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Die Grausamkeit der Welt

Ist es meine Bestimmung?

Nein...

Kein Mensch soll jemals so leiden...

Nie, an keinem Ort dieser Welt...

Doch ist dies überhapt noch eine Welt?

Ist es ein Ort wo menschlichkeit leben kann?

Warum nicht, fragst du dich?

Ganz einfach:

Siehst du in den Nachrichten wie Menschen auf den Strassen vor ihren Häuser erschossen werden?

Hörst du im Fernsehen kleine Kinder schreien vor hunger?

Siehst du wie sich Eltern zu Tode rachern, nur um ihren unterernährten Kindern einwenig Essen zu verschaffen?

Aber weisst du auch, wie es sich anfühlt, wenn man an einem solchen Ort lebt?

Nein, weisst du nicht...

Keiner sieht die Wahrheit...

Die Grausamkeit in dieser Welt...

Wir töten Menschen...

Ist das menschlich?

Nein, ist es nicht.

Kein Tod bringt etwas. Jeder hat das Recht hier in Freiheit zu leben. Jeder soll sehen, was andere sehen. Jeder soll seinen eigenen Weg gehen. Niemandem soll alles vorbestimmt sein. Denn wir wählen unser Schicksal selbst...

Du glaubst ich bin verrückt?

Nein, das bin ich nicht. Ich bin nur anderst. Denn ich lebe an einem solchen Ort. Ich weiss wie sich diese Leiden anfühlen. Ich bin selbst eine Gepeinigte... Ich weiss sich Hunger und Durst anfühlen. Ich weiss wie es ist geliebte Menschen zu verlieren...

Staunst du?

Glaubst du mir?

Nein? Ja?

Auf jeden Fall werde ich dir die Geschichte meiner Familie erzählen. Ich hoffe, dass du dein Herz für das Kommende öffnest. Nimm es entgegen, bevor du urteilst. Und denke darüber nach. Denn ich kann nur noch nach einem Ausweg suchen. Für mich ist es bereits zu spät...

Ich war klein. Neun Jahre alt. Ich lebte mit meiner Familie an einem Ort, tief im Herzen Afrikas. Mit meiner Mutter, meinem Vater und den 8 Geschwistern. Unser Haus war ein armseliger Unterstand aus Wellblech und morschem Holz. Wenn es regnete waren wir nass.
Meine Eltern arbeiteten hart in einer Fabrik am Stadtrand, während einige meiner Geschwister und ich versuchten einwenig Wasser am Brunnen zu bekommen. Ich war mit drei Geschwister und dem kleinen Jungen hier. Ich hatte ihn mit einem Tuch an meinem Rücken festgebunden.
Nach Stunden zwischen Müll, Gestank und Schmutz, hatten wir es nach vorne geschafft. Die Sonne brannte unbarmherzig auf uns herab, doch an die Hitze hatten wir uns gewöhnt. Sie verbrannte unsere Haut, aber wir spürten keinen Schmerz mehr. Meine Schwester stellte den schmutzigen Kanister unter die tropfende Röhre. Wir hatten eine viertelstunde Zeit. Bis dahin war der Kanister bis zur Hälfte gefüllt. Normalerweise bekamen wir nicht so viel. Mutter würde stolz sein.
Ich wiegte den Kleinen in meinen Armen. Er hatte Hunger, das wusste ich. Aber ich konnte nichts machen. Er war gerade mal drei Tage alt. Er lachte nie. Weinte nie. Doch er hatte Augen, die mehr als alles sagen konnten. Sie hatten sich schon in diesen wenigen Tagen mit mehr Trauer gefüllt, als hunderte wohlhabende Menschen je in ihrem Leben haben könnten. Ich sah ihn an, konnte nichts machen...
Wir wanderten durch die staubigen Srtassen. Es war ein langer Weg bis nach Hause. Bald würden wir dort sein.
Ich entzündete die kleine Lampe, die neben dem Eingang hieng. Es war bereits dunkel, als wir zu Hause angekommen waren. Doch warum war es im Haus so dunkel? Warum kam Mutter nicht? Es war so still... Zu still...
Ich drückte meiner Schwester den Kleinen in die Arme und bat sie draussen zu bleiben. Ich betrat den dunklen Raum. Die Luft war leicht stickig und abgestanden. Ich rief nach Mutter. Keine Antwort. Vorsichtig wagte ich mich weiter vor. Mein Fuss stiess an etwas weiches. Ich tastete danach und griff in Lumpen. Was war das? Ich fasste hinein und zerrte es in Richtung Ausgang. Als der schwache Schein der Lampe mich erreichte, und auch die Lumpen beschien, stiess ich einen Schrei aus. Ich sprang einen Satz zurück und prallte gegen meinen Schwester. Ich drehte sie weg und schob die Kleinen hinter die Hausecke. Sie fragten mich, was da los sei. Doch ich befahl ihnen einfach hinten zu bleiben.
Da lagen sie. Nebeneinender, unter den Sternen. Ohne Leben, in den Schein der Lampe gehüllt. Sieh hin! befahl ich mir. Auch wenn das Leben schlimm war, es konnte immer schlimmer kommen.
Ermordet... Kaltherzig erstochen... Mutter... Vater... 3 kleine Mädchen und ein kleiner Junge... Warum musste es sie treffen? Warum kein anderer? War dies der Weg den das Schicksal für unsere Familie gewählt hatte? Warum blos?
Der Schmerz war so gross, dass ich nicht weinen konnte. Er stach in mein Herz. Immer und immer wieder... Tief... Er liess jegliche Gefühle aus meinem Körper entschwinden. Ich war nur noch eine leere Hülle. Von innen her ausgehöhlt. Verdörrt... Wer machte so etwas? Wer?
Ich kniete hin um ein letztes Gebet für sie zu sprechen. Da ertönte ein Schuss. Ein Schrei. Das tappen kleiner Füsse... Niemals würde ich die nächsten Momente vergessen. Nie! Ich würde mein ganzes Leben lang nach einem Ausweg für uns alle suchen. Auch wenn ich nicht mehr auf dieser Welt wandern würde. Auch an anderen Orten würde ich nie Ruhen können...
Mein Körper bewegte sich von selbst und sprang auf. Meine Schwestern stolperten hinter dem Haus hervor. Wo war der Kleine und die Älteste? Was war geschehen? Ich war mit einem Schritt bei ihnen. Ich fragte sie was los sei, doch sie starrten nur auf die Leichen. Tränen glitzerten in ihren Augen. Ich spürte einen Kloss im Hals. Nein! schalt ich mich. Du musst stark sein für sie! Du musst ihnen Halt geben!
Die Kleine sah mich an und öffnete den Mund. Da krachte es in unmittelbarer Nähe. Die Augen meiner Schwester weiteten sich. Ich hörte das Tropfen des Blutes, dass aus ihrem Kopf floss. Ihre Augen verdrehten sich. Ein Keuchen flog dem Himmel entgegen. Dann sank sie in sich zusammen. Ich schrie ihren Namen und wollte sie auffangen, als das Geschoss meine Finger zerfetzte und meinen anderen Schwestern das Leben raubte...
Ich konnte es nicht fassen. Warum machten Menschen so etwas? Wir waren doch genau so Menschen wie sie!! Ich spreng hinter die Hausecke. Und das erste, was ich sah, war das Gewehr... Es war beinahe so schwarz wie die Nacht, doch das, was davon ausging, war noch viel dunkler...
Ich sah sie. Meine Schwester und den Kleinen. Der Lauf zielte auf sie. Nein!!! schrie ich. Ich rannte los. Den Wind im Rücken. Im blassen Mondlicht sah ich die Augen des Mannes funkeln. Ich würde nicht rechtzeitig bei ihnen ankommen. Ich wollte abbremsen, als mich ihre Stimme erreichte. Sie rief meinen Namen. Ihre Stimme war voller Trauer. Sie schnitt tief in mein Herz. Und Ich begann meinen Schritt zu verschnellern. Ich war stark. Ich konnte es schaffen! Sie streckte de Hand nach mir aus. Ich Wollte ihre Hand nehmen. Zwei Schüsse...
Unsere Fingerspitzen berührten sich, als ihr Blick brach. Wie eine Puppe knallte sie auf den harten Boden. Nein!! schrie ich. Warum nahm dieser Mann mir alles? Ich hatte diese Menschen geliebt! Warum in Gottes Namen?
Ich brach neben meiner Schwester und dem Kleinen zusammen. Ich schmeckte Salz und bemerkte die Tränen, die über mein Gesicht strömten. Ein Staudamm, gehalten von stälernen Mauern... Zerstört von Schüssen... Gebrochen durch den Verlusst dessen, was mein Leben ausgemacht hatte... Zertrümmert von meinesgleichen... Es war nicht menschlich, was an jenem Abend geschehen ist. Ist diese Welt denn noch ein Ort wo menschlichkeit und Güte ruht?
Sein Schrei durchbrach die Hülle, die sich um mich gelegt hatte. Der Kleine wand sich am Boden, in einer Blutlache. In seinem eigenen Blut. Ich hob ihn vorsichtig hoch. Ich nahm ihn in die Arme und spürte wie sich mein Wollekleid sofort vollsog...
Sein Bauch war zerfetzt. Das Innere zu Brei geschossen. Ich streichelte seinen Kopf und wiegte ihn sanft hin und her. Sein Schreien erstarb. Die kleine Hand schloss sich um meinen Finger. So unendlich klein... Die grossen braunen Augen fixierten meinen Blick. Sie hielten mich fest. Ich sah darin keine Furcht... Keinen Schmerz...
Und in dem Moment, als sein Kopf zurückfiel, durchbohrte mich die Kugel. Ich hob den Kopf und sah den Mann an. Warum? fragte ich ihn stumm, bevor meine Sinne zu schwinden begannen. Die Gefühle verebbten. Mit letzter Kraft strich ich dem Kleinen die Agen zu und hielt seine Hand fest. Dann fiel ich in ein schwarzes Loch zurück...
Dunkelheit umschloss mich...
Dunkelheit war in mir...
Ich fühlte mich geborgen...
Ich war in Sicherheit...
Ich war erlöst...
Noch immer spürte ich den Kleinen an meiner Hand. Das Atmen wurde langsam schwer. Was musste ich machen? fragte ich mich. Kurz durchflackerte mich Angst, doch dann begriff ich es. Ich musste loslassen... Ich musste verlassen, was ich einst war...
Und ich liess los...

Nie wieder würde dieses Mädchen die Augen ihres Bruders sehen...
Nie wieder würde es aufstehen und für das kämpfen, was es liebte. Es wollte sein Leben für sie geben, obwohl es aussichtslos war...
Und zwar weil sie sie liebte...
Wenn alle Menschen so sein würden,

dann würde es endlich Frieden geben...

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Tag der Veröffentlichung: 04.06.2012

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