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Seit dem Jahr 2000 sind meine Eltern geschieden.


Ich war zwischen neun und zehn Jahre alt, besuchte die vierte Klasse einer Karlsruher Grundschule.
Es war der härteste aller Schläge für mich, am Frühstückstisch brach ich in Tränen aus, suchte die Nähe meines Vaters.

Sie hatten im Frieden beschlossen, sich zu verlassen. Es war keine Liebe mehr da, sie lebten nur noch für meinen kleinen Bruder und mich zusammen. Doch dies auf die Ewigkeit zu verlagern hielten sie für unmöglich, also weihten sie uns eines Morgens in diese traurigen Pläne ein.

Die Welt war für mich zusammen gebrochen.
Während mein Bruder Lucca, noch so klein damals, die Sache Schultern zuckend hinnahm, es vielleicht noch nicht wirklich verstand, versank ich in tiefer Trauer.
Wie sollte ich je wieder glücklich sein, wenn Mum und Dad sich nicht mehr liebten, nicht mehr beieinander waren?

Meine Noten in der Schule wurden schlechter, dreier und vierer zwischen all dem gut und sehr gut.
Die Lehrerin, Frau Wenzel, heftete mir Zettel an die zurückgegebenen, schlechten Arbeiten, in denen sie ihr Beileid ausdrückte und mir Hilfe anbot. Ich riss sie ab, warf sie fort.

Nichts wollte ich mehr von dem Thema wissen, schnell brach ich in Wut aus.

Doch nach und nach lernte ich, die Gedanken zu verdrängen.
Sie in eine scheinbar unauffindbare Ecke meines Körpers zu schieben.
Ich zeigte keine Scheue mehr vor dem Thema Scheidung, verschwendete keine Gedanken. Es war sowieso zu spät, sagte ich mir.

Die Trennung selbst lief reibungslos ab, mein Vater war natürlich bereit, den Unterhalt für Lucca, Mum und mich zu bezahlen. Kein Richter musste uns Kinder nach dem Willen fragen, alles wurde friedlich geklärt.

In der folgenden Zeit geschahen einige Dinge.
Mit Dad besuchten Lucca und ich viele kleine Wohnungen,
in eine zog er letztendlich ein.
Ohne uns.
Wir blieben vorerst mit Mum im alten Heim, sahen Dad aber noch oft.

In seiner Freizeit holte er nun nach, was er in seiner Jugend verpasst hatte. Mum war seine erste Freundin gewesen, also fuhr er nun regelmäßig mit Freunden nach Düsseldorf, erkundete das noch recht junge Internet. Nur selten bekamen wir eine der Frauen zu Gesicht, aber es war auch besser so.

Mum ging, wenn wir bei Dad waren, ebenfalls aus. Mit Freundinnen ins Karlsruher Nachtleben.
Als ich eines Tages mit dem Fahrrad von der Schule heimfuhr, bremste ich am Lotto-Kiosk an der Ecke unserer Straße ab.
Mum stand dort, neben ihr ein fremder Mann.
Sie stellte ihn mir als Thomas vor und ich begutachtete ihn genau. Größer als Dad, mit braunen Haaren und leichtem Bart. Ich hatte immer gedacht, Mum stehe nicht auf Ohrringe bei Männern?
Naja, jedenfalls ist er inzwischen Thomas, mein Stief-Vater.

In den Sommerferien nach Vollendung der Grundschule zogen wir um zu diesem Mann, in seine Heimat Walddorf, nahe Altensteig.
Ich ging aufs Gymnasium, versuchte mich einzugliedern in diesem Dorf mitten auf dem Land, gut 80km von meinem geliebten Karlsruhe entfernt.
Einige Jahre später kam hier mein erster Halbbruder zur Welt, kurz davor bimmelten die Hochzeitsglocken.

Auch Dad hat mittlerweile wieder geheiratet. Nach wie vor lebt er mit seiner Frau – unsrer Stief-Mutter – in der Karlsruher Wohnung, alle zwei Wochenenden und in den Ferien besuchen wir ihn.

Wir – Mum, Thomas, meine Brüder und ich zogen bald weiter, ins Waldachtal, kauften ein Haus.

Ein paar Jahre später, inzwischen war ich wegen Latein auf die Realschule gewechselt, suchte mich eine üble Krankheit heim.
Gut zwei Wochen lang musste ich durchweg kübeln, was auch immer ich aß kam sofort aus allen Körperöffnungen wieder heraus. Ich fühlte mich elend, schrecklich.
Lange Zeit davon verbrachte ich im Krankenhaus, die Ärzte verzweifelten. Eine feste Kanüle steckte in meinem Arm, durch die ich Infusionen bekam und mir gefühlte Liter meines Blutes entnommen worden, doch auch das Labor fand darin keine Hinweise.
Dann kam die Psychotherapeutin des Krankenhauses zu mir. Fragte mich Dinge. Als sie merkte, dass ich auf die Scheidung meiner Eltern sehr sensibel reagierte, bohrte sie nach. Es war zu viel für mich. Bald brach ich in Tränen aus, verscheuchte dieses Monster von einer Frau. Was fiel ihr ein, mich derart zu deprimieren?

Doch sie hatte recht, die bitteren Gefühle von damals hatten sich aus dem versteckten Ort im Körper gemeldet, brutal und intensiv. Sie hatten von innen heraus Chaos in meinem Körper angerichtet, die schlimme Krankheit verursacht.
Ich war reifer als früher, dachte viel über die Scheidung nach. Begründete, sah ein, schloss mit dem Thema endgültig ab.
Und die Krankheit war wie weggeblasen.

Mum und Dad verstehen sich immer noch gut, auch mit den neuen Partnern des anderen. Sie reden ganz normal miteinander. So kann ich Geburtstage und Feste immerhin noch mit der ganzen Familie feiern.
Sie hatten ihre Ehe aufgegeben, bevor die Lage eskalieren konnte, dafür bin ich heute sehr dankbar.
Ich habe neue, nette Verwandte bekommen, Stiefeltern, -Omas und -Opas, -Onkels und -Tanten. Außerdem zwei Halbbrüder.

Alles, von dem Gedanken an eine Scheidung, über die Durchführung bis heute ist mustermäßig verlaufen.
Wenn ich daran denke, wie viele Eltern sich im Streit trennen, nichts mehr voneinander wissen wollen und ihre Kinder dabei so außer acht lassen…
Ein Kind braucht beide Elternteile. Es kommt vor, dass die Eltern jedoch um die Sorge für das Kind streiten, ihm den Umgang mit dem/der Ex verbieten. Dabei ist ihnen weniger das Wohl des Kindes wichtig, nur der eigene Sieg. Das bringt doch niemandem etwas!

Es kann auch passieren, dass die Mutter einen neuen Mann findet. Eine Bestie, die das arme, unschuldige Kind nicht leiden kann, es loswerden will oder schlimmer – es begehrt.
So vieles, solche grausamen Dinge können mit einem so jungen Menschen nach einer Scheidung geschehen!

Ich bin so froh, so dankbar, dass mir nichts von alldem passiert ist. Dass meine Eltern so "erwachsen" mit dem Thema umgegangen sind und zuerst an Lucca und mich gedacht haben.

Doch dabei hege ich Mitgefühl für all die Kinder und Jugendlichen, denen es so viel schlechter geht. Ich überlege oft wie es wäre, wenn ich an ihrer Stelle stünde.

Ihnen ist diese Buch gewidmet, in der Hoffnung dass sie niemals aufgeben, an das Gute im Menschen zu glauben, niemals vom rechten Weg abkommen und stark bleiben.


In dieser Geschichte geht es um einen Jungen Namens Jonas, zum Zeitpunkt der Scheidung jung und sensibel, also genau wie ich damals. Jedoch hat er nicht mein Glück und muss alle nur erdenklichen Dramen einer Trennung mitmachen, wird zwischen die Fronten gebracht, muss viel Leid hinnehmen.
Er hat keine Chance, etwas zu verarbeiten, denn ist etwas verdaut kommt sofort das nächste Unheil heran, überrollt ihn wie ein Zug.
Jonas wird Depressiv, zieht sich ganz aus dem Leben zurück, taucht in eine Scheinwelt. Doch irgendwann ist ein Zeitpunkt gekommen, in dem es nicht mehr geht.
In dem er nicht mehr will, nicht mehr kann.
Irgendwann, seine Eltern haben es so herbeigeführt, sieht er nur noch einen Ausweg…


Sobald dieses eigentliche Buch fertiggestellt ist werde ich es hier auf bookrix.de veröffentlichen:
Scheidungskind – jenseits von Gut und Böse

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 12.01.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Allen Scheidungskindern mit diesem Schicksal, bleibt stark...

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