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„Ich bin wieder da, Ann!“, hallte eine Stimme durch den Flur, gefolgt von dem knallen einer Tür. Das Mädchen bahnte sich mit zwei Einkaufstüten den Weg in die Küche. Dort warf sie diese auf den Tisch und zog die Tüte mit den Brötchen raus, um sich sofort eins zu belegen.
„Wo warst du denn schon wieder so lange?? Und wo hast du die Sachen her?“ Mit verschränkten Armen und einem ernsten Blick stand Ann in der Tür. Ihre Frage wurde ignoriert, stattdessen wurde ihr ein Brötchen vor die Nase gehalten. „Man, Cey. Willst du mir mal meine Fragen beantworten?“, gab sie genervt zurück und verdrehte die Augen. „Jetzt hör auf alles zu hinterfragen und ess einfach. Sonst werde ich es alleine tun.“ Damit verschwand Cey aus der Küche und warf sich auf die Couch im Wohnzimmer. Sie wurde immer stur, wenn Ann begann sie auszufragen.
Es war mittlerweile vier Uhr nachmittags, es würde nichts mehr Vernünftiges im Fernsehen laufen, doch sie versuchte trotzdem ihr Glück.
„Kannst du mal die Lautstärke etwas runter drehen?“
„Ist leise, also kein Grund zur Panik.“
„Gleich kommen wieder die Nachbarn, jetzt mach es mal etwas leiser.“
„Ich sagte, kein Grund zur Panik, es wi…“
„Es hat an der Tür geklingelt“, gab Ann leise und gelassen von sich.
„Dann mach auf“, war die knappe Antwort von dem anderen Mädchen.
„Ohh, nein. Los aufstehen, DU kannst erklären, wieso du den Fernseher wieder so laut hast.“
Seufzend stand Cey auf und ging an Ann vorbei, welche sich die Fernbedienung schnappte, um den Fernseher leiser zu stellen.
„Ja, bitte?“, fragte Cey gespielt freundlich. Vor der Tür stand eine ältere Dame. „Was möchten sie, Frau Müller?“
„Ihr Fernseher ist wieder so laut, können sie denn nicht einmal etwas leiser hören? Es stört wirklich alle. Es muss doch nicht im Streit enden, mein liebes.“
„Es tut mir Leid, Frau Müller. Ich entschuldige mich aufrichtig für meine Schwester. Sie konnte wieder einmal nicht wiederstehen, den Ton aufzudrehen. Man müsste meinen, sie wäre älter als sie, was das hören angeht.“
„Also, wenn ich mal bitten da…“, doch weiter kam die alte Frau nicht, denn sie wurde unterbrochen. „Ich wünsche ihnen noch einen angenehmen Tag.“ Damit schloss Cey die Tür und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Doch kaum hatte sie sich umgedreht, rannte sie schon in etwas rein. Nicht in etwas, sondern in wen. Ann blickte wütend zu ihr runter, ihr tadelnder Blick jagte ihrer Schwester schon immer einen Schrecken ein. „Ich geh jetzt besser mal in mein Zimmer, ich hab noch viel zu erledigen, so Hausaufgaben und so, weist du…“, versuchte sie sich noch auszureden und an Ann vorbei zu kriechen, doch sie wurde festgehalten.
„Was fällt dir ein, unsere Nachbarin anzulügen und deine Schuld auf mich zu schieben? Das wirst du bei nächster Gelegenheit wieder richtig biegen, hast du mich verstanden?“ Ann war nicht wirklich streng, doch sie versuchte sich nicht alles gefallen zu lassen. Cey versuchte sich von ihrem Griff zu befreien, auf die Standpauken konnte sie herzlich verzichten. „Und was heißt hier eigentlich Hausaufgaben? Wir haben Ferien!“
„Oh, ja. Stimmt…Ich wollte aber schon einmal lernen, damit ich direkt mitkomme, weist du…“ Verlegen kratzte sie sich am Kopf. Andere konnte sie geschickt belügen, doch bei Ann war das anders.
Seufzend wurde sie wieder losgelassen. „Hast du heute noch etwas vor? Ich wollte etwas shoppen gehen, wenn du mitkommen magst.“ Ein kurzes Nicken war die Antwort, danach verschwand Cey schon wieder vor dem Fernseher. Kopfschüttelnd machte sich die andere in die Küche, um die Tüten auszuleeren. Sie musterte den Inhalt und fand neben Brötchen und Nutella noch Mais und Oliven. An Käse hatte sie wieder einmal nicht gedacht, war ja typisch. Immerhin konnte sie es nicht leiden und Ann ihre Pizza nicht ohne essen.
Als nächstes hielt sie ein Stück Kuchen in der Hand und verzog das Gesicht. „Igitt“, gab sie leise von sich und schaute weiter. In der anderen Tüte war nur unnützes Zeug. Zwei Bücher, ein Magazin, ein Plüschtier… „Moment, ein Plüschtier?“ Ann zog das Tierchen raus und ging damit in das Wohnzimmer.
„Du hast unser Geld doch nicht schon wieder für Spielzeug ausgegeben, oder?“
„Nein nicht wirklich, wieso?“, war die desinteressierte Antwort.
„Und was ist dann das schon wieder? Sollen wir den restlichen Monat das Kuscheltier essen?“
„Ich hab doch auch Brötchen und so gekauft.“
„Hörst du mir irgendwie nicht zu?“ Ann hätte auch direkt mit einer Wand reden können. „Hallo, ich rede mit dir.“
„Moment, warte mal, gleich kommt die Werbung.“
„Nein, wir reden jetzt!“
„Noch fünf Minuten, es ist gerade interessant.“ Im nächsten Moment war der Fernseher ausgeschaltet, Ann schaute zufrieden zu Cey, welche bestürzt dreinschaute. „Gerade wurde es richtig spannend, Ann!“ Cey stand auf, ging zu ihr und nahm ihr das Plüschtier aus der Hand.
„Der ist toll, oder?“
„Ja, lass ihn dir schmecken.“
„Jetzt sei schon nicht so. Du bist doch mein allerliebster Zwilling“, damit drückte sie ihre Schwester kurz.
„Hör auf dich wie jedes Mal wieder einzuschleimen“, sagte Ann ernst, aber ihr fiel es sichtlich schwer. Sie konnte nie lange sauer auf ihre Schwester sein.
„Wolltest du nicht noch raus? Komm, wir gehen.“ Damit packte Cey Ann schon und ging mit ihr gerade raus als sie wieder stockte. „Moment, stimmt. Ich hatte auch etwas für dich gekauft.“ Kurz verschwand sie in der Küche und kam mit einem Buch ähnlichen Gegenstands wieder zurück.
„Was ist das?“, fragte Ann neugierig.
„Keine Ahnung, aber es hatte mir zu gut gefallen.“ Cey streckte ihr die Zunge raus und drückte es ihr in die Hand.
„Typisch, Hauptsache Geld ausgeben“, seufzte Ann, steckte ihr Geschenk jedoch kurze Hand in die Jackentasche.

Eine halbe Stunde später gingen beide durch die Stadt. Es war mittlerweile fast schon sechs Uhr, doch sie liefen noch bis es acht war, schauten sich jeden Laden an.
„Ich hab Hunger, Ann. Wollen wir was essen?“
Nach zehn Minuten standen sie zusammen in einer Pizzeria.
„Wir nehmen eine Pizza mit Oliven und Mais und ohne Käse“, kam es von Cey.
„Emh, nein??“ Sofort wiedersprach Ann. „Wir nehmen eine Pizza ohne Mais und Oliven und mit viel Käse“, teilte sie mit.
„Nein, Ann! Du weißt ich hasse Käse!“
„Und du weißt, ich hasse Oliven und Mais!“
Eine Diskussion brach zwischen den Geschwistern aus. „Was wollen sie denn jetzt?“, versuchte sich der Mann dazwischen zu mischen, es war jedoch vergeblich.
Oliven. Mais. Käse. Oliven. Mais. Käse. Die Diskussion nahm kein Ende, als sich der Mann wieder einmischte. „Wie wäre es, wenn wir die Pizza zur Hälfte mit Käse und zur Hälfte mit Oliven und Mais belegen würden?“
Kurz schauten sich beide Mädchen an und nickten. „Ja, das klingt gut. Danke für den Vorschlag“, sagte Ann höflich. „Aber legen sie mehr Käse drauf, ich esse eh mehr als meine Schwester.“
„Nein, ich habe Hunger! Ich will, dass das gerecht geteilt wird!“ Schmollend schaute Cey in die Runde.
„Du isst sie doch eh nie auf, außerdem hast du noch deinen Kuchen zuhause.“
„Ja und. Ich will Pizza.“
Wieder begann eine Diskussion, die Bedienung schaute hilflos die beiden Mädchen an.
Nach kurzer Zeit fiel das Cey auf, welche plötzlich los prustete. Ann schloss sich ihr an, nachdem sie die Gesichter der Bedienung gesehen hatte. Diese übergaben ihnen verwirrt die Pizza.
„Vielen Dank“, brachte Cey noch mit Tränen in den Augen hervor, danach verließen beide das Geschäft.
Auf dem Weg nach Hause mussten sie die ganze Zeit lachen, wenn sie an die Gesichter dachten. Sie stritten sich oft, doch es war nie ernst. Sie brauchten diese Kabbeleien irgendwie, es gehörte dazu.
Unterwegs setzten sich beide auf eine Bank und aßen in Ruhe ihre Pizza.
„Cey, du hast ein Stück vergessen zu essen.“
„Emh, ja. Ich bin satt…“
„Hab ich es gesagt, oder gesagt?“
„Ich bin aber wirklich satt.“
„Ich aber dank dir nicht.“
„Hehe, zuhause gibt es auch noch Kuchen“, lachend stand Cey auf. „Es wird dunkel, lass uns wieder nach Hause.“
„Ok, ok…Aber dann werden wir kl…“ „Wer seid ihr zwei denn?“ Drei Jungen standen mit verschränkten Armen und einem hinterlistigen Grinsen vor den zwei Mädchen.
„Seid ihr nicht sehr gesprächig? Was macht ihr denn um diese Zeit noch draußen? Könnte gefährlich werden.“
„Uns passiert schon nichts, keine Sorge“, gab Cey sarkastisch von sich und wollte an den Jungs vorbei gehen, als einer sie am Arm festhielt. „Lass sie sofort los!“ Ann war sofort aufgesprungen und stand nun vor dem Kerl und schaute ihm ernst in die Augen.
Dieser fing an zu lachen, die anderen zwei Jungen schlossen sich an. „Sieh einer an. Willst du hier einen auf stark machen? Verschwinde besser.“
„Lass meine Schwester los, oder es gibt Stress.“
Der Junge fing wieder an lautstark zu lachen, doch von einer Sekunde auf die andere, war alles still. Das einzige, was man hörte, war das keuchen des Jungen. Ann hatte ihm die Faust ins Gesicht geschlagen. Cey nutze die Gelegenheit und befreite sich, um danach zu ihrer Schwester zu laufen.
„Meinst du, das war eine gute Idee?“, gab sie ängstlich von sich.
„Ich hab doch gesagt, ich werde dich immer beschützen.“ Ann lächelte sie an.
„Das kriegst du zurück!“, schrie der geschlagene Junge und ging auf Ann zu. „Geh beiseite, ich regle das“, gab diese kurz von sich und schob Cey nach hinten. Unter dem ersten Schlag duckte sie sich hinweg und rammte diesmal dem Jungen die Faust in den Magen. Sie lächelte siegessicher. „Ann pass auf, hinter dir!“ Der Schrei von dem anderen Mädchen machte sie auf die anderen zwei Jungs aufmerksam. Sie hatten die Unaufmerksamkeit genutzt und standen nun hinter ihr. Durch den Schlag von einem der beiden fiel sie auf den Boden.
„Ann, pass auf!“
„Du hast leicht reden, mach es doch selber!“
„Jetzt sei nicht schon wieder so!“
Die Jungs schauten verwirrt von einem Mädchen zu dem anderen. Einer entschied sich, auf Ann loszugehen, merkte jedoch, dass das andere Mädchen vor ihr stand.
Während Cey diesen Jungen in Schach hielt, musste Ann sich um den anderen kümmern.

Ein Klacken ließ alle vier zusammenzucken, keiner bewegte sich mehr. Hinter ihnen stand mehrere Meter entfernt der dritte Junge, welcher ein Klappmesser in der Hand hielt.
„So, jetzt habt ihr genug gespielt“, gab er ernst von sich. Seine beiden Freunde ließen von den Mädchen ab und gingen zu ihrem Freund.
„Lass es sein, wir kriegen noch Ärger! Lass uns hier einfach weg!“, mischte sich einer der Jungs ein und starrte auf das Messer.“
„Tze, wenn ich Schiss habt, dann verschwindet doch!“
Skeptisch schauten sich die zwei Jungs an und liefen weg. Sie hatten keine Lust, Stress mit der Polizei zu bekommen.
„Ich mach euch fertig.“ Er meinte es ernst. Sehr ernst sogar. Ann schob langsam Cey zur Seite und achtete nur noch auf den Kerl.
„Wir sollten wegrennen“, sagte Cey leise.
„Gute Idee. Du rennst weg, während ich ihn ablenke.“
„Nein, ganz sicher nicht!“
„Jetzt tu was ich dir sage!“ Ann schubste Cey weg, das nächste was sie realisierten war, wie der Junge sich mit dem Messer auf Cey stürzte. Stocksteif blieb sie stehen, fand sich im nächsten Moment jedoch auf dem Boden. „ANN!“ Sie hatte sich vor ihre Schwester gestürzt und lag nun selbst auf dem Boden. Der Junge war für einen Moment geschockt und hielt das Messer noch in der Hand, welches er eben in ihren Magen gestochen hatte, lies es jedoch im nächsten Moment fallen. „Hab ich sie getötet?!“ Panik stieg in ihm auf, seine Blicke wanderten von der Niedergestochenen Ann rüber zu dem anderen, geschockten Mädchen. Wenige Schritte ging er rückwärts, bevor er langsam wegschritt. Es schien ihm nichts auszumachen, einen anderen angegriffen und verletzt zu haben.
„Ann? Ann!“ Langsam ging Cey zu ihr, Tränen füllten ihre Augen. Vor ihr fiel sie auf die Knie, wunderte sich im nächsten Moment jedoch.
Hatte das Messer Ann eben nicht durchbohrt? Müsste die Wunde nicht bluten?
„Hast du ihn einfach laufen lassen?“ Langsam setze sich Ann mit einem Grinsen auf.
„Wie?!“, begann Cey, sah dann, wie Ann etwas aus ihrer Jackentasche zog. „Ich würd sagen, dein Geschenk war doch zu etwas nütze“, grinste Ann sie an und stand auf.
Der Junge war mittlerweile schon weiter entfernt, er bemerkte nicht, dass er sie nicht verletzt hatte.
Ann sprang auf und lief dem Jungen hinterher. Kurz vorher rief er nach ihm, das nächste was Cey sah, war Blut. Der Junge lag auf dem Boden, Ann stand über ihm. Sofort rannte Cey zu Ann, blickte auf den Jungen runter.
„Das war wohl doch ein bisschen fest. Ich glaub ich hab ihm die Nase gebrochen, was sagst du?“
„Oh, man. Du bist blöd!“, sagte Cey noch bevor sie ihre Schwester umarmte, welche es erwiderte.
„Lass uns nach Hause, es ist spät geworden. Der Junge schafft es sicher allein nach Hause“, sagte sie und blickte auf ihn runter.
„Ja, lass uns gehen.“ Zusammen machten sie sich zurück nach Hause.
„Siehst du, mein Geschenk hat dir das Leben gerettet, du solltest mir dankbar sein.“
„ICH habe DIR das Leben gerettet, vielleicht solltest du mir dankbar sein.“
Die Geschwister lachten los und gingen nach Hause. So leicht würde sie nichts auseinander reißen.


Gähnend ging Cey durch den Flur und rieb sich die Augen. Sie war durch ein lautes Scheppern aufgewacht. „Man, Ann! Was machst du denn für einen Krach in der Küche??“, rief sie wütend, bevor sie vor der Küchentür stand.
Ann saß am Küchentisch und biss gerade in ihre Pizza rein. „Krach? Was für Krach?“, gab sie mit vollem Mund wieder.
Cey klappte den Mund auf und starrte ihre Schwester und die Pizza an. „Pizza? Früh am Morgen? Ich glaube du spinnst“, sagte diese und holte sich ein Glas Saft.
„Früh am Morgen?“
„Emh, ja?“
„Weist du wie viel Uhr es ist, Cey?“ Die angesprochene zuckte die Schultern.
„Halb zwei, oder nicht?“
„Und DAS ist früh am Morgen? Ou man.“ Ann verdrehte die Augen und aß weiter.
„Ich weiß nicht, was du hast. Als ob es spät wäre“, sagte die andere und ging ins Wohnzimmer.
Ann folgte ihr und fand sie auf der Couch, vor dem Fernseher wieder. Seufzend setzte sie sich auch auf die Couch und schaute mit Fernsehen.
„Cey“, sagte sie nach einer Weile.
„Ja, was ist?“
„Hast du nicht etwas vergessen?“
„Nein, wieso?“
„Denk nochmal nach“, war das letzte was Ann sagte, bevor sie aufstand. Vor der Tür blieb sie ein letztes Mal stehen und schaute zu Cey. „Du musst heute um drei beim Arbeitsamt sein, du hast einen Termin.“
Wie von einer Biene gestochen sprang Cey auf und lief an Ann vorbei, in ihr Zimmer. „Man, wieso kannst du so was nicht früher sagen?!“, hallte ihr Schrei durch den Flur, gefolgt von einem knallen. In wenigen Sekunden wurde die Tür wieder aufgerissen und Cey stand angezogen und mit einem Zettel vor ihrer Schwester. „Ich bin dann mal weg!“, rief sie und lief zur Tür.
„Hast du gestern nachgeschaut, wo zu hinmusst?“, fragte ihre Schwester.
„Nein, vergessen! Ich finde es schon!“
„Vergessen?“ Ann zog eine Augenbraue hoch und schaute zu ihr. „Vor dem Fernseher gehockt, das ist es wohl eher.“
„Jaja, ich bin weg!“
„Moment, du hast dein Handy vergessen!“, rief an in den Flur. Cey rannte direkt wieder hoch und schnappte sich ihr Handy. „Werde ich wohl eh nicht brauchen, aber wenn du meinst!“
Sie verschwand, wie sie gekommen war und ließ Ann allein zurück. Diese schloss die Tür und ging wieder ins Wohnzimmer.

Nach zehn Minuten saß Cey schon im Bus. Sie packte die Karte aus, in der Hoffnung, ihren Weg zu finden. Wieso musste es auch in einem Dorf sein, wo sie noch nie gewesen ist? Egal wie sie die Karte drehte und wendete, sie ließ sich nicht entziffern. Seufzend legte Cey ihre Karte wieder weg. Es dürfte ja nicht so schwer sein, immerhin wusste sie, in welcher Straße das Gebäude stand. Eine ganze Weile schaute sie aus dem Fenster. Leise seufzend fragte sich Cey, wann ihre Bushaltestelle kam.
Einer der Fahrgäste antwortete auf diese Selbstgespräch. „Wie? An dieser Haltestelle sind wir vor knapp 30 Minuten vorbei gefahren. Tut mir leid, sie scheinen sie verpasst zu haben.“

„Verdammt, ich habe die Bushaltestelle verpasst!“ Sofort drückte sie auf den Knopf, um bei der nächsten auszusteigen. Die schiefen Blicke der anderen Mitfahrer ignorierte sie. Hibbelig hüpfte sie von einem Bein auf das andere und hoffte, dass der Bus bald stehen blieb. Nach zwei Minuten stand sie an einer Haltestelle und blickte verzweifelt hin und her.
„Wo bin ich denn hier gelandet“, murmelte Cey verzweifelt vor sich hin. Ein weiterer Blick auf die Karte, verriet ihr auch nicht mehr. „Zwanzig nach zwei. Ich komme so oder so zu spät…“


Ann räumte das Haus auf. Die Küche war wie immer unordentlich, aber da ihre Schwester nie Lust hatte aufzuräumen, musste sie es wieder einmal erledigen. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es schon halb drei war. „Ob Cey es noch rechtzeitig geschafft hat?“, fragte sie sich selbst. Sie ging in den Flur, zog ihre Jacke an und ging raus. „Ich hab den Einkaufszettel vergessen“, kam es von ihr, als sie gerade unten angekommen war. Ann ging die Treppen wieder hoch, schloss die Tür auf und ging ins Haus. „Was ist denn das?“ Vorsichtig hob das Mädchen etwas vom Boden. Bei genauerem Betrachten stellte es sich als ein Handy Akku heraus. „Och, man. Wie kann man nur nicht merken, dass der Akku im Handy fehlt. Typisch Cey.“ Kopfschüttelnd legte sie den Akku auf die Kommode, holte sich den Einkaufszettel und verließ das Haus.


Nach einem stündigen Fußmarsch ließ sich Cey erschöpft auf eine Bank fallen. Sie hatte mittlerweile gar keinen Plan, wo sie jetzt genau war. Die Karte konnte sie nicht entziffern und diesen Ort kannte sie auch nicht. Plötzlich strahlten ihre Augen und sie sprang auf. „Ich hab ja noch mein Handy! Zum Glück hat mich Ann noch dran erinnert. Man, was würde ich ohne sie tun!?“ Fröhlich suchte sie ihr Handy und zog es aus ihrer Jackentasche hervor. Doch ihre gute Laune verschwand von einer Sekunde auf die andere. „Wieso fühlt sich das Handy so komisch an?“ Vorsichtig drehte sie es und entdecke die leere Stelle, an der normalerweise der Akku drin steckte. „Verdammt!! Wieso passiert so etwas immer nur mir?“
Es war offensichtlich gewesen, das nichts so laufen würde, wie es sollte. Laut seufzend ließ sich Cey wieder auf die Bank fallen. Sie wusste nicht wo sie war und noch dazu konnte sie Ann nicht anrufen und ihr Bescheid geben. Mittlerweile zeigte die Uhr 15.07 an. Den Termin hatte sie schon lange verpasst. Eine Weile starrte sie in den Himmel und nickte nach einer Weile ein.


Ann war schon seit einer Stunde zurück vom Einkaufen, hatte schon alles ausgeräumt und saß im Wohnzimmer. Immer wieder schaute sie zur Uhr, ihre Schwester hätte schon längst wieder da sein müssen. „Toll, dass sie ihr Handy dabei hat, aber nicht den Akku.“ Sie stand auf und ging zum Fenster, aus welchem sie die Straße beobachtete.
Nach zehn Minuten ging Ann in den Flur, schnappte sich ihre Jacke und ging raus. „Dann muss ich sie wohl suchen“, seufzte sie ein letztes Mal, bevor sie das Haus verließ.
Ann durchsuchte jede Bar und jeden offenen Laden auf dem Weg bis zum Arbeitsamt, wurde jedoch nicht fündig. Auch beim Arbeitsamt fragte sie nach, doch diese bestätigten, dass ihre Schwester da nie aufgetaucht war.


„hmhmmhhmm.“ Vorsichtig blinzelte Cey und schaute sich um. „Wo…?!“ Sofort sprang sie auf und sah etwas hilflos in die Umgebung. Sie war tatsächlich auf der Bank eingeschlafen. „Oh, ne. Das kann doch nicht wahr sein“, schimpfte sie und stand auf. „Ich muss nach Hause.“ Sie ging los und suchte den Weg zurück.
„Hier nicht. Hier nicht. Hier auch nicht. Hier erst recht nicht. Oh, man…“Verzweifelt schaute Cey sich weiter um. Es war schon dunkel geworden. In eine Bar konnte sie sich schlecht setzen, sie hatte weder Geld, noch Lust, dass die betrunkenen Männer sie nervten. Als sie weiter auf der Straße schlenderte, fiel ihr die Brücke auf.
Kurzentschlossen ging sie zu der Brücke und hockte sich darunter. „Na toll. Ich wäre jetzt lieber zuhause in meinem warmen Bett, vor dem Fernseher. Ich meine, was habe ich denn hier zu…Oh, eine Ente!“ Auf dem Fluss vor ihr, schwammen mehrere Enten, Cey ging so nah wie möglich ran und beobachtete sie. „Süß, so einen will ich mitnehmen…“
Eine ganze Weile beobachtete sie diese.


Ann ging nach erfolgloser Suche wieder nach Hause und nahm das Haustelefon in die Hand. Sie musste die Polizei anrufen. Sie wählte die Nummer und lief währenddessen im Wohnzimmer auf und ab.
„Ich bin wieder da!“ Ann hörte Cey aus dem Flur, legte direkt wieder auf und rannte zu ihr.
„Wo warst du?“ Erst jetzt realisierte sie, wie verdreckt Cey war. „Und was ist mit dir passiert?“
„Emh, nichts? Ich hab nur den Weg erst nicht wieder gefunden, hab unter einer Brücke gewartet. Naja, später kam einer daher und hat mir geholfen, den Weg zurück zu finden.“
Nachdem sie zu Ende erzählt hatte, verschwand sie im Bad.
„Ich hab dich überall gesucht! Wieso hast du dich nicht in irgendeiner Bar untergestellt?“ Ann stellte sich vor die Bad Tür.
„Wieso schon, da weiß man ja nie, welche Gestalten einem über den Weg laufen. Ich fand es unter der Brücke sicherer.“
„Da hätte dir doch auch etwas passieren können! Man, Cey. Du musst mal etwas nachdenken.“
„Aber, hey. Da gab es total süße Enten!“, unterbrach Cey die Standpauke ihrer Geschichte.
„Enten. Na toll. Was willst du mit Enten?“
„Die waren süß.“ Das Mädchen kam wieder aus dem Bad.
„Das bringt es ja auch. Und diesmal machst du das Bad sauber. Jetzt ist da ja überall Erde.“
„Ja, ok. Ich will aber jetzt erst schlafen gehen. Ich bin müde“, sagte Cey und ging an Ann vorbei.
„Moment, du machst erst sauber, sonst muss ich es wieder tun!“
„Wenn du so drauf bestehst, kannst du das gerne für mich machen.“ Grinsend ging sie in ihr Zimmer.
Ann seufzte und ging ins Wohnzimmer. So leicht würde sie ihre Schwester diesmal nicht dadurch kommen lassen.
Eine Weile schaute sie sich noch Programme im Fernsehen an.


Ann wachte am nächsten Morgen auf und ging in die Küche, blieb jedoch vor der Tür stehen und schaute unsicher auf den Frühstückstisch und zu Cey.
„Okeey, was willst du Cey? “ Skeptisch schaute sie zu ihr rüber.
„Ich? Ach, was sollte ich schon wollen.“
„Ich glaub dir nicht, dass du Nichts willst. Sonst hättest du das nicht hier alles gemacht. Wann bereitest du schon Frühstück vor?“
„Weist du noch, als du sagtest, du überlegst dir etwas?“
„Etwas?“
„Na, du weißt schon…“
Ann zog eine Augenbraue hoch und blickte weiter zu Cey. „Was weiß ich?“
„Du wolltest dir überlegen, ob wir ein Haustier kaufen!“
„Ach, das meinst du. Wie kommst du denn jetzt darauf? Sag nicht, es liegt an den Enten.“
„Ist doch egal, ich möchte ein Haustier!“ Cey schaute mit Hundeaugen zu Ann.
Diese seufzte und setzte sich hin. „Ok, wenn du unbedingt willst. Aber nur, wenn du dich auch wirklich darum kümmerst.“
„Ja, das werde ich!“ Freudig hüpfte Cey rum und frühstückte mich Ann.
Am Nachmittag gingen beide zu einer nahe liegenden Tierhandlung. Erst ging Ann noch unsicher in die Handlung, doch als sie die ersten Tiere sah, leuchteten ihre Augen. „Schau mal, Cey! Der ist so süß!“ Das begeisterte Mädchen sprang von Käfig zu Käfig, während Cey in einer anderen Ecke Tiere beobachtete.
Ann ging mittlerweile von Hamstern zu Mäusen, von Kaninchen zu Vögeln.
„Cey, komm mal her! Guck dir diesen Kanarienvogel an, der ist so schön!“ Die angesprochene ging zu ihr und blieb hinter ihr stehen. „Emh“, fing sie an.
„Was ist denn?“, kam es von der anderen.
„Kanarienvogel?“
„Ja, schau sie dir mal an! Die sind echt süß.“
„Seit wann sind Kanarienvögel bunt…“ Cey verkniff sich ein Lachen und blickte weiter zu den Vögeln.
„Natürlich sind sie bunt!“
„Nicht das du gerade Kanarienvögel mit Wellensittichen verwechselst?“
„Nein, tu ich nicht. Meinst du, ich bin dumm.“ Beleidigt schaute Ann zu Cey.
„Das sind Wellensittiche…Kanarien sind Gelb, Orange…Aber nicht blau oder grün.“
„Jetzt tu nicht so schlau, ich kenn mich wohl aus!“
Wortlos zeigte Cey auf das Beschreibungsschild am Käfig.
‚Wellensittiche‘ Ann lief rot an und blickte aus dem Augenwinkel zu Cey, welche mit einem triumphierenden Lächeln hinter ihr stand.
„Guck mal, die Hamster!“ Ann zeigte in die andere Richtung und lief zu den Hamsterkäfigen.
Ihre Schwester ging lachend hinterher. „Was ist denn, haben dir deine Kanarienvögel nicht so gut gefallen?“
„Wolltest du wirklich heute ein Haustier mitnehmen?“
„Ich bin schon still.“

Nachdem die Geschwister sich eine Weile umgeschaut hatten, fragte Ann: „Und, welches Tier nimmst du?“
„Ich glaub, ich will so einen ‚Kanarienvogel‘“, zwinkernd ging Cey wieder zu der Vogelabteilung.
„Haha. Sehr lustig.“
„Ich will den grünen“, kam es entschlossen von Cey.
„Ich find den blauen aber schöner“, antwortete Ann.
„Das Haustier ist doch für mich, also nehmen wir den grünen.“
„Nein, der blaue sieht viel schöner aus, außerdem heißt es ja nicht, das nur du das Tier anfassen darfst.“
„Grün. Ende.“
„Dann gibt es kein Tier.“
„Du hast es mir versprochen, Ann!“, protestiere Cey.
„Hm…“ Kurz überlegte Ann und schaute sich die Vögel an. „Wie wäre es, wenn wir beide nehmen?“
„Das klingt gut!“ Cey war total begeistert von der Idee und sprang wieder auf und ab. „Los, lass uns sie jetzt kaufen!“, drängte sie.
„Jaja, ganz langsam.“

Eine Stunde später saßen beide zuhause vor dem Käfig und beobachteten die Vögel.
„Die sind so süß“, quietschte Cey.
„Aber der blaue ist schöner!“, warf Ann ein und zwinkerte ihrer Schwester zu.
„Nein, der grüne!“ Lachend stand diese auf und warf sich auf die Couch.
Ann setzte sich neben sie, während Cey den Fernseher anschaltete. „Die werden es hier sicher gut haben.“
„Das glaub ich auch.“

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 02.09.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Dieses Buch widme ich meinem Zwilling :3 (Als Entschädigung meines längeren Fehlens hier ;) ) Hab dich soo lieb <3

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