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Prolog

Licht und Schatten

 

Es war Dunkel im Wald von Mordn. Das Blätterdach war dicht und ließ keinen einzigen Mondstrahl in Richtung Waldboden fallen. Die Schatten waren Schwärzer als die Nacht und hätte man nicht ein leises rascheln vernommen, wären einem die Atemgeräusche garantiert nicht aufgefallen. Leises, stoßweises, ängstliches Atmen. Betrachtete man die Dunkelheit genauer konnte man eine Silhouette erkennen. Zart und klein. Viel zu klein. Die Silhouette eines kleinen Mädchens. Vielleicht sollte ich erwähnen, dass dieser Wald nicht einfach irgendein harmloser Wald war. Auch das wäre schon beängstigend genug für ein kleines Mädchen gewesen. Aber nein, bei diesem Wald handelt es sich um den Wald der Zentauren. Mächtige Wesen mit dem Oberkörper eines Menschens und dem Unterkörper eines Pferdes. Zur vollen Größe ausgewachsen erreichten sie ein Maß von bis zu 3 Fuß. Ihre Körper waren ein einziger gewaltiger Strang aus Muskeln und ihre Bewegungen waren so geschmeidig und anmutig wie die einer Katze. Die Gesichter der weiblichen Zentauren waren so unvergleichlich schön wie die Gesichter von Engel, doch es waren die männlichen Zentauren die aufgrund ihrer Schönheit, Stärke und Grausamkeit genauso verehrt wie gefürchtet wurden. Die Menschen bewunderten diese gottesähnlichen Kreaturen und genau so sehr wie sie sie bewunderten hatten sie auch Angst vor ihnen. Den Zentauren waren keinesfalls friedliche Wesen. Nein, ihr Blutdurst und ihr Hass auf andere Völker eilten ihrem Ruf voraus. Sie blieben immer für sich, vermischten sich nie mit anderen Spezien. Sie führten Krieg mit denen die es wagten sie herauszufordern und metzelten aber genauso wehrlose Dörfer nieder. Doch nun zurück zu dem Mädchen. Dem Mädchen das voller Angst unter einem Busch im Reich der Zentauren hockte und um sein Leben fürchtete. Ihr Name war Mirana und sie hatte sich zu weit in den Wald gewagt und sich dann hoffnungslos verlaufen. Auf der Suche nach Pilzen und Wurzlen für das Abendbrot, geriet sie vom Weg ab. Ihre Mutter Selain würde in der Zwischenzeit krank vor Sorge sein. Doch Mirana dachte im Moment nicht an ihre Mutter, sie dachte auch nicht daran zu sterben und ganz gewiss dachte sie nicht mehr an die Pilze und Wurzeln die sie hätte sammeln sollen. Nein, sie dachte in dem Moment als sie ihn sah, dass sie noch nie ein schöneres Wesen in ihrem Leben gesehen hatte. Er war groß, viel größer als Mirana und breit, wie ein Baum obwohl er in ihrem Alter war. Sein Gesicht hatte noch kindliche Züge obwohl seine Augen nur so vor Hass und Ekel glühten. Er musterte sie bereits geschlagene 5 Minuten ohne sich zu bewegen und Mirana wagte nicht zu atmen aus Hoffnung er würde sie vielleicht doch übersehen. Doch an seiner Körperhaltung erkannte sie, dass er sie längst bemerkt hatte. Langsam erhob sie sich, wenn sie schon sterben sollte dann verdammt nochmal nicht auf Knien. Mirana war erst 10 Jahre alt aber durch den rauen Umgang im Dorf verhielt sie sich bereits wie eine erwachsene Frau und fluchte auch so, was sie schon so manche Ohrfeige von ihrer Mutter kostete. Nun stand sie also da vor diesem schönen vor Hass strotzendem Zentaurenjungen und wartete auf seine Reaktion. Er musste ungefähr in ihrem Alter sein. Zumindest dachte sie das. Sie hatte natürlich keine Ahnung wie alt Zentauren wurden und wann sie das Kindesalter hinter sich ließen. Langsam wurde sie jedoch unruhig. Er starrte sie nur an und unternahm nichts. Gar nichts. Schließlich sprach sie: „Was willst du von mir?“, überraschen breitete sich auf dem Gesicht des anderen aus aber er erwiederte nichts. Mirana dachte nach, vielleicht verstand er sie auch nicht. Sie hatte natürlich keine Ahnung welche Sprache Zentauren sprechen. Letztendlich versuchte sie es noch einmal: „Ich weiß das ist euer Wald, aber ich habe mich verlaufen und nun finde ich den Weg nicht mehr zurück nach Hause. Bitte, könntest du mir vielleicht den Weg zurück zum Waldrand zeigen? Ich schwöre ich sage niemanden etwas dass ich dich getroffen habe oder dass du mir geholfen hast. Ich habe nur so schreckliche Angst das ich nie…“, „Schweig! Von deinen Worten wird mir übel!“ Verdutzt starrte sie auf seine erhobene Hand und anschließend in sein erzürntes Gesicht. Er hatte gesprochen! Gut seine Worte waren nicht die nettesten aber schließlich redete man nicht mit seinem Essen und so standen die Chancen gut, dass er sie nicht umbrachte. Vorläufig zumindest nicht. „Ihr Menschen macht mich krank. Euer Gewinsel und Gestöhne wenn ihr euch nicht mehr zu helfen wisst. Ekelhaft! Man sollte euch alle umbringen!“ Ohje… das war nun wahrhaftig nicht die Richtung in die sie dieses Gespräch lenken wollte. Sie wartete ob er noch etwas sagen würde aber er schwieg wieder. Schließlich kam er auf sie zu und sie schloss die Augen. Lieber Gott bitte mach das es schnell geht, bitte mach das ich nichts spüre, bitte mach das, … „Mach die Augen auf oder willst du von meinem Rücken runterfallen!“ sprach er während er sie schon schwungvoll auf seinen Rücken warf. Nun verstand sie gar nichts mehr. Erst beleidigte er sie und nun saß sie auf ihm. Sie hatte noch nie davon gehört, dass ein Zentaur einem Menschen half, geschweige denn das jemals ein Mensch auf ihnen geritten sei. Immer noch verdutzt betrachtete sie ihn genauer. Er hatte seidig glattes Fell. Viel weicher als das eines echten Pferdes. Es war schwarz oder zumindest sehr dunkel, allerdings konnte sie es aufgrund der Dunkelheit nicht genau erkennen. Für weitere Betrachtungen hatte sie auch gar keine Zeit mehr den schon stürmte er voran. Sie wusste nicht wo sie sich festhalten sollte und so umklammerte sie nach kurzer Überlegung seinen Rumpf. Es war ein komisches Gefühl unter den Händen sowohl menschliche Haut als auch Fell zu spüren. Ihr ritt dauerte nicht allzu lange aber ihr schien es als wären sie schon seit Stunden unterwegs. Sie hatte sich an den gleichmäßigen Rhythmus gewöhnt, an das Heben und Senken seiner Seiten wenn er atmete und an den sehnigen, bereits äußerst kräftig aussehenden Rücken vor ihr. Schließlich blieb er stehen und warf sie mit einem kurzen Aufbäumen einfach ab. Sie rappelte sich auf um ihm atemlos noch etwas zu fragen aber er war schon zwischen den Stämmen des Waldes verschwunden.

Der Anfang

 Mirana schreckte aus ihrem Traum hoch. Schweißgebadet saß sie in ihrem Bett und schnappte nach Luft. Seit 10 Jahren, immer wieder derselbe Traum. Immer wieder dieselbe dunkle Gestalt, die sie gerettet hatte. Und sie wusste bis heute noch nicht, warum. Sie hatte den Zentaur von jener Nacht nie wieder gesehen. Genauso wenig hatte sie ihn vergessen können. In der Zwischenzeit war Mirana zu einer jungen Frau herangewachsen. Groß, braune Haare, dunkle Haut, braune Augen, eine kleine Schönheit konnte man sagen. Wobei sie natürlich der Schönheit der Zentauren in jeder Hinsicht nachstand. Mirana ging oft in den Wald und hielt nach ihrem Retter Ausschau. Auch wenn das gefährlich war, da die Zentauren viele Dörfer in ihrer Umgebung angegriffen und fast ausgelöscht hatten. Ihre Mutter warnte sie immer wieder davor, doch nicht allein loszuziehen und immer in der Nähe des Dorfes zu bleiben. Aber Mirana dachte, wieso sollte ich jetzt getötet werden wenn man mich vor 10 Jahren verschont hat. Auch war ihr Dorf das Einzige was bisher noch nicht von den Zentauren angegriffen wurde, was fast alle Dorfbewohner gleichermaßen wunderte. Mirana hatte ihr Wort gehalten und niemanden von dem Vorfall in jener Nacht erzählt. Ab und zu glaubte sie, dass nur weil sie bis jetzt geschwiegen hatte ihr Dorf von einem Angriff verschont geblieben ist. Allerdings war Mirana keineswegs größenwahnsinnig oder so eingebildet das dauerhaft ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Es war einfach pures Glück. Und trotzdem blieb ein Funken Hoffnung, dass nur wegen ihr das Dorf noch nicht überrannt wurde.

Es war an einem frühen Morgen, als Mirana beschloss in den Wald zu gehen und Pilze und Beeren für das Frühstück zu sammeln. Ihre Mutter Selain schlief noch und einen Vater hatte sie nie gekannt. Die Sonne war gerade am Aufgehen und es war ein herrlicher, klarer Morgen. Die Welt begann gerade erst zu leben. Die Wiesen waren noch mit Tau überzogen und der Wald lag dunkel und geheimnisvoll vor Mirana. Auch wenn sie sich nach wie vor in den Wald traute, ging sie nie wieder so tief hinein wie damals in jener Nacht. So streifte sie am Waldrand entlang und pflückte wilde Himbeeren und Brombeeren. Auch ein paar Pilze fand sie und kurz entschlossen ging sie ein Stück tiefer um noch mehr von diesen leckeren Kleinigkeiten zu finden. Auf einmal hörte sie ein Geräusch. Mirana hielt inne und lauschte. Gerade wollte sie sich wieder bücken um weiter Pilze abzuschneiden, da sie schon meinte sich getäuscht zu haben. Plötzlich hörte sie es wieder, es war ein leises Gestöhne das vom Fluss kam. Bestimmt nur irgendein Tier, dachte Mirana. Ich ignoriere es einfach, beschloss sie. Allerdings war das leichter gesagt als getan, denn das Geräusch wurde lauter. Was am Anfang noch ein leises Stöhnen war, hatte sich nun regelrecht zu lautem Wehklagen entwickelt. Mirana dachte nach. Der Fluss lag ungefähr einen kurzen Fußmarsch tief im Wald. Allerdings war das tiefer im Wald als sie jemals wieder gehen wollte. Mirana kratzte das bisschen Mut was sie hatte zusammen und ging los. Sie würde nur mal vorsichtig nachschauen was denn da so leiden musste. Und wenn sie nicht helfen konnte und es zu gefährlich war würde sie sofort wieder umdrehen. Denn von Zentauren ging in diesem Wald nicht die einzige Gefahr aus. Es wimmelte auch nur so von großen Braunbären, wilden Luchsen und hungrigen Wölfen. Und denen wollte Mirana garantiert nicht in die Klauen fallen. Langsam bewegte sie sich durch den Wald. Blieb immer wieder stehen um zu lauschen, ob das Geräusch noch da war. Doch sie hörte es weiterhin und somit war die Idee umzudrehen wenn es verstummte, dahin. Was zum Teufel machte sie bloß hier, fragte sie sich immer wieder. Schließlich war sie am Fluss angelangt und die Überlegungen, ob sie doch wieder umkehren sollte oder ob sie geistig wirklich gesund war, verflüchtigten sich auf einen Schlag. Vor ihr lag der breit reißende Fluss und am Flussufer, keine 10 Fuß entfernt im Schlamm lag ein Zentaur. Es war klar, dass die Schmerzenslaute von ihm gekommen waren den in seiner Flanke steckte ein Speer und Blut sickerte aus der Wunde hervor und tränkte den schlammigen Boden und färbte den Fluss rot. Es war so viel Blut das sich Mirana wunderte, dass er überhaupt noch lebte. Doch auf einmal wurde ihr klar was sie da vor sich hatte. Ein ausgewachsener Zentaur lag am Fluss, stieß ab und an ein Schmerzensgeheule aus und sie stand keinen Speerwurf entfernt und starrte wie gebannt auf die Szenerie. Sie musste hier weg. Wenn seine Artgenossen kamen, würde man sofort annehmen, dass sie den Speer geworfen hatte und sie töten. Lauf, dachte Mirana. Lauf so schnell du kannst! Doch sie blieb wo sie war. Zu überwältigt von der Situation die sich ihr darbot. Verdammt nochmal was ist nur mit mir los, dachte sie. Langsam schlich sie näher und ging hinter einen der großen Flusssteine in Deckung. Nun war sie höchstens noch 3 Schritte entfernt. Plötzlich schlug der Wind um und der Zentaur hob ruckartig den Kopf und fuhr zu ihrem Stein herum. Er witterte sie. Mirana wusste es war zwecklos noch zu fliehen, geschweige denn sich weiter zu verstecken. Er wusste, dass sie da war und so erhob sie sich. Einige Augenblicke konnten sie einander nur anstarren. Aus seinen Augen sprach Schock, Überraschung und Unglaube. Aus ihren dagegen Fassungslosigkeit und Bestürzung. Vor ihr im Schlamm lag derselbe Zentaurenjunge der sie damals im Wald gerettet hatte. Nur das er nun kein Junge mehr war. Nein, er war ausgewachsen und würde er auf seinen vier Beinen stehen wäre er bestimmt doppelt so groß wie sie. Mirana wusste nicht wer sich als erstes bewegte, als sie schließlich ein keuchendes „Du!“ herausbrachte. Immer noch schockiert und eindeutig überfordert stieß der Zentaur ein ersticktes Schnauben aus und versuchte sich von ihr wegzuziehen. Mirana sah das er nicht nur schockiert war, sondern durchaus auch Angst seine Miene verzerrte. Wie konnte ein Zentaur Angst vor ihr haben? Gerade vor ihr, die sich in dem Moment mehr fürchtete als irgendjemand sonst auf der Welt. Sie wartete bis er sich wieder einigermaßen beruhigt hatte und ruhig liegen blieb. Dann stieg sie geschickt über den Stein und stand nun zwischen seinen Beinen um sich die Wunde genauer anzusehen. Noch hatte er sich noch nicht bewegt, aber sie spürte dass seine Muskeln zum Bersten gespannt waren und er jederzeit bereit war sich notfalls noch im Liegen zu verteidigen. Er hatte noch kein Wort gesagt doch in seinen Augen konnte sie erkennen, dass er wusste wer sie war. Mirana musterte nun die Wunde und überlegte wie sie, sie am besten verarzten konnte. Um sie ausreichend zu säubern und zu nähen musste der Speer herausgezogen werden und mit einem Blick auf ihn, wurde ihr bewusst das, dass kein leichtes Unterfangen sein würde. Kurz überlegte sie ihn einfach liegen zu lassen, sich umzudrehen und im Wald zu verschwinden. Aber dann dachte sie an die Nacht zurück und daran das er sie auch nicht hatte stehen lassen. Er hatte ihr geholfen, sie nicht getötet, sie sicher nach Hause gebracht. Und genau das Gleiche würde sie nun auch tun. Und danach würde sie vermutlich sterben. Allein wenn sie daran dachte ihn zu seinem Stamm zurück zu bringen, drehte sich ihr der Magen um. Aber eines nach dem anderen. Sie suchte seinen Blick und sprach laut und deutlich damit er sie hören konnte, weil sie merkte dass ihn der Blutverlust immer weiter schwächte und er langsam aber sicher das Bewusstsein verlor. „Ich werde dir helfen, aber dazu muss ich den Speer heraus ziehen! Du musst versuchen still zu halten und nicht zu arg um dich zu schlagen, da du mich sonst schwer verletzen könntest!“ Sie wusste nicht ob er sie verstanden hatte, da er nicht auf das Gesagte reagierte. Schließlich machte sie einen weiteren Schritt auf ihn zu und packte den Schaft des Speeres. Schmerz und Panik standen in seinen Augen, doch er regte sich nicht. „Beruhige dich! Ich werde ihn mit einem Ruck heraus ziehen. Es muss sein, sonst bringt der Blutverlust dich um. Sei tapfer!“, meinte sie zu ihm. Kurz klärte sich sein Blick und sie sah so etwas wie Belustigung in ihnen blitzen. Aber es war so schnell vorbei wie es gekommen war und so war sie sich nicht sicher. Toll, dachte sie nun macht er sich auch noch über mich lustig. Ich werde diese Rettungsaktion bereuen. Aber ihr Entschluss stand fest, sie würde ihm helfen. Kurz entschlossen zog sie den Speer mit einem kräftigen Ruck heraus. Er schrie auf, verdrehte die Augen und verlor das Bewusstsein. Blut sprudelte aus der Wunde hervor. Schnell drückte sie etwas Moos, dass sie sich zuvor bereit gelegt hatte auf die Wunde. Sie legte einen provisorischen Druckverband an. Das musste als erstes reichen. Nun überlegte sie, wie sie ihn den vom Wasser wegholen konnte. Sie hatte keine Kräuter und Salben dabei die ihr bei der Verarztung geholfen hätten und außerdem musste er ins Trockene gebracht werden sonst konnte sie sich die Verarztung sparen. Mit nassen Gliedern und der Kälte des Flusses in den Knochen konnte kein Mensch gesund werden. Und auch kein Zentaur. Gottgleich hin oder her. Moment mal, er blutete, war er dann überhaupt göttlich? Götter bluteten doch nicht. Das Gedankenkarussell von Mirana begann sich immer schneller zu drehen. Stopp! Das musste aufhören. Eines nach dem anderen. Erst mal überlegen wie ich ihn hier wegbekomme. Also tragen viel schon mal raus, er wog bestimmt das Vierfache von ihr. Ziehen konnte sie ihn auch nicht. Er war zu schwer und außerdem würde der Verband abgehen. Mh… ein Wagen wäre gut. Aber den einzigen Wagen den es in der Nähe gab, hatte Gerold der Dorfschmid und der würde ihn ihr sicher nicht für einen Zentaurentransport überlassen. Mist verdammter, warum musste das Leben auch so kompliziert sein. Plötzlich nahm sie Geräusche neben sich wahr und schaute auf. Ein riesiger Braunbär stand keine zwei Meter entfernt. Und dahinter sah sie noch zwei dieser wilden und gefährlichen Kreaturen näher kommen. Panik breitete sich in Mirana aus. Sie wollten den Zentauren fressen. Klar, so musste es ein. Ein Braunbär würde sich niemals einem gesundem Zentauren nähern, geschweige ihn Angreifen. Drei Braunbären wären wohl eine kleine Herausforderung für einen Zentauren, aber nichts desto trotz würde der Zentaur sie bezwingen, aber so. Schwer verletzt und nicht bei Bewusstsein, gäbe er nur ein zu leichtes Opfer ab. Oh mein Gott, was sollte sie tun. Schnell griff sie nach ihrem Dolch den sie immer beim Pilze sammeln mit sich führte, aber die Klinge war alt und vom vielen Gebrauch schon leicht stumpf. Als der erste Bär die Waffe sah, begann er zu knurren. Super Idee Mirana, frisst er dich halt als erstes, toll mach weiter auf dich aufmerksam, verspottete sie sich selbst. Langsam kamen der Bär und seine Gefährten näher. Sie wich zurück und stellte sich mit dem Rücken zu dem Zentaur, vor ihr die drei Bären. Als sie dort stand, zwischen Zentaur und Bären, dachte sie das, das unmöglich gut ausgehen konnte. Sie hatte nicht mal die Kraft und die Kampftechnik einen einzigen dieser Bären niederzustrecken, ganz zu schweigen von drei. Die Bären waren jetzt so nah, dass der Bär links von ihr bereits den Kopf des Zentauren erreicht hatte. Kurz betete sie, dass er doch aufwachen möge, doch seine Augen blieben weiterhin geschlossen. Sie schrie den Bär an: „Verschwinde du Monster! Hau ab und lass ihn in Ruhe!“ Die Bären beachteten sie jedoch gar nicht weiter und sahen nur noch auf den Zentaur. Sie machte ein paar Stiche mit ihrem Messer in die Luft um sie abzuschrecken, aber es entlockte ihnen nur ein schwaches Knurren. Schließlich hob der Bär der nun direkt vor ihr stand die Pranke und wischte sie wie eine lästige Fliege zur Seite. Mirana konnte nicht schnell genug reagieren und selbst wenn hätte ihre Gegenwehr nicht allzu viel gebracht. Sie stellte sich auf den unweigerlich kommenden Schmerz ein, und tastete an ihre Seite um warmes Blut zu fühlen, aber da war nichts. Kein Blut, kein Schmerz. Verdutzt betrachtete sie ihre Seite genauer. Bis auf einen blauen Fleck würde dort nichts bleiben. Sie sah auf und ihre Augen wollten nicht begreifen was sie da sahen. Anstatt ein wildes Gemetzel von drei Bären beim fressen zu sehen, sah sie wie die Bären den Zentaur behutsam auf ihre starken Rücken gepackt hatten und sich in Richtung Wald davonmachten. Noch immer vollkommen verdattert sprang Mirana auf und stürmte ihnen hinterher. Die Bären knurrten sie zwar nicht an, aber sie ließen sie keine Sekunde aus den Augen. Genauso wenig wie Mirana den Zentauren aus den Augen ließ. Nach einem kurzen Marsch durch den Wald kamen sie zu einer Höhle die gut versteckt lag und doch groß genug war um drei Bären, einen Zentaur und eine junge Frau aufzunehmen. Die Bären legten den Zentaur vorsichtig auf den Boden ab, bevor sie links und rechts Stellung bezogen und der letzte Bär gemächlich zum Höhlenausgang trottete um sich direkt davor hinzulegen. Mirana beobachtete mit zusammen gezogenen Augenbrauen die Szenerie vor ihr. Das würde ihr niemand glauben. Gut sie würde es sowieso niemandem erzählen, weil die Geschichte von Anfang an so unglaubwürdig war. Da konnte sie gleich behaupten ein Wolf habe ein Lamm großgezogen. Das hörte sich nicht weniger abwegig an. Schließlich wurde Mirana aus ihren Gedanken gerissen als der Zentaur sich zu regen begann. Er stöhnte auf war aber noch immer bewusstlos. Da wurde ihr klar, dass er noch immer schwer verletzt war und medizinisch versorgt werden musste. Sie rannte aus der Höhle und fiel fast über den Bären der dort Wache schob. Dieser brummte nur, schenkte ihr aber ansonsten keine weitere Beachtung. Mirana rannte den Weg zurück den sie gekommen waren und dann direkt vom Fluss aus nach Hause. Die Sonne war immer noch nicht komplett aufgegangen und ihre Mutter schlief tief und fest. Sie suchte in der Küche nach verschiedenen Kräutern, nahm die Heilsalbe von ihrem gewohnten Platz und steckte noch Verbände und etwas zu Essen ein. Sie wusste zwar nicht was Zentauren aßen, aber sie würde es einfach mit einem Stück Brot und etwas Fleisch versuchen. Schließlich stopfte sie alles in einen selbstgemachten Rucksack und lief wieder nach draußen. Über die Wiese zum Wald und wieder zum Fluss. Von dort aus suchte sie sich den Weg zurück zur Höhle und hatte schon Angst, dass die Bären und der Zentaur fort waren. Aber sie lagen immer noch genauso da wie sie sie verlassen hatte. Vorsichtig stieg sie über den, bereits schlafenden Bären am Eingang der Höhle. Die beiden anderen Braunbären hatten sich zu den Seiten des Zentaur niedergelassen und beobachteten sie. Mirana kniete sich neben den Zentaur nieder und begann den Inhalt des Rucksacks auszubreiten. Schließlich nahm sie vorsichtig den Verband ab, woraufhin gleich frisches Blut aus der Wunde quoll. Sie hatte vom Fluss frisches Wasser mitgenommen, mit welchem sie jetzt die Wunde spülte. Anschließend zückte sie Nadel und Faden und begann mit geschickten Bewegungen die Wunde zuzunähen. Die Bären beobachteten sie genau und bei jedem aufstöhnen des Zentaur zeigten sie kurz ihre Lefzen und ließen ein kleines Knurren hören. Ansonsten verhielten sie sich allerdings vollkommen ruhig und bewegten sich auch nicht. Mirana hätte ansonsten wahrscheinlich ihre Sachen gepackt und wäre einfach davongelaufen. Doch da die Bären anscheinend wussten, dass sie zu helfen versuchte duldeten sie sie. Doch trotzdem behielt Mirana sie im Auge. Sie waren schließlich wilde Tiere und diese wollte sie auf keinen Fall unterschätzen. Als sie mit ihren Näharbeiten fertig war, trug sie die Heilsalbe auf und bestrich den Verband mit verschiedenen Kräutern. Diesen legte sie über die Wunde und befestigte ihn. Als sie fertig war ließ sie sich erschöpft zurücksinken. Gut das sie bei der Mutter so gut aufgepasst hatte, die letzten Winter einen Bauern versorgen musste, da dieser sich eine Axt ins Bein geschlagen hatte. Damals konnte sie das ganze Blut nicht sehen und wollte ihrer Mutter auch nicht zur Hand gehen, da sie es eklig fand mit fremdem Blut in Berührung zu kommen. Aber ihre Mutter bestand darauf, dass sie wenigstens genau zusah, da sie eventuell früher oder später in eine Situation kommen könnte, die das Versorgen einer Wunde erforderte. Und wie sich herausstellte, hatte sie sich nicht geirrt.

Mirana beobachtete weiter den bewusstlosen Zentauren. Er war so schön und stattlich. Auch die Verletzung konnte seine Kraft und Wildheit nicht verbergen. Sein Fell schimmerte sanft. Es war schwarz, genau wie in jener Nacht als er sie nach Hause gebracht hatte. Allerdings wenn man genauer hinsah, hatte es einen leichten Stich ins lilane. Konnte ein Fell überhaupt lila sein? Mirana wusste es nicht, aber umso genauer sie es betrachtete desto sicherer war sie sich, dass es nicht nur schwarz war. Das Fell reichte von seinen Hufen bis zu seinem Bauchnabel. Straffe Muskelstränge zeichneten sich unter der Haut ab. Er hatte leicht sonnengebräunte Haut und breite Schultern. Zwei Narben zog sich über seine linke Brust, direkt oberhalb des Herzens. Sie fragte sich, ob wohl jemand versucht hatte ihn umzubringen oder ob diese Narben aufgrund der zahllosen Kämpfe untereinander entstanden sind. Sie wusste von den Geschichten aus dem Dorf, dass Zentauren um in ihrer Position innerhalb ihres Stammes aufzusteigen, oft Kämpfe ausübten. Allerdings ging es dabei selten darum den anderen zu töten, sondern viel mehr um Geschick und Ausdauer zu demonstrieren und eventuell seine Qualifikationen als zukünftiger Anführer zu verdeutlichen. Sie betrachtete ihn weiter. Sein Atem ging jetzt ruhig und gleichmäßig. Sie befühlte seine Stirn um zu schauen ober Fieber hatte. Dabei vielen ihr seine dunklen, fast schwarzen Haare auf, die bis zur Schulter reichten und von einem Lederband gebändigt wurden. Er hatte schöne Augenbrauen und einen sanft geschwungenen Mund. Mirana schüttelte den Kopf und drehte sich weg. Sie war leicht rot im Gesicht. Was dachte sie den da!? Schöne Augenbrauen? Er war ein Mann. Ein Mann hatte keine schönen Augenbrauen oder sanft geschwungen Lippen. Wenn sie an die Männer aus ihrem Dorf dachte, fiel ihr keiner ein bei dem die Beschreibung nur ansatzweise zutreffen würde. Aber nach erneutem betrachten seines Gesichts, fiel ihr einfach keine andere passende Beschreibung ein. Es gab nur einen einzigen Ausdruck der es komplett beschrieb und der war „wunderschön“. Sie fragte sich ob sie ihm bereits verfallen war. Schon öfter hatte sie Geschichten über Frauen gehört, die Zentauren vergötterten, ihnen huldigten, sie anbeteten. Nicht das die Zentauren irgendeinen Wert auf solch, in ihren Augen albernes Gewäsch gegeben hätten. Ganz im Gegenteil, sie verschonten solche Frauen, die sich selbst Zentaurenpriesterinnen nannten, im gleichen Maße, wie sie alle andern verschonten. Nämlich gar nicht. Einmal soll ein Zentaur solch eine Priesterin genommen haben, nicht aus Liebe, Gott bewahre NEIN! Eher aus Neugierde, weil er ausprobieren wollte wie es ist mit einem Menschen zusammen zu sein. Er wurde anschließend aus seinen Reihen verstoßen und beging Selbstmord, da er das alleinige Dasein nicht ertrug. Der Priesterin wurde vom Stammeshäuptling der Zentauren eigenhändig das Genick gebrochen. Mirana schluckte, sie überlegte auch wie das gegangen sein sollte, also das zusammen sein. Es ist nicht so als wären die dafür notwendigen Geschlechtsteile bei den Zentauren nicht vorhanden, aber ihre Körper waren ein gutes Stück größer, waren schwerer und hatten außerdem Hufen mit denen sie einen zertrampeln konnten. Ein völlig unmögliche Unterfangen in Miranas Augen, weshalb sie die Geschichte als Lug und Trug abtat.

Ein plötzliches Stöhnen riss sie aus ihren tiefen Überlegungen. Der Zentaur hatte noch immer die Augen geschlossen, bäumte sich aber leicht auf und warf sich herum. Mirana sprang auf und versuchte ihn festzuhalten, da sonst die Wunde wieder aufplatzen würde. Und tatsächlich, eine kurze Berührung ihrer Hand und er beruhigte sich. Sie streichelte sein Gesicht und seine Schulter und nach kurzem Zögern stimmte sie ein leises Lied an, welches sie von ihrer Mutter gehört hatte. Die Braunbären welche ihr Handeln kritisch beobachtet hatten, brummten zufrieden und vielen in einen dämmrigen Zustand. Mirana hatte sie ganz vergessen. Nun beobachtete sie auch sie genauer. Es waren mächtige Kreaturen mit einem schweren Körper und einem breiten Rücken. Ihr komplettes Wesen drückte Kraft und Stärke aus. Sie waren groß, selbst im lieben überragten sie Mirana um ein gutes Stück. Sie schätzte sie auf die Größe eines Pferdes, vielleicht auch größer. Ihre Tatzen waren so groß wie Schaufeln und ihr Kopf so groß und breit, wie ein riesiger Felsbrocken. Das Fell war dunkelbraun und eine ihrer Krallen schwarz und so dick wie Miranas Unterarm. Sie verstand immer noch nicht was hier vor sich ging. Braunbären waren selten, fast noch seltener wie die wilden Luchse. Sie lebten nur im Dickicht des Waldes und kaum ein Mensch hatte je einen von ihnen zu Gesicht bekommen. Früher gab es viele solcher Bären, aber aufgrund ihres Felles und des saftigen Fleisches hat man viele Fallen aufgestellt, weshalb sie fast komplett verschwunden sind. Und nun saßen gleich drei auf einmal mit Mirana in der kleinen Höhle und bewachten einen Zentauren. Wo war die Logik? Ein Bär war doch ein Fleischfresser und hier wurde ihm gerade ein äußerst schmackhaftes Mahl vor die Nase gehalten. Aber kein fletschen der Zähne, kein Schlagen von Krallen in das weiche Fell des Zentauren, kein spritzendes Blut und Geraufe um das beste Stück Fleisch. Nichts. Mirana zerbrach sich weiter den Kopf, aber kam auf keine vernünftige Lösung. Inzwischen war es fast Mittag und Mirana musste nach Hause und ihrer Mutter beim Kochen helfen. Sie ließ die übrigen Kräuter neben dem Zentaur liegen und drapierte das Fleisch und Brot so, dass er es sehen konnte wenn er aufwacht. Gleichzeitig hatte sie noch einen Lederbeutel mit frischem Wasser mitgebracht den sie ebenfalls dazulegte. Langsam stand sie auf und verließ die Höhle. Sie drehte sich am Eingang nochmal um, aber selbst jetzt ließ das gepökelte Fleisch die Bären völlig kalt. Sie beachteten es keine Sekunde. Mirana schüttelte den Kopf. Sie ging um den Bären am Eingang vorsichtig herum und lief anschließend geschwind nach Hause.

Als sie daheim ankam wartete ihre Mutter schon ungeduldig auf sie. „Mirana, wo hast du nur wieder gesteckt?“, fragte sie vorwurfsvoll. „ Du solltest doch die Beeren und Pilze für das Frühstück sammeln, wo sind sie?“. In all der Aufregung hatte Mirana, den Korb mit den Beeren und Pilzen am Waldrand vergessen. Sie lief los um ihn zu holen. Als sie wiederkam hatte ihre Mutter bereits frisches Wasser aufgesetzt und ein paar Scheiben Brot abgeschnitten. Ihre Mutter lächelte sie gütig an. „Ab und zu frage ich mich wirklich, wo du deinen Kopf hast Kind. Was hast du denn so lange im Wald getrieben? Ich hoffe du bist nicht zu weit hineingegangen.“, fügte sie noch mit einem kritischen Blick hinzu. „Nein Mutter, ich habe mich nur kurz am Waldrand in die Wiese gelegt und muss kurz eingeschlafen sein.“ Die Mutter schüttelte den Kopf, verzieht allerdings ihr Gesicht zu einem Lächeln. „Mirana, du verträumst noch mal dein ganzes Leben!“ Danach aßen sie schweigend ihr Frühstück und spülten dann gemeinsam ab. Mirana wollte ihre Mutter nicht belügen, aber die Wahrheit hätte sie ihr sowieso nicht geglaubt. Nämlich das sie den Vormittag damit verbracht hatte einen jungen Zentauren-Mann zu verarzten und von drei Braunbären dabei nicht aus den Augen gelassen wurde. Allein in ihren Gedanken hörte sich das absurd an. Nein die Wahrheit kam nicht in Frage. Als sie mit dem Abwasch fertig waren, musste Mirana ihre täglichen Pflichten erfüllen. Sie putzte das Haus, machte die Betten, wusch die Wäsche und hängte sie anschließend auf die Leine vor ihrer Hütte. Erst als all dies erledigt war, konnte sie sich, mit der Begründung Kräuter für das Abendbrot zu sammeln, davonstehlen und nach ihrem Patienten sehen. Sie packte noch schnell einen Korb mit Essen, Trinken und ein paar Heilkräutern ein und nahm außerdem noch ein paar warme Decken mit. Ihrer Mutter begegnete sie, Gott sei Dank nicht, sodass ihr unliebsame Fragen erspart blieben. Als sie die Höhle erreichte, dachte sie schon sie wäre verlassen. Als sie allerdings hinein ging sah sie, dass der Zentaur sich soweit möglich aufgerichtet hatte und sie aus dunkeln Augen beobachtete. Sie ließ ihren Blick kurz durch die Höhle schweifen und stellte fest, dass die Braunbären verschwunden waren, ebenso wie das Brot und Fleisch. Anscheinend hatte er gegessen und sich so etwas gestärkt. Auf seiner Miene zeichnete sich aber immer noch großen Schmerz ab. Ganz konnte sie jedoch den Blick nicht deuten, den er ihr zuwarf. Da war noch etwas unbeschreibliches, etwas anderes außer Misstrauen und Argwohn, etwas wie Erstaunen oder gar Dankbarkeit. Mirana schüttelte den Kopf und begann ihren Korb auszupacken. Lächerlich… Dankbarkeit… So etwas kannte doch ein Zentaur gar nicht. Als sie fertig war, versuchte sie sich vorsichtig im zu nähern um seine Wunde neu zu verbinden, aber er sah sie warnend an. „Ich muss deine Wunde erneut säubern und verbinden, sonst eitert sie und du kannst daran sterben.“, erklärte sie im ruhigen Tonfall. Seine Miene veränderte sich, aus misstrauisch wurde lauernd. „Wenn du versuchst mir zu Schaden Weib, werde ich es dir und die meinen 100-mal vergelten!“  Seine Stimme war dunkel und rau vom Schmerz. Mirana hatte nie eine schönere Stimme gehört. Doch… Moment mal… ihm zu Schaden? Das konnte doch nicht sein ernst sein, sie rettete ihm sein verdammtes Leben, wäre dabei fast von Braunbären zerfetzt worden, hatte ihre Arbeit vernachlässigt und ihre Mutter belogen und nun drohte er ihr, sie zu töten wenn sie ihm schadete? Hatte er den nichts begriffen? „Wer meinst du hat dir den Verband angelegt und dir essen gebracht?“ erwiderte sie aufgebracht. Daraufhin blieb er erst mal still. Sie versuchte sich erneut ihm zu nähern, dieses Mal ließ er sie gewähren. Allerdings ließ er sie dabei keine Sekunde aus den Augen und sie hielt es ebenso. Genauso starten sie sich eine geschlagene Minute an. Sein Blick lauernd, misstrauisch ihr Blick empört und ebenso lauernd. Als nichts weiter geschah begann Mirana den Verband abzunehmen.  Er zuckte unter ihrer Berührung zusammen. Sie ließ sich dadurch nicht beirren und zog kurzerhand den Verband weg. Zischend stieß sie die Luft aus. Die Wunde war gerötet und eiterte leicht. „Deine Wunde hat sich entzündet. Ich muss versuchen sie auszubrennen und gut zu reinigen sonst könntest du eine Blutvergiftung bekommen und das würde deinen Tod bedeuten!“  Er sah sie nur an, erwiderte nichts. Dann sagte er ein Wort: „Wieso?“ Wieso? Was sollte das? Zweifelte er an ihren Kenntnissen in der Heilkunst. Ihre Mutter hatte sie gut unterwiesen und sie hatte dieses Vorgehen schon viele Male zuvor beobachtet. Wenn auch nie selbst durchgeführt. „Weil die Wundränder gerötet sind und…“ „Nein!“ unterbrach er sie. „Ich meinte wieso hilfst du mir?“ fragte er sie barsch und leicht verärgert. Sie erwiderte nichts. Sah ich nur an. Nach einer Weile sagte sie: „ Erinnerst du dich nicht?“ Darauf sagte wiederrum er nichts mehr. Nach einiger Zeit des Starrens wollte sie die Höhle verlassen und Feuerholz sammeln. Sie brauchte Feuer um die Wunde ausbrennen zu können. „Wohin gehst du?“ kam es aus dem dunkleren Teil der Höhle. Neutral, nicht barsch, nicht höflich, eine einfache Frage. „Ich gehe Schmetterlinge sammeln, damit sie mich in den Himmel tragen!“ erwiderte sie sarkastisch und leicht verärgert. Mit diesen Worten drehte sie sich um und lief davon. Wie konnte es sein, dass er sich nicht mehr an sie erinnerte!? Sie träumte Nächte lang von nichts anderem, sah ihn jede Nacht im Traum wie er sie auf seinen starken Rücken warf und er erinnerte sich nicht. Dabei war sie sich so sicher am Fluss, dass er sie auch erkannt hatte. Mirana du dumme Kuh, natürlich erinnerte er sich nicht mehr, dachte sie. In seinen Augen bist du ein abscheulicher Mensch den er hasst, da wird er sicherlich nicht von dir träumen.  Tränen der Wut und Enttäuschung brannten in ihren Augen, als sie sich bückte und Feuerholz sammelte. Nach einer halben Stunde, hatte sie genug knorrige Äste beisammen. Sie machte sich auf den Rückweg zur Höhle. Allerdings mit gemischten Gefühlen. Sie hatte vorhin unüberlegt gehandelt. Hatte einen Zentauren beleidigt. Na gut nicht direkt beleidigt, aber immerhin angefahren. Sie wusste nicht ob die Zentauren so etwas wie Ironie oder Sarkasmus kannten. Vielleicht meinte er wirklich sie wäre mit den Schmetterlingen geflogen und war wütend, weil sie ihn einfach zurückgelassen hatte. Kurz entschlossen betrat sie die Höhle, wo er immer noch genauso da lag wie sie ihn verlassen hatte.

Sein düsterer Blick ruhte auf ihr. Als sie sich hinkniete und das Feuerholz aufstapelte, hörte sie ein kurzes schnauben. Sie sah auf und sah so etwas wie Belustigung in seinen Augen aufblitzen. Na toll, jetzt machte er sich auch noch über sie lustig. Willkommen in Zentauren Erheiterungsprogramm! Entnervt fuhr sie ihn an: „Was ist so komisch?“ Statt wenigstens wegzuschauen, was von ein wenig Anstand gezeugt hätte, fing er einfach an zu lachen. Sein lachen war voll und klar. Einer der schönsten Laute die sie je gehört hatte. Verdutzt starrte sie ihn an. „Bist du schon zurück von deinem Flug mit den Schmetterlingen?“ brachte er schließlich hervor, nachdem er sich beruhigt hatte. Peinlich berührt blickte sie nun zu Boden. Ok, so viel zum Thema also, sie verstehen keinen Sarkasmus. Dem Rat folgend, dass es manchmal klüger ist zu schweigen, fuhr sie fort das Feuerholz zu stapeln. Als sie fertig war, entzündete sie das Feuer mit ihrem Feuerstein, den sie immer in ihrem Lederbeutel mit sich trug. Nachdem sie einer Weile das Feuer geschürt hatte, sprach er auf einmal ernst: „Ich erinnere mich.“ Mehr nicht. Ihr fiel fast der Stock aus der Hand, mit dem sie das Feuer im Gang hielt. Sie starrte ihn an. Unfähig sich zu bewegen oder den Blick abzuwenden. Er starrte zurück. Er hatte es also nicht vergessen. Sie, das kleine Mädchen, die Nacht, die schwärzer war als jede andere in diesem Moment, der Ritt, ihre Rettung. Sie schlug die Augen nieder und sprach: „Dann weißt du wieso ich dir helfe. Gleiches wird mit Gleichem vergolten.“ Sein Blick ruhte auf ihr: „ Das ist die Regelung in deiner Welt, in meiner gibt es nichts dergleichen. Warum also hilfst du mir? Ich habe dir damals nicht geholfen, habe dich lediglich auf meinen Rücken gezerrt und an einer anderen Stelle wieder abgeworfen. Du willst Gleiches mit Gleichem vergelten!? Dann hättest du mich genauso gut einfach liegen lassen oder es zu Ende bringen können. Du bist mir nichts schuldig, ebenso wenig wie ich dir etwas schuldig bin. Warum, und ich frage dich ein letztes Mal, warum hilfst du mir?“ Leicht verdutzt von seinem längeren Redefluss schaute sie ihn an. Es war das erste Mal das, sie ihn so viele Worte auf einmal hatte sagen hören, und sie war wie verzaubert vom Klang seiner Stimme die zugleich samtig und melodisch, allerdings auch tief und dunkel in ihren Ohren wiederschallte. Ja, hervorragende Frage, wieso half sie ihm? Natürlich hatte er sie damals gerettet! Gut er hatte sie beleidigt, aber sie hätte den Weg alleine niemals wieder zurück gefunden. Und er hätte sie ebenso gut verletzen oder umbringen können. Sie sah ihn an. Wusste, dass er als Antwort nur die Wahrheit duldete. Erkannte, dass er, sollte sie lügen, es erkennen würde. Zögernd zog sie die Luft ein: „Ich habe gehandelt, wie ich dachte das es richtig wäre. Für mich bin ich dir etwas schuldig. Ich kenne die Bräuche und Kultur deines Stammes nicht. Ich weiß nicht wie ihr denkt oder was ihr fühlt und vielleicht war es damals für dich nicht mehr als ein kurzes aufbäumen und abwerfen, aber du hast mich, egal ob bewusst oder unbewusst nach Hause gebracht. Ich hätte den Weg alleine nicht mehr gefunden und wäre wahrscheinlich in der Nacht von irgendeinem wilden Tier getötet worden. Ich verdanke dir mein Leben, so sehe ich das. Und deswegen habe ich geholfen dein Leben zu retten. Glaub es also, oder glaub es nicht aber das es die Wahrheit und mehr kann ich dazu nicht sagen.“ Leicht aus der Puste schaute sie ihn an. Er erwiderte ihren Blick und nach einem kurzen zögern nickte er. Als sie eine Weile geschwiegen hatten, traute sie sich schließlich zu fragen: „Ich weiß du wirst mir nicht glauben, aber nicht nur ich allein habe dich gerettet. Drei Braunbären haben dich auf ihre starken Rücken gehoben und dich hierher getragen. Ich hätte das alleine niemals geschafft. Weißt du wohin sie gegangen sind? Hast du sie weggeschickt?“ Daraufhin schwieg er nur und starrte weiter in die Flammen. Super, so funktioniert Konversation, dachte Mirana. Als sie ihn noch einem Blick zugeworfen hatte, wandte sie sich ab. Anscheinend würde er ihr nicht mehr erzählen. Gut, warum sollte er auch? Sie konnte froh sein, noch am Leben zu sein. Eigentlich konnte sie es immer noch nicht richtig fassen, dass sie hier in einer Höhle im Wald hockte, zusammen mit einem wilden Zentaur und seine Wunden versorgte. Apropos Wunde, sie musste sie ja noch ausbrennen. Mirana knirschte mit den Zähnen, das würde sicherlich kein leichtes Unterfangen werden. „Ich werde jetzt die Wunde ausbrennen. Bitte versuch still zu halten, da du mich sonst verletzen könntest.“, fügte sie noch hinzu. Sie näherte sich mit dem jetzt heißen Messer der Wunde und brannte sie nach kurzem Zögern aus. Er zuckte zusammen und ihm entfuhr ein leises Knurren, ansonsten hielt er allerdings vollkommen still. Nachdem das geschafft war, bereitete sie den Verband vor und streute ein paar Kräuter über die Wunde. Erleichtert ließ sie sich zurück sinken als die Wunde wieder komplett verbunden war. Sie hielt ihm das mitgebrachte Essen hin, Fleisch, etwas Käse und ein Stück Brot und murmelte: „ Ich weiß es ist wenig und du bist wahrscheinlich besseres gewohnt, aber ich weiß nicht was ihr esst und wir haben auch nicht so viel zu Hause.“ Er beobachtete sie weiterhin und griff schließlich nach dem Essen. Es dauerte nicht lange, da hatte er alles verschlungen. „Jetzt weißt du was wir essen“, war sein Kommentar nach der Mahlzeit. Aha, anscheinend unterschieden sich Zentauren, was das Essen angeht nicht sehr stark von Menschen. Aber was war dann mit den Geschichten, in denen es immer hieß sie verschlangen ganze Dörfer, und weideten die Kinder aus um sie anschließend wie ein gefülltes Huhn zu stopfen. Anscheinend konnte man ihre Gedanken auf ihrem Gesicht ablesen, den prompt kam die Antwort, auf die ungestellte Frage: „Alles Schall und Rauch! Lügen stärken die Legenden und Geschichten. Sie schaffen einen allseits gefürchteten Ruf, nicht die Wahrheit.“ „Willst du damit sagen, dass alles was über euch erzählt wird gelogen ist?“ fragte Mirana. „Nein Weib, das meiste ist tatsächlich wahr und du tätest gut daran es zu berücksichtigen!“ donnerte er los. Weib!? Was bildete er sich eigentlich ein! „Ich heiße Mirana, nicht Weib!“ entfuhr es ihr erbost. Wieder starrte er sie erst erstaunt, dann jedoch belustigt an. „Du hast Mut, das muss man dir lassen. Mut oder Dummheit liegen allerdings oft nah beieinander“ ermahnte er dann ernst. Mirana schnaufte nur: „Wenn du mir etwas antun wolltest, hättest du es schon längst getan. Außerdem wäre es dumm von dir mich zu töten. Wer soll deine Wunde versorgen und dir essen bringen? Man sollte erst denken, bevor man unsinnige Drohungen ausspricht!“ Erstaunt über ihren eigenen Redefluss hielt sie inne. Er betrachtete sie eingehend und brach dann wieder in schallendes Gelächter aus. Wieder wunderte es sie, wie jemand so furchteinflößendes so schön und klangvoll lachen konnte. Betört von diesem Augenblick, starrte sie ihn einfach nur an. Als er sich beruhigt hatte murmelte er nur etwas wie: „Mut oder Dummheit…“ und sann seinen eigenen Gedanken nach.

Mirana besann sich plötzlich, sie musste nach Hause. Es war bereits dunkel und ihre Mutter würde sich bestimmt schon fragen wo sie blieb. Sie stand auf und wollte kommentarlos die Höhle verlassen. Er sagte nichts, sah sie nur an. Als sie schon fast zur Höhle hinaus war, hörte sie ein leises „Danke.“ Sie sah sich nicht um, ging geschwind den Weg nach Hause und lächelte aber leise vor sich hin. Es mochte ja sein das Zentauren schreckliche Kreaturen waren, das zweifelte sie nicht an, aber vor „ihrem“ Zentauren fürchtete sie sich nicht mehr. Vermutlich lag das daran das er geschwächt war und ihr somit nichts anhaben konnte oder vielleicht weil sie ihn hatte lachen hören. Sie wusste es nicht, aber wenn sie in sich hinein hörte konnte sie keine Angst spüren. Nur Stolz, Zufriedenheit ihm geholfen zu haben und noch etwas anderes, etwas das sie nicht beschreiben konnte wenn sie an seinen nackten Oberkörper und sein schönes Gesicht dachte. Mirana errötete. Was war nur mit ihr los!? Sie war nicht verliebt in diesen Zentaur. Natürlich nicht! Menschen und Zentauren, das ginge nicht. Man war bis aufs Blut verfeindet und auch so ging es nicht… anatomisch… körperlich… Mirana wurde noch röter und schüttelte wild den Kopf um die komischen Gedanken zu vertreiben. Was dachte sie eigentlich gerade für einen Schwachsinn! Er war wild, ein Zentaur, der wenn er wieder gesund war, sie wahrscheinlich ohne Umschweife töten konnte, vermutlich auch schon jetzt wenn sie nicht aufpasste und sie schwelgte hier in Liebesgedusel. Lächerlich, absolut lächerlich. Sie wusste nicht einmal wie sich Liebe anfühlte. Sie war noch nie verliebt, oder!? Sie liebte ihre Mutter, ja. Aber die Art von Liebe die einen Mann und eine Frau verbindet war ihr fremd. Natürlich hatte sie Geschichten darüber gehört. Wer hatte das nicht!? Das die Liebe schöner war als alles andere, dass man das Gefühl hatte zu schweben und gleichzeitig zu laufen, so schnell wie der Wind, dass einem das Herz bis zum Hals schlug und tausend Schmetterlinge einem durch den Körper fuhren. Ja, das war Liebe. Hatte sie diese Gefühle bei dem Zentaur!? Definitiv nein! Er war ungehobelt, arrogant, eingebildet, egoistisch und äußerst launisch. Nein, Schmetterlinge löste das bei Mirana sicher nicht aus. Eher eine stinksaure Wut, über seine Lachanfälle und seine Unverschämtheit. Mirana war erleichtert. Puh, ich bin doch nicht verliebt, dachte sie bei sich. Und doch… doch war da etwas, dass sie nicht definieren konnte. Sie dachte an sein schönes Lachen und sein leise gemurmeltes ‚Danke‘ am Ende. Gott sei Dank war sie endlich zu Hause, sodass sie nicht weiter darüber nachdenken musste. In ihrer Hütte brannte Licht, und sie sah ihre Mutter im hell erleuchteten Fenster einen Tee kochen. Sie klopfte, dann ging sie hinein. Ihre Mutter fuhr herum: „Mirana, mein Gott hast du mich erschreckt! Warum kommst du erst so spät? Ich habe mir schon sorgen gemacht!“ „Entschuldige Mutter, ich hatte die Zeit ganz vergessen.“ „Du solltest doch nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr draußen sein,“ schimpfte ihre Mutter. „Du weißt doch was alles passieren kann. Braunbären, wilde Luchse und Wölfe sind noch das geringere Übel. Ich habe Bran, den Schmid sagen hören, er hätte Zentaurenspuren am Flussufer entdeckt.“ Mirana fuhr sichtlich zusammen und erstarrte. „Nicht auszumalen, was dir hätte alles passieren können wenn dich diese wilden Bestien in die Finger gekriegt hätten. Sie hätten dich wahrscheinlich ohne zu zögern mitgenommen und für ihre eigenen bösen Zwecke missbraucht!“ fuhr ihre Mutter unbeeindruckt fort. Mirana zögerte: „Hat den der Schmied sonst noch etwas gesagt? Wohin die Spur führt oder so?“ „Liebes Kind, hörst du mir überhaupt zu! Zentauren sind gefährlich! Sie sind nichts was du jemals sehen willst. Sie haben unzählige Dörfer in unserer Nähe niedergebrannt. Es grenzt nahe an einem Wunder das sie unseres noch nicht angegriffen habe und nur Gott weiß warum. Versprichst du mir nach Einbruch der Dunkelheit immer zu Hause zu sein und dich von diesem gottverdammten Wald fern zu halten?“ Mirana sah ihre Mutter an. In der Aufregung hatten sich ihre Wangen gerötet und ein paar dunkle Locken vielen ihr ins Gesicht. In Miranas Augen war sie die schönste Frau die sie je gesehen hatte. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass ein Mann sie verlassen würde und doch hatte genau das ihr Vater  getan. Mirana wusste nichts über ihren Vater. Nur das er ein Zigeuner auf der Durchreise war, der ihrer Mutter eine Liebe vorgegaukelt hat, die anscheinend nie existierte. Als sie dann schwanger wurde, hat er sie einfach stehen lassen und war mit seinem fahrendem Volk weitergezogen. Ihre Mutter sprach nicht gern über ihn. Sie hatte das Alles nie ganz überwunden. Mirana seufzte. Plötzlich viel ihr auf, das ihre Mutter noch immer vor ihr stand und sie nun aus zusammengekniffenen Augen, die Hände in die Hüften gestemmt, musterte. „Ich verspreche es Mutter. Es tut mir Leid, dass ich heute so spät nach Hause gekommen bin. Bitte sei nicht mehr böse.“ Die Gesichtszüge ihrer Mutter wurden weicher. „Ich will doch nur, dass dir nichts passiert.“ „Ich weiß Mutter.“ Ihre Mutter nahm sie in die Arme und seufzte. „Zeit zum Schlafen gehen. Ab ins Bett!“ Mirana wünschte ihrer Mutter eine gute Nacht und legte sich auf ihren alten Strohsack. Sie sah ihrer Mutter noch zu, wie sie das restliche Abendbrot wegräumte und dabei leise summte. Danach musterte sie die zuckenden Flammen im Kamin und war bald darauf eingeschlafen. Die Frage ob jemand die Spuren am Fluss weiter verfolgt hatte, war vergessen. Mirana erwachte am frühen Morgen und sprang aus dem Bett. Sie holte Speck, Käse und Brot hervor, packte alles in ihren Korb und lief zur Tür. Dort drehte sie sich noch einmal um und schaute kurz zu ihrer Mutter. Sie schlief tief und fest auf ihrem Lager. Mirana öffnete leise die Tür und rannte dann Richtung Wald. Sie war aufgeregt. War er noch da? Oder würde sie in eine leere Höhle kommen? Würde er ihr heute etwas mehr erzählen? Zum Beispiel, woher er die Wunde hatte? Mirana nahm sich fest vor, ihn das zu fragen. Als sie die Höhle erreichte hätte sie fasst enttäuscht aufgeschrien. Er war weg. Sie ging in die Höhle und fand die zerwühlten Decken und ihren leeren Wasserschlauch. Doch sonst war nichts zu sehen, weder von den Braunbären, die sie wahrscheinlich doch eher nur geträumt hatte, noch von ihm. Wo konnte er hingegangen sein? Er war doch verletzt! Sie überlegte. Kurz entschlossen lief sie zum Fluss. Sie suchte verzweifelt mit ihren Augen den Fluss ab und wollte sich schon wieder umwenden, als ihr ein Lederband auf einem Stein auffiel. SEIN Lederband, das er im Haar getragen hatte. Vorsichtig spähte sie um den Stein herum und fuhr sofort wieder zurück. Er stand unter einem kleinen Wasserfall unterhalb der steilen Felswand und wusch sich. Nicht dass sie etwas erblickte, dass sie zuvor noch nicht gesehen hätte, aber sie fand es trotzdem sehr intim in so heimlich zu beobachten, während er seinen wunderschönen Körper abwusch und sich dabei selbst immer wieder berührte. Plötzlich fuhr er herum, schneller als ein Mensch es je gekonnt hätte und blitzte sie aus seinen dunklen Augen wütend an. Sie fuhr zurück. Nach ein paar Minuten kam er um den Stein herum und baute sich vor ihr auf. „Kuckst du all euren Dorfbewohnern heimlich beim Waschen zu?“ Sie wurde rot und starrte zu Boden. Doch plötzlich durchfuhr sie eiserner Zorn, sie hatte sich Sorgen um ihn gemacht, hatte gedacht er wäre doch noch von den Braunbären zerfleischt worden oder etwas gar Schlimmeres wäre ihm zugestoßen und er schikanierte sie hier und stellte sie als Spannerin hin. Sie sah auf: „Nein! Nur denen die zu wenig Selbstwertgefühl haben und einen Ständer bekommen, wenn sie merken, dass ihnen junge Frauen beim Waschen zusehen! Schließlich helfe ich gerne!“ Erzürnt und leicht von sich selbst überrascht, fuhr sie auf dem Absatz herum und stolzierte Richtung Höhle davon. Hinter sich ertönte das dröhnende Lachen eines nassen Zentauren, der ihr in einem kurzen Abstand folgte. Schließlich holte er sie in null Komma nichts ein und versperrte ihr den Weg. Sie verschränkte die Arme und sah zu ihm auf. Erst da fiel ihr auf, wie unheimlich groß er war, mindestens 2 Meter, ach was 3 sogar. Er hatte sein Lederband wieder um seine Stirn gewickelt um die langen Haare zu bändigen. Sein Gesicht war wunderschön und von einem leichten, grimmigen Lächeln durchzogen. „Ich muss sagen Weib, du bringst mich immer wieder zum Lachen. Aber sag mir, woher willst du wissen ob ich einen Ständer, wie du es so schön nennst, bekommen habe? Weißt du überhaupt wie so etwas aussieht?“ Mirana fuhr zusammen. Weg war ihre Wut, die ihr ihre schnelle Zunge und vulgären Ausdrücke beschert hatte. Sie wurde knallrot und fing an zu stottern: „Ich meine… ich dachte… ich… ich…“ Sie sah zu Boden. Natürlich hatte sie nicht gesehen ob sein Geschlechtsteil erregt war. Sie wusste ja nicht mal wie das bei einem normalen Mann aussah, wie um Himmels willen sollte sie es dann bei einem Zentaur wissen. Sie war nur so wütend gewesen, dass sie kurzerhand einfach auf die paar Wortbrocken zurückgegriffen hatte, die sie aus ihrem Wirtshaus im Dorf aufgeschnappt hatte. „Nun anscheinend ‚denkst‘ und ‚meinst‘ du viel, aber hast keine Ahnung von dem was du sagst!“ Er zog amüsiert die Augenbrauen hoch und betrachtete sie weiter. „Zentauren können keinen Ständer kriegen, zumindest nicht in dieser Gestalt.“ Mit diesen Worten drehte er sich um und ging weiter zur Höhle. Jetzt verstand sie überhaupt nichts mehr. Sie konnten keinen hoch kriegen in dieser Gestalt? Was gab es den noch für Gestalten? Wie meinte er das überhaupt, Gestalt? Sie verstand es nicht. Vielleicht hatte er gar kein Geschlechtsteil!? Fragend folgte sie ihm. Als sie die Höhle erreicht hatte, viel ihr Blick augenblicklich zwischen seine Hinterbeine und dort prangte, wie nicht anders erwartet, ein staatliches Glied. Mirana schreckte zusammen, als sie merkte dass er sie aus amüsierten Augen beobachtete. „Was… was meinst du mit ‚in dieser Gestalt‘?“ fragte sie nach kurzem Zögern. „Unwichtig…“ brummte er nur und ließ sich auf den Decken nieder. Na toll, dachte Mirana. Ich komme mir vor wie ein Hund. Immer wirft er mir einen Knochen Informationen zu und wenn ich danach greife zieht er ihn immer wieder vor mir weg. Leicht verärgert sagte sie: „Ich muss deine Wunde begutachten.“ Er ließ sie ohne ein weiteres Wort näher kommen. Mirana legte den Verband ab und fuhr zurück. Dort wo einst die Wunde war, war nun nichts mehr. Also gut nicht nichts, aber es war nur noch ein kleiner, leicht geröteter Spalt zu sehen. Seine Wunde war fast komplett verheilt und das buchstäblich über Nacht. „Deine Wunde…“ brachte Mirana hervor. „Sie ist fast verheilt!“ Er sah sie aufmerksam an. „Zentauren verfügen über andere Selbstheilungskräfte als Menschen, das müssen wir auch um die Kämpfe untereinander zu überleben.“ Er hielt inne, verzog das Gesicht. Was hatte sie jetzt wieder falsch gemacht? Er wandte sich ab. „Warum sprichst du nicht weiter?“ Mirana sah ihn verständnislos an. „Weil es dich eigentlich nichts angeht! Ich dürfte dir nichts erzählen, nicht mal mit dir reden und doch stehe ich hier und erzähle dir die Geheimnisse meines Volkes, “ er sah sie leicht wütend und auch eine Spur verzweifelt an. Mirana vertand. „Du meinst also, ich spioniere dich aus um mögliche Schwachstellen von deines Gleichen weiterzuerzählen? Wenn du das glaubst, wieso sprichst du dann überhaupt mit mir?“ Er sah sie wortlos an und erwiderte dann: „Das ist die Frage, die ich mir seit über 10 Jahren stelle. Warum spreche ich mit dir!? Ich weiß es nicht. Du bist anders, aber ich weiß nicht in welcher Hinsicht und wieso. Wenn meine Artgenossen das wüssten würden sie mich verstoßen und dich würden sie töten. Ich weiß es wirklich nicht, wieso ich das riskiere wo mir doch nichts an euch Menschen liegt.“ Mirana starrte traurig zu Boden, natürlich lag ihm nichts an ihr. Schwachsinnig sich irgendetwas anderes ausgemalt zu haben. „Wenn das so ist, dann kann ich ja jetzt wohl gehen. Du brauchst mich nicht mehr. Deine Wunde ist fast verheilt und du kannst du zu deinem Volk zurückkehren. Aber sag mir noch eins, wer hat dich eigentlich so schwer verwundet?“ Stille. Dann: „Mein Bruder“ war alles was er sagte bevor er im Dickicht des Waldes verschwand.

Die Sehnsucht

Drei Wochen war es nun her, das der Zentaur von dem sie nicht mal seinen Namen wusste vor ihren Augen verschwunden ist. Drei Wochen, in denen sich Mirana immer wieder gefragt hatte ob sie das alles nicht geträumt hatte. Drei Wochen, in denen sich Einsamkeit und Zweifelt breit machten. Nicht Zweifel über das Getane, nein Zweifel über ihre Gefühle. Warum fehlte er ihr so? Die meiste Zeit war er gemein und unverschämt, ja gar vulgär. Alleine wenn sie an ihr Gespräch mit dem Ständer dachte. Mirana errötete. Aber trotzdem vermisste sie ihn, vermisste sein Lachen, seine tiefe Stimme, sein hübsches, einzigartiges Gesicht, seine verletzenden Kommentare, ja einfach sein komplettes Wesen. Also, wenn man jemanden nicht liebte, warum vermisste man ihn dann? Oder war es Freundschaft, das sie sich zu ihm hingezogen fühlte? Aber Freundschaft fühlte sich anders an, dass wusste sie. Wenn man mit jemandem befreundet ist, dann stellte man sich nicht vor wie es wohl wäre seine Hände auf dem eigenen Körper zu spüren, man stellte sich nicht vor von demjenigen in den Arm genommen und geküsst zu werden und ganz bestimmt stellte man sich nicht vor mit ihm zu schlafen. Mirana zuckte zusammen. Schluss jetzt. Was waren das für absurde Gedanken, die seit ein paar Wochen durch ihren Kopf geisterten. Sie konzentrierte sich wieder auf ihre Aufgabe. Im Moment saß sie am Fluss und wusch die Wäsche. Sie saß an genau der gleichen Stelle, an der sie letztes Mal saß und ihn beim Waschen beobachtete. Wieder errötete sie. Sie wusste nicht mal seinen Namen, auch nicht ob sie ihn wiedersehen würde oder ob sie wieder 10 Jahre darauf warten müsste und dann verheiratet und 2 süße Kinder haben würde. Allerdings wüsste sie nicht, wenn sie heiraten sollte. Im Dorf gab es natürlich ein paar junge Männer, aber keiner gefiel ihr. Ihre Mutter hatte sie, Gott sei Dank noch nicht auf das Thema angesprochen, aber sie wusste, dass sie eines Tages keine Wahl mehr hätte und sich jemanden aussuchen musste. Sie waren sehr arm. Lebten eigentlich nur von dem was ihnen der Boden unter ihren Füßen und der Wald schenkte. Ab und zu reichte es um ein paar Brocken Fleisch gegen das selbst angepflanzte Gemüse zu tauschen, aber das war nur sehr selten der Fall. Mirana seufzte. Ihre Mutter wollte nur, dass sie es einmal besser hatte als sie selbst. Außerdem diente es auch ihrem Schutz. Schließlich waren zwei Frauen, die in einer einsamen Hütte am Wald wohnten, leichte Beute für Trunkenbolde und fahrende Zigeuner. Ihre Mutter war das Beste Beispiel dafür. Auch wenn ihr niemals Gewalt angetan wurde, so wurde sie dich Opfer eines solchen Heiratsschwindlers, oder besser gesagt Liebesschwindlers, denn verheiratet war ihre Mutter mit ihrem Vater nie gewesen. Diese Tatsache hatte ihr schon manchen bösen Blick und giftigen Kommentar der Dorfbewohner eingebracht. Es war unnormal mit jemandem ein Kind zu zeugen, wenn man nicht verheiratet war. Ja sogar unsittlich und unanständig. Aber mehr als das böse Gerede ist Gott sei Dank nie geschehen. Mirana tat das Leid. Sie wusste das ihre Mutter damals ernsthaft verliebt war und meinte für ewig mit ihrem Vater zusammen zu bleiben. Die Eltern ihrer Mutter waren schon früh gestorben, sodass sie keine Führung nicht hatte. Niemanden der ihr einen guten Ratschlag diesbezüglich geben konnte. Sie wurde von der Familie des Schmiedes aufgezogen. Bran war so etwas wie ein Vater für sie. Wobei seine Führsorge auch beschränkt war, da er selbst 5 Kinder hatte. So war ihre Mutter zwar nie am Hungern, aber so etwas wie elterliche Liebe hatte sie nie erfahren.

Als Mirana fertig mit der Wäsche war packte sie alles in ihren Korb und wollte sich auf den Weg nach Hause machen. Doch da sah sie ihn. Dunkel und fast unscheinbar hinter den Blättern des Waldes verborgen. Den Zentauren. Sie blieb ganz ruhig stehen und starrte ihn an. Er trat aus dem Dickicht und kam auf sie zu. Er sah genauso aus wie drei Wochen zuvor. Stramme Muskeln auf denen sich das Wasser des Flusses spiegelte. Leicht gebräunt Haut und das Gesicht unergründlich. Sein Haar war zu einem kurzen Zopf zusammen gebunden, ein paar Strähnen hatten sich dennoch gelöst. Einen Meter vor ihr blieb er stehen. Er ging langsam auf die Knie. Nun waren sie fast auf Augenhöhe. Gut er war immer noch einen Kopf größer als sie aber bei weitem nicht mehr so unerreichbar wie vorher. Nur um was zu tun? Was wollte er? Er sah ihr tief in die Augen und sie wagte nicht zu Atmen. Langsam hob er den Arm und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Sie zuckte zusammen als raue Finger ihre Wange berührten. Ihr Atem beschleunigte sich und sie machte unkontrolliert einen Schritt auf ihn zu. Nun stand sie direkt vor ihm, sie sah zu ihm auf. Er fuhr mit seinen Fingern ihren Rücken hinab und hielt sie schließlich leicht im Arm. Mit der anderen Hand fuhr er unter ihr Kinn und hob es leicht an. Er beugte sich herunter, hielt kurz inne und berührte sanft ihre Lippen mit den seinen. Der Kuss war zart, nur ein Hauch. Mirana spürte ihr Herz ganz laut schlagen und meinte es müsse jeden Moment aus ihrer Brust springen. Verzweiflung packte sie als er sich wieder aufzurichten begann und sie doch so viel mehr wollte, so viel mehr brauchte. Sie hatte ihn so vermisst die letzten Wochen, auch wenn sie nicht wusste wieso und hatte Angst ihn nun wieder so lange nicht zu sehen. Kurz entschlossen und von sich selbst überrascht packte sie seinen Kopf und zog ihn zu sich hinunter, sie küsste ihn und schlang ihre Arme um seinen Hals. Er schnaubte überrascht, gab jedoch dann nach, umfing sie mit seinen starken Armen und strich ihr mit der Zunge über ihre Lippen. Seine Zunge teilte ihre Lippen und drang in ihren Mund ein. Er streichelte ihre Zunge mit der seinen. Sie schauderte. Der Kuss wurde wilder, leidenschaftlicher. Seine Hände wanderten ihren Rücken hinab und strichen zuerst sanft über ihren Po. Auf einmal packte er fester zu und biss ihr in die Lippen, was sie erschrocken aufquicken ließ. Nach einem kurzen, intensiven Kuss zog er sich zurück. Er richtete sich zur vollen Größe auf und sah auf sie herunter. Ihre Lippen waren leicht geschwollen, als sie mit der Zunge darüber fuhr. Sie atmete schwer und auch seine Brust hob und senkte sich rasch. „Warum?“ War das einzige was sie heiser hervorbrachte. Er strich ihr ein letztes Mal mit dem Daumen über ihre Lippen, drehte sich um und stürmte davon. Zurück blieb eine Mirana mit pochendem Herzen und geweiteten Augen. Was war gerade passiert? Hatte sie wieder zu sehr ihren Fantasien nachgesponnen? Aber sie fuhr sich erneut mit den Fingern über ihre Lippen und wusste, dass nichts davon geträumt war. Er hatte sie geküsst, sehr leidenschaftlich und innig, aber auch sanft und zart. Erst jetzt spürte sie ein verlangendes Pochen zwischen ihren Beinen und als sie mit der Hand unter ihr Kleid fuhr, zwischen ihre Beine, waren ihre Finger feucht und glitschig. Gott bewahre, was geschieht mit mir, dachte Mirana. Kurz entschlossen streifte sie ihre Kleider ab und ging ins seichte Wasser des Flusses. Sie musste wieder einen kühlen Kopf bekommen. Als sie fertig gebadet hatte, stieg sie heraus, zog sich geschwind an und ging nach Hause. Sie hatte immer noch keine Ahnung was das Ganze zu bedeuten hatte, geschweige denn wieso sie so feucht zwischen ihren Beinen geworden ist. Musste sie sich erleichtern? Nein, definitiv nicht in diesem Moment. Aber wieso kam dann Flüssigkeit aus ihr? War sie krank? Sie wusste es nicht, wusste auch nicht wenn sie fragen konnte, da sie ihrer Mutter dann auch unweigerlich erklären musste, was passiert war. Und das würde ihr ihre Mutter niemals glauben. Verdammt, sie wollte Antworten! Was passiert mit mir? Wieso war er zurückgekommen? Warum hatte er sie geküsst? Hatte er ihr nicht bei ihrem letzten Treffen, klar zu verstehen gegeben das er Menschen hasst? Und sie war nun mal ein Mensch. Wie sie es auch drehte und wendete, ihr fiel keine logische Erklärung ein. Hatte er es aus Dankbarkeit gemacht? Für das, dass sie seine Wunde versorgt hatte. Aber er hatte sich bei ihr diesbezüglich bedankt, also viel auch das aus. Wieso hatte er kein Wort gesagt? War es irgendein Test? Irgendeine Mutprobe seinerseits, die er vor seinen Artgenossen beweisen musste? So nach dem Motto, eigentlich ist es verboten sich Menschen zu nähern, aber seht her ich hab sogar eine Dumme gefunden die man nach Belieben küssen kann? Mirana spürte einen Stich im Bauch. Das tat weh. Vor allem weil sie noch nie einen anderen Mann, geschweige denn Zentaur zuvor geküsst hatte. Für sie war dieser erste Kuss etwas Besonderes und sie hoffte, dass es bei ihm nicht anders war. Ob er bereits mal eine andere Zentaurin geküsst hatte? Oder gar eine menschliche Frau. Mirana schüttelte den Kopf, nein das kam nicht in Frage. Aber eine Artgenossin? Das könnte durchaus sein. Ein erneutes Gefühl keimte in ihr auf, Eifersucht. Mirana schüttelte erneut den Kopf, wie eine lästige Fliege zu vertreiben. Warum machte sie sich über so etwas Gedanken? Wahrscheinlich wollte er nur mal ausprobieren, wie es ist einen Menschen zu küssen und basta. Das hatte er ja jetzt erreicht. Das heißt er würde bestimmt nicht mehr wieder kommen und sie könnte die ganze Sache getrost vergessen. Als sie endlich zu Hause war grübelte sie weiter nach. Sie begann damit die Wäsche auf die Leine zu hängen und hielt dabei ständig wieder inne. Wieso machte sie der Gedanke eifersüchtig, dass er eine seiner Artgenossinen geküsst haben könnte? Das hatte er bestimmt schon getan, schließlich fühlte es sich nicht so an, als wäre das SEIN erster Kuss. Und außerdem er war ein erwachsener Mann im heiratsfähigen Alter. Wieso sollte er da noch keine Zentauren-Frau geküsst haben!? Vielleicht war er gar schon verheiratet, hatte Kinder. Sie wusste ja sein Alter nicht, ja verdammt nochmal nicht einmal den Namen! Mirana schüttelte über ihre eigene Dummheit den Kopf. Sehr gut Mirana, du hattest deinen ersten Kuss mit einem Mann, wohl gemerkt nicht irgend einem Mann sondern einem Zentaur, verdammte Scheiße, von dem du weder den Namen noch das Alter noch den Grund weißt wieso überhaupt. Super gemacht Mirana! Hast du eigentlich auch so etwas wie ein Hirn in deinem Kopf oder klebt dort ein Zettel mit ‚Hier sollte Hirn sein! ‘ Verflixt und zugenäht was war sie für eine Närrin. Sie nahm sich vor, sollte sie ihn jemals wiedersehen, würde sie so lange Fragen bis er ihr einen Namen sagte oder einfach weglaufen. Klar Mirana, du hast ihn auch letztens schon von deinem endlosen Redefluss beeindruckt. Sie verdrehte über sich selbst die Augen. Und weglaufen war ja auch eine hervorragende Idee. Zwei Beine sind ja logisch schneller als vier Pferdebeine! Gott sie hoffte einfach, dass sie ihn nie wieder sah und somit der Situation entkam. Das glaubte sie zumindest.

 

Das Wiedersehen

 An diesem Abend merkte ihre Mutter, dass Mirana stiller war als sonst sagte aber nichts, da sie sich sehr gut an ihre Zeit in der Pubertät erinnern konnte. Vielleicht hatte das Mädchen endlich jemanden kennen gelernt und jetzt Liebeskummer, oder vielleicht träumte sie einfach mal wieder nur vor sich hin. Selain kannte ihre Tochter gut und wusste, dass sie nicht mit beiden Beinen auf der Erde stand, sondern immer schon etwas verträumter gewesen ist. Sie störte das nicht, allerdings machte sie sich sorgen um die Zukunft ihrer Kleinen. Auf keinen Fall wollte sie sie Zwangsverheiraten und ihr so irgendjemanden aufdrücken, den sie gar nicht wollte. Andererseits drängte die Zeit. Mirana war 20 Jahre alt und im besten Alter um Kinder zu gebären. Außerdem hatte sie beobachtet wie ein paar Männer im Dorf ihr immer auffälliger nach glotzten. Es würde sicher nicht mehr lang dauern, bis einer von ihnen sich nicht mehr beherrschen konnte. Selain wollte nicht das gleiche Schicksal für ihre Tochter, welches sie erfahren hatte. Sie wollte das Mirana einen Mann an ihrer Seite hatte, der sie liebte und beschützte und der für sie sorgte. Sie sollte ihre Kinder nicht alleine groß ziehen und ständig Angst haben müssen zu verhungern, ausgeraubt oder vergewaltigt zu werden. Schwer seufzte sie auf. Mirana die ihr beim Abendbrot gegenüber saß blickte auf. „Was hast du Mutter?“ „Ich dachte gerade über deine Zukunft nach.“ Mirana schluckte. „Was meinst du damit?“ „Mirana, du bist 20 Jahre alt, du bist jung, wunderschön und leichte Beute. Ich will nicht, dass dir irgendetwas passiert. Ich kann dich nicht beschützen, wenn irgendeiner von den Dorftrotteln versucht dir Gewalt anzutun. Und das werden sie irgendwann, ich habe sie beobachtet wie sie dich anschauen. Gibt es vielleicht irgendeinen jungen Mann der dir gefällt?“ Mirana wusste selbst nicht wieso sie das sagte: „Ja es gibt jemanden.“ Ihre Mutter blickte erstaunt auf. „Wie heißt er? Kenne ich ihn?“ „Nein Mutter ich glaube nicht, dass du ihn kennst. Er lebt in einem anderen Dorf.“ „Oh… aber wie hast du ihn dann kennen gelernt, wir waren doch schon lange nicht mehr in einem der anderen Dörfer. Zumindest nicht mehr, seit du noch ganz klein warst.“ Ihre Mutter betrachtete sie nachdenklich. „Ich habe ihn vor ein paar Wochen kennen gelernt. Ich besuchte Bran in der Schmiede und dort ließ er sein Pferd neu beschlagen da es ein Hufeisen verloren hatte.“ Mirana wusste selbst nicht, warum sie auf einmal so gut lügen konnte. Ihre Mutter nickte: „Darf ich ihn mal kennen lernen? Von welchem Dorf kommt er denn?“ Mirana schluckte: „ Er kommt von Pilau, das Dorf am Fuß des Berges Lajmu. Ich möchte ihn erst noch besser kennen lernen, Mutter. Ich bin nicht sicher ob er der Richtige für mich ist.“ Ihre Mutter seufzte auf: „Ach Kind, erwarte nicht das von Anfang an Liebe dabei ist, dass ist es bei den wenigstens. Was ist er den von Beruf? Könnte er gut für dich sorgen?“ Mirana schnaufte entnervt: „Mutter bitte! Ich habe dir gesagt es gibt jemanden, jetzt löchere mich doch nicht mit hunderten von Fragen!“ Erstaunt sah ihre Mutter sie an. So hatte sie vorher noch nie mit ihr gesprochen. Dann atmete sie tief durch: „Mirana, ich kann gut verstehen das du mit mir nicht über solche Dinge reden willst, aber bitte berücksichtige ein paar Ratschläge, die ich damals nicht hatte!“ Sofort bekam Mirana ein schlechtes Gewissen. Ihre Mutter hätte diese Ratschläge damals dringend gebraucht, nur hatte sie keine Eltern die sie ihr gegeben hätten. „Entschuldige Mutter,“ murmelte Mirana leise. „Ihre Mutter beruhigte sich: „Ich meine es dir doch auch nur gut. Bitte sei vorsichtig was den nähren Umgang angeht…“ sie ließ eine Pause verstreichen, sodass Mirana peinlich zusammen zuckte als sie verstand. „Was passiert ist kann nicht ungeschehen gemacht werden, wie man an dir sieht. Ich habe das niemals bereut, aber es war auch nicht leicht ein Kind alleine großzuziehen Du sollst es besser haben. Außerdem solltest du dich vergewissern, dass er dich ernähren kann, dich und deine Kinder. Mehr will ich doch gar nicht. Mach nicht die gleichen Fehler wie ich,“ endete sie mit einem matten Lächeln auf den Lippen. Mirana nickte, sagte jedoch nichts mehr. Sie wusste, dass ihre Mutter ihr nur helfen wollte, allerdings lagen die Probleme viel tiefer. Ja, sie hatte jemanden kennen gelernt, allerdings waren der Beruf oder gemeinsame Kinder dann doch eher das zweitrangigere Problem wenn man bedenkt, dass es sich dabei um einen Zentauren handelt. Mirana ging schweren Herzens ins Bett, mit der Gewissheit das die Vorstellung ihrer Mutter von einem trauten Heim mit glücklichen Kindern und einem liebevollen Ehegatten niemals Wirklichkeit werden wird. Mirana selbst schreckte dieser Gedanke wenig ab, weil sie sich nicht mal sicher war, ob es das ist was sie wollte. Ein Zuhause? Ja. Kinder? Vielleicht. Einen Ehegatten? Mmhh…. Momentan schwebte nur ein Mann durch ihre Träume und dieser war halb Pferd. Die Hürden waren einfach zu hoch um sie alle zu überwinden. Wenn sie ihn wählte, ganz zu schweigen von dem ob er sie überhaupt wollte, würde sie keine Kinder bekommen können. Sie könnte überhaupt nicht mit ihm zusammen sein, zumindest körperlich. Sie dachte an sein riesiges Glied. Nein es würde sie verletzen, wenn er in sie eindrang. Schließlich war es dicker als ihr Unterarm. Und auch die Stellung, wie das zu bewerkstelligen wäre, gab es nicht. Sie war viel kleiner als er, reichte im lediglich bis zu seinen Pferdeschultern. Wie sollte das gehen? Sie kniete, während von hinten… Nein! Das ginge einfach nicht. Sie war kein Tier, keine Stute die man einfach so besteigen konnte. Bestiegen Zentauren auch „normale“ Pferde? Ihr Gedankenkarussell begann sich immer schneller zu drehen. Stopp! Sie schweifte ab. Aber ganz zu schweigen von den körperlichen Hürden, gab es ja auch noch die der Herkunft. Ein Zentaur und ein Mensch. Das würde niemals Wahrheit werden. Ihr fiel die Geschichte der Priesterin wieder ein. Die sich in einen Zentauren verliebt hat. Am Ende bedeutete es den Tod für beide. Nein eine Zukunft würde es nie geben. Dazu waren ihre Völker zu verschieden und außerdem verfeindet bis aufs Blut. Mit diesen traurigen Gedanken der Endgültigkeit schlief sie ein.

Am nächsten Morgen erwachte sie früh und ging in den Wald um Pilze zu sammeln, fast hoffte sie wieder auf ihn zu treffen doch nichts dergleichen geschah. Sie fragte sich wo wohl das Dorf der Zentauren läge, ob ihre Hütten so aussähen wie ihre eigene oder wie das Zusammenleben unter ihnen ist. Sie fragte sich wie es wäre, als einziger Mensch unter ihnen zu leben. Mirana schüttelte sich. Das war Wahnsinn. Wahrscheinlich würde sie gar nicht lange genug leben. Eine Woche, höchstens zwei bis irgendjemand sie zertrampelt, aufgespießt oder totgeschlagen hätte. Sie seufzte schwer und fuhr fort Pilze abzuschneiden. Es war wirklich zum davon laufen. Und sie wusste noch nicht einmal, ob sie diesen Mann wirklich liebte. Warum dachte sie dann, wie es wäre bei seinem Volk zu leben oder warum dachte sie grundsätzlich immer an ihn? Ist das die Liebe? Mirana schnaubte. Wenn das die Liebe ist dann wollte sie sie nicht. Ewig quälende Fragen, lange Gedankengänge, immer dieses Gefühl das ein Teil von einem fehlt, nein schön war die Liebe, wenn sie es war, dann wirklich nicht. Gedankenverloren ließ sie sich ins Gras sinken und betrachtete einen Schmetterling, der auf einem ihrer Pilze landete. Plötzlich hörte sie laute Stimmen durch den Wald schallen. Mirana lauschte, sie kamen vom Fluss. Sie erschauerte, wenn sie daran dachte was das letzte Mal passiert war als sie am Fluss war. Sie bekam ihren ersten Kuss. Was würde nun passieren? Langsam erhob sie sich und ging in die Richtung aus der die Stimmen kamen. Als sie den Fluss fasst erreicht hatte, wurden die Stimmen lauter. Es hörte sich an als wäre ein Streit in vollem Gange. Nur wer stritt? Sie schlich näher und versteckte sich hinter einem Baum, dessen Wurzelwerk gewaltig war. Generell erschien es Mirana so, das alles in ihrer Umgebung viel zu groß war. Die Braunbären, die Luchse, die Wölfe, ja selbst die Bäume waren zu groß in ihren Augen oder sie zu klein. Gespannt schielte sie über die mächtigen Baumwurzeln. Vorher prüfte sie noch ob sie gegen den Wind stand, denn falls nicht würde derjenige der da am Fluss lauthals rumbrüllte, es sofort wittern. Wenn er den nicht menschlich war. Und das war er bei weitem nicht, dachte Mirana. Zwei riesige Pferdekörper türmten sich am Flussufer vor ihr auf. Der eine war „ihr“ Zentaur, der andere genauso stattlich aber etwas kleiner und sein Gesicht hatte enger beieinanderliegende Augen und eine etwas zu große Nase. Dennoch war er wunderschön, auf seine Art. Sein Haar war blond und wurde ebenfalls von einem Lederband gebändigt. Sein Fell dagegen war weiß, wie das eines Schimmels. Seine Brust breit und ebenso gebräunt, wie die des anderen. Er schrie gerade: „… gewarnt nicht mehr hierher zu kommen. Aber hörst du nicht auf ihn? Du missachtest seine Befehle und das schon fast mit Absicht! Was gibt es hier so besonders, dass es dich immer wieder hierher verschlägt? Hat es dir nicht gereicht einen Speer in die Flanke zu bekommen, musst du es wirklich bis zum letzten ausreizen? Was ist wenn er dich beim nächsten Mal tötet? Du weißt genau, dass er stärker ist als du. Er ist 5 Jahre älter und hat viel mehr Kampferfahrung. Ich verstehe nicht, warum du mit deinem Leben spielst. Such dir doch eine Gefährtin, wenn du es nicht Lebenswert findest, aber hör auf ständig meine Nerven zu strapazieren. Denn ob du es glaubst oder nicht, ich würde nur ungern auf meinen besten Freund verzichten! Und jetzt erklär mir was, verdammt nochmal du schon wieder hier willst!“ Gebannt starrte Mirana auf die Szenerie die sich ihr erbot. Der Weiße war anscheinend sein Freund. Aha, also gab es sowas wie Freundschaft unter ihnen. Und der 5 Jahre Ältere von dem die Rede war, wird dann wahrscheinlich sein Bruder gewesen sein, der ihm den Speer reingerammt hat. Mirana hörte genau zu, versuchte jedes Wort in sich aufzunehmen. Schließlich wollte sie ja mehr über den Mann erfahren, der ihr nicht mehr aus dem Kopf ging. „Szezar, beruhige dich!“ Sprach dieser jetzt weiter. „Beruhigen!? Wie soll ich mich den bitte beruhigen, wenn du dich fast jeden Tag aus dem Lager schleichst und wer weiß wohin galoppierst? Du isst nicht mehr richtig, du sprichst nicht mehr mit mir, du beteiligst dich nicht mehr an den Jagdausflügen und an den Plünderungen der Dörfer. Und bei jeder kleinsten Gelegenheit, reizt du deinen Bruder bis aufs Blut! Sieh es endlich ein, er ist der Ältere und somit Häuptling! Dein Vater wollte es so. Deine Mutter kann dir das bestätigen. Das hat dich doch früher nicht so gestört. Was ist in den letzten Wochen anders geworden?“ Szezar hielt inne, wartete auf eine Reaktion von seinem gegenüber. „Wenn du denkst, ich wiedersetze mich seinen Befehlen, weil ich Anführer sein will, kennst du mich schlecht Szezar. Du weißt genau, dass mir an dieser Rolle nichts liegt. Es sind seine Entscheidungen die ich anzweifle. Sie sind brutal, selbst für uns und völlig überzogen. Wieso soll man Dörfer niedermetzeln, wenn die Männer in diesen Dörfern gar nicht anwesend sind? Was bringt es Frauen und Kinder grundlos zu ermorden? Warum wollen wir den Hass den die Menschen ohnehin auf uns haben noch weiter schüren? Das verstehe ich nicht. Und ich weigere mich weiter zu machen ohne eine richtige Begründung.“ Mirana traute ihren Ohren nicht, wehrlose Frauen und Kinder niedermetzeln!? Sie versuchte ruhig zu atmen um wieder jedes Wort zu verstehen. „Na gut ich kann verstehen, dass seine Befehle härter sind als die deines Vaters und das dich das ankotzt, aber es liegt in unserer Natur zu töten. Und egal ob die Männer in dem Dorf anwesend gewesen wären oder nicht, das Resultat wäre das Selbe. Am Schluss wären sie alle tot.“ „Hast du dich nie gefragt, ob es nicht einmal genug ist?“ Szezar sah ihn alarmiert an. „Was soll die Frage?! Du weißt genau was sie uns angetan haben, willst du dass das wieder passiert?“ Mirana erstarrte, was die Menschen den Zentauren angetan haben? Gar nichts! Was sollte das? Seit Jahrhunderten metzelten die Zentauren alles Menschliche nieder und jetzt war auf einmal die Rede davon, was die Menschen den Zentauren angetan haben!? Sie verstand gar nichts mehr. Das Gespräch lief weiter. Die Muskeln des dunklen Zentauren verhärteten sich und er lachte leise, jedoch bedrohlich auf. „Natürlich will ich das nicht, aber es wäre wohl kaum möglich, schließlich haben sie sie uns schon genommen. Und vergessen habe ich es auch nicht, schließlich ist es Teil unserer Geschichte. Aber ich denke nur manchmal, dass die Menschen die wir jetzt töten, für den damaligen Verrat nichts mehr können. Und ob es nicht an der Zeit ist, die alte Fehde ruhen zu lassen. Die Menschen wissen doch gar nicht mehr, wieso wir sie so hassen und deswegen töten. Es ist zu lange her und ihre Lebensdauer ist so kurz. Vielleicht ist die Zeit gekommen das alte, längst Vergangene, endlich zu vergessen und neu anzufangen.“ Mirana war nun vollkommen verwirrt. Es gab eine Fehde zwischen ihren Völkern? Welche? Warum hatte sie noch nie davon in den alten Geschichten gehört? Was meinte er mit kurzer Lebensdauer? Leben Zentauren etwa länger als Menschen? Und was hat man ihnen genommen? Welcher Verrat hat sie so erzürnt, dass anscheinend noch hundert Jahre danach, sie ihn nicht vergessen konnten? Mirana schwirrte der Kopf von so vielen unbeantworteten Fragen. Doch sie hatte keine Zeit zu viele Gedanken, an sie zu verschwenden, denn es ging bereits weiter. Szezar schien verärgert: „Du redest davon, wie wenn wir sie nie gehabt hätten! Hast du das Gefühl vergessen? Das Gefühl völliger Freiheit! Ich verstehe dich einfach nicht. Vermisst du sie nicht?“ „Ich habe das Gefühl nicht vergessen, aber ich trauere nicht etwas hinterher was verloren ist!“ Mirana hatte das Gefühl, der dunkle Zentaur war dabei die Geduld zu verlieren und um den anderen schien es nicht besser zu stehen. „Es ist sinnlos darüber weiter zu streiten Szezar, wir haben einfach unterschiedliche Meinungen. Du wirst deine darüber nicht ändern und ich meine auch nicht,“ sprach der Dunkle einlenkend. Szezar schnaubte und rollte mit den Augen, schien sich aber beruhigt zu haben. Er starrte auf den Fluss. Plötzlich sagte er: „Du hast meine erste Frage noch nicht beantwortet...“ er wandte sich dem anderen wieder zu. „Was machst du hier? Warum kommst du immer wieder hierher?“ Schweigen. Mirana spitzte die Ohren. Dann leise: „ Das kann ich dir nicht sagen Szezar.“ Der Weiße erstarrte. „ Du kannst was? Seit wann hast du Geheimnisse vor mir?“ Erneutes Schweigen. Der Dunkle wandte sich ab und wollte gehen. „ Veit, antworte mir!“ Mirana riss die Augen auf. Endlich, er hatte einen Namen! Veit… Sie sprach in leise vor sich hin. Er hatte einen starken Klang, sie mochte ihn. Gespannt beobachtete sie was nun passierte. Veit, wie sie nun grinsend wusste, drehte sich wieder um. Lange betrachtete er seinen besten Freund, bevor er erwiderte: „Ich habe hier jemanden getroffen und es gilt eine Schuld zu begleichen. Mehr kann und werde ich dir nicht sagen, also lass es gut sein.“ „Eine Schuld? Seit wann haben Zentauren Schulden? Bei wem?“ fragte Szezar verdutzt. Veit verzog sein Gesicht zu einem grimmigen Lächeln. „Das habe ich selber erst …“ er verstummte und hob witternd die Nase. Szezar tat es ihm nach und erstarrte. Mirana saß weiterhin hinter der dicken Baumwurzel, hatte allerdings nicht bemerkt, dass der Wind sich gedreht hatte. Erschrocken fuhr sie herum und wollte Richtung Waldrand davonlaufen als wieder eine Stimme ertönte. „Veit, riechst du das? Hier ist irgendwo ein Mensch!“ Veit knurrte und sah genau in ihre Richtung. Er wusste wahrscheinlich längst, dass sie es war. „Szezar verschwinde!“ Szezar beachtete ihn gar nicht und ging langsam auf Miranas Versteck zu.  „Szezar ich sagte dir doch du sollst verschwinden!“ kam es donnernd von Veit, der sich nun bedrohlich aufgerichtet hatte und bereit war zwischen die Baumwurzel und Szezar zu stürmen. Der Weiße beobachtete ihn. Dann erblasste er. „ Du weißt wer dieser Mensch ist… Deswegen kommst du immer wieder hierher!“ stotterte er. „Das ist Hochverrat! Man wird dich töten, wenn das rauskommt!“ Veit betrachtete ihn stumm. „Bist du mein Freund Szezar?“ Der andere schnaubte, immer noch aufgebracht und sichtlich schockiert, aber er kannte Veit seit Geburt an und würde ihn nie verraten. Sie waren zusammen aufgewachsen, hat als Kinder zusammen gespielt und als Krieger viele Schlachten geschlagen. „Natürlich bin ich dein Freund! Aber als dein Freund, muss ich dich auch manchmal vor dir selbst schützen!“ erwiderte Szezar nachdenklich. Veits Blick war jetzt auf die Baumwurzel gerichtet doch er sprach mit Szezar. „Du willst also den Grund wissen, den Grund warum ich immer wieder hierher komme, den Grund warum ich Schulden bei jemandem habe!?“ Der Weiße erwiderte nichts, schnaubte nur und nickte dann. „Komm aus deinem Versteck hervor, du hast nichts zu befürchten!“ Szezar lachte verächtlich auf, doch Veit brachte ihn mit einem stummen Blick zum Schweigen. Mirana schwitzte jetzt hinter ihrer Baumwurzel. Sollte sie davonlaufen? Sollte sie dem Befehl gehorchen und hervor kommen? Sie wusste, dass sie nicht weit kommen würde, also richtete sie sich langsam auf und kam hinter der Wurzel hervor. Szezar erbleichte. Keuchend wandte er sich an Veit: „Das ist eine Menschenfrau. Du riskierst Kopf und Kragen wegen einem Weib? Bist du noch zu retten? Was hast du ihr alles verraten? Hast du mit ihr geschlafen?“ fragte er mit geweiteten Augen. Veit blieb ganz ruhig: „Szezar beruhige dich! Ich werde dir alles zum gegebenen Zeitpunkt erklären. Verschwinde jetzt!“ „Ich soll verschwinden?“ schrie Szezar beinahe. „Damit du Jahrhunderte alte Eide brichst und rumhuren kannst mit einer Menschenfrau? Bist du von Sinnen. Hast du mit ihr geschlafen, Veit? Und bei allen Göttern versuch nicht mich anzulügen!“ Mirana zuckte zusammen. Wieso spielte es so eine große Rolle ob sie mit Veit geschlafen hatte oder nicht? Ist das in ihrem Lager schon mal vorgekommen? Was würde dann passieren? Wieso beharrte er so auf dieser Frage? Mirana beobachtete weiter was passierte. Der Dunkle kam betont langsam auf Szezar zu. „Du vergisst dich, mein Freund! Aber falls es dich beruhigt, es wurde kein Geheimnis verraten, keine Eide gebrochen und jetzt geh nach Hause. Sag den anderen ich wäre zur westlichen Grenze aufgebrochen und komme erst morgen zurück. Sprich mit niemandem über das hier Geschehene. Wenn ich wieder zurück bin werde ich dir alles soweit erklären. Und jetzt geh und wage nicht noch ein Wort zu verschwenden. Du verrätst somit mehr als ich!“ Szezar starrte ihn an, ging ein paar Schritte zurück und warf einen letzten Blick auf Mirana, bis er schließlich schnaubend davonstürmte. Mirana hatte sich bisher nicht bewegt und auch keinen Ton gesagt. Die Stille breitete sich zwischen ihnen aus. Er stand zwei Meter weg von ihr und starrte zu Boden. „Wie lange versteckst du dich da schon?“ fragte er leise, den Blick nicht erhoben. Mirana schrak zusammen als seine Stimme so plötzlich erklang, sich fast bedrohlich anhörte. „Ich… eine Weile.“ sagte sie dann. Schließlich würde es nichts bringen ihn anzulügen, er würde es sowieso sofort merken. „Du hast Dinge gehört die nicht für deine Ohren bestimmt waren…“ sagte er, immer noch leise. Langsam hob er den Blick: „Eigentlich müsste ich dich dafür töten.“ Mirana blickte erschrocken zu ihm auf, wollte etwas einwerfen, aber er hob abwehrend die Hand. „Glaub mir wenn ich es wollte, könntest du mich nicht mehr umstimmen. Was also machst du hier?“ Mirana dachte kurz nach, wenn er es wollte? Also wollte er es gar nicht? Hoffnung keimte in ihr auf. „Ich war Pilze sammeln im Wald, als ich laute Stimmen hörte. Ich bin ihnen gefolgt, in der Hoffnung auf dich zu treffen. Als ich sah, dass du nicht allein warst, habe ich mich versteckt. Ich wollte keine Geheimnisse deines Volkes ausspionieren, aber als ich da so hockte, konnte ich mich nicht mehr unauffällig wegbewegen. Dein Freund hätte es gemerkt und du auch. Also blieb ich und habe zugehört. Ich werde allerdings nichts weitererzählen. Du hast mein Wort… und du weißt das ich es halte!“ fügte sie nach kurzem Zögern hinzu, da sie über die Nacht vor 10 Jahren nie ein einziges Wort verloren hatte. Er musterte sie nachdenklich. Dann fragte er: „Wieso wolltest du mich treffen?“ Jetzt kam der schwierige Teil, dachte Mirana. Wie konnte sie auf den Kuss ansprechen ohne vor Scharm im Boden zu versinken? Sie wollte unbedingt wissen warum er sie geküsst hatte, aber die Worte blieben ihr im Hals stecken. „Ich… ich wollte… ich habe…“  stammelte sie. Mit hochrotem Kopf wandte sie sich schließlich ab. Sie starrte zu Boden und murmelte leise: „Ich habe mich gefragt… Warum du mich am Fluss geküsst hast?“ Stille. Mirana konnte nicht aufblicken, so peinlich war ihr die ganze Situation. Als er immer noch nichts erwiderte wurde sie langsam ungeduldig. Hatte er sie nicht gehört? Was war so schwer daran, diese einfache Frage zu beantworten? Schließlich brachte ihn doch nichts in Verlegenheit. Selbst vulgärste Gespräche waren ihm völlig geläufig, wie sie sich an die Geschichte mit dem Ständer erinnerte. Sie wurde noch röter. Gott, Mirana konzentrier dich! Schließlich blickte sie doch auf. Er stand noch immer dort, wo er vorher gestanden hatte. Sein Gesicht war ernst, doch seine Augen funkelten amüsiert. „Hat es dir gefallen?“ kam endlich eine Reaktion. Nicht auf die Mirana gehofft hatte. Sie riss die Augen auf und starrte ihn überrascht an. Machte er sich über sie lustig? Sie betrachtete sein Gesicht. Sein Mund war nun zu einem leichten, selbstgefälligem ja fast eingebildeten Lächeln überzogen. Ach, so spielte man hier. Er lachte sie aus, weil sie die dumme Mirana solche Hoffnungen in einen ersten Kuss, ihren überhaupt ersten Kuss gesteckt hatte. Und er stand hier und grinste sie an, wie wenn er ihr einen Gefallen getan hätte und nur durch die Welt ging und alle möglichen Frauen von seinen überragenden Küssen zu überzeugen. Wut schäumte in Mirana hoch. „Nein, es war grässlich. Man merkt, dass du das nicht oft machst, sonst hättest du wesentlich mehr Erfahrung darin eine Frau anständig zu küssen. Das war ja so erbärmlich, da küsst ja der Hufschmid des Dorfes besser. Ich hoffe..." weiter kam sie nicht. Plötzlich hatte er sie gepackt, hochgehoben wie ein Baby und auf eine höher gelegene Wurzel gehockt. Sein nackter Bauch war zwischen ihren weit gespreizten Beinen, der Stoff bis zu ihren Schenkeln hochgerutscht und sein Kopf fast auf Augenhöhe mit ihrem. Im Rücken spürte sie die knorrige Rinde und vor sich den warmen, muskelbepackten Körper. Spontan klammerte sie sich an ihn, ansonsten wäre sie runtergefallen. Er sah ihr kurz, fest in die Augen, bevor sich sein Mund auf ihren presste. Nicht zärtlich sondern hart, fast gewalttätig öffnete er ihren Mund und schob seine Zunge in ihren. Mirana entfuhr ein leichtes stöhnen. Gott, hatte sie gerade wirklich aufgestöhnt? Doch schon wenig später konnte sie nicht mehr denken. Ihr Körper stand in Flammen als seine starken Hände ihren Körper entlang wanderten. Zuerst glitten seine Hände ihre Schultern hinab und verharrten kurz auf ihren Brüsten. Er fand ihre Brustwarzen durch den dünnen Stoff ihres Kleides und zwickte kurz zu. Sie wurden sofort steinhart. Mirana keuchte auf, als sie spürte wie seine Hände noch kurz ihre Brust streichelten und dann weiter nach unten wanderten. Er glitt über ihre Seiten und verharrte dann mit beiden Händen auf ihren halb entblößten Oberschenkeln. Langsam strich er weiter bis zum Knie und wechselte dann zur Innenseite ihrer Schenkel. Dort begann er seine Finger ganz langsam auf der nackten Haut nach oben zu bewegen, zu ihrer Körpermitte. Mirana nahm plötzlich ein verlangendes Brennen und Pochen zwischen ihren Beinen war und wünschte sich nichts mehr, als das seine Hände endlich ihr Ziel erreichen würden. Und während diesem ganzen küsste er sie so leidenschaftlich, bis sie keine Luft mehr bekam. Seine Zunge stieß wild in ihren Mund, umfing ihre Zunge und spielte mit ihr. Er nahm ihre Lippen zwischen die Zähne und biss leicht zu. Als sie es ihm nach machte und kurz, aber etwas kräftiger in seine Unterlippe biss, hörte sie ein leises Knurren das Tief aus seiner Brust zu kommen schien. Kurz bevor seine Hände jedoch ihre fast schmerzende Sehnsucht erreicht hatten, hörte er auf. Sie seufzte enttäuscht auf. Sein Kuss wurde ruhiger und brach dann ganz ab, sein Gesicht nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt. Sie atmete heftig, auch er rang um Atem. Ihre Wangen glühten und sie hatte das Gefühl innerlich zu verbrennen. Eine Lust machte sich in ihr breit, die sie selbst nie für möglich gehalten hätte. Sie wollte nicht, dass er aufhörte, wollte nicht das seine Hände wieder verschwinden und im Moment hätte es ihr nichts ausgemacht wie eine Stute behandelt zu werden. Sie konnte immer noch nicht klar denken. Er war einfach zu nah. Sie fühlte seine starke Brust unter ihren Händen, wie sie sich hob und senkte und langsam ruhiger wurde. Er sah ihr in die Augen und knurrte dann leise: „Vergleiche mich nie wieder mit einem Hufschmid!“ Sie nickte, noch immer nach Atem ringend. Langsam nahm er sich zurück und Mirana musste sich an der Baumwurzel festhalten um nicht hinunter zu fallen. Als ein Meter zwischen ihnen war, kehrte langsam ihr Verstand zurück. Was war gerade passiert? Blöde Frage, er hatte sie schon wieder geküsst und dieses Mal intensiver und heftiger als zuvor. Warum? Als er sich abwenden wollte, packte sie plötzlich eine eiserne Wut. Nein! Sie würde in dieses Mal nicht einfach weglaufen lassen. Sie wollte Antworten verdammt noch mal und die würde sie auch bekommen. „Stopp!“ schrie sie. Der Zentaur erstarrte. Es war ihr gleichgültig. Sie war wütend und ließ sich nicht länger wie eine Puppe behandeln, die man nehmen und wegwerfen konnte wie man wollte. „Ich will, dass du mir antwortest! Warum hast du das schon wieder gemacht, mich geküsst? Wieso kommst du hierher zurück, wenn es doch für dich angeblich so gefährlich ist? Warum ist es Szezar so wichtig, ob du mit mir geschlafen hast oder nicht? Was passiert dann mit dir? Was haben die Menschen deinem Volk angetan, das der Zorn der Deinen noch immer auf den Menschen lastet? Was haben wir euch weggenommen? Und wie bist du zu dem Namen Veit gekommen? War dein Vater wirklich euer Anführer? Und warum hast du mich vor 10 Jahren verschont und tust es jetzt immer noch? Was erhoffst du dir dabei?“ Am Anfang schrie sie die Fragen fast, doch am Ende wurde sie immer leiser. Veit hatte sich zu ihr umgewandt und sah ihr nun tief in die Augen. Sie konnte seinen Blick nicht klar lesen. War da Wut, Trauer, Angst, Sehnsucht, Liebe? War es alles oder nichts von alldem? Sie wusste es nicht. Schließlich sprach er: „Du solltest deine Fragen mit Bedacht stellen, denn es könnte sein, dass dir die Antworten nicht immer gefallen werden.“  „Ich habe keine Angst vor den Antworten“, sprach Mirana. „Solange du mir endlich welche gibst,“ fügte sie trotzig hinzu. Veit betrachtete sie lange. Schließlich trat er nahe an sie heran und hielt ihr seine Hand entgegen. „Vertraust du mir? Doch bedenke deine Antwort gut, denn wenn du meine Hand nimmst, werde ich dir alles erzählen. Jedoch wirst du die Welt dann mit anderen Augen sehen. Dinge die immer klar und logisch erschienen, werden sich als Lügen entpuppen und die Wahrheit wie du sie jetzt kennst wird nicht länger existieren. Dies ist die Geschichte meines Volkes, die Wahrheit was sich wirklich zugetragen hat, zwischen Menschen und Zentauren und die Wahrheit über dich und mich.“

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Tag der Veröffentlichung: 01.06.2016

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