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Kapitel 1

Kapitel 1

 

Wie oft hatte er mittlerweile versucht seinen Mann anzurufen? Fünfmal? Sechsmal? Er wusste es nicht genau. Aber wenn er noch weiter hier herum tigerte, würde er dem Hotel einen neuen Teppich spendieren müssen, denn wenn er so weiter machte, hatte er ihnen eine Spur in den Boden gelaufen.

Wahrscheinlich war Ben schon auf dem Weg zu ihm und würde ihm dann bei der Preisverleihung, wie versprochen, zur Seite stehen. Genau so würde es sein. Warum sollte sein Mann auch nicht kommen? Außer … nein, daran wollte er gar nicht denken.

Mit seinen sechsundzwanzig Jahren hätte Felix nicht gedacht, einmal so einen Erfolg zu haben oder mal für den Internationalen Buchpreis in der Kategorie Gay-Romance nominiert zu werden. Hätte ihm das vor einem Jahr einmal jemand gesagt, hätte er schallend losgelacht und denjenigen für verrückt erklärt.

Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass er sich auf den Weg machen musste, wenn er nicht zu spät kommen wollte. Vor dem Hotel stand eine Limousine auf Abruf für ihn bereit, die ihn zur Verleihung bringen sollte. Er war nervös. Was, wenn ihm irgendwas peinliches passierte? Tausende Menschen würden es dann sehen und man würde Videos davon auf YouTube und Co. finden können.

Felix richtete nochmal den Kragen seines Jacketts, zog den Knoten seiner Krawatte fest und machte sich dann auf den Weg.

Die ganze Fahrt über spielte er nervös mit seinem Ehering und sah immer wieder auf sein Smartphone. Immer noch keine Nachricht von Ben. So langsam machte er sich Sorgen um ihn.

Sein Mann war elf Jahre älter als er und Lehrer. Außerdem hatte er einen Hang dazu, sich schnell mal aufzuregen. Meist über Nichtigkeiten in der Schule. Felix würde es nicht wundern, wenn seinem Mann irgendwann der Kopf platzen würde, weil sein Blutdruck so in die Höhen schoss.

Es war nicht immer einfach mit Ben, aber sie hatten bis jetzt immer alles gut hinbekommen und alle Probleme meistern können. Vor sechs Jahren hatten sie sogar geheiratet.

Manchmal, wenn sein Mann das Gefühl hatte, Felix erwartete oder verlangte zu viel von ihm, zog Ben sich zurück, schottete sich ab und fühlte sich in die Enge getrieben. Doch bisher hatten sie es immer gemeinsam meistern können.

Die Limousine hielt an. Felix atmete einmal tief durch und stieg dann aus. Auf dem roten Teppich wurde er nur von ein paar Reportern direkt erkannt, die ihn auch tatsächlich ansprachen. Es war noch immer ein komisches Gefühl, wenn fremde Menschen ihn erkannten und ansprachen. Wahrscheinlich würde er sich nie daran gewöhnen.

Fragen nach Ben beantwortete er immer gleich. „Mein Mann wäre gerne dabei gewesen, aber selbst als Lehrer hat man einiges zu tun. Wahrscheinlich sitzt er daheim und verfolgt die Übertragung während er arbeitet.“

Alle fanden diese Erklärung plausibel und auch Felix glaubte fast schon an seine eigenen Worte.

Er konnte sich kaum auf die Verleihungen und die Reden vor seiner Eigenen konzentrieren, weil er in Gedanken die ganze Zeit bei seinem Mann war. Hoffentlich ging es ihm gut. Und hoffentlich hatte er eine verdammt gute Erklärung dafür, warum er nicht hier sein konnte.

Als seine Kategorie aufgerufen wurde, wurde Felix hellhörig und ihm brach vor lauter Aufregung der kalte Schweiß aus. Als sein Name vorgelesen wurde, ging auf einmal alles ganz schnell und alle Scheinwerfer richteten sich auf ihn. Applaus brandete auf. Ihm wurde gratuliert und auf die Schulter geklopft.

Mit wackligen Beinen ging er nach vorne. Ben hätte gewusst, wie er ihn hätte beruhigen können. Ein Blick, eine Berührung, ein Kuss oder nur ein Wort hätten ihn ruhig werden lassen. Stattdessen stand er jetzt auf dieser riesigen Bühne, mit abertausenden Zuschauern, bekam einen Preis verliehen und bekam außer einem schiefen Lächeln und einem holprigen Danke nichts zustande.

„Ähm … danke … Vielen Dank“, sprach er etwas verlegen ins Mikrofon. „Es tut mir wirklich leid, dass ich nicht besser vorbereitet bin, aber ich habe ganz sicher nicht damit gerechnet, den Preis auch tatsächlich zu gewinnen.“ Ein paar der Gäste fingen an zu kichern und so langsam kam Felix in Fahrt. „Erst einmal möchte ich mich bei meinen Lesern und Fans bedanken ohne die ich wahrscheinlich nie zu solch einer Anerkennung gekommen wäre. Ohne euch wäre ich nichts. Natürlich möchte ich mich bei meinem Lektor und guten Freund Tim bedanken, der sich bei jeder Korrektur aufs Neue jede meiner Launen antun muss und mich trotzdem immer weiter unterstützt. Vor allen Dingen jedoch möchte ich mich bei meinem Mann bedanken. Vor sieben Jahren glaubte er an mich, meinen Traum und mein Talent, unterstützte mich überall wo es ihm möglich war. Überredete mich damals sogar, meinen Job zu kündigen, um als Self-Publisher meinen Traum zu verwirklichen. Endlich Autor sein zu können. Dass ich mittlerweile auch ab und an mit einem Verlag zusammenarbeite und veröffentliche, hätte ich mir nie zu träumen gewagt. Er hielt meine Launen mit allen Höhen und Tiefen aus. Tut es noch heute. Und auch wenn er heute nicht da sein kann, hoffe ich, dass er mir gerade zuhört, wenn ich sage: Danke für alles. Für deine Liebe und deine Unterstützung. Für deinen Glauben an und in mich. Ohne dich wäre mir das alles nie möglich gewesen. Ich liebe dich.“

Applaus brandete auf und Felix ging mit seinem Preis wieder zurück zu seinem Platz. Geistesabwesend verfolgte er den Rest der Verleihung. Klatschte, wenn alle anderen es taten und blieb Anstandshalber später noch etwas auf der Party, bevor er sich ins Hotel zurückzog.

Ein Blick auf sein Smartphone sagte ihm, dass sich Ben noch immer nicht gemeldet hatte. Er überlegte, seinen Flug auf heute Nacht umzubuchen und nach Hause zu fliegen. Wenn wirklich etwas passiert war, wollte er bei seinem Mann sein.

Die Ungewissheit würde Felix ohnehin keine Ruhe lassen. Also schnappte er sich seinen Koffer, den er sowieso noch nicht wirklich ausgepackt hatte und kümmerte sich um die Umbuchung seines Fluges.

Kapitel 2

 Kapitel 2

 

Es war nicht einfach gewesen, seinen Flug so kurzfristig noch umzubuchen, aber schließlich hatte die Fluggesellschaft positive Neuigkeiten für ihn gehabt. Erleichtert war ihm ein ganzer Steinbruch vom Herzen gefallen.

Vor ein paar Minuten war Felix‘ Maschine gelandet und er wartete jetzt an der Gepäckausgabe auf seine Tasche. Hoffentlich war Ben nichts passiert. Er würde es sich niemals verzeihen, wenn er nicht bei ihm gewesen sein sollte, als er ihn am meisten gebraucht hätte. Sollte es ihm jedoch gut gehen und er wider Erwarten daheim sein, wusste Felix nicht, wie er reagieren würde. Geschweige denn, was das für ihre Beziehung bedeuten würde.

Aber als er jedoch eine knappe Stunde später daheim ankam, war von seinem Mann nichts zu sehen. Es war mucksmäuschenstill und stockduster in der Wohnung. Leichte Panik machte sich in ihm breit. Das Herz klopfte ihm bis zum Hals.

Er ließ seine Tasche im Flur an Ort und Stelle fallen und ging zum Telefon. Wenn es sein musste, würde er jedes einzelne Krankenhaus hier in der Umgebung anrufen.

Bevor er jedoch zum Hörer greifen und sein Vorhaben umsetzen konnte, fiel ihm die blinkende Anzeige des Anrufbeantworters auf. Sie signalisierte ihm eine neue Nachricht, die laut Anzeige erst eine halbe Stunde alt war. Vielleicht war sie von Ben oder einem der Krankenhäuser? Aber hätten sie dann nicht auch versucht, ihn auf dem Smartphone zu erreichen?

Mit zitternden Fingern betätigte er die Play-Taste und hielt den Atem an. Hoffentlich war alles gut und es gab eine triftige Erklärung, warum sein Mann nicht bei ihm gewesen war. Oder wo er sich jetzt gerade aufhielt.

„Hey Ben“, Felix kannte die Stimme nicht. Was wollte der Fremde von seinem Mann? Handelte es sich vielleicht um einen Kollegen? „Ich weiß, dass du gerade eben erst zur Tür raus bist und dass du solche Anrufe nicht leiden kannst. Du weißt, dass ich dich normalerweise nicht anrufe. Aber du fehlst mir jetzt schon.“ Was hatte das zu bedeuten? Felix war verwirrt. „Schade, dass unser Wochenende schon vorbei ist. Ich hoffe, dass dein Mann dir die Geschichte mit den Magenproblemen abkauft und bald wieder unterwegs ist. Ruf mich bitte an, wenn du daheim bist. Ich … ruf mich einfach an.“

Wie erstarrt stand Felix da, mit dem Telefon in der Hand. Das konnte nicht wahr sein. Das durfte einfach nicht wahr sein!

Er spielte die Nachricht wieder und wieder ab, doch sie änderte sich nicht. Die Bedeutung der Nachricht wurde mit jedem Hören nur noch schlimmer für ihn.

Würde Ben wirklich so weit gehen und ihn betrügen? Das konnte einfach nicht wahr sein. Felix fühlte sich, als würde er unter Schock stehen. Gerade dann, wenn er ihn am meisten gebraucht hätte, gedachte sein Mann, ihn so zu hintergehen? Das konnte doch nicht sein! Er kannte Ben. Sie waren seit sieben Jahren ein Paar. Ihm wurde schlecht. Tränen brannten ihm in den Augen und er bekam kaum noch Luft. Felix stürzte raus auf den Balkon und versuchte tief durchzuatmen. Stattdessen sank er auf die Knie und schluchzte. Die Tränen rannen ihm unaufhaltsam über die Wangen. Bitte, dachte er sich nur, bitte lass es nicht wahr sein!

Er würde hier auf Ben warten und direkt zur Rede stellen müssen. Sie mussten das klären. Er musste die Wahrheit erfahren. Auch wenn es ihn umbringen würde. Felix atmete tief durch und stand mit wackligen Beinen wieder auf. Er brauchte etwas zu trinken, vielleicht half ihm das, seine Gedanken zu ordnen.

Felix saß gerade bei seinem zweiten Glas Bourbon, als die Wohnungstür ins Schloss fiel. Schritte näherten sich ihm. Doch er sagte nichts, sondern wartete, bis Ben in der Tür zum Wohnzimmer stand.

„Na?“, begrüßte er seinen Mann. „Hast du deine Magenprobleme wieder im Griff?“, wollte er mit sarkastischem Unterton wissen.

„Zuckerstück! Ich dachte du kommst morgen erst heim“, begrüßte Ben ihn, ohne auf seine Frage einzugehen. Doch er sah ihm seine Überraschung an.

Felix lachte freudlos auf. „Das wäre dir wohl ganz recht gewesen, was? Nennst du ihn auch Liebling? Vielleicht sogar Zuckerstück? Oder bin ich wenigstens in dieser Beziehung der Einzige, mit diesem Privileg?“

„Was willst du von mir, Felix?“ Bens Stimme war abweisend. Es tat weh, dass sich sein Verdacht wohl bestätigte.

„Ich will wissen, warum du heute nicht da warst! Ich hätte dich an meiner Seite gebraucht!“

„Herrgott, du bist doch kein kleines Kind mehr, dem man die Hand halten muss! Ich muss auch alleine klar kommen! Wer fragt denn nach mir, wenn du nicht da bist? Wenn der große Autor mal wieder auf Reisen ist? Ich bin schon mein ganzes Leben auf mich allein gestellt!“

Ungläubig starrte Felix seinen Mann an. „Und was habe ich die letzten Jahre getan? Ich war immer für dich da, wenn du mich gebraucht hast! Ich habe jede deiner Launen ertragen! Jede deiner Krisen! Ich habe es akzeptiert, dass du deinen Freiraum brauchst! Und du solltest nur einmal meine Arbeit und mich in der Öffentlichkeit unterstützen! Einmal, Ben!“

„Das bisschen Schreiben kannst du doch nicht als Arbeit bezeichnen! Das bekommt doch jeder meiner Schüler besser hin!“

Das saß. Es tat weh, dass sein Mann so abwertend von ihm und seiner Arbeit sprach. Genauso gut hätte er ihn ohrfeigen können „So denkst du also über unsere Ehe und meine Arbeit. Gut zu wissen, Benjamin.“

Der Angesprochene verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust. Gegenseitig starrten sie sich in die Augen, bis Felix den Blickkontakt abbrach und sich beherrschen musste, nicht schon wieder in Tränen auszubrechen. Er ging ins Schlafzimmer, zerrte eine zweite Tasche vom Schrank und fing an, wahllos sein wichtigstes Hab und Gut hinein zu werfen.

„Was tust du da?“, ertönte die Stimme seines Mannes hinter ihm.

Felix antwortete nicht darauf, sondern ging ins Büro, holte seinen Laptop und die wichtigsten Unterlagen, um auch diese einzupacken.

„Verdammt! Ich will wissen, was das hier wird, Felix!“

„Wonach sieht es deiner Meinung nach denn aus? Ich packe. Ich werde ganz sicher nicht hier bleiben!“ Er schloss die Tasche. Viel war es nicht gewesen, was er eingepackt hatte. Dann drehte er sich zu Ben um. „Ich würde nur gerne eins wissen: Warum? Und wie lange geht das schon?“ Als er ihm nicht antwortete, platzte Felix beinahe vor Wut. „Wie lange, Ben?! Wie lange fickst du den Kerl schon?!“ „Vier Monate.“

„Vier … Mon-. Du weißt, dass wir vor vier Monaten unseren Hochzeitstag gefeiert haben, oder? Das heißt …“, er stockte, als es ihm wie Schuppen von den Augen fiel. Wieso tat Ben ihm das an? Was hatte er ihm getan, dass er ihm das antat? Sicher, sie hatten sich gestritten. Aber, dass er ihn deshalb seit vier Monaten betrog …

„Du weißt, dass DU es damals warst, der mir nach sechs Monaten einen Antrag gemacht hat? Der unbedingt heiraten wollte? Ich habe keine Lust mehr auf die Scheiße! Du scheinst mich und unsere Ehe ja schon länger abgeschrieben zu haben. Ich werde mir ein Hotel suchen. Mach dir um mich bloß nicht zu viele Gedanken. Das scheint in letzter Zeit ja ganz gut funktioniert zu haben.“ Mit Mühe schleppte er beide Taschen raus auf den Hausflur. „Tu mir den Gefallen und ruf mich nur wegen der Scheidung an. Ich will dich weder sehen, noch mit dir sprechen. Verstanden?“

Damit gab er Ben seinen Wohnungsschlüssel und machte sich mit seinem Gepäck, auf zu seinem Auto.

Als er endlich ein Hotelzimmer gefunden und es bezogen hatte, ließ er sich aufs Bett fallen und den Tränen endlich freien Lauf.

 

Kapitel 3

 Kapitel 3

 

Eine Woche war es jetzt her, seit er sich von Ben getrennt hatte. Sein Mann hatte sich an seine Bitte gehalten und sich nicht mehr bei ihm gemeldet. Doch ob er das so gut finden sollte, wusste er auch nicht so richtig. Bedeutete das, dass er Ben nichts mehr bedeutete und ihre Ehe tatsächlich endgültig vor dem Aus stand?

Bestimmt war er zu abgelenkt durch seinen neuen Partner. Es tat weh, auch nur daran zu denken, dass Ben das Bett mit einem anderen Mann teilte. Ob sie auch in ihrem Ehebett gefickt hatten?

Vielleicht würde ihn das Treffen mit Elias, seinem besten Freund, etwas ablenken.

Felix verließ sein Hotelzimmer, um sich in der Stadt mit seinem besten Freund zu treffen. Der wusste noch gar nichts von den fabelhaften Neuigkeiten. Die frische Luft fühlte sich gut an und ließ seine Kopfschmerzen etwas schwinden. Als er am Café ankam, wartete Elias schon vor der Tür auf ihn.

„Du siehst echt beschissen aus. Viel Stress momentan?“

Felix begrüßte Elias mit einer herzlichen Umarmung. Es tat so gut ihn einfach nur zu sehen. Wenigstens einer, der immer zu ihm halten würde.

„Kann man so sagen. Lass uns einen Platz suchen, dann erzähle ich dir alles in Ruhe.“

Sie fanden einen relativ ruhigen Platz weiter vorne. Nach einiger Zeit kam eine Kellnerin zu ihnen und nahm ihre Bestellung auf. Sobald sie ihre Getränke hatten, begann Felix damit, Elias alles zu erzählen.

„Das heißt, ich lebe in einem Hotel aus zwei Taschen. Aber eventuell kann ich Ende der Woche ein kleines möbliertes Apartment beziehen. Das ist zumindest günstiger und angenehmer als ein Hotel. Und von Benjamin habe ich seitdem auch nichts mehr gehört.“

„Bitte was?!“, brauste sein bester Freund auf.

„Nicht so laut, Elias, bitte.“

„Der Scheißkerl hat nichts Besseres zu tun, als dich zu betrügen! Und das anscheinend seit eurem Hochzeitstag! Ich war ja am Anfang immer skeptisch wegen des Altersunterschiedes und seiner schwierigen Art. Aber je länger ihr zusammen wart, umso besser konnte ich ihn leiden. Und jetzt das! So ein schwanzgesteuertes Arschloch!“ Mit zitternden Fingern umklammerte Elias sein Glas. Er war genauso wütend, wie Felix es am Anfang gewesen war. Mittlerweile war er noch nicht einmal mehr wütend. Da war einfach nur Enttäuschung und eine tiefe Traurigkeit. Außerdem fühlte er sich einsam.

„Felix … du … wenn das mit dem Apartment nicht klappen sollte, kannst du auch vorübergehend bei mir einziehen. Für dich habe ich immer ein Plätzchen frei.“

„Danke, das weiß ich zu schätzen. Wirklich. Ganz besonders jetzt, wo ich Ende der Woche eigentlich schon wieder packen muss, für meine nächste Lesereise.“

„Überleg es dir nochmal bis morgen. Ich weiß, dass es dir nicht aufs Geld ankommt, aber es könnte ganz lustig werden.“ Elias lächelte schief. „Wir zwei in einer WG. Und wenn ich im Büro bin, kannst du in aller Ruhe schreiben. Und was du halt den ganzen Tag über so tust.“

„Mmmh … die Idee ist wirklich nicht schlecht. Außerdem würde gute Gesellschaft bestimmt ihr übriges tun“, überlegte er laut.

„Also, woran hängt es dann noch? Wir könnten schon längst im Hotel sein, um deine Sachen zu holen“, forderte Elias ihn voller Tatendrang auf.

Felix gefiel der Gedanke immer besser. Außerdem würde es ihrer Freundschaft auch ganz gut tun, mal wieder etwas mehr Zeit miteinander zu verbringen. Alleine würde er eh nur zu viel nachdenken.

„Dann lass uns nicht noch mehr Zeit verlieren!“

Schnell tranken sie ihre Gläser aus, bezahlten und fuhren dann ins Hotel, um seine Sachen zu holen.

Als Felix auscheckte und die Rechnung beglich, hörte er Elias scharf Luft holen. Dabei war er noch in einem der günstigeren Hotels abgestiegen.

„Danke nochmal, dass ich bei dir wohnen kann“, meinte Felix, als sie bei Elias zu Hause waren und gerade ihre Pizzen bestellt hatten.

„Dafür sind Freunde doch da.“

„Es ist schon merkwürdig zu wissen … dass meine Ehe vorbei sein soll. Mir kommt es immer noch wie ein böser Traum vor.“

Gedankenverloren spielte er mit seinem Ehering. Bis jetzt hatte er es nicht übers Herz gebracht, ihn abzulegen. Trotz allem hing er nach wie vor an seiner Ehe und den vielen schönen Erinnerungen.

„Irgendwann wird es nicht mehr ganz so weh tun“, behauptete Elias und Felix wollte ihm zu gerne Glauben schenken.

„Ich würde nur gern wissen, wieso er das getan hat. War ich ihm zu langweilig? Oder am Ende doch zu jung?“

„Ich weiß es nicht, Großer. Und vielleicht wirst du nie eine Antwort darauf bekommen. Ich kann dir aber sagen, was ich zu gerne mit ihm machen würde, sollte er mir noch einmal über den Weg laufen.“

„Ich weiß“, seufzte Felix. „Die nächsten zwei Wochen bin ich erst einmal unterwegs. Das dürfte mich genug ablenken und vom Denken abhalten. Lange wird es nicht mehr dauern, bis Ben mir die Scheidungspapiere schickt.“

„Konzentriere dich erst einmal auf deine Lesereise. Danach sehen wir weiter. Vielleicht wirst du irgendwann die Gründe erfahren. Aber ich würde nicht darauf setzen.“

 

Eine knappe Woche später saß Felix erneut im Flugzeug. So wirklich konnte er sich aber nicht auf seine zweiwöchige Lesereise freuen. Was vielleicht auch daran lag, dass er in seinen Unterlagen einen kleinen Zettel gefunden hatte, auf dem er notiert hatte, aus welcher Stadt er etwas für Ben mitbringen wollte.

Felix hatte gerne gemacht. Immerhin hatte der Lehrer eine Schwäche für Postkarten. Und zwar diese großen Panorama-Postkarten. Ihr gemeinsames Arbeitszimmer war schon tapeziert mit den verschiedensten Motiven und auf jeder Einzelnen, hatte er ein paar Worte für seinen Mann notiert. Es hatte ihm immer ungeheuren Spaß gemacht, in jeder Stadt eine schöne Karte auszusuchen und dann etwas für Ben drauf zu schreiben. Meist waren es seine Gedanken an ihn. Wie sehr er ihn vermisste. Oder kleine Anekdoten von dem, was er erlebt hatte.

Es war hart daran zurückzudenken. Es erschien ihm wie eine Ewigkeit her. Jeden Abend hatten sie trotz Zeitverschiebung telefoniert oder per Skype miteinander gesprochen. Oft waren ihre anfangs harmlosen Gespräche in Telefonsex ausgeartet. Es war ihre Art Ersatz für die fehlende Zweisamkeit gewesen. Wie viele eindeutigen Bilder er von seinem Mann auf dem Smartphone hatte, sollte er vielleicht besser unerwähnt lassen.

Er vermisste Ben so schrecklich. Seine tiefe Stimme. Dass er sich oft nachts ganz eng an ihn gekuschelt hatte, weil Felix ihm mal wieder die Decke geklaut hatte. Sogar seine Launen vermisste er. Seine engstirnige Art. Und dann wieder hatte er ihn mit einer liebevollen Geste überrascht und sich noch weiter in sein Herz geschlichen. Seine Augen. Diese unglaublich blau-grünen Augen, an denen er immer Bens Stimmung hatte ablesen können. Oft war ihm das eine große Hilfe gewesen.

Vielleicht war Felix mit noch nicht einmal zwanzig Jahren doch zu jung zum Heiraten gewesen. Dabei hatte es für ihn nie einen Zweifel daran gegeben, dass Ben der Eine für ihn war. Leider war er wohl der Einzige, der es so sah.

Aber ob Ben sich wirklich mit ihm gelangweilt hatte? Zumindest sexuell konnte er es sich nicht vorstellen. Im Bett war Ben zwar kein großer Fan von Spielzeug gewesen, dafür hatte er ihn auch ohne Hilfsmittel um den Verstand vögeln können.

Aber wenn es nicht der Sex war, war es dann vielleicht intellektuell? Doch auch das ergab keinen Sinn für ihn. Sie führten viele Gespräche und hatten viele Gemeinsamkeiten. Sie diskutierten manchmal sehr gerne über das ein oder andere Thema.

Egal wie lange er überlegte, es drehte und wendete und sich den Kopf zerbrach, Felix würde auf keine Antwort kommen. Er musste sich einfach damit abfinden, dass seine Ehe am Ende war. Aus und vorbei.

Kapitel 4

 Kapitel 4

 

„Verdammt nochmal! Wehe es ist nicht wichtig!“, fluchte Ben, als sein Telefon ihn mitten in der Nacht aus dem Schlaf riss.

Wütend schlug er die Decke zurück und eilte zum Telefon. Wenn der Anrufer am anderen Ende aufgelegt hatte, bevor er dran gehen konnte, dann Gnade ihm Gott, dass er die Nummer nicht zurückverfolgen konnte.

Als Felix ausgezogen war, hatte er auch Hendrik den Laufpass gegeben. Einmal hatte er sich noch mit ihm getroffen. Und es hatte einen faden Beigeschmack gehabt. Außerdem war ihm Hendrik auf die Nerven gegangen. Welch eine Ironie des Schicksals.

„Ja?!“, blaffte er in den Hörer.

„Spreche ich mit Benjamin van Bommel?“, wollte eine männliche Stimme am Telefon von ihm wissen. „Hier ist Dr. Fuchs aus dem Stadtklinikum. Es geht um ihren Mann Felix van Bommel.“

Ben rutschte das Herz in die Hose und ihm wurde speiübel. Was war mit ihm passiert?

„Ist etwas mit meinem Mann … ist etwas passiert?“

„Ihr Mann hatte einen Unfall.“ Ben hielt die Luft an. Nein. Das durfte nicht sein. „Das Flugzeug in dem er an Bord war, ist abgestürzt. Momentan befindet er sich noch im OP. Er hat schwere Verletzungen davon getragen. Aber das würde ich Ihnen gerne persönlich erzählen“, erklärte ihm Dr. Fuchs freundlich.

„Okay … ich … ich mache mich sofort auf den Weg.“ Wie in Trance legte er auf und ging zurück ins Schlafzimmer.

Ganz mechanisch zog er sich an und machte sich dann auf den Weg ins Krankenhaus. Wie er überhaupt den Weg dorthin gefunden hatte, konnte er am Ende gar nicht mehr sagen. Ausnahmsweise ließ er den Radiosender mitlaufen.

Der Flugzeugabsturz war das Hauptthema überhaupt. Die genaue Ursache konnte jedoch noch nicht genannt werden. Dazu war es einfach zu früh. Was aber sicher war, war die Tatsache, dass es nur wenige Überlebende gab. Und bei jedem Einzelnen von ihnen war noch unklar, ob sie die Strapazen der nötigen Operationen überhaupt überleben würden.

Kalter Schweiß brach Ben aus. Was, wenn Felix starb? Wenn er ihn für immer verlor? Ohne die Chance bekommen zu haben, noch einmal mit ihm zu reden. Mit dieser beschissenen Affäre hatte er alles aufs Spiel gesetzt und war gerade dabei das Wichtigste in seinem Leben zu verlieren!

Felix durfte nicht sterben, das war der einzige Gedanke der ihm durch den Kopf ging, als er die Notaufnahme betrat.

„Benjamin van Bommel mein Name. Dr. Fuchs hat mich angerufen. Es geht um meinen Mann Felix van Bommel.“

Die Schwester sah von ihm kurz auf einen Plan und nickte dann. „Dr. Fuchs ist gerade im OP bei ihrem Mann. Ich lasse Bescheid sagen, dass Sie da sind. Aber es kann etwas dauern, bis er Zeit für Sie hat.“

„Und was soll ich Ihrer Meinung nach in der Zwischenzeit tun?“

„Versuchen Sie ruhig zu bleiben und warten Sie bitte drüben bei den anderen Angehörigen im Wartebereich. Ich weiß, dass es nicht einfach ist, abzuwarten. Aber wir können gerade alle nichts anderes tun.“

Widerwillig ging Ben in die Richtung, in die die Krankenschwester gezeigt hatte. Er wusste, dass sie Recht hatte. Aber das hieß noch lange nicht, dass es ihm auch gefallen musste.

Als er sah wie vergleichsweise wenig Angehörige da waren, ging ihm auf, dass sie wohl alle von Glück reden konnten, wenn jemand die Folgeoperationen dieses Flugzeugabsturzes überleben würde.

Ihm wurde schlagartig die Tragweite der Katastrophe bewusst und Übelkeit überkam ihn. Er rannte in Richtung Toiletten und stürzte in eine der Kabinen. Galle stieg auf und bahnte sich ihren Weg nach draußen.

Erschöpft ließ er sich gegen die Kabinenwand sinken. Mit den Händen fuhr er sich übers Gesicht und schickte ein Stoßgebet gen Himmel, dass Felix überlebte. Er würde der beste Ehemann werden und ihn so auf Händen tragen, wie er es verdient hatte.

Erst knappe drei Stunden und ein paar Kotzanfälle später kam ein junger Arzt auf ihn zu.

„Herr van Bommel?“

„Ja?“ Ben sprang auf und stolperte beinahe über seine eigenen Füße.

„Ich bin Dr. Fuchs, wir haben telefoniert.“ Der Arzt reichte ihm die Hand und Ben ergriff sie.

„Wie … wie geht es meinem Mann?“

„Er wird noch immer operiert. Aber mein Chef glaubt, dass das Schlimmste überstanden ist. Wir waren fast fünf Stunden mit ihrem Mann beschäftigt. Doch ob er es schaffen wird, werden die nächsten Tage erst zeigen.“ Dr. Fuchs ging mit ihm in Richtung der Sitzgelegenheiten. „Ihr Mann hat schwere Quetschungen erlitten, die zu inneren Blutungen geführt haben. Wir konnten die Blutungen aber vorerst stoppen, müssen sie jedoch weiterhin im Auge behalten. Wahrscheinlich hat er auch ein Schädel-Hirn-Trauma, aber Genaueres wissen wir erst später.“ Der Arzt sah aus, als würde die Liste an Verletzungen noch länger werden. Und Ben sollte mit dieser Vermutung leider Recht behalten. „Er hat noch diverse Knochenbrüche davongetragen. Sein Oberschenkel ist gebrochen, genauso wie sein Oberarm und zwei seiner Rippen, von denen sich eine in die Lunge gebohrt hatte. Durch den Aufprall hat er sich ebenso das Jochbein und die Nase gebrochen. Das Schlüsselbein jedoch nur angebrochen. Außerdem hat er an manchen Stellen leichte Verbrennungen, die aber ohne Komplikationen wieder verheilen dürften und sich ein paar Wirbel verrenkt. Sie können froh sein, wenn er die nächsten Nächte ohne Zwischenfälle übersteht.“

„Kann ich zu ihm, sobald er aus dem OP ist? Bitte?“

„Ich hole Sie, wenn Sie zu ihm können. Wir bringen ihn in den Aufwachraum, wenn wir mit ihm fertig sind, um ihn zu überwachen und dann auf sein Zimmer. Ein wenig müssen Sie sich leider noch immer gedulden.“

„Verdammt! Ich will doch einfach nur zu meinem Mann!“, brauste er auf und zog damit alle Blicke auf sich.

„Beruhigen Sie sich bitte, Herr van Bommel. Ich werde Sie so schnell wie möglich zu Ihrem Mann lassen. Versprochen. Aber bitte lassen Sie mich jetzt meine Arbeit machen.“

Nur mit viel Selbstbeherrschung hielt er sich zurück und ließ Dr. Fuchs wieder seiner Wege gehen.

In der nächsten Stunde konnte er noch einige andere Ärzte mit den Angehörigen sprechen sehen. Nur schienen sie nicht alle gute Nachrichten zu haben. Und wenn man bedachte, was noch alles hätte passieren können, war Felix‘ Zustand eine gute Nachricht. Zumindest lebte er. Noch.

Ben hoffte, dass ihm das Schlimmste erspart blieb und er Felix bald wieder mit nach Hause nehmen konnte.

Irgendwann kam eine Schwester zu ihm und führte ihn in das Einzelzimmer, in dem sein Mann auf der Intensivstation lag.

Felix sah schrecklich aus. Überall ragten irgendwelche Schläuche aus ihm heraus. Er war an mehrere Monitore angeschlossen, auf denen man seine Vitalwerte ablesen konnte. Sein Gesicht war komplett geschwollen und schillerte auch noch in allen möglichen Farben.

Sein Mann sah so anders aus. So blass. So hilflos.

Er wurde künstlich beatmet und Ben hoffte, dass er keine bleibenden Schäden behalten würde. Sein Blick wanderte weiter. In einer Tüte auf dem Tischchen lagen die Sachen, die sie noch bei Felix gefunden hatten. Sein Smartphone war völlig unbrauchbar. Er würde ihm die Tage ein Neues besorgen und es ihm einrichten. Er kannte Felix und wusste genau, was er auf seinem Smartphone benötigte. Außerdem war es eine Art Beschäftigungstherapie für sich selbst. Denn ohne eine Aufgabe würde er ganz sicher sehr bald durchdrehen.

Sein Ehering lag ebenfalls in der Tüte. Er war total zerkratzt, da sie ihn anscheinend nur mit Werkzeug von seinem Finger bekommen hatten. Vielleicht reichte es ja, wenn er ihn beim Juwelier nachpolieren lassen würde. Er wollte ungern einen neuen machen lassen.

Komisch, mit welch banalen Dingen er sich befassen konnte, obwohl hier das Leben seines Mannes auf der Kippe stand.

Hoffentlich wurde Felix bald wach. Er wollte doch nur, dass Felix überlebte und alles wieder so war wie früher. Ein merkwürdiger Gedanke, wenn man bedachte, dass er es gewesen war, der ihre Ehe mit Füßen getreten hatte.

Kapitel 5

 Kapitel 5

 

Seit zwei Wochen kam er jeden Tag nach der Arbeit ins Krankenhaus und ging erst gegen Abend nach Hause. Doch Felix lag immer noch im Koma. Die Ärzte meinten, dass sein Körper das brauchte, um sich von den Strapazen des Absturzes und den Operationen zu erholen.

Obwohl Ben das alles nachvollziehen konnte, so dauerte ihm das alles viel zu lange. Auch wenn sein Mann, zumindest im Gesicht, langsam wieder normal aussah, seit es anfing abzuschwellen. Seine Nase und sein Jochbein verheilten ganz gut – sagten ihm zumindest die Ärzte.

Als Ben aber heute das Zimmer seines Mannes betrat, war dieser nicht da. Mit schnellen Schritten ging er zum Schwesternzimmer.

„Entschuldigung, aber wo ist mein Mann? Felix van Bommel.“

„Einen Moment.“ Die Schwester tippte irgendwas in den PC ein. „Ihr Mann ist im OP. Er hatte eine massive Hirnblutung, die sofort behandelt werden musste. Aber er dürfte jede Minute wieder auf seinem Zimmer sein.“

„Warum hat mich niemand angerufen?“, wollte Ben aufgebracht wissen.

„Hier wurde vermerkt, dass wir sogar mehrfach versucht haben, Sie zu erreichen. Aber es ging immer nur Ihre Mailbox dran.“

„Verdammter Mist!“

Vor lauter ‚lauter‘, hatte er ganz vergessen, sich ein neues Smartphone zu besorgen. Seit ein paar Wochen sponn es wie verrückt. Ständig ging es aus und Ben war somit für niemanden erreichbar.

Das hatte er jetzt davon, so schluderig gewesen zu sein. Felix war im OP und niemand hatte ihn erreicht. Was, wenn ihm nochmal etwas passierte? Noch heute Abend würde er in die Stadt fahren und sich ein Neues besorgen. Wenn er sein Smartphone heute schon einmal gebraucht hätte, wäre ihm aufgefallen, dass es schon wieder aus war. Und das man versucht hatte, ihn zu erreichen. Aber da ihm niemand mehr schrieb, seit Felix sich von ihm getrennt und er die Affäre mit Hendrik beendet hatte, sah er kaum noch auf das dämliche Ding.

Was, wenn sein Mann aufwachte und ihn erneut niemand erreichen konnte? Das Risiko wollte er gar nicht erst eingehen.

Etwa anderthalb Stunden später wurde Felix‘ Bett wieder an seinen Platz geschoben. Er konnte keine große Veränderung an ihm wahrnehmen. Wenn der Verband um seinen Kopf nicht wäre, wäre ihm wahrscheinlich gar nichts aufgefallen. Hoffentlich hatten sie seinem Liebling nicht die noch vorhandenen Haare abgeschnitten. Er liebte seine Frisur und ging im Notfall auch über Leichen, wenn sie perfekt werden sollte.

„Wie geht es ihm?“ Er begrüßte Dr. Fuchs gar nicht erst. Sein einziger Gedanke galt Felix.

„Den Umständen entsprechend gut. Vor ein paar Stunden schlug die Maschine Alarm, weil sich ein unglaublich hoher Druck in seinem Kopf aufgebaut hatte. Wir mussten ihn sofort operieren. Solange er aber nicht aufwacht, können wir noch nicht sagen, ob er irgendwelche Schäden beibehalten wird.“ Dr. Fuchs‘ Blick blieb auf Felix hängen. Traurig sah er schließlich Ben an. „Sagen Sie, Herr van Bommel, haben Sie und Ihr Mann schon einmal über lebenserhaltende Maßnahmen gesprochen?“

„Nein. Bisher bestand kein Grund dazu. Wieso?“ Ben zog es den Brustkorb zusammen. Er ahnte nichts Gutes. Bitte lass ihn nicht aussprechen, was ich denke, betete er.

„Nun, wenn er nicht bald aufwacht, müssen Sie sich Gedanken darüber machen, wie es weitergehen soll. Je länger das Koma andauert, desto größer können die Folgeschäden sein. Denken Sie einfach darüber nach. Ich weiß, dass es nicht einfach ist, diese Entscheidung zu treffen. Gerade wenn sie einen selbst und einen geliebten Menschen betrifft. Sollten Sie noch Fragen haben, wenden Sie sich einfach an mich. Meine Nummer haben Sie ja.“

„Danke“, war alles, was Ben herausbekam.

Wie in Trance setzte er sich zu seinem Mann ans Bett und griff nach dessen Hand. „Du musst aufwachen, hört du? Du darfst nicht sterben, Felix. Bitte lass mich nicht allein.“

Das erste Mal, seit er seinen Mann kannte, fing er an zu weinen.

Wie sollte er sich ein Leben ohne ihn nur vorstellen? Wie hatte er nur so dumm sein und alles kaputt machen können? Und das wegen jemandem wie Hendrik! Einem Mann, den er nur benutzt hatte. Eigentlich … ja eigentlich, wenn er ehrlich zu sich selbst war, hatte er die letzten vier Monate Felix und Hendrik nur benutzt. In der momentanen Situation erhielt diese Erkenntnis einen noch faderen Beigeschmack.

Könnte er die Zeit zurückdrehen und alles ungeschehen machen, er würde es tun.

Leider bemerkte er oft erst zu spät, wenn er großen Mist gebaut hatte. Schon immer. Er war schlecht darin, seine Gefühle und Gedanken zu äußern.

Doch immer wenn er sich einer Sache nicht gewachsen fühlte, drehte er durch, indem er sich einfach einschloss. Oder wenn er dachte, man dränge ihn in die Ecke. Dann brach ihm teilweise der kalte Schweiß aus und er brach unnötige Streitereien vom Zaun, wurde launisch und ließ alles an Felix aus. Aber bisher hatte er noch nie, wirklich nie, so großen Mist gebaut, wie den mit Hendrik.

Ben war noch nie ein großer Beziehungsmensch gewesen. Seinen Mann hatte er jedoch einfach nicht gehen lassen wollen und komischerweise hatte Felix mit dem sanften Wesen und dem großen Herzen einen Narren an ihm gefressen. Und sich Hals über Kopf in ihn verliebt. In ihn! Er konnte es manchmal immer noch nicht glauben.

Ben selbst hatte lange gebraucht, um sich einzugestehen, dass er verliebt war. Und dann hatte er ihm direkt ein paar Tage später einen Antrag gemacht.

Wie sehr musste Felix ihn lieben, wenn er seine Launen schon seit sieben Jahren aushielt?

Gott, er hatte sogar seinen bescheuerten Nachnamen angenommen – und das sogar mit Freuden. Jeder andere wäre froh gewesen, wenn er Müller, Meier, Schmitt heißen würde. Aber Felix hatte sein Mann sein wollen, mit allem was dazu gehörte. Auch wenn er dafür jetzt seit über sechs Jahren Felix van Bommel hieß und das hoffentlich bis an sein Lebensende auch weiterhin so wollte.

Wenn Ben sich seiner Beziehung zu Felix sicherer gewesen wäre, wäre es nie zur Trennung gekommen. Es wäre noch nicht einmal zu seiner Affäre gekommen.

Selbst nach so langer Zeit hatte er immer noch Angst, die Erwartungen seines Mannes nicht zu erfüllen. Dabei kannte eben dieser ihn besser als jeder andere. Was, wenn jemand kam, der Felix weniger Probleme machte? Der pflegeleichter war, als er es je sein würde? Den Felix genauso lieben konnte? Bei der Vorstellung fühlte er sich, als würde jemand versuchen, ihm das Herz aus der Brust zu reißen.

An ihrem Hochzeitstag hatten sie sich auch in den Haaren gehabt, da Ben mal wieder Paranoia geschoben hatte. Sein Mann hatte spätabends an den Flughafen gemusst, um an einem wichtigen Treffen im Verlag teilzunehmen. Es ging um weitere Veröffentlichungen und die Verlängerung seines Vertrages oder ob er lieber wieder als Self Publisher arbeiten wollte.

Felix hatte viel dafür getan, dass das Treffen extra auf den nächsten Tag verschoben wurde, das wusste Ben. Immerhin hatte er die teilweise hitzigen Telefonate mitbekommen und sich danach um Felix‘ Entspannung gekümmert. Und trotzdem hatte er seinem Mann eine Szene gemacht. Vorwürfe, er hätte einen anderen, waren ihm über die Lippen gekommen. Ihr Streit war so heftig gewesen, dass sein Mann mit dem Taxi an den Flughafen gefahren war. Noch nicht einmal verabschiedet hatte er sich. Und das war sehr untypisch für Felix. Das hätte ihm eigentlich zu denken geben sollen. Nicht über das Verhalten seines Mannes, sondern über sein eigenes.

Sein verletzter Stolz jedoch hatte Ben in eine Bar in der Nähe ihrer Wohnung getrieben – und Hendrik zum ersten Mal in sein Ehebett. In das Bett, das er für gewöhnlich nur mit Felix teilte.

Hendrik war ein Jahr älter als sein Mann und hatte ihn mit seinen Komplimenten wieder aufgebaut. Hatte ihn aus seinem Loch geholt und sein Ego aufgeputscht. Es hatte ihm geschmeichelt. Leider zu sehr.

Als Felix zwei Tage später heimgekommen war, hatte dieser sich für seinen Ausbruch entschuldigt. Dabei war es Ben gewesen, der sich hätte entschuldigen sollen. Doch eine Entschuldigung war ihm nie über die Lippen gekommen.

Sie hatten sich versöhnt und Ben hätte Hendrik vergessen sollen. Er tat es jedoch nicht. Immerhin meldete sich Hendrik regelmäßig bei ihm.

Und warum sich nicht mit jemandem treffen, der im Gegensatz zu Felix nie viel unterwegs und immer zur Stelle war, wenn Ben nach ihm verlangte? Den Ansatz eines schlechten Gewissens hatte er immer direkt im Keim erstickt.

Er hatte sich eingeredet, dass Felix selbst an der Situation schuld war. Immerhin war er ja nie daheim. Hatte einen Termin nach dem anderen und ließ Ben allein zurück. Dabei hätte ein Gespräch mit seinem Mann ihnen beiden bestimmt geholfen.

Als vor sechs Wochen alles herausgekommen war, hatte Ben sich erneut in die Ecke gedrängt gefühlt und alles nur noch schlimmer gemacht. Diese Verleihung war so wichtig für seinen Mann gewesen und er hatte nichts Besseres zu tun gehabt, als ihn schon wieder mit Hendrik zu betrügen.

Irgendwie war es ihm selbstverständlich erschienen, dass Felix an seiner Seite bleiben würde.

„Bitte wach wieder auf, Liebling“, flüsterte er und bat für ein Wunder.

Kapitel 6

 Kapitel 6

 

Auch in der nächsten Woche änderte sich nichts an Felix‘ Zustand. Seine Vitalzeichen waren zwar alle im grünen Bereich, aber er wollte einfach nicht aufwachen. So langsam wurde Ben nervös. Er hatte sich Gedanken über die Abstellung der lebenserhaltenden Maßnahmen gemacht, konnte sich aber einfach nicht damit abfinden, dass sein Mann vielleicht nie wieder aufwachen würde.

Doch irgendwie war heute etwas anders, als er die Station betrat. Generell hatte er den ganzen Tag schon so ein komisches Gefühl gehabt. Als würde etwas auf ihn zukommen. Und das merkte er nicht nur daran, weil ein sichtlich wütender Elias vor Felix‘ Zimmer auf ihn wartete.

„Wag‘ es ja nicht, da reinzugehen!“, fuhr Elias ihn an, als er die Hand auf die Türklinke legte.

„Wie bitte?“

„Du hast mich schon richtig verstanden! Halt‘ dich gefälligst von ihm fern!“

„Was denkst du eigentlich, wer du bist?!“

Anstatt ihm zu antworten, stürzte sich Elias auf Ben. Eine Faust traf ihn am Kinn. Die beiden Männer fingen an sich zu prügeln. Mitten auf dem Krankenhausflur.

„Felix hat jemand Besseren verdient, du mieses Arschloch!“

„Was willst du eigentlich von mir? Geh von mir runter und lass mich gefälligst zu meinem Mann!“

„Wegen dir liegt er hier! Nur wegen dir! Weil du deinen beschissenen Schwanz nicht unter Kontrolle hast!“

Ungeachtet der Schreie um sie herum, prügelten sie sich weiter und gingen dabei sogar zu Boden. Sie warfen sich wüste Beschimpfungen an den Kopf, bis jeder von ihnen von einem Security gepackt und hinausgeworfen wurde. Jedoch mit der Bemerkung, erst wiederzukommen, wenn sie sich beruhigt hatten.

„Scheiße“, murmelte Ben, als er sich das Blut an der Lippe wegwischte. Elias sah ihn immer noch wütend an.

„Hey! Wo willst du hin?!“

„Das geht dich einen Scheiß an! Lass mich einfach in Ruhe!“, fuhr Ben den besten Freund seines Mannes an. Er brauchte jetzt dringend Alkohol.

Dass Elias ihm folgte, bekam er erst mit, als dieser sich an der Bar neben ihn setzte.

„Lass mich doch bitte einfach in Ruhe“, bat er ihn müde. Was wollte er denn jetzt noch von ihm? Hatte er nicht schon genug Probleme?

„Felix kann sich an nichts mehr erinnern.“

Entgeistert starrte er ihn an. Hatte er gerade richtig gehört?

„Heißt das …?“

„Er ist wach“, bestätigte Elias ihm nickend. „Die Ärzte haben mit ihm gesprochen. Aber … er denkt, dass wir das Jahr 2008 schreiben. Er kann sich an die letzten acht Jahre nicht erinnern.“ Als Ben nichts sagte, fuhr er leise fort: „Du weißt, was das bedeutet, oder?“

Langsam nickte der Ältere. Nein! Das konnte nicht sein! „Er kennt mich gar nicht. Wenn ich … wenn ich sein Zimmer betrete … bin ich ein Fremder für ihn.“

Er fühlte sich wie betäubt. Sein Mann war endlich wach und kannte ihn noch nicht einmal. Konnte dieser Albtraum noch schlimmer werden? War das vielleicht die Strafe des Schicksals für seinen Betrug?

Verzweifelt vergrub er das Gesicht in den Händen. Wenn er nicht so ein verdammter Idiot gewesen wäre und seinen Schwanz in der Hose behalten hätte, dann wäre es nie so weit gekommen.

„Hey … das wird irgendwie schon wieder“, versuchte Elias ihn halbherzig zu trösten. Wahrscheinlich war er selbst von den neuen Erkenntnissen geschockt.

„Das glaubst du doch wohl selbst nicht. Was willst du eigentlich noch hier? Kannst du mich nicht einfach alleine lassen?“

„Nein, kann ich nicht“, entgegnete Elias trotzig. „Ich will mit dir über Felix reden.“

„Was gibt es da noch großartig zu reden? Er wird dir sicher alles erzählt haben und du mich für ein Arschloch halten. Was ich auch bin.“ Ben zündete sich eine Zigarette an. Er brauchte das jetzt. Als er jedoch bemerkte, dass er sich hier im Nichtraucherbereich befand, drückte er sie schnell wieder aus. Blödes Rauchverbot!

„Dann sind wir uns in der Beziehung ja einig. Ich will aber von dir erfahren, was passiert ist. Wie es so weit kommen konnte.“

Er bemerkte Elias‘ Blick, als er sich seine angekokelte Zigarette in seinen Tunnel steckte.

„Dass Felix da nie was gesagt hat“, murmelte Felix‘ bester Freund kopfschüttelnd.

„Er fand es ziemlich witzig. Ab und zu hat er mir sogar einen Stift reingesteckt, wenn er wusste, dass ich Arbeiten korrigieren muss.“

Bei der Erinnerung daran, fing er an zu lächeln. Sein Mann war schon immer eine Nummer für sich gewesen. Schon allein sein Auftreten war schrill und einfach … anders. Ben seufzte.

„Ich weiß nicht, wie es überhaupt hatte soweit kommen können. Seit ich mit Felix zusammen bin, gab es nie irgendjemanden, der auch nur ansatzweise an ihn heran kam. Und das ist immer noch so. Aber …“

„Aber?“, hakte Elias nach.

„An unserem Hochzeitstag haben wir uns gestritten. Sehr schlimm sogar. Er eröffnete mir abends, dass er noch packen müsse, weil ein Gespräch mit dem Verlag anstand. Ich war sauer und enttäuscht und wir haben uns gefetzt. Dabei wusste ich, dass er den Termin extra verschoben hatte, da er sonst gar nicht da gewesen wäre. Felix ist ohne mich an den Flughafen gefahren und ich bin in eine Bar gegangen. Hendrik fiel mir sofort auf. Wir kamen ins Gespräch. Flirteten und eins führte zum anderen. Zwei Tage später kam Felix wieder heim und entschuldigte sich. Doch anstatt die Sache mit Hendrik zu beenden, führten wir diese Affäre fort. Gott, ich habe sogar ein paar meiner Sachen bei ihm“, fiel es ihm auf einmal siedend heiß ein. „Irgendwie ist mir die ganze Sache aus den Händen geglitten. Es hat sich alles verselbstständigt und ich habe einfach dabei zugesehen. Hätte Hendrik mir nicht auf den Anrufbeantworter gesprochen, würde ich Felix wahrscheinlich immer noch betrügen.“ Mittlerweile sehnte er sich so nach einer Zigarette.

„Aber warum das alles, Ben?“

„Ich denke, ich habe mich einsam gefühlt. Felix war immer öfter unterwegs und wir haben uns kaum noch gesehen.“ Hilflos sah er Elias an.

„Weißt du, was wirklich komisch ist an der Geschichte?“ Freudlos lachte sein Gegenüber auf. „Felix hatte vor, nach dieser Lesereise kürzer zu treten. Er war ausgelaugt und wollte wieder mehr daheim sein. Bei dir. Er hat gemerkt, wie sehr eure Ehe darunter litt und außerdem ging es ihm nicht gut, mit dem ganzen Stress“, eröffnete Elias ihm. Ben konnte das nicht glauben. Das ließ ihn gleich noch dümmer dastehen. „Das hast du nicht gemerkt, oder?“, wollte Elias wissen. „Er hat ja kaum noch richtig gegessen und hatte ganz schön abgenommen. Hat dein verletzter Stolz dich wirklich so blind gemacht?“ Kopfschüttelnd blickte Elias auf die Theke. „Als er bei mir einzog, meinte er irgendwann zu mir, dass er ja dann jetzt einfach weiter arbeiten könnte. Es wäre ja jetzt egal. Felix wollte nie vor mir weinen. Aber ich habe es mitbekommen. Und ich konnte nichts für ihn tun, außer für ihn da zu sein. Und dann erfahre ich von dem Flugzeugabsturz. Ich bin absichtlich immer so bei ihm gewesen, dass du mir nicht über den Weg laufen konntest. Ich wusste, ich würde ausflippe. Aber wie du siehst, hat all der Abstand nichts gebracht.“ Elias lächelte ihn entschuldigend an.

Ben leerte sein Glas in einem Zug. Sein schlechtes Gewissen nagte mehr denn je an ihm. Er war wahrhaftig der größte Volltrottel, der auf der Welt herumspazierte. Wann war er nur so blind geworden? Hatte er Felix und ihre Ehe aus den Augen verloren?

„Was soll ich denn jetzt machen, Elias? Ich will Felix nicht verlieren.“

„Ich würde dir gerne helfen. Obwohl ich denke, dass du es eigentlich gar nicht anders verdient hast.“

„Ich weiß.“ Kurz schwiegen sie und Ben widerstand dem Drang, sich doch noch eine Zigarette anzuzünden. „Haben die Ärzte dir noch etwas über Felix‘ Gesundheitszustand gesagt?“

„Er kommt erst einmal in Reha, damit sein Körper sich von allem erholen kann. Außerdem muss er Krankengymnastik machen, da seine Muskeln etwas verkümmert sind. Und … er wird vorerst wieder bei dir einziehen.“

„Was? Aber … das ist ja großartig!“ Das war doch mal eine gute Nachricht.

„Felix weiß noch nichts davon. Der Arzt will es ihm möglichst schonend beibringen. Aber er soll in seiner gewohnten Umgebung sein und sein Leben normal weiterführen. Sofern das jemandem möglich ist, der sich an die letzten acht Jahre seines Lebens nicht erinnern kann.“

„Und … kann ich ihm da irgendwie behilflich sein?“

„Keine Ahnung. Da musst du nochmal mit seinem Arzt sprechen. Auf jeden Fall kann ich dir später seine Sachen vorbeibringen.“

„Ich danke dir, Elias. Glaub mir, ich weiß, dass ich große Scheiße gebaut habe. Und ich wünschte, ich hätte es irgendwie verhindern können.“

„Du hättest es verhindern können. Aber deine Einsicht ist doch schon einmal ein Schritt in die richtige Richtung.“

Elias klopfte ihm auf die Schulter und verabschiedete sich dann von ihm. Ben saß noch eine Weile an der Bar, hing seinen Gedanken nach und überlegte, wie er seine Ehe retten konnte. Falls es dafür noch Hoffnung gab.

Kapitel 7

 Kapitel 7

 

Wie betäubt saß Felix in seinem Krankenhausbett. Heute Morgen war er hier aufgewacht und ein riesiger Tumult war losgebrochen. Die Rede war von Koma und Flugzeugabsturz gewesen. Er war so verwirrt. Wusste nicht, was hier los war.

Was hatte das zu bedeuten? Das Letzte, woran er sich erinnern konnte, war, dass er sich auf seine Matheklausur vorbereitet hatte. Und jetzt auf einmal sollte es 2016 sein? Damit kam er einfach nicht klar. Das waren immerhin … acht Jahre, die ihm fehlen sollten.

Sein Arzt würde später noch einmal kommen, wenn er diese Neuigkeiten halbwegs verdaut hatte und ihn aufklären, was jetzt noch auf ihn zukam. Ob er das überhaupt je richtig verarbeiten würde? So viele Informationen prasselten auf ihn ein. Er fühlte sich überfordert und sehnte sich dringend nach etwas Ruhe.

Ob seine Eltern schon informiert worden waren? Zwar hatten sie kein besonders gutes Verhältnis, aber immerhin waren sie seine Familie. Die einzige, die er hatte.

Felix war so in seine Gedanken vertieft, dass er gar nicht mitbekam, wie Dr. Fuchs ein paar Stunden später wieder zu ihm ins Zimmer kam und ihm eröffnete, dass er die nächsten vier bis sechs Wochen in Reha musste, um sich vollständig zu erholen. Der Armbruch war zwar so gut wie verheilt, aber seine Muskeln hatten ganz schön unter seinem Koma gelitten.

Dr. Fuchs erklärte ihm noch so viel mehr, aber Felix hörte nur mit halbem Ohr zu. Er musste immer noch die Tatsache verdauen, dass ihm acht Jahre seines Lebens fehlten. Acht verdammte Jahre!

Er war demnach 26 Jahre alt und hatte wohl auch einen Job. Also, zumindest hoffte er das. Irgendwie musste er sich ja auch seine Brötchen verdienen. Die Frage war nur, mit was genau er das tat. Hoffentlich würde ihn bald mal jemand aufklären. Diese Ungewissheit fraß ihn innerlich auf. Und er konnte nichts tun, um dem entgegenzuwirken.

Gegen Abend ging seine Zimmertür zum gefühlt hundertsten Mal auf. Genervt schnaubte er und drehte den Kopf. Der Mann, der eintrat, war ihm unbekannt. Aber er sah gut aus.

Er war vielleicht etwa einen Kopf größer als Felix, schlank, trug eine Hornbrille, hatte dunkelblonde etwas längere Haare, wirklich faszinierende blau-grüne Augen und … war das eine Zigarette in seinem Tunnel? Auf jeden Fall schien er älter zu sein als Felix. Vielleicht Anfang bis Mitte dreißig.

„Hey“, zaghaft begrüßte der Unbekannte ihn.

„Ähm … hallo.“

„Du … siehst gut aus. Ich bin Ben. Benjamin van Bommel.“

Felix kicherte. Ein echt lustiger Nachname. „Wirklich? Van Bommel?“ Trotzdem war er etwas verwirrt darüber, dass der Unbekannte sich so selbstverständlich mit ihm unterhielt. Woher kannte er ihn?

Ben grinste. „Sei mal nicht so schadenfroh. Es ist auch dein Nachname. Ich bin ... wir sind verheiratet.“

Fassungslos starrte er ihn an. Sein Mann?! Er war verheiratet?!

„Ich bin verheiratet? Mit Ihnen?“

„Sag bitte Du“, bat Ben und setzte sich neben sein Bett. „Um deine Frage zu beantworten: Wir sind verheiratet und das schon seit sechs Jahren.“

„Seit … wow …“, Felix betrachtete sich Ben genauer.

Er war mit diesem gut aussehenden Mann seit sechs Jahren verheiratet? Wie gern würde er sich jetzt daran erinnern. Für Felix war Ben ein Fremder. Doch für Ben war es wohl das pure Glück, dass Felix noch lebte. Das Leben ging manchmal schon merkwürdige Wege mit einem.

Wie viele Situationen würden noch kommen, in denen er merkte, dass er sich nicht erinnern konnte? Dass ihm ein großer Teil seines Lebens fehlte?

Bevor er noch weiter darüber nachdenken konnte, räusperte er sich und konzentrierte sich auf Ben. Seinen … Mann.

„Wie … hat dir jemand gesagt, wie es weitergeht? Dr. Fuchs hat nur etwas von einer Reha erzählt. Aber ehrlich gesagt habe ich ihm nicht genau zugehört“, gestand er seinem Besucher. „Und … wissen … meine Eltern eigentlich Bescheid?“

„Mit deinen Eltern haben wir seit unserer Hochzeit nur noch ganz selten Kontakt. Zwar waren sie bei unserer Verlobungsfeier dabei, aber nicht bei unserer Hochzeit. Sie weigerten sich zu kommen, da sie deinen Lebensstil nicht auch noch unterstützen oder gutheißen wollten. Und als du sie zur Rede gestellt hast, habt ihr euch fürchterlich gestritten. Sie stellten dich vor die Wahl: Ich oder sie. Du hast dich für mich entschieden und wir haben ohne ihren Segen geheiratet.“ Ben schwieg kurz, bevor er weitersprach. Ließ Felix Zeit, die Informationen sacken zu lassen. Seine Eltern wollten also auf gut deutsch gesagt nichts mehr von ihm wissen. Es war schade, dass ihr Verhältnis mittlerweile so zerrüttet war.

„Zu deiner anderen Frage …“, begann Ben wieder. „Nach der Reha wohnst du weiterhin in unserer Wohnung. Dr. Fuchs meinte, dass dir deine gewohnte Umgebung beim Erinnern helfen könnte. Außerdem soll ich dir Geschichten erzählen. Über uns, unser Leben und deinen Job. Aber das hat Zeit, bis du aus der Reha raus bist. Bis du wieder daheim bist. Du solltest dich erst einmal darauf konzentrieren, körperlich wieder fit zu werden.“ Er holte ein Smartphone aus seiner Tasche, reichte es Felix und dieser legte es in Gedanken versunken in die Schublade des Nachttisches. „Ich habe dir auch ein Smartphone gekauft. Deins ist beim Absturz kaputtgegangen. Es sind alle wichtigen Nummern drin. Deine SIM-Karte konnten wir Gott sei Dank retten.“ Ben räusperte sich und erhob sich von seinem Stuhl. Auch ihm war die Situation merklich unangenehm. „Ich … werde dich dann mal wieder allein lassen. Es war für uns alle ein sehr ereignisreicher Tag. Ach, der PIN ist dein Geburtstag. Versuch ein wenig zu schlafen.“

„Danke.“ Mehr bekam Felix nicht heraus.

Nach seiner Reha sollte er also bei einem für ihn fremden Mann wohnen? Somit wäre nicht nur sein Mann fremd für ihn, sondern auch seine Umgebung. Sein eigentliches Zuhause.

Auch wenn sie verheiratet waren, kannte er ihn nicht. Er hatte Angst vor dem, was ihn noch alles erwartete. Was, wenn er sein jetziges Leben nicht mochte? Wenn es ihm nicht gefiel und er sich nicht wohlfühlte?

In den Schubladen suchte er nach etwas, das halbwegs brauchbar war. In der obersten fand er das Smartphone, das Ben ihm eben gegeben hatte. Eigentlich hatte er sich erst später damit beschäftigen wollen. Aber irgendwie musste er sich ablenken und auf andere Gedanken bringen.

Nachdem er es eingeschaltet hatte, durchsuchte er sein Adressbuch nach bekannten Namen. Bei einem Eintrag namens schlechter Einfluss blieb er hängen. Er kannte nur einen, den er unter diesem Namen einspeichern würde. Elias. Waren sie nach all den Jahren immer noch beste Freunde? Er würde ihn einfach anschreiben und es selbst herausfinden. Jawohl.

 

Felix: „Hallo Elias. Ich bin es Felix. Ich wollte … nein, ich muss dich etwas fragen. Etwas Wichtiges. Also … nun ja … sind wir noch Freunde?“

 

Elias ging direkt online und die Häkchen wurden blau. War wohl eine neue Funktion. Als sein bester Freund anfing zu schreiben, wurde er nervös. Ständig schaltete er den Bildschirm an und aus. Gespannt und gleichzeitig sich vor dem fürchtend, was er als Antwort erhalten würde.

 

Schlechter Einfluss: „Hey Dornröschen ;-) Ich bin froh, dass du wieder wach bist. Und ja, wir sind noch Freunde. Beinahe wäre ich dabei gewesen, als du wach wurdest. Ich war nur ein paar Minuten zu spät. Dabei wollte ich doch dein Ritter in strahlender Rüstung sein ;-)“

Erleichtert las er die Nachricht und antwortete ihm.

Felix: „Wenigstens eine Person, die ich kenne.“ Er schickte die Nachricht ab, ergänzte sie aber noch. „Ich habe Angst … dass ich in den Spiegel sehe und mich selbst nicht mehr erkenne. Dass mein Leben anders verlaufen ist, als ich es mir erhofft habe. Was, wenn ich mein Leben nicht mag, so wie es jetzt ist?“, gestand er seine Ängste.

Schlechter Einfluss: „Du bist noch derselbe wie vor acht Jahren. Genauso bekloppt, wie eh und je. Nur ein bisschen reifer und verheiratet. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es sein muss, wach zu werden und zu merken, dass dir acht Jahre deines Lebens fehlen.“

Felix: „Es ist beängstigend. Was ist, wenn mir nicht gefällt, was ich sehe? Was ich über mich erfahre? War ich glücklich?“

Schlechter Einfluss: „Ja warst du. Glücklich, erfolgreich und du wurdest geliebt. Du konntest einem mit deinem Dauergrinsen gehörig auf die Nerven gehen. Ich will dich nicht mit Informationen vollquatschen. Das muss langsam gehen. Du solltest dich erst in Ruhe erholen. Und wegen deinem Aussehen … frag mal einen der Pfleger, ob er mit dir ins Bad geht. Es wird dich beruhigen :-)“

Felix: „Danke dir, Elias. Gute Nacht.“

Schlechter Einfluss: „Guts Nächtle!“

 

Trotz den lieben und auch beruhigenden Worten von seinem besten Freund konnte Felix kaum schlafen. Zu viele Gedanken wirbelten in seinem Kopf herum. Irgendwie konnte er sich nicht vorstellen, verheiratet zu sein. Und dann auch noch mit so einem gut aussehenden Mann! Nicht, dass er selbst aussah wie ein Zyklop, aber wie war er denn zu Benjamin gelangt? Wie war ihre Geschichte?

Was Benjamin wohl für ein Typ Mann war? Ihn würde brennend interessieren, wie sie zusammen gekommen waren.

Vor Frustration schlug er auf seine Bettdecke ein. Wieso konnte er sich an nichts erinnern? Tränen traten ihm in die Augen und bahnten sich ihren Weg über seine Wangen.

Acht Jahre seines Lebens fehlten ihm. Acht verdammte Jahre! Am liebsten würde er sofort alles aus der Zeit wissen. Aber er hatte trotzdem immer noch eine Heidenangst davor. Das Gespräch mit Elias hatte ihm seine Unsicherheit nicht genommen.

Felix traute sich ja noch nicht einmal in den Spiegel zu schauen. Er war ein elender Feigling!

Kapitel 8

 Kapitel 8

 

Am nächsten Morgen war Felix alles andere als ausgeruht. Die ganze Nacht hatte er sich im Bett hin und her gewälzt, weil seine Gedanken ihm absolut keine Ruhe gelassen hatten.

„Guten Morgen, Herr van Bommel. Wie geht es Ihnen?“, begrüßte ihn Dr. Fuchs fröhlich.

„Sehr müde. Es war … ziemlich viel auf einmal gestern. Und ist es immer noch. Ich … ich … kann es gar nicht richtig verarbeiten.“

Sein Arzt maß seinen Blutdruck und den Puls und stellte ihm die üblichen Fragen.

„Wir werden nachher den Katheter entfernen und dann dürfen Sie langsam wieder aufstehen. Überanstrengen Sie sich aber nicht. Rufen Sie lieber einmal mehr um Hilfe. Ich schicke Ihnen gleich eine Schwester rein. Später reden wir noch einmal über Ihre Reha.“

Keine zehn Minuten nachdem Dr. Fuchs ihn allein gelassen hatte, kam eine der Schwestern herein. Felix glaubte sie gestern schon gesehen zu haben. Schwester Lisa stand auf ihrem Namensschild. Ja, der Name sagte ihm etwas. Wenigstens etwas, was ihm bekannt vorkam, dachte er sich sarkastisch.

„Schwester … würden Sie vielleicht … kurz mit mir ins Bad gehen? Ich … würde mich gerne … im Spiegel betrachten.“

Langsam aber sicher wog die Neugier größer als die Angst. Ob das vielleicht ein gutes Zeichen war?

„Sicher.“ Sie lächelte ihn aufmunternd an. „Aber wir machen ganz langsam. Und vielleicht sollten wir Sie erst einmal anziehen.“

Daran hatte er gar nicht gedacht. Die Schwester brachte ihm seine Tasche und er fischte sich alles heraus, was er brauchte. In Jogginghose und T-Shirt fühlte er sich schon gleich viel wohler, als in diesem Krankenhaushemd.

Das Aufsetzen und die Beine über die Bettkante schwingen, war ganz schön anstrengend. Felix war es unangenehm, wie viele Anläufe er brauchte, um aufzustehen. Aber was erwartete er nach so langer Zeit des Nichtstuns auch von seinem Körper? Sogar der Weg ins Bad gestaltete sich mehr als schwierig.

„Ich warte vor der Tür auf Sie. Aber schließen Sie nicht ab, verstanden? Und rufen Sie mich, sobald Ihnen irgendwas komisch vorkommt.“

„Okay“, bestätigte Felix nickend.

Er stützte sich mit seiner gesunden Hand am Waschbecken ab und hob dann langsam den Kopf. Die ganzen blauen Flecken im Gesicht erschreckten ihn, auch wenn sie wahrscheinlich gar nicht mehr so schlimm und schon gut am Abheilen waren.

Je weiter er den Blick über sein Spiegelbild wandern ließ, desto größer wurde die Erleichterung. Er sah aus wie immer. Noch immer hatte er einen Sidecut, die übrigen Haare ungefähr kinnlang und feuerrot.

Er sah etwas Schwarzes unter dem Kragen seines T-Shirts hervorlugen, was seine Aufmerksamkeit auf sich zog und schob ihn neugierig zur Seite. Er staunte nicht schlecht, als er das tätowierte Tribal auf seiner rechten Brust sah. Sein Wunsch nach einem Tattoo hatte sich also erfüllt – und auch der nach einem Industrial. So wie es aussah, war er immer noch derselbe.

Aufatmend setzte er sich auf den heruntergeklappten Deckel der Toilette. Die Gewissheit wirkte mehr als beruhigend auf ihn.

Felix hatte sich nicht verändert. Er war immer noch er selbst, nur eben ohne Erinnerung und etwas älter. Und mit getappter Nase, die den Flugzeugabsturz nicht ohne Schaden überstanden hatte. Seine eine Hand war noch eingegipst und er konnte eins seiner Beine nicht richtig belasten, weil ihm die Kraft fehlte. Er zog es beim Laufen auch leicht hinter sich her. Beim atmen spürte er ab und zu ein leichtes Stechen, was wohl an der Rippe lag, die sich laut seinen Ärzten in seine Lunge gebohrt hatte. Und dennoch … war er immer noch er selbst. Der Felix, den er kannte.

Es grenzte wirklich an ein Wunder, dass er noch lebte. Und das war erst einmal das Wichtigste.

Schnell machte er sich noch etwas frisch. Zum Duschen reichte es leider noch nicht, da seine Beine nach ein paar Minuten anfingen zu zittern. Er fühlte sich noch nicht fit genug und er wollte nur ungern jemanden dabei um Hilfe bitten.

Vor der Tür wartete wie versprochen Schwester Lisa auf ihn und half ihm wieder ins Bett. Die paar Minuten hatten ihn ganz schön erschöpft. So schwach kam er sich vor, so hilflos. Was ihm nicht gefiel. Er sollte sich unbedingt etwas ausruhen.

Kurz nach dem Mittagessen kam Dr. Fuchs wieder zu ihm.

„Herr van Bommel, ich habe gute Neuigkeiten für Sie. Am Montag können Sie schon in die Rehabilitationsklinik. Am besten fragen Sie jemanden, ob er Ihnen ein paar Sachen zusammenpacken könnte.“

„Was genau erwartet mich in der Reha?“

„In erster Linie wird es darum gehen, dass Sie sich vollständig erholen. Körperlich sowie seelisch. Außerdem werden Sie am Anfang täglich mit einem Psychiater sprechen. Es wird Ihnen helfen, mit dem Unfall und auch mit dem vorübergehenden Gedächtnisverlust zurechtzukommen. Außerdem müssen Sie Muskelaufbautraining betreiben, damit Ihre verkümmerten Muskeln wieder an Kraft gewinnen.“

„Und nach der Reha?“, wollte Felix wissen.

„Nun, Amnesiepatienten wird in solchen Fällen oft nahegelegt, in ihrer gewohnten Umgebung zu bleiben. Das heißt, dass Sie weiterhin mit Ihrem Mann zusammen wohnen und Ihr Leben wieder aufnehmen werden. Lassen Sie sich von ihm ein paar Geschichten erzählen. Aber überfordern Sie sich nicht. Erzwingen Sie nichts. Das kann schnell nach hinten losgehen. Ihre Erinnerung wird ganz von alleine nach und nach wieder zurückkommen. Es wird für Sie beide nicht leicht werden. Aber da müssen Sie beide durch. Gemeinsam ist diese Situation leichter durchzustehen. Reden Sie miteinander. Und wenn Ihnen etwas einfällt, wenn Sie denken es handelt sich um eine Erinnerung, sprechen Sie mit ihrem Mann oder Freunden.“

Das wusste Felix. Für ihn war es nicht einfach, mit der Tatsache umzugehen, keine Erinnerung mehr zu haben. Doch wie genau ging es Ben damit? Für ihn durfte es auch nicht einfach sein, das Ganze zu verarbeiten. Immerhin waren sie verheiratet und er erinnerte sich nicht einmal mehr daran.

Bis in den späten Nachmittag schrieb er mit Elias. Er berichtete ihm von seinem Gespräch mit Dr. Fuchs und das er endlich in den Spiegel gesehen hatte. Felix war stolz auf sich selbst und grinste, das erste Mal, seit er aus dem Koma erwacht war über beide Ohren, als Ben hereinkam.

„Hey“, begrüßte er ihn.

„Hi. Wie geht’s dir?“

„Ganz gut, denke ich.“

Etwas unbeholfen stand sein Mann in dem Zimmer herum, setzte sich aber schließlich zu ihm ans Bett.

„Ben, kann ich dich etwas fragen?“

„Sicher. Vielleicht habe ich sogar eine Antwort“, versuchte er die Stimmung aufzulockern.

„Wie kommt es, dass … na dass … dass du nie versucht hast, mein Aussehen zu verändern?“

„Weil das dann nicht du gewesen wärst. Und ich habe mich in den Originalen Felix verliebt. Außerdem gefällst du mir, so wie du bist. Wenn dem nicht so wäre, warum sollte ich dann mit dir zusammen sein?“ Wieder trat Schweigen ein. Beide wollten sie nichts Falsches sagen oder tun, was sich jetzt schon als ziemlich schwierig erwies. „Ich habe dir ein paar Sachen mitgebracht. Für hier und für die Reha. Es ist alles in den Taschen dort.“ Er zeigte auf die Taschen neben der Tür. „Dein Laptop ist auch drin, genauso eine Liste mit Seiten, Benutzernamen und Passwörtern, wo du überall angemeldet bist. Auch wenn du erst wohl nichts damit anfangen kannst. Aber ich musste mich irgendwie beschäftigen.“

„Danke. Vielleicht hilft es ja ein wenig.“

Ben blieb noch eine Weile, in der sie sich einfach nur anschwiegen, bevor er wieder nach Hause fuhr.

Hoffentlich wusste er nach der Reha, wie er mit allem umgehen sollte. Wie er mit Ben – seinem Mann – umgehen sollte.

Kapitel 9

 Kapitel 9

 

Heute war es soweit. Ben würde Felix in die Rehaklinik bringen. Je nach Verlauf durfte er ihn in vier bis sechs Wochen wieder abholen. Und dann konnten sie versuchen ihr gemeinsames Leben wieder aufzunehmen. Es würde sich herausstellen, ob sie wieder zueinander finden oder getrennte Wege gehen würden.

Ben wusste noch nicht, wie er mit der Situation klarkommen würde. Zwar würde er mit seinem Mann zusammen wohnen, aber er durfte ihm nicht so nahe sein, wie er es gerne wäre. Keine Küsse, keine Umarmungen, kein Sex und ein leeres Bett. Was sollte er machen, wenn Felix sich nicht noch einmal in ihn verliebte? Wenn sein Mann ihm und ihrer Ehe den Rücken kehrte?

Schon viel zu lange schlief er allein. Er vermisste Felix und mit jedem Tag wurde ihm die Tragweite seines Betrugs mehr bewusst und er könnte sich selbst dafür in den Hintern treten. Die Arbeit lenkte ihn auch nur bedingt ab. Und Hendrik … Ben hatte noch ein paar Mal versucht ihn zu erreichen. Immerhin hatte der Kerl noch ein paar seiner Sachen und die hätte er gerne wieder. Doch Hendrik drückte ihn jedes Mal wieder weg. Dabei war es wichtig, dass er seine Sachen wiederbekam.

„Guten Morgen“, begrüßte er Felix als er sein Zimmer betrat.

„Guten Morgen.“ Sein Mann saß schon fertig angezogen auf dem Bett. Er sah besser aus, als die letzten Tage. „Ich muss noch auf meine Entlassungspapiere warten.“

„Wie geht es dir?“

„Besser“, antwortete sein Mann. „Langsam bin ich etwas sicherer zu Fuß. Aber es ist immer noch alles sehr anstrengend.“

„Sie haben dir deinen Gips abgenommen, wie ich sehe.“

„Ja, ich muss nur noch eine Schiene tragen, um das Handgelenk zu stützen. In zwei Wochen darf ich sie aber wieder abnehmen.“

Felix lächelte Ben leicht an und er wusste wieder, warum er diesen jungen Mann mit den feuerroten Haaren geheiratet hatte.

„Hast du … hast du tatsächlich eine Zigarette in deinem Tunnel?“

Felix kam näher und betrachtete sein Ohr. Ben konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.

„Ja, habe ich.“

„Ist ja lustig“, stellte sein Mann fest.

„Dasselbe hast du bei unserem zweiten Kennenlernen auch gesagt.“

Als sie endlich die Papiere hatten, machten sie sich direkt auf den Weg. Die Fahrt dauerte knappe zwei Stunden und die meiste Zeit über schwiegen sie sich an. Doch dieses Mal war es kein unangenehmes Schweigen. Es war fast… normal. Wie früher. Auf langen Autofahrten hatte sie oft kaum miteinander gesprochen. Stattdessen hatten sie Musik gehört, laut mitgesungen und die Landschaft bewundert.

Was würde er dafür geben, die Zeit zurückdrehen zu können.

Als sie die Rehaklinik erreichten, parkte Ben auf einem der Parkplätze und half Felix dabei seine Taschen rein zu tragen. Das Gelände und auch die Zimmer waren im Vergleich zu anderen Rehakliniken relativ groß und sahen freundlich aus. Hoffentlich fühlte sein Mann sich hier wohl.

„So … dann … ich hoffe, du gewöhnst dich hier schnell ein.“

„Ich hoffe es auch.“ Betretenes Schweigen folgte.

„Wir sehen uns dann, wenn ich dich wieder abholen darf.“

„Ich rufe dich an. Versprochen.“

„Okay.“ Ben wollte noch nicht gehen. Es fühlte sich komisch an, sich von seinem Mann ohne Umarmung und einem Kuss zu verabschieden. „Schreibst du mir ab und zu, ob du Fortschritte machst?“

„Mach ich.“

Irgendwie wollten sie sich nicht voneinander verabschieden. Aber sie wussten auch nicht, was sie noch sagen sollten. Also ging Ben, auch wenn es ihm nicht leicht fiel. In vier Wochen durfte er Felix, wenn er Glück hatte, wieder abholen und mit nach Hause nehmen.

Ob er es schaffen würde, seinen Mann wieder für sich zu gewinnen? Was, wenn Felix in den nächsten Wochen jemanden kennenlernen würde? Hatte er dann überhaupt noch eine Chance? Oder hatte er jegliches Recht auf eine zweite Chance verwirkt?

Ben schüttelte den Kopf. Er sollte sich mit solchen Gedanken nicht selbst fertig machen. Sonst würde er noch durchdrehen.

Schon erstaunlich, wie das Schicksal spielte. Solange er seine Affäre mit Hendrik gehabt hatte, hatte er sich nie Gedanken darum gemacht, ob Felix ihn verlassen könnte. Weil es ihm selbstverständlich erschien, dass sein Mann immer da sein würde. Und jetzt war diese Sorge das, was ihn am meisten beschäftigte. Er war sich so sicher gewesen, Felix nie zu verlieren. Und jetzt traf genau das ein, was er nie erwartet hätte.

Daheim wartete Elias schon mit ein paar Taschen auf ihn. Es waren Felix‘ Sachen. Elias und Ben waren übereingekommen, dass sie alles so herrichten würden, wie es vor dem Auszug seines Mannes gewesen war. Und vorerst … würde er Felix nichts von ihrer Trennung erzählen. Das würde ihn wohl nur noch mehr verunsichern und durcheinanderbringen. Und er hatte momentan genug zu verarbeiten.

„Danke, dass du mir dabei hilfst, Elias.“

„Kein Problem. Ich will auch nur, dass Felix sich wieder erholt und seine Erinnerung zurückbekommt. Aber, Ben? Du musst mir etwas versprechen.“

„Was denn?“ Er rückte seine Brille zurecht und wartete darauf, dass Elias weitersprach.

„Lass uns kurz draußen weiter reden.“

Ben zuckte die Schultern und folgte ihm auf die Terrasse. Wenn sie schon einmal draußen waren, konnte er genauso gut auch eine rauchen.

„Schieß los. Was willst du von mir?“

„Sei immer ehrlich zu Felix. Er hat es nach allem nicht verdient, noch einmal an der Nase herumgeführt zu werden. Lüg ihn nicht nochmal an. Wenn du ihm alles über euer Leben erzählst, dann auch von eurem Streit und der Trennung. Er hat die Wahrheit verdient.“

„Was, wenn er mich dann schon wieder verlässt?“

„Das Risiko musst du eingehen, immerhin hast du den Mist verzapft. Aber Felix hat die Wahrheit verdient“, betonte er noch einmal. „Und solltest du es ihm nicht sagen, werde ich es tun. Er ist mein bester Freund und ich will, dass es ihm gut geht.“

„Das würde es wohl kaum, wenn er von der Affäre wüsste.“

„Und was, wenn er all seine Erinnerungen zurück erlangt und feststellt, dass du ihn zum zweiten Mal angelogen hast?“

„Du hast leicht reden, Elias. Du musst keine Angst haben, ihn für immer zu verlieren.“

„Darüber hättest du nachdenken sollen, bevor du diesen anderen Kerl gefickt hast. Wenn du es ihm nicht erzählst und er es so herausfindet, dann wirst du ihn auf alle Fälle verlieren. Und ich weiß nicht, ob er dir das verzeihen könnte.“

„Ich … denke zumindest über deine Worte nach, okay?“

„Okay. Das ist ein Anfang“, lenkte Elias ein. „Lass uns seine Sachen endlich einräumen.“

In Gedanken versunken und über Elias‘ Worte grübelnd, versuchte er alles wieder an Ort und Stelle zu bringen. 

Kapitel 10

 Kapitel 10

 

Eine Woche war er jetzt schon in Reha und körperlich ging es ihm langsam immer besser. Das Laufen strengte ihn kaum noch an und das Humpeln wurde immer weniger.

Felix kam nur immer noch nicht mit dem Gedächtnisverlust klar. Selbst die täglichen Gespräche mit seinem Psychologen halfen da nur wenig.

Er müsse lernen damit zu leben und sich mit der Tatsache anfreunden sich vielleicht nie wieder daran erinnern zu können, was gewesen war. Um das zu erfahren brauchte er keinen Psychologen. Damit hatte er sich selbst schon auseinandergesetzt.

Dafür halfen ihm die Gespräche mit anderen Patienten. Es tat gut, sich mit Menschen zu unterhalten, die auch aufgrund eines Unfalls hier waren und sich mit ihren Geschichten abzulenken.

Seit gestern war noch jemand Neues dazu gekommen. Oliver.

Oliver war in seinem Alter und hatte sich bei einem Autounfall beide Beine gebrochen. Zwölf Wochen hatte er im Krankenhaus gelegen und sollte für den Muskelaufbau hier in der Klinik bleiben. Er hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit Ben, schoss es ihm durch den Kopf. Etwas längere braune Haare, Brille und einen leichten Bartschatten. Nur sah er nicht ganz so männlich aus. Sein Gesicht war nicht ganz so kantig. Aber durchaus attraktiv.

Schon komisch. Er kannte seinen Mann gar nicht und trotzdem verglich er Oliver mit ihm.

„Hey, ich hab dich schon gesucht“, begrüßte Oliver ihn.

„Ich wollte ein wenig das schöne Wetter genießen. Nachher muss ich wieder zu Dr. Wagner in die Therapie.“

„Du siehst nicht so aus, als würdest du dich darauf freuen.“

„Naja, bisher hat es mir nicht geholfen, ihm das zu erzählen, was ich noch weiß.“ Sie steuerten eine andere Bank an und setzten sich.

„Du könntest die Sitzung auch einfach schwänzen.“ Während Felix den Blick schweifen ließ, spürte er Olivers Blicke auf sich. „Erzählst du mir auch mal, warum du hier bist?“

Felix drehte sich zu ihm und legte den Kopf schief. Stimmt, bisher hatte er nichts über sich erzählt. Oliver wusste nur, dass er täglich mit Dr. Wagner sprechen musste. „Ich habe einen Flugzeugabsturz nur knapp überlebt. Laut meinen Ärzten habe ich knappe vier Wochen im Koma gelegen. Und als ich wach wurde, musste ich feststellen, dass mir acht Jahre meines Lebens fehlen. Ich kann mich an nichts mehr erinnern. Angeblich soll mir der Aufenthalt hier helfen, nicht nur körperlich wieder fit zu werden.“

„Scheiße. Wirklich keine Erinnerung?“

„Nichts“, bestätigte Felix. „Ich wurde wach und dachte ich bin achtzehn. Denke es manchmal auch immer noch. Dabei bin ich schon sechsundzwanzig.“ Felix seufzte. „Keine Ahnung, was das hier bringen soll.“

„Du kannst froh sein, dass du überhaupt noch lebst. Wir kennen uns zwar erst seit gestern, aber ich mag dich. Und dank dir, ist mir nicht ganz so langweilig hier.“

„Geht mir genauso.“

 

Die nächsten zwei Wochen trafen sich Felix und Oliver jeden Tag. Körperlich war Felix soweit wieder auf dem Damm. Und auch Oliver ging es so gut, dass sie schon kleine Spaziergänge unternehmen konnten. Sie flirteten sogar miteinander.

Leider zeigten seine täglichen Gespräche mit Dr. Wagner noch immer keinen Fortschritt. Dafür durfte er übernächste Woche schon nach Hause. Felix hatte Ben angerufen und ihm Bescheid gegeben, wann er ihn abholen konnte.

Einerseits freute er sich, wieder nach Hause zu können. Er wollte unbedingt mit Elias sprechen. Andererseits hatte er Angst davor heimzukommen.

Er wusste nicht, was ihn dort erwartete. Nichts würde ihm bekannt vorkommen. Weder die Gegend, noch die Wohnung oder sein Mann. Alles würde ihm völlig fremd sein.

Ob er seinem Traum, Autor zu werden, in den letzten Jahren schon näher gekommen war? Oder hatte er die Schreiberei mittlerweile an den Nagel gehängt? Vielleicht sogar Ben zuliebe? Oder hatte er entdeckt, dass er absolut kein Talent hatte? Das waren alles Fragen, die er Ben stellen wollte und auch wohl musste, wenn er bei ihm war.

Als es an der Tür klopfte, stand er auf und öffnete sie. Wie nicht anders zu erwarten, war es Oliver.

„Hey, komm rein.“

„Stör‘ ich dich?“, wollte Oliver wissen.

„Nein. Du hältst mich nur vom Nachdenken ab. Also kommst du genau richtig.“

„Meine Eltern dürfen mich nächste Woche besuchen.“

„Das sind doch gute Neuigkeiten.“

„Schon. Aber mein Dad ist immer noch sauer. Weil mein Ex mir ins Lenkrad gegriffen hat. Am liebsten würde er den Vollidioten verprügeln. Dabei habe ich meinem Dad schon mehrmals gesagt, dass wir nicht zusammen waren. Wenn er wüsste, dass mein angeblicher Ex nur eine flatterhafte Liebelei war, würde er mir wieder Vorträge über Verhütung und Dergleichen machen.“

„Lass ihn doch. Sei froh, dass deine Eltern überhaupt noch mit dir reden.“ Trotzdem konnte Felix sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.

„Ich habe dich noch nie von deinen Eltern sprechen hören“, stellte Oliver fest.

„Das ist auch eine lange Geschichte“, seufzte Felix.

„Macht nichts. Ich habe Zeit.“

„Na, dann mach es dir gemütlich.“ Sie setzten sich aufs Bett und machten es sich richtig kuschelig. „Ich hatte früher schon kein allzu gutes Verhältnis zu meinen Eltern. Mein Vater ist schon immer der Meinung, dass ich total verdorben wäre. Als ich mich dann geoutet habe, hat mein Vater mir eine geknallt und gemeint, ich solle wieder normal werden. Laut meinem besten Freund haben wir mittlerweile keinen Kontakt mehr. Aber das wundert mich nicht im Geringsten. Früher oder später wäre es so oder so dazu gekommen.“

„Du klingst nicht so, als fändest du es schade.“

„Naja, ich kenne es nicht anders. Wenn ich nicht der Beste in der Schule war, habe ich sie nicht sonderlich interessiert. Was glaubst du denn, was los war, als ich das erste Mal mit dieser Frisur auftauchte?“ Felix zeigte auf seinen Kopf und sie fingen an zu lachen. „Meine Mutter hat fast angefangen zu heulen und sprach tagelang kein Wort mit mir. Es war eine himmlische Ruhe. Und mein Vater gab meinem damaligen Freund die Schuld an allem. Dabei war der sogar genauso dagegen gewesen, wie meine Eltern. Aber weißt du, was das Schlimmste ist? Manchmal wünschte ich mir, dass sie ganz normal wären und mich so nehmen wie ich bin. Nur einmal möchte ich hören, dass sie mich lieben. Aber der Zug ist schon lange abgefahren. Ich weiß noch nicht einmal, ob sie überhaupt von dem Flugzeugabsturz wissen.“

„Lass dich davon nicht so runter ziehen. Es lässt sich nicht mehr ändern. Außerdem sind deine Eltern Idioten, wenn sie dich nicht zu schätzen wissen.“

Oliver lehnte sich an Felix und spendete ihm so ein wenig Trost und Wärme. Irgendwie bedurfte es keiner weiteren Worte. Es tat gut, es Oliver erzählt zu haben. Zwar hatte er schon oft mit Elias darüber geredet, aber das war manchmal etwas anderes. Sein bester Freund hatte alles live mitbekommen. Ob es sich auch so gut angefühlt hatte, mit Ben über seine Eltern zu sprechen?

In der Nacht schlief Oliver bei ihm auf dem Zimmer, auch wenn es gegen die Klinikregeln verstieß. Felix war es ganz Recht. Denn so wirklich allein sein wollte er nicht.

Mitten in der Nacht wurde er wach, weil Olivers Hände über seinen Oberkörper wanderten. Ihn streichelten. Felix genoss die Berührungen, drehte sich in seinen Armen zu ihm herum und suchte seine Lippen.

Die erste Berührung war zaghaft, fast bittend. Er schmiegte sich an ihn und seufzte. Lange blieben sie so liegen und küssten sich auf diese unschuldige Art und Weise.

Felix traute sich, den Kuss noch zu vertiefen. Öffnete mit seiner Zunge Olivers Lippen und eroberte seinen Mund. Es endete in einer wilden Knutscherei, die Oliver stoppte, als Felix anfangen wollte ihn auszuziehen.

„Versuch noch ein wenig zu schlafen“, murmelte er nur und kuschelte sich an einen irritierten Felix.

Kapitel 11

 Kapitel 11

 

Am nächsten Morgen war Felix wieder allein in seinem Zimmer. Oliver war wohl irgendwann heute Morgen verschwunden, bevor die Klinikleitung in die Zimmer sah.

Ein wenig erinnerten ihn diese ganzen Regeln an seine Klassenfahrten in diversen Jugendherbergen. Seine Lehrer hatten auch immer kontrolliert, ob alles seine Ordnung hatte. Vielleicht war es ganz gut, wenn hier auf die Einhaltung der Regeln geachtet wurde. Immerhin sollten sich die Patienten erholen.

Er rollte sich auf den Rücken, gähnte und streckte sich, bevor er sich in sein kleines Bad begab und sich fertig machte.

Felix schloss gerade seine Jeans, als es klopfte.

„Herein!“

„Guten Morgen, Herr van Bommel.“

Jeden Tag wurde er mit diesem Nachnamen angesprochen und er konnte sich einfach nicht daran gewöhnen. Er klang immer noch so seltsam fremd für ihn. Lieber würde er mit seinem Geburtsnamen angesprochen werden. Den kannte er wenigstens.

„Guten Morgen, Herr Böhm.“

„Ich habe gute Neuigkeiten für Sie. Da die Klinik momentan voll belegt ist und sich neue Patienten angekündigt haben, würden wir Sie gerne schon eine Woche vorher entlassen. Ihr Physiotherapeut und Ihr Psychologe sind sich einig darüber, dass Sie große Fortschritte machen und deshalb haben wir beschlossen, Sie schon nächste Woche Freitag zu entlassen. Ihren Mann haben wir selbstverständlich auch schon informiert.“

„Aber … hieß es gestern nicht noch, ich solle noch zwei Wochen bleiben?“

„Normalerweise schicken wir Patienten nicht einfach nach Hause. Aber wir haben einen Engpass. Es geht leider momentan nicht anders.“

„Oh … okay“, antwortete er nur. „Herr Böhm? Wäre es möglich, dass man mich, für meinen restlichen Aufenthalt, mit meinem Geburtsnamen anspricht?“

„Gerne, wenn Sie das unbedingt möchten. Dann lasse ich es hier in der Klinik überall vermerken, Herr …“

„Hofmann.“

„Gut, Herr Hofmann. Ich kümmere mich darum.“

„Danke.“

Felix fühlte sich schon gleich viel besser. Was hatte ihn überhaupt geritten van Bommel als Nachnamen anzunehmen? Gut, der Nachname war typisch Holländisch. Und sein Mann war ein wirklich heißer Holländer. Aber er war ein Fremder. Und so auch sein Nachname. Vielleicht würde er sich irgendwann wieder mit van Bommel ansprechen lassen. Aber zum jetzigen Zeitpunkt konnte er sich das ganz und gar nicht vorstellen.

Im Frühstückssaal steuerte er zielstrebig den Tisch an, an dem Oliver saß und setzte sich neben ihn.

„Guten Morgen, Oli.“

„Hey, Felix.“ Oliver strahlte ihn an und beugte sich dann zu ihm herüber. „Tut mir leid, dass ich heute Nacht einfach abgehauen bin. Aber du weißt ja, wie Herr Böhm ist.“

„Das habe ich mir schon gedacht. Sehen wir uns nachher wieder? Auf meinem Zimmer?“

„Nach dem Abendessen? Ich habe ein ziemlich straffes Programm heute.“

„Keine Angst, ich weiß mich zu beschäftigen. Ich bin schon ein großer Junge.“ Er trank einen Schluck von seinem Kaffee und räusperte sich dann. „Ich darf nächste Woche Freitag schon heim.“

„Das ist doch super!“

„Schon. Aber ich habe ein wenig Angst. Ich kenne mein jetziges Leben überhaupt nicht.“

„Weglaufen ist aber auch keine Lösung und das weißt du ganz genau“, hielt Oliver ihm vor.

„Trotzdem habe ich eine scheiß Angst.“

„Das denke ich mir. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie das ist. So ohne Erinnerung.“

„Ich wünsche es echt niemandem. Du fühlst dich als Fremder in deinem eigenen Leben.“

Nach dem Frühstück machte sich Felix auf den Weg zum Physiotherapeuten.

„Herr … Hofmann. Nehmen Sie schon einmal auf dem Gymnastikball Platz. Sie kennen die Prozedur ja schon.“

Und wie er die kannte. Es würde einige Minuten dauern, bis er wieder kam. Dann würden sie kurzen Smalltalk über sein Wohlbefinden halten. Nur um dann mit seiner Physiotherapie zum weiteren Muskelaufbau anzufangen. Danach ging es weiter zur nächsten Station, um mit dem Gedächtnistraining weiter zu machen. Jeden Tag dasselbe. Nur heute würde er direkt nach dem Gedächtnistraining zu seinem Psychologen Dr. Wagner gehen.

Und genau so war es. Drei Stunden später hatte er für den Rest des Tages frei. Felix ging ein wenig in die Stadt – seit dieser Woche hatte er die Erlaubnis sich auch außerhalb der Klinik frei zu bewegen. Er mochte es, sich die Altbauten und die kleinen Geschäfte anzusehen. Es strahlte so viel Charme aus. Persönlichkeit.

Bis zum Abendessen verbrachte er die Zeit in einem kleinen Eiscafé. Er beobachtete die Menschen und gönnte sich einen Eisbecher. Okay, zwei Eisbecher. Und Waffeln mit Eis und heißen Kirschen. Er war und blieb einfach ein Süßmaul. Eine wahre Süßigkeitenvernichtungsmaschine!

Wenn er nächste Woche nach Hause fuhr, würde er erst einmal herausfinden, was sein Beruf war und versuchen diesen wieder aufzunehmen. Irgendwo musste er ja anfangen. Wenn er nichts zu tun haben würde, würde er sich zu Tode langweilen.

„Was spricht der Physiotherapeut bei dir?“, wollte Felix wissen, als sie auf dem Weg nach oben waren. Zufällig hatten er und Oliver sich unten im Foyer getroffen.

„Naja, meine Beine tragen mich noch immer nicht besonders weit. Aber es wird immer besser. Ich bin froh, wenn ich mich gleich hinsetzen kann und die nächsten Stunden nicht mehr aufstehen muss.“

„Dein Glück, dass die Betten hier ziemlich gemütlich sind.“

„Ach! Du willst mich nur ins Bett bekommen? Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich meine gute Wäsche angezogen.“

„Ähm … nein! So … so war das nicht gemeint, ehrlich!“

Oliver fing an schallend zu lachen. „Beruhige dich. Das war nur ein Scherz.“

„Oh … okay“, erleichtert atmete Felix aus. Aber Olivers Bemerkung ging ihm nicht mehr aus dem Kopf.

Kapitel 12

 Kapitel 12

 

Die nächsten Tage herrschte zwischen Oliver und Felix eine greifbare Spannung. Seit sie ihre Scherze darüber gemacht hatten zusammen ins Bett zu gehen, spukte Felix dieser Gedanke unablässig im Kopf herum.

Als sie sich vor zwei Tagen abends in Olivers Zimmer getroffen hatten, gingen sie beide ziemlich vorsichtig miteinander um. Als hätten sie Angst, eine falsche Bewegung könnte ihre Selbstbeherrschung zunichtemachen.

Und bei Gott, Felix wollte sich nicht mehr beherrschen. Die letzten zwei Nächte hatte er sich mit Olivers Gesicht vor Augen gewichst. Letzte Nacht sogar zweimal. In drei Tagen würde er abreisen, bis dahin würde die Spannung ins Unermessliche steigen und das würde keiner von beiden aushalten, da war er sich sicher.

Nur … war es richtig, einen anderen Mann geil zu finden, während er sich eigentlich auf das Zurückerlangen seines Gedächtnisses und seine Ehe konzentrieren sollte?

„Könnten wir vielleicht mal aufhören uns wie rohe Eier zu behandeln?“, brauste Felix auf.

„Ich … wow. Warum so gereizt?“

„Weil … weil …“

Statt zu antworten oder weiter herum zu stottern, packte er Oliver am Kragen seines T-Shirts, zog ihn zu sich heran und küsste ihn. Erschrocken keuchte Oliver auf, gab sich dann jedoch ganz dem immer leidenschaftlicher werdenden Kuss hin. Er gewährte seiner Zunge Einlass und ließ sich von ihm zum Bett dirigieren.

Gemeinsam ließen sie sich darauf fallen. Das Bett knarzte bedrohlich, doch das interessierte die beiden nicht im Geringsten.

Hektisch zogen sie sich ihre Shirts aus, warfen sie achtlos neben das Bett und erkundeten mit flinken Fingern die erhitzte Haut. Ihre Hosen folgten den Shirts ganz schnell auf den Boden. Beide Männer konnten es gar nicht mehr erwarten, sich zu spüren, sich nahe zu sein.

Als Felix sich auf Oliver legte, fing dieser an zu lachen.

„Was ist?“, wollte Felix irritiert wissen.

„Nichts. Ich muss nur lachen, weil ausgerechnet du über mich herfällst. Ich hab‘ schon überlegt, ob ich es wagen kann.“

Sie waren beide schon hart und rieben ihre Erektionen aneinander. Stöhnen und Keuchen erfüllte den kleinen Raum. Erneut küssten sie sich. Rieben sich immer heftiger aneinander, bis Felix es nicht mehr aushielt und mehr wollte.

Als Felix sich zwischen Olivers Schenkel legte, hielt er inne.

„Hast du Gleitgel dabei?“, wollte er atemlos wissen.

Oliver lachte. „Nein. Ich hab‘ zwar mit vielem gerechnet, aber hiermit absolut nicht. Aber in meiner Tasche müsste im Nebenfach noch das ein oder andere Kondom sein.“

Felix hangelte nach der Tasche und fischte mehrere Kondome heraus. Wenigstens etwas, das war besser als nichts.

„Das könnte gleich etwas …“

„Ich weiß!“, zischte Oliver. „Wir müssen es einfach mit genug Vorbereitung und Spucke versuchen.“

Und das taten sie auch. Es war reichlich Spucke nötig, aber sie schafften es. Felix benötigte mehrere Anläufe, bis er Oliver genug vorbereitet hatte. Als er in ihn eindrang, sog Oliver scharf die Luft ein.

„Geht’s?“

„Ja … nicht … aufhören!“

Langsam schob er sich in ihn, bis er sich bis zum Anschlag in ihm versenkt hatte. Vorsichtig fing er an sich in ihm zu bewegen. Nach ein paar Stößen drängt sich Oliver ihm ungeduldig entgegen. Felix verstand ihn und fing an, härter in ihn zu stoßen.

Sie küssten sich leidenschaftlich, während sie ihrem Orgasmus immer näher kamen.

Felix‘ lautes Stöhnen wurde von Olivers Lippen erstickt, als er schließlich kam. Er stieß jedoch weiter in Oliver, bis dieser sich selbst sein Sperma auf den Bauch spritzte.

Erschöpft und befriedigt lagen die Männer später nebeneinander. Das zusammengeknotete Kondom hing am Rand des Mülleimers, der gegenüber vom Bett stand.

Während dem Sex hatte er nicht einmal an seine momentane Situation gedacht. Doch jetzt, wo er so hier lag, kam alles wieder zurück. Auch das Wissen um seinen Mann. Und auch wenn dieser ihm fremd war, so überkam ihn trotzdem das schlechte Gewissen. Auch wenn er keine Gefühle für seinen Mann hegte, so hatte er ihn trotzdem betrogen.

Und Oliver? Oliver wusste zwar von seinem Gedächtnisverlust, jedoch nichts von Ben. War er ihm nicht die Wahrheit schuldig?

„Oli?“

„Ohje. Wird das jetzt so ein Reue-Gespräch?“

„Nein. Aber ich finde, du solltest etwas wissen.“

„Kann das nicht noch warten? Ich hätte große Lust, dich ausgiebig zu verwöhnen.“

Oliver hatte es kaum ausgesprochen, da lag er schon halb auf Felix.

Dieses Mal ließen sie es um einiges ruhiger angehen. Sie erkundeten sich ausgiebig mit federleichten Berührungen und Lippen. Es war, als hätten sie alle Zeit der Welt. Und tatsächlich schien es so, als würde die Zeit stehen bleiben.

Gegenseitig brachten sie sich mit dem Mund und den Händen zum nächsten Höhepunkt. Nur um sich danach wieder in aller Ruhe zu erkunden. Irgendwann streifte Oliver sich ein Kondom über, legte sich auf den Rücken und Felix ließ sich langsam auf seine Erektion nieder. Ohne Gleitgel brannte es mehr als gewöhnlich.

Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis sie erneut kurz hintereinander kamen. Erst nach einer gemeinsamen Dusche, wandte Oliver sich zu ihm.

„Du wolltest mir vorhin noch etwas sagen.“

„Ja … ich … können wir uns setzen?“

„Oh oh. Es wird ernst. Doch so ein Reue-Gespräch?“

„Nein, aber … Ich habe dir doch von meinem Gedächtnisverlust erzählt. Nun, ich sollte dir noch etwas sagen. Aber lass mich bitte aussprechen, okay?“, bat Felix.

„Selbstverständlich.“

„Ich bin verheiratet. Das Problem ist: Ich kenne ihn nicht. Meine Erinnerung beginnt vor unserem ersten Treffen. Aber … ich finde es falsch, es dir nicht zu sagen … ich …“

„Du musst mir nichts erklären. Es ist okay. Ich mag dich, aber ich habe mich jetzt nicht in dich verliebt. Wenn du willst, können wir es so weiter laufen lassen oder wir beenden es und lassen das Bett außen vor. Nur zwei Freunde, die in Reha sind. Ich bin der Letzte, der damit ein Problem hat.“

„Du bist nicht sauer?“

„Auf was? Weil wir Sex hatten? Mach dir keinen Kopf. Das ist menschlich. Ich meine, du kennst deinen Mann noch nicht einmal. Rein theoretisch würde ich sogar behaupten, dass du eigentlich Single bist. Es wäre etwas anderes, wenn du dich an alles erinnern könntest und nur aus Notgeilheit mit mir gevögelt hättest. Zumindest sehe ich da einen Unterschied. Und jetzt lass uns nicht mehr darüber reden. Ich brauche was zu knabbern aus dem Snackautomaten. Du hast mich ganz schön verausgabt.“

Oliver zwinkerte ihm zu und später, auf dem Weg zum Snackautomaten, brachte er Felix mit seinen Geschichten dazu, weniger über alles nachzudenken.

Kapitel 13

 Kapitel 13

 

Heute war es so weit. Ben würde ihn abholen und nach Hause bringen. In ihr gemeinsames Heim.

Oliver und er hatten nach diesem einen Abend noch ein paar Mal miteinander geschlafen. Und es hatte sich gut angefühlt. Doch je näher Bens Ankunft rückte, desto schlimmer fühlte er sich. Sollte er es ihm sagen? Er fand ja. Ben war immerhin sein Mann und hatte es nicht verdient, angelogen zu werden. Auch, wenn er ihn damit verletzen würde.

Als der silberne Audi vor dem Gebäude hielt, nahm Felix seine Taschen, sowie seinen Entlassungsbrief und ging zu Ben.

„Hey, wie geht’s dir?“, erkundigte sich sein Mann.

„Viel besser und dir?“ Felix fand, dass Ben nicht so aussah, als hätte er sonderlich viel Ruhe gefunden. Tiefe, dunkle Ringe lagen unter seinen Augen und ließen ihn viel älter erscheinen.

„Es geht. Aber ich schlafe nie gut, wenn … naja …“, er stockte, zuckte etwas hilflos mit den Schultern und packte Felix‘ Taschen in den Kofferraum. „Es freut mich, dass es dir besser geht. Du siehst erholt aus.“

„So fühle ich mich auch“, antwortete er ehrlich.

Die ersten Minuten verbrachten sie mit drückendem Schweigen. Doch in Felix brannte der Drang zu reden. Mit seinem Geständnis würde er noch warten, bis sie daheim waren. Hauptsache war erst einmal, dass er diese Stille durchbrechen konnte.

„Ich habe meinen Nachnamen wieder angenommen. In der Klinik.“

„Oh“, war das Einzige, was sein Mann dazu äußerte. Ganz offensichtlich gefiel ihm das nicht.

„Es liegt nicht daran, dass ich dich nicht leiden könnte“, begann Felix. „Aber van Bommel klingt so fremd. Und … und … in einem Leben, in dem mir nichts bekannt vorkommt, wollte ich wenigstens etwas, dass nach mir klingt. Es gibt mir Sicherheit. Ich fühle mich dann nicht ganz so verloren.“

„Es ist okay. Denke ich. Es ist nur …“, Ben verstummte. Man merkte ihm an, dass auch ihm die Situation zusetzte.

„Was? Erzähl es mir. Meiner Erinnerung kann es nur helfen, wenn du mit mir über uns redest. Und unser gemeinsames Leben interessiert mich.“

„Du hast damals darauf bestanden meinen Nachnamen anzunehmen. Eigentlich hatte ich schon mit großen Diskussionen gerechnet. Ich meine, wer will schon van Bommel heißen? Nicht einmal ich will das immer. Und dann kamst du einfach zu mir und meintest du wolltest ein van Bommel sein. Ich kenne niemanden, wirklich niemanden, der freiwillig diesen Namen annehmen würde. Aber deine Meinung war, wenn wir schon in den Niederlanden wohnen, leben und heiraten, dass du dann ein wahrer Niederländer sein wolltest. Da halfen auch keine Argumente von Elias, der dir sagte, dass wir so nah an der deutschen Grenze wohnten, dass ein deutscher Nachname kein Problem sei. Aber du hattest es dir schon so fest in den Kopf gesetzt, dass du dich nie hättest umstimmen lassen. Und du kannst ziemlich stur sein. Das habe ich da gemerkt.“ Ben grinste bis über beide Ohren. Es schien ihm Spaß zu machen, in Erinnerungen zu schwelgen. Und Felix gefiel es, ihm zuzuhören.

Felix schmunzelte. Die Geschichte klang ganz nach ihm. Wenn er etwas unbedingt wollte, konnte ihn eigentlich nichts mehr davon abbringen.

Wie sehr musste er Ben geliebt haben, dass er ein van Bommel hatte sein wollen? Oder hatte er sich vielleicht auch einfach somit von seinen Eltern und seinen Wurzeln trennen wollen? Fragen über Fragen, auf die er so schnell keine Antwort bekommen würde.

„Was wolltest du eigentlich sagen? Vorhin als du mich geholt hast?“, er war neugierig, warum sein Mann vorhin gestockt hatte.

Ben schnaufte kurz. „Ich schlafe immer schlecht ohne dich. Das ist ein Grund, warum ich es nicht mag, wenn du mal wieder länger unterwegs bist.“

„Bin ich beruflich etwa viel unterwegs?“ Felix war aufgeregt! Es war das erste Mal, dass er etwas über seine Arbeit erfahren würde.

„Du hattest die letzten zwei Jahre sehr viele Lesereisen.“ Ben fing an zu lachen. „Mach den Mund wieder zu. Ja, du bist Autor. Und das sogar ziemlich erfolgreich. Wenn man das so sagen darf.“

„Wow. Das heißt, ich habe meinen Traum verwirklicht?“ Das war ja mal eine wunderbare Neuigkeit! Felix war ganz aus dem Häuschen und strahlte über das ganze Gesicht.

„Ja, hast du. Du wolltest eine Ausbildung machen, doch du wusstest nicht als was. Du hast deinen ganzen Frust aufgeschrieben und einen Roman daraus gemacht. Also habe ich mir gedacht, da haben wir doch die Lösung! Du wolltest meinen Vorschlag erst ablehnen. Doch je öfter wir darüber diskutierten, desto besser gefiel auch dir die Idee. Du konzentriertest dich auf das Schreiben und die Verlagssuche und ich ging weiterhin normal arbeiten. Du hast dann als Selfpublisher veröffentlicht und wir waren beide mehr als überrascht darüber, wie gut es anlief. Irgendwann kam ein Verlag auf dich zu. Seitdem bist du ein sogenannter Hybrid-Autor. Mal veröffentlichst du als Selfpublisher und mal mit einem Verlag. Es war nicht immer leicht, aber es hat funktioniert.“

„Wow. Ich bin wirklich Autor.“ Felix konnte es immer noch nicht so ganz glauben. Sein Traum war tatsächlich wahr geworden.

Sie fuhren in die Tiefgarage, in die Ben nur mit einem Code herein kam.

Jetzt waren sie also daheim. Er war etwas nervös. Was würde ihn wohl erwarten? Wie würde er sich dort einleben? Würde er sich überhaupt wohlfühlen?

Sein Mann zeigte ihm alles. Die Wohnung war groß, hell und gemütlich eingerichtet. Er würde sich hier wohl fühlen, da war er sich sicher.

„Hier im Gästezimmer kannst du dich ausbreiten. Ich glaube kaum, dass du … mit einem Fremden in einem Bett schlafen willst.“

„Danke.“

Felix sah sich in dem großen und geräumigen Gästezimmer um. Ein kleiner Schrank, ein Sideboard, ein kleiner Schreibtisch und ein Doppelbett. Jeder Gast musste sich hier zwangsläufig wohlfühlen. Die Möbel waren in dunklem Holz gehalten, was sich perfekt vom hellen Boden abhob. Nachher würde er sich hier noch fertig einrichten und in Ruhe umsehen.

„Was ist das für eine Tür?“

„Da ist ein kleines Badezimmer mit Dusche. Ich habe dir deine Sachen, die noch hier waren, soweit schon rein geräumt. Du musst also nur schauen, wo du was findest.“

„Ich habe mein eigenes Bad? Wow.“

„Wenn du magst, kannst du dich noch einmal überall umsehen. Fühl dich wie daheim. Immerhin … naja … genau das ist es ja auch. Und wenn was ist, frag mich bitte einfach. Ich beiße nicht. Zumindest nicht immer.“ Auch wenn es Ben schwer fiel, versuchte er zu lächeln.

„Sind meine Bücher hier?“, wollte Felix aufgeregt wissen.

„Im Büro hast du einige Belegexemplare. Aber die hast du für Leser mit Autogrammwünschen reserviert. Im Wohnzimmer stehen meine Exemplare. Nimm sie dir einfach und lies sie dir durch.“

„Danke. Auch hierfür“, er machte eine Geste ins Gästezimmer. „Ich kann mir denken, dass es dir nicht leicht gefallen ist.“

„Irgendwie müssen wir beide versuchen, uns mit dieser neuen Situation anzufreunden.“ Sein Mann lächelte schief. „Komm! Geh‘ ins Wohnzimmer lesen. Ich weiß doch, wie sehr es dir in den Fingern juckt.“

Ben hatte es kaum ausgesprochen, da war Felix schon auf dem Weg ins Wohnzimmer. Er war mehr als gespannt auf seine Werke.

Kapitel 14

 Kapitel 14

 

Für den Rest des Tages hatte Ben sich mit allem Möglichen beschäftigt, nur um nicht in Felix‘ Nähe sein zu müssen. Sein Mann hatte sich unterdessen in seine Bücher vertieft und war kaum ansprechbar.

Aber das war schon immer so gewesen. Wenn Felix ein Buch las, tauchte er komplett in die Geschichte ein. Stundenlang hatte man ihn dann nicht ansprechen können. Doch im Gegensatz zu sonst, konnte Ben diesen Anblick nicht wirklich genießen. Es fühlte sich einfach nicht richtig an, ihn wie immer anzuschmachten, wenn er in seine eigene Welt versunken war. Deshalb hatte er sich mit allerlei Haushaltsarbeiten abgelenkt.

Es tat weh zu merken, wie fremd er Felix war. Auch wenn dieser sich für ihre gemeinsame Zeit interessierte, änderte das nichts an dieser Tatsache.

„Lieb … Felix?“, sein Mann reagierte natürlich nicht. „Felix“, rief er ihn etwas lauter und fing an, mit der Hand vor seinem Gesicht herum zu wedeln. Verwirrt sah er ihn an.

„Ja?“

„Du solltest vielleicht mal etwas essen. Ich habe gekocht.“

„Gekocht? Du?“, wollte Felix ungläubig wissen, riss dann erschrocken die Augen auf. „Oh! Sorry, ich habe nicht nachgedacht. Ich wollte dir nicht zu nahetreten. Du siehst nur nicht wie der typische Hausmann aus.“

„Alles gut. Mach dir keinen Kopf.“ Ben winkte lachend ab. Es war süß wie unangenehm es Felix war. „Ich koche auch nicht gerne und gut schonmal gar nicht. Das hast du immer übernommen. Aber ich kann mich schlecht nur von Fertiggerichten ernähren. Erwarte also nicht zu viel von meinen Kochkünsten.“

Ausnahmsweise hatte Ben sich mal etwas mehr Zeit genommen zum Kochen. Den Salat hatte er in aller Seelenruhe geschnitten und dann die Spaghetti Bolognese gemacht. Die letzten zwei Monate hatte er sich fast nur von Kaffee, Zigaretten und ein paar Scheiben Brot ernährt. Für mehr hatte er gar keinen Kopf gehabt. Sein Magen würde sich mal über etwas Anderes freuen.

„Bleiben wir in der Küche oder … haben wir da irgendwelche … ich weiß nicht … Rituale?“

„Nein. Je nach Lust und Laune bleiben wir in der Küche und reden oder sitzen im Wohnzimmer und lassen uns vom Fernseher berieseln.“

„Können wir in der Küche bleiben?“, wollte sein Mann vorsichtig wissen. Als wäre es ihm unangenehm einen Wunsch zu äußern.

„Sicher. Ich richte mich da ganz nach dir“, entgegnete er liebevoll lächelnd.

Jeder setzte sich mit seinen Portionen und etwas zu trinken an den kleinen Tisch. Er würde besser für sich behalten, für was sie diesen Tisch schon alles benutzt hatten. Ben wollte Felix ja nicht unnötig in Verlegenheit bringen.

„Ich kann es gar nicht fassen, dass ich Autor bin.“

Ben lachte. „Wir waren beide überrascht, als der Verlag sich meldete und dich wegen dem Vertrag sprechen wollte. Wir haben darauf erst einmal angestoßen und ordentlich gefeiert. Und dann haben wir uns alles gründlich durch den Kopf gehen lassen.“

Felix‘ Wangen färbten sich leicht rosa. Wahrscheinlich konnte er sich denken, wie sie gefeiert hatten.

„Welches Buch hast du gerade gelesen?“, wollte Ben wissen, um ein wenig vom unausgesprochenen Thema abzulenken.

„Ich glaube, es ist eins meiner ersten.“ Felix nannte ihm den Titel und Ben nickte.

„Ah. Dein erstes Buch. Das war ziemlich deprimierend und auch frustrierend. Du hast es geschrieben, als du dich so mit deinen Eltern gestritten hattest und auf Ausbildungssuche gewesen warst. Es war so eine Art Selbstfindungsphase.“

„Und es ist dir gewidmet“, stellte Felix fest. Ben nickte bestätigend.

„Wie jedes deiner Bücher. Jedes Mal aufs Neue macht es mich unglaublich stolz und rührt mich. Aber bei deinem ersten Buch war ich mir nicht so sicher … was ich davon halten sollte … weil es so düster war. Fast schon depressiv. Eine düstere Liebesgeschichte, trotz Happyend.“

„Kann ich dich noch etwas fragen?“, wollte Felix zaghaft wissen.

„Hau raus!“

„Wie haben wir uns kennengelernt?“

„Oh, das ist eine lustige Geschichte“, allein bei der Erinnerung musste Ben lachen. „Du und deine Klassenkameraden seid nach eurem Abitur in die Niederlande gekommen. Ihr wolltet euch die Birne wegsaufen und Kiffen. Du hast die Kombination nur nicht ganz so gut vertragen und mir auf die Schuhe gekotzt.“

„Ohje!“, beschämt hielt Felix sich die Hände vors Gesicht.

„Oh, jetzt muss es dir auch nicht mehr unangenehm sein. Als ich dir helfen wollte, hast du mich angeschnauzt, ob ich nicht aufpassen könne, wo ich stehe. Am liebsten hätte ich dich erwürgt.“ Ben musste immer noch grinsen. „Am nächsten Morgen liefen wir uns wieder über den Weg. Ich wollte mit meiner Schwester frühstücken, die in letzter Minute abgesagt hatte. Du und deine Kameraden waren auch dort. Ihr saht alle aus wie das blühende Leben“, meinte Ben ironisch. „Du kamst reumütig zu mir an den Tisch und hast dich ganz zerknautscht entschuldigt. Ich habe nur lachend abgewunken und dir zu deiner Treffsicherheit gratuliert. Wir kamen ins Gespräch und … ja. Solange ihr noch in den Niederlanden wart, trafen wir uns jeden Tag. Am Tag deiner Abreise haben wir die Nummern getauscht und nach unserem nächsten Date, ein paar Wochen später, waren wir schon ein Paar. Wenn ich ehrlich bin, habe ich nie damit gerechnet, dass es lange hält. Du wohntest in Kleve und ich in Arnheim. Eine Fernbeziehung über die Grenze? Ich dachte, das hat keine Chance. Aber du bist ein paar Monate nach unserem ersten Treffen zu mir gezogen und kein ganzes Jahr später waren wir verheiratet.“

„Wow.“ Sein Mann lehnte sich in seinem Stuhl zurück und betrachtete Ben. Er schien die Infos noch zu verarbeiten. „Habe ich das zufällig schon in einem meiner Bücher eingearbeitet?“

„Ja …“, antwortete Ben und überlegte kurz, welches das gewesen war. „In deinem dritten Buch. Ich war zuerst nicht wirklich begeistert davon. Für mich war es etwas Persönliches. Aber als ich sah, dass du es so abgeändert hattest, das man es nicht ganz mit unserer Geschichte vergleichen konnte, war ich einverstanden.“

„Also hole ich mir vorher dein ok.“ Felix schien kurz über diese Sache nachdenken zu müssen. Ben hoffte, dass sein Mann keine falschen Schlüsse aus seiner Aussage zog. „Hast du alle meine Bücher gelesen?“

„Sogar noch bevor sie an den Verlag für das Lektorat gingen.“

„Cool.“

Mittlerweile hatten sie es sich im Wohnzimmer auf dem Sofa mit einem Bier gemütlich gemacht. Es fühlte sich fast schon normal an.

„Würdest du mir noch etwas erzählen?“

„Glaubst du nicht, dass das genug für heute war? Überfordere dich nicht. Morgen ist auch noch ein Tag.“ Ben wollte nicht, dass Felix sich mit zu vielen Infos übernahm.

„Du hast Recht, entschuldige“, seufzte Felix und leerte seine Flasche. „Es ist nur so frustrierend nicht zu wissen, wer man ist. Am liebsten würde ich sofort alles erfahren.“

„Ich kann dich verstehen. Nächste Woche haben wir ganz viel Zeit. Ich habe mir eine Woche Urlaub genommen. Ich dachte, das macht es vielleicht etwas einfacher für dich.“

„Danke, Ben. Für deine Mühe. Und für deine Hilfe.“

„Du bist mir wichtig. Natürlich helfe ich dir. Außerdem ist es ja auch nur in meinem Interesse, wenn du dich wieder an alles erinnerst.“ Oder auch nur zum Teil, dachte sich Ben mit schlechtem Gewissen und schluckte. „Ich gehe jetzt ins Bett. Gute Nacht, Felix.“

„Gute Nacht.“

Ben brauchte wieder etwas Abstand, obwohl er seinen Mann nur allzu gerne in die Arme gezogen hätte und in seiner Nähe hatte. Aber die Situation zerrte auch an seinen Nerven.

Kapitel 15

 Kapitel 15

 

In dieser Nacht schlief Felix ziemlich unruhig. Immer wieder tauchten Bilder von Ben in seinen Träumen auf. Er schrie ihn an, doch er konnte nicht verstehen, was genau er zu ihm sagte. Und im nächsten Moment träumte er völlig zusammenhanglos, von einem Picknick. Erst gegen Morgen schlief er endlich traumlos ein.

Entsprechend zerknautscht war er, als er aufstand und nur in seiner tiefsitzenden Jogginghose in die Küche kam. Zuerst einmal brauchte er Kaffee.

„Guten Morgen. Hast … oh! Ähm … hast du gut … gut geschlafen?“ Ben stockte und schluckte hart. Sein Blick hing wie gebannt auf seiner Körpermitte.

Mist! Er hatte gar nicht darüber nachgedacht, wie sein Mann darauf reagieren würde, wenn er halbnackt, mit tiefsitzender Hose, vor ihm stehen würde. Eigentlich hatte er an noch gar nichts gedacht, außer an Kaffee.

Felix betrachtete Ben, der schon in Jeans und T-Shirt geschlüpft war und konnte sich ganz gut vorstellen, dass sie ein erfülltes Sexleben gehabt hatten. Warum ihm ausgerechnet jetzt dieser Gedanke kam, konnte er auch nicht so genau sagen. Wahrscheinlich war sein Gehirn von den wirren Träumen komplett durcheinander. Felix schüttelte über sich selbst den Kopf. Nein, das stimmte nicht. Fakt war, dass er seinen Mann sehr sexy und anziehend fand. Auch wenn er ihn nicht kannte.

„Nicht besonders gut. Ständig wurde ich wach und habe auch noch wirres Zeug geträumt. Du kamst auch darin vor.“

„Ich?“

Felix folgte Ben auf den großen Balkon, damit dieser in Ruhe eine Rauchen konnte. Beide tranken sie erst einmal ein paar Schlucke ihres Kaffees. So wie es aussah, war er auch noch nicht lange wach und kein großer Morgenmensch.

„Willst du über deine Träume reden?“

„Viel gibt es nicht zu erzählen“, druckste er herum. „Du hast mich angeschrien. Nur konnte ich nicht verstehen, was du gesagt hast. Und dann … im nächsten Moment waren wir schon wieder bei einem Picknick. Es war ziemlich verwirrend.“

„Ich glaube, ich kann dir eine Geschichte dazu erzählen. Aber ich brauche erst noch einen Kaffee. Du auch?“, wollte er wissen und Felix lehnte erst einmal kopfschüttelnd ab. Ihm war eher nach etwas Kaltem.

Ben ließ ihn kurz alleine und kam dann mit einem Kaffee für sich und einem Energy-Drink für Felix wieder. An dieser Situation merkte er, wie gut sein Mann ihn kannte. Außerdem war er gespannt auf die Geschichte, die Ben ihm erzählen wollte. Vielleicht konnte er mit seiner Hilfe seine Gedanken ein wenig ordnen.

„Ich habe dich schon öfter angeschrien. Nicht, weil du irgendwas falsch gemacht hattest. Ich bin … nicht immer einfach. Oft mache ich aus einer Mücke einen Elefanten und du? Du nimmst die meiste Zeit alles gelassen hin, lässt mich wüten, bis ich fertig bin und mich wieder beruhigt habe.“ Ben seufzte und zündete sich noch eine Zigarette an. „An dem Tag, von dem du wohl geträumt hast, waren wir noch nicht lange zusammen. Irgendwie kam das Thema Hochzeit auf und ich bekam Panik. Panik, dass du mich an dich fesseln willst und ich war einfach komplett überfordert damit. Du bist richtig sauer geworden und ein Wort ergab das andere und du wolltest wieder ausziehen. Wir haben uns wirklich unschöne Dinge an den Kopf geworfen, die ich lieber nicht wiederholen möchte. Die ganze Nacht habe ich gegrübelt und konnte nicht schlafen. Ich wusste, ich musste mich entschuldigen. Nur wie? Dann kam mir die Idee mit dem Picknick. Du warst ziemlich überrascht, aber du hast gestrahlt als ich dir sagte, dass ich nicht will, dass du gehst. Und du bist geblieben“, sein Mann lächelte verträumt, drückte seine Zigarette aus und nahm noch einen Schluck von seinem Kaffee. „Es war nicht das letzte Mal, dass du mit meinen Launen und Ausbrüchen klarkommen musstest. Aber du hast mir immer wieder verziehen. Gott weiß wieso.“

War er etwa ein kleinlautes Hausmännchen geworden, das sich von seinem Mann unterbuttern ließ? Normalerweise gab er auch mal Kontra. Er würde sich doch hoffentlich nicht von seinem Mann unterdrücken lassen.

Genau diese Frage stellte er Ben. Auch wenn es ihm unangenehm und nicht ganz wohl dabei war, musste er es einfach wissen. Ben fing direkt an zu lachen und Felix war versucht beleidigt die Arme zu verschränken.

„Oh nein! Du konntest auch richtig kontern. Manchmal hast du mir richtig die Luft aus den Segeln genommen. Wenn du in einer Schaffenskrise gesteckt hast, warst du manchmal unausstehlich. Schlimmer als ich. Und wenn mir auf der Arbeit dann auch noch etwas tierisch auf die Nerven ging, hat es richtig geknallt. Meistens wusstest du auch, ob ich einfach nur Angst hatte und mir Luft machen musste oder ob es wirklich ernst war. Aber wir haben uns immer wieder versöhnt. Von Trennung war nach diesem einen Mal nie wieder die Rede.“

Bens Grinsen verriet ihm, wie genau sie sich immer wieder versöhnt hatten. Und die Vorstellung gefiel ihm. Sein Mann gefiel ihm. Und das, obwohl er ihn gar nicht kannte. War das verrückt? War ER verrückt?

Aber … wenn er Ben glauben konnte, war es mit ihnen von Anfang an schnell gegangen. Außerdem … war es nicht ein gutes Zeichen, wenn er Interesse an seinem Mann hatte? Was machte er sich überhaupt so viele Gedanken darüber? Er, nein, sie beide mussten es einfach auf sich zukommen lassen.

Die nächsten Tage verliefen alle ziemlich gleich. Felix erfuhr jeden Tag ein wenig mehr über sich und auch über seinen Mann. Er war Lehrer an einem Gymnasium und war abends oft noch lange im Arbeitszimmer, um seinen Unterricht vorzubereiten. In der Zeit schrieb Felix oft mit Elias und studierte seine Bücher. Es war immer noch nicht so wirklich greifbar für ihn, dass er seinen Traum verwirklicht hatte.

Ben kümmerte sich rührend um ihn und zeigte viel Verständnis, wenn Felix schon längst dabei war die Nerven zu verlieren. Von Bens Ausbrüchen hatte er bisher noch nichts mitbekommen.

Und er … er hatte noch immer nicht mit Ben über Oliver gesprochen. Ihm fehlte der Mut dazu. Aber gerade jetzt wo er dabei war, sich wieder in seinen Mann zu verlieben, musste er dringend mit der Wahrheit raus.

Ein wenig erschrocken über seine eigenen Gedanken, sah Felix von seinem Buch auf. War er wirklich verliebt? Zumindest war Ben ihm nicht egal, so viel wusste er. Aber konnte er das schon als Verliebtheit bezeichnen? Er wusste es nicht.

Morgen. Morgen musste er mit Ben über Oliver sprechen. Und auch über seine Gefühle, bevor es noch komplizierter wurde, als es sowieso schon war.

Impressum

Texte: Sara Pearson
Bildmaterialien: Carolin Müller; Caro Sodar
Lektorat: Brigitte Özaslan
Tag der Veröffentlichung: 27.02.2017

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