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Kapitel 1

„Ich hasse ihn! Ich melde mich jede Stunde und jedes Mal sagt er mir, dass ich an meinem Mündlichen ein wenig arbeiten solle!“, brummte ich laut durch das ganze Schulhaus  zu meiner bester Freundin Kelly. Okay was heißt schon beste Freundin. Eine Freundin. Ich hatte um ehrlich zu sein keine beste Freundin mehr seit dem damaligen Vorfall.
Aber nun gut. Themawechsel. Das wirkliche Problem war, dass mein Griechisch Lehrer mich ohne Grund hasste. Okay… ich gab zu… ich mochte ihn auch nicht und ließ ihn das auch manchmal spüren, aber das war doch kein Grund jemanden Unrecht zu behandeln.
„Beschwer dich doch einfach bei deinem Klassenlehrer“, meinte Kelly Schultern zuckend und lief mit mir auf den Hof hinaus.
Hier standen wie immer nur die kleinen Kinder herum und erzählten sich dramatische Geschichten oder spielten Fußball. Warum wir jede Pause hier hinausgingen wusste ich nicht. Ich mochte diesen grauen Schulhof noch nicht einmal. Auf der anderen Seite des Schulgebäudes gab es viel Grünes und auch Bäume. Nicht nur zwei Basketballkörbe und zwei Fußballtore.
„Habe ich doch schon“, sagte ich verzweifelt und stöhnte genervt. Ich strengte mich wirklich an und jedes Mal wenn ich etwas sagte, gab er mir auch Recht. Aber kaum ging es um die mündliche Note, hatte ich eine Vier.
Uarrgh!
„Reg dich einfach nicht auf. Sei froh, dass du das Fach los bist nächstes Jahr und genieße dein Leben so lange du es noch kannst und nicht arbeiten musst“, sagte meine Freundin und schloss ihre Augen um in die Sonne zu blicken und das Gesicht zu bräunen.
„Das sagst du so einfach Kelly, du wirst schließlich von Jedem geliebt“, grummelte ich und ließ mich auf die Steintreppe fallen.
„Du wirst doch auch von jedem Kerl angegafft“, sprach sie und zwirbelte eine ihrer hellbraunen Haarsträhnen um ihren Finger. Kelly war wirklich hübsch. Sie musste ungefähr 20 Zentimeter kleiner als ich sein, hatte hellbraune, lange, glatte Haare, eine schöne gebräunte Haut und Grübchen wenn sie anfing zu grinsen.
„Ja ich werde von jedem angegafft weilt ich fast größer bin als jeder hier. Und nicht nur hier sondern auch draußen!“, beschwerte ich mich. Wenn ich in den Spiegel sah, sah ich nichts Weiteres wie ein viel zu großes Mädchen mit dunkelblonden, welligen Haaren, braunen Augen und heller Haut. Das Schlimme war eigentlich, dass ich nie braun wurde. Ich konnte machen was ich wollte. Ich konnte mich fünf Stunden in die pralle Sonne legen und meine Haut wurde noch nicht einmal Rot! Sie blieb einfach hell wie sie war.
„Du hast ein wunderschönes Gesicht und du hast echt krasse Kurven“, machte mir Kelly Mut und nickte mir zu, als es auch schon wieder anfing zu klingeln. Der Unterricht ging weiter.
Mathe. Bahhh.


Nach zwei weiteren Stunden Mathematik hatte ich den Schultag hinter mir und konnte mich endlich in mein Bett legen für die nächsten zwei Tage.  
Kelly und ich räumten unsere Bücher, die wir für die Hausaufgaben am Wochenende nicht brauchten, in unsere Spinte.
„Hey ihr zwei“, kam plötzlich eine männliche Stimme hinter uns. Ich kniff die Augen zusammen. Ich kannte diese Stimme. Sie war von Brian Willems, einem der beliebtesten Typen an der Schule. Er war ein Jahrgang über uns und hatte nur angesagte Leute um sich herum, die angesagte Sachen trugen und die auch jeder anhimmelte. Jeder außer mir und Kelly. Das machte uns wahrscheinlich auch zu sowas wie Freundinnen.
„Hey“, sagte Kelly langsam und drehte sich ebenfalls zu dem Braunschopf um. Brian war ungefähr fünf Zentimeter kleiner wie ich und musste also ein wenig hoch schauen, wenn er mir in die Augen sehen wollte. „Was gibt’s?“
„Ich dachte mir ich lade euch zu meiner Party ein. Sie findet morgen bei mir zu Hause statt. Ich schicke euch die Adresse, wenn ihr Lust habt vorbei zu kommen. Also wie sieht es aus?“, fragte er mit einem charmanten Lächeln. Ich musste zugeben. Brian war noch einer von Denen, mit denen man relativ gut umgehen konnte. Wenn er nicht all zu oberflächlich wäre, wäre er auch ganz in Ordnung. Aber dafür hang er auch einfach mit den falschen Leuten ab.
„Was soll das für eine Party sein?“, fragte Kelly mit hochgezogener Augenbraue und musterte den Jungen vor uns kritisch. Er jedoch ließ sich davon nicht einschüchtern, sondern grinste cool und antwortete: „Eine Party halt. Typen, Weiber. Trinkspiele. Pizza. Getränke. Musik. Spaß. Tanzen und so weiter. Meine Eltern sind das Wochenende über nicht da und wir brauchen wieder mal ein paar neue Leute in unserer Menge. Sonst wird es doch langweilig.“
„Schick mir die Adresse“, antwortete ich einfach und drehte mich um, um meinen Spint zu schließen. Ich wusste was das für Partys waren und um ehrlich zu sein wollte ich schon immer mal auf eine gehen. Also warum nicht. So schlimm konnte es schließlich nicht werden.

Als ich mich wieder umgedreht hatte, war Brian schon verschwunden und Kelly stand mit großen Augen vor mir und blickte zu mir hoch.
„Dein ernst? Wir gehen da hin?“, fragte sie und musterte mich.
„Warum nicht. Wird uns schon keiner auffressen dort. Und wenn doch mach ich sie alle platt. Du weißt wie ich bin wenn ich kein Hunger habe“, lachte ich und zusammen liefen wir den Gang entlang nach Draußen.
„Und was wenn die Polizei kommen sollte?“, fragte Kelly besorgt und rückte ihre Handtasche auf ihrem kurzen Sommerkleid zurecht.
„Wir müssen ja nichts trinken“, antwortete ich gelassen, während wir die Straße entlang liefen. Heute war mal wieder ein echt schöner Sommertag, auch wenn es mir ein wenig zu warm war. Ich mochte den Sommer. Die Leute waren viel besser drauf und man hatte auch mehr Lust etwas zu machen, wie im Winter.
„Klar, wenn wir nichts trinken, sind wir die größten Loser“, beschwerte sie sich.
„Dann trink halt nur ein wenig was und täusche vor dass du viel getrunken hast. Wird nicht all zu schwer sein“, sagte ich und grinste leicht.
„Na wenn du meinst… schreibe mir dann heute Abend die Adresse, dann komm ich vorher zu dir“, sagte sie, umarmte mich kurz und bog links ab.


Als ich bei mir zu Hause ankam, schloss ich meine Haustüre auf und legte meine Handtasche auf dem Boden ab.
Mein Vater müsste noch arbeiten sein und meine Mutter war wahrscheinlich noch einkaufen. Wer aber auf jeden Fall da war, war unser kleiner Malteser Charly.
Kaum hatte ich meine Sachen abgelegt war er auch schon an mir hinaufgesprungen und blickte mich mit großen Augen an.
Nachdem er dann auch seine Streicheleinheit bekommen hatte, lief ich die Treppen unseres Hauses nach oben in mein Zimmer und warf mich erst einmal in mein großes Bett.  In dem Moment fiel mir ein, dass Brian nicht einmal meine Nummer hatte. Als würde das mit der Party wahrscheinlich doch nichts werden… Ich seufzte. Da hatte man einmal so eine Chance und dann wurde es zu Nichte wegen einer Kleinigkeit.

Als meine Eltern beide zu Hause waren hatten wir 19 Uhr und ich war wie jeden Abend am Verhungern.
Ich rannte runter in die Küche, nachdem mich meine Mutter gerufen hatte und setzte mich auch schon ohne weiteres an den Essenstisch und wartete, neben meinem Vater, auf das Essen.
Er blickte mich mit einem seltsamen Blick an.
„Alles in Ordnung, Dad?“, fragte ich ihn und zog meine Augenbrauen fragend in die Höhe. Er nickte nur knapp als Antwort und stand auch auf um meiner Mutter zu helfen.
Auch sie wirkte heute seltsam nervös und wuselte die ganze Zeit in der Küche herum.
„Alles okay?“, fragte ich in die Runde und beobachtete meine Eltern dabei, wie dämlich sie sich dabei anstellten das Essen auf den Tisch zu stellen.
„Ja“, murmelte meine Mutter und band ihre ebenfalls dunkelblonden Haare zu einem hohen Zopf zusammen, ehe sie sich neben mich setzte und mich kurz anlächelte.
Seltsam.
„Ich glaube, wir sollten-“, fing mein Dad gerade an als mein Handy anfing zu vibrieren.
„Marlisa! Wie oft sollen wir dir noch sagen, dass das Handy am Essenstisch nichts zu suchen hat?“, fragte meine Mutter gestresst, als ich jedoch auf den Bildschirm blickte, war mir das auch egal und ich fing an die Nachricht zu lesen.

Hey Marlisa,
hier meine Adresse für morgen Abend.
Helenstreet 20
Die Party beginnt um 19 Uhr und wenn ihr hier schlaft, weil ihr nicht anders nach Hause kommt, geb bescheid.
Brian

„Sagt mal… also Kelly und ich sollen über die Ferien ein sehr großes Projekt machen für die Schule. Und wir wollen Morgen eigentlich damit schon anfangen… könnte ich möglicherweise bei ihr übernachten?“, fragte ich mit großen Augen in die Runde.
Ihnen die Wahrheit zu sagen würde nichts bringen, außer angebrüllt zu werden, dass ich noch viel zu jung war und dass ich niemals auf eine Party gehen würde, wenn sie nicht dabei wären. Und ehrlich… wer will mit seinen Eltern schon auf eine Party?

Mom und Dad blickten sich einen kurzen Moment an. Während sich Dad ein Stück Fleisch abschnitt und sich danach kurz über seine kurzen, braunen Haare fuhr, zögerte er kurz, bis er sagte: „Ja. Aber ich möchte bevor ich schlafen geht noch eine Nachricht und am Morgen wenn ihr wach seid auch.“
Ich nickte mit einem Grinsen und feierte mich innerlich für diese einfache Lüge und meine Kreativität.
„Aber deine Mutter und ich müssen morgen mit dir über etwas sehr wichtiges reden. Also Plan dir das ein, bevor du gehst“, sagte er streng und biss in sein Fleisch.
„Klar“, nickte ich und aß ebenfalls. Meine Mutter blieb jedoch das ganze Abendessen über ungewohnt ruhig und beobachtete mich die meiste Zeit nur.

Am nächsten Nachmittag wuselte ich durch mein Zimmer. Ich hatte mir extra meine größte Handtasche aus dem Kleiderschrank gezogen, damit ich noch ein paar Sachen einpacken konnte. Kelly und ich hatten beschlossen dort zu schlafen, da wir unseren Eltern nun mal die gleiche Geschichte erzählen mussten und ihre Eltern wieder einmal über das Wochenende nicht daheim waren.
Schlafsachen hatte ich dabei. Und ich hatte auch schon an alles andere gedachte wie Papier und ein Buch, damit mein Vater es realistischer finden würde, wenn er das Buch in meiner Tasche finden würde. Nichts wies auf eine Party hin. Höchstens mein etwas kürzeres Outfit. Jedoch fand ich es nicht nuttig.

Nachdem ich fertig war mit Anziehen und Schminken, blickte ich in den Spiegel. Meine braunen Augen hatte ich mit wenig Eyeliner umrandet. Meine Wimpern waren getuscht und ich trug einen rötlichen Labelo auf den Lippen. Mein Outfit bestand aus einer etwas knapperen Hotpans und einem schwarz, rot karierten, brauchfreien Top. Als Schuhe trug ich noch schwarze Jucks und fertig war mein Outfit.
Ich blickte auf mein Handy als es unten auch schon an der Tür klingelte. Mensch. Sie war zu früh!
Schnell rannte ich mit meiner Handtasche und meinem Handy in der Hand, die Treppen hinunter durch das Wohnzimmer, um ihr die Türe auf zu machen.
„Marlisa wir müssen noch mit dir reden!“, rief mein Vater durch das ganze Haus, aber dafür hatten wir jetzt keine Zeit.
„Morgen!“, rief ich zurück und schloss auch schon die Haustür hinter mir zu und lief mit Kelly die Straße entlang.
Glücklicherweise wusste ich wo Brain wohnte. Naja nicht genau, aber ich kannte die Straße, da ich auf Google Web nachgeschaut hatte und einen relativ guten Orientierungssinn hatte.

„Und nervös?“, fragte sie mich als wir langsam dem Haus näher kamen. Woher ich das wusste? Musik. Ich mustere Kelly und zog überrascht die Augenbrauen hinauf. Sie hatte sich wirklich ein wenig sehr knapp angezogen. Sie trug eine sehr enge, sehr kurze Hotpans und ein sehr enges Oberteil mit genügend Ausschnitt um einen ganzen Popkorneimer hinein zu leeren. Und natürlich High Heels. Dadurch wirkte sie neben mir zwar klein… aber nicht mehr so klein wie davor. Glückwunsch Kelly.
„Ein wenig und du?“, stellte ich ihr die gleiche Frage zurück und lief weiter auf das Haus hinzu.
„Schon ein wenig. Aber hält sich in Grenzen.“

Als wir vor dem Haus standen fiel mir die Kinnlade hinunter. Das Haus war ungefähr dreimal so groß wie das von meiner Familie. Sie hatten einen riesigen Vorgarten mit einem großen Pool. Überall sprangen schon angetrunkene oder besser gesagt betrunkene Weiber durch die Gegend. Ein paar Jungs standen herum und beobachteten sie dabei mit einem perversen Grinsen.
Die Musik dröhnte aus dem Haus und mich wunderte es, dass die Nachbarn damit kein Problem hatten.
Aus dem Haus drangen Lichter und man konnte die Menschenmasse laut hören.
„Was denkst du wie viele da drin sind?“, fragte ich Kelly und machte mich langsam auf den Weg das Gelände zu betreten.
„Fünfzig?“, schätzte sie und  lief neben mir her.

Als wir das Haus betraten, war links von uns auch schon direkt das Wohnzimmer in welchem die meisten Typen auf der Couch saßen oder mit Mädchen zu der Musik tanzten, welche das ganze Haus erfüllte. In manchen Ecken konnte man Paare oder naja Mann und Frau rumknutschen sehen.
Gerade als wir in die Menge liefen, tauchte Brian hinter uns auf und tippte uns auf die Schultern.
„Hey ihr zwei!“, schrie er. „Geil dass ihr hier seid! Also ihr habt oben im zweiten Stock ein Zimmer zum schlafen! Hier ist der Schlüssel. Ich rate euch abzuschließen. Viel Spaß euch!“
Und damit hatte er uns auch schon die Zimmerschlüssel in die Hand gedrückt und war wieder zu seinen Freunden verschwunden.
Ich hatte den Schlüssel sicher in meinen BH gesteckt. Ich meine Hey. Da geht er sicherlich nicht verloren, denn da kommt auch niemand hin.
Während Kelly mich dabei mit einem Grinsen beobachtete, blickte ich mich ein wenig um. Das Haus war wirklich schön und teuer eingerichtet. Die Gemälde an den Wänden schienen teuer zu sein und passten auch gut zu dem Stil, die Möbel waren weiß und sauber wie ich noch nie ein Möbelstück gesehen hatte.

„Hey ihr beiden müsst Kelly und Marlisa sein!“, kam plötzlich ein hellblondes Mädchen auf uns zugerannt. Sie trug ein rosafarbenes Oberteil mit wenig Ausschnitt und eine weiße Shorts. Sie wirkte recht freundlich.
„Woher weißt du wer wir sind?“, fragte Kelly ein wenig schnippisch und musterte das Mädchen ebenfalls. Ihr jedoch schien es nichts auszumachen.
„Mein Name ist Mariella. Um auf deine Frage zurück zu kommen… jeder kennt die Neuen hier. Es sind noch ein paar weitere Schüler von eurem Jahrgang hier“, sagte sie. „Wollt ihr Mitspielen?“
„Was denn?“, fragte ich und blickte mich um. Wo konnte man hier denn etwas spielen?
„Ich habe noch nie. Ist ein recht lustiges Spiel und wenn ihr keine Lust mehr habt, könnt ihr einfach aufhören, versprochen“, sagte sie und nahm auch schon unsere Hände.
Ich war überrascht, dass sie einfach so offen war und auch Kelly schien ein wenig überfordert mit der Situation zu sein. Ihr schien das Ganze ein wenig zu viel zu werden.
Mariella quetschte uns durch die Menge der tanzenden Leute hindurch und setzte sich zu einer Gruppe auf den Boden. Hier war es tatsächlich ein wenig ruhiger.  Es saßen vier weitere Leute auf dem Boden. Davon drei Jungs und ein Mädchen mit schwarzen Locken. Ihr Blick wirkte ein wenig arrogant als wir auf sie zukamen. Die Jungs hingegen gafften uns nur an und grinsten, als wir uns dazu setzten. In der Mitte standen ein paar winzige Gläser und eine Falsche Wodka wenn ich mich nicht irrte.
„Das Spiel ist ganz einfach. Ich mache ein Beispiel. Ich sage… Ich habe noch nie einen Besen geküsst. Und jeder der schon einmal einen Besen geküsst hat, muss einen trinken. Der Rest nicht. Und dann ist der nächste dran. Aber wir sollten schon fair bleiben und nicht sowas bringen wie: ich habe es mir noch nie selbst gemacht“, sagte der Junge mit den dunkelblonden, kurzen Haaren und blickte in die Runde.
Ich hatte es verstanden. Jedoch wusste ich nicht wie viel ich vertragen würde und auch Kelly schien der gleiche Gedanke durch den Kopf zu schweben.
„Wie schon gesagt, wer aussteigen will, weil es zu langweilig wird oder wegen zu viel Alkohol kann das machen“, erwähnte Mariella erneut und blickte uns beide dabei mit einem Lächeln an. „Das sind Übrigens Jonas, Timothy, Charles und Amanda.“
Jonas hieß also der Typ, der ihnen das Spiel erklärt hatte. Er schien der Einzige von den anderen Jungs zu sein, der nicht notgeil war. Ich kannte diese Blicke von Typen. Es war einfach widerlich.
„Also. Ich fange dann mal an“, sagte Amanda und füllte die Gläser auf. „Ich bin noch nie von einem Baum gefallen oder besser gesagt auf einen geklettert.“
Ich blickte Kelly und grinste bei der Erinnerung. Als kleines Kind waren wir immer auf Bäumen gesessen und hatten die Jungs beim Fußball spielen beobachtete. Wir nahmen also jeweils ein Glas und machten es Mariella und Timothy nach. Da ich schon Alkohol getrunken hatte, kannte ich das Brennen bereits, jedoch überraschte es mich, dass es so extrem stark war.
„Jonas du“, sagte Amanda und grinste ihn mit einem breiten Grinsen an.
„Ich habe noch nie geklaut“
„Auch nicht als kleines Kind?“, fragte Mariella mit hochgezogener Augenbraue.
„Nope“, grinste er frech und nickte ihnen zu. So ziemlich jeder von uns schüttete sich erneut ein Glas hinunter.
„Kelly, mach du weiter.“
Ich konnte sie neben mir zittern spüren. Okay… das jetzt nicht aber sie war so Kreativ wie ein Stock.
„Ich habe noch nie zuvor Alkohol getrunken“, sagte sie und grinste frech in die Runde.
„Echt nicht?“, fragte Charles und blickte sie verblüfft an. Auch ich wirkte ein wenig irritiert da ich bisher immer der Meinung gewesen war, dass sie etwas getrunken hatte. Bei ihrem Spielzug musste jeder von uns einen trinken.

Nach ungefähr zwei weiteren Gläsern gab ich dann langsam den Geist auf, weil ich merkte, dass wenn ich noch ein wenig auf den Beinen stehen bleiben wollte, erst einmal ein Glas Wasser trinken sollte und raus an die frische Luft gehen sollte. Kelly, welche schon mehr als nur angetrunken war blieb noch bei den anderen. Sie spielte zwar nicht mehr mit aber beobachtete die anderen, wie sie ihre Geheimnisse lüfteten.
So machte ich mich also auf die Suche nach der Küche. Und nach ungefähr drei Minuten hatte ich sie dann auch gefunden. Es lag einiges an Alkohol und normalen Getränken wie Cola und Fanta herum.
„Hey, kann ich dir helfen?“, sprach mich eine männliche Stimme hinter mir an. Ich drehte mich langsam um und blickte den Jungen an. Er hatte einen drei Tage Bart, musste um die 18 Jahre alt sein und sah… echt gut aus.
„Ich eh.. wollt eigentlich nur ein Glas Wasser“, sagte ich und deutete auf den Wasserhahn.  Er grinste und schnappte sich ein Glas aus einen der Schränke, als wäre er hier schon öfters gewesen.
„Du bist eine der Jüngeren hier oder?“, fragte er mich.
„Woher weißt du das?“, fragte ich ihn verblüfft und nahm das Glas Wasser entgegen.
„Mein Bruder schmeißt öfters mal so Partys und dadurch kenne ich hier die meisten Gesichter. Außerdem wirkst du recht… unbeholfen“, sagte er ruhig und trank einen Schluck aus seinem Becher.
„Unbeholfen? Du meinst nicht total zugedröhnt?“, lachte ich.
„Ganz genau. So fällt man hier auf“, grinste er. „Also wenn du nicht weiter auffallen willst. Komm mit mir für eine Runde Wahrheit oder Pflicht.“
Er grinste mich herausfordernd an.
„Ich kenne noch nicht einmal deinen Namen“, sagte ich und grinste zurück.
„Victor“, antwortete er und lief auch schon aus der Küche heraus.  Schnell trank ich das Glas leer, stellte es ab und folgte ihm auf die Couch. Er machte mir ein wenig Platz, damit ich mich hinsetzen konnte, nachdem aber noch zwei weitere Typen sich neben ihn quetschten, wurde es doch recht eng und so saß ich gefangen zwischen Couch und Victor.
Neben ihm saßen also zwei weiteren Jungs, und der Kreis schloss sich mit drei weiteren Mädchen, welche allesamt aussahen wie… naja wie Schlampen und noch einem Kerl mit rötlichen Haaren.
Wieder stellten sich alle kurz vor und dann ging es auch schon los. Klar wusste ich wie man Wahrheit oder Pflicht spielte. Die Mädchen vor mir waren schon dicht und als die Flasche das erste Mal auf mich zeigte nahm ich Pflicht. Ich wollte nicht langweilig wirken.
Da Victor mir die Aufgabe erteilen musste, holte er drei Klopfer aus seiner Jeans und drückte sie mir entgegen. Er zwinkerte mir zu.
Okay gut, redete ich mir ein. Es waren nur Klopfer. Ich trank den Ersten. Den Zweiten. Und den Dritten. Schmeckte eigentlich ganz gut. Und langsam merkte ich den Alkohol auch immer mehr in meinem Körper.
Ich drehte die Flasche welche auf eines der Mädchen zeigte. Diese nahm Wahrheit. Wahrscheinlich weil sie schon zu betrunken war, vermutete ich. Aber okay ich hatte etwas gegen Schlampen und da stellte ich ihr auch schon einfach die Frage: „Wie viele Typen hattest du schon im Bett?“
Die Gruppe wurde hellhörig und ihr schien es nicht einmal etwas auszumachen als sie antwortete: „Müssten um die zwanzig sein.“
Na na. Sowas fragt man aber nicht. Hörte ich eine Stimme in meinem Kopf. Nah… war das normal? Ich schluckte die Verwirrung einfach runter.
Ich hatte die nächste Runde verpasst und schaltete erst wieder ein, als sich das Mädchen, welches ich gefragt hatte und ein anderes anfingen sich zu küssen.
Ich wusste nicht recht wie ich darauf reagieren sollte, weshalb ich einfach weg schaute und auch langsam merkte wie sich alles anfing zu drehen.
Als mein Blick durch die Menge ging, sah ich einen verdammt gut aussehenden Jungen. Er hatte sehr dunkelbraune Haare und schokobraune Augen. Er war sogar größer wie ich. Zu mindest kam es mir so vor. Er blickte mir in die Augen. Und genau in diesem Moment durchzog mich ein kalter Schauer. Schnell blickte ich weg und wieder in die Runde.
„Ist das okay für dich? Hast du einen Freund?“, hörte ich Victor plötzlich neben mir Fragen. Was sollte denn diese Frage? Was ist okay?
„Nein ich habe keinen Freund“, antwortete ich verwirrt als er mich auch schon an sich rangezogen hatte und anfing seine Lippen auf meine zu legen und mich zu küssen.  Total überfordert saß ich einfach nur da und spürte seine warmen Lippen auf meinen. Ich konnte seine plötzliche Lust spüren und sie fing auch mich an zu überwältigen. Ich kannte dieses Gefühl nicht, jedoch endete es recht schnell. Und ohne weiteres stand ich auch einfach auf und lief nach draußen.
Ich brauchte dringend frische Luft. Das gerade war nicht mein erster Kuss, aber der erste seit Jahren und er war etwas unerwartet.
Langsam lief ich durch die Menge hindurch raus und lehnte mich an einen der Bäume. Ich schloss meine Augen und holte tief Luft.
Stell nichts an was du später bereust. Mach dich bereit für etwas was du nicht erwartest. Hörte ich wieder diese männliche Stimme in meinem Kopf.
Ich musste verdammt betrunken sein, dachte ich mir, als plötzlich jemand meine Hand ergriff. Schnell öffnete ich meine Augen und blickte Victor in seine grünen Augen.
„Hey, alles okay?“, fragte er mich und blickte mich besorgt an. Auch er schien gut betrunken zu sein. Wahrscheinlich nicht so sehr wie ich.. aber betrunken.
„Ja klar, es war nur ein wenig plötzlich“, sagte ich und versuchte nicht rot zu werden. Eine solche Röte klappte bei meinem Körper natürlich.
„Willst du dich vielleicht hinlegen? Du siehst fertig aus“, schlug er vor und ohne weiter nachzudenken nickte ich einfach und nahm seine Hand.
Er zog mich wieder einmal durch die Menge, die Treppen hinauf und öffnete ein Zimmer. Ich folgte ihm stolpernd und merkte immer mehr wie sich alles um mich herum drehte und ich langsam immer mehr anfing mich an ihm festzuklammern.  Ich war noch nie betrunken und irgendwie war es schon fast lustig. Ich kicherte.
„Ohje“, hörte ich Victor lachen, welcher mich plötzlich einfach so hochhoben hatte. „Bevor du noch umfällst bevor du das Bett erreichst“, sagte er und lief mit mir auf ein großes, weißes Bett zu. Er ließ mich langsam auf dem weichen Stoff nieder und setzte sich an den Rand.
„Das ist mein Zimmer, weshalb ich mich jetzt auch einfach mal frech neben dich legen werde“, sagte er und zog sich sein graues, enges Shirt aus. Meine Augen weiteten sich, als ich ihn oberkörperfrei sah. Er war wirklich durchtrainiert. Und als er plötzlich nur noch in Boxershorts vor mir saß, stieg mir die röte ins Gesicht und ich fing wieder an zu kichern. Aber warum kicherte ich? Er lachte leise. Das war das erste Mal, dass ein Junge neben mir im Bett lag und dann auch noch halbnackt.
„Willst du dich nicht auch noch umziehen?“, fragte er mich und zeigte auf mein Oberteil. Da ich nicht recht wusste, was ich antworten sollte zuckte ich mit den Schultern und sah ihn ratlos an.
„Hey kein Problem, ich dachte nur, dass es vielleicht bequemer ist zum schlafen“, sagte er schnell und hob verteidigend seine Hände in die Luft. Ich kicherte wieder. Ich war doch kein Polizist.
„Nein ist schon okay. Aber. Eh dreh dich um ok?“, sagte ich und wartete, bis er sich umgedreht hatte. Mich hatte zuvor noch kein Junge so gesehen und auch wenn ich betrunken war. Das sollte so bleiben. Schnell zog ich mir das Oberteil über den Kopf. Er hatte Recht. So würde ich besser schlafen können. Ich gähnte und merkte langsam, dass ich müde wurde.
„Kann ich?“, fragte er und ich bejahte es, als ich nur in Unterwäsche unter der weißen Decke lag und ihn anblickte. Er warf einen Blick auf die Kleidungsstücke am Boden und legte sich neben mich unter die Decke. Dabei berührte er mich und mich durchzog ein seltsames Gefühl.  Wahrscheinlich nur der Alkohol, dachte ich mir.
Er drehte sich zu mir, so dass er mir in mein Gesicht blickte.
„Du bist wirklich hübsch“, sagte er und strich mir über die Wange. Daraufhin schloss ich meine Augen und genoss seine Berührung. Es war mir egal dass ich ihn nicht kannte und es war mir egal, dass ich hier halbnackt neben einem ebenfalls halbnackten Typen lag. Es war einfach alles egal.
Ich genoss seine Berührung, als ich plötzlich wieder etwas Weiches auf meinen Lippen spürte. Ohne weiter nachzudenken erwiderte ich den Kuss und rückte ein wenig näher an ihn heran.  Mein Kopf war einfach leer und es gab auch keine Gedanken mehr. Nur Gefühle und den Alkohol in meinem Körper.
Seine Hand fuhr durch meine Wellen, hinunter zu meinem Arm und von dort weilten sie kurz auf meiner Hüfte. Wir küssten uns immer weiter und weiter. Irgendwann bat er seine Zunge um Einlass und ich konnte nicht anders, als es ihm zu gewähren. Ein noch stärkeres Gefühl machte sich in mir breit und meine Hand lag plötzlich auf seiner Schulter und strich von dieser hinunter zu seinem Arm.
Er zog meine Hüfte ein wenig näher an mich heran und legte eines meiner Beine auf seines. Während er meinen Mund mit seiner Zunge liebkoste, fuhr er mit der Hand von meinem Bein hoch zu meinem Bauch und weiter hoch zu meinem BH. Er holte meine Brust aus meinem BH und fing an, an dieser mit seinem Finger herumzuspielen.  Ein leises, hauchendes Stöhnen entwich mir, woraufhin er leicht zwickte.
Plötzlich drehte er mich von der Seite auf den Rücken in das weiche Bett und küsste meinen Hals. Dieses Gefühl welches nicht nur mein Gehirn leerfegte sondern auch den Rest meines Körpers durchströmte wurde immer stärker und er während er nun schon mit seinem Mund an meiner Brust angelangt war, strich seine anderen Hand über meiner andere Brust hinunter zu meinem Bauch. Als er das erste Mal über meine Brustwarze leckte, spürte ich wie sich in meinem Unterleib etwas zusammenzog. Und ich spürte und wusste nun auch was ich wollte. Und es war mir egal wie schlampig das rüberkam.
Er küsste und leckte weiter über meinen Nippel, als seine Hand über meinen Tanga strich, an die Stelle, welche besonders empfindlich war. Wieder entlockte er mir ein stöhnen.  Als er ein wenig tiefer mir seiner Hand kam, hörte ich ihn auch leise etwas brummen. Jedoch konnte ich es nicht verstehen.  Seine Finger schoben meinen Tanga auf die Seite und nun konnte er mich sehen. Nackt. Eigentlich müsste ich jetzt total ausrasten und gehen und sonstiges Drama veranstalten, aber es war mir recht.
Während seine Finger diese eine, mehr als empfindliche Stelle ignorierte, fuhr sie nur drum herum und brachte mir so nur noch mehr Lust. Ich spürte wie ich meine Hüfte gegen seine Hand drückte. Ich stöhnte leise, als er mir auf den Nippel biss. Bis er sich plötzlich von mir löste und mich angrinste.
„Nicht so ungeduldig“, flüsterte er und ich spürte dass es mich erregte. Er wollte mich quälen und das gelang ihm auch.
Er küsste sich von meinem Bauch hinab, winkelte meine Beine an und küsste meine Innenseite der Oberschenkel und küsste sich immer mehr in die Mitte. Bis er an dem Hügel angelangte, welcher schon angeschwollen auf ihn wartete. Mit seiner Hand strich er über meinen Körper und plötzlich spürte ich etwas Nasses auf dieser Stelle und noch weitere Gefühle die mir durchströmten.
Er fing an mich zu lecken und wie er das machte. Ich konnte mit den leisen stöhnen gar nicht aufhören und fuhr ihm durch seine Haare. Drückte ihn näher ran und wollte immer noch mehr.
Irgendwann ließ er von mir und zog sich seine Hose aus, ehe er sich zwischen meinen Beinen positionierte und mich anblickte.
„Bist du noch Jungfrau?“, fragte er mich plötzlich.

Kapitel 2

Ich stand in einem großen leeren Raum. Es gab weder eine Tür noch ein Fenster. Die Wände leuchteten weiß und ich trug ein einfaches weißes, bodenlanges Kleid. Wo war ich? Ich drehte mich im Kreis. Kein Ausweg.
Bist du bereit?
„Bereit für was?“, fragte ich die tiefe Männerstimme. Schon wieder war sie da und dieses Mal lag es nicht am Alkoholpegel. Apropos. Wo war ich überhaupt? Müsste ich nicht in einem Bett liegen neben einem mir unbekannten Typen? Was war mit Kelly? Was war mit meinen Eltern? Ich hatte sie am gestrigen Abend nicht angerufen! Panik durchlief meinen Körper. Mein erster Gedanke war, dass man mich entführt hatte.
Für die Prüfung. Antwortete die Stimme auf meine Frage.
Ich schluckte. War das jetzt ein schlechter Scherz? Ich wollte einfach nur nach Hause. Ich wollte in mein Bett und in meine Kleidung. Ich trug noch nicht einmal Schuhe! Zwar war der Boden angenehm warm aber dennoch fehlte der Boden.
Ohne Weiteres erschien eine graue Tür vor mir. Langsam lief ich auf diese zu. Wahrscheinlich träumte ich dass nur, dachte ich mir und versuchte mich somit zu beruhigen. Schließlich konnte nicht einfach eine Tür erscheinen.
Ich öffnete sie und überquerte die Schwelle. Plötzlich stand ich erneut in einem Raum. In diesen stand nur ein großer Sessel.
Setz dich.
Langsam lief ich auf diesen grauen Sessel zu und setzte mich auf das Leder. Ich lehnte mich ein wenig an und blickte mich um. Der Raum war dunkler als der Vorherige. Es schien mir fast gruselig.
Schließ die Augen.
Ich schloss meine Augen, wie es mir die Stimme sagte und lehnte nun auch meinen Kopf gegen den Sessel. Plötzlich fing sich alles in meinem Kopf an zu drehen und ich hatte das Gefühl gleich von diesem Sessel zu fallen. Es war gruselig und ich krallte mich in die Lehne. Auf einmal endete es.
Du kannst deine Augen öffnen.
Langsam befolgte ich dem Befehl der Stimme und setzte mich auf. Ich war auf einer großen Wiese. Es blühten viele Blumen und weiter weg konnte ich ein Mädchen erkennen. Langsam ohne weiter zu Denken, stand ich auf und lief auf das Mädchen zu. Wir standen auf einem kleinen Hügel und von hier konnte man einen See sehen, ein großes Gebäude und weiter entfernt auch ein Wald, wenn ich mich nicht irrte. Am Himmel schien die Sonne und es befand sich keine einzige Wolke oben. Das Wetter war wunderschön und vor mir stand eine Frau mit einem weißen Gewand. In der rechten Hand trug sie eine Fackel. Sie hatte ein wunderschönes Gesicht, so rein und glatt wie ein Babypopo. Sie schien so perfekt zu sein, dass ich sie einfach nur angaffen konnte.
Ihre Haare waren zu einem Dutt zusammengesteckt und sie trug auf ihrem Kopf eine Art kleine Krone. Beim genaueren Hinschauen wusste ich wer sie war. Persephone. Eine griechische Göttin. Also ja es war definitiv ein Traum. Und was ein schräger.

Sie blickte mich an und lächelte. Ein wenig überrascht von ihrer Reaktion lächelte ich zurück. Sie kniete sich auf den Boden an eine Stelle, auf welcher keine Blumen wuchsen. Sie legte ihr Hand über einen Teil der Stelle, schloss ihre Augen und keine zwei Sekunden später, wuchsen kleine Gänseblümchen. Wie hatte sie das gemacht? Okay… ich musste zugeben, die Frage war überflüssig. Sie war eine Göttin. Und es war ein Teil ihrer Aufgabe also musste sie das können. Aber oh mein Gott ich saß direkt neben ihr!
Ohne zu sprechen, deutete sie mir, das Gleiche zu tun. Also gut warum nicht? Es war mein Traum also konnte ich das sicherlich auch, wenn ich das wollte, dachte ich mir und hob meine rechte Hand über die Grashalme. Ich schloss kurz meine Augen und stellte mir vor, wie unter meiner Hand anfingen Blumen zu wachsen.

Als ich meine Augen erneut öffnete, wuchsen einige der Grashalme. Aber eine Blume war nicht zu sehen. Persephone stand wieder auf und wartete auf mich.
Sie lief mit mir zu dem Sessel zurück und deutete mir mich erneut auf ihn zu setzen. Ich tat was sie wollte und lehnte mich wieder zurück.
Sie kramte aus ihrem Gewand ein kleines Fläschchen heraus und gab es mir.
„Drink“, konnte ich sie sprechen hören und ich blickte sie mit großen Augen an. Ich nahm also wie ein Roboter die Flasche und exte die dunkelrote Flüssigkeit hinunter. Es hatte kein Geschmack und keine Sekunde später saß ich nicht mehr auf einer Wiese, sondern in einem Büro.  Was war das denn? Fragte ich mich innerlich und blickte mich Verwirrt um.
Langsam kamen in mir Zweifel auf, dass ich wirklich nur träumte. Denn wie ein Traum kam mir das Ganze nicht vor. Schließlich ging es in meinem Träumen hauptsächlich ums Essen und um Spaß.

Das Büro war alt und manche Möbel schienen schon fast auseinander zu fallen, wenn ich nur berühren würde. Ich blieb also besser in meinem Sessel sitzen, dachte ich mir und blickte mich ruhig um. Vor mir stand ein großer Schreibtisch und dahinter ein schwarzer, leerer Bürostuhl. Einen PC oder ähnliches gab es hier nicht. Es wirkte alles seltsam altmodisch. Rechts von mir stand ein riesiges Bücherregal mit mehr als fünfzig Büchern, schätzte ich und links von mir war eine Tür, genauso wie hinter mir eine Tür war. Also wenn ich flüchten musste, weil… naja weshalb auch immer, musste ich mich auf eine Tür einigen.
Bevor ich jedoch auch nur weiter darüber nachdenken konnte, ertönte wieder diese männliche Stimme: Marlisa White. Du bist 16 Jahre alt, bist bis jetzt auf eine normale High School gegangen und hast sowohl einen Vater wie auch eine Mutter.
Sollte das jetzt eine Frage sein?
„Ja“, antwortete ich ruhig und suchte nach dieser Stimme. Vielleicht gab es hier irgendwo einen Lautsprecher. Aber nach langem Suchen, gab ich irgendwann auf. Ich war verrückt. So war es.
Es wird Zeit für dich dein Leben zu ändern. Bisher dachtest du anscheinend, dass du eine gewöhnliche Schülerin bist, aber du irrst dich. Du bist eine Göttin. Du wirst zu mindest eine. Bestehe die zwei Jahre hier an der Schule und du wirst so sein wie kein anderer. Willkommen an der School of Gods. Dein Zimmer befindet sich im Gebäude J1. Zimmernummer 12.
Irritiert blickte ich mich um. Was zum…? Was für Götter und was für eine Schule? Ich ging auf eine normale High School und lebte bei meinen Eltern. Was sollte das hier?
Ich folgte der Stimme und lief aus dem Büro hinaus. Ich stand in einem hellen Gang. Die Wände waren weiß und auf dem grauen Boden lag ein dunkelroter Teppich.
Super und wie kam ich hier jetzt raus?!

Verzweifelt suchte ich nach dem Ausgang. Meine Beine trugen mich durch das Gebäude hindurch. Ich lief an den weißen Wänden, den vielen Fenstern und noch Bildern, welche an den Wänden hangen vorbei. Auch an ein paar Statuen rannte ich vorbei, jedoch schenkte ich diesen keine Beachtung. Ich versuchte so schnell wie nur möglich zu verschwinden.
Ich wollte heim. Ich wollte zu meiner Mutter und zu meinem Vater. Zu Kelly. Einfach in mein altes zu Hause. Langsam wurde mir bewusst, dass das ganze hier Real war. Aber man erlaubte sich doch einfach nur einen schlechten Scherz mit mir oder? Was hatte diese Stimme von Göttern gefaselt?
In Gedanken rannte ich eine große Treppe hinunter und knallte plötzlich gegen etwas Hartes. Bevor ich jedoch auf dem Boden aufprallen konnte, packte mich eine Hand an der Hüfte.
Ich hatte vor Schreck meine Augen geschlossen und erst als mich die Person langsam dazu gebracht hatte mich aufzurichten, öffnete ich sie. Vor mir stand ein Mann mit braunen kurzen Haaren. Er musste 1.85 groß sein, also fünf Zentimeter größer wie ich. Er wirkte mit seinen breiten Schultern sehr einschüchternd, in seinen Augen konnte ich jedoch ein wenig Belustigung sehen. Ich runzelte die Stirn, als er mich anfing zu mustern.
„Du bist?“, fragte er mit einer tiefen Stimme.
„Marlisa“, murmelte ich leise und lief einen Schritt nach hinten.
„Folge mir“, sprach er kurz und lief den Gang nach rechts zu einem großen Tor. „Die ganzen neuen Schüler treffen heute hier ein und müssen sich erst einmal zu Recht finden. Du natürlich auch. Du bist sicherlich gespannt oder?“
Ich blickte ihn verwirrt an. Gespannt auf was?
„Ich will eigentlich nur nach Hause“, antwortete ich knapp und folgte ihm weiter, als er plötzlich stehen blieb und ich fast schon wieder gegen ihn rannte.
„Das geht nicht, das ist dir bewusst?“, fragte er mich und zog mit einer strengen Miene, seine Augenbrauen nach oben.
„Warum sollte das nicht gehen?! Ich will zu meinen Eltern. Sie wissen nicht wo ich bin. Nicht einmal ich weiß wo ich bin!“, sagte ich nun etwas lauter und empört. Was wollte dieser Mann von mir? Ich hatte keinem etwas getan. Ich wollte nur nach Hause. Man konnte mich hier doch wohl schlecht einsperren!
„Deine Eltern wissen, dass du dich hier befindest. Und du solltest das eigentlich auch wissen. Aber anscheinend haben sie es dir nicht erzählt“, sprach der knapp und brummte.
„Was erzählt?“, fragte ich ihn und folgte ihm weiter hinaus.
Draußen standen wir auf weichem Gras. Woher ich wusste, dass es weich war? Ich trug weshalb auch immer keine Schuhe.
Ich blickte mich um. Links von uns standen zwei kleinere Gebäude, etwas weiter hinten, rechts von den Gebäuden konnte ich eine Art Stall entdecken und rechts von mir war weiter entfernt ein großes, schwarzes Tor, und ein schwarzer, hoher Zaun, welche das riesige Gelände ausmachte.
„Davon erzählt, dass du hier auf die Schule der Götter gehst. Wir haben jeden eurer Eltern einen Brief geschickt, in welchem alle Informationen standen und auch, dass sie es euch erzählen sollten“, sagte er mit angespannter Stimme. „Ich gehe mal davon aus, dass das jetzt erst einmal ein Schock für dich ist.“
„Kann man so sagen“, murmelte ich leise. Meine Eltern wussten davon? Ich meine okay… normal hatte ich mich noch nie gefühlt, aber eine Göttin? Wie krank war das denn?
„Hast du dich nie gefragt, warum du größer bist wie fast jeder andere? Warum deine Haut sich nicht färbt oder deine Haare im Sommer nicht heller werden, wie bei jedem anderen Menschen?“, fragte er mich und lief mit mir auf eines der Gebäuden zu.
„Doch… aber-“
„Kein Aber. Das ist nun mal so bei den Göttern“, sagte er bestimmt und lief mit mir weiter durch das Gras. Einen wirklichen Weg von dem Gebäude zu dem … Schulgebäude gab es nicht. Diese zwei Häuschen, nannte ich sie jetzt mal, waren in einem dunklen Rot Ton gestrichen. Das Schulgebäude hingegen ähnelte einem winzigen Schloss und schien daher auch recht altmodisch zu sein.
Ich schluckte den dicken Klos in meinem Hals hinunter. Sie hatten davon gewusst und hatten es mir nicht erzählt. Sie wussten davon und es war ihnen egal! Sie ließen mich hier einfach im Stich!
„Wann kann ich sie wieder sehen?“, fragte ich leise und beobachtete meine Füße.
„Wenn deine Ausbildung fertig ist“, antwortete er emotionslos. „Keine Sorge Marlisa. Du wirst hier genügend Freunde finden.“
Darüber machte ich mir auch weniger Sorgen. Ich konnte auch ohne Freunde leben, dachte ich mir und zuckte mit den Schultern. Aber ohne meine Familie?

Als wir an dem hintern Häuschen standen öffnete er die dunkelgraue Tür und bat mich herein.
„Du weißt deine Zimmernummer noch?“, fragte er mich, woraufhin ich nickte.
„Gut. Deine Zimmergenossinnen werden demnächst auch eintreffen, wenn sie es noch nicht sind“, antwortete er und schloss die Tür hinter sich.
Nun war ich alleine.
Ich blickte mich um und versuchte mein Zittern zu unterdrücken. Alles würde gut werden, redete ich mir immer und immer wieder ein.
Links und Rechts führte jeweils eine Treppe zu dem gleichen Gang, welcher sich oben bildete. In dem Raum, in welchem ich stand, stand nichts Weiteres wie eine ebenfalls dunkelrote Couch. An den Wänden hangen wieder mehrere Bilder und Portraits. Die Wände waren dunkel gestrichen und nur ein großer Kronleuchter erhellte diesen Raum.

Ich nahm die linke Treppe und lief diese langsam hinauf. Es war sehr ruhig und es schien mir fast so, als wäre ich die Einzige in diesem Gebäude, aber wahrscheinlich irrte ich mich.
Ich lief also den Gang entlang und schaute auf die Zimmernummern, welche jeweils auf der Tür standen.
Als ich bei der 12 ankam klopfe ich zögernd an. Nachdem jedoch keiner geantwortet hatte, öffnete ich die Tür und schob als erstes meinen Kopf hindurch. Keiner zu sehen…
Ich schob also meinen Körper durch die Tür und blickte mich um.

Es war ein relativ großes Zimmer. Es standen drei Betten darin. Zwei davon vor einem Fenster an der rechten und an der linken Wand. Ein weiteres Bett gegenüber von dem Fenster.
Ein Schreibtisch stand vor einer weiteren Tür, an der rechten Wandseite und ein großer und ein kleiner Kleiderschrank standen links an der Wand.
Es wirkte tatsächlich einladend. Die Betten waren frisch überzogen und die Wände waren hell gestrichen, sodass die Sonne den Raum noch heller wirken ließ.
Ich setzte mich einfach auf das Bett neben der weiteren Tür und genoss kurze Zeit die weiche Matratze unter mir.
Nachdem ich mich kurz beruhigt hatte und meine Nerven wieder beisammen hatte, schaute ich in die Kleiderschränke. Es lagen nur drei Stapel darin, welche allesamt gleich aussahen. Wahrscheinlich so etwas wie eine Schuluniform, dachte ich mir.
Gerade als ich einen der Stapel herausziehen wollte, öffnete sich die Tür und ein Mädchen trat ein. Als sie mich entdeckte, lächelte sie mich mit einem sympathischen Lächeln an: „Hey.“
„Hey“, begrüßte ich sie ebenfalls und musterte sie. Sie musste ein paar Zentimeter größer sein als ich, hatte dunkelbraune, lange, wunderschöne Locken und dunkelbraune Augen. Trotz ihrer weiblichen Figur erkannte ich ihre Muskeln. Sie war also sehr… sportlich. Ebenfalls wie ich trug sie ein weißes Gewand. Im Gegensatz zu meinem schien es ihr jedoch viel besser zu stehen.
„Ich bin Niki“, stellte sie sich vor und legte setzte sich auf das Bett neben dem Kleiderschrank.
„Marlisa“, erwiderte ich und zuckte mit den Schultern.
„Sind in dem Kleiderschrank auch Klamotten? Weil Kleidung habe ich keine dabei. Du?“, fragte sie mich woraufhin ich nur den Kopf schüttelte. Niki schien mit dem Ganzen hier recht vertraut zu sein. Anscheinend wurde sie im Gegensatz zu mir auch über das Geschehen informiert.
Draußen auf dem Gang konnte man langsam Stimmen hören und es wurde immer lauter. Die Schüler trafen also nun alle nach einander ein und suchten ihr Zimmer.
Während sich meine neue Mitbewohnerin kurz im Spiegel beobachtete und mit gerunzelter Stirn wieder auf ihr Bett setzte, hatte ich mich auf mein eigenes Bett schon gelegt und starrte an die Wand.
„Bist du nervös?“, fragte ich sie und blickte zu ihr hinüber.
In dem Moment knallte die Tür auf und meine zweite Mitbewohnerin trat ein. Besser gesagt sprang sie ein. Sie war etwas kleiner wie Niki und ich, hatte aschblondes, welliges Haar und braune Augen. Im Gegensatz zu mir war sie jedoch ein wenig gebräunt und ebenfalls wie Niki verdammt hübsch.
„Ouuh hey! Ihr müsst meine Mitbewohnerinnen sein! Ich bin Adriane“, stellte sie sich vor und kam auch schon mit großen, schnell Schritten auf uns zu und drückte mich und Niki. Ich grinste ein wenig und stellte mich ebenfalls vor: „Marlisa.“
Niki hingegen schien ein wenig davon überfordert zu sein, lächelte dann jedoch und stellte sich auch vor.
„Ich bin ja so nervös!“, sprach Adriane und warf sich auf das freie Bett.  „Draußen ist so viel los.“
Und genau in diesem Moment hörte man auch ein paar Mädchen auf dem Gang kichernd an unserer Zimmertüre vorbeilaufen. Ich wusste nicht so recht wie ich mit der ganzen Situation umgehen sollte. Noch immer hatte ich das Gefühl, dass mein Kopf gleich explodieren würde, aber irgendwie schien er dem noch stand zu halten.
„Was für eine Göttin werdet ihr?“, fragte sie in die Runde und blickte uns neugierig an.
„Was meinst du?“, fragte ich sie verwirrt.
„Naja du hast von deiner Göttin ein Gläschen bekommen oder?“, fragte Niki ruhig, woraufhin ich nickte.
„Sie ist deine Göttin. Also wer war sie?“, fragte Adriane neugierig.
„Persephone“, antwortete ich, woraufhin die beiden mich mit großen Augen ansahen. Den genauen Blick jedoch konnte ich nicht deuten. Es herrschte kurz Stille in unserem Zimmer.
„Und du Niki?“, fragte Adriane plötzlich.
„Artemis wenn mich nicht alles täuscht. Deine?“
„Athene“, grinste die Blondine frech.
„Nicht schlecht“, grinste ich und nickte. Durch den Griechisch Unterricht an meiner… alten Schule hatte ich einige der alten Götter kennengelernt und ihre Eigenschaften.  Das Fach hatte dann also wohl doch etwas Positives gebracht… auch wenn ich mich innerlich immer noch tierisch über den Lehrer aufregte. Glücklicherweise war ich ihn und das Fach jetzt los.
„Ja ich weiß. Ich fühle mich geehrt aber um ehrlich zu sein habe ich Angst, dass ich die Prüfung nicht schaffe“, sprach sie und seufzte leise.
„Wirst du es denn annehmen?“, fragte Niki interessiert. Was annehmen? Fragte ich mich und blickte verwirrt in die Runde.
„Ich glaube das entscheide ich erst später, wenn ich mir sicher bin ob ich Chancen habe“; sagte sie.

„Von was redet ihr?“, fragte ich irritiert in die Runde. Wieder blickten mich die beiden verblüfft an.
„Naja du hast schließlich die Wahl am Ende des Jahres, ob du die Prüfung machen willst und die Nachfolgerin deiner Göttin werden willst, oder ob du abbrichst… Naja und wenn du die Prüfung nicht schaffst dann… stirbst du. Und wenn du abbrichst … naja ich weiß nicht genau was dann passiert. Du solltest auf jeden Fall versuchen die Prüfung zu bestehen“, antwortete Niki und blickte mich durchdringend an.

 

Ich würde sterben?! Oh ja super! Das wurde ja immer besser hier. Erst war ich von meinen Eltern getrennt worden und jetzt erfahre ich, dass wenn ich eine Prüfung am Ende des Jahres nicht bestehen würde, dass ich dann tot wäre oder sonstiges mit mir passiert.

Kapitel 3

 

„Wie könnt ihr damit so locker umgehen? Wieso fallt ihr nicht in Panik? Ich meine es geht um unser Leben!“, fragte ich geschockt in die Runde.
„Natürlich ist das ein Schock. Aber wir sind hier und was willst du machen? Abhauen? Das kannst du vergessen. Die Schule ist gesichert“, sprach Niki und wirkte dabei gelangweilt.
„Das kann nicht sein. Hier muss es doch wohl einen Ausweg geben“, sagte ich hektisch und rannte zum Fenster. Ich blickte hinaus und suchte nach einer Lösung. Aber das Einzige was ich sehen konnte, war der große Zaun. Und hinüber zu klettern kam nicht in Frage, außer man wollte aufgespießt werden.
Ein Klopfen an der Tür, ließ die Diskussion meiner Mitbewohnerinnen verstummen. Unter der Tür würde ein Brief hindurch geschoben.
Niki stand von ihrem Bett auf und nahm ihn. Ich setzte mich auf mein Bett und beobachtete sie dabei, wie sie uns zusammenfasste was darin stand: „…drei Stundenpläne… eine Skizze vom Inneren des Gebäudes… in 10 Minuten Abendessen mit der neuen Schulkleidung.“
„Uhhh wir haben eine Schuluniform? Ist das nicht cool?“, quietschte Adriane leise und klatschte begeistert in ihre Hände.
Meine Beine bewegten sich wie alleine auf den Kleiderschrank zu. Ich nahm die drei Stapel heraus und schaute auf die Größen. Da es aber keine gab, gab ich Adriane und Niki einfach eine.

Nachdem ich den Stapel neugierig auseinander gefaltete hatte, lag vor mir ein weißes Kleid und graue, hohe Stiefel.
„Das sieht angezogen bestimmt richtig toll aus“, hörte ich Adriane murmeln.
„Dann ziehen wir uns das mal an“, kam es von Niki, welche sich schon umzog.
Ich zögerte kurz einen Moment. Mir schien es so, dass wenn ich es jetzt anziehen würde, dass ich dann aufgegeben hätte und es einfach so hinnahm. Ich schluckte. Aber gerade hatte ich keine andere Möglichkeit. Ich würde schon noch hier heraus kommen, redete ich mir selber ein und zog mich ebenfalls aus.

Nachdem ich das Kleid anhatte betrachteten wir uns zu dritt im Spiegel. Adriane hatte recht gehabt. Es sah wirklich toll aus. Das Kleid hatte nur einen Träger und zwar an der linken Schulter. An der Hüfte war ein dünnes, silbernes Band zusammengeschnürt und unten verlief das Kleid vorne spitz. Wenn man sich umdrehte, verlief von dem Träger hinten eine Art weißer Schleie, wodurch man weniger nackt wirkte, meiner Meinung nach.
Die silbernen Stiefel ließen mich durch den Absatz noch größer wirken, aber da Niki noch ein wenig größer war wie ich, machte mir das relativ wenig aus.
Unsere Haare ließen wir offen, hatten wir entschieden, wobei sich die braunen Locken von Niki besonders schön aussahen in dem Kleid. Jedoch wollte sie sie sich zu einem Zopf zusammenbinden.
Nachdem wir sie dann aber doch dazu überredet hatten, sie offen zu lassen, liefen wir aus dem Zimmer heraus und aus dem Gebäude heraus.
Vor uns lief eine Gruppe etwas kleinerer Mädchen, welche alle ein einfaches dunkelrotes Kleid trugen und flache, schwarze Schuhe.
„Hier sind noch andere Wesen“, erklärte mir Niki, als sie meinen fragenden Blick gesehen hatte. „Wahrscheinlich haben sie dadurch auch eine andere Uniform.“
„Was denn für andere Wesen?“, fragte ich sie und zog meine Augenbrauen in die Höhe. Wenn es jetzt auch noch Vampire und Werwölfe gab, rastete ich aus. Das war dann nämlich doch zu schräg und abgefahren.
„Nymphen, oder kleinere Götter. Musen und noch einige weitere“, beantwortete Adriane meine Frage und wir liefen die linken Treppen hinunter.

Als wir draußen auf dem Gras standen blickten wir uns als Erstes um. Man konnte die Vögel zwitschern hören und es wirkte alles so friedlich, wenn man nicht gerade mit dem Gedanken bei dem wo möglichen Tod war, welcher vielleicht auf mich wartete.

Hinter uns kamen noch weitere Schüler aus dem Gebäude und liefen auf das kleine Schloss zu.
„Ich werde mich wahrscheinlich nie zu Recht finden“, vermutete Adriane neben mir und beobachtete das Schloss vor ihren Augen.
„Das ist gut möglich“, sprach Niki und rollte mit ihren Augen, als sei sie sich relativ sicher, dass sie sich nicht verirren würde. Aber auch ich musste daran zweifeln, obwohl mein Orientierungssinn nicht all zu schlecht war.
„Lasst uns rein gehen“, sagte ich einfach, da ich nicht weiter dumm rumstehen wollte. „Hast du den Plan vom Gebäude dabei?“
„Ja“, sagte Niki und faltete einen Zettel auseinander. „Im ersten Stock liegt nur die Essenshalle, ein Lehrerzimmer, der Lagerraum und die Küche.“

Als wir das große Tor öffneten um in das Gebäude einzutreten, wussten wir auch schon sofort wohin wir mussten. Auf der linken Seite vom Eingang stand eine gewaltig große Tür offen, aus welcher Schüler hinauskamen oder hineingingen.
Ich blickte zu meinen Mitbewohnerinnen, welche ebenfalls in die Runde schauten und wir zuckten mit der Schulter.
„Augen zu und durch, oder?“, fragte Adriane grinsend und lief auch schon als Erste von uns durch die Menge in die Halle.
Nachdem ich ihr gefolgt war, blickte ich mich als erstes um und musste staunen. Es war gewaltig groß und einfach wunderschön. Ganz hinten an der Wand stand ein kleiner Brunnen, in welchem das Wasser plätscherte. Davor stand ein großer Tisch, an welchem einige Erwachsene saßen uns sich unterhielten. Davor standen zwei weitere Tische, jedoch reichten diese von der linken Seite bis zu rechten des Raumes. Der Raum war jedoch nicht sonderlich breit, dass musste man dazu sagen.
An jedem Tisch standen jeweils zwei Bänke. Auf manchen von ihnen saßen auch schon einige Schüler. Am vorderen trugen die Meisten die gleiche Uniform wie ich und meine Mitbewohnerinnen sie trugen.
An der Decke hangen mehrere goldene Kronleuchter, welche wunderschön glänzten. Die Decke war mit Göttern bemalt, welche alle auf uns hinab schauten.
Die Wände jedoch waren wieder leuchtend weiß und sauber, als wäre sie noch nie von jemandem berührt worden. Wenn ich mich an die weißen Wände meiner alten Schule erinnerte, schauderte es mich im Verglich zu diesen. Sie waren halb grau und einfach nicht mehr schön anzusehen. An manchen waren sogar Farbe vom Kunst Unterricht. Dagegen war das hier viel besser.


„Setzen wir uns, bevor meine Beine noch einschlafen“, sagte Niki und machte sich auf den Weg zum vorderen Tisch. Wir setzten uns relativ in die Mitte. Rechts von uns saßen Schülerinnen mit roten Kleidern, welche uns freundlich anlächelten. Unter ihnen saß auch ein Zwillingspaar mit orangenen Haaren. Sie wirkten recht sympathisch fand ich.

Es dauert e nicht lange bis sich alle Schüler hingesetzt hatten und genauso schnell wurde es in der Halle auch immer lauter und lauter. Ich konnte einige Leute laut reden hören oder auch lachen. Manche fingen anscheinend auch schon an zu lästern, woraufhin ich nur die Augen verdrehen konnte.
„Was ist los?“, fragte Niki mich, als sie meine Reaktion gesehen hatte.
„Ich hasse Geläster“, sagte ich knapp und blickte mich um, um die Stimme zu suchen. Und etwas weiter links von mir saß der Täter schon. Besser gesagt die Täterin.
Sie hatte eine ekelhafte, helle und laute Stimme, welche man kaum überhören konnte. Ihre Haare waren Hellblond und glatt. Ein dumm-blond, wie ich es immer nannte. Ihre Haut war gebräunt und sie wirkte nicht nur arrogant sondern auch sich ihrer Schönheit bewusst.
„Willkommen im Klub“, sagte das Mädchen neben mir, woraufhin ich sie überrascht anblickte.
„Ich bin Elara“, stellte sie sich vor und lächelte in die Runde.
„Marlisa“, stellte ich mich vor.
„Adriane.“
„Niki.“
„Und was ist deine Göttin?“, stellte Adriane auch schon wieder ihre Frage und blickte Elara neugierig an.
„Hera“, lächelte sie. Elara hatte hellbraune, glatte Haare, durch welche ihre helle Haut noch ein wenig heller wirkte. Jedoch war auch sie wirklich hübsch, meiner Meinung nach.
„Wer mag schon Geläster“, hörte ich Niki sagen, welche daraufhin wieder zu dem blonden Mädchen schaute, bevor einer von uns jedoch auch nur den Mund aufmachen konnte, erklang wieder diese tiefe Stimme in meinem Kopf.


Herzlich Willkommen liebe Lehrlinge und Lehrer,
heute ist der Tag gekommen, auf welche die Götter seit langer Zeit gewartet haben. Der Tag, an welchem ihr, dazu ausgebildet werdet, ihren Platz einzunehmen. Nehmt eure Aufgabe ernst und respektiert wer ihr in der Zukunft sein werdet. Am Ende des Jahres steht die Endprüfung an, in welcher ihr euer Ergebnis präsentieren müsst. Euer Gott, Göttin, Nymphe oder andere Wesen, entscheiden dann ob ihr ihrer Aufgabe gerecht seid oder nicht. Damit es euch nicht zu langweilig wird neben dem Unterricht habt ihr das Recht auf eine AG. Den Stundenplan und andere Pläne, werden euch ausgeteilt. Aber nun wünschen ich und die anderen Götter euch ein leckeres Abendmahl.

Die Stimme verschwand und schon standen die Erwachsenen auch schon von ihrem Tisch auf und verteilten Papierrollen an die Schüler.
„Ich bin nicht die Einzige die diese Stimme wieder gehört hat, oder?“, fragte ich und runzelte mit der Stirn als mir eine Rolle auf den Teller gelegt wurde.
„Nein“, sagte Niki und öffnete ihre auch schon.
„Willst du mir sagen, dass du nicht weißt wer das ist?“, fragte Elara neben mir geschockt.
„Eh..“, antwortete ich darauf nur stockend. Woher sollte ich das denn wissen? Bis vor heute Mittag wusste ich noch nicht einmal wo ich war beziehungsweise warum ich hier war.
„Das ist Zeus“, sagte sie.
Zeus? Aha. Alles klar. Erst sehe ich Persephone und dann höre ich auch noch Zeus in meinem Kopf. In dem Moment fiel mir auf, dass ich ihn das erste Mal auf der Party gehört hatte.
Peinlich.
„Wir haben Einzelunterricht?“, hörte ich Adriane begeistert sagen.
Ich öffnete schnell auch meine Rolle und blickte auf die Fächer. Bis ich das Fach sah und am liebsten das Papier gegen die Wand geworfen hätte.
Altgriechisch. Und das viermal die Woche. Ich spürte schon den Schwall an Hass in mir aufkommen. Als ich jedoch weiter den Stundenplan anfing zu lesen fiel mir auf, dass es ein Fach namens „Kampf“ gab und auch Fächer wie „Mythologie“ oder „Wesen“.
„Und es gibt anscheinend einen Literatur Kurs. Geht da jemand von euch rein?“, fragte Elara in die Runde.
„Ich denke ich mache das“, antwortete ich und lächelte leicht. Literatur lag mir. Also warum nicht.
„Nein, da mache ich lieber Training“, sagte Niki und zuckte mit den Schultern und auch Adriane hatte nicht wirklich Lust auf eine extra Stunde Unterricht.
Normalerweise hätte ich wahrscheinlich auch eher nein gesagt, aber da mir der Rest etwas seltsam vorkam, wollte ich dann doch wenigstens etwas haben, was ich schon kannte, wenn man Geschichte und Altgriechisch wegließ.

Plötzlich wurde es ganz still im Sahl, als die Tür aufging und kleine Feen mit riesigen Tellern voller Essen hinbrachten. Unter fast jedem Teller schwebten drei von ihnen, welche sie mit aller Kraft hoben und auf die Tische stellten.
Manche der Schüler fingen an sich über die Wesen lustig zu machen, ich jedoch konnte darüber nur staunen. Es wirkte so unreal und ich musste mich zwicken um mir sicher zu sein, dass ich das nicht gerade träumte. Die Feen hatten alle ihre Haare zusammengesteckt, trugen ein Kleid und hatten dünne Flügel. Sie waren etwas größer wie eine Hornisse und ihre Gesichter sahen so rein und unschuldig aus. In dem Moment ging mir die Frage durch den Kopf wie es wohl sein musste so klein zu sein. Und fliegen zu können.
Bevor ich jedoch auch nur weiter nachdenken könnte, wurde ich auch schon von der Seite angerempelt: „Hey Marlisa. Auf was wartest du?“
Ich blickte zu Adriane, grinste und schaufelte mir als Erstes ein großes Hähnchen Stück auf den Teller vor mir und ein wenig Blumenkohl. Damals hatte ich Blumenkohl und Brokkoli gehasst, aber nach einigen Jahren konnte ich mich davon nur noch ernähren. Genauso wie Pfannenkuchen. Ich liebte es. Jeden Sonntag hatte mir meine Mutter welche zum Frühstuck gemacht und ich hatte sie alle vernichtet, bevor mein Vater auch nur am Tisch gesessen war. Bei der Erinnerung an seinen überraschten Blick, grinste ich leicht.
„Was ist so lustig?“, fragte Adriane mich und beobachtete mich.
„Ach ich war nur in Erinnerungen“, antwortete ich und lächelte leicht. Ich vermisste sie jetzt schon. Und ich würde hier sicherlich einen Ausweg finden. Ganz sicher.
Ich wusste nicht recht was ich hier suchte. Kelly machte sich sicherlich Sorgen und bestimmt musste der Typ, mit welchem ich was in der Nacht hatte, auch denken, dass ich etwas an der Klatsche hatte. Schließlich war ich nicht mehr da und naja abgehauen konnte ich eigentlich nicht, da er das Zimmer zugeschlossen hatte, soweit ich mich daran erinnern konnte.
Ich schluckte.
„Sagt mal, machen sich eure Freunde etwa keine Sorgen um euch? Ihr seid schließlich einfach verschwunden…“, sagte ich leise und trank einen Schluck Wasser aus dem Glas vor mir.
„Nein. In dem Brief den unsere Eltern bekommen haben, stand schließlich drin, dass sie eine Ausrede raushauen sollten“, sagte Niki und zuckte mit den Schultern. „Mein Dad sagte ihnen, dass ich auf ein Internat gegangen sei. Dabei hat er nicht einmal gelogen.“
„Wir sind zu der Zeit eh umgezogen“, sagte Adriane und zuckte mit den Schultern.
„Wieso? Haben deine Eltern etwa niemanden bescheid gegeben?“, fragte Niki und zog überrascht eine Augenbraue in die Höhe.
„Doch klar“, antwortete ich schnell. Ich wollte nicht wie das letzte Opfer hier sitzen und ihnen sagen, dass ich bis heute noch nichts davon wusste.
„Dann ist doch alles gut“, antwortete Elara.
„Wie war es bei dir?“, fragte ich sie. Kurz schwieg sie, bis sie sich dann doch äußerte: „Meine Eltern sind tot. Der Brief ging an das Weisen heim und da ich nicht viele Freunde hatte, wird sich schon keiner Sorgen um mich machen.“
„Das tut mir leid“, murmelte ich leise und blickte auf das tote Huhn vor mir und in diesem Moment hatte ich plötzlich auch kein bisschen Hunger mehr. Ich wollte mir nicht vorstellen wie schlimm es sein müsste, bei fremden aufzuwachsen. Oder zu wissen, dass meine Eltern tot waren. Ohne meine Eltern würde ich kein Jahr auskommen, so lächerlich das jetzt auch klang.


Nachdem der Nachtisch noch serviert wurde und ich davon auch weiter nichts Essen konnte, da ich noch immer keinen Hunger hatte, machten wir uns auf den Weg zurück zu dem Gebäude, in welchem unser Zimmer lag.
Auf dem Weg dorthin fielen mir die neugierigen Blicke der Schüler auf, welche sich umblickten und am liebsten noch etwas länger draußen geblieben wären. Aber anscheinend ging es nicht nur mir so, dass ich total müde und erschöpft war. Theoretisch hätte ich auf der Stelle draußen auf dem Gras einschlafen können. Aber da bevorzugte ich dann doch schon eher ein gemütliches Bett und ein Dach über dem Kopf.
Als wir Vier im Gebäude vor unserem Zimmer standen, verabschiedeten wir uns noch von Elara und öffneten unser Zimmer, ehe wir drei uns umzogen und in die Betten warfen.
„Ich glaube ich gehe noch duschen“, hörte ich Niki in Gedanken murmeln.
„Wo ist hier denn ein Bad?“, fragte ich und blickte mich um.
„Wahrscheinlich hinter der anderen Tür“, gähnte Adriane und deutete auf die zweite Tür. Ich hatte total vergessen, dass es diese auch noch gab.
„Dann viel Spaß“, gähnte Adriane erneut und machte ihr Nachtlicht auf ihrer Kommode aus.
Ich gähnte ebenfalls und machte meins aus um meine Augen zu schließen und um in einen tiefen Schlaf zu fallen.

Kapitel 4

 

Geweckt wurde ich von einem seltsamen Klingeln, welches anscheinend durch Lautsprecher in unser Zimmer drang. Es war ein lautes, ekelhaftes Geräusch, welches mich und meine Mitbewohnerinnen weckte. Da wäre mir mein nerviger Wecker sogar lieber gewesen, welcher mich jeden Morgen mit einer Sirene geweckt hatte.. der war wenigstens nicht halb so laut.
Adriane hatte bei dem Ton laut aufgeschrien aus Schreck und war sofort an die Zimmertür gerannt und hatte etwas von Feuer herumgeschrien, nachdem sie aber bemerkt hatte, dass es sich einfach nur um den Wecker handelte, schob sie sich verlegen in das Bad.
Niki und ich saßen gerade auf unseren Betten und füllten unsere Rücksäcke mit Papier und Stiften, welche noch im Kleiderschrank gelegen waren, bis Adriane endlich aus der Dusche rauskam und ich es betreten konnte.
„Das nächste Mal geh ich aber vorher ins Bad. Du brauchst ja ein halbes Jahr“, brummte ich leise dabei und hatte mir frische Unterwäsche geschnappt. Es schien mir fast so, als hätte sich der Kleiderschrank automatisch gefüllt mit unseren Klamotten. Seltsam. Aber naja ich war angeblich ja auch eine Göttin. Es konnte also wirklich alles möglich sein.

Nachdem ich mich im Bad ausgezogen hatte, lief ich in die große Dusche an der rechten Wandseite und machte das Wasser an. Vorsichtig stieg ich in die Dusche und hob anfangs nur meine Hand unter das Wasser. Nach einigen Sekunden wurde es auch angenehm warm, so dass ich weiter und weiter hinunterlief, bis die Wassertropfen auf meinen Kopf prasselten. 
Erst jetzt merkte ich wie gut mir die Dusche tat und wie sich mein Körper langsam entspannte und sich all die Sorgen einfach kurz aus dem Staub machten.
Keine zehn Minuten später stand ich umwickelt mit einem Handtuch vor dem Waschbecken und blickte mich im Spiegel an. Meine dunkelblonden Haare, fielen nass auf meine Schulter, meine Augen hatten leichte Augenringe und sahen einfach nur fertig aus.
Nachdem ich schnell meine Haare trocken gewuschelt hatte, indem ich meinen Kopf immer wieder nach unten und wieder nach oben warf, musste ich mich also um eine wenig Make up kümmern.
Etwas Wimperntusche und Eyeliner und fertig war ich auch schon. Zu mindest nachdem ich meine Unterwäsche angezogen hatte und wieder in die „Schuluniform“ geschlüpft war.

Fertig standen wir zu dritt also im Schlafzimmer und blickten uns an.
„Ich hab so Hunger“, brummte Adriane neben mir und hielt ihre rechte Hand über ihrem Bauch, welchen ich leise knurren hören konnte.
„Kann man nicht überhören“, sagte Niki knapp gebunden.
„Dann lasst uns einfach losgehen“, murmelte ich und lief auch schon als Erstes aus dem Zimmer mit meiner Tasche. Im Gegensatz zu damals fühlte sich die Tasche nicht halb so schwer an. Sie war besser gesagt federleicht.
Wir liefen also den Gang erneut entlang und die Treppen hinunter.
„Weiß einer von euch wie viel Uhr wir haben?“, fragte ich, als mir auffiel, dass ich noch nicht einmal wusste wann der Unterricht beginnen würde. Meine Zimmergenossinnen schüttelten ahnungslos den Kopf, als plötzlich jemand hinter uns die Treppen hinuntergerannt kam und antwortete: „Halb acht. Wir haben noch dreißig Minuten für das Frühstück.“
Wir drehten uns um und vor uns stand Elara, welche ihre hellbraunen Haare noch immer offen trug. Niki hingegen hatte sich ihre Haare zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden und Adriane hatte sie sich zu zwei Zöpfen geflochten, welche nun auf ihrem Dekolleté lagen.
„Nur eine halbe Stunde?“, fragte Niki geschockt. „Leute wir gehen jetzt ab sofort alle immer Abends duschen.“
Wir nickten zustimmend und sahen uns draußen um. Um uns herum zwitscherten die Vögel, raschelten ein paar Büsche und ich konnte sogar Wellen schlagen hören. Eigentlich war es traumhaft… wenn man den fetten Zaun nicht beachtete.

Nachdem wir im Gebäude waren und uns einen Platz ergattert hatten, saßen wir umringt von Jungs, welche uns alle angafften. Die meisten von ihnen sahen sogar wirklich gut aus, nur einer wirkte recht … schüchtern. Er hatte seinen Kopf eingezogen, blickte meistens nur auf seinen Teller und wirkte einsam in der Menge, als würde er sich bei den anderen nicht wohlfühlen.
Immer wieder linste ich zu dem Jungen mit den zottelig blonden Haaren hinüber, musste mich jedoch dann auch zusammenreisen, da ich wirklich etwas Essen musste.
Und kaum zu glauben was es gab. Pfannenkuchen! Ich liebte sie so sehr. Ich haute mir anfangs drei auf den Teller und bestrich sie entweder mit Zucker, Marmelade oder Nutella.
„Was denkt ihr wie der Unterricht wohl wird?“, fragte Elara neugierig, nachdem sie einen Schluck Orangensaft getrunken hatte.
„Bestimmt viel cooler und interessanter wie der in der Welt der sterblichen“, vermutete ich. „Wobei ich denke das Altgriechisch genauso langweilig wird.“
„Du hattest Altgriechisch?“, fragte Elara erstaunt und blickte mich mit großen Augen an.
„Ja. Das bietet halt kaum eine Schule an und um ehrlich zu sein habe ich es bereut, dass ich es gewählt habe. Da hätte ich dann doch lieber Spanisch gewählt oder sowas...“, antwortete ich seufzend. Und ich war das Fach einfach noch immer nicht los, dachte ich mir und stöhnte innerlich meinen ganzen Frust heraus. Hoffentlich war wenigstens hier der Lehrer gescheit und nicht so ein… naja sagen wir mal Depp, wie der andere.
„Bei wem habt ihr eigentlich diesen Privatunterricht?“, fragte Niki, welche auf ihren Stundenplan blickte. Nachdem ich auch meinen ausgerollt hatte suchte in den passenden Lehrer für das Fach: „Mr Scal.“
„Madam Lein“, antwortete Elara.
„Mr Climens“, sagte Adriane. „Und du, Niki?“
„Ich auch“, lächelte sie.
„Puh, dann haben wir also gemeinsam privaten Unterricht“, sagte Adriane erleichtert.
„Sollten wir nicht langsam mal los?“, fragte ich, da ich kein wirkliches Zeitgefühl hatte ohne eine Uhr. Nachdem jedoch die Hälfte der Schüler die Essenshalle schon verlassen hatte, dachte ich mir, dass wir langsam auch mal aufstehen sollten.
„Wer hat jetzt auch GeGö?“, fragte Elara.
„GeGö?“, fragte ich irritiert.
„Geschichte der Götter“, klärte sie mich auf, woraufhin von mir nur ein leises ‚Ah‘ als Antwort kam.
„Ich“, antwortete ich und lächelte.
„Ich auch“, sagte Niki.
„Nope ich habe jetzt…Wesen“, sagte Adriane, nachdem sie auf ihren Plan geschaut hatte.
„Dann bis später“, verabschiedeten wir uns von ihr und liefen hoch in das nächste Stockwerk.

Dort angekommen suchten wir das Klassenzimmer. Aus war das zweite Zimmer von links, was wirklich einfach zu erkennen war, da dorthinein einige Schüler liefen, welche mit ihren Freunden laut am reden waren.
„Bereit für die erste Stunde?“, fragte Niki und grinste leicht.
„Bereit“, sagte ich.
„Aber sowas von“, kam es von Elara welche mit einem sehr breiten Grinsen und totaler Nervosität in das Klassenzimmer lief. Natürlich war die erste Reihe frei und wer sich als erstes nach vorne setzte war natürlich auch Elara.
„Kommt schon“, forderte sie uns auf und unfreiwillig setzten wir uns an die Einzeltische neben sie.

Nachdem sich die halbe Klasse einen Stuhl gesucht hatte und alle saßen, betrat eine dunkelblond haarige, schlanke Frau das Klassenzimmer und stellte sich vor die Schüler. Sie hatte ein fröhliches Lächeln auf den Lippen und musste um die dreißig Jahre alt sein. Im Gegensatz zu den anderen Schülern hier wirkte sie recht klein, woher ich mir herleitete, dass sie ungefähr 1.70 groß sein musste. Jedoch war sie wirklich hübsch und hatte auch ein sympathisches Lächeln, als sie in die Runde blickte.
„Guten Tag meine Lieben Schüler und Schülerinnen. Ich bin Madam Lein und ich unterrichte hier das Fach Geschichte der Götter. Also unsere Vorgeschichte. Es ist so ähnlich wie das Fach Mythologie, welches ihr bei Mr. Mickelson haben werdet, jedoch unterscheidet es sich, dass es hier wirklich um die Fakten geht und in Mythologie noch einiges zusammengedichtet wurde. Also wenn ihr meinem Unterricht folgen werdet, dann werdet ihr bei Mr. Mickelson sicherlich gut punkten können“, lachte sie und schlug begeistert in ihre Hände.



Die ersten zwei Stunden Unterricht vergingen wie im Flug.  Es hatte sich herausgestellt, dass ich wirklich noch nie so eine lustige und freundliche Lehrerin hatte, welche das Fach Geschichte oder hier nun mal Geschichte der Götter so gut unterrichtete. Sonst waren meine vorherigen Geschichtslehrer immer so Pappnasen gewesen, bei welchen man lernte mit offenen Augen zu schlafen.
Bei dem Gedanken an den Spruch musste ich lachen. Kelly hatte es immer so gesagt und nun stand es dort im Klassenzimmer auch so an der Wand: Vorsicht aufpassen! Hier kann man lernen mit offenen Augen zu schlafen.
„Der Unterricht war so cool“, sagte Elara begeistert und hüpfte einen kurzen Moment lang auf und ab, nachdem jedoch eine blonde Schlang auf dem Flur uns entgegen kam und uns anfing abwertend zu mustern, hörte sie damit auch schon auf und blickte sie mit einem Todesblick an.
„Kennt ihr euch?“, fragte ich Elara.
„Nein, aber ich habe jetzt schon von einer meiner Zimmergenossinnen gehört, dass sie eine richtige Schlampe sein soll. Und natürlich soll sie die Göttin Aphrodite werden. Wer hätte es gedacht“, brummte sie und drehte sich noch einmal um, um dem Mädchen einen bösen Blick hinterher zu werfen.
„Weißt du ihren Namen?“, fragte Niki sie, als wir uns auf den Weg nach Draußen machten. Wir hatten nun eine ganze Stunde Pause und wir hatten beschlossen uns ein wenig raus an den See zu setzen.
„Loana… nein… Liora“, faselte sie vor sich hin.
„Der Name ist ja sehr ausgefallen“, sprach ich meinen Gedanken aus und grinste leicht, nachdem Niki leise kicherte bei meiner Bemerkung.

Nachdem wir uns eine Stunde an den See gesetzt hatten, mussten wir auch gerade wieder aufstehen und zum nächsten Klassenzimmer laufen.  Das Fach Mythologie stand als nächstes an.
„Denkt ihr sie hat recht?“, fragte Elara.
„Wer mit was?“, fragte ich.
„Madam Lein mit ihrer Theorie, dass ihr Unterricht im Mythologie Unterricht helfen wird?“
„Bestimmt. Aber das Fach ist sicherlich einfach, ich meine jeder kennt doch wohl ein paar griechische Mythen“, sagte Niki und zuckte mit den Schultern.

Das Klassenzimmer befand sich im zweiten Stock sofort auf der rechten Seite und auch hier durften wir uns dank Elara wieder einmal in die erste Reihe setzen.
Es dauerte nicht lange und auch langsam trafen wieder der Rest der Schüler ein und der blonde Junge vom Frühstück setzte sich neben mich. Er blickte mich kurz an, nachdem er jedoch gesehen hatte, dass ich seinen Blick erwidert hatte, hatte er sich auch schon sofort abgewendet.
Ich grübelte. Was wohl in ihm vorging dass er so war? Vielleicht wurde er ja mal gemobbt? Okay.. vielleicht übertrieb ich einfach nur und es war auch seine Art.
Bevor ich mir weiter Gedanken über den Jungen machen konnte, betrat ein schlanker Mann das Klassenzimmer. Er hatte braune Locken und musste Anfang zwanzig sein. Er sah für einen Lehrer verdammt gut aus, meiner Meinung nach und sein Lächeln ließ ihn sehr gebildet und freundlich wirken.
„Guten Tag. Mein Name ist Yannick Mickelson, ihr nennt mich jedoch Mr Mickelson; und ich unterrichte bei euch das Fach Mythologie. Ich glaube viel dazu muss ich nicht sagen, außer dass es hier darum geht sein Wissen zu zeigen oder Vermutungen zu stellen. Natürlich werden wir auch auf jede Mythe eingehen uns versuchen zu verstehen, was genau in welcher Person passiert und so weiter. Wichtig für mich ist es, dass ihr eure Hausaufgaben wirklich gründlich macht. Wie ihr sicherlich wisst, gibt es am Ende des Jahres die Prüfung und zum Endergebnis zählt auch eure mündliche Note. Wer also einmal Hausaufgaben vergisst, bekommt gleich schon einmal Abzug. Pro Monat mache ich einmal für jeden von euch eine mündliche Note. Wer sie verbessern möchte, kann zu mir kommen in den Pausen und dann kann man ja schauen was man macht. Aber nun fangen wir auch gleich schon einmal an. Bitte holt ein Blatt Papier heraus, einen Stift und schreibt euch drei Mythen auf, die ihr kennt.“
„Nur den Namen oder das ganze Geschehen?“, fragte eine helle Stimme hinter mir.
„Nur den Namen des Mythos“, antwortete er. „Keine Namen drauf. Und wenn ihr weniger wisst, dann schreibt weniger auf. Den Zettel danach bitte hier vorne auf das Pult legen.“

Er drehte sich von der Klasse weg und setzte sich auf den Stuhl hinter den Pult und fing an die Schüler zu beobachten. Nachdem ich ein Stück Papier aus der Tasche gezogen hatte schrieb ich die Mythen auf, welche mir als erstes in den Kopf geschossen waren.

1. Medusa
2. Arachne
3. Paris

Nachdem ich meine drei Mythen aufgeschrieben hatte, faltete ich den Zettel und lief nach vorne an den Pult und legte ihn als erstes ab. Kurz blickten alle auf, als ich aufgestanden war, das war auch der Grund weshalb ich nicht gerne als Erste etwas machte oder abgab, aber ich wollte einen guten Eindruck hinterlassen, also würden mir diese Blicke auch nichts machen. Durch den Altgriechisch Unterricht kannte ich nun einmal viele Mythen und Erzählungen der alten Griechen. Damit konnte ich hier nun mal punkten, hoffte ich insgeheim.
Der Lehrer lächelte mich kurz an, woraufhin ich ihn jedoch nur anblickte und mich wieder an meinen Platz setzte. Warum ich kein Lächeln zum Stande gebracht hatte konnte ich mir nicht erklären. Es schien so, als wolle mein Körper nicht das tun, was mein Hirn wollte. Seltsam. Eigentlich hätte ich wie immer, wenn mich jemand anlächelt, zurückgelächelt, aber das gerade eben war definitiv nicht meine Art. Womöglich war ich auch einfach nur nervös. Schließlich war es mein erster Schultag hier…

Nachdem nun auch diese Doppelstunde vorbei war, hatten wir dreißig Minuten Pause um etwas später in den Wesen Unterricht zu gelangen.
„Kommst du, Marlisa?“, fragte Elara mich, welche gerade das Klassenzimmer herauslief mit Niki. Ich jedoch hatte gerade andere Pläne.
„Ich werde nachkommen“, antwortete ich und packte langsam das Buch in meine Tasche, welches wir bekommen hatten.
Nachdem ich es eingepackt hatte und kaum noch ein Schüler im Klassenzimmer stand, wendete ich mich nach rechts und schaute den Jungen mit den blonden Haaren an.
„Hey. Ich bin Marlisa“, stellte ich mich vor und legte mein freundlichstes Lächeln auf die Lippen, das ich besaß.
Erschrocken, dass ich ihn angesprochen hatte, blickte er mich mit großen Augen an. Er musste um die fünf Zentimeter größer wie ich sein und blickte mich dennoch so an, als wäre ich ein gewaltiges Monster, welches gleich auf ihn losgehen würde.
„Hallo“, sprach er leise. Er blickte mir mit seinen blauen Augen nicht in die meinen, sondern betrachtete den Boden.
„… und du bist?“, versuchte ich seinen Namen aus ihm heraus zu bekommen.
„Samuel“, antwortete er wieder knapp und leise. Seine Haltung war leicht geknickt und genauso wirkte er auch meiner Meinung nach.
Als er sich auf den Weg machte, aus dem Klassenzimmer heraus, folgte ich ihm und versuchte es weiter: „Was ist dein Gott?“
„Herakles“, antwortete er leise und zog seinen Rucksack noch einmal zu recht.
„Oh cool, das heißt also du hast einiges an Arbeit auf dir. Gehst du auch in den Literaturkurs?“, fragte ich ihn weiter.
„Nein.“
„Warum?“, harkte ich nach.
„Keine Lust und kein Interesse“, sagte er und blieb stehen. Natürlich hielt auch ich an und blickte ihn fragend an. Vielleicht hatte er ja was vergessen und musste wieder zurück.
„Alles okay?“, fragte ich nach.
„Ja. Nein. Ich will einfach nur meine Ruhe, in Ordnung?“, sagte er und wirkte dabei entschlossen. Ich störte ihn anscheinend. Wahrscheinlich war ich zu aufdringlich… verständlich.
„Klar. Kein Problem“, murmelte ich und lief den Gang weiter entlang und die Treppen hinunter. Ich wollte doch nur nett sein…

Zwei weitere Schulstunden später saßen Niki, Adriane, Elara und ich wieder am Essenstisch zum Mittagessen. Während wir alle unser Essen auf den Tellern hatten, wurde die Halle plötzlich still und ein Lehrer war auf den Lehrertisch, wie ich ihn nannte, getreten. Es war ein Mann mit braunen kurzen Haaren. Er wirkte sehr streng und um ehrlich zu sein schüchterte er mich mit seinem Blick ganz schön ein.
„Guten Mittag. Vorne am Eingang findet ihr die Zettel für die AG’s. Meldet euch bis morgen früh an mit eurem Vor- und Nachnamen“, damit war er auch schon wieder von dem Tisch gestiegen und die Menge drehte sich zu zum Eingang um, um den Zettel zu suchen.
„Werdet ihr was machen?“, fragte Niki und runzelte mit der Stirn.
„Ja“, sagte ich sofort. Ich wollte hier nicht einfach nur rumsitzen und meine Zeit totschlagen. Umso mehr ich zu tun hatte, umso weniger hatte ich womöglich Heimweh.
„Was gibt es denn im Angebot?“, fragte Adriane in die Runde.
„Einen Chor, Reiten, Cheerleading und Football“, antwortete Elara.
„Woher weißt du das?“, fragte Niki sie und zog verwundert ihre Augenbrauen nach oben.
„Ich hab den Zettel vorhin schon gelesen. Und ich werde mich für das Reiten eintragen, schließlich muss ich es so oder so lernen und das schafft mir einen Vorteil“, grübelte sie und biss in ihr Stück Fleisch.
„Ich werd Cheerleading nehmen“, sagte Niki entschlossen.
„Ist das schwer?“, fragte Adriane.
„Du musst Disziplin haben. Taktgefühl und naja immer lachen“, sagte Niki und musterte sie.
„Hm… ich war damals reiten… ich glaube ich werde einfach Reiten nehmen und in den Chor gehen“, sagte sie grübelnd.
„In zwei?“, fragte ich verblüfft. Ich wusste noch nicht mal eine AG in welche ich gehen wollte.
„Ja klar, wenn das geht“, sagte sie und grinste.
„Einen Versuch ist es wert“, kam es von Elara neben mir, welche Adriane angrinste. „Was ist mit dir, Marlisa?“
Ich überlegte. Ich mochte keine Pferde, also viel das schon einmal aus. Singen konnte ich… aber brauchte ich nicht weiter und so gut war ich darin nun auch nicht… Cheerleading klang interessant und cool. Ich liebte Uniformen.
„Ich denke ich werde mich fürs Cheerleading eintragen“, sagte ich, als ich plötzlich hinter mir ein schrilles Lachen hörte.
„Du und Cheerleading? Schau dich doch an, Schätzchen. Wen willst du bitte schön tragen können mit deinen Armen?“
Hinter uns stand Liora. Als Elara ihre Stimme hörte, konnte ich ein Würgegeräusch von ihr hören, woraufhin ich mir ein Lachen verkneifen musste.
„Keine Sorge, ich glaube ich packe das schon“, sagte ich ruhig und blickte der Blondine in die Augen. Sie blickte mich herablassend an und zog skeptisch eine Augenbraue in die Höhe.
„Das werden wir ja sehen“, sagte sie und warf beim Weggehen ihre langen Haare nach hinten.

„Ich sagte doch, sie ist eine arrogante Schnepfe“, gab sich Elara erneut Recht und grinste leicht.
„Ach was. Das wird doch lustig“, sagte ich mit rollenden Augen.
„Sicher?“
„Sowas von. Niemand schlägt mich im Bitchfight“, lachte ich. Ich wusste wie man mit so Mädchen umging, da ich mit solchen schon oft genug die Erfahrung gemacht hatte und mit der Zeit daraus gelernt hatte.

Nach dem Abendessen machten wir uns alle auf den Weg in die Klassenzimmer. Nun stand der Privatunterricht an und jeder Schüler, der nicht mit einem anderen Unterricht hatte, hatte ein Klassenzimmer für sich. Als ich jedoch meines betrat, stand er vor mir.

Kapitel 5

 

Unfassbar blickte ich ihn an. Ich kannte diesen Jungen. Aber woher? Als er mich sah, weiteten sich seine Augen und auch er fing mich an zu mustern. Er hatte diese dunkelbraunen, verstrubbelten Haare, welche mich an ihn erinnerten. Er war breit gebaut und sah so gut aus…
„Ach ihr seid ja schon da“, hörte ich plötzlich die Stimme meines Lehrers hinter mir, welche mich zusammenzucken lies. Er hatte mich so aus meinen Gedanken gerissen, dass ich auf die Seite gesprungen war. Peinlich.
„So setzt euch einfach“, sagte Mr Scal, der Lehrer mit den strengen Blick, welcher mich so eingeschüchtert hatte.
Etwas überrascht, dass er so locker war, setzte ich mich auf einen der Stühle in der zweiten Reihe. Auch der Junge, mit welchen ich nun anscheinend zusammen Unterricht hatte, hatte sich neben mich gesetzt und nahm eine etwas gechilltere Position ein.

Der Lehrer legte seine Tasche auf das Lehrerpult, drehte einen der Stühle vor uns um und setzte sich so hin, dass er uns anblicken konnte. Kurz musterte er uns, bis ein leichtes Lächeln über seinen Mund huschte.
„Wollt ihr euch vielleicht kurz vorstellen, damit ich euch besser kennenlerne und ihr euch selbst auch? Schließlich werdet ihr noch eine ganze Zeit zusammen Unterricht haben und dann irgendwann euren Pflichten nachgehen“, sagte er und blickte uns dabei tief in die Augen.

Ich räusperte mich kurz: „Ich bin Marlisa. Sechszehn Jahre alt und ja… mehr gibt es über mich nicht zu sagen.“
„Wer ist deine Göttin?“, fragte er.
„Persephone“, antwortete ich auf seine Frage, wobei ich mir sehr sicher war, dass er das vorher schon gewusst hatte.
„Und du?“, fragte er nun den Jungen.
„Ethan. 17 Jahre alt und mein Gott ist Hades“, sagte er knapp und blickte dem Lehrer in die Augen.
Ich beobachtete die Beiden konnte jedoch nicht herausfinden, was zwischen ihnen vorgefallen war. Wenn  etwas vorgefallen war… vielleicht bildete ich mir gerade auch wieder nur irgendetwas ein. Innerlich seufzte ich.
„Gut. Also  auf die Frage warum es diesen Unterricht hier gibt, gibt es mehrere Antworten. Als erstes ist dieser Privat-Unterricht dafür da, um mit euch genauer auf eure Götter eingehen zu können, was sie machen, können und die ganzen Erzählungen von ihnen. Dann gibt es noch den praktischen Teil, in dem ihr lernen werdet wie ihr was macht. Wichtig dabei ist, dass ihr jedes Mal zum Unterricht erscheinen werdet. Natürlich ist ein Ausfall wegen einer Verletzung erlaubt, aber dieser Unterricht ist besonders Wichtig. Habt ihr verstanden?“
Wir nickten.
„Gut. Es wird am Ende des Jahres eine Prüfung für alle gemeinsam geben, in welcher ihr Geschichtliches und anderes können müsst und für jeden von euch eine eigene Prüfung-“
„Was passiert wenn wir sie nicht bestehen?“, rutschte mir auch schon die Frage heraus. Aber ich musste sie doch schließlich fragen, wenn keiner die Antwort wusste.
„Das kann ich euch nicht sagen. Das wissen wir Lehrer nicht“, sagte er ruhig und blickte mir dabei in die Augen. Unruhe kam in mir auf. Wie er wusste das nicht? Wer wusste es bitte dann?
„Naja was ich sagen wollte ist, dass jeder Schüler eine extra Prüfung bestehen muss, welche um einiges Wichtige ist wie die Prüfung für alle gemeinsam. Hierbei wird es nämlich darum gehen, dass ihr auch wirklich alles könnt, was ihr für eure spätere Aufgabe können müsst. Also wiederhole ich gerne noch einmal, dass es unumgänglich ist hierher zu kommen, wenn ihr die Prüfung bestehen wollt. Und ihr wollt sie bestehen.“
Ich nickte erneut.
„Also fangen wir mit den Basics über eure Götter an. Persephone ist die Tochter von Zeus und Demeter und wird auch Kore genannt. Sie ist eine Toten- und Unterweltsgöttin sowie eine Fruchtbarkeitsgöttin. Hades hingegen  war der erstgeborene Sohn von Kronos und der Rhea. Er ist der Totengott und herrscht über die Unterwelt. Also die Frage warum ihr zusammen Unterricht habt ist ganz einfach zu beantworten“, sagte er und blickte mich und Ethan abwechselnd an. Ethan schien jedoch total uninteressiert daran zu sein.
„Wir haben beide etwas mit der Unterwelt zu tun“, sagte ich knapp.
„Na super“, hörte ich Ethan neben mir leise genervt zu sich selber sagen. Daraufhin blickte ich ihn an und merkte, dass es mir unangenehm war, dass er so empfand. Was hatte ich ihm denn bitte getan, dass er so genervt von mir war? Ein wenig kränkte es mich schon…




Nachdem die Stunden fertig waren, lief ich gemütlich rüber in unser Schlafzimmer. 
Als ich es betrat, dachte ich anfangs erst, dass ich alleine sei, als jedoch die Badtür aufging und eine nackte Adriane vor mir stand, drehte ich mich erschrocken um und murmelte ein „Entschuldigung.“
„Alles gut“, grinste sie nur und lief an den Kleiderschrank um sich normale Kleidung zu holen.
„Kann ich wieder?“, fragte ich sie und blickte auf den Boden. Einen kurzen Moment hörte ich ihre Kleidung rascheln, bis sie ja sagte, und ich mich wieder umdrehen konnte.
„Wieso bist du schon da?“, fragte ich sie, da wir eigentlich recht pünktlich das Klassenzimmer verlassen hatten.
„Die zweite Stunde vom Privat Unterricht ist ausgefallen“, sagte sie und zuckte mit den Schultern.

„Kaum zu fassen, aber nicht einmal mein Privater Lehrer weiß, was passiert, wenn wir nicht die Prüfung bestehen“, sagte ich, als auch Niki im Zimmer war und wir alle auf unseren Betten saßen und uns über den Privat-Unterricht unterhielten.
„So langsam habe ich das Gefühl, dass die Leute es wissen, es aber nicht sagen“,  sprach Niki direkt und zuckte mit den Schultern.
„Ja, aber warum?“
„Wahrscheinlich weil sie uns nicht verschrecken wollen, wenn es etwas Schlimmes sein sollte“, beantwortete sie mir wieder die Frage.
„Ach Leute. Wir sollten uns nicht so einen Kopf um das Ganze machen. Wir werden die Prüfung einfach bestehen und alles wird gut“, sagte Adriane und grinste in die Runde.
Was ein Optimismus.
„Wo warst du eigentlich die Zeit über, Niki?“, fragte Adriane überrascht, da die beiden gemeinsam den privaten Unterricht hatten.
„Eine runde Joggen“, antwortete sie mit einem leichten, stolzen Grinsen, woraufhin Adriane die Augen verrollte.
„Hast du eigentlich einen Partner im Unterricht?“, fragte die Blondine mich neugierig.
„Ja, sein Name ist… Ethan. Wenn ich mich nicht irre“,  antwortete ich und grinste leicht, als die beiden interessiert ihre Augenbrauen in die Höhe zogen.
„Uuuund?“, fragte Niki.
„Und was?“, gab ich die Frage zurück.
„Na wie ist er so? Wie sieht er aus? Erzähl uns was“, plapperte Adriane auch schon los und klatschte begeistert in die Hände. Ich schluckte.
„Naja also… er hat dunkelbraune, verwuschelte Haare, wunderschöne braune Augen… ist ungefähr 1.90 groß-“
„Perfekt“, murmelte Adriane.
„Aber er ist ein Arsch“, sagte ich kalt.
„Wieso?“, fragte Niki überrascht.
„Ich weiß nicht… er wirkt so kalt und irgendwie auch furchteinflößend, als würde er dich gleich zusammenschlagen, wen du etwas falsches sagen würdest“, sprach ich beim Denken.
„Ein Bad Boy also“, rutschte es Adriane heraus. Ich grinste: „Ja. Wahrscheinlich.“
„Du musst ihn uns später beim Abendessen zeigen“, bestimmte Adriane und genau das tat ich später auch beim Abendessen…


Wir saßen mit Elara in der Essenshalle und beobachteten ihn. Sie schien jedoch nichts von ihm zu halten: „Das ist so einer, der alles versucht ins Bett zu bekommen. Dafür legt er diese gefährliche Fassade auf.“
„Und es funktioniert“, seufzte Adriane neben mir leise und blickte zu ihm, als ich plötzlich neben mir ein unterdrücktes Lachen hörte. Ich blickte neben mich und sah einen Jungen mit braunen Locken, welcher uns anscheinend zugehört hatte. Als er meinen Blick sah, grinste er mich frech an und sagte: „Ich kann nicht weghören. Ist zu amüsant.“
Ich grinste und verdrehte die Augen. Er machte einen fröhlichen und aufmunternden Eindruck.
„Ich bin Logan. Und ihr seid?“, stellte er sich vor und blickte in die Mädchenrunde.
„Adriane“, stellte sie sich schnell vor und grinste ihn mit einem Funkeln in den Augen an.
„Niki“, antwortete sie ruhig.
„Elara“, sprach sie schnell.
„Marlisa“, stellte ich mich mit einem Lächeln vor. Freunde finden oder so, konnte man ja mal probieren.

„Und ihr redet von Ethan?“, fragte er in die Runde.
„Ja“, antwortete Elara und schielte kurz zu  Ethan hinüber. Jedoch verzog sie gleich darauf angewidert ihr Gesicht, was mich zum Lachen brachte.
„Was ist dein Gott?“, fragte ich Logan.
„Tja, was denkst du?“, grinste er frech.
„Dafür müsste ich dich glaube ich besser kennen und auch mehr Götter kennen als ich kenne“, sprach ich und runzelte die Stirn.
„Dann musst du mich wohl erst besser kennen lernen“, grinste er und zwinkerte, ehe er aufstand und sich mit einem: „Bis dann“, verabschiedete.

„Süß“, murmelte Adriane, welche von Elara einen empörten Blick erntete.
„Du kannst doch nicht jeden Typen, heiß oder perfekt finden“, sagte sie und stand auf. „Naja, wie auch immer. Ich leg mich dann auch mal in mein Zimmer. Bis morgen.“
„Bis morgen“, sagten wir im Chor und blickten ihr noch nach.

„Er ist weg!“, sagte Adriane plötzlich empört.
„Wer denn?“, fragte ich und blickte mich um.
„Ethan“, gähnte Niki. „Aber ernsthaft Leute, ich bin müde. Bis später.“
„Warte ich geh mit!“; rief Adriane und sprang mit auf. „Was ist mit dir, Marlisa?“
„Ich komme nach“, sagte ich und trank noch einen Schluck meines Wassers, ehe ich wartete, dass die beiden gegangen waren.

Ich wollte mir noch ein wenig die Beine vertreten und meinen Gedanken freien Lauf lassen, bevor ich wieder in mein Zimmer musste und es wieder laut war.
Nachdem ich das Schulgebäude verlassen hatte, lief ich einfach gerade aus, auf das Meer zu und zog mir unterwegs schon die Schuhe aus.
Als ich am anderen Ende des Geländes angekommen war, setzte ich mich in den weichen Sand und blickte auf das Meer hinaus. Ich mochte das Meer. Es war so, als würde es einem immer eine Geschichte erzählen. Das Rauschen der Wellen. Während ich mich daran erinnerte, wie ich mit meinen Elter immer in den Ferien am Strand war, merkte ich nicht dass jemand ebenfalls an den Strand gekommen war.
Es war Ethan und dieses Mädchen mit den hellblonden, glatten Haaren. Sie trug nur einen Bikini und lief so eng an Ethan gepresst, dass sie schon fast auf seinem Schoß lag. Er hingegen trug ein einfaches, graues Shirt und eine kurze schwarze Hose.
„Ist das nicht dein Partner, mit dem du gemeinsam den privaten Unterricht hast?“, fragte sie mit einer hellen, ekelerregenden Stimme, welche mir einen Schauer über den Rücken fuhr.
„Ja“, antwortete er knapp.
„Dann lass uns lieber wo anders hingehen, wo wir … ungestört sind“, sagte sie und betonte dabei,  dass sie ungestört sein wollte. Innerlich übergab ich mich, aber drehte mich nicht weiter um oder sagte etwas. Ich ignorierte es einfach. Wie ich es bei solchen Leuten immer machte. Sie fühlten sich wegen irgendetwas besser und toller als andere, dabei waren es Meistens nur kleine Schlampen, die Aufmerksamkeit suchten.
„Lass uns doch noch ein wenig hier bleiben“, sagte er ohne jegliche Emotion in seiner Stimme.
„Aber ich will jetzt“, hörte ich sie flüstern.
„Ich aber nicht“, sagte er gefährlich ruhig, woraufhin sie genervt stöhnte.
„Was willst du denn hier?“, fragte sie ihn.

Langsam wurde es mir zu blöd. Ich wollte eigentlich nur einmal in Ruhe sein!
Ich stand auf, klopfte mir den Sand von meiner kurzen Hose ab und lief an den beiden vorbei, ohne der Blondine auch nur einen Blick zuzuwerfen, wobei ich schwören könnte, dass Ethan mich angeblickt hatte. Naja was sollte es schon bringen. Er war ein Arsch, ich hatte es selbst gesagt. Ich musste aufhören, mir über so etwas Gedanken zu machen.
 

 

 

Die erste Woche war recht schnell vorbeigegangen. Am Ende hatte ich mich dann doch für Cheerleading entschieden und heute war Mittwoch. Das erste mal Training. Ich lief mit Niki gemeinsam zum Footballstadtion.
Wir trafen uns an der Sideline und kaum zu glauben, aber ich hatte es mir schon gedacht, dass Blondinchen wieder hier war.
„Ich glaube ich kotze gleich“, sagte Niki und band ihre Haare zu einem hohen Zopf, was ich ihr auch gleich nachmachte.
Wir trugen beide Sportkleidung. Ich eine kurze, graue Hose mit einem schwarzen Top und Niki das gleiche Oberteil, nur mit einer dunkelblauen kurzen Hose.

Vor den Schülern stand auch schon die Lehrerin : „Hallo alle zusammen! Mein Name ist Miriam Lein. Für euch aber Madam Lein. Kurze Frage in die Runde. Wer war denn schon vorher Cheerleader?“
Von den zehn Mädchen meldeten sich keine Einzige.
„Das sind aber Viele“, lachte sie und blickte in die Runde. „Na gut. Cheerleading ist ein Teamsport. Wie sind dafür da, um die Fans anzufeuern und sie mit allem was wir haben zu begeistern. Cheerleading besteht aus mehreren Teilen. Spirit. Akrobatik. Turnen, Sprüngen und Tänzen…“


Sie hatte uns bestimmt eine halbe Stunde lang weiter erklärt um was es sich im Cheerleading handelte und was eine Motion war. So nebenbei, eine Motion war eine bestimmte Hand oder besser gesagt, Armbewegung.
„Das macht ihr super. Und jetzt ein High V!“, rief sie und prüfte unsere Hände. „Klasse.“

So ging das noch eine weitere halbe Stunde, bis uns langsam anfingen die Arme zu schmerzen. Zwischendurch blickte ich auf das Feld und konnte dort erkennen, dass auch die Jungs anscheinend nun Training hatten.
„Und wie findest du es?“, fragte Niki mich.
„Gut“, grinste ich und wir sammelten uns wieder in den Reihen.
„Kommen wir zu den Sprüngen“, sagte unsere Trainerin und zeigte und die Handbewegung die wir dabei machen mussten. „Wir springen einen einfachen T-Sprung. Das heißt einfach die Motions und dann normal, so hoch ihr könnt nach oben springen.“
Sie machte es einmal vor, bis wir dran waren und jeder von uns auf die Counts hochsprangen.
„Gut. Helen du musst noch ein wenig auf die Motions achten dabei“, lächelte sie die beste Freundin von der blonden Zicke an, woraufhin sie nickte.



Das Training war recht schnell vorbei und ich hatte es sogar geschafft, als erste unter die Dusche zu kommen.  Auch dieser Tag , hatte ich nach dem Wesen Unterricht erfolgreich bestanden. Und Morgen.. naja morgen hatte ich wieder eine Stunde mit Ethan…

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 29.05.2016

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Schatz, du hast dich nie wirklich mit dem Thema griechische Mythologie auseinander gesetzt, aber mit diesem Buch wirst du das machen. Ich liebe dich

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