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Was für ein wunderschöner Tag, dachte ich, als ich aus dem Fenster sah. Wie es wohl wäre, wenn ich meine Badesachen packen, mich auf mein Fahrrad schwingen würde und ins kühle Nass springen würde. Die Idee ist verlockend, doch leider muss ich heute die ganze Zeit im Auto verbringen. Und das auch noch bei diesem heißen Wetter. Eigentlich sollte ich nicht mitfahren, in den Urlaub, da meine Zeugnisnoten alles andere als gut waren. Ich konnte meine Eltern aber dennoch umstimmen. Ein Urlaub ohne mich wäre doch todsterbenslangweilig. Schnell noch mein dickstes und neuestes Buch gegriffen und ins Auto.

Nach einer dreiviertel Stunde ging es dann auch endlich los. Ich saß mit meinem Buch schon seitdem im Auto und hatte bereits sechsundzwanzigeinhalb Seiten gelesen. Meine Mum rückte mit ihrem Sitz etwas vor, damit ich auch genug Platz für meine Beine hatte, während mein Dad losfuhr. Eigentlich wollte ich ja mit, aber wenn ich an die Fahrt dachte wurde mir kotzübel und schrecklich heiß. Mein Handy klingelte. „Kannst du das Scheißding nicht mal ausmachen? Wenigstens während der Fahrt?!“, schrie meine Mum. Sie schien schlecht geschlafen zu haben. Dennoch hob ich ab.

„Hallo?“, fragte ich ins Telefon. „Hi Schatz. Seid ihr schon unterwegs?“ Mein Freund. „Ja. Schade, dass du es gestern Abend nicht mehr geschafft hast vorbeizukommen. Ich habe gewartet.“ „Tut mir Leid. Ich wollte sooo gerne, aber ich hatte Hausarrest, weil ich vorgestern ein bisschen getrunken hatte. Meine Eltern meinten es war zu viel.“ Eine Entschuldigung war es zwar, aber zufrieden damit war ich nicht. So wie ich seine Eltern kennengelernt hatte – damals noch als beste Freundin – konnte ich mir nicht vorstellen, dass er wegen so einer Kleinigkeit einfach Hausarrest bekam. „Schade, hast du ihnen nicht gesagt, warum du weg wolltest?“ „Nein, sie wissen nichts von unserer Beziehung.“ „Wieso hast du es ihnen verschwiegen? Bin ich dir etwa peinlich?!“ „Ich muss dann mal auflegen. Meldest du dich nachher?“ „Ja. Bis dann. Ich liebe dich.“ Damit legte ich auf.

„Wer war das?“, wollte meine Mum sofort wissen. „Jan – mein Freund. Er wollte wissen, ob wir schon da sind.“ Zufrieden drehte sie sich um. Ich las weiter.

Im Ferienhaus angekommen, räumte meine Mum mir meinen Kleiderschrank ein. Zur gleichen Zeit machte mein Dad das Abendbrot. Fisch. Sein Motto war: „Wenn man schon an die Ostsee fährt, muss man auch Fisch essen.“ Ich hatte so gar keine Lust auf Essen. Eher auf Trinken. Ich könnte die ganze Ostsee austrinken. Als meine Mum aus dem Zimmer war und ich etwas getrunken hatte, legte ich mich ins Bett und ruhte mich aus – endlich.


Ich war zu Hause. Eher gesagt auf dem Schulhof. Jan verleugnete mich vor seinen Freunden. „Wer bist du? Was willst du von mir?“, schrie er mich an. Seine Kumpels lachten mich aus. Ich glaubte, im falschen Film zu sein. Das ging gar nicht. Ich rannte weinend nach Hause.

Schweißgebadet wachte ich auf. Hoffentlich passiert so etwas nicht wirklich mal. Die Tür ging auf. „Schatz, was ist los?“ Mum. „Nichts, nichts. Ich habe nur schlecht geträumt. Kannst du mir vielleicht ein Glas Wasser holen?“ Wortlos verschwand sie in der Küche. Sie war die Beste. Kurze Zeit später stand sie wieder neben mir und hielt mir das Glas Wasser direkt unter die Nase. Dankbar nahm ich es ihr aus der Hand, trank einen Schluck und legte mich wieder ins Bett. Meine Mum knipste das Licht aus und verschwand.

Den Rest der Nacht hatte ich einigermaßen gut überstanden. Zwei Mal war ich noch aufgewacht, weil ich schlecht geträumt hatte. Wir frühstückten im großen, gepflegten Garten, den die Besitzer zu lieben schienen. Es sah aus, wie in einem wunderschönen, kleinen Naturschutzgebiet. Ich fühlte mich rundum wohl. „Geht ihr heute baden?“, fragte ich. „Nein, wir fahren ins Aquarium. Später gucken wir dann mal ans Meer,aber wir gehen nicht baden. Oder möchtest du lieber etwas anderes erleben?“ Mein Dad gab sich echt Mühe. „Nein, nein. Ist schon in Ordnung.“ Dieser Tag schien ja ganz passabel zu werden.

Im Aquarium blickte ich mich um, als würde ich es in- und auswendig kennen. Aber irgendetwas fehlte hier. Die bunten Fische, die es im Sea Life bei uns zu Hause gab, waren nicht da. Alles war grau und langweilig. Das Sea Life war eben nicht zu toppen. Was wollten meine Eltern noch hier? Um nicht aufzufallen guckte ich mir das Grau in den riesigen Fischbecken eben weiter an.

Nach zwei langen mühsamen Stunden des Quälens hielten es meine Eltern endlich für nötig, dieses langweilige Ding von Aquarium zu verlassen. Mein Dad liebte so etwas. Vielleicht würde ich das auch eines Tages tun – mich für langweilige Dinge zu interessieren. Es war spät geworden. Ich hatte keine Lust mehr auf das Meer, aber meinen Eltern zuliebe ging ich mit. Schließlich konnte ich froh sein, dass sie mich überhaupt mitgenommen hatten.

Ich hinterließ Spuren im Sand, versuchte Muscheln aufzuheben, aber es gelang mir nicht, da ich keine Lust hatte im Sand stecken zu bleiben. Ich fühlte mich elender, als je zuvor. Es war ja so zum Verzweifeln. Ich könnte heulen. Das war nicht das Leben, was ich wollte. Es war ein sinnloses Leben....

Den Rest des Abends sperrte ich mich in meinem Zimmer ein, telefonierte mit Jan und Marie, meiner besten Freundin. Jan war irgendwie bedrückt und Marie, deren Mutter auf unser Haus aufpassen sollte, teilte mir mit, dass mein Goldfisch gestorben war. Ich weinte hemmungslos. Nicht nur wegen dem Goldfisch, auch wegen Jan. Ich spürte, dass er eine andere hatte. Meine Mum hätte mir erst mal einen Vortrag darüber gehalten, was es eigentlich bedeutete mit jemandem zusammen zu sein. Sie hielt mir schon jahrelang vor, ich sei zu blauäugig, um festzustellen, wer der Richtige für mich ist. Als ob sie das besser wüsste, als ich! Das war die Krönung. Ich legte mich aufs Bett und versuchte zu vergessen.

Nach zwei Stunden wachte ich wieder auf. Es war schon stockdunkel. Meine Eltern waren garantiert schon im Bett. Ich war ganz allein. Kurzentschlossen nahm ich mein Handy und rief Jan an. Ich fand es beruhigend seine Stimme zu hören, ließ mir aber trotzdem nicht anmerken, wie es mir ging. Als ich auflegte waren da wieder diese Schmetterlinge, die ich am Anfang unserer Beziehung immer hatte. Ein Blick auf mein Handy sagte mir, dass es bereits zwei Uhr und siebenundvierzig Minuten war. Ich beschloss wieder zu schlafen, doch ich konnte nicht, da mir eiskalt war. Ein Schauer lief mir über den Rücken, als ich die Eingangstür hörte. Was wollten meine Eltern um diese Zeit draußen? Ich lag reglos da, bis ich zwei Männerstimmen hörte. Jan? Ja, wirklich. Die eine Stimme hörte sich an, wie die von Jan. Mein Herz machte einen Hüpfer. War er nur wegen mir hierher gekommen?

„Hi Melly. Ich habe dich gehört. Willst du was trinken?“ Dankend nahm ich das trübe Wasser aus Jan's Hand. Kurz darauf wurde mir schwindelig.

Am nächsten Morgen lag ein Zettel auf meinem Bauch:
Liebe Melly.
Es tut mir so Leid, aber ich kann nicht mit dir zusammen sein.
Du fragst dich jetzt bestimmt, warum ich so eine Methode wähle, um mit dir Schluss zu machen, aber weil ich finde, dass du es verdient hast gewürdigt zu werden, musste ich dir etwas vorbeibringen. Der Gutschein, den ich meine, liegt in dem Umschlag im Schrank.
Achso, sorry. Da kommst du ja gar nicht alleine hin ☺
Scheißegal, dann lass ihn dir halt holen.
Ich kann dir ja schon mal sagen, für was der Gutschein ist.
Ich habe dir mal einen Friedhofsplatz besorgt, damit deine Eltern nicht so viel suchen müssen, sobald du tot bist. ☺
Und das wirst du bald sein.
Ich verfolge dich auf Schritt und Tritt.
Träum schön, Jan. ♥
Tränen liefen mir über die Wangen. Wie konnte er so etwas tun? War er verrückt und war es nur eine leere Drohung? Ich musste den Brief auf jeden Fall meinen Eltern zeigen. Jan machte nicht einfach leere Versprechungen. Und diese Zeile „Da kommst du ja gar nicht allein hin.“ konnte er sich echt sonst wohin stecken. Ich saß vielleicht im Rollstuhl, aber mich deswegen so zu diskriminieren... Ich schrie nach meinen Eltern. Mir war schon fast klar, dass sie mich nicht mehr hören konnten. Sie waren längst tot. Jan hatte sie ermordet. Ich wollte nach meinem Handy greifen, als Jan hereinkam – mit dem leblosen Körper meiner Mum auf dem Arm. Sie war voller Blutspritzer. In ihrem Bauch war das Messer. „Wieso, Jan, wieso?“, stieß ich unter Tränen hervor. Mir war klar, dass ich keine Antwort bekommen würde. Er ging zur Wand und schrieb mit dem Blut meiner Mum auf die weiße Fläche der Wand: „Hör' auf Fragen zu stellen! Stell' dich hin und wenn du das nicht kannst, bist du tot.“ Ich versuchte aus dem Bett zu kommen. Setzte mich auf, aber ich kam nicht auf die Beine. Ich versuchte alles, es funktionierte einfach nicht. Wieso kapierte er nicht, dass ich behindert war? Jan kam zum Bett, riss das blutige Messer aus dem leblosen Körper meiner Mum und stach es mir direkt in die Brust. Das letzte, was ich hörte war: „Du hast jahrelang meine kostbare Zeit missbrauch, du Miststück!! Jetzt hast du das bekommen, was du verdient hast! Ich habe dich nie geliebt...“ Die wütende Stimme von Jan.....

Jetzt bin ich tot und habe euch meine Geschichte erzählt. Ich fühle und spüre zum Glück nichts mehr und Jan hat seine gerechte Strafe bekommen...

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 26.10.2011

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