»Schatz!« Aufgeregt lief Pierre durchs Haus und suchte nach seinem Partner. »SCHATZ!!«
»Was ist denn, chérie?« Neugierig steckte Bernard den Kopf aus dem Schlafzimmer.
»Unsere Anzüge sind fertig. Wir sollen heute noch zur Anprobe kommen.«
Pierre strahlte über das ganze Gesicht. In einer Woche wollten sie heiraten und es schien alles perfekt zu laufen.
»Heute?« Sein Verlobter verzog das Gesicht.
»Hast du schon was vor?« Angestrengt dachte Pierre nach. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass Bernard irgendwas erwähnt hatte.
»Du weißt hoffentlich noch, dass Enya und Ethan heute Abend landen? Wir sollen sie abholen.«
»Mon dieu! Das hab‘ ich ganz vergessen.«
»Na, du bist mir ja ein bester Freund.« Bernard kam auf ihn zu, zog ihn an sich und tätschelte ihm den Kopf.
»Das kann echt nur mir passieren ...«, jammerte er.
»Wir können die Anzüge auch morgen anprobieren.«
Pierre überlegte kurz und stimmte dann zu. Seine Freundin war erst einmal wichtiger. Immerhin hatte sie sich angeboten, die Trauung zu fotografieren.
Seit Bernard und er die Hälfte des Jahres in Deutschland verbrachten, sah er Enya nicht mehr so oft. Und er musste gestehen, dass sie ihm fehlte.
Die verlorene Zeit versuchten beide immer aufzuholen, wenn er und Bernard wieder in Dijon waren. Leider klappte das nur selten, da sie alle noch einem Job nachgingen. Und Enya mit Ethan die meiste Zeit über in Duleek verbrachte.
Letztes Jahr hatte Pierre sich als Informatiker selbstständig gemacht. Es funktionierte soweit ganz gut. Pierre fand es mehr als vorteilhaft, dass er von zu Hause aus arbeiten konnte. Wenngleich er sich hatte von der Idee verabschieden können, auszuschlafen und dann in aller Ruhe mit der Arbeit zu beginnen. Denn abends hatte es ihn der Zweisamkeit mit seinem Verlobten beraubt.
Das Haus in Deutschland hatten sie vor knapp zwei Jahren gekauft, als Bernard immer öfter für die Firma dorthin reisen musste.
Im ersten Jahr hatte das ihre Beziehung auf eine harte Probe gestellt, da Pierre immerhin nur in seinem Urlaub ihn hatte begleiten können. Nach einigen Gesprächen war ihnen die Idee mit der Selbstständigkeit gekommen und sie hatten diesen Schritt gemeinsam gewagt.
»Träumst du?« Bernard wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht herum.
»Ich hab‘ an dich gedacht und daran, was in den letzten Jahren passiert ist.«
»Und ich dachte schon, du denkst an den Blowjob von heute Morgen.«
Pierre legte die Arme um seinen Nacken und grinste süffisant. »Der wird mir noch lange in Erinnerung bleiben.«
Solche Gespräche mussten sie in den nächsten Tagen etwas einschränken. Irgendwie sträubte sich jeder dagegen, irgendwelche intimen Details von ihnen zu erfahren. Sie hatten ganz schön prüde Freunde.
»Ist noch Zeit für einen Quickie?« Pierre knabberte an seiner Unterlippe und drängte sich gegen seinen Partner. Gegen einen Quickie hätte er nichts einzuwenden.
Bernards Magen knurrte und sofort wusste Pierre, dass er sich den Quickie abschminken konnte. Wenn seinem Partner eins wichtiger war als Sex, dann Essen.
Er seufzte. Entschuldigend sah Bernard ihn an. »Tut mir leid, chérie. Heute Nacht holen wir das doppelt nach.«
»Versprochen?« Auch, wenn er wegen ihrer Übernachtungsgäste leise sein musste, würde er das Angebot nicht ausschlagen.
»Hoch und heilig. Und wenn noch etwas von der Fisch-Quiche da ist, gebe ich mir besonders viel Mühe.«
»Noch mehr als sonst?« Kichernd küsste Pierre Bernard erneut. »Es ist noch was da. Iss aber nicht so viel davon. Immerhin wollen wir nachher noch Essen gehen.«
»Ich weiß. Es wundert mich nur, dass du dich daran erinnerst. Vergesslich wie du bist.«
Pierre knuffte seinem Mann in den Oberarm und folgte ihm in die Küche. Bernard wärmte sich ein Stück von der Quiche auf und schlang sie wie ein Verhungernder herunter. Irgendwann würde er am Essen ersticken, da war sich Pierre sicher. Aber wenn er etwas dazu sagte, stieß er bei seinem Verlobten auf taube Ohren.
Keine zwanzig Minuten später, waren sie auf dem Weg zum Flughafen. Er freute sich wahnsinnig darauf, seine beste Freundin endlich wiederzusehen. Er war gespannt darauf zu erfahren, was sich in den letzten Monaten alles so ergeben hatte, bei ihr und ihrem Mann.
»Wo bleiben die zwei denn?« Nervös tippelte Pierre von einem Fuß auf den anderen. Enya und Ethan waren schon zehn Minuten zu spät.
»Mach dich locker. Vielleicht gibt es einfach nur Probleme bei der Gepäckausgabe.«
»Und was, wenn sie mein Geschenk vergessen hat und jetzt verzweifelt etwas Neues sucht?«
»Chérie, sie haben gesagt, dass sie eine Überraschung hätten. Kein Geschenk«, hielt Bernard dagegen.
Was musste sein Zukünftiger immer so vernünftig sein?
»Es geht ums Prinzip.« Pierre streckte sich, um besser sehen zu können.
»Du bist groß genug.« Bernard lachte. »Sie werden uns schon nicht durch die Lappen gehen.«
»Da sind sie!« Aufgeregt zeigte er in die Richtung, aus der Enya und Ethan kamen.
»Das war mein Ohr ...«, beschwerte sich sein Verlobter, da Pierre ihm unmittelbar ins Ohr geschrien hatte.
»Oh, entschuldige, Schatz.« Pierre gab ihm einen Kuss auf die Wange, bevor er auf seine Freunde zulief. Bernard lief kopfschüttelnd hinter ihm her.
»Da seid ihr ja endlich!« Heftig zog er Enya an sich. Es war so schön, sie wiederzusehen.
»Sachte, sachte«, mahnte Ethan. Er hatte wohl Angst, dass Pierre seine Frau zerdrücken würde.
»Chérie, lass ihr bitte Luft zum Atmen.«
Enya lachte, während Bernard sie aus Pierres Umarmung befreite.
»Ich bin vielleicht schwanger, aber nicht aus Zucker.«
Pierre und Bernard starrten sie an. Ethan jedoch verdrehte die Augen.
»Lass dir mal ’nen neuen Spruch einfallen«, meinte Ethan gelangweilt.
»Nur, wenn du aufhörst, dich wie eine Glucke zu benehmen«, konterte Enya.
»Wartet! Halt Stopp!«, unterbrach er ihr Gezanke. »Was soll das heißen, du bist schwanger?«
»Na ja ... wir hatten Sex, weißt du. Und jetzt hab‘ ich ein Baby da drin.« Enya zeigte mit einem strahlenden Lächeln auf ihren leicht gerundeten Bauch.
»Aber ... wie ... was ... warum hast du nichts gesagt?« Pierre kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, während Bernard einfach nur über sein Erstaunen lachte.
»Herzlichen Glückwunsch.« Bernard schloss beide in die Arme und strich über Enyas Bauch.
»Das war meine ... unsere Überraschung.«
»Die ist dir gelungen.« Erneut zog Pierre seine beste Freundin in eine feste Umarmung. »Herzlichen Glückwunsch! Ich freu mich so für euch!«
Nachdem er auch Ethan gratuliert hatte, sah er beide finster an. Drei Augenpaare musterten ihn irritiert.
»Was ist los, chérie?« Sanft legte sich eine Hand auf seine Schulter.
»Ich hoffe doch, dass ich Patenonkel werde.«
»Aber sicher. Was denkst du denn von mir?«
Ethan nahm ihre Taschen und gemeinsam gingen sie zum Auto.
»Habt ihr auf etwas Bestimmtes Lust?«, wollte Bernard wissen, als sie losfuhren.
»Ich richte mich nach meiner Frau und ihren Gelüsten«, antwortete Ethan.
»So schlimm sind sie gar nicht. Ich brauche morgens nur was Süßes und meine Portion Fleisch am Tag.«
»Sollen wir in ein Steakhouse hier in der Nähe fahren?«, schlug Pierre vor. Fast sofort erhielt er von allen drei Zustimmung.
Pierre und Bernard saßen auf den Vordersitzen und Pierres Hand legte sich auf Bernards Oberschenkel. Seit ihrem kleinen Zusammenstoß im Schlafzimmer war er ziemlich geil und konnte es kaum noch erwarten, endlich ins Bett zu gehen.
Kurze Zeit später hielten sie vor dem Steakhouse. Es war ziemlich gut besucht und mit etwas Glück bekamen sie noch einen Tisch. Pierre fand es süß, wie Ethan sich um Enya kümmerte. Ihr den Stuhl zurückschob und sie Platz nehmen ließ. Zu sehen, wie sie in ihrer Beziehung zusammengewachsen waren, ließ Pierre lächeln.
»Denkst du an etwas Versautes?«, flüsterte ihm Bernard ins Ohr.
»Du musst nicht von dir auf andere schließen«, gab er zurück und küsste ihn.
Ein Räuspern unterbrach sie. Sie hatten nicht bemerkt, dass ein Kellner an ihren Tisch gekommen war.
»Wissen Sie schon, was Sie trinken möchten?«
»Wäre es möglich, dass Sie vier Ginger Ale machen und Sie uns in Sektgläsern bringen?«
Der Kellner sah Bernard etwas verdutzt an, versprach dann aber, sein Möglichstes zu tun.
Bis er mit dem Gewünschten wieder kam, wussten alle, was sie essen wollten und bestellten noch eine zweite Runde Getränke.
»Auf das neue Leben. Hoffentlich bekommt euer Kind nicht zu viel von euch ab. Noch mehr Enya und Ethan erträgt die Welt nicht«, sprach Pierre spontan einen Toast aus.
»Hey!«, empörte sich seine beste Freundin.
»Hör nicht auf ihn«, meinte Bernard. »Ihr werdet wundervolle Eltern sein.« Er prostete ihnen zu. »Auf euch!«
Gemeinsam stießen sie an. Als das Essen serviert wurde, stürzten sie sich alle darauf. Am Tisch herrschte totale Stille, bis sie sich einen Kaffee bestellten.
»Wieso heiratet ihr eigentlich ausgerechnet in Deutschland?«, wollte Ethan wissen.
»Nun, jetzt wo die Ehe auch für Homosexuelle offen ist, wollten wir die Gelegenheit beim Schopf packen und endlich Nägel mit Köpfen machen. Hier wollten wir es jedoch nur im kleinen Rahmen halten. In Frankreich feiern wir noch mal groß, mit allen Freunden und Verwandten.«
»Also sind wir die VIP’s?«, wollte Ethan zwinkernd wissen und legte einen Arm um Enyas Schultern.
»VIP’siger geht’s nicht mehr.«
Leises Lachen folgte und er spürte Bernards Lippen an der Schläfe. Genau so hatte er sich den Abend vorgestellt.
»Hörst du das?« Enya konnte sich ein Kichern nur schwer verkneifen.
»Ich bin mir sicher, dass ich das nicht hören möchte.« Mit leidendem Blick sah ihr Mann sie an.
»Die zwei konnten gar nicht schnell genug ins Bett kommen.« Enya amüsierte es immer noch, wie sie praktisch von Pierre abgeschoben worden waren.
Sie legte sich zu Ethan ins Bett. Wie immer trug sie eins seiner T-Shirts. Als sie sich an ihn kuschelte, strich er mit einer Hand bedächtig über ihren Babybauch. In drei Monaten würden sie endlich ihr Kind in den Armen halten dürfen.
»Ich hoffe, es wird ein Junge«, meinte Ethan.
»Wieso das denn?«
»Weil ich unsere Tochter bis zu ihrem vierzigsten Geburtstag im Keller einsperren müsste.«
»Du bist ein Spinner.« Lachend legte sich ihre Hand auf die ihres Mannes.
»Wenn sie die Gene ihrer Mutter hat, werden ihr die Jungs nur so hinterherrennen. Und ich bin zu jung, um Opa zu werden.«
»Du alter Charmeur. Aber das mit dem jung ist relativ. Du bist zweiundvierzig, wenn ich dich daran erinnern darf.«
»Darfst du nicht.«
Zärtlich küsste sie Ethan. »Mein armer alter Schmollmops.«
»Wieso darfst du mich eigentlich Schmollmops nennen und wenn ich es tue, bist du immer gleich beleidigt?«
»Weil ich schwanger bin und du nicht.«
»Du weißt, dass diese Ausrede nur begrenzt gilt?«, wollte er vorsichtig wissen.
»Keine Angst. Bis dahin fällt mir was Neues ein.«
Enya kuschelte sich enger an Ethan und schloss die Augen. So langsam ergriff sie eine bleierne Müdigkeit.
»OH GOTT!!«, hörten sie Pierres Stimme durch die Wand hindurch.
Erschrocken setzten sich beide auf. Was zur Hölle trieben ihre Freunde eigentlich?
Sie sah ihren Mann an, der wohl abwägte, ob er nachschauen sollte, was los war und fing auf einmal an, lauthals zu lachen.
»Erinnere mich bitte daran, bei unserem nächsten Besuch, in einem Hotel zu Schlafen.«, meinte Enya und legte sich, zusammen mit ihrem Mann, wieder hin.
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Texte: Sandra Schmitt, Sara Pearson
Bildmaterialien: Caro Sodar, Pixabay
Lektorat: Nicolette Verstege, Brigitte Özaslan
Tag der Veröffentlichung: 29.05.2017
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