Kapitel 1
Mein Blick schweifte noch einmal durch das Zimmer, um sicher zu gehen, dass er jetzt auch wirklich weg war. Meine Gedanken bildeten ein undurchlässiges Netzt, so dass ich nicht mehr gescheit denken konnte. Als ich mir sicher war, dass er verschwunden war, ging ich in Richtung Bad und schloss die Tür hinter mir ab. Ich knipste das Licht an und zog den Pelzhut von meinem Kopf. Schnell ließ ich meine Schulterlangen Haare nach rechts gleiten, um das Kreuz hinter meinem Ohr betrachten zu können.
Ich schaute vor mir in den großen Wandspiegel und betrachtete den Punkt, der schon fast einen unmöglich erkennbares Kreuz bildete, im Spiegel. Er war schwarz, doch hatte auch kleine Spur von einem eisblauen Ton.
War das das Zeichen des Dämons?
≫Das ist unmöglich!≪, stotterte ich.
Mit meinen Fingern berührte ich meine schrumpelige, alte Haut und stellte zum bewundern fest, dass sie straffer wurde und sich glättete. Meine Augen hellten sich zu einem grell eisblauen Farbton auf. Meine Haare wurden wieder schwarz und fielen länger als zuvor, über meine Brust bis zum Unterarm - Sie hatten wieder den Glanz von früher. Meine Lippen wurden voller und röter. Dort, wo eben noch die Narben an meinem Arm gewesen waren, breitete sich jetzt blasse und glatte Haut aus. Meine Kleider waren wahrscheinlich ein wenig komisch für eine 17 Jährige. Es war ein etwas weiteres Rüschenkleid mit einem Pelzgurt um die Hüfte. Es passte mir nicht mehr ganz, denn es fiel weit an meiner Taille vorbei. Neugierig schaute ich an meinem Körper runter und erkundigte ihn von oben bis unten. Meine Brüste waren größer geworden und drohten aus dem V-Ausschnitt zu fallen. Ich kam mir schöner vor, als ich mich in meiner Jugend in Erinnerung hatte.
Ich gab mir einen Ruck, schloss die Badetür wieder auf, ging in Richtung Keller und öffnete da die etwas eingerostete Tür. Sie quietschte stark und war schwer an die Schnur des Hacken in der Wand zu bekommen. Ich sauste zu der vorletzten Tür und stieß sie auf. In diesem Raum war ein Schrank mit allen Klamotten aus meiner Jugend.
Auch Schuhe füllten den Schrank. Von High Heels bis zu Boots von Manolo Blahnik. Meine Taschen waren meine wertvollsten Schätze. Wie die stylische Marke Desigual oder die teure Marke Prada.
Schnell riss ich mir eine alte S.Oliver Hose raus mit einem Tom Tailor T-Shirt und einem Paar weicher Socken. Ich entschied mich für die Manolo Blahnik Wanderboots und machte mich auf den Weg zur Tür. Ich schnappte mir eine Jacke von Yves Saint Laurent und marschierte nach draußen in den Schnee.
Ich suchte mir einen Platz zum Nachdenken. Ich entschied mich für Café ‘Noir‘ im mittleren Stadtteil. Es war sehr voll und ich musste etwas warten um einen Tisch zu bekommen. Als ich endlich saß, überdachte ich die ganze Situation von den letzte 3 Stunden noch einmal.
Eric war gestorben. James, ein Dämon hatte mich getroffen und mir angeboten sein Leben gegen andere zu tauschen. Jetzt saß ich hier - Jung, schlank und wie neu geboren.
Ich bestellte mir einen starken Kaffee, um besser nachdenken zu können. Er kam schnell und mit viele Sahne und einem Päckchen Zucker. Der kleine Gruß des Café‘s war ein kleiner, mit Zuckerguss verzierten Zimtstern.
Langsam schlürfte ich den noch starken Kaffee. Er schmeckte vorzüglich, so, wie ich ihn von Eric gewohnt war. Als ich jedoch an Eric dachte, stiegen mir erneut die Tränen in die Augen. zwei Tränen kullerten von meiner Wage, gefolgt von weiteren.
Diesmal erschrak ich nicht mehr so, als James wie aus dem Nichts vor mir auftauchte und sich auf den Stuhl vor mir setzte.
Schnell nahm ich meinen Handrücken und wischte mir die Tränen fort.
≫Ich habe mit dir zu reden.≪
Auch jetzt klang seine Stimme, wie bei unserer letzten Begegnung - Eisig und kalt.
≫James, wie soll ich denn einen Menschen umbringen?≪ Das Wort ‘umbringen‘ betonte ich extra stark um ihn zu sagen, wo mein Problem lag.
≫Cloë, Liebes. Das ist ganz dir überlassen. Jedoch musst du - und das ist eigentlich logisch - es schlicht ohne große Aufmerksamkeit machen. Wie du weißt gibt es die Jäger.≪
≫Jaja. Ich weiß was es mit den Jägern auf sich hat. Jedoch ist das meine kleinste Sorge...≪
≫Nein, Cloë. Eben das ist unsere größte Sorge. Du kannst nicht einfach so tuen, als seien sie nicht da.≪
≫Das hatte ich nicht vor, aber...≪ Seine Stimme wurde lauter und unterbrach mich ein zweites Mal:
≫Merkst du nicht, dass sie sie auf dich hetzen werden?!≪ James Stimme wurde energisch und bebte, Angst umschweifte ihn.
≫Ich weiß, dass sie auf mich losgehen werden, doch wie...≪
≫Cloë, du verstehst meine Sorge nicht. Du bist in großer Gefahr und du könntest sterben, so leichtsinnig wie du bist.≪
≫Bitte James. Können sie mich ausreden lassen? Ich habe keine Angst zu sterben, jedoch möchte ich nicht irgendwelche Menschen umbringen, die mir nichts getan haben.≪
≫Lasse keinen Fänger an dich ran!≪
Das waren seine letzten Worte, er stand auf und ging aus dem Café hinaus auf die Straße. Ich wollte ihn noch etwas wichtiges fragen. Deshalb legte ich das Geld für den zu bezahlenden Kaffee auf den Tisch und folgte ihm raus in die Kälte.
Jedoch als ich ankam, war James nicht mehr da.
≫James, wie soll ich sie denn jetzt töten?≪ Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
Eine plötzliche Stromwelle traf mich und ich fiel zu Boden. Ich krümmte mich, um den Schmerz zu lindern, doch der Angreifer ließ nicht locker.
≫Was zum Teufel willst du von mir?≪, schrie ich aus Leib und Seele.
≫Hör auf! Fang gar nicht erst an!≪
Die Stimme bohrte sich in mein Herz und ließ es schneller schlagen.
≫Nimm seine Seele! Nicht die der Unschuldigen!≪
Auch jetzt konnte ich noch den Schmerz wahrnehmen, wenn er auch nur eine Silbe aussprach. Seine Stimme war ebenfalls kalt und hart, aber James konnte es nicht sein, da er mich beim Namen nannte - er nicht.
≫Wer bist du?≪
Ein lautes Lachen war zu hören, welches aber gleich auch wieder verschwand.
≫Zeig dich!≪
Mittlerweile hatte ich mich aus den unsichtbaren Fesseln befreit und konnte mich wieder aufstellen. Ich konnte nichts mehr hören. Seine Stimme war verstummt.
≫Zu schade auch, dass ich dich noch nicht einmal beim Namen kenne du Dreckskerl!≪
Ich sagte es extra laut, weil ich wollte, dass er es hörte. Ich war immer noch sauer.
Also Cloë, Gedanken ordnen: Ich habe mich mit James getroffen, welcher mir gesagt hat: Sei vorsichtig mit den Fängern und Jäger…
Bei dem Wort zuckte ich buchstäblich zusammen.
Fänger und Jäger! Was wenn sie es waren? Wenn sie mir eine „Gehirnwäsche“ unterzogen haben?
Mein Herzschlag wurde schneller.
Hatte James recht? Hatten sie es auf mich abgesehen?
Ich taumelte zu der Rechten Wand von dem Café und stützte mich, um nicht mit voller Wucht zu Boden zu knallen.
James!
Ich fasste mir mit meiner leicht blutenden Hand an das Kreuz hinter meinem Ohr.
Ich wartete, doch nichts geschah.
Warum kam er nicht? Hatte er nicht gesagt er würde dann kommen?
Wenn er nicht kommen würde, musste ich eben gehen. Ich würde ihn nicht finden, aber das war mir egal. Ich musste einfach nur weg und etwas ‘Normales‘ machen. Ich entschied mich für eine Schoppingtour. Das hatte ich so lange nicht mehr gemacht. Wenn ich jetzt wieder jung war, dann konnte das nicht schaden. Ich wollte einfach nur den Blicken meines heimlichen ‘Beobachters‘ entkommen. Erst, als ich aus dem Luftfang des Café‘s kam, merkte ich, dass ich tierisch schwitzte. Mein erster Gedanke: Trinken!
Ich kam bei einer Softdrink Bude an, dort fiel mir auf, dass mich schon die ganze Zeit jemand verfolgt hatte.
Na dann wollen wir male sehen, ob du Mister X bist.
Ich legte die 1.50€ in die Schale für das Geld und nahm mir die Cola. Ich hätte aufschreien können, so kalt war die Cola, als ich mit meiner Zunge vorsichtig daran nippte. Jedoch beim Gedanken an den Mann, der mich verfolgte, sauste die Kälte davon und ich konzentrierte mich wieder voll und ganz auf ihn.
Als ich mir sicher war, dass er nur ein paar Millimeter von ihm entfernt war, drehte ich mich schwungvoll um und kippte ihm das Getränk über das Jackett.
≫Es tut mir so leid.≪, entschuldigte ich mich, wobei ich mir das Grinsen nicht verkneifen konnte.
≫Warum lachen Sie?≪ Er schien - Bei dem Wetter eine Cola über das feine Jackett zu bekommen - nicht sehr angenehm darauf zu reagieren.
Wollte er jetzt echt die „Hab keine Ahnung von was du sprichst“ Nummer machen?
≫Als ob sie das nicht wüsten!≪
Ich schaute auf, legte meinen Fuß unter seine Kniebeuge und schleuderte ihn auf den Asphalt.
Schnell zog ich mein Bein wieder an mich ran und schaute an mir herunter. Oh mein Gott! Ich hatte ihn gerade mit enormer Kraft zu Boden gedrückt!
Ich holte das Messer raus, welches ich immer dabei hatte, falls mir, man konnte ja nie wissen, jemand an die Wäsche oder sonst was wollte. Schnell blockierte ich jede Arm- oder Beinbeweglichkeit des Mannes und drückte ihm das Messer an die Kehle.
≫Wer sind S...≪
Als ich sein Gesicht sah erschrak ich.
≫James!≪
Ich war stink sauer.
Was wollte er hier? Wollte er meinen Bodygard spielen? Wenn ja hatte er doch gerade gesehen, dass das nicht nötig war.
≫Warum verfolgst du mich?≪ Meine Stimme bebte vor Wut und ich konnte mich gar nicht mehr beruhigen.
Jetzt fing er auch noch an zu lachen.
≫Mann, James. Ich hätte dich gerade töten können! Was ist daran so lustig?≪
Er streichelte mit seiner Hand meine Wange, doch ich entzog ihm mein Gesicht.
≫Das ist nicht witzig!≪
Schwungvoll und schnell stand er auf und zog mich mit sich.
≫Ich weiß.≪
Unsere Körper waren jetzt ganz nah an einander und meiner passte sich seiner Form an.
≫James...≪
≫Was?≪ Sein Gesichtsausdruck war mitfühlend und und sanft, wie bei unserer ersten Begegnung.
≫Ich...≪ Ich wollte nicht zugeben, dass es mir so nah bei ihm zu sein etwas ausmachte, also suchte ich eine Ausrede.
≫...vorhin hat mir jemand etwas durch den Kopf geschickt. Er hat mich verfolgt. Dachte ich zumindest. Aber als ich dann reagiert habe warst du da.≪ Dabei stieß ich mich ein Stück weit von ihm weg.
Konzentriert schaute er in die Luft. Sein Blick war glasig und leer.
≫Ich bin gekommen, weil du mich gerufen hast.≪
≫Ja, aber warst du schon die ganze Zeit bei mir? Denn jemand hat mir befohlen...≪
Bei dem Gedanken musste ich schlucken. Ich holte tief Luft.
≫...er hat mir befohlen dich zu töten.≪
Man merkte die Unruhe in seiner Stimme und auch in seinem Gesicht.
≫Wenn du deshalb hier bist und mich gerufen hast...≪
Ich schüttelte den Kopf.
≫Schon vergessen warum ich hier bin? Ich möchte nicht ohne Eric leben. Ich will ihn zurück. Mein Leben ist das seines Wert.≪
≫Nun denn...≪
Ich löste mich aus meiner Position und lief zum Mülleimer neben der Softdrink Bude, um den Becher wegzuwerfen. Schließlich ging ich wieder zurück und bat James mit mir zukommen, damit nicht noch einmal so eine Verwechslung stattfand. Doch wie auch letztens - er war schon weg. Ich wusste, dass er bei mir zu hause war.
≫Klar, James. Bedien dich einfach mal so an meinen Sachen.≪
Als ich wieder zu hause war, erwischte ich James beim Bedienen meiner frisch gebackenen Kekse. Ich konnte mir die Frage einfach nicht verkneifen:
≫Essen Dämonen eigentlich?≪
Er schmunzelte über meine Frage, wurde aber sofort wieder ernst.
≫Es gibt zwei Arten. Manche essen gar nichts - so wie ich - aber manche essen auch Fleisch oder Blut - wie man‘s sieht. Wie unsere kleinen Freunde da draußen. Jedoch als ich eben deine Kekse gegessen habe, welche allerdings nicht so gut gelungen sind - ein wenig krümelig, da…≪
≫Kekse sind krümelig!≪, nahm ich James das Wort.
≫Wie dem auch sei. Als ich deine Kekse gegessen habe, wollte ich dich einfach nur ärgern.≪
Er hatte versucht lustig zu klingen, jedoch fand ich, dass er meine Keksdose geplündert hatte, obwohl er eigentlich nichts aß, nicht so prickelnd.
≫Normaler Weise backe ich nur eine Runde Kekse, aber da du dran warst, möchte ich dich jetzt was fragen: Möchtest du, dass ich noch eine Runde Kekse backe, damit du wieder mal aus Spaß bedienen kannst?≪
Er machte wie ein kleines Kind große Augen und stimmte zu. Es sagte, er habe noch nie Kekse gebacken, noch nicht einmal in seinem ‘menschlichen‘ Leben.
≫Bedauere...ich bin da keine so große Hilfe.≪
Ein Lächeln überspielte seinen Mund und er hatte Probleme sich im Zaum zu halten.
Wie gesagt, so getan.
Wir backten wirklich Kekse, doch nicht so viele wie vorgehabt.
≫Also jetzt weißt du wie Kekse gebacken werden und kannst sie demnächst wenn du mal wieder Lust hast welche zu essen, dir selbst welche backen oder auch die gebackenen essen. Wie du willst. Außerdem...≪
Mit seiner Hand hielt er mir den Mund zu.
≫Psssst...Ich habe da was gehört.≪
Blitzschnell schmiss er mich auf den Boden und rannte in Richtung Tür, wo er den Mann, welcher mich verfolgt hatte mitnahm und seinen Kopf auf die Tischkante haute, so, dass er bewusstlos wurde. Auch mir schmiss jemand irgendwas auf den Kopf, denn ich wurde zur selben Zeit, wie mein Angreifer es wurde, bewusstlos. Dachte ich zumindest.
Kapitel 2
Grelles Licht blendete mich und ich wachte auf.
Wo war ich?
Meine Hände tasteten am Rand des Bettes entlang und schweiften eine warme Hand. Blinzelnd versuchte ich die Person zuzuordnen.
≫Ne, lass mich noch schlafen.≪
Ich wendete mich und drehte der Person den Rücken zu. Schnell schloss ich wieder die Augen und versuchte vergebens weiter zu schlafen.
≫Gut gut gut. Ich hatte vergessen, dass Menschen Schlaf brauchen.≪
Ein dumpfes Lachen war zu hören und die Person bewegte sich wieder mit großen, schweren Schritten weg.
Ich schnurrte wie ein kleines Kätzchen vor mich hin und rieb meine Füße an der Matratze.
Halt! Das ist nicht Eric! Auch nicht James!
Blitzschnell schlug ich die Augen auf und schob die Bettdecke weg. Eric war tot - fiel mir wieder ein.
≫O mein Gott, o mein Gott….≪, flüsterte ich vor mich hin, ≫Wer ist die Person?≪
Wollte er mich foltern? Ein schrecklicher Gedanke.
Ich durchsuchte alles in meinem Schlafzimmer - Nichts. Er musste in der Küche sein. Nur von dort konnte man das Schlafzimmer sehen. Ein Schauer lief mir über den Rücken.
Bloß - Wofür brauchte er mich?
Ich schlüpfte in die Pantoffeln neben mir und stand auf. Meine Schritte bewegten sich in Richtung Küche und ich steckte mir ein Messer, welches auf meiner Kommode lag, ein und lief weiter.
Als ich die Küche erreichte hatte sah ich ihn. Er hatte grell blonde Haare und dazu ebenfalls eisblaue Augen. Es war ein Wunder, dass ich mich so nah an ihn ran traute.
≫Darf ich fragen wie sie heißen?≪, sagte ich und ich musste sagen, dass ich mich ziemlich stark fühlte.
≫Ich bin Riley.≪
Er sagte es etwas leise und seine Stimme war rau und dunkel.
≫Riley≪,ich sprach seinen Namen extra oberflächlich und langsam aus und fuhr fort,≫Warum bin ich hier?≪
Diese Antwort kam abrupt und schnell.
≫Cloë, wie sie wahrscheinlich schon wissen, bin ich ebenfalls ein Dämon, wie dein kleiner Freund - James. Leider muss ich ihnen mitteilen, dass er schon viele Regeln gebrochen hat und deshalb auf unserer Liste steht. James kann ihnen ihren Mann Eric nicht zurück holen. Denn erstens: steht ihm das nicht zu. Und zweitens: möchte er nur...mhhhh…du weist schon. Dich. Er verliebt sich in jede Frau und alle fallen darauf rein. Doch du, Cloë≪, er streichelte meine Wange,≫bist noch nicht reingefallen und da bin ich zu dir gekommen, in der Hoffnung du könntest ihn aufhalten.≪
Nach dieser langen Rede schüttelte ich den Kopf.
≫Schau!≪
Ich drehte meinen Kopf zur Seite und ließ meinen Hals frei.
≫Ich habe nur noch wenig Zeit!≪, schrie ich nun mit Tränen in den Augen.
Ich hatte keinen Plan, warum ich Riley plötzlich vertraute.
≫Nicht doch, Cloë. Das ist kein Grund zum Weinen.≪
Er wischte mir die Tränen von den Wangen und streichelte mir übers Haar.
Warum ließ ich mir das gefallen?
≫Riley, ich bin nicht hier um James zu töten, weder sie möchte ich töten. Ich möchte mich da nicht einmischen. Ich will nur meinen Mann zurück.≪
Wieder kullerten einige Tränen meine Wange hinunter. Doch diese Mal machte sich Riley nicht die Mühe sie wegzuwischen.
≫Sie müssen verstehen, Cloë. Ich will ihnen einen Vorschlag machen - sie töten James und ich lasse sie am Leben.≪
Sein Kompromiss war nicht gerade sehr einleuchtend.
≫Und wer gibt mir dann meinen Mann zurück?≪, fragte ich mit unsicherer Stimme.
≫Also James ist dafür nicht geeignet, denn er hat dich belogen. Ich könnte ihn dir natürlich wieder geben.≪
≫Und das machen sie einfach so?≪
Ich war mir da nicht so ganz sicher. Aber würde ich diese Angebot ablehnen, dann wäre ich in null Komma nichts tot.
≫Aber gern doch.≪Seine Stimme klang nicht so fest und sicher wie eben noch.
Er schüttelte den Kopf, ≫Sie haben Zweifel. Nicht wahr, Cloë? Dass ich ihnen ihren Mann nicht wieder zurück geben kann. Wie hat James das gemacht, dass er dir vertraut hat?≪
Jetzt musste ich perfekt lügen. Aber was?
≫James hat mir erlaubt, mir zu beweisen, dass er ein Dämon ist.≪
Jetzt klang meine Stimme piepsig im Gegensatz zu seiner: ≫Was hat er dich machen lassen?≪
Er umkreiste mich und blieb wieder vor mir stehen.
Schnell holte ich das Messer heraus und hielt es fest in meiner rechten Hand.
≫Oh oh oh oh….Lass uns nichts überstürzen.≪
Er hob die Hände zum Schutz vor seine Brust.
≫Siehst du! Du kannst mir meinen Mann nicht wieder zurück geben, da du kein Dämon bist!≪
≫Doch, Cloë. Es ist nur so, du kannst einen Dämon nur töten, wenn du ihm das Herz brichst. Wortwörtlich!≪
Verdutzt starrte ich ihn an.
≫Hat dir das James nicht gesagt?≪
Nein, das hatte er nicht.
Wie aus meinen Gedanken gefischt schüttelte Riley den Kopf und zitierte:
≫Nein, nein, Cloë. Er hat es dir nicht gesagt?≪
Jetzt schüttelte ich den Kopf.
Warum hatte James geschwiegen? Hatte er gedacht ich könnte ihm das Herz brechen?
≫Du kennst also auch die alten Sagen nicht?≪
Wieder musste ich den Kopf schütteln.
≫Ich erzähle es dir mal.≪
Er nahm mich an der Hand, wie ein kleines Kindergartenkind und wir setzten uns gegenüber in die zwei Sessel.
≫Also der Erste unseres Eigenen hieß Nauré. Er war ein sehr starker Dämon. Niemand, und ich unterstreiche niemand, konnte ihn besiegen. Damals konnte man einen Dämon wie einen normalen Menschen auch töten - indem man ihm einen Dolch ins Herz rammte, oder auch an zu viel Blutverlust starb. Und da ihn niemand töten konnte, hat die Natur beschlossen ihn nicht so unsterblich zu machen, so dass auch normale Menschen ihn töten konnten.≪
Eine Frage brannte auf meiner Zunge.
War er dann besiegt worden?
Ich traute mich nicht nachzufragen.
≫Ja na klar war er besiegt worden. Eine junge Frau - wie du - namens Sylia hatte sich in ihn verliebt, jedoch er nicht. Sie war so verzweifelt, ohne ihn zu leben und beschloss ihm ihr Leben zu opfern.≪
Ich hielt die Luft an.
Wie konnte sie ihr Leben opfern? Wobei. Das machte ich doch auch gerade!?!
Riley fuhr fort: ≫Als er sie umgebracht hatte, fiel ihm auf, dass er sie immer schon geliebt hatte und er zerfiel zu Asche, denn sie hatte ihm das Herz gebrochen.≪
≫Abgemacht!≪
Ich wusste nicht was ich da gerade gesagt hatte.
Was? Abgemacht?
Nachher würde ich mir mit einem festen Gegenstand gegen den Kopf hauen.
Riley schüttelte mir die Hand und ich fragte mich warum ich eigentlich zugesagt hatte.
≫Ich hatte gedacht du sagst es nie mehr. Jedoch bin ich verdutzt, dass du es so schnell gesagt hast. Kann ich mich auf dich verlassen, Cloë?≪
Ich nickte verdutzt.
Stop, stop, stop! Wo hatte ich gerade zugestimmt? Ihn zu töten!?! Warum?
≫Ich hatte gedacht diese Geschichte könnte meine vervollständigen!≪, flüsterte ich mit eigener Bewunderung über meine Antwort. Eine Frage interessierte mich aber noch brennend:
≫Wo ist James?≪
≫Nicht so voreilig. Er hat dich hier schutzlos zurück gelassen. Aber bedenke - töte ihn nicht gleich, dass würde für mich gar keinen Spaß bedeuten.≪
Ein schmutziges Grinsen entfuhr ihm und ich grinste zurück.
≫Ich freue mich schon, wenn wir uns wieder sehen.≪, waren seine letzten Worte und mit einem Mal war er verschwunden.
Ich könnte schwören seine Gegenwart noch zu fühlen, doch auch als ich alles noch mal durchsuchte fand ich ihn nicht.
Wo war denn jetzt James? Ich brauchte ihn!
Ein Seufzer entfuhr mir und ich ließ mich in den Sessel zurück fallen. Jetzt musste ich mich umziehen. Ich wusste auch schon was. Außerdem bauchte ich einen Drink!
Ich entschied mich für die `Paradise Club` in der Innenstadt.
Mit meinem kleinen Käfer war ich in zehn Minuten da. Von drinnen dröhnte laute Musik bis draußen.
≫Na dann lassen wir`s mal richtig abgehen!≪
Entschlossen schritt ich in den Club rein und ging schnurstracks zur Bar.
≫Gin, bitte.≪
Er wollte mir ein kleines Glas geben, doch ich verlangte die ganze Flasche.
≫Wirklich die ganze Flasche?≪
Ich nickte, um nicht noch meine Antwort zurück zu nehmen. Der Barverkäufer stellte die Flasche auf den Tisch und nahm die nächste Bestellung auf.
Ich atmete tief ein, ging auf mein erstes Opfer zu und tat so, als sei ich betrunken.
Kapitel 3
≫Ey du da!≪
Ich grinste und zeigte auf ihn. Er hatte gold-blondes Haar und braune Augen. Seine Haut war dunkel.
Er grinste zurück.
Boom! Volltreffer!
Mit meiner Hand machte ich eine Handbewegung zu mir. Er reagierte besser als erwartet und nahm gleich seine Freunde mit.
Ein Glück, dass ich mir mein ockerfarbenes Cocktailkleid angezogen hatte. Ich fand es so schon sehr kurz und im Moment hatte es auch noch Hochwasser.
Normale Menschen in meinem jetzigem Alter würden sagen: Was für eine dumme Anmache! Doch wir waren ja keines Falls normal.
Sie waren betrunken - hoffte ich zumindest.
Ich war vielleicht halb Dämon.
≫Wie heißt´n du?≪, wollte er wissen.
≫Amelie≪, antwortete ich um nicht zu große Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Ich nahm den falschen Namen.
≫Und du?≪
Ich zitterte buchstäblich vor Kälte, doch das durfte ich mir nicht anmerken lassen, denn man hatte mir gesagt, man täte nichts spüren, wenn man Alkohol getrunken hätte.
≫Luke≪
≫Und die anderen?≪
Ich ließ meinen Finger auf die Menge kreisen und nahm ihn dann zum Mund, um auf meinem Nagel herum zu kauen. Für ihn sah das wahrscheinlich wie eine Einladung aus, was sie auch sein sollte.
≫He Jungs, kommt ihr mit?≪
Ein paar der Jungs nickten, jedoch die Mehrheit ging in den Club zurück.
Zuletzt gingen auch noch die anderen. Ich glaube, sie konnten nicht mit ansehen, wie nur er etwas von mir haben konnte - von der im Cocktailkleid.
Jetzt war nur noch Luke da.
≫Na dann lassen wir mal die Nähte reißen...≪, sagte ich, wobei es nicht mal mehr als ein Flüstern war.
Ich nahm ihn an der Hand und führte ihn in Richtung Zuhause.
Ich öffnete die Haustür und schon waren seine Lippen auf meinen.
Bäh...Wiederlich.
Er schmeckte nach Alkohol. Selbst als ich rein ging blieben seine auf meinen Lippen.
≫Cloë, du bist wunder…≪, nuschelte er.
Das ...bar blieb ihm im Hals stecken, denn er steckte seine Zunge viel zu weit in meinen Mund hinein. Ich löste mich aus seinen Armen und ging in Richtung Schlafzimmer.
≫Luke...≪, flüsterte ich und versuchte so betrunken wie möglich zu klingen.
Schnell huschte er zu mir, wobei er gegen die Tür rannte. Ich nutzte diese Gelegenheit um mir das Messer vom Nachttisch zu holen.
Als er bei mir war, küsste er mich leidenschaftlich auf den Mund und als er auch noch seine eiskalte Hand versuchte unter mein Kleid zu schieben, stieß ich ihm das Messer in den Hals. Luke entzog mir seine Hand vom Kleid und fasste sich an den Hals.
≫Cloë,….≪
Seine Augen waren glasig vor Tränen und er fiel hinterrücks um.
≫Ufff...≪, ein kleiner Seufzer entfuhr mir und auch ich ließ mich hinten umfallen.
Jedoch sobald mich der Geruch des frischen Blutes erreichte, richtete ich mich wieder auf und stürzte auf Luke.
10 Minuten später
Was hatte ich getan? Ich hatte ihm gerade wie ein blutrünstiger Dämon das Herz aus dem Körper gerissen.
Ich wollte mich selbst dafür umbringen.
James!
Ich fasste mir wieder ans Kreuz und ging in Richtung Wohnzimmer um mich in einen der Sessel fallen zu lassen.
Doch James kam nicht - dachte ich zumindest.
Falsch!!!
Er kam etwas verspätet.
≫Wo warst du? Riley hätte mich fast umgebracht!≪, schrie ich ihn an, als er noch nicht einmal ‘Hallo‘ zu mir sagte.
≫Nichts von Bedeutung.≪
Nichts von Bedeutung? Und die ganzen Lügen?
≫Und warum habe ich mich eben auf Luke gestürzt? Wo soll ich ihn hinbringen?≪
Ich war total verzweifelt.
≫Das mit dem ‘auf Luke stürzen‘, das kommt von dem Kreuz hinter deinem Ohr. Du bist jetzt halb Dämon.≪
Dachte ich es mir doch…
≫Und da du halb Dämon bist, hast du auch die Eigenschaften - wie Blut und Fleisch trinken.≪
Seine Erklärung auf das schien mir nicht ganz simple.
≫Ja, aber warum esse ich nicht einfach nichts?≪, schrie ich ihn aus Verzweiflung an.
≫Ach, Cloë. Erst einmal musst du tief einatmen.≪
Zeitverschwendung!
≫Dann nicht≪, seine Stimme klang einleuchtend und sanft, ≫Aber du musst wissen, dass du normal wie ein Mensch isst, aber wie ein ‘wilder‘ Dämon bist. Und dazu zählt eben auch - du reagierst auf Blut wie ein Dämon und dazu sind wir da. Das hat aber auch gewisse Vorteile.≪
Lass uns Luke wegbringen… Yeah. Das wird ein Spaß.
Jedoch konnte ich nicht lachen. Mir war ganz zum Gegenteil von lustig zumute.
Überrascht von meinen dämonischen Kräften schaffte ich es, ihn im Wald zu verbrennen. Ab jetzt würde das FBI hinter mir her sein. Und mir fiel nur eines ein - Yeah!
Kapitel 4
Ein Lüftchen streifte mich sanft und weckte mich aus meinem Traum. Ich schlug die Augen auf, richtete sie in Richtung offenes Fenster, zum betrachtete der fliegenden Vögel im strahlend blauen Himmel. Langsam erhob ich mich und genoss die austrahlende gelbe Sonne; neben der keine Wolke zusehen war.
Ich stapfte gemütlich die Treppen zum Keller hinunter, wobei ich immer ‘taps, taps,taps….‘ machte. Noch etwas müde lief ich zu dem alten Kleiderschrank und suchte mir ein passendes Outfit aus. Ich wühlte und wühlte, doch keines der Outfits wollte mir Recht erscheinen.
Vor Frust schleuderte ich die ganzen Klamotten durch das kleine Zimmer und suchte weiter, bis fast der ganze Kleiderschrank leer war. Auf einmal flog mir ein okkafarbenes Top entgegen. Mich wunderte es, dass es mich so anturnte. Es hatte ein paar süße Rüschen am Ausschnitt und Bund, jedoch dezente Farben. Dazu kramte ich mir eine passende weiße Jeans aus dem Stapel, der hinter mir lag und räumte die hinausgeschmissenen Klamotten wieder an ihren Platz zurück. Ich schlug mir das Outfit über den Arm und ging nach oben in Richtung Bad, in dem ich mich dann umzog.
Umgezogen und gespeist, schnürte ich mir meine Schuhe zu und zog mir einen leichten Mantel über. Ich wollte mich von der anstrengenden Nacht gestern erholen und von dem Alkohol, den ich ebenfalls gestern zu mir genommen hatte.
Ein kleiner Spazierganz kann doch nicht schaden.
Ich machte mich auf und überlegte, an welcher Stelle ich mich niederlassen wollte. Bei dem Überlegen fiel mir auf, dass es bald wieder Frühling sein würde, da an manchen Stellen schon vereinzelte Blumen zu sehen waren.
Während meinem kleinen Spaziergang betrachtete ich die Gegend um mich herum - Um mich sprangen kleine Kinder und spielten fröhlich. Sie waren auf einem kleinen Spielplatz, auf dem es viele Geräte und Spielwiesen gab. Für meinen Geschmack, war es ein bisschen kalt, um draußen rum zu hüpfen.
Ich sah eine verlassene Schaukel neben einer der Turngeräte und begab mich darauf dort hin, doch bevor ich mich setzte, nahm ich meine Hand und kratzte den dort angesammelten Frost von der Platte der Schaukel.
Danach wippte ich langsam, schob ich meine Schuhe in dem darunter liegenden, gefrorenen Sand hin und her.
Die Kinder auf diesem Spielplatz waren alle noch klein, geschätzt vier oder fünf Jahre, die ich betrachtete. Auf einmal kam ein kleines, blondes Mädchen auf die noch neben mir freie Schaukel zu gerannt und ließ sich, bei mir angekommen, mit einem sanften Plumps auf die Schaukel sinken.
Sie war wunderschön, dünn und jung. Ich schaute ihr in die Augen; sie hatte blondes Haar und strahlend blaue Augen. Das Mädchen sah so aus, als würde sie jemanden suchen. Hilflose Blicke warf sie anderen Kindern zu, die an uns vorbeiliefen.
Nach einer Zeit verschwanden die anderen Kinder und verließen den Spielplatz. Das kleine Mädchen neben mir jedoch verharrte auf de Schaukel und schaute um sich.
Zeit verging, Leute gingen und der Spielplatz wurde leerer, es wurde dunkler und kälter. Ich fing ein bisschen an zu frösteln und wollte gehen, doch ich konnte das Mädchen nicht allein lassen!
Ich nahm ein bisschen Mut zusammen und fragte sie:
≫Hi. Wie heißt du denn?≪
Verdutzt schaute sie mich an.
Sie vertraute mir nicht, aber das war ja auch normal bei kleinen Kindern.
≫Suchst du deine Eltern?≪
Sie nickte.
≫Soll ich dir helfen beim Suchen?≪
Wieder nickte sie und schaute zu mir hoch. Ihre großen, blauen Augen schauten mich an und teilten mir mit, etwas zu tun.
≫Wo wohnst du denn meine Kleine?≪ Ich konnte das Mädchen nicht alleine lassen und half ihr deshalb suchen.
Jedoch wollte sie mir immer noch nicht sagen, wer ihre Eltern waren, wo sie wohnte und wie sie hieß. Das Mädchen schaukelte noch auf der Schaukel und suchte jemanden.
Vielleicht kommen ihre Eltern noch und holen sie ab?
Aber nein! Sie kommen nicht (wenn es sie überhaupt gibt); dafür ist es zu spät.
Ich stieg von der Schaukel und machte mich auf den Weg den Spielplatz zu verlassen und eventuell nach Hause zu gehen, da es schon spät geworden war.
Die ganze Zeit über habe ich mir Gedanken gemacht, ob es dem Mädchen gut geht, obwohl ich eigentlich auf den Spielplatz gekommen war, um mich zu entspannen. Wieso tat ich das?
Plötzlich kam das Mädchen auf mich zu gelaufen und stellte sich neben mich.
Ich blieb stehen und erwartete eine Antwort, doch ich sah ihren Mund sich nicht bewegen! Sie war still, lief einfach neben mir her.
Wartete sie jetzt doch nicht mehr auf jemanden?
Ihre strahlend blauen Augen waren nun trüb und müde als ich sie anschaute.
Lange überlegte ich, was ich nun mit ihr anstellen sollte.
Soll ich sie, genauso wie ‘Luke‘ umbringen, obwohl sie mir nichts getan hat und noch so jung ist?
Die Gedanken und Beschlüsse, die ich bis heute getroffen hatte, plagten und beunruhigten mich.
Ohne Grund?
Das konnte ich nicht, auch nicht, wenn sie nicht so jung wäre. Immerzu strahlte sie mich an, obwohl ich wusste, dass es ihr nicht so gut gehen würde. Genauso war ich früher auch - jung, hübsch, meistens alleine und wenn es um Geheimnisse oder andere Dinge ging, die mich bedrückten, behielt ich lieber für mich, doch im Inneren weinte ich immer, so dass es weh tat.
Ich fasste den Beschluss, mich um sie zu kümmern und morgen bei der Polizei eine Anzeige aufzugeben, ein junges Mädchen gefunden zu haben, es sei denn - Sie sagt mir alles wichtige!
Kapitel 5
An ihrer Seite marschierten wir im abwechselnden Rechts- und Linksschritt, um sie wach zu halten, zurück in mein Heim. Der Tag heute war wie im Flug vergangen. Ich hatte, aus meiner Sicht, nicht viel über das Mädchen rausgefunden, jedoch viel über sie gelernt.
Der Weg zurück in mein Heim war nicht sehr leicht. Ich durfte nicht zu weit im dunkeln laufen, weil das Mädchen sonst Angst vor Gespenstern oder anderen unheimlichen Dingen hatte. Deshalb mussten wir im Schein der Laternen laufen und uns beeilen. Der Weg war düster und nur wenige Leute ließen sich noch zu dieser späten Zeit blicken.
Keuchend kamen wir an meiner Haustür an. Ich zog den Haustürschlüssel aus meiner Jackentasche und schloss mit einem kleinen Ruck die Tür auf. Dabei knarzte die Tür und kratzte am Boden entlang. Ich deutete ihr mit der Hand und meinen Blicken schon mal hinein zugehen. Das Mädchen hatte anscheinend nicht mehr viel Angst vor mir, denn sie schlurfte mit ihren Schuhen über den Boden hinein in meine Wohnung. Hinter mir drückte ich die Tür zu und folgte dem Mädchen, die schon einmal die Treppe hoch lief.
Das Treppenhaus schmückte sich mit Bildern von allen möglichen bedeutenden Leuten, wie zum Beispiel Marie Antoinette aus. Diese Bilder hatte ich nicht aufgehängt, sondern der Bewohner, der mir angeboten hatte, in diese prachtvolle Wohnung zuziehen.
In meinem Stockwerk angekommen stand die Tür noch offen. Ich konnte mich nicht erinnernd, sie offen stehen gelassen zu haben. Mit einem Achselzucken ging ich hindurch, ohne mir noch weiter den Kopf darüber zu zerbrechen. Wie, als sei ich ihre Mutter, tapste das Mädchen brav hinter mir her und folgte mir in die noch dunkle Wohnung. Ich tastete nach dem Lichtschalter und schaltete damit die große Ikea-Lampe an. Nichts hatte sich verändert, also ging ich davon aus das meine verschollene Katze hereingekommen war. Wieder beschloss ich mir keine Gedanken mehr darüber zu machen.
≫Willst du einen Keks haben?≪, fragte ich während ich in die Küche lief und mich auf die Suche zur Box zu machen.
≫Die sind selbst gebacken≪, versuchte ich
Maxi zu ermutigen und gleichzeitig mir nicht anmerken zu lassen, was ich eigentlich mit ihr vorhatte/ was gerade in meinen Gedanken vor sich ging.
Nein, nein, nein, Cloë! Schlag dir das aus dem Kopf!
Sie fing an zu summen und ich verlor fast die Fassung.
Schließlich hatte ich die Box gefunden und holte sie aus meinem gehüteten Versteck, damit James sie nicht mehr essen konnte. Ich öffnete die Box und holte einen Keks für sie und einen für mich raus.
Ich bemerkte, dass sie voll mit Blut verschmiert waren und schmiss sie auf den Boden. Entsetzt schaute ich auf meine Hände. Die Hände waren der Grund für diese rötliche klebrige Masse. Doch woher kam es? Sie bluteten nicht.
≫?≪ Fragend starrte ich immer noch auf meine Hände, die schon fast vom ganzen Blut übergossen waren. Als ich sie so anschaute, sah ich rote, dickflüssige Blutstropfen, die von meinen Händen auf den Boden fielen.
Mein Kopf drehte sich wie eine Achterbahn und tausende Fragen tummelten sich erneut in meinem Kopf.
Klar doch! Es ergab alles Sinn. Die offene Tür, der Lichtschalter, welcher sich so klebrig angefühlt hatte. Was suchte er? Maxi! Doch das wäre zu einfach.
Ein leises Schnaufen war zu hören, gefolgt von einem schrillen Schrei.
Die Angst überrollte mich und ein Schauer lief mir über meinen Rücken. Blitzschnell drehte ich ich um, damit ich nach Maxi schauen konnte. Sie stand mit bibbernden Zähnen und gekrümmten Rücken an ihrer vorherigen Stelle.
Vor ihr stand James, wobei sich seine Augen ins rötliche gefärbt hatten und er echt bedrohlich im Schatten stand.
≫James! Sie gehört zu…≪ Weiter kam ich nicht.
James hatte sie jedoch schon mit seinen Händen gepackt und an sich herangezogen. Mit seinen Zähnen durchbohrte er ihren Hals bis zu der Pulsschlagader und wieder war ein Schrei zu hören. Ich konnte mich nicht rühren.
Maxi! Wo war James? Das war er nicht. Seine roten Augen!
≫James!≪, schrie ich mir die Seele aus dem Leib.
Ich rannte auf ihn zu und schlug ihm Maxi aus den Armen, wobei Maxi zu Boden fiel.
Eine rote Blutspur lief ihren Hals hinunter und ließ ihre Haare an ihrem Hals verkleben. Sie war kreidebleich und ich musste beim Gedanken, dass sie könnte tot sein, schluchzen. Wut stieg in mir auf. Was war mit James?
Ich stieß ihn wütend zu Boden und blockierte seine Arm- und Beinbewegungsmöglichkeiten. Auch ihm lief nach dem Kampf Blut aus der Nase.
Hatte ich so dolle zugeschlagen?
Auf einmal kam ich mir vor wie ein schrecklicher Mensch. Ich schlug ihm noch einmal auf dem Kopf, um ihn für kurze Zeit bewusstlos zu machen, damit ich mich um Maxi kümmern konnte. So schnell ich konnte, rannte ich zu der Ecke des Raumes, wo sie lag. Ihr Leben war wie nie da gewesen.
≫Nein!≪
Ich nahm sie in meine Arme und beugte mich über sie, um ein Schutzschild bilden zu können, falls James noch einmal angreifen würde. Doch es passierte nichts. Ich richtete mich wieder auf und schloss mit meinen beiden Fingern ihre Augenlieder, nachdem ich den Puls abgecheckt hatte, der nur noch sehr schwach existierte. Ich legte ihre Leiche wieder sanft auf den Boden zurück und drehte mich in James Richtung, der immer noch bewusstlos auf dem Boden lag. Ich wollte ihn nicht mehr in der Wohnung haben.
Also nahm ich ihn am Bein und zog ihn bis vor die Tür. Nachdem zog ich die Tür hinter mir zu.
Ich bereute es sofort, auch wenn er soeben sie getötet hatte.
Also nahm ich ihn wieder am Bein, diesmal am anderen, und zog ihn, wie eben so grob wieder rein. Aber in die Küche.
≫Cloë…!≪, seine Stimme klang matt und erschöpft.
Ich drehte mich sofort in seine Richtung.
Mist! Lass dir nicht den Kopf verdrehen. Er hat soeben Maxi getötet.
Ich schüttelte den Kopf und sagte so gut wie ich konnte:≫Ja?≪
Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Welches aber gleich wieder verschwand.
≫Wo ist Maxi?!≪ Er sprach Maxi wie ein Fremdwort aus.
≫Sie ist im Nebenraum - Wieso?≪ Beim letzten Wort hielt ich inne.
Er wollte sich aufrichten, doch ich hielt ihn zurück.
≫Nein James. Du hast sie umgebracht.≪, flüsterte ich.
James stand trotzdem auf, aber nicht um nach ihr zu sehen, sondern um mich in den Arm zu nehmen.
≫Mach dir nicht allzu viele Gedanken über Maxi. Es tut mir leid sie getötet zu haben, aber sie war nicht der Mensch der du denkst.≪ Seine Stimme hatte einen leichten Unterton.
≫Wie bitte?≪ Ich schob ihn von mir weg und löste mich aus der Umarmung.
≫Ist sie etwa ein Vampir? Oder ein Wehrwolf?≪
Er rollte mit den Augen.
≫Nicht ganz. Sie ist eine erschaffene Maschine von den sogenannten Merqǔié. Sie töten im Auftrag der Prophezeiung - Deiner Prophezeiung.≪
Jetzt steckte mir ein Kloß im Hals und ich erinnerte mich wieder daran, was er mir damals über meine Prophezeiung erzählt hatte.
Doch trotzdem musste ich anfangen zu lachen:“ Ja, ganz bestimmt wollten sie mich töten, weil ich ja auch sooo wertvoll bin. Für wen sollte ich nützlich sein? Und wie lautet…“
≫Für mich.≪ Seine Stimme war nun wieder klar und deutlich.
Er schaute mir tief in die Augen, wobei ich bemerkte, dass seine Augen wieder das gewöhnliche eisblau angenommen hatten. James schien das jedoch nicht zu bemerken, dass seine Augen jemals eine andere Farbe haben könnten.
≫Deine Augen sind wieder blau≪, berichtete ich ihm. Jedoch sanfter und ruhiger, als ich es hätte es selbst von mir erwarten können.
≫Deine auch.≪
≫Waren meine auch rot?≪, fragte ich verblüffend.
Er nickte.
≫Warum hast du sie angegriffen? Und warum hat sie sich denn nicht gewehrt?≪
James musste tief einatmen.
≫Cloë, die Merqǔié wollen dich nicht töten, also nicht direkt. Sie befürchten, dass sich deine Prophezeiung ändern könnte und das darf nicht geschehen. Sie meinen wenn ich bei dir bin und mit dir die Zeit durchlebe, sei es auch nur, weil ich dir Eric wieder gebe, könnte sie sich eventuell ändern. Jedoch sind alle Prophezeiungen verschlüsselt. Sie werden nur von den eigenen sogenannten Prophezeiungsträgern entschlüsselt und gelesen. Bei allen Vorgängern von dir, wurden die Prophezeiungsträger festgenommen und so lange gefoltert, bis sie es entschlüsselten und die Wahrheit über die sogenannten Miselqǔé - das bist du - sagten.≪
Ich musste nachdenken.
Etwas gruselig klang das schon...
≫Ja und?≪
≫Nicht ja und. Ich habe dich eine Zeit lang beobachtet und ich glaube, dass du eine Miselqǔé, als auch ein Prophezeiungsträger bist. Das heißt du bist nicht, wie alle anderen Miselqǔé aus der Anyon Familie oder der Weliko Familie, sondern aus beiden. Damals war die Liebe verboten. Sie…≪
James musste unterbrechen, denn zwei rote Augen tauchten aus dem dunklen auf und ich bekam plötzlich schreckliche Angst vor der Merqǔiémutation.
≫Evade ad mortem…≪
Maxi zerfiel vor uns zu staub, welcher zwei Sekunden später aus einem, während dem Kampf, zerbrochenem Fenster wehte.
Kapitel 6
Meine Lieder waren schwer und ich fühlte etwas kaltes, nasses auf meiner Stirn. Ich erhob mich von meiner Bettkante auf meine Beine und nahm mir den Waschlappen von der Stirn. Es war Seelen ruhig und man könnte meinen, man sei im Himmel. Jetzt erst bemerkte ich meine Kopf- und Gliederschmerzen. Das war aber auch kein Wunder, nach den Ereignissen, die gestern geschehen waren. Was sollte denn jetzt passieren? Ich war kein Schritt weiter gekommen. Ich war nur noch mehr im Geschehen. Zurück ging es jetzt eh nicht mehr. Also was sollte ich tun? Genau in dem Moment grummelte mein Bauch.
Essen!
James erwartete mich schon in der Küche. Er hatte an mich gedacht und den Tisch mit ein paar Brötchen und Marmelade gedeckt.
Schon irgendwie süß!
Ich schüttelte den Kopf. Ich musste mir das aus dem Kopf schlagen. Diese ganze ´er ist schon irgendwie süß`Gelabere musste ich lassen. Ich war wegen Eric hier. Genau! Ich setzte mich auf den freien Platz und schaute so wenig wie möglich auf James.
„Du hast jetzt Schulden bei der Verkäuferin. Ich habe dein Geld nicht gefunden und habe...nun ja.“
Auf einmal fiel es mir nicht mehr schwer so zu tun als sei ich sauer auf ihn, denn ich war sauer.
„Hättest ihr ja auch einfach einen Kuss auf die Wange geben können. Da wäre sie auch zufrieden gewesen,“ sagte ich geizig und musterte die Brotkrümel auf meinem Teller.
„Sehe ich so gut aus?“
In seiner Stimme hörte ich Spott. Ich verdrehte die Augen.
„Wie dem auch sei, ich habe die Prophezeiung besorgt. Jedoch der Rest ist bei denen.“
Ich nickte. Er meinte die Merqǔié.
„Ich will erst, dass du mir sagst wie viele Leben du noch von mir willst.“
Ich hatte keine Lust mehr andauernd vom eigentlichen Thema abzukommen, aber ich hatte nicht mehr viel Zeit. Automatisch, als sei es ein Reflex, faste ich an mein kleines Kreuz hinter meinem Ohr.
„Keine Sorge“, beruhigte mich James,“ Du hast noch genug Zeit.“
„Aber, James, was passiert, wenn meine Zeit abgelaufen ist, ich wieder alt werde und sich das Kreuz ganz gezeichnet hat?“
James nickte.
„Liebes…“
Es nervte mich, dass er mich so nannte, ließ ihn aber trotzdem ausreden:“… Alles auf dieser Welt hat seinen Preis. Erics Leben will andere Leben.“
Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern:“Was wird von mir verlangt, für die Jugend, für die kurze Zeit?“
„Das entscheidet, das Leben, von dem du diese Jugend stiehlst, wenn sich das Kreuz ausgemalt hat.
Von einem wird die Jugend gewonnen,
viele Fäden in der Zukunft gesponnen.
Für ewig zu leben hat seinen Preis,
auf dass jeder dies weiß.
Das Lamm allein soll das Kreuze tragen,
und mehr es wächst von Tag zu Tage,
zu dem Dämon wird gewandelt,
mit dem Totenreich gehandelt.
Das ist der eine Teil aus deiner Prophezeiung.“
Ich ließ mir diese Zeilen durch den Kopf gehen. Für ewig zu leben hat seinen Preis.
Bald gehts weiter ;D
Bildmaterialien: das wunderschöne Cover ist von summerspring ;D Danke danke danke
Tag der Veröffentlichung: 25.03.2013
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