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Zu spät


Ich sah dich und wusste, dass es vorbei war. Dein süsser Duft stieg mir in die Nase, deine gebräunte Hand strich sanft über meine. Ich hatte das Gefühl in deinen Augen zu ertrinken. In diesen tiefen, blauen Augen, in denen ein unauslöschbares Feuer brannte. Ich sah dich an und merkte, wie mir mein Herz entglitt...
Doch nun war es zu spät. Ich konnte nichts mehr ausrichten. Wir sassen im selben Boot. Ich hatte es dir sagen wollen, aber für dich war ich Luft gewesen. Nie hattest du mich angesehen. Nie mit mir gesprochen. Bis auf dieses eine Mal... Im Reitunterricht, als wir das gemeinsame Reiten erlernten. Dort waren wir ein Team. Besser als die Anderen...
Ich hob den Kopf zum Himmel. Die ersten Tropfen fielen und klatschten auf mein Gesicht. Der aufkommende Wind liess mich frösteln. Mein Pferd schnaubte. >>Alles wird gut<< beruhigte ich es und legte meine Hand auf sein Fell. Es war schwarz. Wie die Nacht. Und so sanft wie Seide. Ich spürte wie mich Sehnsucht überkam. Sehnsucht nach ihm... Nach der Freiheit... Nach dem was mein Leben sein sollte...
Ich schwang mich auf den Rücken des Schwarzen. Ohne Schwirigkeiten fand ich die Steigbügel. Ich blickte in die Runde. Keiner regte sich. Es war totenstill. Klar. Keiner mochte die Ruhe vor dem Sturm. Die Ruhe vor dem Krieg...
Mein Blick suchte ihn. In den Reihen der Sodaten. Zwischen den tänzelnden Pferden und den trüben Waffen. Bis ich ihn fand. Den Kopf gesenkt. Das gezogene Schwert in der Hand. Ich wollte zu ihm, in seinen Armen liegen. Warum musste es so weit kommen? Warum mussten genau wir dazu verdammt sein, in den Krieg zu reiten? Zu gehen und nie wieder zu kehren? Warum wir?
Die Haare hingen mir in nassen Strähnen ins Gesicht, doch es interessierte mich nicht. Ich sah stur geradeaus. Wo waren sie? Ich konnte nichts erkennen, was auf einen Feind deutete. Aber ich fühlte ihre Anwesenheit. Sie waren da. Sie sahen uns. Und sie würden uns vernichten. Bald...
Als der erste Pfeil flog, wurde mir bewusst, was es hiess hier zu sein. Ich würde fallen. Er würde es nie wissen. Er würde glücklich ohne mich weiter leben, wenn er raus käme. War dies mein Schicksal? Erschlagen und vergessen? Tot und wertlos? Nein. So durfte es nicht sein. So war es nicht. Niemals!
Ich wendete das Pferd. Wo war er? Ich musste es ihm sagen, bevor es zu spät sein würde! Der Regen verwischte meine Sicht. Das Grollen eines Donners fegte über das Land. Irgendwo erhellte ein Blitz die dunkle Landschaft. Ich konnte ihn nicht finden. Er war nicht da...
Ich hörte ihr Brüllen... Sah das Funkeln ihrer Schwerter... Sie waren da... Sie würden mich töten...
Da knipsten sich meine Gedanken aus. Mechanisch lenkte ich das Pferd auf die Feinde zu. Wie eine Welle krachten sie gegen unsere Front. Ich hörte ihre Schreie, sah das Blut, das spritzte. Auch sie waren Menschen. Warum tötete man sie? Das dachte mein Inneres, während mein Äusseres genau dies tat. Mein Schwert durchtrennte Fleisch, Sehnen, Muskeln... Und immer wieder fragte ich mich warum...
Doch da hörte ich den Schrei... Er durchbrach den Bann und liess das Eis, das mich von alldem Grauen abschirmte, schmelzen. Meine Augen suchten und fanden ihn...
Mein Herz stockte und drohte den Geist aufzugeben. Meine Brust war plötzlich unglaublich eng und ich konnte nicht mehr atmen. Die Welt um mich herum drehte sich. Die Menschen waren nur noch undeutliche Schemen. Es gab nur noch ihn.
Ich sprang von meinem Schwarzen und rannte zu ihm. Warum er? Warum kein anderer? Ich schmekte das Salz, als die Tränen über mein Gesicht strömen. Ich legte seinen Kopf in meinen Schoss und strich ihm die schwarzen Haare aus dem Gesicht. Er öffnete die Augen und sah mich an. Und erneut drohte ich in ihnen zu ertrinken. Ich spahrte es mir zu sagen, dass alles gut werden würde. Er wusste dass er starb. Aus seinem Mund floss ein kleines Rinnsal Blut. Es war nur ganz klein und doch hing sein Leben von dieser Flüssigkeit ab. Ich wischte es weg. Meine Tränen tropften auf sein bleiches Gesicht. Ich merkte, dass er mich beobachtete. Meine Hand streifte seine... So wie damals... Da spürte ich plötzlich einen Griff um meinem Handgelenk. >>Cara...<< sprach er. Seine Stimme war leise und drohte zu brechen. >>Ich liebe dich...<< Ich hielt den Atem an. Ein Licht in der Finsternis. Ich legte die Hand an seine Wange. >>Schon seit wir uns zum ersten Mal gesehn haben. Deine Schönheit und dieser gewaltige Wille hat...<< er holte röchelnd Luft. >>Hat mich von Anfang an fasziniert. Ich... Ich wollte es dir... sagen. Aber ich... Ich habe mich.. nicht getraut...<< Seine Stimme wurde schwächer. Ich beugte meinen Kopf zu ihm herunter. Unsere Lippen trafen sich. Sein Atem strich stossweise über meine Wange. Ich schloss die Augen. Nie würde ich die Wärme seiner Lippen vergessen und den Geschmack nach Blut in meinem Mund. Nie wieder...
Als ich mich von ihm löste, waren seine Augen dunkel. Der Kopf fiel nach hinten zurück. Ich drückte seine Augen zu. Nie wieder würde ich sie sehen... Nie wieder... Meine Herz fühlte sich an, als wäre es zerbrochen. Tausend Stücke. Für immer im Nichts verloren... Unheilbar...
Ich nahm seinen kalten Körper in die Arme. Ich würde nie wieder lieben. Nie wieder jemanden küssen. Nur dieser eine Junge bekam meine Liebe. Und er nahm sie mit sich in den Tod. Er war es gewesen. Er hatte mir geholfen diese schreckliche Zeit durchzustehen. Und er lebte in mir weiter. Niemals würde er vollständig von dieser Welt verschwinden, bis ich zu ihm ins Jenseits kam. Er würde auf mich warten. Ganz bestimmt. Bis ans Ende aller Zeit. Er würde dort sein...
Ich stand auf. Erhob die Hände zum Himmel. Mir konnte nichts mehr geschehen. Ich war nur noch eine leblose Hülle. Und als der Pfeil mich traf, spürte ich nur Erleichterung. Er würde mich erlösen, mich von allem Leid befreien. Er bohrte sich in mein Fleisch, doch ich fühlte nichts. Ich verlor das Gleichgewicht und fiel zu Boden. Mit letzter Kraft tastete ich nach seiner Hand und hielt sie fest. >>Ich komme zu dir.<< flüsterte ich. Und dann tauchte ich in eine Ewige Dunkelheit ein, mit seinem Bild vor Augen... Ich wurde in Watte getaucht und aller Schmerz verliess mich. Ich war frei. Frei von allem. Und ich würde bestimmt zu ihm kommen. Auf jeden Fall. Denn ich liebte ihn...

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Tag der Veröffentlichung: 04.06.2012

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