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Der Tag des Umzugs kam. Die Kisten waren gepackt. Alle Möbel, die ich mitneh¬men wollte, ausgeräumt und zum Teil für den Transport zerlegt. Dabei wollte mein Noch- Ehemann nicht helfen, es sei ihm zu viel Arbeit. Beim Wiederaufbau wollten er und mein Sohn ebenfalls nicht helfen. Ich musste es akzeptieren. Annika war einerseits über meinen Auszug traurig, andererseits fand sie es ok, damit die Verhältnisse nun geklärt seien. Für mich brachte der Tag ebenfalls eine große Erleichterung. Schon alleine das Pendeln von Trebur nach Worms entfiel, und meine Kräfte ließen langsam nach.
Vor allem die Beziehung zu Roland konnte nun ihren richtigen Weg einschlagen. Wir würden uns nun auch in der Woche wenigstens am Abend immer mal sehen und gemeinsam essen. Ich war glücklich und sah im Moment nur Vorteile durch das Verlassen dieses Hauses. Schmerz ließ ich nicht zu.
Soeben fuhr Wolfgang mit dem Auto vor, das er für mich gemietet hatte. Das Einräumen der Möbel begann. Er und Thorsten wollten erst überhaupt nicht helfen, doch dann sahen sie die Notwendigkeit, wenn auch murrend, ein.
Zuerst lief auch alles problemlos, doch dann musste der kleine Kleiderschrank mit einer Tiefe von 50 cm aus dem Keller die Treppe hoch getragen werden. Statt ihn vorher zu zerlegen, zogen die beiden den Schrank mehr, als dass sie ihn trugen. Und da geschah es: Er passte einfach nicht durch den Spalt zwischen Außentür und Treppengeländer. Ich hielt die Tür weit auf, aber es genügte nicht.
Thorsten und Wolfgang lehnten es weiterhin ab, den Schrank auseinander zu bauen. Ich hielt also nun weiterhin die Tür auf, es knackte bedenklich in den Türbändern, die künftig alle paar Jahre ausgetauscht werden mussten, sie wur¬den einfach zu stark beansprucht, die Tür verzog sich jeden Sommer und Winter durch die Witterungseinflüsse.
Sie schoben und drückten also weiterhin, die Türbänder knackten immer stärker. Das Furnier des Schrankes wurde an den Ecken böse verkratzt und abgeschabt. Die Sturheit der Zwei verärgerte mich unsäglich, doch ich schwieg. Plötzlich ein lautes Krachen! Die Türbänder rissen, die Haustür fiel heraus. Ich hielt sie mit bei¬den Händen fest, damit sie nicht zu stark kippte. Wolfgang machte sich Luft und fing fürchterlich an zu fluchen. Irgendwann hatten die beiden den zerschundenen Schrank ins Auto gewuchtet. Es war auch klar, dass wir zwar das Auto weiter beladen konnten, aber bevor die Tür nicht ausgebessert war, konnten die Möbel nicht nach Worms gefahren werden. Da es noch früh am Vormittag war, erreichte ich in der Schreinerwerkstatt die richtigen Leute. Sie versprachen, gleich vorbei zu kommen und die Tür zu holen. Wolfgang kochte vor Wut und verlangte sogar von mir, dass ich die Reparatur bezahlen solle, und zwar von meinem Verdienst. Was nützte nun der Satz: Hätten sie den Schrank auseinan¬dergenommen, wäre es nicht passiert…. Am Nachmittag wurde die reparierte Tür geliefert und eingehängt. Doch die Stimmung war mehr als geladen.
Wir fuhren mit zwei Autos, Wolfgang mit Thorsten im Sprinter, ich mit meinem PKW hinterher. In Worms gab ich ihnen den Schlüssel zur Wohnung. Einen Plan, wo welche Möbel hinsollten, hatte ich ans Fenster gehängt. Ich musste noch Lebensmittel einkaufen, denn irgendwann hatten wir alle Hunger. Ein Kühlschrank für die Übergangszeit, bis meine Küche geliefert würde, hatte mir Gero, mein ältester Bruder schon in die Wohnung gestellt. Er stand zurzeit bei ihm ungenutzt im Keller seiner Wohnung, wo er mit seiner Frau und den zwei Kindern, wohnte. Auch er plante einen Umzug in ein Einfamilienhaus, aber erst in drei Monaten. Bis dahin stände ja auch meine Küche an ihrem Platz und ich könnte ihm die Leihgabe zurückgeben.
Als ich vom Einkaufen zurück in meine neue Wohnung kam, schaute ich mich erschüttert um: Die Möbel waren einfach irgendwie mit den Kisten in den Raum geschoben worden. Es herrschte das reinste Chaos. Mein Stellplan war überhaupt nicht beachtet worden. Verärgert sagte ich, dass sie den Kleiderschrank an sei¬nen neuen Bestimmungsort stellen sollten. Dann musste mein Schlafsofa an die passende Wand. Ich packte nun das Essen aus, legte es im Papier auf die wild herumstehenden Kisten, verteilte das Campinggeschirr, das ich vorsorglich parat hatte.
Lange hielten sich die beiden bei mir nicht mehr auf. Das Auto musste wieder abgegeben werden, außerdem war ihnen die Tatsache, dass dies nun meine eigene Wohnung war, mehr als unangenehm. Allerdings fragte mich Thorsten noch: „Mama, kann ich das Auto nicht gleich mitnehmen, Du brauchst es doch hier nicht mehr. Annika möchte es doch haben!“
Ich schaute ihn vollkommen irritiert an. Sicher, ich hatte ihr mein Auto versprochen, wenn ich es nicht mehr so brauchen würde, doch so schnell war ich noch nicht bereit dazu. Außerdem war ich der Meinung, einen kleinen Geldwert sollte sie mir schon dafür geben.
So verneinte ich Thorstens Wunsch und erklärte ihm: „Heute nicht, Thorsten, noch brauche ich das Auto. Vielleicht brauche ich es zu Weihnachten nicht mehr. Dann müssen wir auch erst darüber reden, was ich an Geld bekomme, wenn ich es Annika ganz überlasse. Umsonst kann sie es nicht haben!“
Thorsten widersprach sofort: „Warum soll Sie Dir was zahlen, Du bist unsere Mutter, daher muss sie für das alte Auto nichts zahlen. Sie kann es einfach nur besser gebrauchen als Du, außerdem verdienst Du doch jetzt selber Geld.“
Durch den vielen Stress der letzten Zeit überreizt, fuhr ich ihn an: „Ach Du glaubst, ich kann mit dem, was ich in der kurzen Zeit hier verdient habe, schon alles alleine bezahlen und ver¬schenken?“
Ich seufzte, als auch noch Wolfgang das Wort ergriff: „Ach ja, über die Kaution und Miete und den Umzug und die Kosten dafür müssen wir auch noch sprechen. Das zahlst du selbstverständlich zurück, ist ja schon schlimm, dass ich und Thorsten die Zeit dafür aufwenden mussten. Immerhin waren dies unsere Urlaubstage, wir haben also ein Opfer gebracht für Dich.“
Ich fühlte mich, als ob man mir einen Schlag auf den Kopf versetzt hätte. Mit soviel Eiseskälte hatte ich nicht gerechnet. Wolfgang schien sich erst jetzt richtig zu entpuppen, so kannte ich ihn nicht! Er konnte mit seinem verletzten Stolz nicht umgehen. Sie gingen ohne Gruß.
Erschöpft setzte ich mich auf das Sofa und brach aus Wut und Erschöpfung, vor allem sicher auch aus Enttäuschung in Tränen aus. Ich fühlte mich so verletzt und unverstanden. Etwas Kraft kam zurück, und so raffte ich mich auf, schob die restlichen Möbel an ihren endgültigen Platz, schraubte die Regale zusammen, wovon ich eines auf meine kleinen Kommoden stellte, um den Eindruck eines Wohnzimmer- schrankes zu erwecken.
Plötzlich klingelte es. Ich ging an die Sprechanlage, doch da meldete sich nie¬mand. Dann klopfte es an der Tür. Ein Blick durch den Spion ließ mich Freude empfinden: Roland stand dort und wirkte irgendwie geheimnisvoll. Mit einem erzwungenen Lächeln machte ich die Tür auf. Ich trat zurück, denn der Flur reichte nur für eine Person, wenn man sich noch bewegen wollte. Hinter seinem Rücken zog er nun einen Blumenstrauß hervor: lauter rote Rosen, die er mit Schleierkraut hatte binden lassen. Der erste Rosen- strauß, den ich in meinem Leben von einem Mann erhalten hatte. Ich umarmte ihn, brach dabei nochmals in Tränen aus. Roland hielt mich einfach in den Armen, bis ich mich ausgeweint hatte. Dann ging es mir besser. Ich war zwar müde, fühlte mich aber wieder ausgeglichener und strahlte ihn an, als ich die Rosen nun endlich in Empfang nahm. Ich küsste ihn endlich, unendlich schien der Kuss sich auszudehnen. In Ermangelung einer Vase nahm ich einen kleinen Eimer, der noch von der Putzaktion übrig geblieben war. So konnte ich diesen liebevollen Strauß mit Wasser versorgen.
Obwohl ich eigentlich noch viel zu tun hatte, setzten wir uns auf das Sofa, hielten uns in den Armen: „Viel Glück in Deiner ersten eigenen Wohnung, auch wenn sie nur ein Übergang in ein neues Leben ist, Sonja!“
Dies wurde von innigen Küssen begleitet. Ich schmiegte mich in Rolands Arme, die restliche Arbeit konnte am nächsten Tag auch noch getan werden. Doch nach einer kleinen Pause, die mir sehr gut tat, stand Roland auf.
„Komm Sonja, wir schieben die Kisten noch ein wenig beiseite, damit wir den Tisch aufbocken können und die Stühle aufklappen können, das ist beim Essen gemütlicher. Wir weihen Deine Wohnung nun zusammen ein. Ich habe Pizza und eine Flasche Wein bestellt, die werden gleich geliefert. Hast Du irgendwo Gläser?“
Noch während wir die Stühle aufstellten und ich erfolgreich nach den Gläsern suchte klingelte es, der Pizza-Service war gekommen. Roland bediente die Klingelanlage. Ich fand auch die Kiste mit den Bestecken, ebenso einen Korkenzieher, so konnte Roland seinen in der Tasche lassen. In einem anderen Kasten hatte ich die Tischdecken gefunden. Nun erwies sich die mühevolle Beschriftung der Kästen in diesem noch bestehenden Chaos mehr als hilfreich.

Impressum

Texte: Celtic Rose Verlag ISBN: 978-3869000008
Tag der Veröffentlichung: 08.11.2010

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