Geschichten werden geschrieben, um zu berühren, zum Nachdenken zu verleiten, schöne Stunden zu gewähren und einen aus dem grauen Alltag, traurigen Momenten oder schwierigen Lebenssituationen hinwegzutragen. Womöglich dienen sie auch der Unterhaltung, zum Mitärgern, weil Protagonisten nicht so ‚funktionieren‘, wie man es selbst tun würde oder sie locken Tränen aus den Augenwinkeln, sei es aus Freude oder Trauer.
Ich hoffe daher, diese Geschichte kann auch dir eine wunderbare Lesezeit ermöglichen. Sollte es tatsächlich so sein, wäre das schönste Lob und die größte Unterstützung, deine Meinung in Form einer Rezension in einer dir genehmen Onlineplattform oder in einem Onlineshop dazulassen ;)!
Danke!
© 2019 Celine Clair
Alle Rechte vorbehalten
1. Auflage 2019
Umschlaggestaltung: © JaquelineKropmanns
Korrektorat: Daniela Jungmeyer
Printed in Germany
ISBN-13 978-3-7497-2878-7
Dieses Buch enthält Passagen, die Sex, Liebe und mitunter derbe Aussagen beinhalten. Ich bitte dich daher, von diesem Buch Abstand zu nehmen, solltest du kein Freund von erotisch angehauchten Romanen sein, denn du könntest anderen Lesern den Spaß daran verderben. Das Buch ist für Jugendliche unter 16 Jahren nicht geeignet.
Alle Personen und Namen innerhalb dieses Romans sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Dieses Dokument ist doppelt urheberrechtlich geschützt!
So schmeckt also mein Auto, kam ihr der stichhaltige Gedanke, als ihre Lippen über das kalte Metall des Daches fuhren, da ein Polizeibeamter ihre Scherze alles andere als lustig empfunden hatte. In dieser demütigen Haltung wurde ihr klar, dass diese Situation böse enden würde. Als Selina gegen ihren Wagen gepresst wurde, hinter ihr die Handschellen einrasteten, war das erotische Bild im Zuge des Punktes ‚Einmal einen Polizisten bei einer Straßenkontrolle anbaggern‘ auf ihrer To-do-Liste nicht mehr so prickelnd. Es war bitterkalt, da der herbstliche Wind ihr durch die Strümpfe fuhr und es musste bewölkt sein, denn außer der Straßenbeleuchtung und den Scheinwerfern des Polizeiwagens war kein Fünkchen Licht am Horizont zu erkennen.
Was ist nur in mich gefahren? Wie viele Gin Tonics waren es? Sie hatte nur zwei gezählt, aber was da gerade ungefiltert über ihre Lippen gerutscht war, war alles andere als belustigend oder eloquent gewesen. Also mussten es eindeutig mehr als zwei Gläser gewesen sein:
„Herr Inspektor, wo soll ich Ihnen nun blasen, damit Sie meinen Alkoholspiegel ablesen können?“, hallte es in ihrer Erinnerung nach und sie wollte sich gar nicht ausmalen, welchen beschwipsten Blick sie dabei aufgesetzt hatte. Womöglich hatte sie noch gedacht, sie wäre gerade lasziv in Erscheinung getreten. Dann folgte des Weiteren etwas so Stilvolles wie: „Sind Sie sich sicher, dass ich keine Waffen oder Drogen an meinem Körper trage? Wollen Sie mich nicht penibelst genau abtasten? In meinem Höschen ist besonders viel Platz!“
Was zum Kuckuck noch einmal soll ‚penibelst genau‘ sein? Und hatte sie das wirklich laut ausgesprochen oder war ihre Fantasie hier nur am Blühen bei einer bereits furchtbar eskalierenden Situation?
„Lalle ich eigentlich?“ Oh nein! Halt doch einfach den Mund, bevor es schlimmer wird, Selina!, bettelte ihr Verstand, der zwischen Paragrafen, Ausschnitten von Richtersendungen im Fernsehen und wütenden Ausdrucken ihrer Eltern hin und her torkelte. Denn genauso fühlte sich ihr Kopf an: wie eine reich gefüllte Bowle, die durchgeschüttelt wurde.
„Ha, ha, ha! Steger, du hast es wieder einmal geschafft!“, lachte der zweite Beamte amüsiert, der mit den Händen in den Hüften beim Polizeiwagen stehen geblieben war, indes dieser Herr Steger sie gegen den Wagen gepresst hielt. Selina konnte im Scheinwerferlicht des Einsatzfahrzeuges nur seine Silhouette erkennen, da ihr Kopf in seiner Richtung auf dem harten Metall auflag. Doch offenbar amüsierte er sich köstlich auf ihre Kosten.
„Halt’s Maul“, brummte der Kollege Steger zurück, während er Selina unsanft am Oberarm zog, um sie umzudrehen. „Autsch!“, protestierte sie und konnte nicht verhindern, dass ihre Pupillen glasig wurden. Sie fühlte sich erbärmlich.
„Haben Sie nun Ihre Rechte verstanden, die ich Ihnen gerade verlesen habe? Sie bekommen auf dem Revier noch die schriftliche Ausfertigung“, seufzte der Beamte mit diesen unglaublich ausdrucksstarken Augen. „Ich verstehe es nicht, warum Sie es so weit haben kommen lassen, Frau Krüger. Alkohol am Steuer, Führen eines verkehrsuntauglichen Fahrzeuges – und nicht zu vergessen: Beamtenbeleidigung. Dabei hatte ich vorgehabt, Sie mit einer simplen Verwarnung davonkommen zu lassen.“ Dann schnappte er sie grob am Bizeps und wollte sie zum Einsatzfahrzeug bringen. Selina blinzelte traurig zu ihrem zurückgelassenen Auto, das wie ausgesetzt am Straßenrand der Bundesstraße stand. Das musste alles ein böser Albtraum gewesen sein, immerhin war der Abend mit ihren Freundinnen so genial gestartet.
„Bitte, ich wollte Sie nicht beleidigen. Ich hatte eher vor, mit Ihnen zu flirten.“ Selina hatte kaum ein Gefühl für ihre Zunge, sie fühlte sich merkwürdig pelzig an und sie war dankbar für die starke Hand, die sie stützte, denn die Welt um sie herum schien sich zu drehen. Dabei hätte sie schwören können, als sie eingestiegen war, ging es ihr noch bestens. „Ich meine, ich komme gerade aus dem Casino und ich gebe zu, ich hätte in diesem Zustand vielleicht nicht mehr fahren sollen, aber mal ehrlich: Wie oft kommt es vor, dass man von so einem attraktiven Polizisten aufgehalten wird? Der Alkohol hat meine Zunge gelockert und ich habe mir Dinge ausgemalt, die nur in Schundromanen vorkommen. Es tut mir wirklich leid, aber was soll ich tun? Sie stehen hier in Uniform, ich kann sonst nirgendwo hinsehen als auf ihren heißen Arsch, die breiten Schultern und diese Lippen, die ausnahmslos jede Frau im Schritt haben will.“ Selina verstummte sofort und hielt den Atem an. Ihr Mund musste sich selbstständig gemacht haben und entwickelte ohne Frage ein Eigenleben, bei dem sie nicht mehr mitzureden hatte.
Auch wenn es wahr ist! Wären ihre Hände nicht gerade am Rücken zusammengepfercht, hätte sie sich liebend gerne selbst eine gescheuert. „Bitte, Herr Inspektor, wenn Sie sich ausziehen, wäre ich nicht so nervös. Is’ wirklich so.“
Oh bitte, so wollte ich das jetzt nicht ausdrücken!!! Na ja, aber so ähnlich.
„Sie können es einfach nicht lassen? Finden Sie das etwa komisch?“ Seine Augen wurden zu zornigen Schlitzen, sie musste den Bogen tatsächlich überspannt haben. Sie presste die Lippen aufeinander und hatte den festen Vorsatz, ihren Kopf verneinend zu schütteln. Etwas Reue würde sie schon aufbringen können, oder nicht? Doch als sich in ihrem vom Alkohol bezirzten Gehirn soeben das Bild des Polizeibeamten formte, der bei toller Musik aus den 90ern vor ihr strippte und dabei einen kitschigen Glitzerstring trug, brach es aus ihr heraus. Sie konnte nicht anders, als loszuprusten vor Lachen. Gerade, als sie das Gleichgewicht zu verlieren drohte, hängte Selina sich an die starke Hand des Beamten, der zugleich seine zweite zu Hilfe nehmen musste.
„Gut, wenn Sie die Situation nicht ernst nehmen wollen, werde ich nun veranlassen, dass Ihr Auto abgeschleppt wird und Sie folgen mir unauffällig aufs Revier für eine Anzeige. Sie dürfen ihren witzigen Rausch dann anschließend im PAZ[1] ausschlafen.“
[1] Polizeianhaltezentrum
[1]Polizeianhaltezentrum
Als Selina vor der Polizeiinspektion resolut aus dem Einsatzwagen gezogen wurde, fing es gerade wie aus vollen Kannen zu schütten an. Ihr Herbstmantel war aus Wolle und sog sich regelrecht voll, wie ein Verdurstender in der Wüste. Unweigerlich begann sie am ganzen Leib zu frösteln, als dieser Beamte Steger seinen Kollegen ansprach: „Gut, dann viel Spaß in Günselsdorf und danke für deine Unterstützung. Wir sehen uns.“
Als Selina sich umsah, las sie Traiskirchen auf dem Amtsgebäude und fragte sich, ob dies das besagte ‚PAZ‘ war, was auch immer dies sein sollte. Dabei hätte sie diesem verschlafenen Nest ein eigenes Polizeirevier gar nicht zugetraut. Sie war noch nie hier gewesen, aber sie konnte auch nicht von sich behaupten, sich an diesem Ort länger als nötig niederlassen zu wollen. Alles wirkte trostlos und wie ausgestorben.
„Wirst du mit der Kleinen allein fertig?“, spottete sein Kollege, der nun lässig zur Fahrerseite des Wagens spazierte, und kassierte nur wieder ein Brummen von diesem Herrn Steger. Ihre wenigen Gehirnzellen, die gerade noch reibungslos funktionierten, suggerierten ihr, dass dieser Schönling seinen Job nicht besonders mochte, oder womöglich auch nur diese eine Aufgabe, sich um eine betrunkene Fahrzeuglenkerin zu kümmern.
Wer würde das auch schon gerne tun?!
Lieblos und übertrieben ernst zog er sie die drei Stufen empor zum Haupteingang und öffnete die Tür, um sie vor sich her hindurch zu schupsen.
„Hey, Steger. Brauchst du Hilfe?“, hörte Selina eine leicht brechende Stimme fragen, die zu einem etwas korpulenteren Exemplar der Polizei gehörte und sich hinter einem Bildschirm direkt beim Eingang verschanzte. Er musste wohl eine Art ‚Empfangsdame‘ für Parteienverkehr sein und hatte, ohne auch nur den Blick zu heben, ihre zu Fleisch gewordene Handschelle erkannt. So viele Mitarbeiter schienen hier also nicht ein- und auszugehen.
„Nein. Die Madame war nur überwitzig und hat sich persönlichen Polizeischutz gewünscht.“
„Aha“, kam es gelangweilt retour, während der Polizist, in dessen Klammergriff sie hing, sich nun die nasse, blaue Tellerkappe abzog und ausschüttelte. Das erste Mal konnte Selina den Mehrzweckgurt an seinen Hüften betrachten. Sie hatte mit Polizisten bisher kaum etwas zu tun gehabt, aber aus nächster Nähe sah dieser Gürtel wie ein kleines Waffenarsenal aus. Sie erkannte ein Taschenmesser in passender Hülle, offenbar ein Pfefferspray, eine Pistole samt Halterung, eine leere Tasche, wo wahrscheinlich die Handschellen ihren Platz fanden, Handschuhe zu einem Gummi gezwirbelt und noch so ein Täschchen, für was auch immer. Der Gurt musste Tonnen wiegen.
Selina ließ sich von dem Beamten durch einen schmalen Gang scheuchen, der aufgrund einer flackernden Neonröhre alles andere als einladend war. Etliche kastanienbraune Türen waren geschlossen und außer dem geschäftigen Tippen des Beamten beim Eingang – der gewiss nur im Internet surfte – war absolut nichts zu hören. Da musste sogar ihr quengelnder Magen randalieren und sich lautstark bemerkbar machen. Ein ungutes Gefühl kroch ihr den Rücken empor und ihr war gar nicht mehr nach Scherzen zumute. Es fehlte nur noch ein gehässiges, geisterhaftes Lachen und ein kühles Flüstern in ihrem Nacken, denn die Gänsehaut stand schon parat.
„Muss das alles sein?“, fragte sie kleinlaut, als sie bei einer der schäbigen Holztüren am anderen Ende des Gebäudes angekommen waren und der Polizist an ihr vorbeigriff, um die Klinke zu betätigen.
„Sagen Sie es mir, Frau Krüger. Ich könnte mir auch spannendere Themen vorstellen, als nun Ihre Personalien aufzunehmen.“ Selina wusste nicht, ob hier ein wenig Gehässigkeit durch die Worte gezogen war, doch als sie in dem warmen Raum ankamen, wurde ihr wieder bewusst, wie schwindelig sie sich fühlte. Noch dazu fraß sich die nasse Kälte ihres Mantels in die Haut und sie zitterte.
Es waren keine Worte nötig, denn als diese dunkelbraunen Augen sie misstrauisch musterten, hatte der Beamte wohl ihr Erschaudern bis in seine klammernde Klaue gespürt.
„Darf ich Ihnen das ausziehen?“
Ihre Vorstellungskraft setzte sich gerade Hörner auf und rieb sich frech die Hände. Ausziehen? Aber hallo!
Reiß dich zusammen!
Selina nickte hektisch und hoffte, ihre Lippen blieben diesmal versiegelt. Um sicherzugehen, fragte sie: „Entschuldigen Sie, Herr Inspektor, bevor wieder meine schmutzige Fantasie mit mir durchgeht und mir das Leben weiter zur Hölle macht, hätten Sie einen starken Kaffee für mich oder einen Schluck Wasser?“ Rasch setzte sie noch ein „Bitte“ hinterher.
Er sah sie eindringlich an und Selina tat sich schwer, seinem Blick standzuhalten. Der Beamte war einen Kopf größer als sie und seine dominante Nähe bereitete ihr weiche Knie. Plötzlich ließ er von ihr ab und sie stabilisierte sich an dem Stuhl, der direkt neben ihr stand.
„Exakt hier stehen bleiben! Und machen Sie mir bloß keine Dummheiten!“, drohte er ihr und hob in strenger Manier den Zeigefinger. Sie schluckte einen Kloß in die Flucht und nickte artig. Nach diesem finsteren Ausdruck traute sie sich nicht einmal ein Blinzeln zu. Dennoch blieb ihr nicht verborgen, wie seine Pupillen kurz ihr Gesicht abfuhren und an ihren Lippen haften blieben. Unter der blauen Uniform und den harten Paragrafen steckte letztendlich auch nur ein Mann, der auf Reize reagierte. Ein klein wenig triumphierend hob sie einen Mundwinkel an, doch er ignorierte diese Darbietung gekonnt und verschwand hurtig aus dem Büro.
Selina blickte sich um. Das Zimmer konnte nicht mehr als fünfzehn Quadratmeter groß sein, die Jalousien waren zugezogen, die weißen Oma-Vorhänge schienen vergilbt vom Rauch und die Möbel mussten schon so gestanden haben, als sie noch als Spermium unterwegs war.
Es roch alt und auch eine Note von stechendem Zitrusduft schwebte in der Luft, als würden es die Putzfrauen hier besonders genau nehmen. Und exakt dieser Geruch ließ die Übelkeit wieder anklopfen. Sie konnte nur hoffen, dass sich ihr ihr Mageninhalt in den nächsten Minuten nicht aufzwingen würde und sie dadurch ihre letzte Chance, hier mit nur einem blauen Auge davonzukommen, verspielen würde.
Sie versuchte, sich abzulenken und fuhr visuell alles ab. An den Wänden hingen Auszeichnungen und Diplome, auf denen der Name René Steger stand. Er schien in den letzten Jahren sehr viele Fortbildungen hinter sich gebracht zu haben und Selina fragte sich, ob das hier tatsächlich ein reguläres ‚Verhörzimmer‘ war. Es sah eher wie das persönliche Büro des Beamten aus.
Selina hätte sich so gerne die Oberarme gerieben, wenn die Handschellen ihre Arme mittlerweile nicht in eine schmerzende Starre nach hinten gezogen hätten und ihre Schultern bereits an Krämpfen litten. Sie nahm auch einen abgestandenen Geschmack in ihrem Mund wahr, während ihr Magen weiter rebellierte. Sie pflichtete daher dem Beamten bei, dass sie sich ebenfalls etwas Besseres vorstellen konnte, als hier Rede und Antwort zu stehen. Zum Beispiel in ihr flauschiges Bett zu fallen und die nächsten zwölf Stunden nicht mehr herauszukriechen. Ihr war das Ganze bereits peinlich und der anfängliche Übermut schien sich wohl langsam zu verflüchtigen. Zusammen mit dem Promillespiegel.
Als die Tür wieder aufsprang und der Beamte hereinkam, zuckte Selina augenblicklich zusammen.
„Hier, Ihr Kaffee zur Ausnüchterung. Vielleicht finden Sie nebenbei auch Ihren Respekt wieder“, erklärte er mürrisch und stellte einen Plastikbecher mit dampfendem Inhalt auf den Schreibtisch direkt daneben. Dann zog er sich seine durchnässte Einsatzjacke aus, hängte sie an die kleine Garderobe bei der Tür und wandte sich anschließend ihr zu. Unsanft drehte er sie um ihre eigene Achse, um an die Handschellen zu gelangen. Selina hörte ein metallenes Geräusch und spürte, wie die eisernen Klauen von ihr abließen. Instinktiv zog sie ihre Handgelenke nach vorne und rieb sich über die Druckstellen, die sich zweifelsohne in ihre zarte Haut gedrückt hatten. Auch alle an Handschellen gekoppelte Vorstellungen, die oftmals erotische Bilder und Gefühle heraufbeschworen, waren schlagartig verpufft wie Rauch.
„In Ihrer Fantasie hat sich das wohl anders angefühlt“, begleitete der Polizist die Geste und seine Stimme hatte eine sehr dunkle Klangfarbe angenommen, die ihr Gänsehaut bereitete. In der nächsten Sekunde half er ihr aus dem Mantel und ihre Blicke trafen sich für eine gefühlte Ewigkeit. Selina war fasziniert, dass diese Augen nicht nur braun waren, sondern kleine, grüne Sprenkel beherbergten. Doch er ließ ihr keine Gelegenheit, sie tiefer zu ergründen, denn er schob Selina zum Stuhl wie eine widerwillige Marionette. Dabei checkte er visuell ihr kurzes, eng anliegendes Paillettenkleid, das sie, mit V-Ausschnitt vorne und hinten, extra für den heutigen Abend aus dem Schrank gezogen hatte.
„Setzen!“, forderte er und sie folgte aufs Wort. Rasch ließ sie auch ihre kalten Finger um den Plastikbecher vor sich gleiten und sog den Kaffeegeruch tief ein, in der Hoffnung, er könne die Übelkeit besänftigen. Währenddessen ging der Beamte mit großen Schritten um den altmodischen Schreibtisch und es war für sie unmöglich, nicht auf den spannenden Stoff seines blauen Hemdes zu schielen, dessen oberste zwei Knöpfe sich verdächtig plagten, um nicht abzureißen. Der Schriftzug ,Polizei‘ lag über der stahlharten Brust und die Abzeichen mit dem österreichischen Adler und den Sternen an seinen Ärmeln sahen so edel aus. Er setzte sich auf den kleinen Stuhl hinter dem Tisch und wirkte geradezu zu groß gebaut für den armen, ächzenden Drehsessel, sodass Selina wieder schmunzeln musste. Ausgerechnet jetzt blickte er sie analysierend an. „Sie finden wohl Ihren Respekt eher nicht wieder.“
„Es tut mir leid …“, begann Selina ehrlich und lehnte sich über den Tisch, um Vertraulichkeit auszustrahlen. „Hören Sie. Ich schwöre, dass ich für gewöhnlich ein um…un…“ Selina rollte mit den Augen, da sich die Worte in ihrem Kopf zwar formten, aber ihre Zunge sie nicht rausbrachte. „Umgänglicher Mensch bin. Ich war einfach nur …“
Der Blick des Beamten fiel bei ihrer Sitzhaltung zwangsläufig in ihren Ausschnitt, was dazu führte, dass er sich schwungvoll im Sessel zurücklehnte und seine Augenbrauen nach oben zog. So schnell, wie er ihr erneut ins Gesicht sah, wollte er um jeden Preis eine unprofessionelle Haltung vermeiden und ergänzte: „In Feierlaune, ein paar Drinks zu viel und schon ist es lustig, vor einem Beamten zweideutig zu werden? Was glauben Sie, wie oft sich uniformierte Personen mit angeheiterten Groupies herumschlagen müssen, die meinen, mit ihrem Charme einer Anzeige oder Strafe entgehen zu können?“
Selina erkannte, dass solche Art Scherze wohl öfter auf seine Kosten gingen. Sie nahm ein paar Schlucke des warmen Gebräus und hoffte, ihre Gehirnzellen dadurch zu unterstützen. „Bitte. Es ging mir nicht darum, Sie zu beleidigen und ich schätze die Leistung der Polizei. Ich … ich …“ Sie rang um die richtigen Worte, die ihr im nüchternen Zustand bestimmt eingefallen wären.
Der Beamte wandte sich nun zum Bildschirm neben sich, zog die Tastatur näher heran und weckte seinen PC auf. Mit einer Hand fischte er nach Selinas Führerschein, den er fein säuberlich in der Brusttasche verstaut hatte, und legte ihn vor sich hin.
Selinas Mund wurde trocken. Was bedeutete das nun für sie? Ihre Rücklichter waren offenbar defekt gewesen, ohne dass sie es gewusst hatte. Noch dazu beide gleichzeitig! Der Inspektor hatte bei der Kontrolle keinen Alkoholtester dabeigehabt und konnte das Strafmaß für Alkoholkonsum am Steuer also nicht genau eingrenzen, aber die Beleidigungen? Gab es da wirklich einen Paragrafen? Ab wann bitteschön galt es denn als Beleidigung?
Sie sah sich bereits eine saftige Geldstrafe in die Hände der Justiz blättern. Würde sie vor einen Richter geführt werden und sich erklären müssen? Wie peinlich! Oder musste sie sogar eine Nacht in eine Art Ausnüchterungszelle, eingepfercht mit anderen ekligen Menschen, verbringen, so wie sie es in Filmen oft schon gesehen hatte? So viele Fragen sprangen ihr entgegen und feuerten die ansteigende Panik noch an.
Oh, bitte nicht!
Sie musste es erneut mit Vernunft und Reue versuchen: „Bitte, Herr Inspektor Steger, ich möchte nicht mit der Mitleidstour kommen, aber hatten Sie in Ihrem Leben nie eine Phase, in der Sie vor der Realität flüchten wollten, da Ihnen ein Missgeschick nach dem anderen passiert ist? Momente, in denen Sie sich volllaufen ließen, auch mal über die Strenge schlugen, weil Sie sich wieder nach dem Gefühl gesehnt hatten, zu leben? Sie einfach mal ausbrechen und unvernünftig sein wollten?“
Der Beamte hielt inne und kaute an seiner Unterlippe herum, als er sie nun studierte wie eine anstrengende Lektüre. Doch irgendwie fand sie das ein klein wenig sexy. Selina legte ihren Kopf schief und setzte den treuesten und reumütigsten Blick auf, den sie im Moment zustande brachte. Noch konnte sie keine Loslösung seiner angespannten Statur erkennen.
„Ich kam übermütig aus dem Casino, und als sie mich angehalten und bei der Fahrerseite zu mir reingesehen haben, ereilte mich dieser Gedanke, den ich schon so oft gehegt hatte, wenn mich ein junger, heißer …“ Sie musste schlucken, als er gerade die Arme vor sich verschränkte und laut Luft durch seine Nase stieß. Dabei öffnete sich ein Spalt an seinem Hemd, der eine glatt rasierten Brust erkennen ließ, und Selina schielte für einen Augenblick darauf, weil es einfach nicht anders ging. Bis sie sich wieder auf sein Gesicht konzentrieren konnte, welches mit dem Dreitagebart, der leicht schiefen – vielleicht mal gebrochenen – Nase und den schön geschwungenen Lippen auch nicht zu verachten war. Und sie mochte sein dichtes, haselnussfarbenes Haar samt modernem Kurzhaarschnitt.
„Entschuldigung. Ich versuche nur zu erklären, wie ich so leichtsinnig sein konnte. Um ehrlich zu sein, gibt es da diese Liste …“ Ihre auf dem Schreibtisch abgelegten Finger begannen zu zittern und sie bemühte sich, Ruhe einkehren zu lassen. Sie überspielte ihre Nervosität, indem sie ihr offenes Haar hinters Ohr strich.
„Und was für eine Liste ist das, wenn ich fragen darf?“ Es kam etwas gelangweilt rüber, doch zumindest hatte er ihr noch eine Chance gegeben, die Angelegenheit aufzuklären, sonst hätte er bestimmt wieder mit dem Tippen am PC begonnen, redete sie sich ein. Selina versuchte, sich zu fassen, um nicht erneut in ein Fettnäpfchen zu treten.
„Seit ich denken kann, führe ich eine Liste. Meine To-do-Liste mit Dingen, die ich unbedingt einmal im Leben machen will. Seien es atemberaubende, verrückte, gefährliche oder unvernünftige Sachen. Manche Punkte habe ich in Filmen gesehen, wieder andere sind Fantasien, die sehr intim und schräg sind. Ein paar sind mitunter schon zu geistesgestört, um sie erfüllen zu können.“ Selina tastete sich mit einem freundlichen Lächeln heran und versuchte nun, Verständnis bei ihrem Gegenüber zu schüren.
„Und dieses Affentheater beim Auto bezieht sich auf diese Liste?“, er sah sie nun skeptisch an und rümpfte die Nase.
Selina verzog das Gesicht: „Na ja, in meiner Vorstellung gestaltete sich das etwas prickelnder, um ehrlich zu sein. Ich sollte womöglich keine erotischen Romane mehr lesen.“ Selina lachte kurz auf, doch Herr Steger sprang nicht auf den Zug auf. Im Gegenteil: Sein Blick wurde dunkler und berechnender.
„Sind die Handschellen rein zufällig auch auf besagter Liste zu finden? Ich will es nämlich hoffen, zumal dies sonst für diese Art von Vergehen nicht üblich ist.“
Selina war verunsichert, wie sie nun auf diese Frage reagieren sollte. „In gewisser Weise ja“, flüsterte sie und sah sogleich, wie der Polizist aufstand und langsam zu ihr rüberkam. Wachsam ließ er sie nicht aus den Augen und ihr wurde mulmig zumute. Sie kam sich wie das Karnickel vor dem bösen Wolf vor.
„Und die Leibesvisitation bezüglich der Drogen oder Waffen? Stand die auch auf dieser To-do-Liste?“
Selina machte große Augen und ihre Lippen formten ein ‚Oh‘, als er direkt vor ihr zu stehen kam. Sein Blick war so stechend, dass ihr heiß wurde. Sie konnte nicht deuten, ob er aufgebracht war oder ihr einfach nur eine Lektion erteilen wollte, indem er bei ihr Unbehagen erzeugte.
„Ich habe Sie etwas gefragt, Frau Krüger …“ Obwohl es nur ein Flüstern war, kam es drohend rüber.
„Irgendwie schon“, murmelte sie kleinlaut, da sie es nicht wagte, ihn anzulügen.
„Aufstehen!“, forderte er schlagartig und Selinas Finger verkrampften sich auf den Armlehnen. Sie hoffte inständig, dass er nur scherzen würde.
„Aufstehen, hab’ ich gesagt!“, wiederholte er jedoch unerbittlich.
Blitzschnell sprang sie auf und konnte ihre weichen Knie rechtzeitig zur Vernunft bringen. Nur mit Mühe hielt sie seinem Blick stand, als er sie ohne Vorwarnung am Genick packte und mit seinem gesamten Körper gegen die Wand direkt neben der Tür schob. Selina schnappte überrascht nach Luft. Adrenalin schoss durch ihre Venen und sie starrte in diese dunklen Augen, die nicht von ihr abließen. Seine Statur war gegen ihre gelehnt, fest genug, um nicht fliehen zu können und dennoch nicht so eng, dass ihr das Atmen verwehrt bliebe. Selina spürte, wie seine linke Hand vom Genick aus nach vorne glitt und nun ihren Kiefer festhielt.
„Ich möchte, dass Sie die Arme nach oben strecken, Frau Krüger“, wisperte er, doch es klang angsteinflößend. Mit langsamen, zitternden Bewegungen gehorchte sie, während ihre Lippen zu beben begannen. Sie wollte etwas sagen, traute sich aber nicht. Viel zu perplex war sie aufgrund dieser plötzlichen Wendung und konnte nicht mehr erkennen, wo die Linie des Beamten gezogen war, die er in beruflicher Hinsicht nicht überschreiten durfte.
Er kam nun so nahe an ihr Antlitz, dass sie seinen heißen Atem spüren konnte. Ein Hauch von Minze und After Shave flog ihr entgegen, als seine Augen kurz über ihre Lippen strichen und er dabei seine eigenen mit der Zunge benetzte. Es war unmöglich, nicht hinzustarren. Seine Hand wurde weicher an ihrem Gesicht. Selina bildete sich sogar ein, dass sein Daumen leicht über ihr Kinn streichelte, bis er dann zu ihren Händen nach oben glitt, um diese unerbittlich festzuhalten.
Selina war verwirrt und überfordert gleichzeitig, als er ohne zu blinzeln mit der rechten Hand unter ihrer Achsel damit begann, ihren Körper abzutasten. Er zeichnete bestimmend ihre Statur bis zur Hüfte nach, trat ein paar Zentimeter von ihr weg, um diese Prozedur auch auf der linken Seite durchführen zu können.
Selina musste laut seufzen, da ihr erst jetzt bewusst wurde, dass sie zu lange den Atem angehalten hatte. Sie wurde Zeuge, wie der Beamte nun mit seiner warmen, verlangenden Hand unter ihrem Busen entlangstrich, um mögliche Gegenstände zu ertasten. Kurz machte er Anstalten, höher zu gleiten und bei Selina stellten sich automatisch die Brustwarzen auf. Irgendetwas tief in ihr drinnen wollte sogar, dass er es wagte und das Schlimme daran war, er hielt inne und schien genau diese Information in ihren Augen abzulesen.
Verräterischer Körper!
„Hast du Angst?“, flüsterte er und ihr war es augenblicklich egal, dass er das Du für sich beansprucht hatte. Selina konnte nur wie in Trance verneinen, als er wieder dicht heranschritt und seinen starken Oberschenkel direkt zwischen ihre presste, um diese zu spreizen. Sofort wurde sie von praller Hitze übergossen und kam sich absolut ausgeliefert vor. Und zwar ihm und ihrem mit Hormonschleudern bewaffneten Körper.
„Ah!“, rutschte es ihr heraus und sie wusste nicht, ob sie schreien sollte oder es ein Stöhnen werden würde. Ihr Körper spielte verrückt, denn mittlerweile drückte er seine Hand nur noch locker auf die ihren über ihrem Kopf. Sie könnte jederzeit flüchten, ihn treten oder schlagen, doch sie war außerstande dazu. Sie versank nur in diesen düsteren Augen, die sie in einem Bann hielten. Ab und zu kippte ihr Blick dennoch auf seine vollen Lippen, die so einladend nahe waren. Wie gerne hätte sie es gesehen, dass er die Kontrolle aufgab, dieses Spiel – was auch immer er damit beweisen oder bezwecken wollte – beendete und sie zu einem leidenschaftlichen Kuss verführen würde. Sie wäre mehr als bereit dafür!
Ihr Körper vibrierte leicht, als seine Hand flach an ihrem Bauch entlang langsam nach unten glitt. Ihre Haut prickelte, ihre Muskeln verspannten sich und Selina wusste, dass ein bettelnder Ausdruck in ihrem Antlitz erschien, als er jede ihrer Reaktionen gierig mit den Pupillen aufsaugte. Sie hätte schwören können, dass er diese Macht über sie mit allen Sinnen genoss.
Selinas Herz schlug ihr fest gegen die Brust, ihr Atem beschleunigte sich und sie biss sich vor Spannung in die Unterlippe. Was passiert hier nur?
„Dreh dich um“, flüsterte er mit einer Bestimmtheit, die keine Widerrede duldete. Zeitgleich ließ er von ihr ab und sie verspürte Enttäuschung in sich aufkeimen. Denn seine Wärme ging in dem Raum verloren und sie war überwältigt davon, welche Emotionen er mit diesem gemeinen Spiel in ihr auslöste: Gier, Lust und unsagbaren Hunger.
Doch sie drehte sich um und legte artig ihre Hände wieder über dem Kopf an der Wand ab. Sie schloss die Lider und konnte nicht anders, als ihr Kreuz verführerisch durchzudrücken und ihm den Po willig zu präsentieren. Ein Teil in ihr schrie auf, wie töricht und billig sie sich aufführte, der andere Part ließ seiner Fantasie freien Lauf und spornte sie noch an.
Selina spürte, wie seine Hände nun über ihren Rücken hinabstrichen, kurz vor ihrem Po jedoch leider nach außen auswichen, um sich an ihren seitlichen Oberschenkeln nach unten vorzuarbeiten. Er ließ bewusst jegliche verbotenen, erogenen Zonen aus, so durch und durch geplant war sein Agieren, dass es geradezu Frustration in ihr erzeugte.
Verdrossen stöhnte sie leise auf, da sie sich so sicher war, er würde sich wieder gegen sie stemmen oder seine großen, starken Arme fest um ihr Gesäß oder ihre Hüfte wickeln, doch er tat es einfach nicht! Alles in ihr bettelte danach, obwohl sie diesen Mann nicht kannte und er die Grenzen seines Jobs gerade schwer übertrat.
Plötzlich spürte sie, wie seine Hände vom Knie weg an den Innenseiten ihrer Oberschenkel nach oben strichen. Sie zog scharf die Luft ein und ließ das Ganze auf sich wirken. In diesem Augenblick verfluchte sie ihre Nylonstrümpfe, die nicht unerotischer sein konnten, da sie seine Haut nur zu erahnen vermochte. Als sich seine Finger bereits unter dem Saum ihres Kleides hoch arbeiteten, begann Selina erwartungsvoll zu zittern, denn sie wusste, er hockte direkt hinter ihr und war auf dem Weg zu ihrer Mitte. Sie benetzte die Lippen und genoss es, obwohl sie das eigentlich nicht zulassen sollte. Wie die verbotene Frucht, die Eva entgegengestreckt wurde. Doch nur wenige Zentimeter, bevor seine Finger ihren Schritt auch nur berühren konnten, stoppte er. Sie hätte aus Frust liebend gerne losgebrüllt, als er nun unerwartet aufstand, sich gegen sie presste und sie aufgrund seines Gewichts brutal an die Wand geschoben wurde.
Und es ist so ein heißes Gefühl!
Das Stöhnen, das ihr entfloh, war nicht mehr aufzuhalten und ihre Erregung nicht zu leugnen. Selina musste es wissen, drückte ihre Hüfte gegen ihn, da sie unbedingt herausfinden wollte, ob er so angetörnt war wie sie. Doch er ließ den direkten Kontakt ausgerechnet in Hüfthöhe nicht zu. Stattdessen hauchte er ihr nur ins Ohr: „Ich glaube nicht, dass du dir eine Waffe oder Drogen ins Höschen gesteckt hast, sonst würde ich gewiss gründlicher nachsehen. Ich hoffe allerdings, es ist dir eine Lehre, dass bestimmte Fantasien Fantasien bleiben sollten. Und wenn du das nun einsiehst, kannst du dir ein Uber bestellen und hier verschwinden. Denn die Kosten fürs Abschleppen werden dich ohnehin noch weiter zum Stöhnen bringen.“
Mit einem Mal ließ er von ihr ab und Selina krallte sich wie verloren gegen die Wand. Der bittere Beigeschmack von Schande zwang sich ihr langsam auf und sie wollte nicht wahrhaben, was da soeben passiert war. Ihr Höschen war zum Auswringen feucht und alles in ihr schrie, dass es so nicht enden sollte. Doch als sie ihre Lider öffnete und sich wie in Zeitlupe umdrehte, stand Herr Steger wieder hinter seinem Schreibtisch, als wäre nichts gewesen. Stupide hielt er ihr einen Zettel und den Führerschein entgegen und sein Ausdruck war kalt und ernst.
„Nimm deine Sachen, bevor ich es mir anders überlege.“
Er schien weder außer Atem zu sein noch konnte Selina in seinem Schritt eine verdächtige Beule erkennen. Es war frustrierend. Doch was hatte sie sich erwartet? Sie befand sich in einem Wachzimmer, irgendwo in einem kleinen Ort, der Traiskirchen hieß. Sie war Zivilistin, die alkoholisiert Auto gefahren war, den Beamten aufgezogen, gereizt, geprüft und sich ihm letztendlich wie eine Nutte präsentiert und geöffnet hatte.
Als diese Erkenntnis sich wie Schleim über ihren Körper legte und sie sich selbst anwiderte, nahm sie die entgegengestreckten Utensilien wortlos entgegen und lief mit eingezogenem Kopf aus dem Büro.
René ging der Anblick nicht aus dem Sinn. Er konnte nur hoffen, der Säugling würde sich im Spital wieder regenerieren, denn als er gesehen hatte, wie der drogensüchtige Ersatzvater mit gerade einmal dreiundzwanzig Jahren dem Geschrei nicht anders entgegenwirken konnte, als das wehrlose, zappelnde Bündel fast zu Tode zu schütteln, war bei ihm eine Sicherung durchgebrannt. René hätte liebend gerne dem verfluchten Kerl gezeigt, wie es sich am eigenen Leibe anfühlte und ihm eingebläut, sich künftig mit Personen seines Kalibers anzulegen. Zum Glück war sein Kollege Tagauer dazwischengegangen, sonst hätte René sich vergessen, denn noch immer schoss ihm das Adrenalin durch die Adern und seine Hände waren zu unbarmherzigen Fäusten mutiert.
„Alles in Ordnung bei dir, Steger? Vielleicht solltest du nun endlich mal beim Doc vorbeischauen. Ich kann das nicht länger decken.“ René sollte diese Drohung eigentlich nicht ernst nehmen, denn immerhin war er Revierinspektor und Tagauer konnte ihm nichts anhaben, da er selbst ranghöher angesehen werden musste. Dennoch war sein Traum, bald in die Sondereinheit WEGA zu wechseln und demnach weg von der Streife oder Büroarbeit zu kommen, in Griffnähe. Er musste sich zusammenreißen, solange seine Bewerbung noch nicht durch war.
Täglich verzehrte sich Renés Körper nach dem Kick, der Jagd, der Aufregung, die die Außeneinsätze mit sich brachten. Und er wusste, die Einsätze in Niederösterreich und die paar in Wien, wo zumeist Demonstranten in Schach gehalten werden mussten, konnten dem nervenaufreibenden Job bei der WEGA oder einer anderen Sondereinheit nicht nahe kommen. Und um dort schlussendlich zu landen, musste er Nerven aus Stahl beweisen und nicht bei jeder kleinsten Eskalation ein rotes Tuch sehen. Und das wusste er selbst.
Ja, womöglich hätte er dem vermeintlichen Vater eben die Fresse poliert, und ja, es wäre ihm schwergefallen, im Blutrausch wieder aufzuhören. Dafür waren die Wunden seiner Vergangenheit zu tief, die Parallelen zu seinem eigenen gewalttätigen Erzeuger zu dicht dran. Aber dennoch war René felsenfest davon überzeugt, dass er alles unter Kontrolle hatte. Und zwar stets!
„Gut, Tagauer, wenn dich das beruhigt, ich gelobe Besserung“, scherzte er halbherzig und sah im Augenwinkel, wie zwei andere Beamte den tobenden Ersatzvater an den Ellenbogen herauszerrten, während dieser wild mit den Beinen gegen alles und jeden trat. Wieder kam in ihm große Lust auf, ihn zu verdreschen, als sie mit dem zappelnden Hungerhaken im Schlepptau an ihm vorbeigingen und René diesem aus Versehen mit dem Ellenbogen in sein Gesicht schlug. Augenblicklich war der Mann bewusstlos und ruhig. Tagauer sah ihn entsetzt an, dann schüttelte er den Kopf, als wäre Hopfen und Malz ohnehin verloren. „Musste das sein?“
„Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst?“ René hob verständnislos die Schultern. „Ich habe nur hier gestanden und mich mit dir unterhalten. Ich konnte ja nicht ahnen, dass er mir seitlich hineinläuft.“ René zog einen Mundwinkel schmunzelnd hoch und wartete auf ein Mucken, doch Tagauer seufzte nur und trottete den Kollegen mit dem bewusstlosen Mann hinterher. Er half ihnen gewiss, den nassen Sack über das Stiegenhaus hinauszubringen. René konnte sich schon bildlich vorstellen, wie die drei ihn auf den Rücksitz des Einsatzfahrzeuges hieven würden.
Währenddessen zog er sich seine Handschuhe aus und blickte zu der weinenden Mutter zurück ins Wohnzimmer, die von einer Sozialbetreuerin beruhigt wurde. Die Lebensbedingungen deuteten darauf hin, dass sie nicht die Ordentlichste war und das Geld auch anstatt für Kleidung und gesunde Nahrung für Junkfood und Unterhaltungselektronik zweckentfremdet hatte. Überall lagen leere Chipspackungen herum und die Joysticks, etliche Kabel und geöffnete Spielehüllen waren auf dem Couchtisch verteilt. Das schmuddelige Sofa, auf dem beide Personen saßen, hatte die besten Zeiten bereits hinter sich und etliche Flecken
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Celine Clair
Bildmaterialien: Jacqueline Kropmanns
Cover: Celine Clair
Lektorat: Daniela Jungmeyer
Tag der Veröffentlichung: 09.04.2019
ISBN: 978-3-7487-1787-4
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
© 2019 Celine Clair
Alle Rechte vorbehalten
1. Auflage 2019
Umschlaggestaltung: © JaquelineKropmanns
Korrektorat: Daniela Jungmeyer
Printed in Germany
ISBN-13 978-3-7497-2878-7
Dieses Buch enthält Passagen, die Sex, Liebe und mitunter derbe Aussagen beinhalten. Ich bitte dich daher, von diesem Buch Abstand zu nehmen, solltest du kein Freund von erotisch angehauchten Romanen sein, denn du könntest anderen Lesern den Spaß daran verderben. Das Buch ist für Jugendliche unter 16 Jahren nicht geeignet.
Alle Personen und Namen innerhalb dieses Romans sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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