Cover

Ein ungebetener Gast

Draußen sprangen gerade die Deckenlichter an - eines nach dem anderen. Sie hüllten den Bahnhof in künstliches, kaltes Licht. Zumindest hatte man mir erzählt, dass es das war. Das Licht der Sonne, das natürliche, warme Licht, hatte ich nie gesehen. Ich war schon an Orten gewesen, an denen es anders war. Ob dieses Licht allerdings echter war, vermochte ich nicht zu sagen. Vielleicht war es nur ein anderes Falsch. Der Hersteller pries es damit an, dass es dem Sonnenlicht am nächsten kam, daher wollten es alle haben. Als Betreiberin eines Ladens im Bahnhof hatte ich bereits einen Brief auf meinem Schreibtisch, in dem stand, dass auch hier bald die neuen Lichter installiert werden würden, bisher war das aber noch nicht geschehen.

Ein Lieferwagen schwebte lautlos heran und hielt vor meiner kleinen Bäckerei. Er war komplett weiß. Auf beiden Seiten prangte die Zeichnung eines halben Brotlaibs, aus dessen weicher, cremeweißer Mitte ein Tropfen roten, saftigen Blutes quoll. Sie war identisch mit dem Logo, das auch an der Frontseite der Bäckerei und auf allen Tüten und Bechern abgebildet war, die ich meinen Kunden mitgab. Eigentlich fand ich den Namen ›Blutbrötchen‹ albern, aber es war ein Franchiseunternehmen, daher blieb mir keine Wahl. Anders waren die Blutpreise nicht bezahlbar. Als Großhändler bekam man Mengenrabatt und als Teil einer Kette profitierte ich vom großen Ganzen.

»Drei Paletten, wie immer«, ließ mich der Lieferant mit monotoner Stimme wissen, kramte sein Datapad hervor und hakte etwas darauf ab. Auf seinem weißen Overall war ebenfalls das halbe Brot abgebildet. Ich nickte und er half mir, die Paletten in mein kleines Lager zu bringen. Unter seinem leicht gelangweilten Blick zählte ich den Bestand nach. Drei Viertel Brot, ein Viertel Süßigkeiten. Genug für den heutigen Tag. Was übrig blieb, konnte ich sowieso nicht mehr verkaufen, denn die Auflagen waren streng.

Nachdem ich ihn hinausgeleitet hatte und meine Lieferung genauer begutachten wollte, fiel mein Blick auf die zweite Person im Lager. »Musst du nicht zur Uni?«, fragte ich entnervt.

»Ja, gleich. Nur noch zwei Level«, antwortete er. Er, das war mein bester Freund Luca. Er hatte kurzes, dunkelblondes Haar, das wild von seinem Kopf abstand. Er saß auf dem einzigen Stuhl hier im Lager und spielte seit 20 Minuten mit seinem Datapad herum.

»Luc, du weißt, ich mag das nicht«, erinnerte ich ihn, woraufhin er den Blick vom Bildschirm nahm und mich verschmitzt ansah.

»Aber Teufelchen, schätzt du meine Gesellschaft etwa nicht?«

»Nicht wenn sie daraus besteht, nur auf diesen Bildschirm zu starren«, gab ich zurück und nahm ihm sein Pad weg.

»Hey«, protestierte er, nun leicht gereizt. »Gib es wieder her, da ist meine Hausarbeit drauf!«

Ich hob es hoch über meinen Kopf, doch weil er so viel größer war als ich, musste er nur aufstehen und danach greifen. Ohne weiteren Widerstand zu leisten, ließ ich es los und er steckte es missmutig in seinen Rucksack, der ansonsten leer war. »Du solltest mal ein bisschen aus dir heraus kommen«, murmelte er.

»Was?«, fragte ich.

»Ach nichts«, winkte er ab und zog den Reißverschluss zu. »Ich muss los.«

»Warte.« Ich ging zu der Palette, die mir am nächsten stand, riss die Schutzfolie auf und hob die erste Kiste vom Stapel, um sie nach nebenan in den Verkaufsraum zu tragen und zwei Teiglinge herauszunehmen. Ich öffnete die Kühlbox, griff nach einer großen schwarzen Flasche und setzte sie in eine Maschine auf meiner Arbeitsplatte ein. Den vorgebackenen Teigling legte ich in eine dafür vorgesehene Öffnung. Nun musste ich nur noch einen Knopf drücken und heraus kam ein perfekt geformtes, frischduftendes Brötchen, auf dessen glatter Kruste das Blutbrötchen-Logo eingebrannt war. Fest darin versiegelt befand sich frisches, warmes Blut. Mit dem Zweiten tat ich dasselbe, dann packte ich beide in eine Tüte und drückte sie meinem besten Freund in die Hand.

»Du weißt schon, dass ich langsam Geld für die Werbung verlangen sollte«, scherzte er.

Ich musste unweigerlich lächeln, schob ihn aber dann zur Tür hinaus. »Schönen Tag, Luc.«

»Ciao, Teufelchen.«

Ich sah ihm noch nach, wie er zum Lagertor hinaus und am Schaufenster vorbei ging. Dann band ich kopfschüttelnd mein langes, blondes Haar zu einem Zopf und machte mich daran, einen Teil der Ware hinter die Theke zu räumen.

Noch während ich damit beschäftigt war, entdeckte ich durch die Glasscheibe meine erste Kundin. Kaum dass ich meinen Laden durch ein Tippen auf meinem Pad in den Status ›geöffnet‹ versetzt hatte, trat sie ein. An ihrer Hand ging ihr kleiner Sohn.

»Guten Morgen, Sarah«, begrüßte ich sie.

»Guten Morgen, Liebes.« Ihre schmalen, kirschroten Lippen formten sich zu einem Lächeln.

»Heute Morgen wieder zehn Frühstücksbrötchen und ein Laib Brot?«

»Ja, wie immer, Liebes«, antwortete sie, während ihr Sprössling die kleinen Finger gegen die Scheibe meiner Theke klatschte. Innerlich verdrehte ich die Augen. Immerhin war es mir ein kleiner Trost, dass reinrassige Vampirkinder im Gegensatz zu Mischlingen keine schwitzigen Finger haben konnten und nicht dazu neigten zu sabbern. Selbstverständlich ließ ich mir nichts anmerken und legte ihr die Ware lächelnd auf die Theke.

»Bitteschön. Darf es sonst noch etwas sein?«

»Nein danke, Liebes. Ich wünsche noch einen schönen Tag.« Mit diesen Worten nahm sie die Ware in die eine Hand und mit der anderen ihren Sohn bei den perfekten Händchen und drehte sich zum Gehen um. In dem Moment, in dem sie durch die Tür ging, bezahlte sie automatisch.

Mein nächster Kunde war einer der wenigen, die nicht sofort nach ihrem Einkauf bei mir in einen Zug oder ein Hovercar einstiegen. Mr. Johnson, seines Zeichens Anwalt, nahm stets an einem kleinen Tisch in der linken Ecke Platz, direkt neben der einzigen Pflanze in meinem Laden. Ich wusste, dass er immer Kaffee mit mindestens 30 Prozent Blutzusatz trank, daher kam ich schon mit der dampfenden Tasse zu ihm, kaum dass er sich hingesetzt, seine Krawatte zurechtgerückt und eine Serviette auf seinen Anzug gelegt hatte.

»Bitteschön, Ihr Kaffee. Was kann ich Ihnen heute Morgen sonst noch bringen?«

Er sah durch sein leeres Brillengestell zu mir empor. »Ich nehme ein 20er-Croissant.«

»Gerne.« Ich ging zurück hinter meine Theke. Während ich sein Croissant befüllte, sah ich im Augenwinkel, wie er, über sein Datapad gebeugt, den Kopf schüttelte.

»Kaum zu glauben«, empörte er sich, als ich den Teller vor ihm abstellte. »Die Blutpreise sollen schon wieder um zehn Prozent angehoben werden.«

Ich nickte verständnisvoll. »Ja, das ist ärgerlich.«

»Bald kann ich mir wohl nicht mal mehr Ihren Kaffee leisten.«

Ich wusste, dass er damit nicht auf die Qualität meiner Lebensmittel anspielte, sondern auf deren vergleichsweise günstigen Preise, also nickte ich einfach weiter. Mit Kunden zu diskutieren hatte ich mir noch nie angemaßt.

Noch während er weiter scrollte, betrat eine ganze Traube Kunden mein Geschäft. Ich überließ Mr. Johnson sich selbst und nahm die nächste Bestellung auf. Brötchen hier, Kaffee dort, hier mal etwas Herzhaftes, dort etwas Süßes. 20, 40, 60 Prozent. Die Wünsche meiner Kunden und ihre Vorlieben für menschliches Blut waren sehr unterschiedlich.

»Einen schönen Tag«, wünschte ich einer Kundin mit hochgestecktem, blondem Haar. Sie nickte mir freundlich zu und stolzierte in Richtung Ausgang, durch den gerade ein kleines Mädchen eintrat. Die blonde Dame rümpfte bei seinem Anblick die Nase und verließ kopfschüttelnd das Geschäft.

»Guten Morgen, Jas«, begrüßte ich das Kind.

Sie strahlte zu mir hoch und offenbarte dabei eine lückenhafte Reihe Milchzähnchen. »Hallo, Rain«, sagte sie, während ich hinter der Theke hervortrat, mich auf Augenhöhe vor sie kniete und ihr ein warmes, blutfreies Brötchen reichte. »Bitteschön, Süße.«

»Danke.« Sie biss direkt hinein.

»Wie geht es deinem Daddy?«

»Ganz okay«, antwortete sie etwas verhalten.

Daraus schloss ich, dass ihr Vater wieder eine dieser Phasen hatte, in denen er aus Angst vor der Welt das eigene Haus nicht verließ. Er wurde dafür, dass seine Frau ein Mensch war, mindestens so schief angeschaut, wie seine Tochter für ihre bloße Existenz. Ich fand es traurig. Noch trauriger fand ich jedoch, dass Jasmins Mutter den Behörden zum Opfer gefallen war. Er hatte sie nicht retten können und war depressiv geworden. Umso mehr erstaunte mich die Lebensfreude, die die Kleine an den Tag legte. Vielleicht tat sie das, um der Bitterkeit in ihrem Leben zu entfliehen. Ich wusste es nicht und fragte auch nie danach.

Zu der Zeit, die für uns Mittag war, verließ ich meinen kleinen Laden und schloss ihn hinter mir mit meinem Datapad zu. Wie die Sonne stand und ob es gerade tatsächlich Mittag war, spielte für uns keine Rolle. Wir hatten uns die Zeit so festgelegt, wie wir sie brauchten.

Langsam ging ich durch den Bahnhof. Der klinisch weiße, glänzende Boden war so makellos wie die Personen, die auf ihm liefen. Unweit von mir schwebte ein weißer Zug lautlos über ihn hinweg - ohne dass ihn jemand lenkte. Unser Zutun war in vielen Bereichen überflüssig geworden, wodurch sich unsere Arbeitszeit in bescheidenen Grenzen hielt. Niemand arbeitete länger als fünf Stunden täglich, dennoch ging es allen gut. Das war unser Privileg am oberen Ende der Nahrungskette.

Es war auch das meiner Freundin Maggie, besaß sie doch hier im Bahnhof ein kleines Café. Ich besuchte sie fast jeden Mittag in unserer Pause. Obwohl wir einander gewissermaßen Konkurrenz machten, verstanden wir uns prächtig. Ich erinnerte mich nicht mehr daran, wie wir Freunde geworden waren, wohl aber daran, wie sie und ihr Vater mir in meinen Anfangszeiten unter die Arme gegriffen hatten. Im Gegensatz zu mir besaß Maggie nämlich noch eine Vergangenheit.

»Hey, Rain«, begrüßte sie mich, als ich ihr Geschäft betrat, und fiel mir um den Hals. Ihr feuerrotes Haar trug sie heute zu zwei Zöpfen gebunden. »Schau mal!«, sagte sie dann mit überschwänglicher Euphorie in ihrer hohen Stimme und deutete auf etwas auf dem Tresen. Es war eine gelbe Blume, die ausgetrocknet und sehr mitgenommen aussah.

»Die ist echt! Fass mal an!«, forderte sie mich auf.

Ich strich vorsichtig über die kleinen dunkelgrünen Blätter. Tatsächlich fühlte sie sich nicht im Entferntesten wie die Kunstblumen an, die unsere Wohnungen sonst schmückten. Dabei hatte ich bisher immer angenommen, unsere Kopien seien originalgetreu.

»Riecht sie nicht wundervoll?« Maggie hielt sie sich demonstrativ an die Nase und reichte sie dann wieder mir. Ich roch kaum noch etwas. Dennoch ließ mich der schwache Duft zumindest erahnen, wie sie gerochen haben mochte, als sie noch blühte und im Sonnenlicht baden konnte. 

»So toll«, sagte Maggie, stellte die Blume in eine Vase und dann auf ein Regal hinter dem Tresen, direkt neben einer Handvoll alter Bücher, die sie dort wohl mehr zu Dekozwecken platziert hatte.

»Schade, dass sie bald nur noch ein welker Haufen sein wird.«

Maggie sah mich an, als hätte ich ihr gerade den ganzen Tag vermiest.

»Was denn? Ohne Licht gehen die doch ein. Oder warum haben wir sonst nur künstliche Blumen mit künstlichen Duftstoffen?«

Meine Freundin seufzte, dann machte sie sich daran, mir meinen Latte macchiato so zuzubereiten, wie ich ihn mochte: mit viel Milchschaum, etwas Zucker und nur wenig Blut.

»Schon was Neues von deinem Dad gehört?«, fragte ich sie, als ich mich auf den Barhocker ihr gegenüber setzte. Sie verschränkte die Arme auf dem Tresen und schüttelte den Kopf. Im Hintergrund gluckerte der Kaffee in die warme Milch.

»Gar nichts?«

»Gar nichts«, antwortete sie.

»Hm ...«

Ihr Vater war oft längere Zeit unterwegs, um nach dem Verbleib ihrer Mutter zu forschen. Daher rührte auch ihr großes Interesse für menschliche Überbleibsel. Ihr Dad hortete solche Relikte nahezu und sog jede Information wie ein Schwamm auf. Aber so lang wie jetzt war er noch nie an einem Stück fort gewesen.

»Er wird bestimmt bald wieder auftauchen«, versuchte ich, meine Freundin aufzumuntern.

»Bestimmt«, sagte sie, wirkte jedoch ausnahmsweise wenig überzeugt von ihren eigenen Worten.

»Wo hast du die Blume denn her?« Wenn Aufmuntern nicht ging, war Ablenkung angesagt.

»Hat mir jemand über ein paar Ecken verkauft.« Nachdem sie mir das Glas hingestellt hatte, begann sie die Kaffeemaschine abzuwischen. »Vielleicht ist er ja dieses Mal wirklich nach oben gegangen«, mutmaßte sie dann.

Beinahe hätte ich meinen Kaffee wieder ausgespuckt. »Dein Ernst?«

Sie zuckte mit den Achseln. »Ich weiß nicht. Möglich wär's doch. Immerhin sucht er Mum hier schon seit Jahren vergeblich, und wenn sie offensichtlich kein Vampir ist, vielleicht ist sie ja noch ein Mensch?«

Ich schüttelte den Kopf. »Nein, er kommt bestimmt bald wieder. Ist doch viel zu gefährlich. Er würde doch nie riskieren, dass ihm etwas passiert und er dich alleinlassen muss.«

Sie sah noch immer traurig aus. »Wahrscheinlich hast du Recht.«

»Hast du schon davon gehört, dass die Blutpreise wieder steigen sollen?«, versuchte ich ein weiteres Mal das Thema zu wechseln.

»Kein Wunder!«, tönte sie empört, dann zog sie ihr Datapad hervor, tippte eilig darauf herum und schob es mir zu. »Lies mal!«

Auf dem Display war ein Artikel des ›Human Protection Program‹:

»Zahlreiche Videos, die wir oben aufnehmen konnten, belegen eindeutig, mit welch kruden Methoden die Menschen zur Abgabe ihres Blutes gezwungen werden. Manche sterben gar bei der Blutabnahme. Wir müssen weiter nach energetischen Blutersatzstoffen forschen, um dieses Leid zu beenden!«

»Furchtbare Sache, dieses Humanodrom«, sagte Maggie und schüttelte ungläubig den Kopf.

»Humanodrom?«, fragte ich.

»Eine Einrichtung, in der Menschen gegen ihren Willen festgehalten und versklavt werden. Einmal habe ich sogar gelesen, dass sie sie dort züchten, weil sie sonst die Nachfrage nach Blut nicht stillen können.«

»Das hört sich wirklich schrecklich an.«

»Ja, deswegen habe ich heute die Preise noch mal angezogen.«

Ich sah vom Display zu ihr, wie sie auf die Preistabelle an der Wand zeigte. Gestern hatte der Kaffee noch etwas mehr als die Hälfte gekostet.

»Ich weiß, dass du das nicht machen kannst, Rain«, antwortete sie, wahrscheinlich aus Angst, ich würde ein schlechtes Gewissen bekommen, wenn ich an meine Billigpreise dachte.

»Nein, alles gut.« Ich hob beschwichtigend die Hände.

Als ich wenig später meinen Heimweg antrat, dachte ich noch immer darüber nach, was Maggie gesagt hatte. War es möglich, dass ihr Vater wirklich nach oben gegangen war? Ich wusste natürlich, dass es dieses Oben gab und auch, dass dort die letzten Menschen lebten, aber für unsereins war es, zumindest als normaler Bürger, fast unmöglich dorthin zu gelangen. Erstens waren alle öffentlichen Zugänge verschlossen worden, nachdem unsere Welt fertiggestellt worden war, und zweitens würde das Licht uns, sofern man es doch irgendwie dorthin schaffen sollte, sofort verbrennen. Oder etwa nicht?

Nachdenklich sah ich mich um. Maggie und ich konnten doch nicht die Einzigen sein, die sich abgesehen vom HPP Gedanken darüber machten, was außerhalb unserer Welt so vor sich ging.

Ich sah abwesend zu einem spazierenden Pärchen, als mir auffiel, dass alle Leute hier im Bahnhof verstohlene Blicke auf einen bestimmten Punkt warfen. Vier Wachposten standen im Kreis zusammen. Alle hatten ihre Datapads zur Hand und schienen irgendetwas nachzulesen. Es war natürlich nicht das erste Mal, dass ich einen Wachposten sah, im Bahnhof war es normal, dass man gelegentlich einen oder zwei herumlaufen sah. Doch vier, die die Köpfe zusammensteckten, waren dann doch eher die Ausnahme.

Auch andere Ladenbesitzer wagten verstohlene Blicke aus ihren Schaufenstern. Doch so richtig nervös schien niemand. Die meisten gingen wohl davon aus, dass das Wachpersonal schon alles im Griff hatte und sie nicht betroffen waren. Die ›Security Guards‹ waren schließlich für unser aller Wohl da.

Kurz darauf stand ich schon wieder vor meiner Bäckerei. Als ich mein Tor jedoch wie gewohnt öffnen wollte, musste ich feststellen, dass das eigentlich rote Schlosssymbol auf meinem Bildschirm noch immer grün war. Hatte ich etwa versehentlich zweimal drauf getippt oder war womöglich mein Datapad defekt?

Mit einem mulmigen Gefühl trat ich nach kurzem Zögern ein, ließ jedoch das Tor hinter mir offen, damit ich im Fall der Fälle nicht meinen eigenen Fluchtweg versperrte. Mir kam wieder das Wachpersonal in den Sinn. Wen immer sie suchten, hatte er oder sie vielleicht meine Tür aufgebrochen? Aber das konnte doch nicht sein; es gab keinen Grund, jemanden zu bestehlen, wir lebten im Überfluss.

Ich schaltete, nun recht nervös, das Licht ein. Zunächst fiel mir nichts Ungewöhnliches auf. Dann jedoch stieg mir ein seltsamer Geruch in die Nase. Eine Mischung aus Altbekanntem und Neuem erfasste meine Sinne und ließ noch mehr Unbehagen in mir aufkeimen. Dennoch ging ich weiter - nur um nach ein paar Schritten schließlich wie angewurzelt stehen zu bleiben: Hinter einer großen Palette sah ich eine Person kauern.

»Wer ist da?«, rief ich.

Dieser Jemand brauchte keine zweite Aufforderung und kam nun etwas zögerlich, jedoch noch immer gebückt, hervor. Es war ein junger Mann. Im ersten Moment wollte ich ihn einfach rausschmeißen, doch dann musterte ich ihn genauer. Noch nie hatte ich jemanden mit einem so dunklen Hautton gesehen. Auch waren seine Augen von viel kräftigerer Farbe, als ich es gewohnt war. Und dann dieser Geruch, den er ausströmte. Vielleicht roch er einfach von Natur aus so, vielleicht lag es an der kleinen Wunde an seiner Stirn.

Binnen weniger Sekunden schaltete ich: Das hier war kein Vampir, nicht mal ein Halber.

»D- D- Du«, stammelte ich, dann stolperte ich zurück und schloss das Tor hinter mir.

Den Gedanken nach draußen zu gehen und das Wachpersonal zu rufen, das ich kurz zuvor noch dort hatte stehen sehen und wie ich es Sekunden zuvor noch vorgehabt hatte, verwarf ich rasch. Nachdem ich das Tor geschlossen wusste und mich vergewissert hatte, dass draußen niemand war, beruhigte ich mich langsam wieder und atmete einmal tief durch.

Okay, in meinem Lager saß ein waschechter Mensch. Ich hatte noch nie einen in natura gesehen und tat gerade garantiert das Falsche, doch war ich entweder zu neugierig oder zu gutherzig ihn zu verpfeifen -oder zu dumm. Vielleicht auch von allem etwas.

Die ganze Zeit über hockte er stumm hinter der Palette und starrte mich an. Er wirkte nicht gerade verängstigt, eher neugierig.

»Okay«, begann ich leise und ging auf ihn zu, woraufhin er nun doch etwas zurückwich, wenn auch nur wenige Zentimeter. »Was machst du hier?«

»Mich verstecken?«, antwortete er, als wäre meine Frage absolut überflüssig gewesen. Es war das erste Mal, dass ich die Stimme eines Menschen hörte. Um ehrlich zu sein, erkannte ich kaum einen Unterschied. Sie war etwas tiefer, aber das konnte auch daran liegen, dass er nun mal ein Kerl war.

Ich spürte den Drang, mir mit der Handfläche an die Stirn zu fassen. Jetzt erst fiel mir auf, dass er in seiner Hand ein angebissenes Croissant hielt. Ich erinnerte mich an Maggies HPP-Artikel. In mir kam ein Anflug von Mitleid auf, das ich aber rasch zu unterdrücken versuchte. »Wie kommst du hier rein?«

»Durch die Tür?«, kam die Antwort ebenso unverschämt wie die zuvor.

Ich antwortete nicht und registrierte stumm, dass sich meine Vermutung, dass ich schlicht mein Tor zu verschließen versäumt hatte, als korrekt erwies.

Durch mein Schweigen schien er sich genötigt zu sehen mich zu besänftigen.

»Bitte, ich will keinen Ärger.« Er hatte ganz offensichtlich doch Angst, auch wenn er sie zu verbergen versuchte. Klar wollte er keinen Ärger. Ich auch nicht. Und doch steckten wir da nun beide drin und zwar bis zum Hals.

»Glaub' mir, den haben wir schon längst.« 

-------- 
-------- 
-------- 

Meine Lieben,
lange habt ihr nichts mehr von mir gehört - aber das bedeutet nicht, dass ich nichts geschrieben habe. 


Auf den Tag genau 10 Jahre ist es her, dass ich den Prolog von "Rising Sun" im Internet hochgeladen hatte. Damals war es nur ein Hobby. Mit der Zeit wurde daraus eine Leidenschaft. Und dank eurer Unterstützung und eurem Zuspruch schließlich ein Berufswunsch. Immer wieder haben mich Nachrichten erreicht, mit der Bitte, auch mal "etwas ganz eigenes" zu schreiben. Und das habe ich getan. Endlich.
Und ihr müsst euch gar nicht so sehr umstellen. Denn auch in "Vampirya" spielen die Liebe und moderne Vampire eine zentrale Rolle. Rain hat sicherlich ein bisschen was von (meiner) Renesmee, in Aidan findet sich bestimmt ein wenig Anthony (hab ich schon erwähnt, dass ich Männernamen mit A mag?). Und doch ist es etwas ganz neues und hoffentlich etwas, für das ihr die selbe Begeisterung aufbringen könnt, wie damals für Ani und Co., denn "Vampirya" kann einzeln gelesen werden, wird jedoch der Auftakt einer Reihe sein.
Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr mich dabei genauso begleitet und unterstützt, wie ihr es bei meinen Fanfictions getan habt, denn ich habe keinen Verlag im Rücken, der für mich die Werbetrommel rührt. Ich bin gespannt auf euer Feedback und freue mich auf die Zukunft mit euch. 


Vampirya ist seit 1. März 2019 als E-Book und Taschenbuch erhältlich. 
Ihr könnt es in vielen Büchershops online oder bei eurer Lieblingsbuchhandlung bestellen. :)


Schaut gerne auch auf meiner Homepage vorbei: 
www.chaela.de

Und folgt mir auf Facebook: 
Chaela ~ Autorin & Grafikerin
www.facebook.com/chaela.de

Und Instagram: 
chaela.autorin
www.instagram.com/chaela.autorin

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 12.06.2019

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /