn steht etwas weiter hinten und scheint auf Tyler zu warten.
Die beiden lösen sich voneinander. „Bye Babe.“ Dann ist er auch schon weg. Hannah sieht ihm etwas traurig nach. „Seit wann nennt er dich bitte Babe?“ frage ich sie etwas irritiert.
„Seitdem Finn Jay so nennt.“ Man hört, dass sie etwas genervt von der ganzen Sache zu sein scheint.
„Tyler muss Finn doch nicht alles nachmachen, das ist so unnötig!“ sage ich und hoffe, dass ich nicht zu weit gegangen bin, da Hannah das Thema immer ziemlich traurig macht.
„Ich weiß Klara, okay, ich weiß, dass das unnötig ist! Ich weiß doch auch nicht warum er das macht. Er sagt und tut immer genau dasselbe wir Finn. Und vor allem hört er auf ihn als wäre er sein Sklave. Babe ist nur eine Sache. Weißte, kann ja sein, dass Jay das ganz wundervoll findet, wenn Finn sie Babe nennt, aber ich finde, dass passt einfach nicht zu Tyler.“
Als es klingelt drehen wir uns um, um in den Unterricht zu gehen. In dem Moment vibriert mein Handy. Eine Nachricht von Finn.
Nach der Schule bei den Schienen!
„Hast du die Nachricht auch bekommen?“ frage ich Hannah, welche nickt. „Ich kann nach der Schule aber nicht, ich muss zur Arbeit!“ sage ich und fasse mir an die Stirn. Mein Terminplan ist so voll durch die ganze Arbeit. Ich habe einen Nebenjob bei der Bäckerei, einen in der Buchhandlung und wenn sonntags Markt ist, muss ich dort aushelfen. „Kündige doch eine Arbeit. Du arbeitest dich sowieso total kaputt!“ Hannah bleibt stehen und sieht mich besorgt an. „Ich will aber nicht, dass mein Dad mir Captain abnimmt!“ Ich schaue Hannah bewusst nicht in die Augen, da sie einen sehr gut überreden kann. „Du was ist, wenn ich eine Arbeit für dich annehme?“ schlägt sie vor doch ich schüttel nur den Kopf, auch wenn das sehr lieb gemeint ist, halte ich das eher für keine gute Idee.
„Besser nicht. Erstens brauchst du selber Geld und zweitens könnte ich nicht mit dem Gedanken leben, dass du Captain finanzierst!“ Sie nickt nur verständnisvoll und wir gehen in die Schule. Ich habe jetzt Mathe. Leider nicht mit Hannah. Vor dem Raum gehe ich auf Amy und Zoe zu und umarme beide. „Kommt ihr beide nach der Schule zu den Schienen?“ fragt Amy uns. Zoe sieht kurz aus ihrem Buch hoch und nickt. Ich schüttel nur den Kopf. „Ich muss arbeiten.“ Amy nimmt es nickend hin. „Schade. Jay kommt auch. Was ist mit Hannah?“ fragt sie mich. „Die kommt soweit ich weiß.“ Nickend lächelt Amy. Ihre braunen Haare fallen ihr in Locken über die Schulter. Sie trägt ein grünes, ziemlich kurzes Kleid, welches ihr bis kurz über den Arsch geht. „Wie findest du mein Kleid?“ fragt sie und dreht sich lachend. „Sexy. “ Kommt es grinsend von Finn, der sich zu uns stellt und Amy auf den Arsch haut. Diese verdreht nur lachend die Augen. „Mach das bei Jay.“ Sagt sie lachend. „Die ist aber gerade nicht hier.“ Ich schüttel nur den Kopf. Finn ist echt gewöhnungsbedürftig. Von weitem sehe ich Brad auf uns zukommen. „Hey Streber.“ Sagt Finn immer noch grinsend. „Sehr lustig Finn, echt, ich kriege mich nicht mehr ein!“ sagt Brad etwas genervt. „Warum so fröhlich?“ versucht er Brad anzustacheln. „Darum, okay?“
Finn nimmt dies still grinsend hin. „Mach dir nix draus Brad.“ Sage ich leise lächelnd zu ihm. „Nenn mich nicht immer Brad!“ antwortet er lachend. Immerhin lacht er. „Aber mal ehrlich Brad ist viel besser als dein eigentlicher Name!“ sage ich grinsend und er schüttelt nur lachend den Kopf. Bradon. Da finde ich Brad deutlich….DEUTLICH besser!
Als Frau Lammers kommt und aufschließt hängt Finns Blick an ihrem Hinterteil, da sie ziemlich jung für eine Lehrerin ist. In solchen Momenten tut mir Jay, seine Freundin, irgendwie Leid.
Ich betrete den Klassenraum, wie immer, als letztes. Sonst ist mir das immer zu viel Gedrängel. Ich lasse mich in der vorletzten Reihe neben Amy nieder. Zoe sitzt alleine in der ersten Reihe. Sie gehört zu uns und sie ist auch wirklich nett, aber wir finden sie alle ein bisschen komisch. Also sie benimmt sich auf jeden Fall so. Ich packe meine Mathesachen aus und sehe hinüber zu Amy, die einen Modekatalog in den Händen hält. Sie hat darum einfach den Einband des Mathebuches gelegt. Also schlau ist sie ja. „Oh mein Gott guck dir das an Klara! Der Mantel aus der Herbstkollektion sieht so geil aus, den muss ich haben!“ ihre Augen kleben förmlich an dem Katalog. Sie trägt sehr oft richtig teure Sachen, obwohl mir irgendwer mal erzählt hat, dass ihre Eltern geschieden sind und sie alleine mit ihrer Mutter und ihren drei Schwestern lebt. Anscheinend müssen sie SEHR viel Geld haben!
Ich richte meinen Blick wieder auf die Tafel und versuche dem Unterricht zu folgen. So sehr ich auch versuche mich zu konzentrieren, meine Gedanken hängen an Captain. Mein Matheheft ist voller Rechnungen, wie ich Captain die nächsten Monate finanzieren soll. So gut wie alle Rechnungen liegen im Minusbereich.
Nach der Doppelstunde sprinte ich förmlich aus dem Raum und auf den Fahrradhof. Einen Roller, oder ein Auto kann ich mir nicht leisten, da das Geld sowieso schon knapp ist. Zum Glück ist die Buchhandlung, bei der ich in drei Minuten auftauchen muss nicht allzu weit weg, so dass ich es fast jede Woche pünktlich schaffe. Dieses Mal ist es nur eine Minute Verspätung.
„Da bist du ja Klara. Räum deine Tasche bitte nach hinten, wir haben neue Lieferungen bekommen, die du heute einräumen kannst!“ Ich nicke nur und renne schnell in den Mitarbeiterraum, wo ich einen Spind für meine Schulsachen zur Verfügung gestellt bekommen habe. Bevor ich es wegstelle sehe ich noch einmal auf mein Handy. Eine Nachricht mit Anhang von Brad.
Schade, dass du nicht hier bist….
Darunter ein Bild wo Hannah und Brad traurig in die Kamera gucken.
Sofort muss ich grinsen. Ich würde echt gerne etwas mehr Zeit mit ihnen verbringen. Nur das Geld wächst leider nicht auf Bäumen…
„Boah, wo bleibt er denn jetzt.“ Sagt Bradon ungeduldig und sieht auf seine Uhr.
„Muss da jemand nach Hause lernen?“ gibt Tyler mit einem genervten Ton von sich.
„Hey, hör auf so mit Bradon zu reden!“ fährt Hannah ihren Freund an. Ich finde es echt traurig, Tyler ist eigentlich so ein netter Kerl, aber er benimmt sich genauso wie Finn, was meistens schlecht ist.
„‘tschuldigung.“ Murmelt er leise.
„Ja, aber mal ganz ehrlich Bradon hat doch recht! Erst bestellt er uns hier hin und jetzt erscheint er nicht! Ich hab besseres zu tun als hier rum zu sitzen und auf Finn zu warten!“ gebe ich genervt von mir und stehe auf. Ich will gerade zu meinem Motorrad gehen und wegfahren, als ein anderes Motorrad genau vor meinem hält. „Wohin des Wegs?“ fragt Finn mit hochgezogener Augenbraue, als er seinen Helm abnimmt. „Sorry, ich habe nicht ewig Zeit und kann nichts dafür, dass du auf dich warten lässt!“ sage ich im selben Tonfall. „Tut mir Leid Carter, es war meine Schuld, dass wir zu spät sind meine Trainerin hat Überstunden gemacht.“ Sagt Jay mit einem schlechten Gewissen, als auch sie ihren Helm abnimmt und von Finns Motorrad klettert. Seufzend nehme auch ich den Helm ab und gehe mit den beiden wieder zurück zu der alten Eisenbahnschiene, an der wir uns immer treffen.
„So, warum treffen wir uns jetzt?“ fragt Amy gut gelaunt, als Jay sich neben sie auf einen Holzstamm setzt.
„Ich finde es ist Zeit, dass wir mal wieder ne Party starten, und dieses mal bei Amy.“ Sagt er und sieht grinsend zu Amy.
„Bei mir geht’s nicht! Meine Schwestern sind immer zu Hause und überhaupt meine Mum würde mir das nie erlauben!“ sagt sie und wird etwas ruhiger als noch ein paar Minuten zuvor. Aber ich kann sie verstehen, ich war erst zwei oder dreimal bei ihr, so sonderlich groß ist ihr Haus nicht und dazu kommen halt noch ihre Schwestern, was Finn eigentlich genau weiß.
„Ja, aber bei den anderen, außer Zoe, haben wir schon mal gefeiert, ich finde dieses mal bist wirklich du an der Reihe!“ Amy seufzt und sieht ziemlich beunruhigt aus. „Können wir das nicht dieses mal bei mir machen? Dann ist es für Amy nicht so viel Stress!“ Versucht Jay ihre beste Freundin noch irgendwie zu unterstützen. „Das ist echt lieb von dir Jay, aber das klappt schon!“ sagt Amy.
Als nach einer halben Stunde langsam aber sicher alle weg sind halte ich Amy zurück. „Sicher, dass das mit der Party bei dir klar geht? Ansonsten rede ich mal mit Finn, dann machen wir das woanders.“ Schlage ich ihr vor. „Ach quatsch, das geht schon. Nagut eigentlich habe ich keine Ahnung wie ich das schaffen soll! Aber glaub mir ich kenne Finn schon lange, wenn wir das jetzt wo anders machen darf ich in nächster Zeit erst mal drunter leider und mich immer wieder damit aufziehen lassen, darauf habe ich einfach keine Lust.“ Ich nicke nur.
„Dann sag aber wenigstens Bescheid, dann kann ich dir helfen!“
„Klar mache ich. Jay hat das auch schon gesagt, dann können wir das ja zu dritt vorbereiten.“ Sagt sie und lächelt mich dankend an. „Wie dem auch sei, ich muss los…“ sagt sie und setzt schon zum Gehen an. „Warte Amy, ich kann dich fahren!“ sage ich noch schnell und sie dreht sich lachend um. Sie ist immer so fröhlich, egal was ist. „Ich habe aber keinen Helm!“ gibt sie zu bedenken. „Du kriegst meinen!“ sage ich und drücke ihr meinen Helm in die Hand. „Und du? Ist das nicht gefährlich?“ Ich zucke nur die Schultern und Amy klettert lachend hinten drauf und schlingt ihre Arme um mich. „Gut festhalten.“ Sage ich grinsend bevor ich Gas gebe.
Der Weg ist ziemlich kurz, da sie in der Nähe wohnt. Vor ihrem Haus halte ich an und warte, bis sie von meinem Motorrad geklettert ist, bevor ich ihr meinen Helm abnehme und selber aufsetze.
„Viel Dank.“ Sagt sie lächelnd und ich nicke nur. Als sie im Haus verschwindet richte ich meinen Blick wieder auf die Straße und fahre los.
Als ich zu Hause ankomme schiebe ich meinen fahrbaren Untersatz in die Garage und schließe es ab, bevor ich durch die Innentür die Küche meines Hauses betrete.
„Da bist du ja Carter. Gibst du mir mal die Tabletten für Tim?“ seufzend gehe ich zu dem Regal mit den Medikamenten und hole die Tabletten, die er abends kriegt vom Regal. Dann reiche ich sie an meine Mum weiter.
„Danke Schatz. Machst du was zu essen? Dann können wir sofort essen, wenn dein Vater von der Arbeit kommt. Ich mache Tim in der Zeit fertig zum Schlafen.“ Ich nicke nur und öffne unsere Vorratskammer. Mit einem überfliegenden Blick über die Vorräte bleibt er bei den Ravioli hängen. Sie sind nicht schwer zu machen und gehen schnell. Perfekt wenn man Hunger hat!
Ich öffne die Dose und schütte den Inhalt in einen Topf, der danach auf die kochend heiße Herdplatte gestellt wird. Während ich darauf warte, dass das Essen halbwegs warm wird ziehe ich meine Schuhe und meine Jacke aus und bringe sie in den Flur. Dort kommt gerade mein Dad durch die Tür.
„Na mein Sohn. Seit wann bist du schon hier?“ fragt er mich, während er seine Akten Tasche achtlos neben seine Schuhe wirft.
„Seit ungefähr fünf Minuten. Mache gerade Essen.“ Sage ich seufzend.
„Ich mach das schon, geh du in dein Zimmer.“ Er klopft mir auf die Schulter und ich gehe die Treppe hoch. In meinem Zimmer schmeiße ich mich dann aufs Bett.
Zum Glück sieht wenigstens mein Dad ein, dass sie einen zweiten Sohn haben, der auch noch ein Leben hat! Das heißt ja nicht, dass ich etwas gegen meinen Bruder habe, nein, ganz im Gegenteil!
Ich liebe Tim, er ist ja schließlich mein kleiner Bruder!
Nur manchmal nervt es, dass ich auf vieles verzichten muss, nur weil er etwas mehr Aufmerksamkeit und Geld braucht. „Die Medikamente sind teuer! Ganz zu schweigen von den ganzen Pflegemitteln!“ Predigt meine Mum immer, wenn ich sie darum bitte, mir etwas Geld zu geben. Bei einem Unfall vor zwei Jahren sind Mum, Dad und ich eigentlich ganz gut bei weg gekommen, nur für Tim endete er weniger gut. In seinem Gehirn ist damals eine Ader geplatzt, so dass das gesamte Gehirn voll Blut lief und nun ja….es wurde sehr viel Beschädigt. Er redet nicht immer und wenn, dann nur schwer zu verstehen. Gehen oder stehen kann er ebenfalls nicht. Es war schon ein großer Erfolg, als er vor einem Jahr lernte, alleine zu sitzen. Ich liebe meinen Bruder und würde alles für ihn tun, aber manchmal muss ich wegen ihm zurückstecken und das ist halt nicht immer leicht.
Seit dem Unfall vor zwei Jahren war ich nicht mehr der Selbe. Ich habe mich von allen abgewendet und habe meine jetzigen Freunde kennengelernt, von denen ich aber auch häufig Abstand benötige!
„Carter es gibt Essen!“ höre ich die Stimme meines Vaters von unten. Müde zwinge ich mich aus dem Bett und den schweren Weg die Treppe runter, wo ich mich in der Küche auf meinen Stuhl fallen lasse.
„Carter, ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll….“ Fängt mein Dad an und sieht mich mitleidig an.
„Mensch Garrett mach doch kein Theater daraus. Es tut mir leid, aber wir können dein Motorrad nicht zur Werkstadt bringen, da Tims Bett kaputt ist und wir ein neues finanzieren müssen!“
„Bitte was?“ geschockt sehe ich meine Mum an. Das Motorrad mit dem ich zurzeit fahre habe ich von meinem Cousin geliehen bekommen, da meins kaputt ist. Mit meinen Eltern war vereinbart, dass ich es morgen in die Werkstadt bringe, da mein Cousin seins morgen abholt.
„Es tut uns wirklich leid Carter!“ sagt mein Dad und ich weiß genau, dass er es ernst meint.
„Aber das könnt ihr doch nicht machen! Immer dreht sich alles um Tim! Habt ihr eigentlich mal einen kurzen Moment darüber nachgedacht, dass ich auch noch da bin? Und ich LEBE! Ihr ruiniert echt alles!“ sauer schlage ich um mich, wobei mein Teller auf dem Boden landet. Sofort gehe ich auf die Garage zu, wo ich meinen Helm nehme um eine letzte Fahrt mit dem Motorrad zu machen. Jeden Tag ist es dasselbe. Meine Eltern ruinieren mein ganzes Leben!
Tyler hatte sich netter Weise bereit erklärt mich nach Hause zu fahren. Jetzt sitzt er oben auf meinem Bett und ich hole zwei Gläser aus dem Küchenschrank. Aus dem Augenwinkel bemerke ich den Zettel, der mit Magneten am Kühlschrank befestigt ist.
Ich bin im Studio und dein Vater ist heute Morgen nach Hong Kong gefahren. Ich bin wahrscheinlich erst ganz spät zu Hause. Mama.
Ich verdrehe nur die Augen nehme den Zettel ab und schmeiße ihn in den Müll.
Meine Eltern sind nie zu Hause. Mittlerweile ist es nicht neues für mich. Mir ist ihre Abwesenheit nicht mal mehr aufgefallen, weil es Normalität ist. Hong Kong… Gestern Abend kam mein Vater aus Paris wieder und jetzt ist er auf dem Weg nach Hong Kong. Normalerweise ist er immer so für zwei Wochen weg, aber variierend mit dem Auftrag auch schon mal etwas später. Ich nehme die zwei Gläser und eine Flasche Pepsi mit nach oben. Als ich in mein Zimmer komme hat sich Tyler auf meinem Bett breitgemacht und telefoniert. Ich habe eine wage Vermutung mit wem.
„Ich muss auflegen Hannah ist wieder da, bye.“ Dann würgt er die Person am anderen Ende der Leitung ab. Ich setze mich neben den blonden Jungen und gebe ihm sein Glas. „Wer war das?“
„Finn.“ Er stellt das Glas auf meinen Nachttisch, bevor er mir meins abnimmt und daneben stellt. Dann legt er sich wieder aufs Bett und zieht mich zu sich runter. „Schaffst du es auch mal zwei Stunden, ohne mit Finn zu telefonieren?“ murmel ich in sein Shirt, als ich meinen Kopf auf seiner Brust ablege.
„Finn ist mein bester Freund Han, ich sage doch zu dir auch nicht du sollst nichts mehr mit Klara machen, oder?“ fragt er und spielt mit einer meiner Haarsträhnen.
„Das ist etwas völlig anderes! Du machst dich doch schon so gut wie von Finn abhängig!“ sage ich stur. „Reg dich bitte nicht so auf. Wir haben selten mal Zeit für uns alleine, da will ich mich jetzt echt nicht mit dir streiten!“ Als er mir einen Kuss auf die Stirn gibt beruhige ich mich tatsächlich wieder etwas. Irgendwie hat er ja auch Recht.
„Bleibst du diese Nacht hier?“ frage ich ihn, als ich mich wieder zurück auf seine Brust fallen lasse. „Und deine Eltern?“ Das mit meinen Eltern ist so eine Sache. Sie konnten Tyler noch nie wirklich leiden, warum auch immer. „Die sind wieder nicht da.“ Sage ich seufzend.
„Ich finde es ja echt scheiße von deinen Eltern, dass sie nie Zeit für dich haben. Aber etwas Gutes hat es ja…“ sagt er grinsend und beugt sich zu mir, um mich zu küssen.
Der Kuss wird durch mein klingelndes Handy unterbrochen. „Nicht im Ernst.“ Man merkt, dass Tyler leicht genervt ist. „Ich kann doch auch nichts dafür.“ Ich zucke entschuldigend mit den Schultern bevor ich mit dem Handy in der Hand den Raum verlasse. Ich hasse es zu telefonieren, wenn andere Menschen neben mir sind. Schnell hebe ich den Anruf ab.
„Hey Klara.“ Begrüße ich meine beste Freundin am anderen Ende der Leitung.
„Hey. Was machst du gerade?“ fragt sie Hoffnungsvoll.
„Tyler ist bei mir, warum?“ Am anderen Ende ertönt ein Seufzen, „Schade, ich bin grade in der Nähe, weil ich endlich frei habe und wollte mal vorbei schauen.“ Sie klingt ziemlich enttäuscht. Aber ich kann es schon verstehen, wir haben fast nie Zeit, etwas zusammen zu machen, da Klara den ganzen Tag arbeiten muss. „Tut mir echt Leid.“ Sage ich mit einem schlechten Gewissen.
„Ach kein Ding du. Dann gehe ich jetzt in den Stall. Bis wann bleibt Tyler denn? Vielleicht kann ich ja danach vorbei kommen.“ …. „Tyler schläft genau genommen hier.“ „Könnt ihr das nicht wann anders machen Hannah? Wir sehen uns fast nie.“ Sie wirkt noch enttäuschter als zuvor. „Ich weiß nicht…“
„Ist gut, vergiss es.“ Dann legt sie auf. Ich hasse es. Manchmal kann ich mich einfach nicht entscheiden, was ich tun soll. Tyler, oder Klara. Beide sehe ich ziemlich selten. Aber Klara eigentlich noch seltener als Tyler. Man. Ich hasse es echt! Mit gesenktem Kopf betrete ich mein Zimmer.
„Da bist du ja.“ empfängt mich mein Freund fröhlich und öffnet seine Arme. Ich lasse mich sofort reinfallen und liege kurz darauf auf ihm. Als ich meinen Kopf anhebe sieht er mich leicht skeptisch an. „Was ist los?“ fragt er mit beruhigender Stimme und streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht.
„Nun ja…das am Telefon war Klara. Würde es dir was ausmachen, wenn du wann anders hier schläfst?“
„Och Hannah, wir sehen uns doch kaum noch. Du ziehst deine Freunde immer mir vor!“ in seinen Augen liegt Trauer und Wut.
„Das stimmt doch gar nicht Tyler! Aber Klara sehe ich halt außerhalb der Schule so wenig!“ Egal was ich mache, irgendwer ist sauer auf mich.
„Aber wir sehen uns auch kaum, scheint dich ja auch nicht zu interessieren!“ Er schiebt mich von sich runter, steht auf und verschwindet mit seinem Rucksack. Ich lasse mich zurück in mein Kissen fallen und hole mein Handy raus, bevor ich Klara schreibe.
Kannst doch vorbei kommen :) Freu mich:*
Auf eine Antwort muss ich gar nicht warten, dass kurz danach die Klingel ertönt. Ich stehe auf und zwinge mich die knarrenden Holztreppen runter. Als ich die Tür öffne springt mir eine fröhliche Klara entgegen.
„Ist Tyler hier?“ fragt sie und ich schüttel den Kopf. „Nein, er ist gegangen…“ Ich drehe mich um und mache mich auf den Weg in die Küche, wo ich Klara und mir eine Pizza in den Ofen schiebe und mich auf einen Küchenstuhl fallen lasse. „Warum, ich dachte er schläft hier. Habt ihr euch gestritten?“ fragt sie und nimmt sich selbstverständlich ein Glas aus dem Schrank.
„Nein, also doch, halbwegs. Ich habe halt gesagt, dass wir uns wann anders treffen, weil wir so selten Zeit haben etwas zusammen zu machen, und er war halt der Meinung, dass ich euch, ihm immer vorziehe.“ Klara setzt sich neben mich und legt ihren Arm um mich. „Sorry, das war echt nicht meine Absicht.“ „Ist schon gut.“ Sage ich mit einer wegwerfenden Handbewegung.
„Und, wie geht’s Captain?“ frage ich leicht lächelnd.
„Ganz gut, also das Geld wird langsam allerdings knapp. Morgen bei der Arbeit frage ich mal, ob ich nicht vielleicht ein paar Überstunden einlegen könnte.“ Sagt sie und trinkt einen Schluck.
„Frag doch einfach nochmal deinen Dad. Notfalls würde ich dir auch etwas leihen, das weißt du doch!“
„Mein Dad gibt mir kein Geld! Er ist der Meinung Captain wäre Geld Verschwendung. Und nein Hannah, dein Geld will ich auch nicht! Ich schaffe das schon!“ Ich zucke nur mit den Schultern und hole die Pizza aus dem Ofen, bevor ich sie in vier Stücke schneide und auf den Tisch stelle. Nachdem ich ein Stück und Klara die anderen drei gegessen habe gehen wir hoch in mein Zimmer, wo ich sofort meine Kamera raushole. Es wird langsam aber sich Zeit für ein paar neue Bilder.
Nachdem wir fast zwei Stunden damit verbracht hatten Bilder von uns zu machen musste Klara auch schon wieder gehen. Nachdem ich duschen war und meine Sachen für morgen rausgelegt hatte legte auch ich mich ins Bett. Doch bevor ich einschlafen konnte kam noch eine Nachricht in der Whatsapp Gruppe ‚Mädels♥‘ von Amy, Jay, Klara, Zoe und mir.
Amy: Gehen wir morgen shoppen Mädels?;*
Jay: Klar! Also ich komme nach dem Training auf jeden Fall nach!:*
Zoe: Ich weiß nicht….
Jay: Komm schon!
Zoe: Nagut.
Klara: Ich kann nicht, muss arbeiten.
Amy: kannst du das nicht einmal ausfallen lassen?
Klara: Nope.
Hannah: Ich weiß noch nicht. Sehen wir morgen:)
Dann lege ich mein Handy bei Seite und versuche zu schlafen.
„Ihr kriegt jetzt die Matheklausur von letzter Woche wieder.“ Kündigt unsere Lehrerin an.
Ich will sie glaube ich gar nicht erst wieder. Ich konnte für die Arbeit nicht lernen, weil ich Nachhilfe gegeben habe.
„Das kann ja was werden.“ Neben mir versinkt Carter gerade in seinem Stuhl. Als die Arbeiten verteilt werden packe ich sie direkt weg ohne mir die Note anzusehen. „Ne 4! Ich werde immer besser!“ amüsiert über Carters Freude schüttel ich nur den Kopf. Ich wäre mit einer vier auch gerne so glücklich wie er.
„Was hast du?“ fragt er mich, woraufhin ich nur mit den Schultern zucke.
„Dann guck nach, Alter!“ Mit einem schlechten Gefühl schiebe ich ihm meine Klausur zu. Mit gehobenen Augenbrauen sieht er nach und sieht mich strahlend an. „Du hast ne 3! Ist doch mega gut!“ WAS? Ich reiße ihm die Klausur aus der Hand und gucke sofort drüber. Ich habe tatsächlich nur eine drei! Das kann doch nicht sein! Ich gehe noch einmal die Aufgaben durch und überprüfe, ob sich die Lehrerin vielleicht verzählt hat, aber auch das war nicht der Fall. Seufzend packe ich die Klausur weg.
„Was geht denn mit dir? Ne drei ist gut, okay!“ versucht Carter ich zu beruhigen doch ich schüttel nur den Kopf. „Was habt ihr?“ fragt Carter Jay und Hannah, die hinter uns sitzen. „Ich hab eine zwei und Jay eine drei.“ Höre ich Hannahs zufriedene Stimme. Wenn ich ne zwei hätte wäre ich auch glücklicher… Als der Unterricht vorbei ist packe ich meine Sachen extra langsam zusammen und mache mich langsam aber sicher auf den Weg zur Bushaltestelle. Tragischerweise ist der Bus schon weg, als ich dort ankomme, also setze ich mich auf die Bank und muss wohl oder über eine weitere Stunde warten bevor ich nach Hause kann.
„Na Streber, hab gehört du hast nur ne drei geschrieben, wie kommt‘s?“ ertönt hinter mir eine mir nur all zu bekannte Stimme. Ich verdrehe die Augen und antworte genervt: „Das ist doch meine Sache Finn und jetzt hör endlich auf mich immer Streber zu nennen!“ Finn will gerade etwas erwidern, als Jay ihm Jay dazwischen kommt. „Komm jetzt und lass Bradon in Ruhe!“ fährt sie ihn an.
„Warte doch ganz kurz.“ Sagt er bestimmt zu ihr. „Nein, ich warte jetzt nicht! Ich muss zum Training und will gleich noch mit den Mädels shoppen!“ Dann nimmt sie seine Hand und zieht ihn weiter zu seinem Motorrad.
Kurz darauf erscheinen neben mir Carter, Tyler, Hannah, Klara, Amy und Zoe. Zuerst verschwinden Hannah und Tyler. Kurz darauf Carter und Amy, da er ihr angeboten hat, sie wieder mitzunehmen, und Zoe sagte sie würde zu Fuß gehen, da sie eh in der Nähe wohnt. Zurück bleiben noch Klara und ich. „Scheiß Bus!“ sagt sie wütend und lässt sich neben mich auf die Bank fallen. „Auch den Bus verpasst?“ fragt mich das blonde Mädchen. Ich nicke nur. „Ich komme jetzt wegen dem Scheiß eine Stunde zu spät zur Arbeit!“ Sie sieht verzweifelt auf ihre Hände. Sie hatte mir mal von ihrem Pferd erzählt und wie dringend sie das Geld braucht. „Ich würde ja sagen, ich fahre dich, aber das ist leider nicht möglich.“ Sie lacht leise. „Schon gut.“ „Was ist eigentlich mit Hannah und Tyler los? Ich hatte keine Zeit sie zu fragen.“ Frage ich in der Hoffnung, dass sie etwas weiß.
„Sie haben sich gestern gestritten, weil Hannah Tyler weggeschickt hat um etwas Zeit mit mir zu verbringen. Aber er hat sich eigentlich wieder etwas beruhigt.“ Ich nicke nur. Seit dem Tyler so abhängig von Finn ist wird er genauso ein Arsch wie er.
Ich frage mich, wie Jay es immer mit ihm aushält.
Als mein Handy vibriert schrecke ich kurz zusammen, bevor ich es raushole. Eine neue Nachricht in der Whatsapp Gruppe von Finn, Carter, Tyler und mir.
Finn: Lasst mal was starten heute.
Tyler: Ich wollte eigentlich was mit Hannah machen.
Finn: Ey, das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?
Tyler: Nagut…bin dabei.
Will der Typ mich verarschen? Gestern haben die sich noch gestritten, weil Hannah ihm wegen Klara abgesagt hat und jetzt sagt er ihr ab? Durch den muss man echt nicht durchblicken!
Finn: Was is mit euch?
Bradon: Ich kann nicht.
Finn: Warum? Musst du lernen?
Ich verdrehe nur die Augen. Wie lustig er doch mal wieder ist. Auf eine Antwort kann er lange warten.
Carter: Ich bin dabei.
Finn: Gut.
„Und was machst du heute noch?“ fragt Klara und reißt mich aus den Gedanken.
„Wahrscheinlich nichts mehr…“ Das stimmte sogar. „Hast du noch was spezielles nach der Arbeit vor?“ frage ich dann sie. „Nein, eigentlich nicht. Wahrscheinlich schau ich mal bei Captain vorbei.“ Ich nicke nur lächelnd. Den Rest der Stunde unterhielten wir uns über alles Mögliche, bis dann auch schon der Bus kam. Zu Hause atme ich noch einmal tief durch, bevor ich die Haustüre aufschließe und versuche so leise, aber schnell wie möglich in mein Zimmer zu kommen.
„Bradon?“ Verdammt. Langsam drehe ich mich um. Mein Dad steht hinter mir. „Kommst du, deine Mutter hat doch gekocht.“ Nickend schmeiße ich meinen Rucksack auf den Boden neben die Treppe und folge meinem Vater in die Küche.
„Warum kommst du eigentlich jetzt erst?“ Fragt mein Vater, als ich sitze.
„Bus verpasst…“ murmel ich leise zwischen zwei Bissen.
„Habt ihr die Matheklausur heute wieder bekommen?“ Ich nicke nur und schlucke den letzten Bissen runter. „Lass mal sehen.“ Ich hole meine Klausur aus dem Flur und schiebe sie ihm langsam rüber, als ich wieder in der Küche bin. Mein Vater öffnet die Klausur und sofort sehe ich die Wut in seinem Gesicht. „Das ist doch jetzt nicht dein Ernst, oder?“ Wütend steht er auf und schmeißt mir die Klausur vors Gesicht. „Was hat er denn?“ Fragt meine Mum kleinlaut. „Nur eine dämliche drei!“ Mein Vater sieht mich enttäuscht an. Ich stehe auf und will gerade rausgehen, als mein Dad mein Handgelenk festhält. Der Druck wird immer fester. Unheimliche Schmerzen ziehen sich durch meinen Körper. Mit einem Ruck zieht er mich zurück, so dass ich ihn wieder ansehen muss. „Haben wir dir denn gar nichts beigebracht? Warum bist du so dumm? Einsen! EINSEN MEIN FREUND! Was soll denn bitte aus die werden? SO ETWAS SCHLECHTES WIE EINE DREI WILL ICH HIER NICHT MEHR SEHEN! Haben wir uns da verstanden?“ Ich nicke nur. Als ich sehe wie er ausholt schließe ich schnell meine Augen. Einen Moment später spüre ich einen stechenden, noch schlimmeren Schmerz als vorhin. Mein Vater hatte mich geschlagen. Schon wieder. Als er mich loslässt halte ich meine Hand an die Wange. Ich drehe mich um und renne hoch in mein Zimmer. Vor dem Spiegel an meinem Schrank nehme ich langsam die Hand runter. Ein roter Handabdruck verdeckt meine gesamte Wange und es ist ein blauer Krank, der sich an meinem Handgelenk entlang zieht. Ich lege mich aufs Bett und hole mein Handy raus.
An: Klara
Hast du vielleicht Lust, etwas mit mir zu machen, wenn die Arbeit vorbei ist?
Ich muss hier raus. Ich will nicht noch länger mit diesem Menschen in einem Haus sein. Normalerweise lerne ich sofort, nach dem mein Vater mich wieder, auf Grund meiner Noten, geschlagen hat, aber heute habe ich einfach nicht die Nerven dazu.
Als mir gerade die Augen zufallen wollen bekomme ich eine Antwort.
Von: Klara
Klar. Kommst du mich abholen?
Die Arbeit ist schon vorbei? Bei einem Blick auf die Uhr fällt mir auf, dass ich jetzt schon einige Stunden hier liege. Sofort stehe ich auf und verlasse, durch die Terrassentür, das Haus, nachdem ich mir eine Jacke angezogen habe. Ist schon schlimm genug, dass sie meine Wange sieht, dann verstecke ich mein Handgelenk lieber.
Zum Glück muss ich nicht lange auf den Bus warten und bin relativ schnell schon bei ihr. Als sie mich sieht will sie mich gerade umarmen, als sie meine Wange sieht. „Oh mein Gott Brad! Was hast du gemacht?“ besorgt sieht sie sich meine Wange an. „Nichts. Auf die Bettkante gefallen.“ Auf dem Weg hier hin, hatte ich genug Zeit mir etwas auszudenken, und da ich ein relativ guter Lügner war, weiß ich, dass sie es mir glauben würde.
„Du verarschst mich doch!“ sie sieht mich skeptisch an. „Nein. Das war wirklich die Bettkante! Glaubst du ich schlage mich selber, oder was?“ Ich zwinge mir ein kleines Lachen auf, bei dem mich noch einmal mein ganzer Körper mit Schmerzen durchfährt.
„Dann glaube ich dir das jetzt einfach mal! Gehen wir zu Hannah?“ fragt sie und ich nicke nur. Alles ist besser, als zu Hause im Moment.
„Beeil dich aber nach dem Training bitte!“ sage ich zu meiner besten Freundin, als wir gerade aus dem Schulgebäude gehen. „Ja, direkt wenn ich fertig bin nehme ich den Bus, ich denke mal ich komme so eine Stunde später…“ sagt sie während sie irgendetwas auf ihrem Handy rumtippt. „Eine Stunde? Ich soll eine Stunde alleine mit Zoe durch die Stadt laufen?“ frage ich sie geschockt. Klara kann ja leider nicht mit, und Hannah hat auch abgesagt, weshalb nur noch Jay, Zoe und ich fürs shoppen blieben. „So schlimm ist Zoe doch gar nicht Amy!“ sagt sie grinsend. „Ich weiß, aber worüber soll ICH mich denn bitte mit IHR unterhalten? Wir haben völlig andere Interessen!“ Jay fängt nur an zu Lachen. Tolle Hilfe, wirklich tolle Hilfe. „Okay, anderes Thema. Morgen Abend penne ich doch bei dir, oder?“ Jay sieht mich entschuldigend an. „Ach shit, das habe ich ja völlig vergessen. Meine Mum hat mich für eine extra Stunde eingetragen. Also du kannst gerne bei mir schlafen, aber dann kannst du erst ganz spät zu mir.“ Ich verdrehe nur die Augen und nicke. „Oder wir machen das bei dir, dann komme ich einfach nach der Stunde zu dir.“ Fragt sie lächelnd doch ich schüttel schnell den Kopf. Ich hasse es, wenn andere bei mir sind. Jay ist die einzige, die schon einmal bei mir war und mein zu Hause kennt, aber zu oft finde ich, sollte sie nicht zu mir. „Nagut, dann bis gleich.“ Sie drückt mir einen Kuss auf die Wange, bevor sie sich lachend umdreht und auf den Parkplatz der Schule verschwindet, wahrscheinlich nimmt Finn sie wieder mit.
Gerade als Jay weg ist taucht plötzlich Carter hinter mir auf. „Na. Wie geht’s?“ fragt er lächelnd. „Ganz gut, und dir?“ antworte ich. „Auch. Soll ich dich wieder mitnehmen?“. Die letzten Male hat er mich mitgenommen, da es immer eine Ewigkeit dauert, bis die Schulbusse kommen. „Gerne.“ Er nickt grinsend und ich folge ihm zu seinem Motorrad. Eine Straße vor meinem Haus hält er und ich steige von seinem Motorrad ab. „Vielen Dank.“ Da er bereits seinen Helm auf hat werfe ich ihm eine Kusshand zu und warte, bis er weggefahren ist. Immer wenn er mich `nach Hause´ fährt, hält er vor diesem riesigen luxuriösen Haus. Ich sage jedem immer, dass ich hier wohnen würde, dabei gieße ich lediglich die Pflanzen in dem Haus, wenn die Eigentümer gerade irgendwo im Urlaub sind. Seufzend drehe ich mich um und biege in die kleine Gasse ein. Das Haus in dem ich wohne ist sehr sehr klein. Ich teile mir mit einer meiner kleineren Schwestern ein Zimmer und die anderen beiden teilen sich ebenfalls eins. Im Grunde gehen mir meine Geschwister ziemlich auf die Nerven. Als ich die Tür aufschließe steht meine Mum direkt erleichtert im Türrahmen. „Da bist du ja endlich Amy! Kannst du bitte mit Emilia und Josi spielen. Ich muss mich ums Essen kümmern. Ich nicke nur seufzend und schmeiße meine Schultasche in die Ecke. Als ich das Wohnzimmer betrete kommt mir pures Chaos entgegen. Meine 10 jährige Schwester Magdalena sitzt vor dem Fernseher und interessiert sich anscheinend kein bisschen dafür, dass Josi, 4 Jahre, dabei ist Emilias, 2 Jahre, komplettes T-Shirt mit einer scharfen Küchen Schere zu zerschneiden. „Boah Amy mach doch mal was! Emilia schreit die ganze Zeit, ich verstehe kein Wort, was die im Fernsehen sagen!“ keift Magdalena mich an. Schön, dass sie keine anderen Probleme hat.
„Josi, was machst du da? Lass das sofort! Gib mir die Schere!“ sage ich, vielleicht etwas zu aggressiv, zu meiner kleineren Schwester. Dadurch fängt diese ebenfalls an zu schreien und rennt weg, nachdem sie mir die Schere ausgehändigt hat. Ich nehme die kleinste auf den Arm und versuche sie zu beruhigen, während ich mich vor den Fernseher stelle und ihn ausschalte. „Und du Madame, warum machst du nichts, wenn du siehst, dass Josi Emilias Sachen zerschneidet? Erstens könnten die sich verletzten und zweitens haben wir nicht Geld an Überfluss! Willst du Emilia ein neues Shirt kaufen?“ Wenn Blicke töten könnten, dann wäre ich es schon lange. „Kümmert euch doch selber um die scheiß Kinder, ich habe nie darum gebeten, dass sie geboren werden!“ zickt sie rum. „Sag mal hast du sie noch alle? Du gehst JETZT SOFORT, zu Mum und hilfst ihr in der Küche! SOFORT!“ wütend stampft sie weg. Dadurch, dass wir uns gerade gestritten haben weint Emilia jetzt nur noch mehr. „Was machst du überhaupt hier? Es ist Zeit für einen Mittagsschlaf süße!“ Ich gebe meiner kleinen Schwester einen Kuss auf die Stirn, bevor ich in das Zimmer von ihr und Josi, welche schmollend mit ihren Puppen spielt, gehe und ihr ein neues Shirt raussuche. Nachdem ich sie umgezogen habe lege ich sie schlafen. Als ich die Küche betrete sehe ich, dass Mum und Magdalena fast mit dem Essen fertig sind. „Was machen die anderen beiden?“ fragt Mum sofort. „Josi spielt schmollend mit ihren Puppen und Emilia schläft. Achja, Josi hat Emilias Shirt zerschnitten, während Magdalena vor dem Fernseher saß und das alles schön ignoriert hat. Wie dem auch sei, viel Spaß beim Essen, ich bin shoppen!“ sage ich noch schnell und will gerade in mein Zimmer gehen, als meine Mum mich zurück hält. „Achja? Und von welchem Geld?“ fragt sie sauer. „Geht dich nichts an! Kümmer du dich lieber besser um deine Kinder, anstatt dich in mein Leben einzumischen!“ sage ich wütend, bevor ich nun wirklich hoch in mein Zimmer gehe. Ich wühle in meinem Kleiderschrank rum, bis ich etwas gefunden habe, was ich jetzt anziehen kann. Meine braunen Locken lasse ich mir über die Schultern fallen und ziehe eine Mütze auf. Dann trage ich ein kurzes Batman-Oberteil mit einer dunkel blauen skinny Jeans. Make up erneuern, und perfekt. Ich nehme meine Tasche vom Bett und verlasse mit dem lauten Knall der Türe das Haus.
Der Bus ist sofort da, weshalb ich nicht mal mehr warten muss. Ein paar Stationen danach steigt auch schon Zoe dazu. „Hi.“ Sagt sie lächelnd und setzt sich neben mir. „Hey.“ Lächel ich. Ich habe absolut keine Ahnung worüber ich mit ihr reden sollte….
„Jay meinte, dass sie später kommt…hast du eine Ahnung, wann das ist?“ fragt sie und ich nicke nur. „Sie meinte eben eine Stunde später ungefähr.“ Antworte ich und dieses Mal nickt Zoe. Das kann ja was werden… Gesprächsthemen…Mode? Ich glaube nicht, dass Zoe so viel Interesse daran hat. Was könnte sie denn für Interessen haben? Vielleicht Bücher….Die einzigen Bücher die ich je gelesen habe waren Schulbücher, darüber unterhält man sich bestimmt nicht. Ich hole mein Handy hervor und schreibe Jay bei Whatsapp.
Amy: HILFE! Worüber könnte ich mit Zoe reden? Es herrscht so eine bedrückende Stimmung.
Jay: Mhm….frag sie, ob sie schon Klausuren geschrieben hat, oder so… Ich komme übrigens doch schon was früher, weil Finn mich gleich abholt und in die Stadt fährt.:):*
Amy: Vielen Dank, ich versuchs:D Jaaaaa, dann bis gleich*-* :*
„Und, hast du schon Klausuren geschrieben?“ frage ich Zoe dann lächelnd, welche nickt.
„Ja, ein paar, und du?“ ich nicke ebenfalls. Das hat ja jetzt lange gehalten.
„Jay hat mir übrigens gerade geschrieben, dass sie etwas früher kommt.“ Informiere ich sie. Auch Zoe scheint ziemlich glücklich darüber zu sein. Ich kann mich mit jeden unterhalten, nur bei Zoe bin ich schnell überfordert damit, weil sie einfach das völlige Gegenteil von mir ist, weshalb ich immer sehr froh bin, wenn wenigstens eine von den anderen noch dabei ist.
In der Stadt angekommen gehen wir zuerst zu Starbucks, wo sich Zoe einen Caramel Latte holt. Ich verzichte, offiziell, wegen den Kalorien, inoffizielle, wegen fehlendem Geld.
Dann bekomme ich auch schon einen Anruf von Jay, dass sie in der Stadt ist. Sofort machen wir uns auf den Weg zu Hollister, wo wir sie treffen. Sie umarmt uns beide und lächelt. „Dann wollen wir mal shoppen gehen, oder?“ sagt sie grinsend und hackt sich bei uns ein, bevor wir zu dritt Hollister betreten. Wir durchkämpfen zu dritt den gesamten Laden. Als wir einmal durch sind habe ich auch einiges gefunden. Am meisten will ich diesen Pullover haben. Es ist ein pinker Strickpulli, welcher ziemlich kurz ist und bei dem die Arme bis kurz über die Ellenbogen gehen. Ich nehme mir nach zwei Tops und drei Hosen mit zu den Umkleiden. In der Umkleide probiere ich den Pulli an und verliebe mich von Sekunde zu Sekunde mehr in diesen Pulli. Schnell verstaue ich den Pulli in meiner Tasche und lege die ganzen anderen Sachen, die ich zur Tarnung mitgenommen habe, über die Tasche drüber. „Mädels, ich gehe bezahlen und dann treffen wir uns draußen, oder?“ sage ich noch schnell, bevor ich die Tops und Hosen zurücklege und dann schnell den Laden verlasse. Als ich draußen angekommen bin durch fährt mich Erleichterung. Jedes Mal, wenn ich etwas mitnehme bekommt man so einen Adrenalinschub, der, neben den Klamotten, das Beste an der Sache ist. Kurz darauf kommen auch Jay und Zoe raus. „Hast du dir was gekauft?“ fragt mich meine beste Freundin fröhlich und ich nicke, bevor ich ihr den Pulli zeige. „Der ist echt schön, wo ist die Tüte?“ fragt Zoe und ich werde etwas nervös. Normalerweise fragt das nie einer. „Ehm…ich habe ihnen gesagt, dass ich keine brauche.“ Zoe gibt sich mit dieser Antwort zufrieden, während Jay mich skeptisch ansieht und den Kopf schüttelt. Sie hasst es immer, wenn ich stehle.
Bildmaterialien: By meeee:)
Tag der Veröffentlichung: 29.09.2013
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Ich widme dieses Buch Anne, Am, Kris und Hannah:)♥