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Ein perfektes Leben


Ich stöhnte, als das leise, immer lauter werdende, nervige klingeln meines Weckers an mein Ohr drang.
Ein wenig murrend stülpte ich mir mein Kissen über die Ohren, aber keine Chance.
Kurz spielte ich mit dem Gedanken, das Ding mit einem gezielten Tritt gegen die Wand zu befördern und einfach weiterzuschlafen, doch ich wusste, das es im Endeffekt sowieso nichts bringen würde.
Also setzte ich mich schlussendlich doch mürrisch auf, schlüpfte blind in meine Pantoffeln, die ich am Bettende platziert hatte, und schlurfte langsam in Richtung Badezimmertür.
Als ich die Klinke herunterdrückte, stieß ich einen entnervten Seufzer aus. " Steve ..." flüsterte ich gereizt, aber doch so laut, das mein reizendes Bruderherz mich hören musste.
"Hm?" machte es nur von der anderen Seite. Ich machte mir nicht die Mühe, auf diesen Laut zu antworten.
Stattdessen klopfte ich feste gegen die Tür, und mit einem leisen klicken öffnete sich selbige. Ich blickte verschlafen in sein Gesicht.
Auch wenn eine Schwester eigentlich nicht so denken sollte, sah er verdammt gut aus, wenn seine nassen, schwarzen Haare so locker in sein markantes Antlitz fielen.
Er zog einen Mundwinkel zu einem schiefen Grinsen hoch, und sofort bildete sich ein kleines Grübchen.
Man, es war kaum zu glauben, das wir wirklich Geschwister waren. Meine schwarzen, mittellangen Haare fielen langweilig über meine Schultern, ich hatte für meinen Geschmack viel zu blasse Haut, und mein Pony verdeckte den größten Teil meiner Smaragdgrünen Augen. "Willst du etwa hier rein, Schwesterlein?" fragte Steve, und ein wenig Spott war aus seinem Ton herauszuhören. "Hatte ich vor..." erwiderte ich.
Wieder dieses Grinsen. "Dann wirst du wohl noch etwas warten müssen." Meinte er, und noch im selben Atemzug schlug er mir die Tür vor der Nase zu.
Ich seufzte erneut. Es hatte keinen Sinn, sich jetzt mit ihm in die Köpfe zu kriegen, also schlurfte ich einfach die Treppe hinunter.
Am Esstisch saßen bereits meine Eltern, Vater mit der Nase in der Zeitung, Mutter beschäftigt mit ihren Fingernägeln.
Lautlos setzte ich mich einfach dazu und stützte meinen Kopf in meinen Handflächen ab. "Guten Morgen, Candy." Sagte mein Vater, ohne von der Zeitung aufzublicken.
"Mhm.." war meine Antwort. Dann drehte ich mich meiner Mutter zu.
"Mom?" Keine Antwort. "Mom, was gibts zum Frühstück?" Nun drehte meine Mutter sich doch zu mir um und sah mich ungläubig an.
"Soll das ein Witz sein? Wenn du essen willst, dann mach dir selbst was.
Ich bin doch nicht dein Hausmädchen." Meinte sie und wandte sich wieder ihren Nägeln zu. Mir war der Appetit vergangen, und so schlurfte ich die Treppe wieder hoch, um zu sehen, wie weit Steve nun war.
Schon auf dem Flur kam er mir entgegen.
Im vorbeigehen legte er mir eine Hand auf den Kopf und wuschelte mir durch die Haare. Hätte ich sie mir schon gestylt, hätte ich sie ihm wahrscheinlich abgehackt. "Schwesterherz, du solltest dich beeilen." meinte er grinsend.
Ich hatte keine Ahnung was er meinte. Dann erst fiel mir ein, das ich schon länger nicht mehr auf die Uhr gesehen hatte.
Ich ging in mein Zimmer und hob meinen Wecker auf Augenhöhe, um die Ziffern zu lesen. Dann stieß ich einen Schrei aus.

"Candy?" Die Worte meiner Freundin hallten wie aus einer fremden Dimension zu mir herüber.
Gott, war ich müde. "Candy, du starrst die ganze Zeit die Wand an." Murmelte Melody und wedelte mir vorm Gesicht herum.
Wir saßen in der Cafeteria unserer Schule und wollten eigentlich etwas essen.
Allerdings hatten wir uns nach einem Blick auf die Speisekarte doch nochmal um entschieden.
Ich fühlte mich, als würden meine Augen jeden Moment zufallen. Doch plötzlich war ich hellwach. Denn ER betrat den Raum.
Henry. Wir waren jetzt seit ungefähr einem Jahr zusammen, und so richtig konnte ich mein Glück immer noch nicht fassen.
Er war eine Klasse über mir, hatte blondes, strubbliges Haar und eisblaue Augen.
Doch er sah irgendwie so ernst aus. Henry setzte sich zu uns an den Tisch, doch seltsamerweise mir gegenüber als neben mir.
Er sah mich ernst an. "Candy? Kann ich nach der Schule mal mit dir reden?" fragte er.
Oh oh. Ich spürte wie mein Hals trocken wurde.
"Ich muss mal mit dir reden" bedeutet ungefähr so viel wie "Es ist aus, Babe. Aber wir können Freunde bleiben, wenn du willst". Ich nickte.
Hätte ich gesprochen, wäre meine Stimme wahrscheinlich absolut kratzig gewesen. "Gut." meinte er, stand ohne ein weiteres Wort auf und ging zu seinen Freunden an den Nachbartisch.
Ich sah ihm hinterher, und insgeheim verabschiedete ich mich schon mal von meiner Teenie Romanze. Warum eigentlich immer ich? Ich ließ meinen Kopf auf die Tischplatte knallen. Ein stechender Schmerz durchzog meine Stirn daraufhin, aber ich ignorierte es.
Der Rest des Schultages schlich an mir vorbei, ohne das großartig etwas davon hängen blieb.
Als ich mit weichen Knien auf den Fahrradständer zuging, an dem ich mich mit Henry treffen sollte, hoffte ich immer noch, das es nicht darauf hinaus laufen würde, von dem ich glaubte, das es so endete.
Als ich ihn schon mit einem Mädchen dort stehen sah, starb auch das letzte Fünkchen. Ich räusperte mich, er drehte sich zu mir um.
Auch das Mädchen sah mich nun an. Sie hatte braune, lockige Haare, die ihr locker über die Schulter fielen, und einen absoluten Traumkörper.
Sie beäugte mich spöttisch, und plötzlich fühlte ich mich noch unwohler, als vorher. Warum kann der Boden unter meinen Füßen nicht just in diesem Moment nachgeben und mich für immer verschlucken?
Henry holte Luft und setzte zum reden an. „Candy, es tut mir Leid.“ Begann er.
Na Super. Gerade wollte er weiterreden, da legte ich einen Finger an meine Lippen und bedeutete ihm, still zu sein.
Dann setzte ich ein lächeln auf. „Ist schon Okay. Ich freu mich für euch.“ Versuchte ich das Gespräch etwas kürzer und Schmerzloser zu Gestalten, während ich gegen die Tränen ankämpfte. Natürlich war das glatt gelogen, aber die Situation war eindeutig und ich hatte keine Lust, das Henry auch noch Salz in die Wunde streuen würde.
„Ich äh .. geh dann mal ..“ Murmelte ich, drehte mich um rannte prompt vor das erste Fahrrad in der Schlange. Wie in einem Dominoeffekt kippten noch zwei weitere um. Ich seufzte und begann, sie wieder aufzustellen.
„Hey, soll ich dich nach Hause bringen?“ fragte Henry, der wohl ein schlechtes Gewissen hatte. Er legte eine Hand auf meine Schulter.
Jetzt brachen alle Dämme, und ich schlug seine Hand weg.
Dann stand ich auf und verbarg mein Gesicht.
Schließlich wollte ich nicht, dass er mich weinen sieht. Diese Befriedigung wollte ich ihm nicht gönnen. Dann rannte ich nach Hause.
Ich riss die Tür auf und pfefferte meine Tasche in die Ecke, ignorierte das gemecker meiner Mutter und stürmte die Treppe hinauf.
Und rannte direkt meinem Bruder in die Arme.
Unsanft fiel ich zurück auf meinen Hintern, Steve blieb natürlich stehen wie ein Felsen. „Hast du denn keine Augen im Kopf?“ fragte er, etwas genervt.
Ich sah zu ihm hoch und vergaß kurz, wie ich aussah.
Meine Augen waren Blutunterlaufen, meine Schminke verwischt.
Plötzlich änderte sich seine Miene von einer wütenden in eine besorgte. „Hey, was…“ fragte er, doch ich ließ ihn nicht ausreden, sondern sprang auf, rannte in mein Zimmer und knallte die Tür zu.
Dann schloss ich ab, warf mich auf mein Bett und ließ die Tränen laufen. Ich weiß nicht wie lange ich dort lag, als es plötzlich an meiner Tür klopfte.
„Candy? Kann … ich reinkommen?“ hörte ich Steve rufen.
Ich wischte mir die Tränen ab, machte mir aber nicht die Mühe, meine Kleidung zu richten. Langsam schlurfte ich zur Tür, schloss sie auf und blickte in das Gesicht meines Bruders. Er ging an mir vorbei und setzte sich einfach auf das Bett.
Dann klopfte er auf die Stelle neben sich. Ich ließ mich neben ihn fallen und blickte starr an die Wand gegenüber.
Er räusperte sich nervös, offensichtlich war es ihm unangenehm, und er wusste nicht, was er sagen sollte. „Ähm..“ begann er, hielt dann aber inne.
Und plötzlich riss ich überrascht die Augen auf, als er auf einmal seine Arme um mich legte und mich ein wenig an ihn heran zog.
„Ich weiß nicht, was passiert ist, und warum du weinst..“ flüsterte er, dann lächelte Steve.
„Aber jeder, der meiner kleinen Schwester wehtut, bekommt es mit mir zu tun. Merk dir das, ja?“ Ich sah ihn verwundert an.
Dann lächelte ich vorsichtig und nickte leicht.
Dann strich er mir leicht durch die Haare und hielt mich noch ein wenig im Arm. Gott, wenn er nicht mein Bruder wär, dann… Plötzlich stand er auf und ging zur Tür.
Dann drehte er sich um und grinste mich an. „Du solltest dein Gesicht waschen, schließlich siehst du aus wie ein Zombie.“ Meinte er und verschwand.
Da war er wieder, der gemeinte, unausstehliche, große Bruder.
Dennoch lächelte ich ein wenig. Er hatte es tatsächlich geschafft, mich aufzuheitern. Dann erst fiel mir wieder ein, was er gesagt hatte.
Zombie? Wieso? Ich stand auf und ging zu dem kleinen Spiegel, der über meinem Schrank hing und erschrak selbst ein wenig.
Also übertrieben hatte Steve auf keinen Fall.
Meine Augen waren blutunterlaufen, mein Gesicht total blass und mein Make up absolut verschmiert.
Wütend versuchte ich, mir das Zeug aus dem Gesicht zu schrubben.

Wär ich mal besser im Bett geblieben...

In der darauffolgenden Nacht schlief ich sehr unruhig. Der Traum hatte keine wirkliche Handlung, es waren nicht mal richtige Bilder zu sehen. Und doch hatte er etwas von einem Albtraum, etwas … Bedrohliches. Vielleicht ahnte ich ja schon etwas von dem schrecklichen Ereignis, das sich am nächsten Tag ereignen sollte. Schweißgebadet wachte ich am nächsten Morgen auf und sah schlaftrunken auf meinen Wecker.

In einer halben Stunde würde er sowieso klingeln, weiterschlafen lohnte sich also nicht. Dann beschlich mich eine Idee, die mich zum lächeln brachte. Ich könnte die erste im Bad sein, noch vor Steve. Diesmal könnte ich die böse sein, die Stundenlang das Bad blockiert und ihn zur Weißglut bringt. Ich öffnete meine Zimmertür und schlich an seiner vorbei. Schließlich wollte ich ihn nicht wecken.

Nun war ich also im Bad, genoss meine Triumphierende, innere Befriedigung und begann, mich für die Schule fertig zu machen. Gerade wollte ich nach meinen Anziehsachen greifen, da fiel mir auf das ich sie gar nicht mitgenommen hatte. Also kam ich aus dem Bad und tapste ebenso leise wie gerade eben in mein Zimmer, um meine Tagesgarderobe zu holen.

Zufrieden mit meiner heutigen Auswahl ging ich also zum Badezimmer zurück und drückte die Klinke hinunter. Die Enttäuschung stand mir förmlich ins Gesicht geschrieben. Noch einmal versuchte ich es. „Da bist du wohl zu spät aufgestanden!“ hallte es von der anderen Seite der Tür. Ich trat ein wenig wütend gegen die Tür. Wenn der wüsste. Also zog ich mich wohl oder übel in meinem Zimmer um. Als ich fertig war, ging ich nach unten und machte mir nicht die Mühe, meine Eltern zu grüßen. Meine Tasche lag noch von Gestern im Flur, und so schnappte ich sie mir und verschwand durch die Tür.

Kurz streckte ich mich in der frischen Morgenluft und ging meiner Wege. Was nun passierte, oder besser, wie es passierte, kann ich mir bis Heute nicht erklären. Ich hatte nicht einmal großartig etwas davon mitbekommen, aber es veränderte mein ganzes Leben.Nur noch über diese Straße, dann würde ich in der Schule sitzen, mich zu Tode langweilen, die spöttischen Blicke von Henry und seiner tollen, neuen Freundin, die übrigens Thea hieß, antun und die manchmal ziemlich nervenden Probleme meiner besten Freundin Melody lösen müssen. Seufz. Ich beobachtete, wie die Ampel nach einer schier endlosen Zeit endlich auf grün sprang, und ich meinen ersten Fuß auf den Asphalt setzte. Dann den zweiten.

Und plötzlich hörte ich es. Ein lautes hupen drang an mein Ohr. Ich drehte meinen Kopf zur Seite, und erblickte einen Lastwagen, der genau auf mich zuraste.

Die Ampel war rot für ihn. Natürlich würde er anhalten müssen. Doch irgendetwas in seinem panischen Gesichtsausdruck verriet mir, das er nicht anhalten würde. Es ist schon erstaunlich, wie viele Gedanken einem in so einem kurzen Moment durch den Kopf gingen.

Was würden sie wohl auf meinen Grabstein schreiben?

Und wo würde ich begraben werden? Wären meine Eltern traurig?

Und würde es meinem Bruder leidtun, dass er mich immer ärgert?

Vielleicht würden sich Henry und Thea ja trennen, weil er nicht über meinen Verlust hinweg kommt.

Und Melody? Sie würde ihre Probleme nun selbst lösen müssen.

Aber wo würde sie hingehen, wenn sie wieder einmal Streit mit ihrem ständig betrunkenen Vater hat? Außerdem muss ich nächste Woche noch eine Geschichtsarbeit abliefern.

Vielleicht würde meine Mutter mal von ihren Nägeln aufsehen, und meiner Vater seine Nase aus der Zeitung nehmen.

Mein Bruder könnte morgens das Bad belegen. Stundenlang, ohne das ihn jemand nerven würde.

Es ist schon erstaunlich, für wie viele Menschen sich das Leben ändern würde, wenn meines plötzlich aufhört. Aber es ist schade, dass einem so etwas er in so einem Moment klar wird.

Ich rannte nicht weg. Ich würde es sowieso nicht mehr schaffen. Ich stand einfach da, starrte dem Lastwagen entgegen.

Er war nicht mehr weit von mit entfernt. Meine umklammerte meine Tasche fest, so das meine Knöchel weiß hervortraten. Ich schloss langsam die Augen und wartete auf den harten Aufprall, der mir das Licht für immer auslöschen würde.

Muss ich jetzt sterben?


Noch immer hielt ich meine Augen fest geschlossen, wartete auf den Aufprall. Doch er kam nicht. Eine Weile blieb ich noch so stehen, Dann traute ich mich, ein Auge leicht zu öffnen. Verwundert öffnete ich nun beide. Ich stand nicht mehr auf der Straße, sondern wieder an der Ampel. Was war denn nun passiert? Hätte der Lastwagen mich nicht eigentlich zerquetschen müssen?

Total perplex stand ich auf dem Bürgersteig und starrte vor mich hin. Ein paar Leute liefen aufgeregt an mir vorbei und riefen etwas, das ich aber nicht verstehen konnte. Ich drehte mich zu dem Punkt, zu dem auch sie aufgeregt hinliefen und da erst fiel mir auf, das ich dem Laster wohl irgendwie ausgewichen war. Denn er stand mitten auf der Straße, umringt von einer großen Menschenmenge und qualmend.

Jetzt hörte ich auch Sirenen eines Krankenwagens näher kommen. Anscheinend hatte der Fahrer sich irgendwie verletzt.

Ich war zu aufgewühlt, um jetzt noch in die Schule zu gehen, also beschloss ich, wieder nach hause zu gehen. Meine Eltern waren heute beide arbeiten, mein Bruder selbst in der Schule. Sie würden also nichts mitbekommen. Langsam ging ich nach Hause, immer noch darüber grübelnd, wie ich es geschafft hatte, dem Lastwagen noch auszuweichen.

Langsam schob ich den Schlüssel in das Schloss und trat ein. Ich sah erst einmal auf die Uhr, um zu gucken, wie viel Zeit mir noch alleine blieb. In einer Stunde würde mein Bruder kommen, da er heute nur irgendeinen Projekttag hatte. Ich werde ihm einfach sagen, dass ich früher frei hatte. Meine Eltern kämen dann heute Abend erst wieder. Doch zu früh gefreut. Anscheinend hatte mein Bruder viel früher frei. Denn plötzlich öffnete sich die Tür, und er stürmte herein.

Er sah ziemlich aufgewühlt aus. Ich hob die Hand.

„Hey, ich..“ gerade wollte ich eine Erklärung abliefern, da stürmte er auch schon an mir vorbei. Er schien mich absichtlich zu ignorieren. Dieser Blödmann. Steve rannte die Treppe hinauf und knallte die Tür zu. Seltsam, was war denn geschehen? Hatte er sich mit jemandem gestritten oder so?

Ich ging vorsichtig die Treppe hinauf und legte ein Ohr an die Tür. Ich weiß, das macht man nicht, aber ich war eben extrem neugierig. Dann riss ich überrascht die Augen auf. Das konnte nicht sein, das war nicht möglich. Mein Bruder, er … er weinte! Zumindest hörte es sich so an. Ich hatte noch nie mitbekommen, das er wegen irgendetwas weinte. Ich wollte ihn trösten. Irgendwie war ich ihm das schuldig, nach der Sache gestern. Ich klopfte an die Tür. Keine Antwort.

„Steve?“ rief ich nun. Wieder nichts, nur sein leises schluchzen. Ich drückte vorsichtig die Klinke hinunter. Er hatte nicht abgeschlossen. Langsam trat ich ein und schloss die Tür sofort wieder. Er schien nichts bemerkt zu haben.

„Steve …?“ fragte ich leise und besorgt. Immer noch keine Antwort. Er saß einfach da, hatte sein Gesicht in seinen Handflächen liegen und rührte sich nun nicht mehr. Ich kniete mich vor ihn.

„Hey, was ist denn los ... “ begann ich leise. Langsam hatte ich das Gefühl, er ignorierte mich absichtlich. Das war unfair, schließlich wollte ich ihm nur helfen. Moment, vielleicht hatte ich ja auch irgendetwas gemacht, das er jetzt so traurig war.

In Gedanken ging ich die letzten Tage zurück. Mir fiel nichts ein. Gestern war er ja auch noch ganz normal zu mir. Jetzt richtete er sein Gesicht langsam auf, es war schmerzverzehrt. Es sah aus, als würde er gerade unglaubliche Qualen durchmachen.

„Ich bring ihn um…“ flüsterte er.

„Wen, wen bringst du um?“ fragte ich besorgt. Herrgott, warum antwortete er mir denn nicht. Er sah mich doch direkt an. Na ja, eigentlich schien es eher so, als würde er durch mich hindurch sehen. Aber das war lächerlich. Warum sollte er mich derartig ignorieren? Ich hatte ihm doch Garnichts getan.

Es war unmöglich, dass er mich nicht wahrnahm. Es sei denn…

Oh mein Gott. Langsam stand ich auf und taumelte zurück. Mein Hals war trocken und ich riss entsetzt die Augen auf. Das konnte nicht sein. Ich schüttelte ein wenig den Kopf, zweifelte schon an mir selbst. Schlagartig wusste ich, wie ich dem Laster entkommen war.

Ich war ihm nämlich gar nicht entkommen. Ich war…

Ich schloss die Augen und schluckte, versuchte, mich zu beruhigen. Plötzlich ertönte eine tiefe Männerstimme hinter mir.

„Er kann dich nicht hören.“ Ich drehte mich nicht um, um nachzusehen, wer der Besucher war. Ich starrte einfach nur geradeaus, versuchte einen klaren Gedanken zu fassen.

„Du bist Tot“.

Wie jetzt, tot?!


Erneut musste ich schlucken. Tot? Konnte das wirklich sein? Ich spürte, wie meine Knie nachgaben, dann sah ich wieder zu meinem Bruder. Wie gern würd ich ihn jetzt in den Arm nehmen, ihn trösten.

„Komm, wir müssen langsam..“ meinte die Stimme hinter mir erneut. Jetzt drehte ich mich doch langsam um. Vor mir stand ein junger, großgewachsener Mann. Er hatte schwarze Haare, die ihm weit bis über die Schultern ragten, und seltsame Augen. Im Ernst, diese Augenfarbe hatte ich nie im Leben gesehen. Es war eine Art … Magenta.

„Bin ich jetzt … ein Geist?“ fragte ich mit einer kehligen Stimme. Sein Gesichtsausdruck blieb unverändert. Er blickte so Ernst drein, als sei ihm eine Laus über die Leber gelaufen.

„Sowas ähnliches.“ Ich ballte die Fäuste. Sowas ähnliches? Das war alles? Verdammt nochmal, ich wollte endlich wissen, was hier los war!

„Jetzt komm endlich! Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.“

Oh, ich hatte jede Menge Zeit. Schließlich war ich doch tot, oder? Ich hatte die ganze Ewigkeit.

Dann erst fiel mir eine wichtige Frage ein, die ich eigentlich schon früher hätte stellen müssen.

„Wer bist du überhaupt?“ fragte ich, ein wenig gereizt. Plötzlich fiel mir seine seltsame Kleidung auf. Es war ein weißes Gewand, mit goldenen Verzierungen.

„Ich bin Lucien, dein Wächter.“ Meinte der Kerl Monoton, dann packte mein selbsternannter „Wächter“ meinen Arm.

„Was soll das? Lass mich los!“ rief ich und versuchte, mich ihm zu entreißen. Sein Griff jedoch war stark, und so schleifte Lucien mich einfach hinter sich her. Mittlerweile war mein Wiederstand gebrochen. Er zog mich nach draußen vor unser Haus, wo ich sah, dass unser Wagen vorfuhr.

„Warte, das sind meine Eltern“ sagte ich zu Lucien.

„Das ist jetzt nicht wichtig. Du musst loslassen, Candy!“

Eigentlich hätte ich mich fragen sollen, woher er meinen Namen kannte, aber ehrlich gesagt, war mir das momentan ziemlich Schnuppe. Ich schaffte es endlich doch, mich loszureißen und lief zum Auto meiner Eltern. Ich stand direkt vor der Autotür, doch als sie von innen stürmisch aufgerissen wurde, glitt sie einfach durch mich hindurch. Mein Vater stieg aus, mit einem Verwirrten Gesichtsausdruck.

Er ging ums Auto herum, und als er meiner Mutter die Tür öffnete und ihr hinaus half, sah ich, dass sie geweint hatte. Dann wussten sie es also auch schon. Vielleicht würden sie es ja schaffen, meinen Bruder zu trösten. Ich hoffte nur, das er jetzt nichts dummes Tat.

Mir fiel auf, dass Lucien mir gar nicht gefolgt war, um mich zurückzuhalten. Doch das holte er jetzt nach, mit einem deutlich genervten Gesichtsausdruck. Ha, anscheinend ging ich ihm richtig auf den Keks. Geschieht ihm recht. Ich mochte den Kerl jetzt schon nicht, vor allem, da er jetzt schon wieder nach meinem Arm griff.

„Jetzt komm endlich!“ fauchte er.

Oha. Ich holte Luft, um etwas zu erwidern, doch er hob die noch freie Hand, und plötzlich tat sich unter uns der Boden auf. Bevor ich wusste, wie mir geschah, fielen wir auch schon herein.

Ich schrie und krallte mich in Luciens Arm fest, dessen Gesichtsausdruck ein wenig verzerrt war. An den Wänden des seltsamen Tunnels, durch den wir fielen, wirbelten die unterschiedlichsten Farben, und seltsame Gesichter tauchten manchmal auf, und griffen mit ihren knöchernen Händen nach uns.

Einer Hand gelang es, nach meinem Ärmel zu packen, doch Lucien zog mich weg, und augenblicklich ließ die Hand mich los.

Bald tat sich der Tunnel auf, und mit einem dumpfen Aufprall schlug ich auf einer Wiese auf, während mein toller Wächter sanft auf seinen Füßen neben mit landete.

„Steh auf, du hast schon genug Zeit vertrödelt“ murrte er, und ging sofort weiter. Nett.

Er könnte mir ja wenigstens aufhelfen, oder sich erkundigen, ob ich mich verletzt hatte. Ich stand schnell auf und musste ein wenig rennen, um mit ihm Schritt zu halten.

„Wo gehen wir hin?“ fragte ich und kam mir vor, wie ein kleines, dummes Kind.

„Wir gehen zu Calhavintas.“

Bitte wohin? Konnte er nicht mal anfangen, mir auch Sachen zu erklären.

„Und wer oder was ist das?“ Lucien stöhnte sichtlich genervt.

„Calhavintas ist der Herrscher über diese Welt. Wir müssen dich ihm vorstellen, bevor du anfangen kannst.“ Ich machte große Augen.

„Anfangen womit?“ fragte ich verwirrt. Er blieb stehen und sah mich an, als würde ich mir die Antwort selbst denken können.

„mit der Jagt natürlich.“ Super, ich und jagen. Können Geister in Ohnmacht fallen? Wohl eher nicht, denn sonst würde ich hier schon längst liegen.

Calhavintas


Hatte ich gerade richtig gehört? Wen oder was sollte ich bitteschön jagen? Und wer war Calhavintas?
Um Gottes Willen, das wurde mir gerade wirklich alles ein wenig zu bunt. Aber Lucien schien meine Verwirrung wenig zu beeindrucken. Er packte wieder nach meinem Arm. "Jetzt beeil dich, sonst bekommst du ein richtig großes Problem!" Wie, größer als dieses hier? Das wollte ich eigentlich sagen, schaffte es aber noch rechtzeitig, mir auf die Zunge zu beißen.
Mein Wächter zog mich schnell hinter sich her, obwohl schleifen wohl ein besseres Wort gewesen wäre.
Ich kam kaum dazu, mich richtig umzusehen. Alles was ich war nahm, war die Wiese, auf der wir gelandet waren, und ein riesiger Wald, durch den Lucien mich gerade ziemlich zügig zog. Solche Pflanzen hatte ich bei uns noch nie gesehen... Wer weiß ob ich überhaupt noch auf der Erde war.
Bald lichtete sich der Wald, und was ich dann zu sehen bekam, raubte mir den Atem. Ein gewaltiges Schloss ragte vor uns in den Himmel. Es war so groß, warum war es mir vorher nicht aufgefallen?
Mein Begleiter allerdings schien wenig beeindruckt, sondern Schritt einfach weiter. Herr gott, er war ziemlich brutal. Ob er das wusste?
Wir betraten das Gebäude, und eigentlich hatte ich mehr ertwartet. Die Enttäuschung stand mir förmlich ins Gesicht geschrieben.
Keine riesigen Ballsääle, keine hübschen Dienstmädchen, absolut nichts. Alles was in diesem großen Raum stand, dessen Decke und Wände mit goldenen Mustern übersäht waren, war eine Säule. Nur eine Säule, aus Marmor. Nicht mal was besonderes.
Lucien Stoß mir in die Seite. "Begrüß ihn!" zischte er. Was? Wenn denn? Ich sah mich um. Ausser uns war niemand hier. "Willst du mich verarschen? Schon klar, du machst dich gerade tierisch über mich lustig. Bring mich einfach nach Hause und wir vergessen die ganze Sache, Okay?" Ich hatte gehofft, diese Tour würde ziehen, aber ich hatte mich wohl getäuscht. Seine Miene war ausdruckslos wie eh und jeh.
"Hast du es denn immernoch nicht begriffen? Du kannst nicht zurück, nie mehr.." Okay, das war deutlich. Aber wenn sollte ich denn jetzt begrüßen?
Plötzlich hallte eine tiefe Stimme von den Wänden wieder. Sie hatte eine so seltsame Tonlage, ich konnte nicht mal sagen ob es die eines Mannes oder die einer Frau war. "Wer ist da? Lucien, bist du es?" fragte diese Stimme. Lucien verbeugte sich. "Ja, und ich habe sie mitgebracht.." Mit wem redete er? Und warum war er plötzlich so formell, ja, fast eingeschüchtert?
Ich sah mich nocheinmal um. Plötzlich schien die Stimme mich anzusprechen. "Komm her mein Kind.." flüsterte sie. Hm. Ich würd ja gern, aber..
Plötzlich stieß Lucien mich wieder an. Er schubste mich in Richtung der Säule. Nicht sein Ernst. Ich sollte mit einem Marmorblock reden? Nie und nimmer. Obwohl.. der Blick meines Wächters konnte schon ziemlich einschüchternd sein.
Okay, Planänderung. Noch einmal sah ich an der Säule hoch, bevor ich seufzte und mich doch tatsächlich vor ihr verbeugte.
"Ich bin Calhavintas. Ich freue mich, das du mir helfen willst.." Flüsterte Mister Marmorsäule. Anscheinend schien er sehr geschwächt zu sein.
Aber wann bitte hatte ich mich bereit erklärt, diesem Ding zu helfen?
"Ich wünsche euch alles gute.." erwiederte die Stimme, und Lucien verbeugte sich abermals. Gerade wollte ich ihn fragen, was hier vor sich ging, als wir in helles Licht getaucht wurden.
Ich spürte, wie der Boden unter meinen Füßen verschwand, und ich in die tiefe viel.
Ich hatte keine Zeit, zu schreien, so schnell wurde ich Ohnmächtig.

Ich erwachte auf einer Wiese. Es roch angenehem, nach Tannenzweigen, und kühler Wind wehte. Vieleicht war ja das alles jetzt vorbei, und ich war endlich im Himmel.
Langsam setzte ich mich auf. Zu früh gefreut. Lucien hockte schon etwas weiter vorne im Graß und schien etwas zu suchen.
Dann bemerkte er anscheinend, das ich wach war. "Na endlich.. Wir haben nicht viel Zeit." murrte er. Na super, jetzt ging das wieder los.
Ich stand auf, als ich merkte, das etwas schweres auf meinem Rücken lastete. Ich griff nach hinten und traute meinen Augen nicht.
Hatte ich tatsächlich einen Bogen in der Hand? Ja, und sogar eine Tasche, mit Pfeilen. Alles in Gold gehalten, und mit rosanen Diamanten verziert.
Wo kam der her? Jetzt erst bemerkte ich, das ich ganz andere Sachen trug. Ein weißes Kleid, Hauteng, das mir bis zu den Knien ging und mit goldenen und rosanen Mustern verziert war.
Auch meine Haare fühlten sich anders an, sie waren kompliziert geflochten.
So langsam hatte ich wirklich genug von diesem ganzen Hokuspokus. Ich wollte einfach nur nach Hause.
Plötzlich hatte ich ein seltsames Gefühl. Ein kaltes, unangenehmes Gefühl. Ich riss die Augen auf. Woher kam das plötzlich?
"Candy..? Was ist los?" fragte Lucien verunsichert und kam zu mir herüber. Mein Hals war trocken, ich konnte nicht reden.
Plötzlich schossen Bilder durch meinen Kopf. Nur für einen Bruchteil einer Sekunde, und nur ganz verschommen. Dennoch schmiss ich mich auf Lucien, und wir flogen ein Stück zurück, genau im Richtigen Moment.
Denn da, wo wir gerade noch gestanden hatten, hatte eine riesige Pranke den Boden aufgerissen. Schnell blickte ich zum Ursprung dessen, und erschrack.
Was in drei Gottes Namen war das?
Dort stand ein riesiges Tier. Es sah aus wie eine Mischung aus Hund und Katze, und hatte eine Mähne aus Feuer. Sowas habe ich noch nie gesehen. Lucien schien nicht minder überrascht.
Was sollte ich jetzt tun? Konnte ich nochmal sterben..?

Neue Begleitung


Dieser Moment der Überraschung schien aber nicht lange anzuhalten, den schon holte das Monster wieder aus, um nach uns zu schlagen.
Ich stand wie angewurzelt da. Wahrscheinlich hätte das Ding mich voll erwischt, wenn Lucien mich nicht noch beiseite gestoßen hätte.
Ich landete hart auf dem Boden, aber das war immernoch besser als von diesen Riesenpranken zerquetscht zu werden.
Ständig nur auszuweichen würde aber nichts bringen, wir mussten irgendwie zurückschlagen, aber wie? Alles was ich hatte war dieser Bogen, aber damit konnte ich bei Gott nicht umgehen!
Auch Lucien schien ziemlich ratlos. Plötzlich hörte ich einen Schrei. Einen Männlichen Schrei. Aber keinen ängstlichen oder verletzten, sondern eher einen wütenden.
Plötzlich stieß das Ungeheuer einen Laut aus, der einem durch Mark und Bein ging. Dann spaltete es sich in der Mitte. Angewiedert wandte ich meinen Blick ab.
Als ich wieder hin sah, stand dort, wo eben noch das Monster gewesen war, ein junger Mann. Er sah ganz anders aus als Lucien. Nicht so förmlich. Eher.. ja, fast wild. Er hatte blonde Haare, die ihm Knapp unters Kinn reichten, seltsame Anziehsachen aus Leder und einen kurzen Fellumhang. Auch war er viel muskulöser als Lucien.
Er steckte sein blutiges Schwert weg, ehe er sich zu uns umdrehte. Dann legte er ein seltsames Grinsen auf.
"Was macht ihr zwei süßen denn hier? Ihr solltet eure Liebesspielchen an einem anderen Ort vollbringen. Hier ist es ziemlich gefährlich."
Die Monster schienen momentan nicht das einzige gefährliche hier zu sein, wenn ich mir Luciens Blick ansah. Na toll, dieser Hüpfer hier machte ihn sauer, und wer durfte es nachher wieder ausbaden? Le Moi.
Lucien schien sich zwar zusammenreißen zu müssen, ging jedoch über seinen Kommentar hinweg. "Wer bist du, und was war das gerade?" fragte er und versuchte ruhig wie möglich zu bleiben.
Der andere fing an zu lachen. Was war denn an dieser Frage so lustig? "Du fragst, was das war?" Er schien sich kaum noch einkriegen zu können. "Das war ein Taraph. Die gibts hier haufenweise. Deswegen kommen hier auch niemals Menschen hin." Ein bitte was war das? Wo war ich hier nur gelandet..
Der Fremde musterte uns. "da fällt mir auf.. was macht ihr eigentlich hier?" fragte er. Lucien schien endlich eine Frage gestellt bekommen zu haben, auf die er sich lange gefreut hatte. "Wir sind im Auftrag von Calhavintas hier. Sie ist.. Diejenige." sagte er und deutete auf mich. Ein wenig stolz war aus seiner Stimme herauszuhören.
Plötzlich konnte sich der blonde Mann vor lachen nicht mehr halten. Als er sich wieder ein wenig beruhigt hatte, musterte er mich. "Der auserwählte ist eine Frau?" Er musste sich den Bauch halten. Was sollte das denn bitte heißen?
In erster Linie hätte ich mich vieleicht fragen sollen, für was ich bitte ausgewählt wurde, aber in diesem Moment brachte mich seine Macho hafte anspielung auf die Palme.
Wütend ging ich einen Schritt auf ihn zu. "Was soll das heißen? Glaubst du ich bin nicht Fähig, nur weil ich ein Mädchen bin?"
Dem Mann schien deutlich ins Gesicht geschrieben, wie sehr er sich bemühen musste, mir nicht mitten ins Gesicht zu lachen. Frechheit.
"Du sollst uns also vor der Red Lady retten, und kannst nicht mal einen Taraph besiegen?" Okay, das klang irgendwie schon logisch. Auch wenn ich weder wusste wer die Red Lady war, noch was genau ein Taraph war. Ich beschloss, das Lucien nachher noch zu fragen.
Dann brüstete sich der blonde Mann ein wenig und zeigte mit seinem Daumen auf sich. "Ich bin Treave. Und ich werde euch begleiten. Schließlich will genauso wenig weiter unter diesen Bedingungen leben. Und ganz ehrlich.." Er zwinkerte mir zu. "Ob Auserwählte hin oder her, ohne jemanden mit Kampferfahrung, und jemanden der sich auskennt, wärt sowohl ihr, als auch unsere Welt dem Untergang geweiht." brachte er seinen Satz amüsiert zu Ende. Dann verschränkte Treave die Hände hinter seinem Rücken und ging ein Paar Schritte voraus.
"Kommt ihr heute noch, oder soll ich die Welt alleine retten?" rief er nach hinten, als sowohl ich, als auch Lucien uns nicht von der Stelle rührten.
Lucien grummelte irgendetwas unverständliches, als er sich doch wiederwillig in Bewegung setzte. Anscheinend war er nicht besonders begeistert von unserer neuen Begleitung.
Auch ich mochte Treave nicht wirklich.
Er war eingebildet, und ein Macho.
Jetzt holte ich auch endlich zu den beiden auf. Na Toll, jetzt war ich also mit zwei Vollidioten in einer fremden Welt voller Taraphs und sprechender Säulen gelanden, die ich mit nichts weiter als einem Bogen, mit dem ich nicht umgehen konnte, vor einer gewissen Red Lady retten sollte.
Und ich dachte immer, Mathearbeiten wären ein Grund, sich Sorgen zu machen...

Die Red Lady


Wir waren schon eine ganze Weile unterwegs, und der schwere Bogen auf meinem Rücken machte die ganze Reise nicht gerade einfacher.
Was sollte ich eigentlich mit dem Ding anfangen? Gut, für Leute, die damit umgehen konnten war er in dieser Welt sicherlich sehr nützlich. Aber ich war eine Absolute Niete in sowas, und somit war er nur nervig und belastend.
Der einzige von uns, der bei bester Laune zu sein schien, war Treave, der etwas weiter vorne ging und fröhlich vor sich hinpfiff.
Luciens Gesicht nach zu urteilen schien er ihm tierisch auf den Kecks zu gehen, was auch so ungefähr meine momentane Gefühlslage wiederspiegelte.
"Meine Füße tuen weh.. wo gehen wir überhaupt hin?" fragte ich nach einer Weile, ohne direkt jemanden anzusprechen.
Treave ergriff natürlich als erstes das Wort. "Oh, soll ich unser Prinzesschen tragen..?" fragte er amüsiert, ohne jedoch meine Frage zu beantworten.
"Wir suchen etwas, wo wir über die Nacht bleiben können." Beantwortete Lucien großzügig. Oh mein Gott, die Nacht! Das war das erste hier, das ich tatsächlich kannte. Das war ja wohl Anlass für einen globalen Feiertag.
"Schwebt euch denn schon irgendwas vor?" fragte ich weiter. Lucien schüttelte den Kopf. "Wir müssen wohl das erst beste nehmen, an dem wir vorbeikommen. Wir haben nicht mehr viel Zeit." Ich zog eine Augenbraue hoch.
Hatte er eigentlich auch noch etwas anderes als Zeit im Sinn? Ständig hörte man von ihm nur 'beeil dich' , 'wir haben keine Zeit' oder 'Es ist schon spät'.. Ein richtiger Miesepeter eben.
Plötzlich schweiften meine Gedanken ab. An meine Zeit auf der Erde, an meine Freunde, meine Familie.. meinen Bruder. Was er wohl gerade tat?..

.........................................................Melody.................................................................................

Gelangweilt saß ich in der Schule und begutachtete meine Fingernägel. Candy war heute nicht gekommen, deswegen war der Unterricht ganz schön öde.
Ich beschloss nachher nochmal bei ihr vorbei zu schauen.
Plötzlich betrat Candys Freund, oder sollte ich sagen, Ex-Freund, das Klassenzimmer. Er war zu spät gekommen, und entschuldigte sich nun hastig bei unserem Lehrer, der ihn nur mit grimmiger Miene auf seinen Platz schickte.
Nach einer halben Stunde klingelte es endlich zur Pause und ich packte eilig meine Sachen zusammen. Plötzlich kam er zu meinem Tisch.
"Wo.. ist Candy?" fragte er, und schien sich unwohl zu fühlen. Ich zuckte lässig mit den Schultern und sah mir sein Gesicht genauer an.
Warte mal, glaubte er etwa, sie wär wegen ihm nicht in der Schule? Wie konnte man nur so eingebildet sein? Die Candy, die ich kenne, lässt sich von sowas nicht unterkriegen.
Der restliche Schultag verlief eigentlich ohne weitere Zwischenfälle, und so beeilte ich mich zu ihrem Haus zu kommen.
Vieleicht lag sie ja gerade im sterben oder so, scherzte ich in Gedanken, während ich auf die Stufen zu ihrem Haus trat. Ich klopfte lautstark an die Tür.
Nicht rührte sich. Was war denn da los. ich versuchte es nochmal. Keine Reaktion. Ich beschloss, ums Haus rumzugehen und stellte mich vor Candys Fenster.
"Candy!" rief ich hoch, doch wieder passierte nichts. Doch halt, da fuhr ein Auto vor. Ich ging ums Haus rum und sah, wie Candys Eltern ausstiegen.
Ihr Vater ging ums Auto rum und half ihrer Mutter hinaus. Es sah aus, als müsste er sie stützen, und sie schien viel geweint zu haben.
Ich ging auf die beiden zu. "Entschuldigung? Ich bin wegen Candy hier.. Sie war heute nicht in der Schule und.." fing ich den Satz an, wurde jedoch von einem lauten, abermaligen Schluchzer ihrer Mutter unterbrochen.
Der Vater tröstete sie, dann wandte er sich mir zu. "tut mir Leid, Melody.. wir haben gerade viel um die Ohren.." entschuldigte er sich, ehe er mit Candys Mutter ins Haus ging.
Was war das denn gewesen?

......................................................Candy......................................................................................

Es war recht spät geworden, aber Treave hatte seine gute Laune noch lange nicht abgelegt. Wie Power hatte dieser Kerl eigentlich?
Die Dämmerung hatte langsam eingesetzt, und ich musste zugeben, das der Wald in diesem Halbdunkel recht gruselig wirkte, vorallem da ich ja nun wusste, das hier durchaus mehr lauerte, als hungrige Eichhörnchen..
Lucien schien meine innere Unruhe zu bemerken, denn er ging ein Stück auf mich zu.
Er tat ja nicht viel, aber irgendwie war seine plötzliche Nähe beruhigend.
Plötzlich tauchten Lichter am Horizont auf.
"Na, wer sagts denn? Ein Dorf. Da können wir sicher die Nacht verbringen." rief Treave voller übereifer.

Das Dorf schien Recht belebt, und die Menschen, die dort lebten, waren sehr freundlich. Sie baten uns sofort ein Lager für die Nacht an.
Der Trubel ging erst los, als sie fragten, wer wir waren, und Treave voller Stolz wieder mit dieser Auserwählten-Geschichte anfing.
Sofort wurden die Menschen ganz aufgeregt, beganen wild durcheinander zu rennen und begruben mich geradezu mit Bergen von Essen und Geschenken.
Mein Gott, war ich vieleicht ein Promi oder so? Ich wollte einfach nur schlafen...
Es war sehr spät, als endlich langsam Ruhe im Dorf einkehrte. Treave, Lucien und ich bekamen eine kleine Hütte für uns, nachdem ich die Dorfbewohner davon überzeugt hatte, mir nicht ihre Betten anzubieten.
Ich war totmüde und ließ mich seufzend auf eine Decke, die auf dem Boden lag fallen. Doch einschlafen konnte ich nicht, zu viele Gedanken schossen mir durch den Kopf, zuviel war heute passiert.
Ich konnte nicht glauben, das ich heute Morgen noch ganz normal auf dem Weg zur Schule gewesen war..
Nach ungefähr einer Stunde stellte ich fest, das es wohl nicht viel bringen würde, mich weiter hin und her zu wälzen.
Kurz lauschte ich. Ein lautes schnarchen war aus der Ecke zu vernehmen, in der ganz offensichtlich Treave schlief. Ich drehte mich kurz zu Lucien.
Auch er schien bereits eingeschlafen zu sein.
Langsam setzte ich mich auf und ging vor die Tür der Hütte. Die Nacht war angenehm warm, und das Dorf war vällig ruhig.
Plötzlich hörte ich hinter mir eine Stimme. "Du solltest schlafen.." erschrocken drehte ich mich um, und stelte seufzend fest, das es nur Lucien war.
Ich erwiederte nichts, und er stellte sich schweigend neben mich. Das war doch jetzt die perfekte gelegenheit, ein paar Antworten zu verlangen.
Kurz überlegte ich, wie ich anfangen sollte.
"Sag mal.. was soll dieses ganze Auserwähltengetue? Und warum bin ich hier?" setzte ich zu sprechen an. Lucien schien zu überlegen, wie er es erklären sollte.
"Tja, weißt du.. Das hier war einst ein friedliches Land. Bevor.. " Er schluckte kurz. "Bevor die Red Lady kam." Ich sah ihn fragend an.
Er seufzte. Anscheinend war diese Geschichte ihm unangenehm. Aber hey, schließlich wollte ich wissen, gegen wen ich kämpfen musste.
"Alles was ich weiß, ist von Geschichten und Legenden überliefert worden. Ich habe keine Ahnung, ob alles genauso stimmt.
Die Red Lady ist in erster Linie angeblich ein Geist. Sie lebte vor längerer Zeit in einem Dorf, war jung, hübsch und beliebt bei den Bewohnern.
Jedoch verliebte sie sich in den falschen Mann. Er war lediglich hinter ihrem Ruf und Geld her. So vergnügte er sich Regelmäßig mit anderen Frauen.
Als sie ihn eines Tages erwischte, erschlug er sie, aus Angst, alles könnte im Dorf auffliegen, und erzählte den anderen, es sei ein Unfall gewesen.
Allerdings kehrte sie als Geist zurück und rächte sich an dem ganzen Dorf, indem sie es niederbrannte.
Seitdem tötete sie verheiratete Männer, die ihre Frauen betrügten. Unser König, Calhavintas, schaffte es, sie zu versiegeln, musste dabei jedoch fast seine ganze Energie benutzen und hatte es in letzter Sekunde noch geschafft, sich an diese Säule zu binden.
Jedoch hat neulich ein mächtiger Mann ihren Geist befreit, und da unser König nun zu geschwächt ist, hat sie sich die Herrschaft angerissen, und terrorisiert unser Volk. "
Jetzt wandte er sein Gesicht mir zu und sah mir direkt in die Augen. Ein kalter Schauer durchzog meine Brust.
"Deswegen hat der dich ausgewählt. Weil du bestimmt bist, uns vor ihr zu retten." brachte er seine Erzählung zu Ende.
Dann sah er wieder in den Himmel. "Der Autounfall war die perfekte Möglichkeit, dich aus deinem bisherigen Leben zu ziehen.."
Er schwieg eine Weile, ehe er wieder zum sprechen ansetzte.
"Weißt du, ich beobachte dich schon eine ganze Weile von hier aus. Seit ich wusste, das du dijenige bist, die uns retten soll.."
Ich wurde rot. Die ganze Zeit? "Warte, etwa auch während ich geduscht habe und so?" fragte ich entsetzt.
Ein amüsiertes Lächeln huschte über seine Gesichtszüge. Moment.. Er hatte gelächelt? Doch zu früh gefreut. Seine Miene wurde wieder hart.
"du solltest jetzt wirklich schlafen, morgen wird ein anstrengender Tag." sagte er noch, bevor er wieder reinging.
Ich blieb noch eine Weile draußen stehen, ehe ich wieder zu meinem Schlafplatz ging.
Ich legte mich erneut auf die Decke, und diesmal dauerte es nicht lange, bis ich in einen unruhigen Schlaf glitt...

Bogenunterricht nur für mich


Am nächsten Morgen wurde ich schon früh wach, weil Licht durch die vielen Löcher in der Fassade der Hütte fiel.
Anscheinend waren die Bewohner hier sehr arm. Trotzdem hatten sie Treave, Lucien und mir das letzte Fünkchen Essen angeboten, das sie noch hatten.
Ich gähnte herzhaft, dann fiel mir auf das meine beiden Begleiter noch schliefen. Seufztend setzte ich mich auf.
Ob es in dieser Welt wohl eine Dusche gab? Wahrscheinlich musste der gute alte See herhalten. Also ging ich nach draußen und sah mich um.
Ich wusste, das die Dörfer früher immer an Gewässern gebaut waren, also warum nicht auch hier?
Ich fragte eine ältere Frau, die gerade ihre Wäsche aufhing, und tatsächlich, ganz in der Nähe sollte angeblich ein Fluss sein, in dem ich baden könnte.
Ich ging ein Paar Meter in die Richtung, die die Frau mir geschildert hatte, und schon bald konnte ich das rauschen hören.
ich zog rasch meine Klamotten aus (was bei diesem komplzierten Kleid ganz schön schwer war) und stieg ins kalte Wasser.
Es tat gut, so als könnte der fließende Strom des Wasser alle Aufregung der letzten Tage mit sich reißen.
Kurz schloss ich dir Augen, atmete die frische Luft ein, als meine momentaner, innerer Frieden schlagartig gestört wurde.
Ein Pfeil zischte Milimeter nah an meinem rechten Ohr vorbei und schlug in die Felswand mir gegenüber ein. Erschrocken riss ich die Augen auf.
"Entschuldigung..!" hörte ich von hinten auf einmal eine Stimme rufen. Langsam drehte ich mich um. Eine junge, hübsche Frau mit wehenden, schwarzen Haaren kam auf mich zugerannt. In der Hand einen Bogen. Aha. Sie war also der Attentäter.
Völlig ausser Puste kam sie bei mir an. "Oh je..tut mir leid.." keuchte sie, dann sah sie mir ins Gesicht.
"Ich hatte dich garnicht gesehen.. normalerweise trainiere ich hier immer, ich wusste nicht, das du hier bist.." entschuldigte sie sich völlig ausser Puste.
Ich schüttelte den Kopf. "Ist nicht so schlimm.." meinte ich lächelnd und machte eine wedelnde Handbewegung, auch wenn ich was anderes dachte.
Man, das hätte echt ins Auge gehen können!

Mittlerweile hatte ich fertig geduscht, und war mit der Frau schon wieder auf dem Weg zurück zum Dorf.
Es stellte sich heraus, das ihr Name Kirya, und sie die Tochter des Dorfoberhauptes war. Das erklärte wohl auch, warum sie so gut mit Pfeil Bogen war.
Während mein so toll aufbereitetes Schmuckstück von Bogen lieblos in der Ecke unserer Hütte lag.
Plötzlich kam mir eine Idee. Vieleicht könnte Kirya mir ja helfen! Wenn sie mir beibrachte, wie man damit umging, könnte ich es vieleicht wirklich mit dieser Red Lady aufnehmen!
Wer weiß, was noch so für Fähigkeiten in der Auserwählten schlummerten. Vieleicht konnte ich ja sogar zaubern oder sowas!
Ich beschloss, sie noch darum zu bitten, als sich plötzlich Treave mit wildem Gebrüll aus einem der Büsche neben uns auf mich warf.
Erschrocken sprang Kirya von uns weg.
"Ich hab sie, Lu!" rief er. Wütend schubste ich ihn von mir runter. Plötzlich kam Lucien um die Ecke. Er warf Treave einen tötenden Blick zu. "Ich hab gesagt, du sollst mich nicht so nennen!" zischte er.
Dann wandte er sich mir zu. "Wo bist du gewesen?" fragte er gereizt. Ich seufzte. "Wann bitteschön bist du zu meinem Vater mutiert?" entgegnete ich genervt mit einer Gegenfrage.
Er stöhnte. Tja, ich war eben ein schwieriges Mädchen, und ehrlich gesagt auch ein wenig stolz darauf.
"Weißt du eigentlich, dass du als Auserwählte Ziel Nummer Ein für Anschläge und Attentate bist?" Gerade wollte ich etwas ewiedern, als Kirya uns ins Wort fiel.
"Was, du bist die Auserwählte? Ich mein, ich hatte zwar gehört, das sie im Dorf sei, aber ich hätte nicht gedacht, das du es bist! Ich mein.. hättest du meinen Pfeil dann nicht irgendwie abwehren können?" Autsch. Okay, vieleicht war ich eben dem Pfeil nochmal davon gekommen, aber gerade hat mich noch einer getroffen. Mitten in die Magengrube.
Mensch, ich hatte doch gerade erst angefangen, warum verlangten direkt alle irgendwelche Heldentaten von mir?
Treave legte amüsiert seinen Arm um meine Schulter. "Tja, unsere Retterin ist nicht ganz so talentiert wie es in den Prophezeiungen angegeben war." erklärte er mit einem Grinsen.
Ich warf ihm einen wütenden Blick zu. "Tja, ich wär mit Sicherheit erfolgreicher, wenn unser lieber Calha-was-weiß-ich-was mir eine Waffe gegeben hätte, mit der ich umgehen könnte, und keinen Bogen.." Ich hatte meinen Satz noch nicht ganz zu Ende gesprochen, da leuchteten Kiryas Augen plötzlich seltsam Enthusiastisch auf.
Sie griff nach meinen Händen. "Vieleicht kann ich ja helfen. Oh, es wäre mir echt eine große Freude, wenn ich bei der Rettung unserer Welt behilflich sein könnte!"
Und bevor ich antworten konnte, zog sie mich schon hinter ihr her, und wir ließen Treave und Lucien kopfschüttelnd hinter uns zurück.
Wir betraten kurz meine Hütte, damit ich meine Sachen holen konnte. Kirya schien beim Anblick meines Bogens in eine andere Sphäre abgetreten zu sein.
Sofort begann sie, mich darüber aufzuklären, aus welchen Holz er gechnitzt war, wann er angefertigt worden war und all solche Sachen.
Eigentlich konnte ich damit sowieso nichts anfangen, und es interessierte mich auch nicht sonderlich, aber es war schon erstaunlich was man so alles über ein Stück Holz wissen konnte. Kirya war jedenfalls ganz hin und weg.
Ich ging mit ihr etwas weiter in den Wald rein, um dort zu üben.
Jetzt kommt die Stelle, an der ihr alles vergessen solltet, was ihr jemals über Katastrophen gehört habt, denn das ist nichts gegen meine Bogenschieß-fähigkeiten.
Mein Gott, ich hätte diesen Baum nicht mal getroffen, wenn ich den Pfeil nur hätte reinstecken müssen.
Nach einer ganzen Weile setzten wir uns erschöpft auf den Boden. Wobei man das erschöpft eigentlich mehr mir zuteilen konnte, denn Kirya war immernoch munter wie eh und je.
Sie würde sicher gut zu Treave passen.
Plötzlich merkte ich, das Lucien an einem Baum stand und zu uns rübersah. Seit wann war er da?
Ich winkte ihm zu, aber er nickte nur kalt zurück. Anscheinend war nichts mehr von dem netten Mann von letzter Nacht übrig.
Plötzlich kam Treave um die Ecke und stellte sich zu uns. "Hey Candy. Na, wie gehts woran?" fragte er fröhlich.
Ich zuckte mit den Schultern. Bloß keine falsche Antwort, sonst dürfte ich mir das die nächsten Tage garantiert anhören.
Er zwinkerte mir zu. "Ich hab was gefunden, vieleicht interessiert dich das." sagte er fröhlich und bedeutete mir, ihm zu folgen.
Ich sah kurz zu Kirya, sie nickte. Offenbar war mir tatsächlich eine Pause vergönnt. Aber was Treave mir wohl zeigen wollte?

Ich folgte ihm nun schon eine ganze Zeit. "Wie lange denn noch?" fragte ich irgendwann mosernd. Er lachte.
Dann schob er ein riesiges, zum Boden hinhängendes Blatt zur Seite, das uns die Sicht versperrte, und was dahinter zum Vorschein kam, verschlug mir die Sprache.
Ein riesieges Feld lag da, und es war über und über mit Blumen übersäht.
In allen Farben des Regenbogens wuchsen dort die unterschiedlichsten Planzen, manche leuchteten sogar.
"Wow.." stieß ich mühsam hervor. Das Bild, welches sich mir bot war wirklich der absolute Wahnsinn. Treave lächelte neben mir triumphierend.
Plötzlich ertönte hinter uns eine Stimme. "Das ist ja wirklich rührend!"
erschrocken drehten wir uns gleichzeitig um. Dort stand ein Mann, mit seltsamen, grün schimmernden Haaren und spitzen Ohren.
Er trug merkwürdige Kleidung, aber das schlimmste war, das er zu schweben schien.
Sofort stellte Treave sich schützend vor mich, sein Gesicht war bitterernst. "Wer bist du? Was willst du?" fragte er selbstsicher.
Der fremde lachte schallend, ein grausames, kaltes Lachen. Ein Schauer lief mir über den Rücken.
Er antwortete nicht, sondern machte eine seltsame Handbewegung, und eine harter schlag traf sowohl mich als auch Treave.
Wir flogen hart gegen die Felswand hinter uns, und auf einmal setzte ein bedrohliches Grollen ein.
Plötzlich stürzte ein Haufen Felsbrocken auf uns nieder. Ich schloss die Augen und schrie einfach.
Als ich sie wieder öffnete, stellte ich fest, das die Felsen eine art Höhle um uns herum gebaut hatten. "Puh.. das nenn ich Glück.." seufzte mein Begleiter. Glück? Na gut, wenn man in betracht zog, das wir auch hätten zerquetscht werden können..
Treave setzte sich auf und versuchte, ein Paar Felsen wegzuschieben, gab es aber recht schnell wieder auf.
Seufzend ließ er sich neben mich fallen. "ja.. sieht so aus als säßen wir erstmal fest.."


Die seltsame Fremde


Ich wusste nicht, wie lange wir schon in dieser Felsenhöhle festsaßen. Fakt war, es war die Hölle.
Treave hatte noch lange nicht aufgegeben. Immerwieder warf er sich gegen die schweren Brocken, die allerdings keinerlei Anstalten machten, nachzugeben.
"Lass gut sein.." sagte ich zu ihm, als ihm schon die ersten Wunden zu schaffen machten. Er seufzte, ehe er sich wieder neben mich fallen ließ.
"Tut mir Leid.." flüsterte er leise. Ich sah ihn verwundert an. Wieso denn, er hatte doch keine Schuld.
"Ich hätte dich einfach nicht herbringen sollen.. nicht wo du die Auserwählte bist." sagte er niedergeschlagen. Oh bitte, wer konnte denn wissen, das dieser seltsame Kerl auftauchte und uns hier einsperrte?
Trotzdem sah ich ein wenig mitfühlend zu Treave. Den schíen das ganze hier ziemlich mitzunehmen.
Ich wollte ihn irgendwie aufheitern. Der fröhliche Treave gefiel mir besser als dieser trübsaal blasende. Dafür war schließlich Lucien zuständig.
Ich rückte ein wenig näher zu ihm. "Hey, schon okay.. niemand wird dir böse sein. Wir kommen hier raus, ganz sicher.." versuchte ich es, aber er schien nicht recht darauf anzuspringen.
Jetzt kam mir eine neue Idee. Vieleicht half es ja, einfach das Thema zu wechseln.
"Was hast du eigentlich in diesem Wald gemacht? Und warum kennst du dich so gut mit Taraphs aus?" fragte ich und hoffte, es richtig ausgesprochen zu haben.
Verwundert sah er mich an. "Interessiert dich das wirklich?" fragte er, ich nickte. Eigentlich stimmte das Gegenteil, aber immerhin wollte ich ihn aufheitern, nicht deprimieren.
Und das Thema schien er wirklich zu mögen.
"Wegen meinem Vater.." begann Treave zu erzählen und sah an die Wand. Ich versuchte, mich ein wenig gemütlicher hinzusetzen, um ihm zu lauschen.
"Weißt du, er hat die Taraphs von unserem Dorf abgehalten, weil es mitten in dem Wald erbaut war. Er hat mir viel über sie und ihre Schwächen beigebracht.
Aber als die Red Lady an die Macht kam, hat sie alle starken Männer in ihre Armee einberufen, so auch meinen Vater.
Wenn du einmal in ihren Diensten stehst, kannst du genauso gut auch den Tot wählen." Er ballte eine Faust, und ich dachte er wäre wütend.
Aber auf einmal sprang er voller Tatendrang auf. "Deswegen begleite ich dich, um dir im Kampf gegen diese schreckliche Frau zu helfen. Wenn sie besiegt ist, dann kann mein Vater zu mir zurückkehren." rief er entschlossen.
Ich muss zugeben, ich war beeindruckt, wie sehr er an diesem Ziel festzuhalten schien. Dann schien er wieder aus seiner Art Extase aufzuwachen und setzte sich neben mich.
"Ich glaube, du kannst das schaffen, Candy.." sagte er leise und sah mir direkt ins Gesicht. Ein leicht rötlicher Schimmer bildete sich auf meinem Gesicht.
Das war das erste Mal, das mir das wirklich jemand so sagte. Ich räusperte mich, um die Situation ein wenig zu entschärfen, und drehte mein glühendes Gesicht zur Seite.
Von Treave kam ein Lachen, aber irgendwie war es anders als sonst. Nicht so überdreht, sondern eher leise und sanft.
Vieleicht bildete ich es mir aber auch nur ein.
Es schien Abend geworden zu sein, denn langsam wurde es ganz schön kalt in dem Steinhaufen.
Eine Gänsehaut legte sich über mich, und ich fröstelte leicht. Plötzlich spürte ich etwas weiches, und Augenblicklich breitete sich eine leichte Wärme über mir aus.
Sein Umhang. Treave hatte mir seinen Fellumhang um die Schultern gelegt. Ich sah zu ihm, und er lächelte mich an. Dankbar erwiederte ich sein Lächeln, und wir saßen eine Weile schweigendnebeneinander.
Vieleicht war er doch nicht so übel...

..........................................................Melody................................................................................

Es war nun schon eine ganze Zeit vergangen seit diesem seltsamen Moment vor ihrem Haus.
Seitdem war Candy auch nicht mehr in der Schule gewesen, am Telefon meldete sie sich auch nicht.
Ich war nicht die einzige, die sich Sorgen machte. Über der gesamten Schulklasse lag eine seltsame Stimmung, die noch verstärkt wurde, als unser Lehrer mit einem seltsamen Gesicht den Raum betrat.
Er seufzte, dann bedeutete er uns, uns hinzusetzen.
"eure Mitschülerin Candy.." ein erneutes Seufzen. "Sie ist letzte Woche bei einem autounfall ums Leben gekommen."
Die letzten Worte hallten wie aus einer fremden Dimension zu mir herüber. Das konnte nicht sein. Das war ein Irrtum, eine Verwechslung, ganz sicher.
Candy konnte nicht.. das war einfach unmöglich. Ich spürte, wie der Boden unter mir wegbrach, so kam es mir zumindest vor.
Seit dem Kindergarten waren wir unzertrennlich gewesen, haben alles zusammen gemacht und uns geschworen, uns niemals zu trennen.
"Lügnerin.." flüsterte ich, während ich geradeaus starrte. Sie hatte ihr Versprechen gebrochen, mich angelogen.
Eine Tränge floss über meine Wange, dann eine zweite, bis ein laufender Fluss enstand. Doch ich rührte mich nicht.
Immerwieder flüsterte ich dieses eine Wort. Deshalb hatte ihre Familie sich so seltsam verhalten.
"Lügnerin, Lügnerin.."

.....................................................Candy.......................................................................................

Noch eine ganze Weile hatten wir so da gesessen, als plötzlich jemand näher kam. Die Schritte wurden immer lauter.
Plötzlich rief eine Frau etwas in einer unbekannten Sprache, und der Steinhaufen flog mit einer heftigen Explosion auseinander.
Treave und ich wurden in unterschiedliche Richtungen geschleudert.
Ich landete hart auf einem Felsbrocken, und mein Rücken fühlte sich an, als wäre er in tausend Teile zersprungen.
"Candy, alles in Ordnung?" hörte ich Treaves Stimme in weiter entfernung rufen. Ich konnte nicht antworten, und sah nur, wie sich besorgtes Gesicht in mein Blickfeld schob.
Mühsam half er mir auf.
"Was war das.. ?" hustete ich, doch dann sah ich es schon. Oben, auf dem Haufen nun zerstörter Felsbrocken stand eine Frau. Und was für eine!
Sie war groß, schlank und hatte einen absoluten Traumkörper. Ausserden wunderschöne, lange, gelockte Haare, die ungefähr den selben grünton hatten wie der Mann, der uns in dieses Schlamassel gebracht hat.
Sie hatte die Arme verschränkt und blickte kalt auf uns herab.
"Was fällt dir ein?" rief Treave wütend, doch die Frau warf nur arrogant ihre Haare zurück.
Ihr solltet mir dankbar sein, ohen mich säßt ihr immernoch dadrin." entgegnete sie.
"Dankbar?" rief Treave entzürnt.
"Dankbar dafür, das du uns fast umgebracht hättest?" gerade wollte die Frau etwas erwiedern, als eine weitere Person angerannt kam, die ich von weitem aber nicht erkennen konnte.
Die Person rief ganz aufgeregt etwas.
"Candy!" schrie sie. Da erst erkannte ich sie. Oder besser ihn. Lucien rannte aufgeregt auf und zu, und kaum war er bei uns, schloss er stürmisch seine Arme um mich und drückte mich an sich.
Oh. Mein. Gott.
Vergesst alles, was ich jemals übers rotwerden geschrieben hab. Das war NICHTS im Vergleich zu dem hier..
"L..Lucien.." stammelte ich. Erst jetzt schien ihm seine Tat bewusst. Schnell wandte er sich ab und hüstelte, aber ich konnte sehen, das auch er ein wenig rot geworden war.
Dann wandte er sich plötzlich Treave zu.
"du! Was fällt dir ein, sie hierher zu bringen?" fraget er wütend und ging einen Schritt auf ihn zu.
"Konnte ich ahnen, das dieser Bastard kommen würde?" entgegnete er, nun mindestens genauso wütend.
Ich trat zwischen die beiden. "Jungs, ich.." setzte ich ein, als die seltsame Frau plötzlich gekonnt zu uns hinunter sprang.
"Welcher Bastard?" fragte sie ernst.
Na super, ging das alles auch noch ein wenig komplizierter?

Um Haaresbreite


Noch immer stand ich zwischen Lucien und Treave, die kruz davor waren, sich auseinander zunehmen, bis die Frau uns unterbrach.
Treave war der erste, der ihre Frage beantwortete.
"So ein komischer Kerl, der uns hier eingesperrt hatte... er hatte ungefähr deine Haarfarbe." sagte er ganz unverfroren.
Der Blick der Frau wurde auf einmal ganz komisch, fast traurig. Dann sah sie uns wieder Ernst an.
"Verschwindet, das hier ist nichts für euch." gab sie kalt zurück und drehte sich um, im Begriff, zu gehen.
Ungefähr das selbe hatte Treave damals zu Lucien und mir gesagt, als er uns vor dem Taraph gerettet hatte. Aber genau dieser Satz schien ihn jetzt unglaublich wütend zu machen.
"Hey wo willst du hin? Und was soll das heißen? Weißt du, wer das ist?" rief er und zeigte auf mich.
Oh nein, bitte nicht schon wieder. Mein Gott, wieso musste immer jeder direkt wissen, das ich die Auserwählte war? Ich warf Treave einen wütenden Blick zu, aber er ignorierte mich.
"Sie ist die Auserwählte! Wenn es nichts für sie ist, für wen dann?"
Oho, große Worte für jemanden, der sich vor ein Paar Stunden selbst noch über meine mangelnden Fähigkeiten lustig gemacht hatte.
Die Frau drehte sich ungläubig um. "Wie bitte? Sie ist die Ausserwählte?"
Herje, warum reagierten bloß immer alle so? Sah ich so schwach und unscheinbar aus?
Sie drehte sich uns wieder zu, und sprang dann mit einem gewaltigen Satz in meine Richtung, landete mit ihrem Gesicht Milimeter von meinem entfernt.
Ich hielt den Atem an. Ihre augen schienen alles zu durchdringen.
"Sie wird es nicht schaffen. Niemals. Wir brauchen keine Ausserwählte, ich werde die Red Lady allein stürzen!" entgegnete sie und entfernte sich wieder ein wenig von mir.
Jetzt war es Lucien, der dazwischen trat.
"Glaubst du nicht, du bist ein bisschen hart? Natürlich, sie ist noch nicht besonders stark, aber sie kann es schaffen! Ich beobachte sie schon, seit sie ein kleines Mädchen war, sie hat definitiv das Zeug dazu!"
Bitte was tat er? Oh mein Gott, er hat alles gesehen, was ich in meinem Leben bisher getan hab? Auch die Peinlichen Sachen? Na super..
Die Fremde rümpfte nur die Nase. "Das hier geht euch nichts an, das ist eine persönliche Sache."
Jetzt schien Treave nicht mehr an sich halten zu können. "Das geht uns nichts an? Die Red Lady tyrannisiert uns alle, nicht nur dich, falls es dir noch nicht aufgefallen ist!"
Die Frau ballte ihre Fäuste. "Aber ich muss es alleine schaffen!" schrie sie zurück. Tränen sammelten sich in ihren Augen.
Das war das erste mal, das sie ein wenig Emotionen zeigte.
"Ich hab es ihm versprochen..."

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Ein kleines Mädchen saß auf dem Boden. Sie weinte, ihr Knie tat weh.
Sie war gerade hingefallen und hatte es sich aufgeschlagen. Plötzlich kam ein Junge dazu, er legte beruhigend seine Hand auf ihren Kopf. "Nicht weinen, ist schon gut.." flüsterte er.
Die Tränen versiegten, und das Mädchen lächelt sanft.
Dann fiel es dem Jungen um den Hals. "Danke, Bruder.." rief sie glücklich.
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Peinlich berührt wischte die Frau wütend ihre Tränen weg. Dann wandte sie sich wieder uns zu.
"Verschwindet jetzt. Ich kann nicht eure Babysitterin spielen!" erwiederte sie etwas gereizt, und wandte sich jetzt entgültig zum gehen, als plötzlich ein bedrohliches Gebrüll aus dem Wald hinter uns ertönte.
"Taraphs!" rief Treave wie aus der Pistole geschossen. Es war erstaunlich, wie er das so schnell hatte feststellen können. Auch die Frau schien etwas verwundert.
Aber lange Zeit blieb nicht, als auch schon eine Horde der riesigen Katzenviecher aus dem Wald hinter uns angerannt kam.
Irgendetwas schien sie wütend gemacht zu haben. Wir sprangen auseinander, jeder bereit zum Kampf. Ausser mir natürlich.
Man, ich war so nutzlos, obwohl ich auserwählt war, diese Welt zu retten, war ich die einzige, die sich nicht wehren konnte. Das nervte. Echt.
Treave zog sein Schwert und stürzte sich brüllend zwischen die Monster.
Die Frau schüttelte den Kopf. "Idiot. Er wird sterben, wenn er es so versucht." sagte sie leise. Ich sah sie entsetzt an. Wie konnte sie hier so ruhig stehen, wenn Treave kurz davor war, in sein verderben zu rennen?
Doch plötzlich erhob sie sich in die Lüfte. Wahnsinn, sie schwebte über dem Boden. Dann breitete sie ihre Arme aus und begann, wieder diese eigenartige Sprache zu sprechen.
"Diluvium!" rief sie, als plötzlich eine riesige Flutwelle hinter ihr entsprang und die Taraphs unter sich begrub.
Wow, sie musste unglaublich stark sein, wenn sie das verursacht hatte!
Doch auf einmal fiel mir etwas ein, das mein Herz für jurze Zeit zum Stillstand brachte.
Treave! Er war doch noch dadrin, und wurde nun von den Fluten fortgetragen.
Ohne nachzudenken sprang ich hinterher in den reißenden Fluss, der sich mittlerweile gebildet hatte, ignorierte Luciens verzweifelte Rufe.
Panisch tauchte ich in dem Gewässer, das sich vor Dreck dunkel gefärbt hatte. Meine Augen brannten, und es war so kalt. Aber das war jetzt nicht wichtig.
Da, ich konnte ihn sehen! Er schien Ohnmächig zu sein, und trieb in einer Blutlache.
Oh nein, er war verletzt! Hektisch strampelte ich ihm entgegen, versuchte, ihn zu erreichen, als mich plötzlich etwas hart am Kopf traf.
Ich spürte nur einen starken Schmerz, und zwei kräftige Arme, die mich packten. bevor sich das Bild vor meinen Augen Pechschwarz färbte.

Ich hustete. Viel Wasser lief aus meinen Lungen. Was war passiert? Ich konnte mich nicht errinern.
Langsam öffnete ich meine Augen. Das erste was ich sah, war Lucien. Er hatte sich über mich gebeugt, einen panischen ausdruck auf seinem Gesicht, aber nun schien er sich zu entspannen.
Ich wollte mich aufsetzen, aber er drückte mich sanft wieder zu Boden. "Bleib lieber liegen.. Du warst lange Ohnmächtig." sagte er ruhig.
Plötzlich fiel mir alles wieder ein. "Wo ist.." brachte ich mühsam hervor, doch Lucien unterbrach mich, indem er mir seinen Finger auf die Lippen legte. Ein leichtes Kribbeln durchfuhr mich.
"Es geht ihm gut. Lucya hat den Wellen befohlen, ihn hochzutragen." sagte er leise. "Lucya?" Ich wunderte mich. Wer war das?
Lucien lachte leise, ein sanftes, kehliges Lachen. Ich mochte es. "Ja, die Frau. Sie hat sich entschuldigt, eigentlich sollte die Flutwelle nicht so gewaltig werden."
Achso, diese Frau. Wer sie wohl war? Ob sie Lucien etwas über sich verraten hatte?
Aber das war jetzt erstmal unwichtig. Ich war zu Müde, um mir weiter Gedanken über sie zu machen.
Ihm Halbschlaf griff ich nach einer Hand, es musste Luciens sein. Sie war warm, und irgendwie war es beruhigend, sie zu halten.
Es war mir egal, ob ich damit auf die Nerven ging. Aber er hatte sie mir nicht entzogen...

Die Probleme häufen sich


Ich hatte sicher noch lange so da gelegen und geschlafen, als helle Sonnenstrahlen mich weckten. Noch immer hielt ich Luciens Hand, aber er hatte sich mittlerweile neben mich gelegt und war selbst eingeschlafen.
Langsam setzte ich mich auf. Mein Kopf tat weh, und auch meine Lungen schmerzten noch immer. Ich sah mich um.
Treave lag etwas weiter von uns entfernt. Er hatte nichts am Oberkörper an, und ein Verband war um seine Brust gelegt.
Etwas niedergeschlagen sah ich zu Boden. Ich war als Auserwählte wirklich eine Niete. Dann erst fiel mir auf, das die fremde Frau weg war.
Etwas verwundert sah ich mich um. Wo war sie? War sie wirklich einfach weitergezogen? Doch plötzlich sah ich sie. Ihre grünlichen, extrem langen Haare wehten ihm Wind, während sie an einem Nahegelegenen Abgrund stand und ihr Blick sich in der Ferne verloren hatte.
Vorsichtig stand ich auf und ging leise zu ihr hin. „So, Lucya heißt du also?“ fragte ich und versuchte, ein Gespräch anzuregen. Doch sie drehte nur arrogant den Kopf weg.
Na super, das fing ja großartig an. „Ich wüsste nicht was dich das angeht.“ sagte sie kalt.
Ich legte den Kopf schief. „Aber Lucien hast du ihn doch verraten, oder?“ fragte ich verwundert. „Das ist etwas anderes“ entgegnete sie und wich meinem Blick aus.
Was hatte sie den gegen mich? Hatte das vielleicht etwas mit dieser Auserwählten Sache zu tun? „Was hast du eigentlich damit gemeint, als du meintest, du müsstest die Red Lady allein stürzen?“ versuchte ich es anders.
Plötzlich wurde ihr Blick ganz seltsam. „Ich habe gesagt, nichts von alldem geht dich etwas an. Glaubst du, du bist toll, nur weil Calhavintas denkt, das du bestimmt bist, diese Welt zu retten? Niemand braucht dich hier, du solltest lieber wieder verschwinden und mit deinen Püppchen spielen.“ Was hab ich ihr den getan? Vielleicht war ich wirklich unqualifiziert für all das hier. Ob sprechende Säulen sich mit der Auswahl ihrer Retter irren konnten?
Plötzlich drehte Lucya sich doch in meine Richtung, und warf dem schlafende Lucien einen Seitenblick zu, ehe sie mir in die Augen sah.
„Hör zu, ich werde mit euch kommen. Ohne mich wärt ihr absolut aufgeschmissen. Aber wehe, ihr kommt mir irgendwie in die Quere.“ erklärte sie kalt, ehe sie sich von mir abwandte und zu den Jungs zurück ging.
Irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, das ihre Entscheidung, uns zu begleiten, irgendwas mit Lucien zu tun hatte. Ich sah ihr kopfschüttelnd hinterher, dann ging auch ich zu den anderen. Treave hatte sich inzwischen aufgesetzt.
Schnell ging ich zu ihm hin. „Geht’s dir wieder gut?“ fragte ich besorgt. Er lächelte ein schiefes Lächeln und streckte seinen Daumen in die Luft. „Klar. Du weißt doch, Unkraut vergeht nicht.“ meinte er fröhlich. Ich hatte Tränen in den Augen, dennoch lächelte ich.
Wie froh ich war, das es ihm gut ging und er nichts von seinem Enthusiasmus verloren zu haben schien. Dann sah er mich grinsend an. „Hat unser Prinzesschen sich etwa Sorgen um mich gemacht?“ fragte er amüsiert, und legte mir eine Hand auf den Kopf.
Peinlich berührt schlug ich seine Hand weg und wischte meine Tränen weg. „Quatsch. Bild dir ja nichts ein.“ entgegnete ich.
Er ging nicht weiter darauf ein. Jetzt war auch Lucien wieder dazu gekommen. „Wir sollten zurück. Die Dorfbewohner machen sich sicher schon Sorgen.“ sagte er.
Ich nickte. Vor allem Kirya war sicherlich schon ganz außer sich. So standen wir alle auf, und Lucien und ich gingen zu Treave, um ihn zu stützen, während Lucya schon ein wenig vorgegangen war.
Bald kamen wir an, und Kirya kam uns schon am Dorfeingang entgegen gerannt.
Jedoch schien sie nicht irgendwie besorgt oder erleichtert zu sein, sondern eher fröhlich. „Ein Fest!“ rief sie aufgeregt. Was?
„Sie veranstalten ein Fest, für euren Abschied.“ erklärte sie völlig außer Atem, als sie endlich bei uns angekommen war. Super, endlich mal eine gute Nachricht. Ich liebte Feste, ganz ehrlich.
Lucya verdrehte allerdings nur genervt die Augen. „Muss dieser ganze Trubel sein?“ Doch Lucien schnitt ihr das Wort ab. „Sei nicht so unhöflich. Diese Menschen waren sehr freundlich zu uns. Und ein Fest ist vielleicht garkeine so schlechte Idee, bevor der große Kampf losgeht.
Sofort verstummte sie. Wow, Lucien schien echt einen magischen Einfluss auf sie zu haben.
Die Vorbereitungen waren in vollem Gange. Gerne hätte ich mitgeholfen, aber Kirya bestand darauf, mich unbedingt hübsch zu machen. Schließlich war ich der Ehrengast, wie sie es nannte.
Sie erinnerte mich ein wenig an Melody, und ich musste lächeln. „Weißt du schon, mit wem du gehst?“ fragte sie mich, während sie in einem Kleiderhaufen nach etwas schönem zum anziehen für mich suchte.
„Was?“ fragte ich verwundert. Sie drehte sich ungläubig zu mir um. „Na, du brauchst doch eine Begleitung.“ Plötzlich sah sie verträumt an die Decke. „Also ich fänd ja den blonden ganz toll..“ murmelte sie. Was, sie meinte Treave? Ich musste ein Lachen verkneifen. Klar, er war ein richtig guter Freund geworden, aber mehr konnte ich mir wirklich nicht vorstellen.
Plötzlich klopfte es an unsere Tür. Wenn man vom Teufel spricht, denn kaum hatten wir „herein!“ gerufen, stolzierte auch schon besagter Blondschopf in das Zimmer. Er trug immer noch kein T-Shirt. Ob er wusste, wie muskulös er war?
Er zeigte nach draußen. „Hey, Candy. Wegen diesem Fest-Dingens da..“ setzte er an. „ Tja, hättest du Lust, mit mir hinzugehen? Lucien scheint schon von dieser grünhaarigen eingespannt worden zu sein, also.. Naja, besser als allein aufzukreuzen, oder?“ Man, konnte er Gedanken lesen?
Dennoch spürte ich einen kleinen Stich, als ich hörte, das Lucien bereits mit Lucya hingehen wollte. Ich hätte wirklich gern mit ihm den Abend verbracht. Aber was Solls. Ich zuckte die Schultern und nickte. Wie er schon richtig gesagt hatte, besser, als allein aufzukreuzen.
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Die alte Frau beendete ihre Geschichte. Das Feuer knisterte noch im Kamin, als die beiden Kinder sich gegenseitig ansahen.
Das Märchen, dem sie eben gelauscht hatten, hatte es wirklich in sich gehabt.
„Diese arme Frau..“ murmelte der Junge niedergeschlagen. Das Mädchen sah ihn verwirrt an.
„Aber das war doch nur ein Märchen, sie existiert nicht wirklich..“ erwiederte sie.
Der Junge sah gedankenverloren an die gegenüber liegende Wand.
„Hm, mag sein… Aber vielleicht existiert sie doch, Schwester.“ sagte er leise.
Das Mädchen schüttelte energisch den Kopf. „Nein, die Red Lady gibt es nicht…“
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Wow, es war wirklich erstaunlich, was Kirya alles aus mir herausgeholt hatte. Ich sah geradezu hübsch aus.
Henry wären sicherlich Sprichwörtlich die Augen aus dem Kopf gefallen. Kirya lächelte, ehe sie mich zur Tür raus schubste.
„Nun mach schon, dein Begleiter wartet..“ sagte sie amüsiert. Da stand Treave tatsächlich schon, hatte sich sogar ein wenig raus geputzt.
Ein wenig unsicher taumelte ich auf ihn zu.
Na dann, stürzen wir uns mal ins getümmel…


Ein Fest zu Ehren der Auserwählten


Wow, das Dorf war wirklich Wunderschön. Die Bewohner schienen sich ganz schön Mühe gegeben zu haben.
Ich fühlte mich ein wenig schlecht, immerhin war dieser ganze Aufwand hier für mich. Aber nach der Arbeit schienen die Menschen hier wirklich Spaß zu haben.
Kinder tobten lachen durch die Gassen. Ich fragte mich, wie oft es in diesem Dorf wohl feste gab. Ich schlenderte mit Treave über die Straßen.
Es wäre total schön, wenn ich das alles hier meinem Bruder zeigen könnte. Der wäre sicher ganz hin und weg.
Plötzlich sah ich eine vertraute Gestalt auf uns zu kommen. Lucien! Aber er schien allein zu sein. Wo war Lucya?
Er kam ein Stück näher an uns und musterte mich. „Wow.. du siehst.. hübsch aus.“ sagte er ruhig. Ich wurde ein wenig rot. Gerade wollte ich ein „Danke“ murmeln, als Lucya plötzlich hinter ihm auftauchte.
„Was machst du denn hier..?“ setzte sie zum sprechen an, als sie mich erblickte. „Oh…“ schien sie festzustellen.
Also wenn ich an diesem Abend hübsch aussah, dann war Lucya eine Göttin. Ihre grünen Haare flossen in sanften Wellen ihren Rücken hinunter bis zu ihrem Steißbein, und sie hatte ein sehr figurbetontes, rotes Kleid an.
Plötzlich kam ich mir richtig schäbig vor. Kein Wunder das Lucien lieber mit ihr hierherging als mit mir. „Lass uns gehen..“ flüsterte ich leise Treave zu.
Lucien sah uns besorgt hinterher. Ich seufzte. Für mich war der Abend gelaufen, aber ich wollte ihn Treave nicht auch noch kaputt machen.
„Was ist denn los?“ fragte er etwas besorgt. Ich schüttelte den Kopf. Ihn musste ich wirklich nicht in meine Selbstzweifel mit hinein ziehen.
Dann sah ich in den Himmel. „Glaubst du, ich komm je wieder nach Hause?“ fragte ich nachdenklich. Kurz sah er mich an, dann blickte auch er hinauf.
„Weißt du, das ist zwar nur so eine Geschichte, aber… In den Prophezeiungen hieß es, das Calhavintas dem Auserwählten einen Wunsch erfüllt, wenn er unsere Welt erfolgreich rettet.“
Er zuckte mit den Schultern. „Nur so ne Geschichte, aber vielleicht..“ Es war mir egal, ob es vielleicht nur eine Geschichte war. Ich hatte neue Hoffnung gefasst.
Vielleicht konnte ich meine Familie und meine Freunde doch noch irgendwann wiedersehen. Aber warum hatte Lucien mir das nicht erzählt?
Treave unterbrach meinen Gedankengang, in dem er plötzlich meine Hand nahm und mich ein wenig vom Geschehen in der Dorfmitte wegzog.
Hier war es sehr ruhig, und nur schwach scheinte das Licht vom Fest zu uns herüber.
Auf einmal legte er seine Hand an meine Wange. „Du bist wirklich schön..“ flüsterte er. Was war denn jetzt los?
Ich bekam keine Luft mehr, und mein Herz schlug so laut, das ich dachte man könnte es noch auf dem Fest hören.
Plötzlich beugte er sich Stück für Stück zu mir runter. Ich spürte seinen warmen Atem auf meiner Haut, kurz bevor sich seine Lippen sanft auf meine legten.
Oh mein Gott, er küsste mich! Ich konnte überhaupt nicht reagieren, meine Knie wurden weich wie Butter.
Es war mein erster Kuss, und es war bombastisch. Henry hatte mich während unserer gesamten Beziehung nicht einmal so geküsst wie es Treave gerade tat.
Nach einiger Zeit löste er sich. War das wirklich richtig? liebte ich ihn? Er sah mir in die Augen. „Tut mir Leid..“ flüsterte er.
Ich konnte nicht antworten. Zu verwirrt war ich gerade.
Ich drehte mich einfach um, sah ihn nicht mehr an. Dann ging ich wie in Trance zurück zum Dorffest. Ich wusste nicht, ob er hinter mit herkam oder nicht.
Doch irgendetwas war anders am Fest, als ich zurückkehrte. Hier war keine fröhliche, ausgelassene Atmosphäre mehr. Die Menschen rannten schreiend durcheinander, Ein paar Häuser brannten.
Was war passiert. Plötzlich kam Lucien auf mich zugerannt. „Candy! Bin ich froh!“ rief er und schloss mich in seine Arme.
Ich wusste nicht, wieso, aber ich konnte ihm nach dem Kuss nicht ins Gesicht sehen. „Was ist hier passiert..“ flüsterte ich stattdessen.
Lucien schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht..“
Dann auf einmal sahen wir einen Schatten in der Luft schweben. Mein Atem stockte, als ich ihn erkannte. Entsetzt zeigte ich mit dem Finger auf ihn.
„Das ist... der Mann, der uns in die Felsen gesperrt hat...“ sagte ich entsetzt. Lucien sah in die Richtung. Auch sein Gesicht nahm einen anderen Ausdruck an.
„Das ist er..“ sagte er. „Er hat die Red Lady befreit…“ sagte er leise. Ich riss die Augen auf.
Plötzlich trat Lucya hinter uns hervor, einen Bitterernsten Ausdruck auf dem Gesicht. Starr sah sie zu dem Mann hoch.
Als er sie erblickte, legte sich ein hämisches Grinsen auf sein Gesicht.
„Lucya, wie schön dich zu sehen…“ sagte er süffisant. Lucya ballte ihre Fäuste. Überrascht blickte ich zwischen den beiden hin und her.
Woher kannten sie sich?
Lucyas Gesicht war steinhart, während sie zu dem Mann hochsah. Erst jetzt fiel mir die Ähnlichkeit zwischen den beiden auf. Die selbe Haarfarbe, die selben, spitzen Ohren… Sie trugen sogar das selbe Zeichen auf ihrer Kleidung.
Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen.
„Bruder…“ flüsterte Lucya leise.

Ein seltsames Geschwisterpaar


Immernoch ein wenig ungläubig sah ich zwischen den beiden hin und her. Hatte ich wirklich richtig gehört?
Dann hatte Lucyas Bruder die Red Lady befreit und all diese Menschen hier ins Verderben gestürzt? Warum hat sie uns das nicht erzählt?
Immernoch wutentbrannt starrte sie zu dem Mann hoch, der ihr, die Arme vor der Brust verschränkt, amüsiert entgegen grinste.
Aber es war ein falsches Grinsen, voller Abscheu.
"Hey Candy, es tut mir... was?" kam plötzlich eine Stimme vom Waldrand her. Ich drehte mich in ihre Richtung.
Dort stand Treave und begutachtete verwirrt die Szenerie, die sich ihm darbot. Sofort fiel mir der Kuss ein, den ich bis gerade eben noch verdrängt hatte.
Ich wurde schlagartig rot und drehte mich von ihm weg, versuchte, seinem Blick auszuweichen.
Das war aber garnicht nötig, denn er hatte nur Augen für Lucya und ihren. wie wir gerade rausgefunden haben, Bruder.
Lucien jedoch schien meine plötzliche Veränderung zu bemerken und warf mir musternde Blicke zu.
"Hast du Freunde gefunden? Glaubst du, jetzt könntest du mich aufhalten?" fragte der Mann amüsiert und riss mich dadurch wieder aus meinen Gedanken.
Mein Bogen! Mir fiel ein, das er in der Hütte direkt hier nebenan lag. Mann, ich sollte mir wirklich angewöhnen, das Ding mitzuschleppen.
Doch plötzlich zischte etwas ganz nah an meinem Ohr vorbei. Ein Pfeil, der direkt auf den Mann zuflog, seine Rüstung jedoch nicht durchdringen konnte und an ihm abprallte.
Ich drehte mich in die Richtung, aus der er gekommen war.
Dort stand Kirya, die sonst so hübschen Haare hingen wirr in ihrem Gesicht, und es war gerötet vor Zorn.
"Verschindet! Lasst unser Dorf in Ruhe!" rief sie wütend.
Der Mann drehte sich in ihre Richtung. "Schweig, Menschenweib! Du bist es nichteinmal würdig, mich anzusehen!" entgegnete er, und mit einer Handbewegung flog ein Feuerschwall in ihre Richtung.
Gerade wolte ich auf sie zurennen, und sie wegzustoßen, als eine Wand aus Wasser sich vor sie schob und sie vor den Flammen schützte.
"Lass sie in Ruhe, das geht nur uns etwas an!" rief Lucya und erhob sich vom Boden, um auf seine Höhe zu schweben.
Plötzlich wurde ihr ernster Blick ganz traurig. "Was ist nur aus dir geworden... " flüsterte sie leise.
Doch er lachte nur. "Das hat sie aus mir gemacht. Sie hat mich stark gemacht. Glaubst, ich wollte für immer nur der schwache Dämon bleiben, der du jetzt bist, Schwesterlein?"
Ihr Blick verfinsterte sich wieder. "Ich bin nicht Schwach. Und ich werde dich zurückholen, so wie ich es Mutter versprochen hab!"
"Mutter? Ihr war ich doch egal. Und du solltest auch aufgeben." Er schwebte etwas näher zu ihr heran und nahm eine ihrer langen Haarsträhnen in seine Hand.
"Es wäre doch schade, wenn ich soetwas hübsches zerstören müsste." flüsterte er, und in der selbsen Handbewegung holte er aus und schlug ihr ins Gesicht, sodass sie nach hinten wegflog und krachen zu Boden fiel.
Sie lag in einem kleinen Krater, ihr Bruder lachte nur abfällig. "Sie nur wie jämmerlich du geworden bist.."
"Wie kannst du sowas sagen?" mischte ich mich nun ein. Ich musste an meinen Bruder denken, und wie er mich immer beschützt hat.
"Du bist doch ihr Bruder, oder? Wie kannst du ihr dann nur sowas antun?"
Ich ballte meine Fäuste und sah zu Boden. Wenn Steve hierwäre, dann...
Er wusste garnicht, wie glücklich er sich schätzen konnte, eine Schwester hier zu haben.
"Was sagst du da?" fragte der Fremde an mich gewandt. Plötzlich stand er ganz nah vor meinem Gesicht, packte mich am Kragen und hob mich in die Luft.
Ich wurde panisch, als ich keinen Boden mehr unter meinen Füßen spürte und begann zu strampeln.
Es tat weh, wir er mich festhielt, doch ich biss die Zähne zusammen. Ich wollte keine Angst haben, nachdem Kirya und Lucya so mutig gewesen waren.
Aber sogar Lucya, die starke und schöne Lucya, lag bewusstlos in einem Krater. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Lucien uns entsetzt beobachtete.
Er versuchte, mich zu erreichen, doch er schien sich nicht bewegen zu können.
"Ich brauche keine nutzlose Schwester, die mir dauernt vorheult, das ich noch zu retten bin." ebtgegnete er wütend.
Dann schmiss er mich ebenso wie Lucya. Ich krachte hart auf den Boden. Schmerz durchzog meinen Körper, es war kaum auszuhalten.
Dann plötzlich wurde alles um mich herum schwarz...

IIHH! Irgendwas glitschiges lag in meinem Gesicht. Erschrocken setzte ich mich auf, und der nasse Waschlappen fiel mir einem leisen Platsch in meinen Schoß.
Ich sah mich um. Ich war wieder in unserer Hütte, mein Bogen lehnte Nutzlos wie immer an der Wand.
Plötzlich ging die Tür auf. "Ah, du bist wach." sagte Kirya und schwebte praktisch mit einem Korb auf den Armen ins Zimmer.
"Ich wollte dir neue Sachen bringen." meinte sie und stellte den Korb am Fußende meines Bettes ab.
"Der Mann, was ist mit dem Mann? Und Lucya?" fragte ich aufgeregt, doch sie legte nur einen Finger auf die Lippen.
"Der Mann ist verschwunden, kurz nachdem du Ohnmächtig geworden bist. Einfach so, ohne ein weiteres Wort.
Und Lucya? Der geht es prächtig, sie ist schon vor zwei Stunden wach geworden. Ihre Haut heilt unglaublich schnell, wahrscheinlich liegt das an der Dämonenhaut."
Mein Atem stockte. "Dämonen..haut?" fragte ich vorsichtig.
Kirya sah mich verwirrt an. "Ja, hat sie das nicht erzählt?
Sie und ihr Bruder entstammen aus einem Uralten und sehr mächtigen Dämonengeschlecht. Allerdings waren sie nicht böse, bis auf.." sie sah zu Boden.
Aber sie brauchte auch garnicht weiterzureden, ich wusste, wen sie meinte.
Plötzlich hellte sich ihr Gesicht auf und sie grinste mir schelmisch zu.
"Aber dein langhaariger Freund.."
"Du meinst Lucien?"
"Ja, genau den. Er ist sofort nachdem der Mann weg war zu dir gerannt und hat dich panisch aufgehoben.
Dann ist er wie ein verrückter durch das Dorf gerannt und hat nach einem Artzt gesucht."
Sie zwinkerte mir zu.
"Er schien richtig Angst um dich gehabt zu haben."
Ich wurde ein wenig rot, auch wenn ich nicht wusste, wieso. Warum freute ich mich so, das Lucien sich um mich gesorgt hatte?

"Hast du auch alles?" fragte Lucien nochmal. Ich nickte. Nurnoch meinen Bogen anschnallen, dann konnten wir los.
Ich würde das Dorf und Kirya sicherlich vermissen, aber die Red Lady wartete nicht.
Wir gingen nach draußen, wo alle Bewohner schon standen und auf uns warteten. Lucya und Treave winkten uns zu.
Wir gingen auf sie zu, als plötzlich Kirya kam und mich umarmte.
"Müsst ihr wirklich weg?" fragte sie mit Tränen in den Augen. Ich nickte ernst. Dann setzete ich jedoch ein Lächeln auf.
"Aber sobald ich der Red Lady ordentlich in den Hintern getreten habe, komm ich zurück und besuche dich." erklärte ich ihr, und ihr Gesicht hellte sich ein wenig auf.
Wir winkten den Dorfbewohnern noch einmal zu, ehe wir endgültig ausser Sichtweite waren.
"Wohin gehts jetzt?" fragte Treave mich. Ich schüttelte den Kopf.
"Das weiß ich noch nicht so genau. Aber wir müssen uns beeilen.." sagte ich, dann sah ich in den Himmel.
"Ich muss ein Geschwisterpaar zusammenbringen..."


Das Taraphbaby


Ich wusste nicht, wie lange wir schonwieder unterwegs waren, aber eines war mir klar: Meine Füße brannten wie Feuer!
Und das war keineswegs eine Untertreibung!
Lucya dagegen schien überhaupt keine müdigkeit zu verspüren. Sie ging weit vor uns, fast so als wollte sie signalisieren, das sie mit uns nichts am Hut hatte.
Warum nur war sie so abweisend uns gegenüber?
"Können wir nichtmal kurz eine Pause einlegen?" fragte ich leise an Lucien gewandt, doch ehe er antworten konnte, stand Lucya schon bei uns.
"Eine Pause? Die Red Lady macht auch keine Pausen!" erklärte sie wütend, und mit einem Kopfschütteln entfernte sie sich langsam wieder von uns.
"Und so etwas nennt sich Auserwählte.." hörte ich sie noch leise vor sich hinsagen.
Treave hatte von dem ganzen Theater nichts mitbekommen.
Plötzlich blieb er stehen. Auch Lucya erstarrte. "Riecht ihr das?" fragte sie leise. Ich schnupperte in der Luft.
Hm, also ich konnte keine Veränderung feststellen.
"Taraphs..." erwiederte Treave mit ernstem Gesichtsausdruck. Wie bitte, das hatten sie gerochen?
"Wo denn?" fragte ich unsicher, Lucya verdrehte nur die Augen. Mann, konnte sie das nichtmal lassen?
Doch nun zeigte sie in den Wald hinein. Ich folgte ihrem Finger mit meinem Blick und sah eine kleine Kreatur auf dem Boden hocken.
"Lasst uns kurzen Prozess machen, wir müssen weiter." sagte Treave und griff nach seinem Schwert. Moment, es sah aus wie ein Jungtier!
Ich packte auf seine Hand und hielt sie fest.
"Warte, es ist ein Baby! Und es hat uns nicht angegriffen.." setzte ich mich für das junge Taraph ein.
Treave schüttelte nur ungläubig den Kopf. "Candy, Baby hin oder her, es ist ein Monster! Alle Taraphs stehen unter der Kontrolle der Red Lady." erklärte er, doch ich hörte nicht auf ihn.
Stattdessen ließ ich seine Hand los und ging in den Wald hinein, auf das Taraphbaby zu.
Lucien griff nach meiner Handund wollte mich aufhalten, doch ich schüttelte sie ab.
Vorsichtig ging ich auf das Baby zu, doch es machte keinerlei Anstalten, mich anzugreifen.
Auch wenn es noch ein sehr junges Tier war, so hatte es schon die Größe eines ausgewachsenen Bärens.
Ich schluckte.
Dann bemerkte ich jedoch eine Blutspur auf dem Boden."Es ist verletzt!" rief ich den anderen über die Schulter hinweg zu, doch sie rührten sich nicht.
Vorsichtif ging ich etwas näher heran. Da sah ich es. Die Pfote des Jungtieres war blutig, offensichtlich eine Schnittwunde.
"Pschhhht.." beruhigte ich es, während ich ein Stück von meinem Kleid abriss. Dann begann ich vorsichtig, es um die Pfote zu wickeln.
"Danke.." hörte ich plötzlich eine Stimme. Ich sah mich erschrocken um und stellte dann überrascht fest, das das Taraphbaby anscheinend unsere Sprache sprechen konnte!
"Kan..kannst du aufstehen?" fragte ich während ich ihm unter den Bauch fasste um ihn zu stützen.
Mühsam rappelte er sich auf.
Dann gingen wir gemeinsam zu den anderen. Als ich mit dem Taraph zurückkam, zog Treave sofort sein Schwert.
"Nicht!" rief ich, und er zögerte kurz. "Es..es spricht unsere Sprache!" erklärte ich. Lucien zog eine Augenbraue hoch.
Da begann das Taraph auch schon zu reden.
"Mein Name ist Kahn.." begann er. "Ich wurde.. von meinem Rudel verstoßen, weil ich mit euch

Der Liebestest


Wow, das kann jetzt dabei war, war echt super. Und wisst ihr auch warum?
Er lässt mich auf sich reiten!
Ganz echt, meine Füße dankten es ihm.
Obwohl Kahn ein Jungtier war, hatte er ungefähr die Größe eines Pferdes.
Die einzige, die mal wieder was zu meckern hatte, war Lucya.
"Wenn ihr schon nach ein Paar Metern die Füße schmerzen, wie will sie dann einen Jahrhundertealten, mächtigen Geist besiegen?"
hatte sie gesagt. Gut, die Frage hat was, aber bitte, musste man mir das so vor die Füße schmeißen?
"Hier kommt nichts mehr.." sagte Treave nach einer Weile niedergeschlagen. Lucya nickte.
"Dann werden wir unser Nachtlager hier aufschlagen. Einer von uns muss Wache halten. Ich
schlage vor, wir wechseln uns ab." erklärte Lucya.
Wir nickten einstimmig. Herrje, es gab wirklich einen Gott, ich werde auch nie wieder dran
zweifel. Denn ich musste nicht als erste Wache halten.
Stattdessen machte Lucien sich für eine lange Nacht bereit. Schon bald vernahm ich Treaves
vertrautes Schnarchen. Es hatte was beruhigendes, weswegen ich schnell einschlief.
Aber lange währte meine Ruhe nicht. Bald wurde ich wieder wach, und nochmal einschlafen ging nicht.
Es war noch stockfinster. Ich beschloss mal zu sehen, was Lucien so trieb, setzte mich auf und ging zu dem Baum, an den er sich gelehnt hatte.
Da lag er doch tatsächlich und schlief. Schöne Wache. Lächelnd hockte ich mich ihm gegenüber.
Irgendwie wollte ich ihn nicht wecken. Er sah so entspannt aus, so friedlich..
Plötzlich wurde er von selbst wach. "Candy?.." fragte er leise, ich nickte.
Dann setzte er sich auf und gähnte.
"Und, schön geschlafen während die Red Lady uns alle niedergemätzelt hat?" fragte ich ironisch.
Er sah mich entsetzt an. Beschwichtigend hob ich diese Hände. "War nur ein Scherz! man, Spaß wird in dieser Welt nicht gerade großgeschrieben, Huh?" fragte ich.
Er seufzte nur und ließ sich zurück an den Baum sinken.
Ich setzte mich neben ihn. Eine Weile schwiegen wir, bis er das Wort ergriff.
"Ist damals auf dem Fest eigentlich irgendwas zwischen dir und Treave passiert?" fragte er leise. Ich wurde knallrot, als mir der Kuss wieder einfiel.
"N..nö.." sagte ich betont locker und drehte den Kopf beiseite, um seinem Blick auszuweichen.
Warum verheimlichte ich ihm das? Was war denn so schlimm daran? Ouh mann, als ob mein Leben nicht shon kompliziert genug war.
"Hm.." machte Lucien und wandte den Kopf ab. "Seltsam das man rot werden muss, wenn nichts passiert ist.." fügte er übel launig hinzu.
Ich drehte ihm den Kopf zu. Was ging jetzt? Warum war er so sauer. Jetzt wurde ich selbst wütend. Was bildete er sich ein?
"Selbst wenn etwas passiert wäre, was ginge dich das an?" rief ih erzürnt.
Jetzt hat ers geschafft, jetzt kriegt er die pure Wahrheit zu spüren!
"Wenn du es unbedingt wissen willst, ja, es ist was passiert. Wir haben und geküsst! Und wenn du es genau wissen willst, es war bombastisch! Bist du jetzt zufrieden?" plazte ich heraus.
Er sah mir ernst ins Gesicht, ich schluckte. "Liebst du ihn?"
Wie bitte?
Jetzt war ich wirklich perplex..
Ehrlich gesagt hatte ich da nicht mal eine Antwort drauf. Liebte ich ihn?
"Na ja, also der Kuss.. war schon.. es hat sich schon so angefühlt.." erwiederte ich unsicher.
"Wie oft hast du davor schon geküsst?" fragte er mich, immernoch so ernst.
"Na ja, da war.. also.." Er sah mich so durchdringend an. "Na gut, noch kein Mal.. Das war mein erster Kuss.." gab ich wiederstrebend zu.
Er verschrenkte die Arme. "Wie kannst du aus einem ersten Kuss denn bitte sagen, das du ihn liebst, wenn du nichts zum vergleichen hast?" fragte er. Ich hob eine Augenbraue hoch.
Worauf wollte er hinaus? Ich verstand nicht ganz..
Seufzend begann er zu erklären.
"du hast ihn zum ersten Mal geküsst, nicht? Du denkst jetzt, du liebst ihn, weil der Kuss sich für dich so toll angefühlt hat.
Um allerdings wirklich sicher zu gehen, musst du jemanden küssen, den du nicht liebst. Fühlt es sich genauso an, liebst du ihn nicht.
Fühlt es sich aber schlechter an, dann liebst du ihn." brachte er seine Erklärung zuende.
Das klang irgendwie wirklich logisch.
"Du hast Recht.." flüsterte ich. Vieleicht liebte ich Treave ja wirklich nicht? Ich musste zugeben, ganz sicher war ich mir selbst nicht.
"Willst du.. es probieren?" fragte er vorsichtig. Verwundert sah ich ihn an. "Was probieren?"
Etwas errötet wandte Lucien sein Gesicht ab. "Na, den Liebestest.."
Die Röte schoss in mein Gesicht. "W..was, mit dir?" fragte ich etwas entsetzt.
"du musst ja nicht.." grummelte er. Ups, ich glaube, jetzt hatte ich ihn beleidigt. Ich atmete tief ein.
"Oke!" Er wandte sich mir zu. "Naja, was kann schon schiefgehen, huh?" versuchte ich, meinen Enthusiasmus aufzusetzen, auch wenn meine Knie schlotterten.
"Schließ die Augen." befahl er mir. Ich tat was er sagte. Ich spürte, wie mein Atem schneller ging.
Auch er schien aufgeregt zu sein, ich konnte seine Anspannung fühlen.
Langsam fühlte ich seinen Atem auf meinem Gesicht. Dann legten sich zögernd seine Lippen auf meine.
Eine innere Explosion schoss in mir los. So etwas hatte ich noch nie gespürt.
Augenblicklich vergass ich alles um uns herum. Auch ihm schien es nicht anders zu gehen. Sanft fasste er um meine Hüften und zog mich an sich heran. Ich legte meine Hände an seine Brust und konnte sein Herz spüren, das zu bersten drohte.
Sanft teilte er meine Lippen mit seiner Zunge, ich ließ ihn gewähren. Ich weis nicht wie lange wir so da standen, bis er sich wiederwillig löste.
"Ich hoffe, du hast jetzt deine Antwort.." raunte er, ohne in mein Gesicht zu sehen, ehe er zu den anderen zurückging.
Wie benommen taumelte ich zurück, ließ mich gegen den Baum fallen und sank an ihm hinunter.
Die hatte ich Allerdings.

Die Situation spitzt sich zu


Wohin waren wir eigentlich unterwegs? Diese Frage spukte schon lange in meinem Kopf herum, aber stellen wollte ich sie nicht.
Damit ich mir von Lucya wieder anhören konnte, wie unwissend ich war? Nein danke, dann lieber weiter planlos durch die Gegend latschen.
Es war mittlerweile wieder hell, und wir zogen weiter ins ungewisse. Langsam plagten mich wirklich unschöne Gedanken.
Was sollte ich tun, falls ich der Red Lady tatsächlich gegenüber stand? Ich hatte keine magischen Fähigkeiten, und meine Künste mit dem Bogen waren begrenzt.
Ich war im Sport immer eine Niete, und ausserdem bekam ich es schnell mit der Angst zutun.
Calhavintas hätte wirklich jemand anderes auswählen sollen.
"Bleibt stehen!" zischte Lucya plötzlich. Ich war so in Gedanken versunken, das ich beinahe in sie reingelaufen wäre.
"Was ist denn?" fragte ich neugierig. "Er ist hier.." flüsterte sie zur Antwort.
Die anderen beiden nahmen sofort eine abwehrende Position ein. Was? Wer war hier? Ich stand mal wieder völlig auf dem Schlauch.
Plötzlich raschelte es im Busch neben uns. Lucyas Zwillingsbruder, und der Erwecker der Red Lady trat heraus.
Dramaturgisch klatschte er ihn die Hände, während er langsam auf uns zuschritt.
"Gut aufgepasst, Schwesterherz." sagte er mit einer schmeichelnden Stimme, als er näher trat.
"Wer ist das?" fragte Kahn. Ihr Bruder wandte sich ihm zu. "Wie, ein sprechendes Taraphtier? Du bist wirklich tief gesunken, Lucya." sagte er amüsiert zu seiner Schwester.
Diese ballte ihre Fäuste und bleckte knurrend ihre Zähne.
Wow, mir war nie aufgefallen, das Lucya so eine Art Reißzähne hatte.
"Willst du das ich mich zu Tode lache?" fragte er amüsiert. Ich konnte nicht einfach Tatenlos herumstehen, ich musste etwas tun! Immerhin war ich die Auserwählte!
Ich griff nach meinem Bogen, aber Lucien legte seine Hand auf meine, die den Bogen festhielt.
Ich starrte zu ihm hoch. "Aber.." begann ich, doch er schnitt mir mit einem Kopfschütteln das Wort ab.
"Die beiden müssen das unter sich ausmachen." erklärte er. Entsetzt sah ich zurück zu den beiden.
Doch Treave hielt sich nicht im geringsten daran. Schreiend stürzte er sich von

Schwere Verluste


Lucya stürzte sich sofort mit wildem Gebrüll auf ihn.
Sie strahle sie eine ganz andere Energie aus als vorhin. Viel entschlossener, gefährlicher.
Auch ihr Bruder schien zu merken, das er jetzt einen ernstzunehmenden Gegner vor sich hatte.
"Pluvia Ignis" rief sie inbrünstig, und ein Feuerregen brach auf ihn los. Lucien stellte sich schützend vor mich, damit ich nichts von den Flammen abbekam.
Ihren Bruder schien das aber nicht groß zu irritieren, er wich den Feuerbällen geschickt aus und bereitete sich auf einen Gegenangriff vor.
Doch auch Lucya schien vorbereitet und konnte ebenfalls ausweichen.
Es war ein erbitterter Kampf, der bis an die Grenzen ging. Die Zwillinge hielten sich nicht mehr zurück, bekämpften sich mit allen Mitteln.
Entsetzt beobachtete ich die Szene. Das durfte so nicht sein, das war Falsch!
Wie konnte man gegen seine eigene Familie kämpfen?
Die umgebung war bald ein einziges, schwarzes Schlachtfeld. Hier und da brannte es auch.
Die beiden waren völlig ausser Atem und konnten sich kaum noch auf den Beinen halten.
Aber der Kampfgeist in ihren Augen war nicht erloschen.

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"Was möchtest du gerne spielen, Schwester?" Ich überlegte. Was wollte ich spielen?
"Ich möchte mit dem Ball spielen!" erwiederte ich. Mein Bruder zog eine Augenbraue hoch.
"Mit dem Ball, bist du dir sicher, Lucya? Ich meine, du kannst es doch nicht richtig, ausserdem spielen wir das immer.." Ich zog einen Schmollmund.
"Natürlich will ich das wirklich spielen!" rief ich entrüstet.
Natürlich war das gelogen. Ich hasste Ballspiele. Aber ich wusste, das du sie magst.
Mir war egal, was wir spielen, hauptsache, ich konnte mit dir zusammen sein.
Aber hätten wir auch wir auch Sachen gemeinsam gemacht, wenn wir gespielt hätten, was ich wollte?

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Die beiden konnten nicht mehr, das war ihnen anzusehen.
Sowohl Lucya, als auch ihr Bruder hatten ein Paar schwere Treffer einstecken müssen.
Aber jetzt holten sie zum Finalen Schlag aus. Wer auch immer jetzt treffen würde, er hätte gewonnen.
Ich sah, wie sie aufeinander zuliefen. Das durfte nicht geschehen, das musste aufhören!
"Stoop!" rief ich und warf mich zwischen die beiden.
Sofort hielten sie inne. Luyca, weil sie mich nicht verletzen wollte, und ihr Bruder, weil er ganz schön überrascht schien.
"Was soll das, ihr seid doch eine Familie, oder?" rief ich wütend. Das kotzte mich wirklich an.
Gut, vieleicht war es falsch, was er getan hatte. Aber wie kann man seinen eigene Schwester umbringen?
"Halt den Mund.." sagte Lucya leise aber gereizt. "Aber.." wollte ich gerade erwiedern. Doch Lucya schnitt mir das Wort ab.
"Du sollst denn Mund halten! " schrie sie jetzt. Tränen stiegen ihr in die Augen.
"Du kennst mich nicht, du weißt nichts über meine Familie! Hier ist nicht alles so toll wie in deiner wunderbaren, friedlichen Menschenwelt! Wenn du damit nicht klarkommst, dann verschwinde am besten wieder!" Sie war völlig ausser sich.
Ich schluckte.
"Lucya.." mischte sich jetzt ihr Bruder ein. "Wir müssen uns nicht töten. Stell dich auf meine Seite. Gemeinsam können wir der Red Lady zum aufstieg helfen. Wir können die Welt erobern, und mächtiger werden als eh und je!" versuchte er sie zu überzeugen.
Lucya starrte ihn an. Ich bemerkte, wie der Griff um ihr Schwert sich lockerte.
"Tu´s nicht, Lucya!" brüllte Treave, aber sie ignorierte ihn.
Immer mehr wandte sie sich ihrem Zwilling zu. Ich musste schlucken. Würde sie sich wirklich für ihren Bruder und gegen uns entscheiden?
Langsam ging sie Schritt für Schritt auf ihn zu.
Jetzt breitete er seine Arme aus. "Komm zu mir Schwester, lass uns eine neue Welt erschaffen!" rief er, und ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus.
Lucya schluchzte, dann warf sie sich in seine Arme. Ich riss die Augen auf.
Gegen Lucya würde ich niemals kämpfen können.
Ein triumphierendes Grinsen legte sich auf seine Lippen, als er plötzlich entsetzt die Augen aufriss.
Erst jetzt bemerkte ich das blutige Schwert, das aus seinem Rücken ragte.
"Lucya..." krächzte er. "Es tut mir so leid.." flüsterte sie unter Tränen.
Ich schlug die Hand vor den Mund. Langsam sanken die beiden zu Boden, sein Kopf lag jetzt auf ihrem Schoss.
"Warum... es hätte doch alles... werden können wie damals.." flüsterte er schwach. Sie schüttelte nur leicht den Kopf.
"Nein.. nichts ist mehr wie damals.." erwiederte sie leise. Eine ihrer Tränen landete auf seinem Gesicht.
Er schloss die Augen, sah friedlich aus. "Vieleicht.. hast du Recht... Schwesterlein.." sagte er schwach und ein Lächeln umspielte seine Lippen.
"Wie schön... das ich am Schluss.. wenigstens in deinen Armen sterben durfte." das war das letzte, das er gesagt hatte, bevor sein Körper erschlaffte.
Lucyas Gesicht war Tränen überströmt. Auch ich spürte, wie mir Tränen das Gesicht hinunterliefen.
"Candy.. komm her.." flüsterte sie, ihren toten Bruder im Arm. Ich kam langsam näher.
"Gib mir deine Hand.." befahl sie. Ich tat, wie sie sagte, und sie umfasste sie mit ihrer eigenen blutverschmierten.
Plötzlich fühlte ich eine Macht durch meine Hand in meinen Körper fließen. Ich war nicht mehr erschöpft. Ich fühlte mich stärker als eh und je.
Lucya hatte mir ihre gesamten Kräfte übertragen. Dann ließ sie erschöpft ihre Hand sinken.
"Töte sie für mich, Candy... lass mich und ihn nicht umsonst gestorben sein.."
Ich nickte. Moment mal, wieso sie? Sie wird doch nicht.. Ich sah, wie sie nach dem blutigen Schwert griff.
"Halt, was hast du.." setzte ich an.
Lucya warf ihrem Bruder einen liebevollen Blick zu.
"Ich habe ihn schonmal allein gelassen.. das werde ich nicht nocheinmal tun.." erklärte sie mit einem leichen Lächeln.
Dann rammte sie sich das Schwert durch den magen.
"Lucya!" schrie ich, als sie schlapp zu Boden sank.
Ich schlug die Hand vor den Mund, Tränen strömten über mein Gesicht. "Pass mir bloss gut auf Lucien auf..." flüsterte sie, ehe sie leblos zusammensank.
Ich nickte nur stumm. Lucien kam von hinten und griff sanft unter meine Arme, um mich auf die Beine zu heben.
Die beiden Zwillinge lagen jetzt Arm in Arm übereinander. Ich hoffte, das sie zumindest tot zusammen sein konnten.
Plötzlich wurde alles ganz dunkel und schwarz. Ein starker Wind zog auf, und es wurde unglaublich kalt. Ich fröstelte.
"Ich wusste gleich, das er nutzlos war, er hing zu sehr an ihr..." sagte eine kalte Frauenstimme.
Plötzlich stand eine Wunderschöne Frau mit blutroten Lippen neben Lucya und ihrem Bruder.
Sie hatte lange, schwarze Haare und ein Rotes, wehendes Kleid an.
Ich hatte sie noch nie gesehen, aber ich augenblicklich, wer sie war.
Möge der Kampf beginnen! Ich würde nicht zulassen, das die beiden umsonst gestorben waren.
Heute würde die Red Lady gestürtzt werden, von einem einfachen, Mathe hassenden Erdenmädchen!

Möge der Kampf beginnen!


Da stand sie also, die Red Lady.
Der Grund, weshalb ich aus meinem bisherigem Leben gerissen wurde.
Der Grund das ich meine Familie niemals wiedersehen werde, der Grund für das Leid all dieser unschuldigen Menschen.
Der Grund für Lucyas Tot.
Ich würde ihr heute alles hundertfach zurückgeben.
Doch sie stand nur da und starrte auf mich nieder, als wäre ich ein Mistkäfer. Wahrscheinlich dachte sie das auch. Aber das war mir egal.
Ich fühlte mich stark. Ich hatte Lucien, Treave und Kahn an meiner Seite, ausserdem hatte ich Lucyas Kräfte und Calhavintas Bogen.
Ich hatte es im Gefühl, das er mich in der entscheidenden Schlacht nicht allein lassen würde.
Und ich hatte im Gefühl, das ich heute die Red Lady stürzen würde.
"Ich weiß naürlich, weshalb du hier bist, mein Kind. Aber willst du wirklich die Bürde dieses Kampfes auf dich nehmen?"
Ich ging einen Schritt auf sie zu. Bedrohlich schwang ich meinen Bogen in ihre Richtung.
"Natürlich werde ich das!" rief ich zurück.
Sie lächelte ein hämisches Lächeln.
"Du bist also bereit, dein Leben für all diese fremden Menschen zu riskieren, die du nichteinmal kennst? Die Menschen, die Schuld sind, das du fort musstest?" Ich schluckte.
Sie kam mir näher.
Ganz nah an mein Gesicht. Dann flüsterte sie etwas an meinem Ohr. "Ich kann dir geben was du willst,," hörte ich ihre leise, hauchende Stimme, ehe ich die Augen aufriss und in einen Tunnel gezogen wurde.
Der Tunnel erinnerte mich an den, durch den ich Anfangs gesogen wurde, bevor das hier alles begonnen hatte.
Plötzlich ein gleißendes Licht, und ich fand mich in einem Zimmer wieder.
Aber es war nicht meines. Es war Henrys. Ich saß auf seinem Bett, sonst war niemand hier.
Ich sah mich verwundert um.
Plötzlich ging die Tür auf, und ich sah eine Person eintreten. Freudig sprang ich vom Bett auf. "Hen.." Doch das Wort blieb mir im Hals stecken, als ich sah wen er im Arm hatte.
"Melody?" fragte ich entsetzt.
Die beiden lächelten sich verliebt an. Ich spürte wie meine Brust sich zuzog.
Auf einmal fiel ihr Blick auf den Schreibtisch. Auch ich sah hin. Dort lag noch ein altes Bild von mir.
"Wer ist das?" fragte Melody. Erkannte sie mich denn nicht? Henry sah ebenfalls auf das Bild.
"Dieses Mädchen war glaube ich mal meine Freundin.. wie war noch ihr Name?" dachte er laut.
"Achso, stimmt, dieses Miststück das dachte, ich wäre ihre Freundin?"
Beide fingen an zu lachen. Tränen liefen meine Wangen hinunter.
Warum? Wir waren doch immer beste Freundinnen gewesen!
Ich schluckte, mein Hals war trocken. Plötzlich hörte ich eine Frauenstimme.
"Das tut weh, nicht war?" fragte sie amüsiert.
Ich sprang erschrocken auf. Wo war sie?
"Wollen wir mal sehen was deine Familie so treibt?" fragte sie weiter.
Schonwieder dieses gleißende Licht.
Diesmal landete ich in meinem Zimmer. Auf meinem Bett. Wie vertraut sich das anfühlte.
Ich kuschelte mich in mein Kissen.
Auf einmal ging die Tür auf, und Steve kam rein. Mit voller Wucht ließ er sich auf mein Bett fallen. Er glitt einfach durch mich hindurch.
"Alter, so viel Platz, seit die doofe Kuh weg ist!" sagte er und streckte sich aus.
Wieso sagte er nur soetwas? Vermisste er mich denn nicht?
Ich glitt zu Boden, musste meinen Brustkorb umschlingen.
Plötzlich war mir ganz kalt.
Was war das für eine seltsame, verdrehte Welt? Warum hassten mich hier alle? Alle, die mir etwas bedeuteten, alle die ich liebe?
Tränen liefen über meine Wangen und fielen patschend zu Boden.
Plötzlich erschien vor mir eine Flamme, aus der sich die Red Lady formte.
"Es schmerzt, wenn man merkt, das die Familie einen hasst, und die beste Freundin einen vergessen hat, nicht war?" Ich konnte nicht antworten.
Sie schwebte zu mir hinunter und nahm mein verheultes Gesicht in ihre eiskalten Hände.
"Du kannst die Zukunft ändern.." flüsterte sie.
"Versprich mir, nicht gegen mich zu kämpfen, und ich schicke dich sofort zurück in dein altes Leben.
Dann kannst du die Sache selbst in die Hand nehmen.." brachte sie ihren Satz zuende.
Einen kurzen Moment war ich nicht abgeneigt, ihre Hand zu ergreifen, diesem ganzen Horror ein Ende zu bereiten.
Doch aufeinmal kamen Errinnerungen in mir hoch.
"Candy.." rief eine Stimme nach mir. Immer und immer wieder. Eine sehr vertraute Stimme.
Melody...
"Candy, willst du dieser Frau etwa glauben schenken? Wo ist meine Candy hin, hm?" fragte sie, ich konnte sie bildlich vor meinem Auge sehen.
"Candy, hör nicht auf sie.." hörte ich nun die Stimme meines Bruders.
"Willst du ihr wirklich diese Welt überlassen?"
Nein..Nein, das würde ich nicht tun!
Sie brauchten mich, sie alle brauchten mich! Lucien, Treave, Lucya, Kirya..
Ich würde sie und diese Welt nicht im Stich lassen, auf keinen Fall.
Langsam richtete ich mich auf, die Red Lady wich erschrocken zurück.
"Was tust du da?" fragte sie entsetzt.
"Du Lügnerin.. Du elendige Lügnerin.." flüsterte ich. Die Welt um mich herum begann bedrohlich zu zittern.
"Meine Familie und meine Freunde würden niemals so über mich denken.. Niemals!"
Ich ging Schritt für Schritt auf sie zu.
Mit jedem Schritt wurde ihr Gesicht panischer.
"Sie sind alle hier bei mir. "
Mit diesen Worten zerberstete die Welt um mich herum in Tausend Scherben. Sie fiel zurück.
Ich stand wieder bei Lucien und den anderen.
Entschlossen nickte ich ihnen zu, ehe ich nach meinem Bogen griff.
Die Red Lady war geshwächt, man konnte es ihr ansehen.
Ich kniff die Augen zusammen.
"Heute wirst du sterben.."

Ein verdammter Vollidiot...


Nichts war mehr geblieben von ihrer zuvorigen Selbstsicherheit. Dieser plötzliche Kraftschub meinerseits hatte allerdings nicht nur sie überrascht.
Durch die Trugbilder hatte sie versucht mich zu schwächen, aber das war ihr nicht gelungen.
Meine Familie und meine Freunde würden mich nie so verletzen.
Und sollte ich jemals wieder nach Hause kommen, würde ich das auch ganz sicher zu schätzen wissen.
"Kahn!" rief ich. Er zischte sofort an. Noch im laufen sprang ich auf seinen Rücken.
Jetzt musste alles schnell gehen. Die Red Lady würde nicht lange Fackeln.
Und so war es.
Sofort flogen ein Feuerschwall nach dem nächsten in unsere Richtung. Aber es war nicht schwer ihnen auszuweichen.
Sie wurde unvorsichtig und panisch.
All ihre Taktik war dahin. Sie wollte uns nurnoch loswerden, wie eine nervige Fliege. Aber so leicht würden wir es ihr nicht machen.
Kahn sprang in die Luft, mit mir auf seinem Rücken, und aus der Luft ließ ich einen Pfeil auf sie herunterschnellen.
Mit Mühe wich sie ihm aus, und bemerkte nicht, das Treave mit erhobenem Schwert aus einer Rauchschwade hervor und auf sie zusprang.
Jedoch konnte sie auch ihn in letzter Sekunde abwehren, und wie durch eine unsichtbare Energie wurde er gegen eine Felswand geschleudert.
Ich wollte ihm helfen, doch dann sah ich wie Lucien den Kopf schüttelte.
"Kümmere dich nicht um andere, sondern nur um deine Aufgabe!" schrie er mir zu. Es fiel mir schwer, aber er hatte Recht.
Die Red Lady grinste hämisch. Anscheinend hatte sie ihre Selbstsicherheit wieder.
Kahn beschleunigte das Tempo und rannte auf sie zu. Nun spie auch er große Feuerbälle in ihre Richtung. Ich wusste garnicht das er das konnte.
Auf jeden Fall wurde auch sie davon ziemlich aus der Bahn geworfen. Kurz war sie abgelenkt. Das war meine Chance. Ein Pfeil schnellte auf sie hinunter und blieb in ihrer Brust stecken.
Sie erstarrte. Dann grinste sie.
"Erinnerst du dich nicht, Schatzchen?" fragte sie mit einem gehässigen Unterton, ehe sie den Pfeil aus ihrer Brust zog. Von seiner Spitze tropfte kein Tropfen Blut.
"Ich bin bereits Tot!" klirrend ließ sie den Pfeil zu Boden fallen.
"So langsam reicht es mir aber mit euren Spielchen!" rief sie, ehe sie sich in die Luft erhob.
Treave und Lucien bekamen auf einmal einen ganz panischen Gesichtsausdruck.
"Verschwinde von da!" rief Treave mir zu. Dann, plötzlich, wurden Kahn und ich durch Luft gerissen.
Hart knallte ich dem Rücken auf den Boden. Ich spürte, wie mir Blut das Kinn hinunterlief. Alles schmerzte, ich konnte mich nicht bewegen.
Hilflos wie eine Schildkröte lag ich da.
Die Red Lady schwebte über mir und grinste triumphierend.
"Du willst das ich für immer gehe?" fragte sie. Ich war zu schwach um zu antworten.
"Fein, das werde ich.." Dann hob sie eine Hand. "Aber ich werde dich mit mir nehmen!"
Und in diesem Moment rauschte eine Feuersäule auf mich hinunter.
Ausweichen konnte ich nicht. Ob das wohl diesmal wirklich das Ende war? Ich wusste noch genau was mir damals durch den Kopf gegangen war.
Heute war ich anders. Die Zeit hier hatte mich verändert. Ich wusste nun zu schätzen was ich hatte.
Ich hatte meine Familie, und Lucien, Treave, Kahn und auch Lucya.
Zumindest durfte das einsehen, bevor mir nun entgültig das Licht ausgeknipst werden sollte.
Ich schloss die Augen, wartete auf den Schmerz.
...
Doch er kam nicht. Stattdessen vernahm ich ein geschrienes "Neiin!"
Ich öffnete schwach die Augen. Nein! Das durfte nicht sein! Warum war er nur so ein Vollidiot?
"Treave.." Ich setzte mich auf und beugte mich über den am Boden gekrümten Körper. Er lag da, hatte die Augen geschlossen.
Dann öffnete er sie leicht und grinste mich an.
"Hey, Dummkopf, wolltest du etwa einfach so sterben?.." fragte er mit schwacher Stimme. Eine Träne kullerte über meine Wange, dicht gefolgt von weiteren.
Durch die Tränen hindurch starrte ich ihn wütend an.
"Warum, du verdammter.."
Sein Grinsen verwandelte sich in ein schwaches Lächeln, er schloss die Augen wieder.
"Weißt du noch, als wir uns zum ersten Mal begegnet sind? Da hab ich gesagt, du schaffst es niemals, die Red Lady zu stürzen. Ich hab mich geirrt. Eigentlich hätte ich garnicht mitkommen brauchen..."
Er öffnete die Augen wieder und legte mir eine Hand an die Wange.
"Ich bin froh das ich es trotzdem getan habe.."
Ich griff seine Hand mit meinen und schluchzte hinein. Seine Wärme ließ langsam nach. Er durfte nicht gehen, er konnte mich doch nicht allein lassen!
Sein Lächeln wurde wärmer.
"Candy.. würdest du mir einen Gefallen tun?" fragte er, seine Kräfte ließen nach.
Ich konnte nicht antworten, ich nickte nur schwach.
"Lächel..." Verwundert sah ich ihn an.
"Du warst in letzter Zeit immer so ernst... Aber ich möchte noch einmal dein Lächeln sehen bevor ich gehe..."
Ich tat mein bestes. Aber irgendwie wollten meine Lippen nicht mitspielen. Unter Tränen bekam ich schließlich doch ein Lächeln hin.
Treave schloss die Augen. "Siehst du, das steht dir viel besser."
Ich spürte wie seine Hand schlaff wurde. Auch seine Wärme war verschwunden.
Ich sah ihn durch die Tränen an. Er lächelte friedlich.
"Treave..?" fragte ich unsicher. Ich riss die Augen auf. "Treave!"
Ich schrie. Ich schrie und schluchzte. Immerwieder seinen Namen. Warum hatte er mich allein gelassen? Warum war er so ein Vollidiot?
"Ich hasse dich!" schrie ich. Lucien tauchte hinter mir auf und packte mich.
"Lass los, lass mich los!" keifte ich ihn an.
Ich war sauer auf Treave, warum wollten meine Tränen nicht aufhören zu fließen?
Ich drehte mich zu Lucien und sah ihm in die Augen.
"Er ist tot.." flüsterte ich und meine Stimme brach ab. Dann drückte ich mich gegen Luciens Brust und schluchzte. Sanft legte er seine Arme um mich und strich mir über Haar.
Aber ich spürte das auch er mit den Tränen kämpfte.
Aber ich konnte und durfte mich jetzt nicht hängen lassen. Treaves Traum war es die Red Lady zu stürzen, ich würde seine Ideale weiterführen, komme was wolle.
"ich töte sie..." flüsterte ich an Luciens Brust.

It's over


Ich wandte mich schweren Herzens von Lucien und dem toten Treave ab.
Nun war sie zu weit gegangen. Das würde ich ihr niemals verzeihen!
Das erste mal seit Treave sich zwischen mich und den Feuerschwall geworfen hatte sah ich die Red Lady an.
Entsetzt hatte sie die Augen aufgerissen und rührte sich nicht mehr. Was war mit ihr los?
"Was hat er getan..?" fragte sie verwirrt.
Lucien trat zwischen uns. "Er hat sich für sie geopfert!" rief er.
Ein Stich traf mein Inneres.
Die Red Lady schüttelte langsam und ungläubig den Kopf.
"Und weißt du auch warum?" erzählte Lucien weiter. Die Frau hielt sich die Ohren zu.
"Weil er sie geliebt hat!" Ich riss die Augen auf. Treave hatte mich geliebt?
Eigentlich hatte ich es mir denken können, aber es jetzt so zu hören, und dann auch noch als er tot war.
Meine Knie knickten ein.
Die Red Lady allerdings schüttelte jetzt noch energischer den Kopf.
"Nein, das gibt es nicht! So etwas wie Liebe gibt es nicht!" schrie sie immer lauter. Ich konnte spüren, wie die starke Aura die sie umgab immer schwächer wurde.
Sie umschlang ihren Brustkorb mit ihren Armen.
Das war meine Chance. Zitternd vor Schwäche stand ich auf. Lucien kam um mich zu stützen, doch ich wehrte ihn ab. Das konnte ich auch alleine schaffen.
"Du bist verletzt, nicht wahr?" fragte ich laut in ihre Richtung.
Entsetzt sah sie mich an.
"Du bist verletzt, weil er dich nicht geliebt hat, oder?"
Wütend sah sie in meine Richtung. "Halt den Mund!" sagte sie energisch.
Doch ich ließ mich nicht beirren. Langsam ging ich Schritt für Schritt in ihre Richtung.
"Du bist an den falschen geraten! Ich bin mir ganz sicher, das es Menschen gab, die dich geliebt haben! Denen du etwas bedeutet hast!" rief ich.
Ich konnte sehen, das sich ihre Augen langsam mit Tränen füllten.
"Du sollst den Mund halten!" schrie sie jetzt wütend.
Ich war fast bei ihr.
"Warum musst du alle anderen deinen Schmerz fühlen lassen? Warum nimmst du den anderen die Menschen, die ihnen etwas bedeuten, sowie du deiner Familie entrissen wurdest?"
Ich musste an meine eigene Familie denken, an das Schmerzverzerrte Gesicht meines Bruders. An die Traurigen Augen meiner Mutter.
Mein Gesicht war Tränenüberströmt, doch auch das sonst so schöne Gesicht der Red Lady.
"Du verstehst... garnichts.." sagte sie geschwächt.
"Doch, ich versteh dich! Versink nicht in Selbstmitleid, ich weiß das du geliebt wurdest." redete ich weiter auf sie ein.
Jetzt stand ich direkt vor ihr. Aber sie machte keine Anstalten, mich zu bekämpfen. Sie stand einfach da und starrte mit verheulten Augen in mein Gesicht.
Schwach began ich zu Lächeln. Dann nahm ich sie in den Arm.
Sie riss die Augen auf. Ich spürte eine gewaltige Welle der Energie, die mir den Boden unter den Füßen wegriss.
Ich hörte Luciens panische Schreie um mich, doch ich reagierte nicht auf ihn.
Stattdessen klammerte ich mich an ihr fest, die nurnoch eine Hülle ihrer selbst war. Plötzlich wurde alles in gleißendes Licht getaucht.
Wir schwebten frei in einem weißen Licht. Da sah ich einen Schatten auf uns zukommen.
Langsam nahm er feste Umrisse an. Als ich erkannte, wer sich dahinter verbarg, stockte mir der Atem.
Es war Lucyas Bruder. Sanft lächelnd kam er uns immer näher.
Auch die Red Lady lächelte ihm entgegen. Sanft nahm er ihre Hand.
"Ich glaube, jetzt habe ich den Richtigen.." flüsterte sie, ehe sie sich an mich wandte.
"Danke, Candy..."
Auch Lucyas Bruder wandte sich nun mir zu. Er lächelte.
"Ich soll dich von meiner Schwester grüßen. Und von Treave." Ich grinste.
"Sag ihm, das ich ihm gewaltig in den Hintern trete, sobald ich ihn das nächste mal sehe."
Er begann ebenfalls zu grinsen. "Alles klar, mach ich."
Dann wandten sich die beiden zum gehen. Ich sah ihnen noch hinterher, ehe sie langsam in der Ferne verschwanden.
Plötzlich fiel ich, und langsam nahm die Welt um mich herum wieder Gestalt an.
Lucien wartete unten auf mich. Sanft landete ich in seinen Armen.
Ich lächelte ihn glücklich an, er lächelte zurück.
Ich schmiegte mich an seine Brust.
"Es ist vorbei..."

Mein altes neues Leben


Lucien hielt mich fest in seinen Armen. Um uns herum sah alles aus wie ein Schlachtfeld.
Kahn war noch ohnmächtig. Doch mein Blick fiel auf etwas anderes.
Lächelnd ging ich auf Treaves Leiche zu und hockte mich davor. Auch sein Gesicht war lächelnd.
Sanft strich ich eine Sträne aus seinem Gesicht.
"Es ist vorbei. Ich habs geschafft.." informierte ich auch ihn flüsternd. Dann küsste ich ihn sanft auf die Stirn.
Plötzlich trat Lucien hinter mich und half mir auf.
"Wir müssen zurück." meinte er. "Aber.." Ich sah zu Treave. Wir konnten ihn doch nicht hier liegen lassen..
"Calhavintas wird sich um alles kümmern.." beschwichtigte er mich. Dann hob er mich auf seine Arme und wir stiegen in den Himmel auf.
Plötzlich waren wir wieder im Schloss von Calhavintas. Die Säule began erneut zu reden.
"Ihr habt es tatsählich geschafft.." sagte er überglücklich.
"Candy, wie versprochen gewähre ich dir einen Wunsch.." sagte er.
Ich fühlte mich überrumpelt. Einen Wunsch?
Tief in meinem Herzen wusste ich natürlich, was ich wollte. Nach Hause, zu meiner Familie.
Aber ich war sicher das ich all das hier vermissen würde.
"Ich möchte.. zurück in meine Welt..zu meiner Familie.." sagte ich leise.
"Du wirst jegliche Errinerung an das Geschehene verlieren, sowie deine Familie sich nicht an deinen Tot errinern wird.." klärte er mich auf.
Ich wandte mich an Lucien. Würden wir uns jemals wiedersehen?
"Ich bin so weit.." gab ich leise bekannt.
Plötzlich umgab mich eine Lichtsaule.
"Candy!" Lucien stürtzte zu mir. Aber er kam nicht durch die Säule. Sie war wie eine Glasscheibe. Er legte seine Hand an die unsichtbare Mauer.
"Lucien..." flüsterte ich und Tränen stiegen mir in die Augen.
"Egal was Calhavintas sagt, ich werde euch alle niemals vergessen..."
Dann legte ich meine Hand an die Stelle, wo seine auch lag.
"Ich liebe dich..."
Aber seine Antwort darauf bekam ich nicht mehr mit, da ich plötzlich in die Höhe gerissen wurde.
Dann wurde alles schwarz...
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Maan, Wecker sollten verboten werden! Stöhnend machte ich ihn aus und drehte mich wieder um. Au! Was tat da so weh? Ich hob meine Decke etwas an und erschrack.
Wo kamen all diese Schürfwunden her? Ich sah aus als hätte ich vor kurzem erst eine Schlacht gekämpft. Seltsam...
Aber es half alles nichts. Wütend kämpfte ich mich aus dem Bett. Kurz hatte ich überlegt, heute einfach mal zu schwänzen.
Das bot sich ja wohl auch an, so wie ich aussah...
Trotzdem schleppte ich mich zum Bad, drückte die Klinke und.. abgeschlossen, wie immer.
Ich hämmerte gegen die Tür. "Steve, mach hinne!"
Doch er beeilte sich kein bisschen. Eine gute halbe Stunde (Die ich auch gut noch hätte im Bett verbringen können) später ließ er mich dann schließlich auch endlich ins Bad.

Auf dem Schulweg war ich auch nicht viel fitter. Gelangweilt ging ich die Straße entlang, als ich aufeinmal aus einem Busch seltsame Geräusche hörte.
Neugierig wie ich war sah ich nach und erschrak.
Da saß eine getiegerte Katze auf dem Boden, offensichtlich hatte sie eine Pfote verstaucht. Sanft nahm ich sie auf den Arm.
Dabei fiel mein Blick auf ihr Halsband.
"Kahn? Was für ein süßer name.. ist dein Herrchen hier irgendwo?"
Doch die Katze, oder besser der Kater wie ich gerade herausgefunden hatte, schnurrte nur und schmiegte sich an meine Brust.
Ob ich ihn behalten konnte? Schließlich schien sich hier ja niemand um ihn zu kümmern.
Ich setzte ihn wieder auf dem Boden ab. "Wenn du bis nach der Schule hier auf mich wartest, komm ich und nehme dich mit nach Hause."
Kahn miaute und rollte sich auf dem Boden zusammen.

Endlich in der Schule angekommen legte ich den Kopf auf mein Pult und schloss die Augen.
Doch nicht für lange.
"Hey Candy!" müde hob ich den Kopf. Melody kam mit einem seltsam fröhlichen Gesichtsausdruck auf mich zu.
"Weißt du was? Henry hat sich von Thea getrennt!"
Ich sah sie mit neugierigen Augen an. Eigentlich interessierte es mich kaum noch, ich war über Henry hinweg. Dennoch war es wie eine kleine Genugtung für mich.
Auf einmal betrat unsere Lehrerin die Klasse. Sie hatte einen seltsamen Jungen im Schlepptau.
Er hatte mittellange Haare. Aber sie waren dunkelblau. Und auch diese Augenfarbe, ein seltsames Magenta.
Diese Farbe hatte ich erst einmal gesehen, aber ich konnte mich bei Gott nicht mehr errinern wo.
"Das ist Luce, euer neuer Mitschüler." erklärte unsere Lehrerin.
Er starrte mich an, ich lächelte zurück.
Er sah war ganz shön grießgrämig aus, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, wir würden gute Freunde werden.

ENDE

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 25.05.2012

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