Mit vierzehn Jahren habe ich bei der Konfirmation mein Glaubensbekenntnis abgelegt. Dort gab ich bekannt, dass ich an Gott den Heiligen Vater glaube, an seinen Sohn Jesus, den er auf die Erde schickte, um seinen Glauben zu verbreiten und an den Heiligen Geist.
Die Heilige Dreifaltigkeit.
Alles habe ich damals genau so gemeint, wie ich es gesagt habe. Niemals hatte ich überhaupt nur daran gedacht, diesen Glauben anzuzweifeln, der doch so vielen Trost spendet. Ich nahm alles hin und glaubte, was man mir über Gott erzählte. Auch ich hatte schon Situationen erlebt, in denen es ein göttlicher Wink gewesen sein musste, dass ich sie überhaupt heil überstanden oder gar überlebt habe.
Heute jedoch denke ich genau in diesen Situationen, dass nicht der Gott handelt, den meine Kirche mir zu vermitteln versucht, sondern eine ganz besondere Macht, die in meinen Augen nicht vom Himmel aus über uns wacht sondern bei uns ist, um uns, in uns.
Wenn man es also genau sieht, habe ich eine Art eigenen Glauben. Und wer mich als Mensch besser verstehen will, sollte sich die folgenden Seiten gut durchlesen, sich vielleicht Gedanken machen.
Wie gesagt, ich will niemandem meine Worte aufzwingen oder eine eigene Kirche gründen. Ich bleibe evangelisch, finde die Kirchengeschichte und die Bibel interessant und zahle brav meine Kirchensteuer an die Gemeinde, damit sie weiterhin so vielen Leuten Trost bieten und Wärme spenden kann. Nicht umsonst ist sie so groß geworden in den letzten Jahrhunderten.
Ich will nur erklären, wie ich zu meinem jetzigen Denken kam und wie dieses genau aussieht.
Das Nachdenken über die Richtigkeit von evangelischen Glauben und der Bibel begann bei mir mit dem Lesen von Büchern wie Scriptum oder Sakrileg und Illuminati. Von dort an wurde ich zum Skeptiker. Ohne Beweise würde ich alles und jedes anzweifeln.
Ich dachte viel darüber nach, dass die Bibel, auf der jeder Pfarrer seine Predigt aufbaut und die ebenso Leitbild für uns alle sein sollte, ja komplett von Menschenhand geschrieben wurde. Mir kommt sie vor wie ein dickes Märchenbuch voller bunter Geschichten. Sowohl das Alte, als auch das Neue Testament. Wenn ich auch nur die Sicherheit hätte, dass einige davon tatsächlich geschehen wären – sofort würde ich zu meinem alten Glauben zurück finden.
Ich bewundere jeden, der abends zum Herrn im Himmel beten kann oder regelmäßig die Kirche besucht. Ich bewundere sie dafür, dass sie all diese Erzählungen aus der Bibel einfach ohne nachzufragen hinnehmen können, so wie ich es früher tat. Das Glauben ist etwas, dass nicht jedem vergönnt ist. Vielleicht kann ich ihn irgendwann wieder erlernen.
Das Alte Testament beinhaltet für mich nichts Nutzbares. Natürlich, die Zehn Gebote sollte man beachten – aber dass Gott sie Moses auf einem Berg diktiert hat, zweifel ich an. Jeder, wirklich jeder würde einem Teile der Gebote vortragen, wenn man fragt, was seiner Meinung nach verboten ist.
Geschichten wie die des Paradieses oder der Arche Noah sind schön und versuchen zu erklären. Aber bei mir klappt das nicht. Ich denke, dass es nur die Geschichten von Philosophen der Antike sind, um der Menschheit ihre Erschaffung und Gottes Macht zu erklären. Wie gesagt, für mich sind es nicht mehr als gut durchdachte Märchen. Die Wissenschaft hat mir ausführliche Beweise vorgelegt, dass wir Menschen nicht im Paradies aus Erde erschaffen wurden, sondern von Einzellern, prähistorischen Kleintieren und Affen abstammen.
Auch der Gott, an den ich glaube, hat Macht, er ist Macht. Auch niederschmetternde Teile dieser Macht werden frei, wenn die Menschen etwas schlimmes Tun. Allein den Nicht-Glauben an ihn bestraft er allerdings nicht. Aber dazu später.
Laut der Heiligen Schrift schuf Gott die Welt in sieben Tagen. Erst Licht, Tag und Nacht, Wasser und Leben auf Erden etc. Was ich mich hierbei immer wieder Frage: ist die Erde in dieser uralten Überlieferung flach, wie man sie damals angesehen hat, oder schon kugelförmig? Das kann man nicht richtig raus lesen und ich fände es sowohl interessant als auch verwirrend, wäre letzteres der Fall. Aber egal, das hat eigentlich wenig mit dem Glauben zu tun.
Jedenfalls finde ich die Urknall-Theorie wesentlich glaubwürdiger. Wie du vielleicht inzwischen gemerkt hast, schlage ich mich sehr auf die Seite der Wissenschaft, die unaufhaltsam ein Buch der Bibel nach dem anderen wiederlegt.
Die Kirche bringt keine schlagfertigen Beweise hervor, dass ist der Knackpunkt. Man könnte meinen, Kirche und Wissenschaft seien die größten Feinde (wie es in einigen Romanen auch toll geschildert wird). Da ich mich etwas von der evangelischen Kirche distanziert habe sehe ich jedoch eine Art Mischung ihrer Begriffe und Wissenschaftlichen Klarheiten als meinen Glauben an. Vor allem die Physik spielt eine große Rolle.
Ich schweife wieder in die Beschreibung meines Glaubens ab, aber die kommt erst nachher.
Nachdem ich also das Alte Testament als Unglaubwürdig abgestempelt hatte, machte ich mich über das Neue Testament her: die Geschichte Jesu, des Sohn Gottes auf Erden.
Jesus hat gelebt, da bin ich mir sicher.
Er war ein Prophet, das liegt ebenfalls klar auf der Hand.
Und er ist am Kreuz wegen Gotteslästerung und Volksverhetzung gestorben, aus Sicht der damaligen Begebenheiten absolut nachvollziehbar.
Aber ich glaube nicht, dass Jesus der Sohn Gottes war.
Er war ein Mann ähnlich Moses, mit Führungsqualitäten.
Er konnte gut reden, Leute für sich gewinnen.
Möglicherweise waren ihm die Gesetze der Juden zu hart und er wollte eine Religion gründen, die den Menschen mehr Freiraum gibt, ihnen mehr Hoffnung schenkt.
Er war ein Revolutionär, seiner Zeit weit voraus.
Er musste am Kreuz als berühmter Mann sterben, der vielen Menschen Mut gemacht hat. Die damalige Regierung hingegen hat einen Störenfried niedergeschlagen, wie es auch in unserer heutigen Zeit noch passiert, wenn einfache Leute aufständig werden und für den Staat eine Gefahr darstellen.
Aber er ist nicht für unsere Sünden am Kreuz gestorben, eine schöne Vorstellung mit Sicherheit aber ich glaube das einfach nicht.
Alles in Neuen Testament, worin Jesus als Wundervollbringer und Gottes Sohn bezeichnet wird, ist meiner Meinung nach Erfunden. Er war ein großartiger Mensch, mehr nicht.
Darum kann ich mir gut vorstellen, dass seine "Fangemeinde" die Evangelien mit diesen Aussagen etwas ausgeschmückt hat, damit sie von mehr Leuten gelesen werden und schneller Verbreitung finden. Sie wollten Jesus Einstellung zu Gott in die Welt hinaus tragen und diese Mogelei war der beste Weg. Eine neue Religion entstand, eine freiere, offenere Religion als alle bisherigen.
Sie ist schön und wie vorher erwähnt ist sie eine Hilfe für Milliarden Menschen weltweit. Aber mein Gehirn weigert sich, etwas als meinen Glauben anzuerkennen, dass wohl auf Lügen und Erzählungen von wildfremden Menschen mit viel Fantasie beruht.
Es ist eine knallharte Aussage, ich weiß. Und ich wünschte wirklich, ich könnte anders darüber denken, aber es geht nicht. Ich kann – und will mir nichts aufzwingen, was ich nicht von ganzem Herzen glaube. Also habe ich mir meinen eigenen Glauben erschaffen, der alle Voraussetzungen erfüllt, die mein Geist und meine Seele einem Glauben stellen.
Es ist irgendwie eine Mischung aus der Kirchenreligion, die mir von klein auf beigebracht wurde und der Wissenschaft, in erster Linie der Physik und Biologie. Diese Meinung, die sich in mir festgesetzt hat, ist schwer zu erklären, aber die meisten Menschen, denen ich sie näher gebracht habe, zeigen Verständnis und finden auch diese Art des Glaubens okay.
Die folgenden Sätze entsprechen einzig und allein meiner Vorstellung von Gott. Er hat in meinen Augen keine Persönlichkeit, also kein Abbild das irgendwo sitzt und uns betrachtet. Es gibt weder "Himmel" noch "Hölle" und Fegefeuer oder etwas Derartiges. Was nach dem Tod kommt weiß ich nicht. Ich glaube weder an die Wiedergeburt, noch an Himmelspforte und Paradies. Es gibt nur Gott und dieser ist auf eine ganz besondere Art und Weise bei uns auf der Erde, sonst nirgends.
Gott stellt für mich alle Kräfte und Materien dar, die Tiere und Menschen zum Leben brauchen.
Gott ist der Sauerstoff in der Luft, die wir Atmen.
Er ist das Wasser, ohne das wir alles Leben aushauchen würden.
Er ist die Strahlung der Sonne, welche die Erde warm hält und uns nicht erfrieren lässt.
Somit ist er um
und in
uns, in Blut und Organen, in Herz und Gehirn und tief im Inneren einer jeder Zelle.
Gott ist die Schwerkraft, die uns auf der Erde hält.
Er ist die Reibung, die beim Bremsen im Auto zwischen Reifen und Straße entsteht und es somit anhalten lässt, bevor Unglücke geschehen.
Er ist die Anziehungskraft, welche die Erde in der Umlaufbahn an die Sonne bindet.
Er ermöglicht uns also ein Leben auf
unserem blauen Planeten.
Gott steckt in allen Instinkten.
Er lässt uns z. B. ganz unerwartet und eigentlich unnötigerweise stehen bleiben und im nächsten Moment rast ein Auto vor uns vorbei, das wir übersehen hatten. Hätten wir nicht gehalten, wären wir voll erwischt worden. Somit glaube ich nicht an Schutzengel, sondern an menschliche Instinkte, die für mich Gott sind.
Wenn ein Baumstamm direkt hinter uns auf den Boden knallt, haarscharf an uns vorbei, dann lag das an einem Instinkt, schneller zu gehen – genannt Glück. Erwischt uns der Baum, haben uns die Instinkte im Stich gelassen – genannt Pech.
Gott ist die Umwelt und Ökologie, über deren Niedergang wir fast täglich lesen und hören.
Wir missachten ihn durch Umweltsünden und erwecken somit seine Wut. Zur Bestrafung verändert die Umwelt – also Gott – das Klima. Wir sollen für unsere Sünden gerade stehen. Es kommt zu wahren Umweltkatastrophen, aus denen wir lernen sollen.
Ich glaube nicht an Bestimmung ab dem Zeitpunkt der Geburt. Nicht zuletzt mein Gott hat zwar zu meiner Erschaffung beigetragen, aber ich habe mein restliches Leben absolut selbst in der Hand.
Ebenso wenig halte ich Schicksal für realistisch.
Ich glaube an die große Liebe und hoffe innig, sie auch zu finden – dass zwei Menschen für einander bestimmt sind ist eine Redeanwendung, mehr nicht.
Eine Kirche im materiellen Sinne oder einen Prediger braucht mein Glaube nicht.
Ich denke, wenn du meine Beschreibung von Gott richtig interpretiert hast, wirst du das verstehen.
Weiterhin gehe ich einmal im Jahr – an Heiligabend – mit meiner gläubigen Familie in die evangelische Kirche. Einige dortige Geschehnisse stimmen mich nachdenklich, und ich denke viel und gerne nach.
Ich habe ein reges Interesse an fremden Religionen, mich interessieren die Regeln und Abläufe, außerdem verhalten sich die Gläubigen in jeder Religion völlig anders. Das fasziniert mich sehr.
Wie gesagt habe ich großen Respekt vor allen, die innig und mit aller Liebe ihrer Herzen an eine Religion wie die der Christen glauben können. Ich bin fast gewagt zu sagen, dass ich neidisch auf sie bin.
Ganz selten Bete ich. In sehr, sehr besonderen Situationen. Ich tue es still und schweigend, betrachte dabei meine gefalteten Hände, spreche von Herzen zu Gott. Ich bin mir nicht sicher, ob ich in diesen so seltenen Momenten zu meinem "neuen" Gott spreche, was ja eigentlich sinnlos wäre oder zum Heiligen Vater meiner "alten" Religion.
Vielleicht gibt es ja irgendwo in meinem Körper noch einen Funken reiner Hoffnung und Glauben an die Inhalte der Bibel, der in diesen Momenten wie ein Leuchtfeuer aufglüht.
Bislang wurde ich in einer solchen Situation erst einmal im Stich gelassen.
Ich hoffe, irgendwann einmal die Wahrheit zu erfahren. Wer oder was ist Gott? Der, den mein eigener Glaube verkörpert? Oder den einer der großen Religionen? Etwas ganz anderes? Vielleicht werde ich die Antwort auf diese letzte Frage ja im Tod erfahren. Wäre immerhin eine schöne Art, endlich Seelenfrieden zu finden um die Welt zu verlassen. Aber bis dahin hab ich noch einen weiten Weg zu meistern.
Lieber Gott, wer, was und wo du auch immer bist… es ist mir egal, ich würde dich ich jeder Form akzeptieren. Ich liebe dich.
Wenn du das Buch wirklich bis hierhin zu Ende gelesen hast, möchte ich dir danken. Jetzt gibt es einen weiteren Menschen auf dieser Welt, der meine Gedanken kennt und mich dadurch wohl weitaus besser Verstehen kann als manch anderer.
Danke.
Viele Liebe Grüße,
dein Patrick.
Hörschweiler, den 10. Januar 2010
Tag der Veröffentlichung: 10.01.2010
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
allen mit Interesse an Leben und Glaube