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Leseprobe



Prollalarm in der Karibik
Von Catarina Monti


Währenddessen nahmen nun die ersten An-zeichen einer wieder nicht völlig normalen See-reise ihren Lauf. Nachdem nun in der Tat Harry Drang dem Taxi entstiegen und mit seiner Frau das Einschiffungsprozedere durch- laufen hatte, betrat er nun über das Promenadendeck wie alle anderen Gäste auch das Kreuzfahrtschiff.

Auch für diesen ersten Auftritt hatte er sich ein besonderes Outfit ausgesucht. Gewandet in ein weißes kurzärmeliges Hemd mit einer Bermuda-hose, ebenfalls in weiß, dazu weiße Socken, schön bis über die halbe Wade gezogen, weiße Schuhe. Nichts wovon man sagen würde, unmöglicher Auftritt, aber dazu hatte er einen weißen, lächerlich großen Tropenhelm gewählt, gepaart mit den alten zerschrammten Koffern wie beim letzten Mal. Jetzt fehlte dazu nur eine Botanisiertrommel. Himmel, hatte der Mensch eine Kreuzfahrt mit einem Ausflug in den Urwald oder in die afrikanische Savanne verwechselt? Das Outfit war trotz allemin Ordnung, aber irgendwie hatte dieser Mann eine Ausstrahlung, die das ganze ins Lächerliche zog. Seine Frau war wie immer nett angezogen, doch man hätte ihr bei einem guten Friseur gerne mal eine Haar- tönung verpasst. Ihr Haar ergraute langsam, nur der Grauton stand ihr einfach nicht gut zu Gesicht und war mit ihrem früheren aschblond durchzogen.

Der Kapitän hatte zwar eine Aufenthaltspflicht an Deck, aber ein Händeschütteln unterblieb bei der Menge der Passagiere, denn weit über 2000 fanden auf diesem Schiff Platz. In seinem Bord-buch aber fand sich für diesen Tag unter Be-merkungen folgende Eintragung: „Ein Passagier schaffte es schon bei seiner Einschiffung unan-genehm aufzufallen, da er nicht zwischen Schiffspersonal und Gästen unterscheiden konnte. Das Verhalten des beleidigten Passagiers war sehr souverän, mein Respekt.“

Nur was war nun wirklich passiert? Wer Mr. Proll noch von der ersten Reise kannte, hätte innerlich schier auf so eine Situation gewartet. Doch diesmal war nicht der erste Offizier das Opfer. An der Reling lehnte ein mittelgroßer drahtiger Mann in einem weißen Nadelstreifenanzug, wozu er ein schwarzes Hemd und einen weißen Hut mit nicht zu großer Krempe trug. Weiße Schuhe rundeten das Outfit ab. Dieser unterhielt sich mit dem Kapitän, dem ersten Offizier und einem weiteren Gast in weißem Anzug, der zu dessen dunkler Hautfarbe einen sehr eleganten Kontrast bot. Sollte man zur Ehrenrettung des Harry Drang sagen, dass die Angestellten ebenfalls weiße Nadelstreifenanzüge trugen, die allerdings mit einem Stehkragen abschlossen? Das sollten Sie als Leser selber entscheiden. Harry Drang stapfte daher auf den Herrn im Nadelstreifenanzug zu, drückte ihm seine Koffer in die Hand, zählte 10 ¤ ab, steckte sie ihm die Tasche mit den Worten: „ So hömma Osama…, Zimmer 210…., is klar? Du bist doch hier der Ober-macker!“ Langsam drehte sich der Gast zu Harry Drang daraufhin um: „Salem!“ Der erste Offizier stöhnte nur auf:„Oh, nein!!!!!!!!!!!!!“
Der Gast nahm die Koffer und brachte sie wortlos in dessen Kabine. Dort genehmigte er sich erst mal eine Soda aus der Kabinenbar. Als er nun auf das Promenadendeck zurück kam, wurde er von einer angenehm fülligen Frau in einem echt entzückend wirkenden Sommerkleid begleitet, unter der sich eine Schwangerschaft langsam abzeichnete. „Ach ich danke für die 10 ¤“, erklärte der Gast ihm sarkastisch, was aber in seinem weichen Deutsch anscheinend bei Harry nicht viel Wirkung erzielte. Nun stellte er sich dem Proll vor und seine Frau ebenfalls. Er entpuppte sich als italienischer Designer für hochwertige Lederschuhe und Besitzer seiner eigenen Schuhfabrikation. Netterweise wies er Harry Drang noch darauf hin, dass er die Kabine neben ihm bewohnen würde. Mr. Proll steckte dies wie schon im letzten Jahr relativ ungerührt weg.

Der farbige Herr, der mit seinen über 2 m Länge und Figur einem Baseballspieler glich, schaute sich Mr. Proll interessiert lächelnd, ja fast schon nachdenklich an, schien dabei aber auf eine ironische Art noch amüsiert zu sein. Als Harry Drang sich nun in die Kabine begeben wollte, wurde er auf halben Weg zum Abgang vom dem eleganten Schwarzen mit einem typischen amerikanischen Akzent angerufen: „ Hey Harry, come here back!“ Harry Drang, der seine Neugierde anscheinend nicht bezähmen konnte, drehte sich um und kam wieder zurück, während seine Frau sich schon zur Kabine begab. Der Amerikaner nahm ihm den Hut ab, hob nun seinen Arm und legte ihn auf die Halbglatze des Proll. Jetzt pustete er kurz auf den Kopf, danach polierte er mit seinem Ärmel diese gut eine Minute lang. Dabei brauchte er sich nicht sonderlich zu recken, denn Harry Drang war ja nur gut 1,60 m groß, ließ ihn dann mit den Worten gehen: „ Hello, I am here the Bordmasseur!“, die englisch-deutsche Mischung des Satzes hatte bei den Umstehenden eine prompte Wirkung.

Proll verließ das Deck, der 1. Offizier rief nur:
„Aaaaaauuuuuuaaaaaaa!“, entfernte sich brüllend vor Lachen in Richtung der Toiletten. Auch die anderen Mitglieder der Gruppe schütteten sich vor Lachen schier aus.

Nun lag es vor ihnen, das helle Anlegergebäude. Mit ihren Koffern und den Reisetaschen gingen Johannes und Janina nun auf den Eingang zu. Dank der Rollen an den Gepäckstücken war dies bequem zu bewältigen. Hoch ragte das weiße Schiff hinter dem Gebäude auf. Es war noch prächtiger und größer als im Winter auf ihrer Verlobungskreuzfahrt. Die bereits eingeschifften
Gäste bewegten sich auf den Promenadendecks und schienen sich mit ihrer Heimat für die nächsten vier Wochen vertraut zu machen.

Das Einschiffen ging schnell vor sich. Mit der Rolltreppe fuhren sie diesmal mit ihrem Gepäck und der Kabinen- nummer hinauf zum Promenadendeck. Als sie nun aus dem Gang auf das Schiff traten, wich Janina im ersten Moment fast zurück. Die Schiffsaufbauten ragten noch mal gut 6 Stockwerke vor ihr auf. Die „Queen Esmeralda“ schien auf den ersten Blick doppelt so groß zu sein wie ihr Schwesternschiff. Die „Queen Esmeralda“ maß 315 m, war 36 m breit und wies eine Gesamthöhe von 55 m auf, wovon 40 m über dem Wasser zu sehen waren.

Zur Begrüßung standen Kapitän Claus und der erste Offizier bereit, der auch kein Fremder mehr für sie war. Janina und Johannes hatten nicht gewusst, dass Claus seine Führungscrew mitgenommen hatte auf das neue Schiff, dessen Jungfernfahrt sie nun mitmachten. Freude leuchtete in den Augen des Kapitäns auf, als Janina und Johannes nun das Deck betraten. Zwei Stewards kamen auf sie zu, nahmen das Gepäck ab, ein Geldschein wechselte diskret den Besitzer. Claus umarmte die Beiden und stellte ihnen die drei Gäste vor, die ihren ersten Zusammenstoß mit Harry ja schon hinter sich gebracht hatten. Salvatore Danti und seine Frau Jolanta und der Amerikaner, der sich als Pete Lewinson vorstellte, gefielen dem jungen Ehepaar nach dem ersten Small Talk bereits sehr gut. Nun kam auch noch die Ehefrau von Pete hinzu, die sich als Marisha vorstellte und anscheinend ebenfalls schwanger war. Erstaunt allerdings war man, als man erfuhr, dass der Geburtstermin schon in 3 ½ Wochen bevorstand.

Johannes allerdings bekam leuchtende Augen, als er Petes Namen erfuhr. Es war der Starpianist eines weltbekannten Gospelchores. Johannes, selber ein Fan der Gospelmusik, outete sich hier erstmals als sehr guter „Hobby“- Schlagzeuger. Er hatte schon mit bekannten Musikgrößen wie Tina Turner oder Phil Collins gespielt, sich aber dann doch für den Beruf des Flugkapitäns entschieden. Allerdings stand er noch immer gerne für Konzerte bereit, wenn eine Aushilfe gesucht wurde und es seine Zeit zuließ. Mr. Lewinson ließ durchblicken, dass auch sein Freund und Kollege, der Bassist Randolf Newing, mit seiner Frau und der 5 Jahre alten Tochter an Bord sei. Sofort war die Idee geboren in der Piano Bar Jazz-Sessions zu geben. Kapitän Claus erklärte den Weg zu dieser Räumlichkeit. Die Damen wollten noch an Deck bleiben und die Sonne genießen. „Ich warte auf Andrew und Masuki, geh Du nur mit“, meinte Janina lachend, die die Anziehung eines guten Schlag- zeuges auf Johannes ja kannte.

Kurze Zeit später kamen auch Andrew und seine Frau mit Baby Akitha an Bord. Janina nahm das kleine Mädchen auf den Arm, das sie mit einem Lächeln belohnte, das sie seit einigen Tagen be-herrschte, wie Masuki ihr mitteilte. „Kaum sieht man die Kleinen mal eine Woche nicht, machen sie riesige Fortschritte“, stellte Janina fest, ver-zaubert vom charmanten Lächeln des Babys. Nachdem Andrew der Weg in die Piano-Bar er-klärt worden war, wollte er die Reisegefährten, von denen Janina kurz berichtet hatte, sofort kennen lernen. Andrew war ebenfalls ein sehr guter Hobby-Musiker, der in seiner eigenen Band spielte. Die Damen blieben nun fast allein zurück. Claus verabschiedete sich nun, er musste die ersten Vorbereitungen zum Ablegen überwachen.

Die Damen suchten nun einen Platz im Schatten des Sonnendecks unter den grün-weiß gestreiften
Schirmen. Die Begegnungen mit Proll verdienten es noch einmal erzählt zu werden. Jolanta berichtete, was sie mitbekommen hatte, auch was ihr Salvatore erzählt hatte. Das herzhafte Gelächter des Quartetts klang immer wieder über das Deck. Da Akitha ein sehr zutrauliches Wesen zeigte, wenn jemand von den Eltern mit anwesend war, wurde sie zwischen den Frauen herum gereicht, wobei Marisha sie am schwersten nur hergab. Sie dachte an ihre bald bevorstehende Geburt.


2. Schiebetüren und Mikrowelle im Kleiderschrank

Andrew holte die langsam gehenden Herren schnell ein. Er wurde von Johannes begeistert begrüßt und den anderen beiden Herren vor-gestellt. Sehr schnell fand man über die Musik den Weg zu gemeinsamen Themen. Sie er-reichten nun die Piano-Bar. Dort füllte ein schwarzglänzender Steinway-Flügel eine Ecke des Raumes aus. Die kleine Mannschaft der Band überprüfte gerade den Klang der Instrumente. Man war gerade im Soundcheck. Schon hier ließ sich die hohe Qualität ihrer Leistung erkennen. Pete Lewinson begrüßte mit einer sehr charmanten Schnodderigkeit die Musiker: „Hey, my Spongebobs, magnificent Piano there, very nice!“ Dabei drehte er erst mal sogleich den Hocker auf die niedrigste Stellung, damit er an das Instrument passte. Alles lachte herzhaft miteinander. Die Band hatte man längst auf das Kommen der Herren vorbereitet. Johannes probierte das Schlagzeug aus, wobei man nun absprach, wann die soeben gebildete neue Band ihre Auftritte hätte. Nun kam noch Randolf hinzu, probierte den Bass aus. Deutlich zeigte er seine Zufriedenheit mit dem Instrument. Hier übernahm Pete die Vorstellung. Der einzige Nichtmusiker, als der sich Salvatore outete, genoss die fröhliche Stimmung und sparte nicht mit Lob. Erst später fiel auf, dass dies eher ungewöhnlich bei ihm war. Man ging einträchtig zu den Damen auf das Promenadendeck zurück. Zusammen genossen sie den späten Nachmittag und das Ablegen an Deck, bevor man sich zu den Kabinen begab. Die Kabinen waren nach der Sitzverteilung am Kapitänstisch beim Dinner verteilt worden, wie sich hinterher herausstellte.

Johannes und Janina packten gerade ihre Koffer aus, als ein Krachen und Splittern ertönte. Erschrocken liefen er und Janina in den Gang. Auch die Gäste der angrenzenden Kabinen traten auf den Gang. Die Tür zur Kabine von Harry Drang öffnete sich, seine Frau gab den Blick in die Suite dabei frei. In echter Prollmanier hatte Harry es geschafft, die Tür des Schiebeschranks aus der Verankerung zu reißen. So war diese herausgebrochen und lag in Scherben auf dem sandfarbenen Boden der Kabine verteilt. Der Kabinensteward verständigte nun die Schiffswerkstatt, damit eine neue Schiebetür eingesetzt werden könnte. Als man Proll fragte, wie dies geschehen konnte antwortete er nur: „Ich habe die Schranktür nicht aufgekriegt, die Tür ließ sich nicht nach außen öffnen.“ Alle schauten irritiert. „Eine Schiebetür wird geschoben, wie der Name schon sagt!“ stellte Johannes fest. Harry schien sich vom Schrecken schon vollkommen erholt zu haben. „Hömma, Pilooth, is ja janz dufte, wohnen wa wieder nebeneinander. Sitze mit meiner Traudel wieder beim Kaptän, is doch dufte, ne?“ Dies war für die Bewohner des Ganges ein Startsignal, sie gingen in die Kabinen zurück, und öffneten ihre Briefe. Sie alle durften sich auf einen Platz am Kapitäns-tisch ‚freuen‘, nur Johannes und Janina sowie Andrew und Masuki waren nicht überrascht, über Claus hatten sie schon im Vorfeld von dieser Sitzordnung gehört.

Innerhalb der nächsten 1 ½ Std. allerdings wurde das Feld „sonstige Bemerkungen“ im Logbuch des Kapitäns um zwei Eintragungen erweitert. <Passagier Mr. Drang reißt mit roher Gewalt die Tür des Kleiderschrankes heraus, wobei es sich hier aber um Schiebetüren handelte.>< Passagier Mr. Drang beschwert sich über nicht funktionierende Mikrowelle in der Suite.> Warum aber schien der Kapitän sich ausschütten zu wollen vor Lachen? Auf Jungfernfahrten kommen ja immer wieder mal kleinere Mängel hoch, die überarbeitet werden müssen. Ohne besonders neugierig zu sein, spielen wir doch mal Mäuschen, damit wir erfah-ren, was dies nun wieder zu bedeuten hatte. Der Kleiderschrank war nun repariert worden, und die Handhabung wurde ebenfalls noch mal Harry Drang erklärt.

Bis zum Abendessen dauerte es aber noch eine Weile, daher beschloss Harry, sich noch einen Sandwich zu überbacken. Im Wohnzimmer der Suite konnte man in den Schränken Geschirr und Besteck sowie einen Wasser- kocher, dazu noch Tee, Kaffee und Instantkakao finden. Aber Kochplatten oder Backofen fehlten, wozu auch, der Steward brachte einem ja alles aus der Bordküche. Jetzt erreichte ein Anruf die Rezeption. Er wurde an eine deutsche Mitarbeiterin weitergeleitet. „Hömma, Miss do oben, was soll denn das, da is eine Mikrowelle im Schrank, nur funktionieren sollte die auch „Was soll das, hier is aber ne Mikrowelle im Schrank, dann soll die auch funktionieren, bestellen Sie daher ma den Techniker, sowas ha’m Se ja doch wohl auf‘m Kahn!“ Die Angestellte an der Rezeption nahm alle ihre gute Erziehung zusammen: „Bitte, Herr Drang, verstehen Sie mich richtig. Es gibt keine Mikrowelle an Bord in den Kabinen. Wo bitte soll sich diese befinden in der Kabine, können Sie mir das erklären?“ „Ei, ja, im Schrank, Mädche, kennst De die Ausstattung des Schiffes denn nicht?“ So langsam geriet die Angestellte in Ver-zweiflung und Wut. Was war das? Eine neue und dumme Art jemanden anzusprechen oder war es jemand, der unfähig war den Argumenten von anderen zu folgen? „Herr Drang, es gibt keine Mikrowelle in den Kabinen an Bord! Wo befinden sie sich denn in Ihrer Kabine, in welchem Schrank ist denn Ihre „Mikrowelle“, die es nicht gibt an Bord, wie ich noch mal betonen möchte.“ „Ei, ich stehe hier vor dem Spiegelschrank, da ist doch der Mikrowellenkasten drin, nur der funktioniert eben einfach nicht!“, erschallte es ärgerlich aus dem Hörer. Mit einem irritierten Blick und mit Erleichterung in der Stimme erklärte die arme Angestellte: „Herr Drang, das ist der Zimmersafe, der sich im Kleiderschrank befindet. Wer baut denn schon eine Mikrowelle in einen Kleiderschrank ein. Das ist doch ein klein wenig unlogisch, oder?“ „Mist“, meinte unser Proll nun, „dann muss ich eben das Brot kalt essen.“ Ohne einen weiteren Dank legte er auf. Seine Frau schaute ihn kopfschüttelnd an, dann drehte sie ihr Gesicht ab, um ihr Lächeln zu verbergen. Die Angestellten an der Rezeption allerdings ließ er fassungslos zurück ob dieser Verwechslung.


Impressum

Texte: Catarina Monti mit TZ-Verlag & Print GmbH
Tag der Veröffentlichung: 25.05.2010

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