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Wie ich das finde?! Scheiße! Ich will nicht weg von hier, nur weil du ein beschissenes Jobangebot bekommen hast!“ ,schreie ich aufgebracht und verlasse den Raum wütend, verletzt und verzweifelt zugleich.
Was glaubt mein Vater denn? Sollte ich mich etwa freuen, meine Freunde, meine Wohnung und überhaupt mein gesamtes Leben zu verlassen? Ich will nicht weh. Ich will hier bleiben. Hier, Zuhause.

Regen schlägt gegen das Fenster. Ich schaue auf den Garten. Unkraut wächst im leeren Gemüsebeet und das Gras wildert langsam zu einem Urwald heran. Keine Möbel, keine Blumen, kein Zuhause. Stirn runzelnd betrachte ich mein „neues Zimmer“. Kisten stapeln sich über Kisten, das Bett ungemacht, der Schrank ebenfalls nicht eingeräumt. Hier werden wir glücklich, sagte meine Mutter. Und ich dachte: „In einem alten Haus, in einem abgelegenen Dorf, weit entfernt von der mit bekannten lebendigen Stadt? Niemals.“

Es klingelt. Da meine Eltern und meine 3-jährigen Zwillingsbrüder Möbel einkaufen gegangen sind, stehe ich auf und schlurfe seufzend zur Haustür. Als ich öffne, macht mein Herz einen gefährlich heftigen Sprung und ich befürchte an einem Herzinfarkt mein Leben lassen zu müssen. Dann muss das also der Nachbars junge sein. Von meiner Mutter hatte ich erfahren, dass er gleich alt sei, doch sie hatte mit keinem Wort erwähnt, dass er so wahnsinnig gut aussähe.
Etwas größer als ich. Schlank und trotzdem muskulös. Braungebrannt. Kurze, braune, verwuschelte Haare. Hellgrüne, leuchtende Augen. Blaues T-shirt, trotz des Regens und eine lässige stone-washed Hose. Im allgemeinen unglaublich süß.
Er lächelt mich breit an: „Hi, ich bin Ben. Und wie heißt du?“ Die Hände in die Hosentaschen gesteckt.

Okay, behalte jetzt die Nerven. Es ist nur ein Junge, wie jeder Andere. Trotzdem bekomme ich weicher Knie, weshalb ich mich am Türrahmen abstütze und versuche wenigstens etwas entspannt zu wirken. Doch ich befürchte, dass es mir nicht sehr gut gelingt, da Ben etwas verwirrt drein schaut. Verdammt.

„ Ehm... Ich bin Lennon. Kannst mich aber Leni nennen.“ stammele ich vor mich hin. Gequältes Lächeln.

Ich senke den Blick. Es ist mit irrsinnig peinlich, dass ich nicht hervorbringe. Streiche mir eine Strähne aus dem Gesicht, die aus meinem losen Dutt gerutscht ist. Schiebe mir die Hände ebenfalls in die Hosentasche, da ich sie nicht sonst wohin weiß.
Gedankenblitz. „Willst du nicht reinkommen?“, frage ich erleichtert etwas sagen zu können. „Ja, klar.“ kommt es von ihm zurück. Ich führe ihn durch den Flur, den wir gerade schokobraun streichen, durchs Wohnzimmer, vorbei an dem noch eingepacktem blauem Sofa. Er wirft einen kaum merklichen kurzen Blick in die Küche. Oben angekommen setze ich mich auf die Fensterbank. Ziehe die Beine an. Ben setzt sich auf das ungemachte Bett. Es knarzt als er sich hinsetzt. Er grinst. Ich grinse.
Nun fragt er mich wann wir angekommen sind. Gestern Morgen. Er mustert mich.
„Wie alt bist du?“, fragt er.
„15. Und du?“
„Ebenfalls. Du siehst älter aus.“
„Wie alt?“
„16.“, meint er lächelnd.

Er mustert mich wieder. Er macht mich nervös. Ich war nicht auf einen Besuch vorbereitet, vor allem nicht von einem Jungen. In meinen Kuschelsocken, einer Röhrenjeans, dem dunkelrotem Langarmshirt und dem chaotischem Dutt, fühle ich mich völlig fehl am Platz. Als nächstes steht er auf. Kommt au mich zu. Er bleibt vor mir stehen und schaut mich tief an. Jetzt steht er sehr nahe. Ich spüre seine Wärme. Er wendet den Blick ab. Schaut auf seine Schuhspitzen. Wieder zu mir auf. Beißt sich auf die Lippen. Seine Augen fixieren nun meine Lippen. Nun kommt er näher. Näher. Näher. Ich spüre seinen Atem. Trommelwirbel. Dann, seine Lippen auf Meinen.
Die Zeit scheint augenblicklich still zu stehen. Ich erwidere den Kuss.
Mir strömen tausend Gedanken auf einmal in den Kopf:
Was tue ich hier eigentlich!
Ich kenne diesen Typ seit ungefähr seit 15 Minuten, kenne seinen Namen und sein Alter, mehr nicht?! Doch warum fühlt es sich dann so gut an, so als würde ich ihn schon immer kennen, so richtig? Mein erster Kuss, mit einem Fremden? Was soll das?
Ruckartig stoße ich ihn weg. Springe auf. Meine er soll gehen, bitte. Er schaut sehr nachdenklich aus, fast schon verwirrt. Ich denke, dass er auch alleine sein will. Hoffe ich. Mit einem: „Man sieht sich.“, verschwindet er.

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Tag der Veröffentlichung: 15.01.2012

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