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Nachtschatten - Kapitel 2


Als sie in die Halle zurueckkam, schaute sie sich einen Kampf an, der anscheinend noch immer andauerte. Auf einem Schild neben dem Ring stand, dass die Kaempfer Sofia Starfeld und Sella Weizenberg hiessen. Die beiden waren ziemlich gleichwertige Gegner, und Calyn wusste, dass diejenige mit der besseren Kondition und Konzentration gewinnen wuerde.
Im Moment sah es so aus, als haette Sofia die Oberhand, sie scheuchte Sella immer wieder auf dem aeussersten Kreis herum, und Sella sah so aus, als ob sie schon erschlaffte und ihre Ausdauer am Ende war. Doch Calyn's geuebte Augen sahen, dass Sella nur so tat, und sie weder schlechter noch ausgelaugt war. Ihre Ueberlegungen erwiesen sich als richtig, als Sella sich auf den Boden fallen liess, und Sofia, an ihren sicheren Sieg glaubend, vernachlaessigte ihre Deckung. Sella laechelte kaum merklich, und stiess dann ihre Hand in die entstandene Luecke in der Verteidigung. Sofia bemerkte es gerade noch rechtzeitig, und sie konnte die Wucht des Schlags etwas abmindern. Doch Sella hatte sie eindeutig hart getroffen, denn Sofia fasste sich an die Schulter und verzog das Gesicht. Doch Sella hielt nicht an, um ihren Erfolg zu feiern, sie sprang vom Boden auf und trieb nun Sofia mit kraeftigen, gut platzierten Schlaegen durch die Mitte und auf die andere Seite des Ringes zu. Sofia schien verletzt, denn sie konnte nur noch mit der linken Hand zuschlagen. Doch Sella schien das gar nicht zu kuemmern, und mit einem Tritt mit ihren Turnschuhen (wie Calyn ueberrascht feststellte) stiess sie Sofia entgueltig aus dem Ring. Die Glocke ertoente, und Sella gab ihre angespannte Haltung auf. Dann ging sie sich ein Handtuch von einem Paerchen auf der Tribuene holen, die anscheinend ihre Eltern waren. Calyn laechelte leise, und ging zu ihr hinueber. Auf dem Weg traf sie Heather, die ihr einen hasserfuellten Blick zuwarf, und dann durch eine Tuer aus der Halle verschwand. Calyn zuckte die Achseln, dann legte sie eine Hand auf Sella's Schulter.
„Ein guter Kampf. Und eine sehr geschickte Strategie.“
Sella drehte sich um und grinste.
„Danke! Aber am Ende war es nicht mehr so richtig fair, ich glaube, ich habe ihr ziemlich weh getan.“
Calyn nickte. „Stimmt. Aber du hast in einem fairen Kampf gewonnen.“
Sella nickte, und doch schien sie beunruhigt. Dann sah sie etwas hinter Calyn, zog die Augenbrauen besorgt zusammen, und lief dann an Calyn vorbei. Als Calyn sich umdrehte, sah sie, wie Sella auf eine in Traenen aufgeloeste Sofia zuhielt, die gerade auf einen Mann einschrie, den Calyn als ihren Manager erkannte.
„Keine gute Idee, fuerchte ich.“ , murmelte Calyn, dann ging sie langsam hinter Sella her. Diese stand nun hinter Sofia und sagte: „Entschuldige?“
Eine eindrucksvolle Stille entstand, als Sofia mitten im Satz aufhoerte zu schreien und sich dann wie in Zeitlupe zu Sella umdrehte.
„Oh oh“ , murmelte Calyn, und schob sich noch dichter an die beiden heran, als sie Sofia's Gesichtsausdruck sah. Nun stand sie dicht hinter Sella, bewahrte jedoch einen unbeteiligten Gesichtsausdruck, als staende sie rein zufaellig dort. Sella schien das aufziehende Gewitter nicht zu bemerken.
„Hey, ich wollte mich nur noch einmal bei dir entschuldigen. Ich hoffe, ich habe dir nicht zu sehr weh getan. Du hast wirklich gut gekaempft.“
Doch Sofia ignorierte Sella's ausgestreckte Hand, und hob ihrerseits die Hand. Allerdings nicht, um sich mit Sella zu versoehnen, wie Calyn bemerkte, sondern um ihr eine Ohrfeige zu geben. Doch Calyn schob sich blitzschnell an Sella vorbei, find Sofia's Schlag mit einer Hand ab und hielt ihren Arm fest. Sofia's Augen wurden gross vor Ueberraschung, und auch hinter sich hoerte Calyn ein ueberraschtes Luftholen. Doch sie kuemmerte sich nicht darum, sonder zog Sofia noch enger an sich heran und fluesterte ihr zu: „Ich wuerde sie nicht so angreifen wenn ich du waere. Erstens waere das eine Herausforderung, und ich wage zu bezweifeln, dass ein weiterer Kampf zwischen euch anders enden wuerde, geschweige denn der Tatsache, dass es fuer deine Schulter auch nicht gut waere. Zweitens wuerde ich das nicht so toll finden, und ich koennte deinen Schlag auch als Angriff gegen mich werten, schliesslich habe ich ihn abgefangen, nicht wahr? Das willst du doch sicher nicht.“
Sofia schien erschrocken ueber Calyn's Kraft, doch nicht erschrocken genug, um ihre normale Verhaltensweise ganz abzulegen.
„Ich... Es ist mir doch ganz egal, ob du gegen mich kaempfst. Entweder du verlierst, was sehr wahrscheinlich ist, oder du gewinnst mit irgendwelchen Tricks wie diese... Freundin von dir.“
Calyn war nicht beeindruckt, und auch der abschaetzige Blick, mit dem Sofia nun ihr Kleid und auch ihre Schuhe, die mit ihrem einfacher Design und der schlichter Farbe in grellem Kontrast zu den pinken, hochhackigen Stiefeln standen, die Sofia zu dem kanppen Kleid trug, kuemmerte sie nicht. Ausdruckslos sah Calyn dem arroganten Maedchen vor ihr in die Augen, und ohne zu blinzeln oder den Blick abzuwenden, fragte sie Sella: „Du bist meine Zeugin, Sella. Habe ich gerade einen Schlag von diesem reizenden Maedchen abgefangen?“
Sella antwortest prompt: „Auch wenn ich nicht sicher bin, dass wir von dem selben Maedchen sprechen, ja, das hast du.“
Calyn nickte, ohne eine Miene zu verziehen, wandte sich dann aprupt ab, und ging auf den Richtertisch zu.

Das Maedchen war wirklich gut. Sie hatte vorrausgesehen, dass dieses andere Maedchen, dass gerade verloren hatte, ihre Freundin schlagen wollte, und dann hatte sie den Schlag auch noch mit nur einer Hand abgefangen! Er war beeindruckt. Auch was sie gerade eben mit diesem Jungen, der sie anscheinend genervt hatte, gemacht hatte, war anders als alles, was er bisher gesehen hatte. Dieser eisig Blick, den sie dem Jungen zugeworfen hatte, hatte selbst ihn, dem er gar nicht gegolten hatte, im ersten Augenblick sehr verschreckt. Und ueberhaupt, ihre Augen...

Calyn raeusperte sich, und als sie die Aufmerksamkeit der drei Richter hatte, sagte sie:
„Herausforderung von Sofia Starfeld an Calyn Lien. Ich habe einen Schlag von ihr angefangen. Haben wir die Erlaubnis, in Ring 1 waehrend der Pause zu kaempfen?“
Die Richter berieten sich kurz, dann stand der linke Mann auf und beschaffte sich mit einem Mikrofon die Aufmerksamkeit der Zuschauer und der anderen Teilnehmer.
„Aufgrund einer Herausforderung wird nun in Ring 1 ein Kampf stattfinden. Sofia Starfeld ist die Herausforderin, Calyn Lien ihre Gegnerin.“
Als ihr Name fiel, hoerte Calyn ueberraschte Ausrufe von der Tribuene und aufgeregtes Gemurmel. Anscheinend hatten die Leute aus der Schule ganze Arbeit geleistet, fast jeder wusste von ihrem Kampf- und Staerkeniveau. Zufrieden laechelte sie. Sie hatte nichts gegen ein wenig Publikum, doch ihrer Gegnerin schien ein wenig mulmig zu werden, anscheinend hatte auch sie ein wenig von dem Gemurmel aufgeschnappt. Wie eine Katze raekelte Calyn sich zufrieden, dann schlenderte sie auf Ring 1 zu.
Auch dismal bemerkte sie den Blick aus den eisblauen Augen nicht.
Als das Zeichen zum Start des Kampfes ertoente, traf Calyn eine Entscheidung. Kein Spielen mit dem Gegner, in diesem Kampf wollte sie den Zeitrekord fuer diesen Wettkampf aufstellen. Deshalb trat sie einfacher blitzschnell auf die Seite, als Sofia anstuerzte, nutzte deren Schwung aus und stiess sie noch einmal an. Das ueberraschte Maedchen konnte erst wenige Zentimeter vor dem Rand des Ringes stoppen, doch ehen sie sich umdrehte konnte, war Calyn schon bei ihr, fluesterte ihr noch schnell ins Ohr: „Leg dich nicht noch einmal mit mir an, das naechste Mal wird schmerzhafter.“ , und befoerderte sie dann mit einem Stoss in den Ruecken aus dem Ring und in die Arme ihres Managers. Die Glocke ertoente, und Calyn schaute auf die grosse Stoppuhr, die am Tisch der Richter befestigt war. Neun Sekunden, das war eindeutig der heutige Rekord. Zwar nicht so gut wie ihre Bestzeit, 4,81 Sekunden, allerdings hoechstwahrscheinlich gut genug, um die Bestzeit des Tages zu bleiben. Ein Raunen ging durch die Halle.

Ja, sie war wirklich gut. Und diese Augen... Er schuettelte den Kopf, um seine Gedanken wieder auf sein eigentliches Ziel zu richten. Doch wieder und wieder wurde er abgelenkt, mal von der Art, wie sie den Kopf schief legte, wenn sie mit ihrer Freundin redete, mal von der Flut schwarzer Haare, die sich offen ueber ihren Ruecken ergossen, und die, wenn jemand die Tuer nach Draussen oeffnete, von leichten Windstoessen aufgewirbelt wurden und zu einem schwarzen Heiligschein wurden. Und doch, am meisten faszinierten ihn diese gruen-goldenen Katzenaugen...

Ehe die meisten begreifen konnten, was eben passiert war, war Calyn schon aus der Tuer hinaus und auf dem Hof. Dort suchte sie sich einen sonnigen Platz auf dem Gras, legte sich hin und schloss sofort entspannt die Augen. Eine Weile hoerte sie einfacher nur den vielfaeltigen Geraeuschen zu.
Mit einem Mal hoerte sie ein leises Schnurren neben sich. Sie oeffnete die Augen und sah eine kleine, hellbraune Katze neben ihrem Kopf liegen. Calyn laechelte, und steckte vorsichtig die Hand aus, um die Katze unter dem Bauch zu kraulen. Das Kaetzchen schnurrte noch lauter und schmiegte sich an ihre Hand. Nach einigen Augenblicken rappelte Calyn sich jedoch seufzend auf, und sagte zu der Katze:
„Nichts gegen dich, ja? Aber ich muss wieder rein. Nett, dich kennengelernt zu haben.“
Und ein letztes Mal strich sie der Katze ueber den Ruecken, dann drehte sie sich um und ging einige Schritte in Richtung Tuer. Doch sie drehte sich zurueck, als sie hinter sich ein lautes Maunzen hoerte. Hinter Calyn stand die Katze, und es schien, als ob sie sie vorwurfsvoll ansehen wuerde. Calyn zoegerte kurz, dann nahm sie die Katze auf den Arm und betrat die Halle.

Alles lief nach Plan. Und doch... wuerde das Maedchen ein Stoerfaktor sein? Das Maedchen mit den rabenschwarzen Haaren und den gruenen Katzenaugen... ein Stoerfaktor? Wahrscheinlich nicht... Und doch...

Eine Weile wanderte sie einfacher nur mit der Katze auf dem Arm zwischen den Leuten herum, doch dann ertoente das Zeichen dafuer, dass die 1. Runde des Wettkampfes vor ueber war, und sie stellte sich wieder neben den anderen neun Maedchen auf. Die Katze setzte sie vorher ab, doch die folgte Calyn einfacher und putzte sich nun ungeruehrt der vielen Blicke zu Calyn's Fuessen. Calyn schaute die wenigen Leute, die sie immer noch missbilligend ansahen, einfach nur mit hochgezogenen Augenbrauen an, bis diese den Kopf wieder wegdrehten. Die weibliche Richterin raeusperte sich und stand auf. Stille trat ein.
„Wir haben die erste Runde nun vollendet. Herzlichen Glueckwunsch an diejenige, die weiter sind. Ich werde nun die Namen diejenige vorlesen, die gut gekaempft haben und dennoch nicht weiter sind. Vanessa Kendel. Sofia Starfeld. Anita den Sarn. Renita Seidl. Heather Tellz. Kevin Jaeger. Tom Ferreri. Mike Koser. Laurenz de Costa. Alexander Russel. Allen anderen erneut einen Herzlichen Glueckwunsch.“
Jedes Mal, wenn sie einen Namen verlas, trat diese Person schweigend drei Schritte zurueck, drehte sich dann um und verliess die Halle um sich anschliessend auf die Tribuene zu setzen, zu duschen, oder um nach Hause zu fahren. Die Meisten warfen jedoch vorher noch einen giftigen Blick auf diejenige, der sie besiegt hatte. Waehrend Calyn darauf wartete, dass der letzte Name verlesen wurde, legte die Katze sich auf ihre Fuesse und fauchte sogar, als Heather Calyn einen wuetend Blick zuwarf. Laechelnd nahm Calyn die Katze auf den Arm.
„Du musst mich nicht beschuetzen, das kann ich ganz gut alleine. Aber trotzdem Danke, Kleine.“ , fluesterte sie ihr ins Ohr. Die kleine Katze schnurrte kurz, dann sprang sie Calyn wieder vom Arm und nahm ihren Platz zu ihren Fuessen wieder ein.

Was tat sie da? Die Katze schien wirklich das Maedchen beschuetzen zu wollen. Er entschied, dass das den Plan nicht gefaehrden konnte, und beachtete sie nicht weiter. Doch das Maedchen mit den gruenen Augen verschwand nicht mehr aus seinem Kopf. Er versuchte, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren, doch immer wieder kehrte sein Blick zu ihr zurueck, und er bewunderte ihr sanftes Gesicht, die Rundungen ihres Koerpers, und sein Blick kroch immer wieder zu den seitlichen Schlitzen zurueck, die so viel von ihrer wunderschoenen Haut offenbarten. Ehe er sich versah machte er einen Schritt auf sie zu, und wollte schon ihren Namen rufen, da spuerte er eine Hand auf seiner Schulter.
„Faszinierendes Geschoepf, nicht wahr? So zierlich und doch so stark... Selbst ich fuehle den Drang, sie zu beschuetzen. Zum Beispiel vor dem Jungen, der ihr naechste Gegner sein wird. Aber ihr beide seid euch sehr aehnlich. Was wuerdest du tun, wenn dich ploetzlich jemand vor etwas beschuetzen wollte, dass deiner Meinung nach keine Gefahr fuer dich ist?“ Der andere hielt inne und beobachtet das Maedchen, dass im Moment regungslos die anderen Menschen um sie herum beobachtete. Und dann verstand er sie. Und doch... diese Mandelaugen liessen ihn nicht mehr los.

Als die Richterin den Namen ihres Gegners verlas, laechelte Calyn. Trotz des seltsamen Gefuehls, als ob sie jemand beobachtet, das sie schon die ganze Zeit hatte, freute sie sich auf den Kampf. Denn ihr Gegner war ein Junge. Anscheinend war er sich ziemlich sicher, dass er gewinnen wuerde, dess er sah sich lachend unter den anderen Jungen um, auch wenn einige froh schienen, nicht an seiner Stelle zu sein. Sie hatten alle schon gegen Calyn gekaempft und auch verloren. Als ihre Blicke sich trafen, zauberte Calyn sich selbst einen etwas veraengstigten Gesichtsausdruck, und der Junge grinste sie siegessicher an. Innerlich lachte Calyn, er hatte anscheinend keine Ahnung, wer seine Gegnerin war.
Ein Stupser an ihrem Bein liess sie zu Boden blicken, und Sobald sie ihren Blick gewandt hatte, sprang die kleine Katze, die mit ihrem Kopf gegen Calyn's Bein gerieben hatte, in ihre Arme. Calyn hatte kaum Zeit ihre Arme rechtzeitig auszubreiten, doch irgendwie blieb das Kaetzchen lange genug in der Luft, und landete dann sicher in den ausgebreiteten Armen. Als die Katze bequem lag, hob sie ihren Kopf und rieb ihn nachdruecklich an Calyn's Unterkiefer, sodass diese das Schnurren in ihren Knochen spueren konnte. Calyn laechelte, dann trat sie mit der Katze auf dem Arm von der Gruppe von Maedchen weg, die sich nach dem Ende der Verlesung gebildet hatte. Dort wurden in diesem Moment abgebrochene Naegel, ausgerissene Haare und der eine oder andere blaue Fleck beklagt, worueber Calyn nur abfaelling die Augenbrauen hochziehen konnte. Langsam schlenderte sie nun zu Ring 3, wo ihr Kampf ausgefuehrt werden wuerde.Dabei dehnte sie sich ein wenig die nun leeren Arme, den die Katze war davon gesprungen und irgendwo in der Menge verschwunden, denn sie wollte keine Muskelzerrung in einem so unwichtigen Kampf bekommen. Shiriko Zwengert, der Junge gegen den sie antreten wuerde, stand schon neben dem Ring, umschwaermt von Maedchen, und als er sie sah, laechelte er Calyn goennerisch zu. Am liebsten haette sie ihn angefaucht, doch stattdessen laechelte sie ihn nur gespielt schuechtern an. Dann kam ihr eine Idee, sie grinste, dann trat sie auf den Jungen zu. Die Maedchen blitzten sie an und schauten sie und vor allem ihr Kleid mit hochgezogenen Augen an, doch Calyn beachtete sie nicht.
„Bitte versuch, mir nicht wehzutun, ja?“ , fragte sie Shiriko mit einer hohen Stimme und grossen, unschuldigen Augen. Shiriko laechelte sie an und sagte: „Keine Sorge, es wird schnell vorbei sein.“ Calyn konne sich gerade noch davon abhalten, wegen so viel falscher Guete mit den Zaehnen zu knirschen, und laechelte ihn zuckersuess an. „Oh, das glaube ich auch.“ Dann drehte sie sich um und ging ohne ein weiteres Wort davon. Natuerlich wuerde es schnell vorbei sein. Nur wuerde jemand anderes als Shiriko dachte, gewinnen. Sie grinste noch immer, als sie ihre Katze wieder sah. Allerdings entdeckte sie sie an einem Ort, an dem sie sie nicht erwartet haette - auf dem Arm der Hoechsten Richterin. Sie runzelte die Stirn, doch dann ertoente das Zeichen zum Kampf, und sie musste sich beeilen, noch rechtzeitig Shiriko gegen ueber in Position zu gehen. Dann ertoente das Zeichen fuer den Beginn des Kampfes, und mit einem Bruellen stuerzte der nichtsahnende Shiriko auf sie zu.

Er musste sich zwingen, ruhig zu bleiben, waehrend das Maedchen wieder begann, mit ihrem Gegner zu spielen. Jedes Mal, wenn ein Schlag nur haarscharf vorbei ging, musste er sich zwingen, nicht aufzuspringen und sie aus dem Kampf wegzuholen. Es war inzwischen so weit, dass er es nicht mehr leugnen konnte - sie faszinierten ihn, und er wollte sie beschuetzen. Ihre katzengleichen Saetze von ihrem Gegner weg waren elegant und sahen gleichwertige fast raubtierartig aus, sie spiegelten ihre Persoenlichkeit perfekt wieder. Ihre gruenen Augen bleiben die ganze Zeit unglaublich ruhig, sie taxierte ihren Gegner genau, und schaetzte seine Gefaehrlichkeit mit einer fast beunruhigenden Kaltbluetigkeit ab. Sie tanzte mit ihm. Doch in diesem Tanz fuehrte nicht er, sondern sie. Langsam schien der Junge mueder und langsamer zu werden, doch sie zeigte keine Anzeichen von Muedigkeit, und anscheinend hatte sie nicht vor, bald mit ihrem Spiel aufzuhoeren. Er musste etwas dagegen unternehmen, sonst wuerde er noch verrueckt, auch wenn er wusste, dass sie dem Jungen mehr als gewachsen war.
Doch nun schien der Junge gelernt zu haben, denn er suchte mit seinen Blicken ruhig nach einer Luecke in ihrer Verteidigung. Da! Er schien es auch gesehen zu haben, doch in dem Moment, in dem er mit der Hand zustiess, erkannte er die Falle, doch er konnte den Schlag nicht mehr aufhalten. Das Maedchen grinste kurz, doch sie nutzte seinen Fehler zum wiederholten Male nicht aus, sondern sprang zur Seite, sodass die gesamte Wucht, die in dem Schlag steckte, den Jungen nach vorn riss. Dieser richtete sich auf, und dann schien er zu begreifen. „Du hast das gerade eben nur gespielt, nicht wahr?“ Als sie ihren Kopf schraeg legte, und ihre Haare ueber ihre Schulte glitten, lehnte er sich gespannt vor. Dann nickte sie, und er lachte kurz auf wegen ihrer Gerissenheit. Der Junge schien kurz verdutzt, doch dann fasste er sich wieder, fuhr mit seiner Hand durch die Haare, und laechelte dann sein beruehmtes Laecheln, fuer das die Maedchen fuer ihn schwaermten. Ihm wurde fast schlecht. Doch das Maedchen schien ganz hingerissen. Sie wuerde doch wohl nicht auf so einen hereinfallen?! „Du, Calyn, ich wuerde dir gern etwas sagen. Komm doch mal her zu mir.“ Das Maedchen machte tatsaechlich ein paar Schritte auf ihn zu, und nun waren nur noch wenige Meter zwischen ihnen. Er sprang auf. Das konnte er nicht zulassen! Doch eine Hand senkte sich auf seine Schulter und zwang ihn zurueck. „Sie scheint dich wirklich in ihren Bann gezogen zu haben, nicht wahr? Aber ich gebe dir einen Rat. Warte. Denkst du wirklich, sie ist so toericht? Nein. Warte ab.“ Seufzend hockte er sich wieder hin. Besorgt beobachtete er, wie sie weiter auf ihn zuging. Was tat sie dort? Und dann sah er, wie der Junge die Muskeln anspannte, sich bereit machte, die Nichtsahnende aus dem Ring zu schlagen, sobald sie nah genug war. Doch sie blieb einige Zentimeter ausserhalb seiner Reichweite stehen. Er sah, wie der Junge ungeduldig wurde, als sie den Kopf schief legte, und ihn musterte. Dann machte sie endlich einen letzten Schritt in seine Richtung. Die Falle schnappte zu. Der Junge sprang nach vorn und holte gleichzeitig aus, um ihr den Schlag zu verpassen, der sie aus dem Ring katapultieren wuerde. Er sprang auf. Das wuerde ihr Ende sein, bei so viel Wucht! Doch die Hand des Jungen wurde von hinten aufgehalten. Verwirrt sah der Junge sich um. Seine Gegnerin stand hinter ihm! Der Jugendliche wurde bleich. Er hatte anscheinend noch nicht einmal bemerkt, dass sie hinter ihn gekommen war. Er lachte. Dieses Maedchen hatte nicht nur ihren Gegner, sondern auch ihn getaeuscht. Sie war eine grossartige Strategin, und im Kaempfen war sie ebenso gut. Eine gefaehrliche Gegnerin, selbst fuer ihn waere sie wahrscheinlich keine leichte Aufgabe.
Gerade hielt sie ihm beide Arme auf den Ruecken, und weil er so gross war, dass sie selbst wenn sie auf Zehenspitzen stand, nicht auf gleiche Hoehe mit ihm kam, kletterte sie kurzerhand auf seinen Ruecken. Dann sagte sie laut:
„Netter Versuch, aber um mich zu kriegern musst du dir schon etwas Besseres einfallen lassen.“
Dann sprang sie wieder hinunter, liess seine Arme los und war mit einem geschickte Satz wieder ausser Reichweite fuer ihn.
Er lachte ueber ihre Worte. Der Junge schien jedoch verbluefft zu sein, dass seine Falle fuer sie durchschaut worden war und sogar zu einer Falle fuer ihn geworden war, und sie dennoch seine Verletzlichkeit erneut nicht ausgenutzt hatte.
Wieder und wieder trieb sie den Jungen in Situationen, die ihn laecherlich aussehen liessen, denn das Maedchen hielt ihn nach Strich und Faden zum Narren. Allmaehlich hatte er mehr Mitleid mit dem Jungen als dass er um das Maedchen fuerchte, und er beschloss, ihm zu helfen. Gerade als sie erneut seine Haende von hinten festhielt, und dem Jungen etwas ins Ohr fluesterte, dass ihn knallrot anlaufen liess, hockte er sich an den Rand des Ringes.

Calyn fluesterte: „Nun? Denkst du, ich habe deine Blicke nicht bemerkt? Oh, glaube ja nicht, dass mir auch nur einer von ihnen entgangen ist. Zum Beispiel, als ich als deine Gegnerin vorgelesen wurde, da hab ich in deinen Augen fuer einen Moment den Schreck gesehen, bevor du wieder zu deinem Gockel Schauspiel Ueberlegungen bist. Eigentlich willst du doch diese ganzen Maedchen gar nicht, nicht wahr? Du wolltest an Kurio's Stelle sein, er hat dir alles erzaehlt, nicht wahr?“
Dann sprang sie wieder davon, bevor Shiriko etwas erwidern konnte. Doch waehrend sie sich dem noch immer roten Jungen naeherte, hoerte sie ploetzlich ein Fluestern.
„Hoer auf, ihn weiter vorzufuehren. Er wird nie wieder so herablassend sein, und eine wirklich Chance gegen dich hat er eh nicht. Lass ihm doch noch ein kleine bisschen Ehre, wir Maenner brauchen das.“
Blitzschnell drehte Calyn ihren Kopf, doch dort war niemand zu sehen. Sie runzelte die Stirn. Dann beschloss sie, dass sie ihn wirklich genug fuer seine Herablassung bestraft hatte, und ging in den direkten Angriff ueber. Mit wenigen Schlaegen hatte sie ihn auf die andere Seite des Ringes getrieben, und mit einem Tritt stiess sie ihn entgueltig aus dem Ring.
Calyn beobachtete ungeruehrt, wie Shiriko's Miene von Konzentration erst zu Verwirrung und dann zu Erschrecken wechselte. Er schien nicht glauben zu koennen, dass er von ihr besiegt worden war. Die Maedchen, die ihn vorhin noch angehimmelt hatten, standen nun um einen anderen Jungen herum, keine von ihnen schenkte Shiriko Beachtung. Calyn verbeugte sich und wollte gerade in eine Ecke gehen um ihren Schuh zu richten, der etwas verrutscht war, als sie eine laute Stimme hoerte.
„Du Weichei! Was glaubst du eigentlich, was du hier machst? Beschaemend, was du da fuer einen Kampf gezeigt hast! Wenn man das ueberhaupt Kampf nennen kann! Von einem Maedchen besiegt!“ Nun schien der Sprecher nach Luft zu ringen, und Calyn runzelte gereizt die Stirn. Was dachte dieser Trottel sich eigentlich? Was war so schlimm daran, dass Shiriko - den der Mann offensichtlich anschrie - von einem Maedchen besiegt worden war? Je mehr sie dem Mann zu hoerte, desdo wuetender wurde sie.

Sie ging entschlossen auf den stiernackigen Schreihals zu. Sie schien fest entschlossen, ihm die Meinung zu sagen. Er wollte aufspringen, sie zurueckziehen, ihr sagen, dass sie ihn einfacher ignorieren sollte... Doch er durfte nicht. Es entsprach nicht dem Plan. Und doch... Als er das zierlich Maedchen neben dem Riesen sah, dachte er nicht mehr an die Verbote, sondern sprang auf. Wieder senkte sich eine Hand auf seine Schulter. „Du willst doch nicht gegen den Plan verstossen, oder? Ich weiss was du fuehlst, aber wir muessen es zulassen. Sie scheint dich ja wirklich vereinnahmt zu haben, oder? Du hast noch nie so heftig auf eine Bedrohung fuer andere reagiert. Du bist doch nicht etwa... Der andere schuettelte den Kopf. "Bin ich nicht. Und doch... Siehst du es nicht? Es sieht aus wie David gegen Goliath, und im Moment habe ich das Gefuehl, dass Goliath gewinnen wird.“ Er spannte sich an. Doch die Stimme von hinten hielt ihn an seinem Platz. „Das haben sie alle gedacht, als David Goliath gegenueber stand. Und dann? Goliath wurde vernichtend geschlagen, von David allein. Niemand hat etwas davon gehoert, dass David Hilfe brauchte, nicht wahr? Also wird sie auch keine Hilfe brauchen.“
Er gab keine Antwort, sondern beobachtete das Geschehen. Der arme Junge, der unter den Vorwuerfen immer kleiner wurde, hatte wirklich keine Chance gegen sie gehabt, hier in dieser Halle hatte ausser drei Leuten niemand auch nur eine greifbare Chance. Nicht einmal die Hoechsten Richter. Selbst der Mann, den sie jetzt mit eisigen Augen fast erdolchte, wuerde mit all seinen Muskeln nichts gegen sie aus richten koennen, wenn sie erst einmal wusste, wer sie war. Als sie sich hinter den Mann stellte und ihm auf die Schulter tippte, musste er sich mit beiden Haenden an dem Mann hinter sich festhalten, um nicht aufzuspringen, und sie von dem riesigen Mann wegzuschaffen. Der Mann hinter ihm ergriff seine Schultern, auch er spuerte den merkwuerdigen Drang. Dann schoben sie sich zusammen unmerklich naeher an ihren David und den Goliath heran, um zu hoeren, was sie redeten.

„Was willst du, Kleine? Hast du nicht gelernt, dass man Erwachsene nicht unterbricht?“ Doch als der Mann, dessen Aehnlichkeit zu dem huebschen Shiriko nur in seiner Laenge bestand, sich vollends umdrehte und sein Blick den ihren traf, schluckte er und hoerte auf zu reden. Shiriko raeusperte sich, und sagte dann: "Aehm,... Also, Papa, das ist Calyn Lien, meine letzte Gegnerin und... das Maedchen dass mich besiegt hat.“ Herr Zwengert's Gesichtsausdruck aenderte sich schnell von wuetend zu resend.
„WAS?! Von diesem kleinen Zwerg hast du dich verhauen lassen?! Sag mal, bist du jetzt komplett bescheuert? Dieser Zwerg hat dich geschlagen? Dieser Zwerg?! Wie konnte so etwas passieren?! Du bist eine Schande, wirklich, eine Schande! Das wird Folgen haben, das verspreche ich dir!“
Damit drehte er sich um und im vorbei gehen rammte er seinen Sohn hart mit der Schulter.

Er atmete hoerbar aus. Ihr war nichts passiert.

Calyn runzelte die Stirn, wurde jedoch aus ihren Gedanken gerissen, als Shiriko sie am Arm beruehmtes, und sie schuechtern anlaechelte.
„Tut mir leid, mein Vater ist manchmal etwas... aufbrausend. Aber du hast toll gekaempft, und verdient gewonnen. Ich hatte keine Chance.“
Calyn laechelte zurueck, sie merkte, dass er es nun ernst meinte.
„Keine Sorge, es ist kein Problem. Aber er hat etwas von Folgen gesagt. Wird es schlimm?“
Shiriko schaute besorgt in die Richtung, in die sein Vater verschwand war.
„Er nimmst Ehre sehr ernst, und er ist immer dagegen gewesen, dass Maedchen ueberhaupt kaempfen duerfen. Und dass ich jetzt von einem Maedchen geschlagen wurde... Nichts gegen dich natuerlich, aber so denkt mein Vater.“
Er schien besorgt, dass sie nun gekraenkt war, doch Calyn nickte bloss.
„Wuerde es etwas aendern, wenn er selbst erfahren wuerde, was dir passiert ist?“
Shiriko nickte. Dann sagte er verwirrt: „Aber...“
Doch Calyn war schon hinter seinem Vater her gegangen. Sie wusste nicht warum, doch aus irgendeinem Grund hatte sie das Gefuehl, dass sie ihn besiegen konnte.

Was tat sie denn nun? Gerade noch war er erleichtert gewesen, dass ihr nichts passiert war, doch nun lief sie hinter dem Mann her. Sie wuerde doch nicht etwa...

Sie holte den Riesen kurz vor dem Ausgang mit einigen biertrinkenden Freunden ein. Gerade zog er lauthals ueber seinen schwaechlichen Sohn her, da sagte sie: „Herr Zwengert?“
Der Mann drehte sich um und zog die Augenbrauen hoch, als er sah, wer hinter ihm stand.
„Was willst du?“
Calyn ignorierte seinen provozierenden Tonfall.
„Ich habe gehoert, dass sie einer der Erwachsenenkaempfer sind. Und ich wuerde sie gerne herausfordern.“
Der Mann konnte erst kaum glauben, was er hoerte, doch dann brach er in lautes Gelaechter aus. Calyn wartete, bis er und seine Kumper sich wieder beruhigt hatten, dann fragte sie mit ruhiger Stimme: „Also? Was ist? Trauen sie sich oder kneifen sie vor einem Zwerg wie mir?“
Der anscheinend schon etwas angetrunkene Herr Zwengert lachte probe Weise noch einmal, doch seine Freunde stimmten nicht mehr mit ein, denn auch sie hatten sein Unbehagen bemerkt, und wartete nun gespannt auf seine Antwort.
Er strich sich unbehaglich ueber die Haare, doch dann kam sein Selbstbewusstsein mit einem Schlag zurueck.
„Hmm, na gut, aber beschwer dich nachher nicht, wenn ich dir wehtun. Ich werde dich wie einen Jungen behandeln, also will ich nicht, dass deine Eltern nachher zu mir kommen und sich beschweren weil das feine Toechterlein eine Verletzung hat.“
Calyn schnaubte.
„Machen sie sich darueber mal keine Sorgen. Gehen sie bitte anmelden, ich zittere schon zu sehr vor Angst als dass ich jetzt noch weit gehen koennte.“
Der bullige Mann brauchte eine Weile, bis er begriff, dass in ihrer Bitte beissender Spott versteckt war. Wuetend rauschte er hinueber zum Richtertisch, um den Kampf anzumelden.

Sie hatte es also tatsaechlich getan. Er stoente auf. Er haette an ihrer Stelle genauso gehandelt, und doch konnte er es nicht glauben. Anscheinend waren sie sich doch aehnlich, genau wie Der Andere gesagt hatte. Doch anscheinend waren sie sich doch nicht so aehnlich, dass es ihn langweilen koennte. Sie faszinierte ihn. Und diese Augen... Manchmal ruhig wie das Meer, dann wieder eisige gruenen Dolche... Es war genau wie Der Andere es gesagt hatte... Sie hatte ihn in ihren Bann gezogen, und nun liess sie ihn nicht mehr los.

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Tag der Veröffentlichung: 23.10.2010

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