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Prolog


Wie alles begann



Ich liege eingewickelt in meiner flauschigen Bettdecke und beobachte wie der Mond vor meinem Fenster sein helles, weißes Licht an die gegenüberliegende Wand wirft.
Ein Flüstern, kaum hörbar, erfüllt die Stille. Es gesellt sich ein Schatten dazu, dunkler als die anderen bewegt er sich an der Wand entlang auf mich zu.
Ich kann meinen Herzschlag hören, wie er von Sekunde zu Sekunde schneller wird.
Der Schatten nähert sich unaufhaltsam. Ich drücke meine Augen fest zusammen.
Ein Schrei entfährt mir. Unfähig es zu verhindern hallt er laut durch das schlafende Haus. Mein Blick fällt ein weiteres Mal auf die Wand – nichts.
Eine weiße, kahle Wand, ohne ein Bild und ohne einen Schatten der sich bewegt.

Wenige Minuten später öffnet sich die Tür zu meinem Zimmer und meine Stiefmutter erscheint auf der Türschwelle. Mit noch vom Schlaf halp geöffneten Augen mustert sie mich ohne ein Wort. Von Sekunde zu Sekunde wird ihr Blick finsterer. Das Licht in meinem Zimmer schaltet sie erst gar nicht ein.
Ein Flüstern, leise aber drohend, entkommt ihren Lippen: „Ich hoffe das ist und bleibt das Einzige mal, dass ich wegen dir um meinen Schlaf gebracht werde.“ Eine Pause tritt ein und sie fügt noch hinzu. „Ich hätte eigentlich gedacht du wärst alt genug, um nicht mehr von Monstern zu träumen. Reiß dich zusammen und schlaf jetzt!“, mit diesen Worten schließt sie leise die Tür hinter sich.

Es ist jetzt ein Jahr seit dem Tod meiner Mutter vergangen. Aber ich vermisse sie jeden Tag und besonders jede Nacht.

Ohne es zu wollen werden meine Augen feucht und die ersten Tränen bahnen sich einen Weg über meine rechte Wange. Plötzlich ertönt ein leises Knarren, als meine Zimmertür ein zweites Mal geöffnet wird. Dieses Mal jedoch huscht eine kleine Gestalt hinein und legt sich zu mir unter die Bettdecke. Schließt sanft seine Arme um mich.

Meine Augen sind geschlossen und ich gleite bereits in einen tiefen, traumlosen Schlaf. Als ich noch ein leises Flüstern vernehme.
„Es wird alles gut Jessica. Ich weiß es.“

10 Jahre später


Ich bin 17 Jahre alt und es hat sich nichts verändert



Auf einmal bin ich wach. Ich strecke meine Hand nach meinem Wecker aus. Taste langsam nach dem oberen Knopf, damit das Licht angeht und mir zeigt -

„Mitternacht“, flüstere ich in die Dunkelheit meines Zimmers hinein. Mit meiner Hand suche ich nach meiner Nachttischlampe. Ich fühle den Schalter. Drücke drauf und – nichts passiert.

Ein Stöhnen entringt sich meinen Lippen. Oh nein. Nicht schon wieder. Ein eisiger Windhauch lässt mich am ganzen Körper zittern. Schnell ziehe ich meine Hand unter die Bettdecke und wickle die Decke fester um meinen Körper. Fest schließe ich meine Augen und bete innerlich diese eine Nacht möge es anders sein. Aber schon höre ich sie flüstern. Ganz leise, in einer fremden Sprache. Eine Gänsehaut überzieht meinen Körper. Ich schließe noch fester meine Augen. Ziehe die Bettdecke über meinen Kopf.
Nichts - ich atme auf.

Doch schon spüre ich sie. Sie sind da, wie jede Nacht. Lauernd in der Dunkelheit.

Die Kälte lässt mich schließlich aufgeben. Sie zieht langsam in jede noch so kleine Ecke meines Zimmers ein, bis sie auch mich erreicht. Vorsichtig strecke ich meinen Kopf aus der Decke. Mein Atem bildet sich zu kleinen Rauchschwaden vor meinen Augen. Kalte Schauer jagen durch meinen Körper. Meine Hände und Füße gleichen Eiszapfen. Meine Zähne schlagen mit solcher Wucht aufeinander, dass es wehtut. Behutsam setzte ich einen Fuß nach dem anderen auf den kalten Linoleumboden meines Zimmers. Es ist stockdunkel, kein noch so winziger Lichtschein hat sich hierher verirrt. Meine nackten Füße tasten sich langsam vorwärts. Die Kälte weist mir den Weg bis zu meinem einzigen Fenster. In meinem dünnen Nachthemd frierend blicke ich hinaus in die kalte, dunkle Nacht.
Am Horizont sind kleine Lichtpunkte zu erkennen, ansonsten umschließt ein dunkler schwarzer Vorhang jeden Zentimeter der Landschaft. Erst jetzt merke ich, dass mein Fenster weit nach außen hin geöffnet ist. Ich beuge mich über meinen Schreibtisch um es zu schließen. Da spüre ich etwas an meinem Bein. Ein Hauch.

Ich habe Angst.

Tränen laufen mir die Wangen runter. „Lasst mich in Ruhe. Bitte“, flehe ich. Wohl wissend, dass sie mich nicht verstehen. Ihr Flüstern vorher noch kaum hörbar wird lauter und immer lauter. Sie umzingeln mich von allen Seiten. Geister der Nacht. Ohne Augen. Ohne Mund. Nur Schemen in der Dunkelheit. Meine Beine halten mich nicht mehr. Ich falle hin. Auf dem Boden kauernd, mit Tränen in den Augen und meine Hände schützend auf meine Ohren gelegt, hocke ich da. Wie lange das weiß ich nicht, aber plötzlich erscheint Licht unter dem Türspalt.
Jemand klopft. Bevor ich genug Kraft aufbringen kann, um aufzustehen, geht die Tür zu meinem Zimmer auf. Alexander, mein Bruder, steht vom Licht im Flur beleuchtet an meiner Türschwelle.

„Jessica“, flüstert er. Er kommt mit schnellen Schritten auf mich zu, nimmt mich in die Arme und hilft mir aufzustehen. „Diese Nacht wieder?“, fragt er mich. „Ja“, kriege ich gerade noch heraus. Er führt mich zu meinem Bett und schaltet meine Tischlampe an.
Vom Licht geblendet muss ich meine Augen zunächst vor der plötzlichen Helligkeit abschirmen. „Ich geh schnell und mach dir das Übliche.“, flüstert Alex mir ins Ohr. Während er weg ist, gewöhnen sich meine Augen langsam an das Licht. Ich nehme meine Hand herunter und mein Blick fällt augenblicklich auf die Anzeige meines Weckers. 4:00 Uhr. Es ist vorbei. Sie sind nicht mehr da.

5 Minuten später taucht eine große Tasse heißer Schokolade in mein Blickfeld. „Das Übliche?“, frage ich und ein kleines Lächeln stiehlt sich auf mein Gesicht. „Das Übliche“, bestätigt mein Bruder.

Es ist wie jede Nacht, immer und immer wieder der gleiche Kampf.
Das erste Mal als ich nachts von ihnen geweckt wurde, an das ich mich erinnern kann, war mit sieben Jahren, ein Jahr nach dem Tod meiner Mutter. Ich hörte sie bevor ich sie sah. Es war damals noch nicht so schlimm wie heute. Sie beobachteten mich lange nur aus den dunklen Ecken meines Zimmers. Seit zwei Jahren wurde es schlimmer und seit einem Monat wird es von Nacht zu Nacht schlimmer. Es werden immer mehr und es reicht ihnen nicht mehr nur zu beobachten. Sie nehmen mir meine Kraft, meinen Atem, meine Wärme. Ist die Nacht vorbei, fühle ich mich als wäre ich einen Marathon gelaufen und anschließend in ein Becken mit eiskaltem Wasser gesprungen. Ich weiß nicht warum sie da sind und was sie von mir wollen. Aber was ich weiß ist, dass ich es möglichst bald herausfinden sollte. Denn ich weiß nicht wozu sie alles fähig sind.

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Texte: Alle Rechte vorbehalten
Tag der Veröffentlichung: 06.08.2012

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