Langsam öffnete ich die Tür zu ihrem Haus. Nun musste ich es tun.
Sie war mir sehr wichtig gewesen. Ich habe sie immer mal
besucht. Aber ich hatte leider kaum Zeit . Und nun war sie tot.
Meine Großmutter hatte kein tolles Leben gehabt. Als kleines Kind wurde
sie mit ihrer Familie von den Russen vertrieben. Lange war sie mit ihren
Geschwistern und ihrer Mutter auf der Flucht gewesen. Ihren Vater musste
sie zurücklassen, er musste für das Land kämpfen, und sterben.Dann,an der Grenze
nahmen sie ihr das Einzigste , was sie hatte weg,ihre Puppe. Ja ihre Puppe war ihr
Heiligtum gewesen. Ihre Mutter hatte sie genäht und sie hatte sie immer bei sich
gehabt. Dann haben die Soldaten sie ihr weggenommen, und sie ausgelacht, weil
sie weinte. Trotz ihrer zuhnehmenden Demenz erzählte sie immer wieder davon.
Vorsichtig trat ich in das erste Zimmer ihres alten Hauses. Eine leichte Staubschicht
bedeckte das Pakett und die Möbel. Ihr Weihnachtsbaum stand noch in einer Ecke
des Wohnzimmers und obwohl die Tannennadeln schon fehlten, hing ein kleines,
silbernes Glöckchen daran. Sofort ging ich hin und nahm die Glocke, sie hatte so
viele Erinnerungen in sich.
Meine Großmutter bekam die Glocke von ihrer Mutter
geschenkt, als sie noch in ihrer Heimat waren. Sie schafften es sogar, sie unbemerkt
bei der Flucht bei sich zu tragen.
Ich rechnete noch einmal nach, nach Großmutters
Erzählung müsste sich diese Glocke schon über 100 Jahre in unserem Familien-
besitzt befinden.
Vorsichtig packte ich die Glocke ein, ich würde sie gut aufbeahren.
Dann dachte ich an die letzten Weihnachtsfeste. Mein Vater und mein Onkel, also
ihre Söhne machten sich immer einen Spaß daraus, mit der Glocke zu spielen. Meine
Oma haute ihnen dann immer auf die Finger und drohte ihnen spaßig, dass sie die
zwei rausschmeißen würde, wenn sie nicht aufhörten.
Ich ging die Treppe hinauf,
und sah mir die ganzen Familienfotos an.
Nach der Flucht verteilten sich sie und ihre
Geschwister über ganz Deutschland. Ich glaube 1953 heiratete sie und bekam bald
darauf ihren ersten von 4 Söhnen. Kurz danach starb ihre Mutter. Der Tot zog sie
in ein tifes Loch, doch sie rappelte sich auf , für ihren Sohn,ihren Mann und das
zweite, noch ungeborene Kind. Es folgten noch zwei weitere Kinder, mein Onkel
und mein Vater. Von dieser Zeit erzälte meine Großmutter sehr gerne, eine Zeit
ohne irgendwelche Sorgen. Sie erzählte, was ihre Buben immer anstellten und
warum sie immer so viele Probleme mit den Lehrern hatte. Doch leider hielt diese
Zeit nicht lange. Als der jüngste Sohn, mein Vater, gerade mal 10 Jahre alt war,
starb mein Großvater. Doch Großmutter ließ sich nicht mehr in das schwarze Loch
ziehen, sie ging tanzen. Sie tanzte, wann immer sie Zeit hatte. Später wurde sie
sogar Tanzlererin.
Ich ging weiter in den letzten Raum. In der mitte des Zimmers stand ein großer
Tisch. Um ihn herum standen 6 schwarze Stühle. An der Wand neben dem Fenster
hing ein Plakat. Auf dem Plakat war meine Oma mitte 40 zu sehen. Es war Werbung
für ihre Tanzkurse. In einer Bodenvase hinter der geöffneten Tür war ein Baseball-
schläger. In diesem war der Name Frank eingeritzt. Frank war der älteste Sohn von
meiner Großmutter. Ich hatte ihn nie kennengerlernt. Er lag eines morgens einfach
tot im Bett. Er hatte in der Nacht einen Herzinfakt gehabt. Mein Vater hatte mir
erzählt, das meine Oma auch nach den Tod von Frank immer noch zu den Baseball-
spielen gegangen ist und immer mehr zum tanzen gegangen ist. Doch als zwei Jahre
später auch noch ihr zweiter Sohn, Julius bei einem Autounfall gestorben ist, konnte
meine Großmutter nicht mehr. Sie hörte mit dem tanzen auf, und kümmerte sich nur
noch um ihre zwei jüngsten Söhne.
Ich schaute mich weiter in dem Zimmer um. Unzählige alte Zeitungen lagen auf dem
dunklen Parkett. Ich schaute sie mir genauer an. Es waren alles alte Artikel über ihre
Tanzkurse. Ein Artikel viel mir besonders ins Auge. Es war eine Hochzeitsanzeige.
Meine Oma lernte während dem letzten Tanzkurs einen neuen Mann kennen. Meinen
Stiefopa. Von da an war meine Oma glücklich und auch als sie aufhörte zu tanzen,
war er für sie da. Sie heirateten sogar. Ich schaute auf die Wanduhr. Sie zeigte 11.
In einer Stunde musste ich fertig sein. Dann würden mein Stiefopa und mein Vater
kommen, um mich abzuholen.
Schnell schaute ich mich weiter um. Auf der Fensterbank
lag ein Fernglas. Ich stellte mich vor das Fenster und stellte mir vor, wie meine Oma hier
gestanden hatte und die Gegend beobachtet hatte. MIt zuhnehmenden alter wurde Omas
Demenz schlimmer und sie blieb zuhause und schaute dem Weltgeschehen einfach
mit einem Fernglas zu. Neben dem Fernglas lag auch schon das, was ich suchte. Oma
hatte ihr Testament erst kurz vor ihrem Tod geschrieben. Als sie mit einem schlimmen
Schlaganfall ins Krankenhaus kam war sie beidseitig gelähmt, dennoch sagte sie mir, das
wen sie es nicht mehr aus dem Krankenhaus schaffe ich nach einem blauen Umschlag
schauen sollte. Mein Vater blieb den ganzen Tag im Krankenhaus, und kurz nachdem ich mich
verabschiedet hatte, starb sie.
Ich nahm den blauen Umschlag und ging nochmal durch alle Räume um wichtige Erinnerungen
einzusammeln. Dann hörte ich auch schon das Auto von meinem Vater. Ich atmete tief durch und ging
zur Tür hinaus. Noch ein letztes mal schaute ich mich um. Das diese Frau trotz allem nicht den Mut
zum Leben verloren hatte und auch noch lachen konnte bewunderte ich sehr. Möge sie uns in
Erinnerung bleiben. "Und ihr wollt wirklich nicht mehr rein?", fragte ich meinen Stiefopa und meinen Vater.
" Nein" ,antwortete mein Stiefopa und mein Vater sagte:" es sind einfach zu viele Erinnerungen." Mein
Stiefopa fragte:" Hast du alles wichtige geholt?" "Ja",antwortete ich. Der Ausräumdienst konnte kommen.
Wir fuhren weg und ich schaute ein allerletztes mal zum Haus meiner Oma.
Ende
Für Oma R.I.P
Tag der Veröffentlichung: 08.10.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Oma ;*
diese Geschichte ist für dich!
Möge dein Leben allen in Erinnerung bleiben.